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«Mit Raiffeisen bleibe ich immer verbunden.» Pierin Vincenz, CEO Raiffeisen-Gruppe
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8. September 2015 – www.cash.ch
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EDITORIAL – IMPRESSUM
EDITORIAL
Tiefe Zinsen bleiben noch lange bestehen. Immer wichtiger wird dabei die Eigenverantwortung in Finanzfragen. Abschaffung der Kursuntergrenze zum Euro und Einführung von Negativzinsen: Kein anderes Ereignis prägte das Schweizer Finanzjahr 2015 dermassen wie der geldpolitisch historische Akt der Schweizerischen Nationalbank von Mitte Januar. Die Märkte haben sich nach wochenlangem Ausnahmezustand inzwischen weitgehend beruhigt.
Doch das kann noch Jahre dauern, und auf der Schattenseite der Tief- und Negativzinsen stehen je länger, je mehr Pensionskassen, Versicherer und Sparer. Sie erhalten kaum noch Erträge auf ihren Einlagen, Grossinvestoren müssen gar draufzahlen. Gerade bei Pensionskassen wird in den nächsten Jahren mit einer deutlichen Verschlechterung der Deckungsgrade gerechnet.
Doch Tief- oder Negativzinsen beschäftigen Anleger weiter, und das Thema zieht sich wie ein roter Faden durch diese Ausgabe von cash VALUE, dem zweimal jährlich erscheinenden Magazin für Geld und Anlageentscheide von cash. Zinsveränderungen beeinflussen Sparkontenerträge, Devisenkurse, Obligationenrenditen, Aktienmärkte, Edelmetallkurse. Und Zinsänderungen können ganze Geschäfte beflügeln.
Umso wichtiger ist daher das persönliche Engagement und die Eigenverantwortung mit Blick auf die Altersvorsorge und die Vermögensvermehrung. Diese Ausgabe von cash VALUE bietet Ihnen wie immer eine Fülle von Artikeln und Experten-Interviews mit Tipps, wie Sie trotz Tiefzinsumfeld mehr aus Ihrem Geld machen können – vor allem auf mittel- und langfristige Sicht. Ich wünsche Ihnen viel Lesevergnügen mit dem cash VALUE.
Das erfuhr auch die Raiffeisen-Gruppe, die dank des Tiefzinsumfelds ihr Hypothekenwachstum in den letzten Jahren massiv gesteigert hat. «Wir haben da Chancen gepackt, und ich bin zuversichtlich, dass unser Wachstum gesund ist», sagt der abtretende Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz im Interview. Er hält im cash VALUE Rückschau auf seine 16 Jahre als Chef der drittgrössten Bankengruppe der Schweiz. Wie sicher das Hypotheken-Wachstum ist, wird sich zeigen, wenn es zu Zinserhöhungen kommt.
Daniel Hügli, Chefredaktor cash
Impressum cash VALUE vom 8. September 2015: Gedruckt als Spezialversand an Finanzindustrie und Anleger (Auflage: 25 000), als PDF auf www.cash.ch Herausgeber: cash zweiplus ag, Bändliweg 20, 8048 Zürich, Telefon: 044 436 77 77, Mail: contact@cash.ch Geschäftsführer: Urban Scherrer (CEO) Chefredaktor: Daniel Hügli Redaktion: Marc Forster, Ivo Ruch, Pascal Züger Mitarbeit: Daniel Dubach Layout: Haus der Kommunikation, Hinterdorfstr. 9, 8702 Zollikon Produktion/Bildredaktion: Thomas Demuth, Dominik Hertach Titelbild: Paolo Dutto, Zürich Anzeigen: Marco Spadacini, Head of Sales, marco.spadacini@cash.ch; Pascal Weder, Senior Account Manager, pascal.weder@cash.ch; Urs Wolperth, Key Account Manager, urs.wolperth@cash.ch Marketing: Silvan Franchetto Werbung: www.cash.ch/werbung Druck: Passen & Partner Copyright: cash zweiplus ag
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Besonnen und zuverlässig. Gute Eigenschaften für Ihren Fonds. Ein gutes Fondsmanagement besitzt die Eigenschaften eines Elefanten. Deshalb handeln wir mit Besonnenheit, Erfahrung und Gespür. Überzeugen Sie sich selbst: der vermögensverwaltete Mischfonds Ethna-AKTIV von ETHENEA. ethenea.com
Ausführliche Hinweise zu Chancen und Risiken entnehmen Sie bitte dem letztgültigen Verkaufsprospekt. Massgeblich sind die Angaben im Verkaufsprospekt sowie der aktuelle Halbjahres- und Jahresbericht. Den Verkaufsprospekt, die Berichte sowie die Wesentlichen Anlegerinformationen erhalten Sie kostenlos bei der Verwaltungsgesellschaft ETHENEA Independent Investors S.A., 16, rue Gabriel Lippmann, L-5365 Munsbach oder bei der Vertreterin in der Schweiz IPConcept (Schweiz) AG, In Gassen 6, CH-8022 Zürich. Zahlstelle in der Schweiz ist die DZ PRIVATBANK (Schweiz) AG, Münsterhof 12, Postfach, CH-8022 Zürich.
SCHWERPUNKTE – INHALT
INHALT
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14 30
08 INTERVIEW PIERIN VINCENZ
22 ANLEGEN IM NÄCHSTEN JAHRZEHNT
Der abtretende Raiffeisen-CEO blickt auf seine 19 Jahre bei der Bank zurück.
Sechs Experten geben Anlage-Tipps. 24 FINANZPLANUNG KANN GELD WERT SEIN
11 DIVIDENDEN: VON KÖNIGEN UND PERLEN Eine Finanzplanung ist nicht nur etwas für Millionäre. Bei Dividendenaktien können die Begriffe nicht edel genug klingen. Doch das kann trügerisch sein. 14 DIE FIEBERMESSER DER AKTIENMÄRKTE
26 INTERVIEW GREGOR GREBER Der Aktienspezialist Gregor Greber über sein Engagement als Aktionär und Kaufmöglichkeiten an der Schweizer Börse.
Aktienindizes sind für Anleger Orientierungspunkte. Sie wirken wie Fiebermesser für ganze Länder.
28 DIE BANK DER ZUKUNFT
17 AN DER BÖRSE RICHTIG INVESTIEREN
Die Banken sind im digitalen Umbruch.
Wer sich blindlings in die Börsen stürzt, kann leicht Schiffbruch erleiden. So grenzen Sie das Risiko ein.
30 BÖRSENEVENTS, DIE NIE EINTREFFEN
18 EIN TAG IM LEBEN EINER ANALYSTIN Aktien-Analystin Sibylle Bischofberger plaudert aus dem Nähkästchen.
Es gibt Events in der Schweizer Börsenwelt, die schlicht nicht möglich sind. Oder vielleicht etwa doch? 32 VORSORGE: DAS MÜSSEN SIE WISSEN Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Vorsorge.
20 ALLE KÖNNEN FONDSMANAGER SEIN 34 INTERVIEW ROLF HILTL Mit Social Trading werden die Grenzen zwischen Profis und Laien verwischt.
Der Gastronom über Erfolg und Investments.
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IN KÜRZE NEWS
UND EWIG LOCKT DIE «AMEISE» Die Schweizer horten mehr Bargeld. Die 1000er-Noten sind beliebt wie nie zuvor.
Treten Sie der cash‑Community bei
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as Finanzportal cash.ch liefert seinen Besuchern nicht bloss topaktuelle News zum Wirtschaftsgeschehen sowie Bankdienstleistungen. Seit Jahren ist cash.ch auch fest verbunden mit seiner Leserschaft – via Community mit Leserforum oder via Social Media. Hier ein Überblick:
VON DANIEL HÜGLI
Forum Gegründet 1999, über 1000 aktive Schreiber, mehr als 100 Beiträge pro Tag: Das cash-Forum ist das grösste und älteste Börsenforum der Schweiz. Diskutieren Sie mit! (cash.ch/community)
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as Porträt auf der Vorderseite der Schweizer 1000-Franken-Note zeigt den Kulturhistoriker Jacob Burckhardt. Doch noch heute wird die Note umgangssprachlich «Ameise» genannt, angelehnt an das Sujet auf der 1976 eingeführten Banknotenserie. Die «Ameise» (oder der «Burckhardt») ist mittlerweile die wertvollste und schwerste Banknote der Welt, seit Singapur die Produktion des 10 000-Dollar-Scheins (etwa 7500 Franken) gestoppt hat. Bereits in den letzten zehn Jahren war die Anzahl der 1000er-Noten im Umlauf um 70 Prozent gestiegen. Die Einführung von Negativzinsen der Schweizerischen Nationalbank führte zu einer weiteren sprunghaften Nachfrage nach 1000er-Noten gerade seit Dezember 2014. Mehr Bargeld horten seither tendenziell Grossanleger wie Pensionskassen, die die Strafzinsen der SNB damit umgehen wollen. Aber auch Private, weil das Sparkonto kaum noch Zinsen abwirft und weil
Leserkommentare Seit Jahren kommentieren die Leser eifrig die Artikel auf cash.ch. Jüngst wurde die Kommentarfunktion modernisiert. Zum Horten von Bargeld besonders geeignet: die 1000er-Note. Keystone
seit der Finanzkrise generell ein diffuses Misstrauen gegenüber dem Finanzsystem herrscht. So lässt sich das Phänomen des Bargeldhortens etwa auch in Deutschland beobachten. Keinen Gefallen findet die SNB am Horten der 1000er-Noten. Denn im Extremfall kann Bargeldbunkern die Stabilität des Finanzsystems bedrohen. Und je mehr Cash gehortet wird, desto weniger wirken die Negativzinsen der Nationalbank.
Social Media Finden Sie die cash-News und Videos auf Twitter, Facebook, Google+ und Youtube. Social Trading Sie möchten eigene Anlagestrategien erstellen, andere daran teilhaben lassen – oder beobachten, welche Firmen im Netz am meisten diskutiert werden? Dann benutzen Sie Wikifolio und Sentifi auf cash (siehe auch Seiten 21 und 22).
15-Jahr-Jubiläum für kotierte Indexfonds
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eit 15 Jahren – genauer seit September 2000 – gibt es Exchange Traded Funds (ETF) an der Schweizer Börse. Schon länger sind ETF an den Börsen in den USA kotiert, wo sie in den frühen 1970er-Jahren erfunden wurden. ETF bilden Indizes (Aktien, Geldmarkt, Obligationen, Immobilien, Hedgefonds, Währungen oder Rohstoffe) eins zu eins ab. Die Schweiz ist in den letzten 15 Jahren zum grössten ETF-Markt Europas emporgestiegen. Etwa 25 Prozent der rund 500 Milliarden Dollar, die in Europa in ETF angelegt sind, sind über die Schweizer
Börse geflossen. Anfang Jahr wurde an der Schweizer Börse erstmals die Marke von 1000 gehandelten ETF übertroffen. Dennoch spielen ETF im A nlageuniversum der Schweizer eine relativ kleine Rolle. Der Marktanteil der ETF am gesamten S chweizer Fondsmarkt liegt bei etwa 10 Prozent – eine geringe Zahl im Vergleich zu den USA. ETF in der Schweiz sind vor allem ein Ding der institutionellen Investoren (Banken, Versicherer, Pensionskassen) – Privatanlegern fehlt oft das nötige Wissen für einen Kaufentscheid zugunsten von ETF. Sie setzen in der Regel lieber auf Einzeltitel.
Nicht nur News: cash.ch ist auch Heimat einer grossen Community. cash
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INTERVIEW PIERIN VINCENZ
«DER KAUF VON WEGELIN WAR AUCH EIN RISIKO» Pierin Vincenz blickt auf seine Zeit als Raiffeisen-CEO zurück. Er sagt, was die Grundpfeiler seines Managementstils sind. INTERVIEW: MARC FORSTER, IVO RUCH BILDER: PAOLO DUTTO
Im Lauf der Jahre wurde er als Raiffeisen-CEO einer der bekanntesten Banker der Schweiz: Pierin Vincenz.
Herr Vincenz, in 19 Jahren bei Raiffeisen haben Sie häufig zu Politik und Gesellschaft Stellung genommen. War die Politik nie ein Thema für Sie? Das «Milizsystem» erlaubt es, die Funktionsweise der Politik kennenzulernen. Darum müssen wir auch junge Banker für eine politische Karriere motivieren. Bei mir hat sich dies damals nicht ergeben – vielleicht, wenn ich im Kanton Graubünden geblieben wäre, hätte ich die nötigen Kontakte
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gehabt. Ich war aber damals nicht «sesshaft»: Ich war in Chicago, ich arbeitete in der Industrie und war viel unterwegs. Erst als ich 1996 zu Raiffeisen ging, war dies ein bewusster Entscheid, in der Schweiz zu bleiben. Erst dann hätte Politik wieder ein Thema werden können. Bei Themen wie dem Bankgeheimnis, dem automatischen Informationsaustausch oder der Geldpolitik äusserten
Sie umstrittene Überlegungen. Liegt es in Ihrer Natur, bewusst anecken zu wollen? Ich glaube, wenn man Trends, nicht Modetrends, langfristig beobachtet, dann muss man sich positionieren. Zur unternehmerischen Verantwortung gehört es, Positionen zu beziehen, Klartext zu reden. Banken sind keine eigene Welt: Wir sind im Grunde genommen wie ein Bäcker oder ein Elektriker – also jemand mit einem Produkt oder
PIERIN VINCENZ INTERVIEW
einer Leistung für den täglichen Gebrauch – und sind so Teil der Gesellschaft. Glauben Sie, in der Diskussion, etwa um das Bankgeheimnis, etwas zur Entwicklung beigetragen zu haben? Für den Finanzplatz war sehr wichtig, sich dem Trend zu deklarierten Geldern anzupassen. Das ist in einem entwickelten Land auch eine gesellschaftspolitische Frage.
gieren. Damit habe ich gute Erfahrungen gemacht, zum Beispiel, als ich 2013 ein zweimonatiges Sabbatical machte. Entscheiden Sie gerne? Ja, ich entscheide gerne, ich sage auch den Führungskräften, sie sollen Entscheidungen fällen. Die können auch mal weh tun. Es ist eine Stärke von Raiffeisen, dass wir schnell entscheiden können, trotz dezentraler Organisation.
Mit dem Helikopter zu Terminen? «Ich sagte immer: Auch bei Raiffeisen kommen wir nicht mit dem Traktor.»
Was lief falsch? Hätte man mit diversen Ländern früher zu verhandeln angefangen, hätte man im Sinne der Kunden mehr herausholen können. Denn diese Kunden vertrauten ja uns, den Schweizer Banken. Man sperrte sich zu lange und handelte am Ende unter Zwang. Jetzt haben wir den automatischen Informationsaustausch, der zu lange als Unwort galt, aber wir haben wenig dafür bekommen, wie beim EU-Marktzutritt.
Berichte, dass Sie mit dem Helikopter zu Terminen flogen, kollidierten mit dem bodenständigen Raiffeisen-Bild. Störte Sie solche Kritik? Ich sagte immer: Auch bei Raiffeisen kommen wir nicht mit dem Traktor. Es ging mir darum, Selbstbewusstsein zu stärken, daher waren solche Dinge auch ein bisschen provoziert. Man sollte ja nicht das Gefühl haben, Raiffeisen sei «weniger» als die anderen. Aber klar, die Kritik kam und war heftig. Gerne hat man das nicht, aber es ist unvermeidlich. Und mir war schon bewusst, dass man nicht beliebig provozieren konnte. Zu weit ging ich dann auch nicht, ich habe daraus gelernt.
Beim Kauf e ines Teils der Bank Wegelin 2013 attestierte man Ihnen eine gewisse Kaltblütigkeit. Ist auch das Teil Ihrer Persönlichkeit? Bei Wegelin entschied gemäss der Governance natürlich der Verwaltungsrat, als operativ Verantwortlicher sass ich aber auf dem Fahrersitz. Wir konnten damals nicht abschliessend beurteilen, ob nicht amerikanische Rechtsfälle auf Raiffeisen überschwappen könnten. Das Risiko ging man bewusst ein, und wäre es schiefgelaufen, wäre es für mich ungemütlich geworden. Dessen war ich mir bewusst. Aber auch das ist unternehmerische Verantwortung!
Raiffeisen ist 2014 als systemrelevant eingestuft worden. Gibt das nicht Kritikern recht, die sagten, Raffeisen nehme zu viele Risiken auf sich? Wenn man so wächst und über viele Jahre eine Erfolgsgeschichte schreiben kann wie Raiffeisen, dann hat man auch Kritiker und Neider. Das Hypothekenwachstum war ein solches Thema. Aber unser Portfolio ist ausbalanciert, wir finanzieren vor allem das selbstbewohnte Wohneigentum. Wir haben pro Jahr 70 000 bis 80 000 Zuwanderer, und die wohnen nicht in Zelten, sondern in Beton. Wir haben da Chancen gepackt, und ich bin sehr zuversichtlich, dass unser Wachstum gesund ist. Die Systemrelevanz ist auch ein Zeichen, dass Raiffeisen gross und bedeutend geworden ist. Eigentlich sind das Good News. Der Kunde weiss auch, dass wir dadurch noch sicherer geworden sind. In Ihre Zeit als CEO fällt ein Digita lisierungsschub bei den Banken. Haben Sie schnell genug reagiert? Die Bankenwelt ist vorerst stark damit beschäftigt, zu industrialisieren und zu auFORTSETZUNG AUF SEITE 10
luster Raiffeisen ist ein dezentraler C kleiner Banken, aber Sie wurden über die Jahre immer prominenter. Wie verträgt sich das? Wissen Sie, in Délémont ist der Bankleiter vor Ort das Gesicht von Raiffeisen. Ich bin ja nicht deren Chef, die Banken sind selbstständig. Wir schauten, dass die Banken ihre regionale Identität behalten. In den Belangen der Raiffeisen-Gruppe war es aber schon so, dass ich in den Fokus gelangt bin. PIERIN VINCENZ
Wie beschreiben Sie Ihren Managementstil – und warum ist dieser der richtige? Ich setze stark auf unternehmerische Verantwortung und Freiheit. Das heisst auch, dass die Mitarbeiter Ideen bringen und Chancen packen müssen. Für mich gilt der Satz: Kontrolle ist gut, aber Vertrauen ist besser, und nicht umgekehrt. Man muss auch interessante Arbeiten weiterdele-
Lag dies auch an den allgemeinen Veränderungen in der Schweizer Bankenwelt? Das Wachstum, die Strategie oder auch die Finanzkrise führten dazu, dass jemand die Marke vertreten musste. Heute braucht man ein Gesicht, einen Namen. Die Fokussierung auf Personen ist natürlich viel stärker geworden. Mein Nachfolger Patrik Gisel wird sofort in diese Rolle eintreten.
CEO RAIFFEISEN-GRUPPE Geboren 1956 im Kanton Graubünden, begann der Betriebswirtschafter seine Laufbahn 1979 bei Banken in der Schweiz und im Ausland. 1996 ging er zu Raiffeisen und wurde 1999 Vorsitzender der Geschäftsleitung. Anfang Oktober gibt er sein Amt ab und wird Präsident der Helvetia Versicherungen. Der begeisterte Sportler spielte in jungen Jahren unter anderem beim FC Chur.
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INTERVIEW PIERIN VINCENZ
FORTSETZUNG VON SEITE 9
tomatisieren. Digitalisierung ist eine Entwicklungsphase, in der noch vieles offen und schwer abschätzbar ist. Was heisst dies für Raiffeisen? Ob «physisches» Bankgeschäft oder digital, es geht immer um einen Markennamen und um die Kunden und den Inhalt: Die Marke Raiffeisen erweckt Sympathie und steht für Kompetenz. Wir haben vier Millionen Kunden in der Schweiz, davon die Hälfte Eigentümer. Das ist eine starke «Community». Und was den Content betrifft: Wir sind mehr als nur ein Bankdienstleister, wir bewegen im Jahr 1,5 Millionen Menschen zu Events. Wir müssen aber agil bleiben und die Community weiter an uns binden, aber auch den Content weiterentwickeln. Das wird auch im digitalen Geschäft weitergehen. Wie reagieren Ihre mehrheitlich auf dem Land ansässigen Kunden darauf? Wir haben es schon bei der Einführung des E-Bankings gesehen: Die ländliche Bevölkerung braucht diese digitalen Möglichkeiten viel mehr, als man denkt. Das liegt daran, dass dort die Bank örtlich meistens weiter weg ist. Digital kommt man näher an den Kunden. Mussten Sie angesichts dieser Veränderungen, Entscheidungen und Initiativen Raiffeisen nicht letztlich zentralisieren? Wir haben nach wie vor die Autonomie und die Agilität von rund 300 selbstständigen Banken, aber
schliesslich haben wir auch eine Gruppe gebildet. Das Verhältnis von Mitarbeitern in den Banken und in der Zentrale – drei Viertel zu einem Viertel – ist immer in etwa gleich geblieben. Klar, die Informatik und teilweise die Verarbeitung sind zentralisiert. Die Regulierung führt auch zu einer gefühlten Zentralisierung.
«Die ländliche Bevölkerung braucht die digitalen Möglichkeiten mehr, als man gemeinhin denkt.»
Wie haben Sie dann die RaiffeisenBesonderheiten bewahrt? Der unternehmerische Spirit und die Kompetenzen sind ausgeprägt und bewusst vor Ort geblieben. Das Wachstum mussten wir natürlich über die Gruppe sicherstellen, weil wir erst dann kapitalmarktfähig wurden.
Hätten Sie rückblickend gewisse Dinge anders gemacht? Gibt es v erpasste Chancen? Das sind immer Sachen, die man etwas verdrängt (lacht). In einer unternehmerischen Entwicklung gibt es immer wieder Entscheidungen, die man auch hinterfragen kann. Aber für mich ist wichtig, dass man Initiativen ergreift. Es läuft auch mal etwas nicht so gut. Das muss es auch geben. Aber es gibt substanziell nichts, wo ich einen grossen Fehler sehe. Sie bleiben über Ihr Mandat bei der Private-Equity-Gesellschaft Investnet stark mit Raiffeisen verbunden. Ganz
Pierin Vincenz (rechts) im Gespräch mit den cash-Redaktoren Ivo Ruch (links) und Marc Forster.
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loslösen können oder wollen Sie sich offenbar doch nicht? Mit Raiffeisen bleibe ich immer verbunden. Die Aufgabe bei Investnet ist eine interessante und fruchtbringende Kombination. Ich kenne den Finanzpartner und seine Anliegen bestens und kann unternehmerische Initiativen fördern. Hören wir weiter von Ihnen als P räsident der Helvetia Ver sicherungen? Die Rollen eines Verwaltungsratspräsidenten und eines CEO sind verschieden. Ich möchte sie bei der Helvetia so spielen wie bei Raiffeisen, also dass der CEO sich öffentlich engagiert. Das ist auch gut so. Es wird eine neue Herausforderung sein, eine neue Rolle als Verwaltungsratspräsident zu bekleiden. Aber das ist auch gewollt.
Werden Sie Ihren Status in der Öffentlichkeit auch etwas vermissen? Ich bin überzeugt, dass ich sehr gut vorbereitet bin. Das macht mir keine Sorgen. Die Präsenz war immer auch Aufwand, ich musste dies pflegen. Es hat positive Seiten, wenn dies nicht mehr so stark ist. Ist der Schritt zum Helvetia- Präsidium eine Art «Früh pensionierung» oder arbeiten Sie nur noch Teilzeit? Ich gehe davon aus, dass ich weiterhin 100 Prozent arbeite. Mein Modell war: 30 Jahre ging ich zur Schule und hatte auch viele Freiheiten, dann habe ich 30 Jahre intensiv gearbeitet, und wenn es die Gesundheit erlaubt, kommen noch einmal 30 Jahre. Diese müssen auch noch gestaltet werden. Ich werde meine Zeit anders einteilen müssen, und natürlich werden nicht mehr die meisten Termine auf ein Jahr hinaus fixiert sein. Darauf freue ich mich. Sieht man Sie auch wieder auf dem Fussballplatz? Nur als Zuschauer, spielend eher nicht, so schnell bin ich nicht mehr (lacht). Aber ich werde mehr in der Natur sein, Ski fahren oder Golf spielen.
DIVIDENDEN RENDITE
DIVIDENDE IST NICHT GLEICH DIVIDENDE Aristokraten, Könige, Perlen: Bei Dividendenaktien können die Begriffe nicht edel genug tönen. Doch das kann trügerisch sein. VON IVO RUCH
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ie historisch tiefen Zinsen bedeuten Anlagenotstand für Investoren. Bei ihrer Suche nach Rendite sind die Anleger in den letzten Jahren immer häufiger auf Aktien mit hohen Dividenden gestossen. Jahr für Jahr robuste Auszahlungen zu bekommen, ist verlockend. Doch Dividende ist nicht gleich Dividende. Denn das alleinige Lechzen nach möglichst viel Gewinnbeteiligung führt nicht selten in die falsche Richtung. Anleger müssen bei hohen Dividendenrenditen aufpassen. Nebst der Höhe ist auch die Konstanz der Dividende entscheidend Denn eine zu hohe Ausschüttung des Gewinns an die Aktionäre kann die Substanz einer Firma aushöhlen. Hohe Dividenden können zudem auch ein Zeichen sein, dass Firmen ihre Probleme zuschütten und die Aktionäre zufriedenstellen wollen. Für Anleger ist deshalb neben der Höhe der Ausschüttung vor allem ihre Konstanz entscheidend. Nur Unternehmen, die auf einem gesunden Fundament stehen und einen regelmässigen Cashflow generieren, können die Dividende über einen langen Zeitraum garantieren. Hinzu kommt, dass
die Beliebtheit von dividendenstarken Titeln vielerorts zu hohen Bewertungen der Aktien geführt hat. Am Schweizer Aktienmarkt ist dies beispielsweise bei Kaba, Valora oder Burkhalter der Fall.
An den Börsen gibt es echte und selbst gekrönte Dividendenkönige. Pixabay
Auch Starinvestor Warren Buffett steht auf die Coca-Cola-Aktie Neben Dividenden muss eine Aktie somit auch Potenzial in ihrem zukünftigen Kursverlauf aufweisen. Erst dann wird sie zur «Perle». Um solche Titel zu identifizieren, lohnt sich ein Blick auf den Ausschüttungsverlauf vergangener Jahre. Börsianer nennen Aktien «Aristokraten», wenn sie in den mindestens letzten 25 Jahren ihre Ausschüttung regelmässig erhöhten. «Könige» schafften das sogar während 50 Jahren. Solche Musterschüler sind häufig in Branchen wie Nahrungsmittel oder Konsumgüter zu finden, wie zum Beispiel CocaCola. Der Getränke-Gigant hat in diesem Jahr die Dividende zum 53. Mal gesteigert. Seit 1920 erhalten die Aktionäre nun schon eine Dividende, zuletzt wurde sie um 9 Prozent erhöht. Kein Zufall also, dass Staranleger Warren Buffett ebenfalls FORTSETZUNG AUF SEITE 13
So funktioniert die Dividendenzahlung Beantragung
Ex-Tag
GV
unterschiedliche Dauer
ca. 2 Börsentage
Auszahlung
Stichtag
1 Börsentag
1 Börsentag
Der Verwaltungsrat schlägt
Ex-Dividend-Day: Die Aktie wird «Ex-Divi-
Stichtag: Die Aktiengesellschaft legt fest, wel-
eine Dividende vor, die an der Generalver-
dende» gehandelt, das heisst, der Wert der
che Aktionäre Anrecht auf eine Dividende ha-
sammlung zur Abstimmung kommt.
Auszahlung wird vom Aktienkurs abgezogen.
ben. In der Regel ist der Stichtag zwei Börsen
An und nach diesem Tag haben neue Aktien-
tage nach «Ex-Dividende».
Beantragung:
Generalversammlung (GV): Aktionäre stim-
käufer keinen Anspruch mehr auf die aktuelle
men der Dividende zu oder lehnen sie ab.
Dividende.
Auszahlung: Die Ausschüttung wird ausgelöst.
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GASTBEITRAG UBS
TIEFE ZINSEN RUFEN NACH ALTERNATIVEN Langfristig stehen die AHV und auch einige Pensionskassen vor grossen Problemen. Private Vorsorge wird daher immer wichtiger.
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HV und wohl einige Pensionskassen können ihre Verpflichtungen langfristig nur noch bedingt erfüllen. Umso wichtiger ist die private Vorsorge, besonders über die steuerbegünstigte Säule 3a. Doch die Kontozinsen sind auf einem Rekordtief. Eine Alternative stellen Vorsorgefonds dar, mit denen Sie an der Entwicklung der Finanzmärkte teilhaben und langfristig von höheren Ertragschancen profitieren können. Unsere Altersvorsorge basiert auf drei Säulen: der AHV (1. Säule), der Pensionskasse (2. Säule) und dem privatem Vorsorgesparen (3. Säule). Doch das staatlich propagierte Bild von den drei Säulen ist unglücklich gewählt. Denn eigentlich müsste unser Vorsorgesystem eher von drei Bäumen mit kräftigen Wurzeln, einem mächtigen Stamm und weit ausladenden Ästen getragen sein. Statt statischen Säulen, die unter Wind und Wetter leiden und mit dem Alter bröckeln, brauchen wir viel eher gesunde Bäume, die sich den Umwelteinflüssen anpassen, wachsen und viele Früchte tragen. Notwendigkeit einer Reform scheint unausweichlich Ohne das Bild zu strapazieren, zeigt sich rasch, dass zwei der Bäume an ihre Wachstumsgrenzen gelangt sind und teils kräftige Verwitterungszeichen zeigen: Die AHV kann ihre heutigen Leistungen in absehbarer Zukunft wahrscheinlich nicht mehr erbringen. Die Zahl der erwerbstätigen Prämienzahler sinkt, die Zahl der Rentenbezüger steigt. Wo heute noch 3,5 Beitragszahler auf einen AHV-Rentner kommen, werden es bereits in 20 Jahren bloss noch zwei sein. Die Notwendigkeit einer Reform scheint unausweichlich. Nicht viel besser steht es um die berufliche Vorsorge: Aus dem ursprünglichen Topf, in den jeder
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für sein eigenes Alter einzahlt, ist längst eine Umverteilungsmaschinerie entstanden – vor allem von Jung zu Alt, denn die heute und künftig ausbezahlten Renten sind längst nicht mehr selbstfinanziert. Die garantierten Leistungen sind zu hoch und die sicher erzielbaren Kapitalerträge sind zu gering, um das entstandene Loch stopfen zu können. Vorsorgekonten der Säule 3a bringen nur noch bescheidenen Zins Umso wichtiger ist, dass sich der dritte Stamm – die private Vorsorge –, gesund entwickeln kann und möglichst viele Früchte trägt. Doch Zinsen gibt es auf den steuerbegünstigten Konten der Säule 3a kaum mehr. Einige Anbieter sind sogar zu einer Nullverzinsung übergegangen, nachdem sich die Zinsen weltweit bereits seit Längerem auf historisch tiefem Niveau bewegten. Auslöser war der Negativzins für Giroguthaben, den die Nationalbank verfügt hat. Damit wollte sie der Aufwertung des Schweizer Frankens entgegentreten. Vorsorgefonds eröffnen deutlich höhere Renditechancen Interessant könnten Vorsorgefonds sein, welche unter Einhaltung der BVG-Richtlinien breit diversifiziert über Anleihen, Aktien und Immobilien mit Fokus auf weltweite Anlagen investieren. Damit nehmen Sie an der Entwicklung der Finanzmärkte teil und können dadurch von höheren Ertragschancen profitieren – vor allem dann, wenn Ihr Anlagehorizont noch viele Jahre beträgt. Investitionen in Aktien bergen jedoch auch Risiken. Ihre Kurse schwanken in der Regel stärker als etwa jene von Anleihen. Das setzt eine entsprechende Risikofähigkeit voraus. Deshalb sollten Ihre Reserven gross genug sein, um einen möglichen Verlust oder temporäre Schwankun-
gen zu kompensieren. Ebenso wichtig ist es, dass Anleger trotz steigender oder fallender Kurse noch ruhig schlafen können. Fachleute sprechen von der Risikotoleranz. Ist das eine oder das andere nicht gegeben, empfiehlt sich eine tiefere Aktienquote. Gibt es einen optimalen Zeitpunkt für den Einstieg in Vorsorgefonds? Der optimale Zeitpunkt kann leider nicht vorhergesehen werden. Um das Risiko des falschen Einstiegszeitpunkts zu minimieren, können die Einzahlungen mittels einer automatisierten Anlageinstruktion investiert werden. So erhöhen Sie die Chance eines günstigen durchschnittlichen Einstandspreises. Einige wenige Vorsorgelösungen bieten die Flexibilität, bei Erreichen des Pensionsalters über einen Verkauf, Teilverkauf oder Übertrag ins private Wertschriftendepot zu entscheiden. Nehmen Sie mit den UBS Vitainvest Vorsorgefonds an der Entwicklung der Finanzmärkte teil und profitieren Sie langfristig von höheren Ertragschancen. Die Fonds bieten sich für das gesamte Vorsorgespektrum an und sind besonders beim langen Anlagehorizont der 2. und 3. Säule die optimale Ergänzung zur Kontolösung. Infos: ubs.com/vitainvest
VINCENT DUVAL UBS Vincent Duval ist Portfolio Manager von UBS Vitainvest Funds bei UBS Global Asset Management.
DIVIDENDEN RENDITE
FORTSETZUNG VON SEITE 11
Coke-Aktien in seinem Portfolio hat. Ähnlich beeindruckende Zahlen kann der USKonsumgüterkonzern Procter & Gamble liefern. Die Dividendenrendite – also das Verhältnis von Dividende pro Aktie zum Aktienkurs – liegt sogar noch höher. Weitere internationale Dividendenperlen sind Danone, Novo Nordisk oder McDonald’s. Regelmässig höhere Dividenden sind positiv für den Aktienkurs Die kanadische Bank of Montreal gibt ihren Eigentümern sogar seit 1829 Gewinnanteile ab. Und der Werkzeughersteller Stanley Black & Decker beweist seit 1877 Ausschüttungsdisziplin. Daten aus den USA zeigen überdies, dass Firmen, die ihre Dividenden regelmässig erhöhen, eine bessere Kursperformance hinlegen als der Gesamtmarkt. Gleichzeitig kann eine Dividendenkürzung ein deutliches Warnsignal sein, sich von einem Investment zu trennen. Eine Studie zum amerikanischen Aktienmarkt über einen Zeitraum von 40 Jahren ergab eine deutlich schlechtere Performance von Aktien, die ihre Dividenden kürzen oder sogar streichen mussten. Auch am Schweizer Aktienmarkt gibt es Dividendentitel mit internationalem TopFormat. Als Vorbild schlechthin galt lange Zeit Swisscom. Zwischen dem Börsengang 1998 und 2011 ist die Dividende kontinuierlich gewachsen und hat sich von 11 auf
22 Franken verdoppelt. Doch seither stagniert die Dividende. Mit einer Dividendenrendite von 4,1 Prozent ist Swisscom aber immer noch ein beachtenswerter Dividendentitel. Ebenfalls interessant sind die Schwergewichte Nestlé, Novartis und Roche. Nicht in erster Linie wegen der Höhe ihrer Ausschüttungen, sondern weil die Aktien defensiven Charakter haben und die Unternehmen einen soliden Cashflow erwirtschaften. Wer vor zehn Jahren eine Nestlé-Aktie gekauft und die Dividende jedes Jahr reinvestiert hat, konnte sein Geld locker verdoppeln. Dividendenfonds oder Indexfonds bieten sich an Wie schnell sich Dividendenträume indes in Luft auflösen können, zeigt das Beispiel von Transocean. Die Ölservicefirma war 2014 noch die grosszügigste Firma des Swiss Market Index (SMI). Nach massiven Wertberichtigungen und Abschreibungen sowie einem heftigen Kurssturz wurde die Dividende von 3 Dollar auf 0,6 Dollar heruntergekürzt. Wem die Beschäftigung mit Einzeltiteln zu aufwendig oder kompliziert ist, sollte einen Dividendenfonds oder einen börsengehandelten Indexfonds (ETF) kaufen. Die Schweizer Börsenbetreiberin SIX erstellt seit einigen Monaten einen Dividendenperlen-Index, der die zwanzig besten Aktien des Schweizer Aktienmarktes abbildet. Voraussetzungen: stabile Dividendenzahlungen und solide Rentabilität.
Dividendenträume können sich sehr schnell in Luft auf lösen. Transocean ist ein Beispiel dafür.
AUF DIE STEUERN ACHTEN Dividenden werden in der Schweiz mit 35 Prozent Verrechnungssteuer belangt, die aber von den Behörden zurückverlangt werden kann. Die ausbezahlte Dividende muss allerdings als Einkommen versteuert werden. Eine Ausnahme gibt es: Seit der Unternehmenssteuerreform vom Februar 2008 ist es Schweizer Firmen möglich, den Aktionären steuerbefreite Dividenden in Form von Kapitalrückzahlungen auszurichten. Beim Kauf von ausländischen Dividendenaktien werden die Steuerfragen noch kniffliger.
DIVIDENDENAKTIEN IM SMI Dividendenrendite in %
Titel
Performance 2015 in %
Swiss Re
5,7
+5
Zurich
5,7
–4
Transocean
4,6
–33
Swisscom
3,9
+9
ABB
3,8
–6
SGS
3,7
–10
Quelle: cash.ch, Stand Ende August
Immer Ende Jahr wird abgerechnet. © Gina Sanders/fotolia.com
Was ist die Strategie «Dogs of the Dow»?
D
ogs of the Dow» ist eine Anlagestrategie in den USA. Dabei kaufen Investoren am ersten Handelstag des Jahres jene zehn Aktien des Leitindex Dow Jones (oder eines anderen Index), die die besten Dividendenrenditen aufweisen. Diese Aktien werden ein Jahr gehalten. Nach einem Jahr schaut man sich die Liste der zehn renditestärksten Aktien nochmals an und ergänzt die Top Ten im eigenen Portfolio mit Aktienverkäufen oder -käufen. Dieses Vorgehen wird jedes Jahr wiederholt. Langfristig soll eine bessere Performance als der zugrunde liegende Index erreicht werden.
Knausrige Firmen in Europa
D
ie liquiden Mittel der Firmen, die im europäischen Aktienindex Stoxx Europe 600 enthalten sind, haben die Summe von 2,2 Billionen Euro erreicht. Das ist so viel wie seit 2003 nicht mehr. Dennoch werden die Firmen bloss etwa 30 Prozent ihres Cashflows in diesem Jahr für Dividendenausschüttungen und Aktienrückkäufe ausgeben. Das ist der geringste Anteil seit 2010. In den USA geben Firmen fast doppelt so viel Geld zurück. Firmen wollen erst abwarten, bis die Wirtschaftserholung in Europa real ist, begründet die Bank of America in einer Studie die Zurückhaltung europäischer Firmen.
13
ANLEGEN SCHWEIZER INDIZES
DIE FIEBERMESSER DER AKTIENMÄRKTE Aktienindizes sind für Anleger wichtige Orientierungspunkte. Sie wirken wie Fiebermesser für ganze Länder oder Branchen. VON PASCAL ZÜGER
Aktienindizes zeigen an, ob sich das investierte Geld vermehrt hat.
A
nleger sollten auf der Hut sein, der SMI steht vor einer Korrektur: Während Börsenkenner genau wissen, wie mit so einer Meldung umzugehen ist, sind Börsenlaien damit schnell einmal überfordert. Was ist überhaupt der SMI? Wieso sollte dessen Korrektur Einfluss auf die Investitionen haben? In der Börsenwelt nehmen Aktienindizes wie etwa der Schweizer Leitindex Swiss Market Index (kurz SMI) oder der US-Leitindex Dow Jones eine bedeutende Stellung ein. Sie stehen für einen Korb von Aktien aus einzelnen Ländern oder Branchen. Sie sind somit auch ein Gradmesser für die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes oder einzelner Sektoren. In Spitzenjahren kann der SMI durchaus um 20 Prozent zulegen, so geschehen im Jahr 2013. Der Verlauf eines Index hängt
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© dessauer/fotolia.com
zum einen von den einzelnen Kursen der im Index enthaltenen Aktien ab. Zum anderen aber auch davon, welches Gewicht die Einzelaktien im Index haben. Eine Kursveränderung des Grossunternehmens Novartis wirkt sich stärker auf den Index SMI aus als eine Aktienkursschwankung der um einiges kleineren Firma Swatch, die ebenfalls Teil des SMI ist. Man unterscheidet des Weiteren Kursindizes, (auch Preisindizes genannt) von Performanceindizes. Erstere bilden die reine Veränderung der Kurse der enthaltenen Aktien ab. Performanceindizes zählen Dividenden und sonstige Einnahmen, die mit dem Aktienbesitz einher-
gehen, dazu. Performanceindizes werden deshalb erstellt, weil die ausbezahlten Dividenden häufig wieder in die Aktie reinvestiert werden. Aktienindizes sind für Anlage-Profis wichtige Orientierungspunkte: Die Indizes nehmen eine Benchmark-Funktion ein, indem zum Beispiel die Performance einer Einzelaktie oder eines Anlagefonds mit derjenigen des Index verglichen wird. In der Schweiz existieren verschiedene Aktienindizes, die sich auf eine unterschiedliche Zahl Aktientitel fokussieren und zum Teil Kursindizes, zum Teil Performanceindizes sind – was einen direktenVergleich der Indizes erschwert.
In Spitzenjahren kann der SMI schon mal 20 Prozent oder mehr zulegen.
SCHWEIZER INDIZES ANLEGEN
ÜBERBLICK: DIE WICHTIGSTEN AKTIENINDIZES DER SCHWEIZ Swiss Performance Index (SPI)
Finanzprodukte herangezogen. Der SPI und
Der Swiss Performance Index (SPI) wurde Mit-
vor allem der SMI stehen bei Börsenbetrach-
te 1987 eingeführt und enthält nahezu alle an
tungen in der Schweiz klar im Vordergrund, es
der Schweizer Börse, der SIX Swiss Exchange,
gibt jedoch noch zahlreiche weitere Indizes:
gehandelten Aktien aus der Schweiz. Er gilt deshalb als Gesamtmarktindex für den schwei-
Swiss Leader Index (SLI)
zerischen Aktienmarkt. Auch ausländische Fir-
Er enthält die 30 grössten Titel des Schweizer
men, die an der Schweizer Börse kotiert sind, können auf Antrag aufgenommen werden. Der österreichische Halbleiterhersteller AMS ist ein Beispiel hierfür. Aktuell finden sich 208 Aktien im SPI. Der SPI ist, wie der Name bereits sagt, ein Performanceindex. Das heisst, dass Dividendenzahlungen bei der Indexentwicklung berücksichtigt werden. Swiss Market Index (SMI) Der Swiss Market Index (SMI), der Leitindex und damit auch das international bekannteste
Aktienmarktes. Die vier grössten Titel haben je 9 Prozent Indexgewicht, die restlichen im SLI vertretenen Titel je 4,5 Prozent. Der SLI wurde 2007 wegen der ausgeglicheneren Gewichtung der Einzeltitel als Alternative zum SMI eingeführt. Swiss Market Mid Caps Index (SMIM) Der SMIM, oder SMI Mid, besteht aus den 30 grössten Mid-Cap-Titeln des Schweizer Aktienmarktes, die nicht schon im Blue-Chip-Index
Aktienbarometer der Schweiz, startete Mitte
SMI vertreten sind. Er wurde 2004 aus der
1988 bei einer Indexbasis von 1500 Punkten.
Taufe gehoben.
Er hat sich seither versechsfacht. Der SMI beinhaltet die 20 liquidesten und grössten
Special Industry Index (SXI)
Titel – auch Blue-Chips genannt – aus dem
Im SXI sind Branchen enthalten, die für die
SPI. Im Gegensatz zum SPI ist der SMI ein Kursindex. Der Indexstand wird also aufgrund der Aktienkurse ermittelt, Dividendenzahlungen sind nicht im Index enthalten. Die drei Schwergewichte des wichtigsten Index der Schweiz bilden die Pharmaunternehmen Novartis und Roche sowie der Nahrungsmittel-
Schweizer Wirtschaft von besonderer Bedeutung sind. So gibt es den SXI Life Sciences, den SXI Real Estate und den SXI Bio+Medtech. Swiss All Share Index Dieser Index beinhaltet sämtliche Aktien der
konzern Nestlé. Mit einer Indexgewichtung
Schweiz, also auch Aktien von Firmen, de-
von über 60 Prozent beeinflussen diese drei
ren Anteil frei handelbarer Aktien unter der
Flaggschiffe den SMI-Kurs massgeblich. Der
Schwelle von 20 Prozent des Firmenkapitals
SMI gilt als repräsentativ für den Schweizer
liegt, was eine Aufnahme in den SPI verun-
Markt und wird als Basiswert für zahlreiche
möglicht. Der Index wurde 1998 eingeführt.
«Mit den ETF auf Indizes setzen» Wie kann man in Aktien indizes investieren? Mit Exchange Traded Funds, oder kurz ETF, mit Indexfonds und mit Indexzertifikaten.
Alex Hinder, Inhaber Hinder Asset Management in Zürich. zvg
Wieso sollen Anleger auf indexbasierte Anlagen setzen? Man erhält kostengünstig die Performance des breiten Aktienmarkts. Unzählige Studien zeigen, dass 80 bis 90 Prozent der aktiven Anlagefonds ihre Vergleichsindizes nach Kosten nicht schlagen. Langfristig verschlechtert sich der Performancevergleich noch mehr.
Was sollten Anleger beachten, wenn sie auf ein Indexprodukt setzen? Fünf Kriterien spielen hier eine Rolle: der zugrunde liegende Index, die Höhe der Gebühren, die Replikationsmethode, die Liquidität des Fonds und das Domizil des Fonds wegen Steuerimplikationen. Spielt es eine Rolle, ob man in Kursoder Performanceindizes investiert? Ja, weil Dividenden langfristig die wichtigste Performancekomponente darstellen. Da aber die meisten Indexprodukte die vereinnahmten Dividenden an die Anleger weitergeben, kann der Anleger auch bei einem Preisindex die gesamte Performance vereinnahmen. Nur bei manchen Indexzertifikaten kann es Ausnahmen geben. TIPPS FÜR INDEX-ANLAGEN Index
Produktname
Valor
SMI
UBS ETF CH-SMI CHF
1714271
SPI
Swissc. CH SPI Index
11101051
SLI
UBS ETF CH-SLI CHF
3291273
SMIMC * UBS ETF CH-SMIM CHF 11176253 Anleger verlieren bei der Fülle von Indizes bald einmal den Überblick.
Keystone
* Swiss Market Mid Caps Total Return Index
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BÖRSENAUFTRÄGE INVESTIEREN
MIT BÖRSENAUFTRÄGEN DIE KLIPPEN UMSCHIFFEN Wer sich blindlings in die Börsen stürzt, kann leicht Schiffbruch erleiden. Mit diesen Auftragsarten navigieren Sie richtig. VON IVO RUCH
T
itelauswahl, Trading-Gebühren, Zeitpunkt der Anlage: Auf dem Börsenparkett lauern viele Fallgruben. Das richtige Handling beim Kaufen und Verkaufen von Aktien ist aber genauso wichtig. Denn je nach Auftragsart können die Gewinne zusätzlich erhöht oder Verluste eingedämmt werden. Folgende Auftragsarten gehören deshalb zum Basiswissen jedes Traders: Der Bestens-Auftrag Für diejenigen Trader, die eine Aktie oder eine andere Wertschrift schnellstmöglich verkaufen oder kaufen wollen. Der Trade wird ausgeführt, sobald im Orderbuch eine Gegenpartei auftaucht – unabhängig davon, wie sich der Aktienkurs in der Zwischenzeit verändert hat. Die Krux bei diesem Instrument ohne Kurslimite: Die Kontrolle über den finalen Preis geht verloren. Denn die Aktie muss eventuell zu einem überhöhten Preis gekauft oder zu einem unerwartet tiefen Preis verkauft werden. Gerade bei Aktien mit einem tiefen Handelsvolumen kann die fehlende Liquidität zu überraschenden Kurssprüngen führen. Deshalb sollten Bestens-Aufträge nur bei häufig gehandelten Titeln eingesetzt werden. Ein Blick ins Orderbuch vor dem Trade ist zudem immer zu empfehlen. Der limitierte Kaufauftrag Anders verhält es sich bei einem Auftrag mit Limite. Dabei wird eine Kurslimite gesetzt und ein Zeitfenster definiert. Bei einem Kaufauftrag bestimmt die Limite den maximalen Kurs, die der Trader zu zahlen bereit ist. Wenn man also für eine Aktie bei einem Kurs von aktuell 52 Franken nicht mehr als 50 Franken bezahlen will, setzt man die Limite von 50. Sobald der Kurs
schützt der limitierte Auftrag davor, dass man zu hohe Preise bezahlt oder zu wenig für ein Produkt erhält. Speziell für Investoren, die ihr Portfolio nicht ständig überwachen können, sind solche Aufträge sinnvoll.
Auch beim Aktienhandel gilt: Vorsicht vor Untiefen! © Wouter Tolenaars/fotolia.com
die Marke von 50 Franken berührt, wird der Kaufauftrag ausgeführt. Achtung: Bei limitierten Aufträgen kann es zu Teilausführungen kommen – je nach Stückzahl der in Auftrag gegebenen Aktien und je nach Nachfrage der Gegenpartei. Der limitierte Verkaufsauftrag Diese Order stellt sicher, dass der Trader einen bestimmten Betrag für sein Wertpapier erhält. Erreicht der Kurs diese Limite nicht, kommt kein Handel zustande. Limitierte Aufträge machen besonders bei Aktien kleiner Unternehmen Sinn, die in geringer Stückzahl gehandelt werden. Zudem
Der Stop Loss Geeignet für etwas geübtere Trader. StopLoss-Aufträge kommen in der Regel beim Verkauf von Wertschriften zum Einsatz und werden erst dann ausgelöst, wenn der Wertschriftenkurs eine bestimmte Schwelle (Trigger) berührt. Dieses Instrument wird genutzt, um mögliche Verluste einzugrenzen. Ein Beispiel: Wenn man eine Wertschrift mit aktuellem Kurs bei 120 Franken gegen einen Absturz absichern möchte, kann man einen Stop Loss bei 80 Franken setzen. Sobald der Kurs diese Marke nach unten durchbricht, wird die Aktie «bestens» verkauft. Allerdings ist auch diese Strategie nicht ganz sicher. Wenn sich ein Kurs im freien Fall befindet (zum Beispiel der Eurokurs nach der Aufhebung der SNB-Kursuntergrenze), ist eine Preisbildung nicht möglich. Der Stop-Loss-Auftrag wird erst ausgeführt, wenn wieder ein stabiler Handel möglich ist – unter Umständen deutlich unter der angegebenen Schwelle. Daneben gibt es den Alternative Stop Loss mit Limite. Dieser Auftrag wird nicht bestens, sondern bis zu einer vordefinierten Limite verkauft. Fällt der Kurs unter diese Schwelle, wird der Verkauf gestoppt. Market-to-Limit, One-Cancels-Other, Order-on-Event oder Iceberg-Order sind weitere Varianten von Auftragsarten. Doch nicht auf allen Trading-Plattformen ist die Auswahl an diesen Orders gleich gross. Verwenden Sie deshalb nur Instrumente, die Sie auch verstehen.
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PORTRÄT ANALYSTIN
EINE GEHÖRIGE PORTION STRESSRESISTENZ Ihr Urteil kann Aktienkurse erschüttern und Manager entlarven: Ein Tag im Leben der Aktien-Analystin Sibylle Bischofberger. VON IVO RUCH
N
ein, für Morgenmuffel ist dieser Job nichts. Wenn Sibylle Bischofberger in ihr Büro im Zürcher Kreis 5 kommt und ihren Computer hochfährt, ist es manchmal erst kurz vor halb sieben. Häufig ist es einer dieser Tage, an denen Sonova, Straumann oder Actelion ihre Geschäftszahlen vorlegen. Sibylle Bischofberger analysiert Aktien von zehn Schweizer Medizinaltechnik- und BiotechUnternehmen und gibt ihren Kunden eine Investitionsempfehlung ab. Sie tut das seit 2006 bei der Zürcher Kantonalbank. Auf das Studium der Biochemie an der ETH liess Bischofberger einen Master in Wirtschaft folgen, weil es ihr im Labor «zu einsam» war. Heute sind beide Aspekte ihrer Ausbildung gleich wichtig. Sie muss Medikamente, Hörgeräte oder Zahnimplantate genau verstehen. «Schliesslich muss ich dieses Wissen in Zahlen ausdrücken, um zu empfehlen, ob sich ein Investment lohnt oder nicht», wie sie sagt. Um sieben Uhr morgens geht der Zahlensturm los In der Ruhe vor dem Zahlensturm öffnet die Analystin vorbereitete Text- und Tabellendokumente: Es sind Schätzungen zum Geschäftsverlauf der Gesellschaft. Landet dann gegen sieben Uhr die Mitteilung der Firma in ihrer Mailbox, überträgt sie die offiziellen Kennzahlen zu Umsatz, EBIT, Gewinn etc. in ihre Dokumente und vergleicht sie mit den vorab gemachten Prognosen. Gleichzeitig folgt die eigentliche Analyse: nach Gründen für die Abweichung zu den Schätzungen zu suchen, diese zu gewichten und in Worte zu fassen. Am Ende einer aufwendigen Analyse steht der faire Wert einer Aktie. Ist dieser höher als der aktuelle Aktienkurs, empfiehlt Si-
18
Für Analysten in einer Bank beginnt der Arbeitstag oft schon frühmorgens. zvg
bylle Bischofberger ihren Kunden, den Titel zu kaufen. «Wenn dieser tiefer ist, lautet mein Urteil: Hände weg von der Aktie.» Und für den Fall, dass die Bewertung fair ist, kommt das Rating «Marktgewichten» zum Zuge. Noch vor acht Uhr muss die erste Einschätzung den internen und externen Kunden zugeschickt werden, genauso wie ein Audiodokument mit den wichtigsten Informationen. Eine halbe Stunde später folgt eine ausführlichere Beurteilung mit den wichtigsten
Kennzahlen und weiteren Erwartungen für die Gesellschaft. Ebenfalls vor der Börsen eröffnung um neun Uhr steht eine Besprechung mit der Handelsabteilung der ZKB und mit externen institutionellen Kunden an. Auch diese werden von Sibylle Bischofberger bezüglich der betreffenden Aktie auf den neusten Stand gebracht. Es gibt Firmen, die zittern vor den Einschätzungen der Analysten. Verändern diese ihr Rating, kann der Aktienkurs heftig reagieren. Entscheidend sind aber die
Wenn der faire Wert tiefer ist als der Aktienkurs, heisst es: Hände weg vom Wertpapier.
ANALYSTIN PORTRÄT
Grösse einer Firma und die Anzahl Analysten, die das Unternehmen abdecken. Früher kam es vor, dass sich Analysten für wohlwollende Ratings belohnen liessen. Heute ist das aufgrund strenger Regeln kaum mehr möglich. Der intensive Kontakt mit dem Management der analysierten Firma gehört aber nach wie vor zum Arbeitsalltag. Genauso wie Produktionsbesichtigungen oder Kongresse – schlicht alles, was dazu dient, ein Unternehmen besser zu verstehen. Auch wenn der Analysten-Beruf viel mit Kopfarbeit zu tun hat, ist das Bauchgefühl mitentscheidend. «Ich muss einschätzen können, wann mich das Management anlügt oder mir etwas verschweigt», sagt Analystin Bischofberger. Bischofbergers Job: Die Zukunft eines Kurses voraussagen Nach neun Uhr ist der Handel an der Börse in vollem Gange. Bischofbergers nächster Termin ist eine Analystenkonferenz, wo sie mit Berufskollegen das Management einer Firma mit Fragen löchern kann. Danach – am Nachmittag – beginnt ihr Arbeitsalltag erst richtig. Die Analystin bringt Modelle auf den neusten Stand, beantwortet Kundenfragen oder publiziert eine Studie. Schliesst die Börse um halb sechs, ist ein erstes Fazit möglich. Stimmt die eigene Schätzung mit der Performance an der Börse überein? Daran wird eine Analystin gemessen. Ob sie richtig oder falsch liegt, ist Teil ihrer Zielvereinbarung. «Mein Job ist es, die Zukunft einer Aktienkursentwicklung vorherzusagen», sagt Sibylle Bischofberger. Da das ja nicht möglich ist, sei es ihr Ziel, öfter richtig als falsch zu liegen. «Damit gehören Misserfolge automatisch dazu.»
«Mein Beruf befindet sich in einer grossen Umbruchphase» Sibylle Bischofberger, welche Eigenschaften muss eine Analystin mitbringen? Man muss stressresistent sein, darf keine Mühe mit Schreiben haben und muss analytisch denken können. Auch das ständige kritische Hinterfragen von Aussagen ist sehr wichtig. Arbeiten Sie in einem Traumberuf? Ja. Er ist sehr abwechslungsreich. Am Morgen weiss ich oft nicht, was mich erwartet. Vielleicht trifft eine Gewinnwarnung ein, vielleicht passiert sonst etwas Unerwartetes. Zudem erhalte ich Einblick in viele Details eines Unternehmens und dessen Entwicklung. Welche Veränderungen kommen auf Ihren Beruf zu? Er ist in einer grossen Umbruchphase. Als ich in den 1990er-Jahren anfing, gab es in der Schweiz etwa 20 Medizinaltechnologie-Analysten, heute sind es noch vier. Die meisten Banken haben diese Arbeit entweder ins Ausland ausgelagert oder bieten das Research nicht mehr an. Welche Grundregeln geben Sie Privatanlegern mit auf den Weg? Für nicht spezialisierte Privatanleger ohne ratung sind Aktieninvestments risikoBe reich. Mir haben schon Leute angerufen, die das wenige Geld, das sie gespart hatten, mit Biotech-Aktien verloren haben. Wer keine Ahnung hat, sollte Expertenrat zuziehen.
SIBYLLE BISCHOFBERGER ANALYSTIN Bevor Sibylle Bischofberger zur ZKB stiess, analysierte sie bei den Banken Leu und Vontobel Firmen in den Bereichen Medizinal- und Biotechnologie sowie Chemie. Zuvor studierte sie von 1986 bis 1995 Biochemie an der ETH Zürich sowie Wirtschaft an den Unis Zürich und St. Gallen. Nach einem Abstecher in die Unternehmensberatung stieg die Zürcherin im Jahr 2000 in die Finanzindustrie ein.
Wie stehen Sie persönlich zu Aktienanlagen? Es gibt strikte Regeln zu meinen persönlichen Investments. Ich darf nur in Aktien aus dem Swiss Leader Index investieren und muss jede Transaktion im Voraus absegnen lassen. Zudem gilt eine lange Haltefrist, und Aktien aus meinem Analyse-Universum sind tabu.
DREI AKTIEN AUS DEM ANALYSE-UNIVERSUM VON SIBYLLE BISCHOFBERGER Sonova
Straumann
Galenica
Der weltweit führende
Die Basler stellen
Einerseits Pharmaunter-
Anbieter von Hörsyste-
Zahnimplantate im
nehmen, andererseits
men ist auch Markt
Premiumbereich her,
Apotheken- und Logistik-
leader in der drahtlosen
was ein kleiner, sehr
Dienstleister. Eisen-
Kommunikation und
kompetitiver Markt ist.
medikamente sind das
entwickelt sowie produ-
Laut Bischofberger hat
wichtigste Geschäft, in
ziert Cochlea-Implan
Straumann langfristig
dem sich aber vermehrt
tate. Sibylle Bischofberger empfiehlt die
gute Wachstumsaussichten. Rating: «Markt-
Konkurrenten tummeln. Rating: «Unterge-
Aktie zum Kauf. Im ersten Halbjahr 2015
gewichten», Performance in den ersten
wichten», Performance in den ersten sechs
hat sie 13 Prozent verloren.
sechs Monaten: plus 2 Prozent.
Monaten: plus 23 Prozent.
19
SOCIAL TRADING WIKIFOLIO
JETZT KÖNNEN ALLE FONDS MANAGER SEIN Facebook und Co. ebneten den Weg: Social Trading wird in der Anlagewelt immer grösser und beliebter. VON PASCAL ZÜGER
Privatanleger und professionelle Vermögensverwalter präsentieren ihre Anlagestrategien im Internet.
S
ocial Trading hat längst Einzug gehalten in die Welt der Anlageentscheide. Privatanleger und professionelle Vermögensverwalter können auf speziellen Online-Plattformen Investmentstrategien von anderen Anlegern nicht bloss einsehen oder kommentieren. Anleger können solche Strategien übernehmen oder selber Anlageideen ent wickeln. In Europa führend für Online-Anlagestrategien ist die 2012 in Wien gegründete Firma wikifolio.com. Seit März 2015 können auch Schweizer Anleger die Wikifolio-Dienste in Anspruch nehmen. cash.ch ist in der Schweiz Wikifolio-Kooperationspartner. Wie aber funktioniert Wikifolio? Teilneh-
mer setzen ihre Handelsideen in Musterportfolios, das heisst in sogenannte Wikifolios um. Wenn ein Wikifolio Anklang findet in der Community, also bei mindestens zehn potenziellen Anlegern, die gemeinsam eine Mindestsumme investieren würden, und wenn es eine interne WikifolioPrüfung besteht, kann es investierbar werden. Auf seine Wertentwicklung wird ein Index als Basis für das WikifolioZertifikat berechnet. Diese kann man schon ab etwa 100 Euro erwerben. Aktuell stehen dem Social Trader über 3100 investierbare Wikifolios zur Auswahl, ein paar Hundert sind in der Schweiz zum Vertrieb zugelassen. Als Anleger hat
Anleger können beim Social Trading Strategien über nehmen oder selber Ideen entwickeln.
20
© Rawpixel/fotolia.com
man also die Chance, sein Geld in ein Wikifolio-Zertifikat zu investieren und an der Wertentwicklung teilzuhaben. Handkehrum kann jeder auch selbst zum Fondsmanager werden, indem er sein eigenes Wikifolio veröffentlicht und für andere zugänglich macht. Die Macher dieser Plattform generieren ihre Einnahmen durch eine Zertifikate-Gebühr und eine Performance-Gebühr, die zwischen 5 und 30 Prozent der Gewinne beträgt. Wikifolio eines M olekularbiologen ist äusserst erfolgreich Die Fülle von Wikifolio-Anlagestrategien kann Hobby-Anleger schnell einmal überfordern. Mit einer Suchfunktion kann man die Auswahl der Wikifolios aber beschränken. Dazu fallen erfolgreiche Wikifolios schnell einmal auf: bei der Performance des Depots, der Anzahl gekaufter Index-
WIKIFOLIO SOCIAL TRADING
zertifikate und beim Total des investierten Kapitals. Zu den erfolgreichsten Zertifikaten im Wikifolio-Universum gehört «Umb rella» von Richard Dobetsberger, einem Molekularbiologen. Der Fokus liegt auf Pharmawerten und Hightech-Aktien weltweit. Über 8 Millionen Euro steckten Anleger bis anhin in diese Investment-Idee. Die Performance seit der Emission im September 2012 liegt bei 280 Prozent. Wichtigster Einzeltitel ist Apple mit einem Anteil von 15 Prozent. Auch beim Social Trading gilt: Sich nicht vom Erfolg blenden lassen Beim Social Trading gelten die gleichen Regeln wie beim anderen Anlegen: Eine hohe Rendite geht immer auch mit einem hohen Risiko einher. Diversifikation ist das A und O einer guten Investmentstrategie. Ausserdem sollten Anleger, die noch über wenig Finanzmarkterfahrung verfügen, den Verstand walten lassen: Die Strategien der Trader, denen man folgt, sollten zumindest ansatzweise verstanden werden.
SENTIFI: DIE WEISHEIT DER MASSE HAT DAS WORT Eine Gruppe als Ganzes ist intelligenter als ihre
tien oder Personen mitverfolgen und den Puls
einzelnen Mitglieder. Dem Grundsatz der «Wis-
des Marktes besser fühlen. Mehr als sechs Mil-
dom of the Crowd» («Weisheit der Masse»
lionen Nachrichten werden täglich analysiert.
oder «Schwarmintelligenz») folgt die Schwei-
Sentifi stellt danach die TOP 5 Tweets, Nach-
zer Firma Sentifi. Sie bezeichnet sich selber als
richten und Blogs auf Basis von Ranking-Algo-
«Finanzmarktintelligenz-Plattform». Aus dem
rithmen von Autoren und Inhalten auf. Diese
breiten Strom von Twitter, News und Blogs fil-
Marktinformationen sollen Anleger zu besse-
tert Sentifi, deren Dienste auch cash.ch in An-
ren Investitionsentscheidungen verhelfen.
spruch nimmt, die relevanten Meldungen über
Sentifi erfasst auch den Schweizer Markt. Über
ein Unternehmen heraus. Somit kann man als
diese Schweizer Aktien wurde im ersten Halb-
Beobachter die heiss diskutierten Themen, Ak-
jahr 2015 am meisten diskutiert:
SENTIFI-SPITZENREITER SMI Name
Der Schwarm findet den Weg besser als der Einzelne – darauf setzt Sentifi. © Matthias Krüttgen/fotolia.com
SPI Name
1.
Nestlé
1.
Logitech
2.
UBS
2.
Valiant
3.
Syngenta
3.
Siegfried
4.
Credit Suisse
4.
Sika
5.
Transocean
5.
Comet
6.
Roche
6.
Kuoni Quelle: Sentifi.com
21
ANLEGEN EXPERTENMEINUNGEN
AKTIEN, OBLIGATIONEN – ODER GIBTS NOCH ALTERNATIVEN? cash VALUE möchte wissen, wie man in den nächsten zehn Jahren sein Geld anlegen soll. Die Meinung von sechs Experten. AUFGEZEICHNET VON MARC FORSTER
Florian Schubiger, geschäftsführender Partner Vermögenspartner
«
Warum denn in die Ferne schweifen? Wer Geld langfristig anlegen möchte, muss sich zunächst überlegen, wie viel netto überhaupt zur Verfügung steht. Zuerst sollte man den Notgroschen vom Vermögen abziehen und in bar auf dem Konto halten. Idealerweise eine Summe, die einen während mindestens sechs Monaten über Wasser hält. Dann stellt sich die Frage nach dem Zinseinkommen. Falls man nicht über ein regel mässiges Einkommen verfügt, sollte man hier den nötigen Betrag identifizieren und in Unternehmensanleihen guter Bonität investieren. Wer über die nächsten fünf Jahre nicht auf das Ersparte zurückgreifen muss, kann sich den Aktien zuwenden. Die Vergangenheit zeigt, dass Schweizer Anleger mit Schweizer Aktien am besten ge fahren sind, wenn man Währungseffekte berücksichtigt. Ein ausgewogenes P ortfolio von Qualitätsaktien hat die höchste Chance zur Wertsteigerung.
«
22
profitiert man mit dem Konto relativ rasch davon. Nach einem allgemeinen Zinsanstieg ist ein Wechsel in Obligationen möglich.
«
«
Thomas Stucki, Anlagechef St. Galler Kantonalbank
«
Die Balance ist entscheidend – die Zinsen liegen bei oder gar unter null Prozent. Dennoch ist auf der Suche nach ‹Zusatzrendite› vorsichtig vorzugehen. Der Teil des Vermögens, der unbedingt gehalten werden muss, sollte auf dem Konto bei der Bank oder in normalen Franken-Anleihen guter Schuldner angelegt sein, auch wenn damit über die nächsten fünf Jahre nichts verdient wird. Dies gibt den nötigen Spielraum, um den anderen Teil des Vermögens in riskantere Anlagen zu investieren und damit eine Mehrrendite zu erzielen. Dabei bevorzuge ich Aktien. Die drei Argumente, die für gute Aktienmärkte sprechen, sind nach wie vor intakt: Die Weltwirtschaft, angeführt von den USA, wächst solide. Die Zentralbanken werden trotz Zinserhöhungen in den USA die Geldmenge im System weiter hoch halten, und die attraktiven Alternativen zu den Aktien und ihren Dividenden werden immer weniger.
«
Christian Gattiker, Chefstratege Bank Julius Bär
Wer einen Anlagehorizont von mehr als zehn Jahren hat, kommt an Aktien auch künftig nicht vorbei. Langfristig betrachtet haben die Beteiligungspapiere mit Sachwertcharakter vor allem zwei Vorteile: Die Renditechancen sind hoch und es besteht indirekt ein kosteneffizienter, krisenresistenter Inflationsschutz. Wir empfehlen ein weltweit diversifiziertes Portfolio. Für Frankenanleger ist ein Übergewicht der Schweiz im Vergleich zum Weltaktienmarkt sinnvoll. Die Umsetzung erfolgt am besten mit ETF (Exchange Traded Funds). So sind Risiken breit gestreut und die Kosten tief. Wer nicht risikofreudig ist, kann sein Geld aktuell auf einem möglichst gut verzinsten Konto belassen. Der Zins ist nach Abzug aller Gebühren höher als bei vielen Obligationen. Und steigen die Zinsen,
EXPERTENMEINUNGEN ANLEGEN
Samy Ibrahim, Leiter Asset Management Alternative Bank Schweiz
Thomas Steinemann, Anlagechef Bank Bellerive
sozial und ökologisch orientierten Geschäftsmodell können attraktiv sein. Fazit: Die Zeiten waren noch nie so gut, um verantwortungsbewusst zu investieren.
« Daniel Kalt, Chefökonom Schweiz UBS
«
Was macht einen Anleger erfolgreich? Das Wichtigste ist ein systematisches Vorgehen. Am Anfang wird immer die Fähigkeit des Anlegers, Wertschwankungen zu tragen, definiert. Dann wird ein passendes, breit diversifiziertes Portfolio aufgebaut, mit Fokus auf Aktien, Unternehmensanleihen und auch alternativen Anlagen wie Hedge Fonds. Staatsanleihen sollten je nach Risikoprofil nur in geringem Ausmass beigemischt werden, denn bei steigenden Zinsen werden diese leiden. Von Rohstoffanlagen wie Gold oder Öl raten wir seit zwei Jahren ab; Immobilienfonds weisen zwar attraktive Ausschüttungsrenditen aus, sind aber derzeit recht teuer. Wir empfehlen keine zu hohe Bargeldquote. Die einmal definierte Anlageverteilung muss konsequent durchgezogen und die strategische Ausrichtung alle ein bis zwei Jahre überprüft und wenn nötig angepasst werden.
«
Für Anlegerinnen und Anleger, die mit ihrem Geld etwas Sinnvolles bewirken wollen, bietet sich im Moment eine interessante Ausgangslage: Einerseits verunsichert die politische Entwicklung in Europa die Finanzmärkte. Niemand weiss, ob und wie sich die Schuldenkrisen auf die Aktienmärkte durchschlagen. Andererseits dämpft das anhaltend tiefe bis negati ve Zinsniveau die Renditeerwartungen. In diesem Umfeld sind Anlagen vielversprechend, deren Entwicklung nicht von den Finanzmärkten abhängt. Dazu zählen Titel, die einen hohen positiven Einfluss auf Umwelt und Gesellschaft haben. Zu nennen sind etwa Engagements im Bereich Mikrofinanz oder Windenergie. Aber auch Investitionen in Banken und weitere Unternehmen mit einem ausschliesslich
Seit der globalen Rezession 2009/2010 hat sich die Weltkonjunktur nicht zuletzt wegen beherzter geld- und fiskalpolitischer Massnahmen erholt. Die USA sind einmal mehr die Wachstumslokomotive und werden daher als Erste eine geldpolitische Normalität herstellen und vermutlich noch 2015 die Leitzinsen anheben. Das ist ein gutes Zeichen! Bis Europa, Japan, China und die Schweiz folgen, wird es noch einiges länger dauern – früher oder später wird es aber auch da passieren. Obligationen-Renditen werden zwangsläufig steigen. Dies bedeutet langfristig Verluste bei Obligationen, und wir empfehlen daher, keine zu halten. Für einen Zeitrahmen bis zu zehn Jahren sollte der grösste Teil des Depots mit Aktien bestückt sein. Wir empfehlen Blue Chips 40 Prozent
Schweiz, 30 Prozent Europa, 20 Prozent USA und 10 Prozent Schwellenländer, wobei die Fremdwährungen weitestgehend abgesichert sein sollten.
«
«
«
Frankenstärke und Geldpolitik der US-Notenbank prägen die Börsen im zweiten Halbjahr 2015 Für welche Schweizer Aktien steht es 2015
Gas- und Ölindustrie haben. Die Uhrenindus
USA. Bei den Versicherungen ist entscheidend,
gut? Bei der Industrie ist die Stimmung ge-
trie hat im ersten Semester ihre Exporte hin-
dass sich keine grossen Katastrophen ereig-
mischt. Der starke Franken prägt die Schweizer
gegen erhöht und geht mit verbesserten Vor-
nen. Auf die Auswirkungen der Tiefzinsen ha-
Exportwirtschaft weiterhin. Nach über einem
zeichen ins weitere Jahr.
ben sich die Versicherer hingegen schon längst
halben Jahr ohne die Kursuntergrenze von 1.20
Industriekonzerne mit hochwertigen und ge-
eingestellt. Ein Fels in der Brandung ist die
Franken zum Euro ist die Währungssituation
fragten Produkten werden sich ebenfalls gut
Pharmabranche. Die Nahrungsmittelbranche
aber in den Aktienkursen meist eingepreist.
schlagen. Die grossen Banken haben im ersten
hält sich ebenfalls gut und profitiert nach wie
Zudem können sich die Unternehmen darauf
Halbjahr mit soliden Zahlenausweisen über-
vor von ihrem Ruf als defensives Investment.
einstellen, dass sich die Eurozone auf einem
zeugt. Sie sind aber angewiesen auf eine gute
Auch die Telekombranche hat sich im ersten
leichten Erholungskurs befindet. Unter Druck
Stimmung an den Finanzmärkten sowie eine
Halbjahr von den Marktturbulenzen weitge-
stehen Unternehmen, die ihre Kunden in der
nur behutsame Anhebung der Leitzinsen in den
hend unbeeindruckt gezeigt.
23
VORSORGE FINANZPLANUNG
EINE FINANZPLANUNG KANN GELD WERT SEIN Pensionskasse, Steuern, Versicherungen: Wem diese Dinge zu kompliziert sind, sollte einen Finanzplaner engagieren. VON DANIEL DUBACH
F
inanzplanung ist eh nur etwas für Leute mit Millionenvermögen: Diesen Satz hört man immer wieder. Meist wegen mangelnder Kenntnis über wichtige Fragen behandeln die Schweizer ihre persönliche Finanz- und Vorsorgeplanung stiefmütterlich. Doch spätestens ab Mitte Vierzig, wenn man in die zweite Hälfte der Berufskarriere einmündet, stellen sich immer häufiger Fragen zur langfristigen, finanziellen Absicherung. Für sich und seine Familie. Ob dabei der Versicherungs- oder Bankberater, den man eben so kennt, wirklich weiterhelfen kann und ob dieser auch den unabhängigen Blick wahrt, muss meist angezweifelt werden. Besser ist es, sich einer Fachperson anzuvertrauen, die sich mit der gesamten Palette der Fragestellungen auskennt und die unabhängig von Produkteanbietern arbeitet. Fragen, um die sich ein Finanzplaner kümmert Eine seriöse Finanzplanung beginnt mit einer Analyse der aktuellen Lebenssituation sowie den Bedürfnissen und Zielen. In einem persönlichen Erstgespräch versucht der Finanzplaner zuerst, sich ein Bild vom Klienten zu verschaffen. Er fordert alle notwendigen Daten und Unterlagen ein wie etwa Angaben zur Familie, Vermögenssituation, Versicherungspolicen, Steuererklärung oder Angaben zur Pensionskasse. Wichtig ist, dass die einzelnen Parameter wie Budgetsituation, Steuerfragen, Erbrecht, Vorsorgesituation und Wohneigentum gesamtheitlich mit ihren Wechselwirkungen betrachtet und zu einem Ganzen ineinander verwoben werden. Nur so lässt sich das persönliche Optimierungspotenzial erkennen. Der Optimierungsweg hängt
24
Geruhsam dem Ruhestand entgegenblicken? Dazu sollte die Vorsorgeplanung früh zeitig in Angriff genommen werden. Keystone
FINANZPLANUNG VORSORGE
CHECKLISTE FÜR EINE SERIÖSE FINANZPLANUNG Budget und Liquidität
Versicherungs- und Anlageberatung
❒W ie hoch sind meine fixen und variablen Ein-
❒W elches ist unter Berücksichtigung der Steu-
nahmen und Ausgaben heute und zukünftig? ❒W o habe ich Sparpotenzial? ❒W ie hoch soll meine Hypothek zukünftig
ern meine Risikofähigkeit und -willigkeit? ❒H abe ich Potenzial für Direktanlagen oder eher Fonds? ❒W elcher Versicherungsschutz ist für welches
sein? ❒W ann brauche ich zukünftig welche Geldbe-
Risiko notwendig? ❒W elche Versicherungsgesellschaft zahlt die
träge? ❒W ann und woher erhalte ich zukünftig meine Geldbeträge zum Leben?
besten Zinsen auf Einmaleinlagen? ❒W elches sind für meine Situation geeignete Fonds und Versicherungsprodukte?
Vorsorgeberatung ❒ Mit wie viel Pensionskassenrente oder -kapital kann ich bei der Pensionierung rechnen? ❒G enügen die Renten aus der 1. und 2. Säule, um meinen Lebensstandard zu sichern? ❒W elche Möglichkeiten gibt es für ein zusätzliches, gesichertes Einkommen im Ruhestand? ❒W ie sieht meine Einkommenssituation im Invaliditätsfall aus?
Geschützter Titel Finanzplaner kann sich jeder nennen. Es gibt jedoch Lehrgänge und Titel, die auf eine seriöse Ausbildung und daher eine gewisse Qualität des Beraters hinweisen, wie eidg. dipl. Finanzplanungsexperte (höchste Stufe), dipl. Financial Consultant NDS FH oder Finanzplaner mit eidgenössischem Fachausweis.
Erbrechtliche Fragen ❒B rauche ich einen Ehevertrag oder ein Testa ment? ❒W ie kann ich meinen Partner über den Pflichtteil hinaus optimal begünstigen? ie regle ich meinen Nachlass möglichst ❒W steuergünstig? ❒W en setze ich für die Teilung meines Nachlasses ein?
❒W ird bei Invalidität meines Eheoder
Wie finde ich einen Finanzplaner?
Konkubinatspartners
eine Rente oder ein Kapital bezahlt? ❒ Was erhält mein Ehe- oder Konkubinatspartner im Falle meines Todes?
Unabhängige Produkteauswahl Unabhängige Finanzplaner sind keiner Bank oder Versicherung verpflichtet und können Produkte nach den Bedürfnissen der Kunden im Markt selektieren. Kosten für eine Finanzplanung Finanzplaner arbeiten auf Honorarbasis. Die Stundenansätze variieren zwischen 150 und 250 Franken. Das Erstgespräch ist gratis. Darauf folgt eine detaillierte Offerte. Ein einfacher Finanzplan, der in ein paar Stunden erstellt ist, kostet einige Hundert Franken. Komplexere Fälle können auch mehrere Tausend Franken kosten.
❒ Ist meine Familie im Falle meines Todes
genügend
abgesichert? ❒W elche Steuern fallen für die Begünstigten bei den
verschiedenen
Versi-
cherungen an?
direkt von den individuellen zukünftigen Zielen und Bedürfnissen ab. Idealerweise hält der Kunde einen Kompass in der Hand, der zeigt, wie sich seine finanziellen Lebensumstände entwickeln und ob sich seine Ziele und Wünsche zukünftig realisieren lassen. Der Weg dorthin ist mit konkreten Empfehlungen versehen. Geld sparen bei der Umsetzung des Planes Erst nach eingehender Besprechung der Ist-Situation und dieses Finanzplanes geht es in einem zweiten Schritt in die Umsetzungsphase, bei der geeignete Versicherungs- und Bankprodukte gekauft werden. Der Finanzplaner begleitet hier die Umsetzung und zeigt mit Produktver-
© anoli/fotolia.com
gleichen auf, wie Geld gespart werden kann. Der Finanzplan zeigt aber oft noch viel grundsätzlicheres Potenzial zum Geldsparen auf. Ein Beispiel: Durch das Einrichten mehrerer Säule-3a-Konti und die geschickte Planung eines zeitlich gestaffelten Bezugs der Gelder aus der zweiten und dritten Säule lassen sich mehrere Tausend Franken Steuern einsparen. Oder man erhält bei der Frage «Lebenslange Rente versus Kapitalbezug aus der beruflichen Vorsorge» eine gezielte Antwort, weil sie auf einer Berechnung der eigenen Lebens- und Steuerumstände beruht. Eine Fehlberatung durch einen unqualifizierten Berater kann einem in dieser entscheidenden Frage buchstäblich lebenslänglich teuer zu stehen kommen.
Offenlegung von Provisionen Eine Gratisberatung, die durch Provisionen der angebotenen Produkte finanziert wird, ist wenig seriös. Provisionen und Kommissionen sollten dem Kunden in jedem Fall offengelegt oder vergütet werden. Geeigneten Beratungspartner finden Auf der Internetseite des FinanzplanerVerbands (www.myfinancepro.ch) lässt sich eine Namensliste möglicher Berater erstellen (ohne Qualitätsgewähr). Mundpropaganda Bewährt hat sich auch, bei Freunden und Bekannten nach geeigneten Beratern nachzufragen, mit denen sie gute Erfahrungen gemacht haben. Qualitätsstandards für Finanzplaner Der Finanzplaner-Verband Schweiz hat für seine Mitglieder Standesregeln entwickelt. Ob jemand Mitglied im Finanzplaner-Verband Schweiz ist, lässt sich auf der Verbands-Homepage (www.fpvs.ch) durch Eingabe des Namens überprüfen.
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INTERVIEW GREGOR GREBER
«AKTIENANLAGEN SIND IMMER RISIKOREICH» Aktienspezialist Gregor Greber über sein Engagement als aktiver Aktionär und Kaufmöglichkeiten an der Schweizer Börse. INTERVIEW: DANIEL HÜGLI BILDER: NIK HUNGER
Herr Greber, Sie haben mit V eraison Capital 2015 einen Vermögens verwalter und den Sicav-Fonds gegründet. Bekannt wurden Sie als Aktionärsrechtler wegen Ihrer früheren Firmen zRating und zCapital. Weshalb die Neugründung? Es ist ein konsequenter und logischer Schritt auch in meiner beruflichen Karriere. Ich sagte mir: Man soll nicht bloss Verantwortung predigen, die Aktionäre sollten die Rechte auch tragen. Deshalb die Gründung von Veraison Capital als engagierter und verantwortungsvoller Aktionär. Im Vergleich zu angelsächsischen Ländern gehen Schweizer Aktionäre mit Firmen immer noch sanft um. Das ist so und ist auch nicht falsch. Schweizer sind etwas diskreter und zurückhaltender. Man zieht die Diskussion am runden Tisch dem Schritt an die Öffentlichkeit vor. Dieser Weg ist sehr konstruktiv und zielorientierter. Asset Manager bei den Schweizer Banken müssen sich aufgrund der bank internen Interessenkonflikte zurückhalten. Andere Grossinvestoren wie Pensionskassen haben diese Konflikte aber weniger. Sollten die ihre Aktionärsrechte nicht mehr wahr nehmen? Ich will nicht über andere urteilen. Mit dem Kauf einer Aktie erwirbt der Aktionär nicht nur Chancen auf Kapitalgewinne oder Dividenden, sie bietet auch ein Mitspracherecht. Unser Einsatz früher schon bei zRating oder zCapital war, für den Grundsatz «Eine Aktie, eine Stimme» einzustehen. Der Aktionär erhebt sich in vielen Fällen erst dann, wenn der Schaden angerichtet
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Gregor Greber: «Schweizer Aktionäre sind etwas diskreter und zurückhaltender. Man zieht die Diskussion am runden Tisch dem Schritt an die Öffentlichkeit vor.»
GREGOR GREBER INTERVIEW
ist. Beispiele in der Schweiz sind die Fälle Petroplus, Aryzta oder Sika. Verantwortung wahrnehmen als Aktionär ist auch verbunden mit hohem Aufwand und Kosten. Das lohnt sich offensichtlich nicht für Anleger, die sehr indexnah oder passiv investieren. Tiefe Gebühren stehen über allem. Jemand aus der Branche soll Sie mal als «selbst ernannter Aktionärsrechtler» bezeichnet haben. Es finden offenbar nicht alle toll, wie Sie sich exponieren. Wer keine Neider oder Feinde hat, der hat auch keine Freunde. Das muss man sich erarbeiten. In der Vergangenheit konnten wir bei Firmen einige Dinge bewirken, sei es öffentlich mit Traktandierungsbegehren oder dann still und leise im Dialog. Viele Erfolge oder solche Begehren stossen nicht immer auf sofortiges Verständnis.
ren. Zudem investieren wir das Kapital unserer Geldgeber erst dann in eine Firma, wenn wir deren Aktien zu einem Abschlag von 30 bis 50 Prozent zum intrinsischen Wert des Unternehmens an der Börse erwerben können. Wie lange werden die Titel gehalten? Unsere Fonds-Anleger haben sich zu langfristigem Anlegen im Schnitt von über drei Jahren ohne fixen Ausstieg verpflichtet. Dies ermöglicht uns die Positionierung als institutioneller Ankeraktionär bei den Firmen. So müssen wir uns beim Kauf nicht schon über den Ausstiegszeitpunkt kümmern. Das Bewertungsniveau und die Chancen der Firmen stehen im Vordergrund. Es kann sein, dass die Aktie beim ersten Einstiegszeitpunkt etwas teurer war und es dann zu einer Börsenkorrektur kommt. Wichtig ist dann, dass wir der Firma die Stange halten und nicht verkaufen müssen, um in Panik geratene Geldgeber zu befriedigen.
«Fast ein Drittel aller kotierten Schweizer Firmen handelt zu tieferen Aktienkursen als vor sechs Jahren.»
Der Fonds «Veraison Sicav», mit dem Sie bislang in Firmen wie Orell Füssli oder Goldbach investiert haben, ist laut Eigenwerbung in der Schweiz einzigartig. Weshalb? Wir haben eine Sicav-Struktur, die in der Schweiz für Aktienanlagen noch nicht bekannt ist. Es ist eine Kombination aus einer Aktiengesellschaft mit flexiblem Kapitalband und einem bewährten, transparenten Anlagefonds. Der Anleger erhält ein Stimmrecht wie bei einer Beteiligungsgesellschaft. Zudem kann eine Sicav grössere Positionen eingehen. Unsere Geldgeber haben ein langfristiges Investment mittels Lock-ups zugesichert. Ihre investierte Summe ist für eine bestimmte Zeit blockiert. Dies ermöglicht ein langfristiges Anlegen. Sie legen Geld von Investoren in unterbewertete Firmen an. Ist das nicht riskant? Diese Firmen werden vom Markt ja nicht grundlos abgestraft. Aktienanlagen sind stets risikoreich. Wir werden nie jemandem erzählen, Aktienanlagen seien ein Ersatz für Bargeld oder Obligationen. Wir betreiben einen grossen Aufwand, bevor wir in eine Firma investie-
Wie viele von den insgesamt 260 im Swiss Performance Index kotierten Firmen sind auf Ihrem Radar? Wir meiden Aktien von Kantonalbanken und Stromversorgern. Hier spielt die politische Komponente hinein, die der Aktionär kaum beurteilen kann. Wir wären auch nicht die besten Eigentümer bei BiotechAktien, dafür gibt es genügend Spezialisten. Es bleibt eine Liste von etwa 160 Firmen. Von diesen kaufen wir konsequent nur unterbewertete Value-Aktien. Derzeit sehen wir bei drei, vier Dutzend Firmen eine Unterbewertung. Wir disziplinieren uns auf acht bis zwölf Engagements. Wir haben seit Jahren steigende örsen. Gibt es überhaupt noch so B viele unterbewertete Firmen? Die Börse hat eine Art Zweiteilung hinter sich. Das Geld der Investoren wurde in den letzten Jahren vor allem in passive Anlagen, indexnah und in ETF angelegt. Grosse Firmen wurden deutlich teurer. Daneben handelt fast ein Drittel aller kotierten Schweizer Unternehmen zu tieferen Aktienkursen als vor sechs Jahren. Diese
Firmen wurden vernachlässigt oder haben ganz offensichtlich ihre Hausaufgaben noch nicht vollständig erledigt. Wie sehen Sie die Entwicklung der Aktienmärkte bis 2020? Langfristig setze ich persönlich immer auf Aktienanlagen. Mein Credo ist: Unternehmen sind immer besser aufgestellt und handeln haushälterischer und langfristiger als der Staat oder die Politik. Derzeit haben wir an den Märkten sicher keine Unterbewertung mehr, es ist aber auch keine Überbewertung feststellbar. Wir sehen etliche Anlagechancen. Ihre andere Passion ist der Fussball. 2012 traten Sie nach einem verlo renen Machtkampf gegen FC-ZürichPräsident Ancillo Canepa als Vizepräsident zurück. Kehren Sie beim FCZ in eine Top-Position zurück? Der FCZ ist in erster Linie eine persönliche Herzensangelegenheit. Als Verwaltungsrat darf man aber nicht wie ein Fan handeln. Daran krankt der Fussball. Ich fühlte mich bei meinem Abgang vor drei Jahren nicht mehr wohl in der Finanzierungs- und Führungsstruktur. Es war kein Machtkampf, sondern eine strategische Überlegung. Prinzipiell schliesse ich im Leben nie etwas aus. Bloss möchte ich nie zweimal das Gleiche tun. Das Original ist immer besser als das Remake.
GREGOR GREBER ÖKONOM UND VERMÖGENSVERWALTER Gregor Greber ist Chairman der 2015 von ihm mitgegründeten Veraison Capital in Zürich. Zuvor war er Aktienspezialist und Leiter Aktien bei diversen Banken und CorporateFinance-Chef bei der Bank am Bellevue. Danach gründete er den Vermögensverwalter zCapital und den Aktionärsberater zRating.
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ZUKUNFT BANKING 2.0
DER BANKER DER ZUKUNFT IST EIN INFORMATIKER Crowdfunding, digitale Brieftasche, Online-Anlagen: Die Banken sind im technologischen Umbruch. Das sind die Trends. VON IVO RUCH
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on einem Tsunami ist die Rede, vom Ende einer Ära und immer wieder vom Kampf Mensch gegen Maschine. Keine Frage, die Bankenbranche ist im Umbruch. Weltweit haben Tausende von Kleinunternehmen vor, die Finanzwelt zu revolutionieren. Sie setzen dabei auf neue Technologien, kreative Ideen und einen einfacheren Umgang mit Geld. Man nennt sie Fintechs. Sie entwickeln beispielsweise Software, um in Sekundenschnelle die Kreditwürdigkeit von Antragstellern zu prüfen. Oder sie erstellen digitale Plattformen, die Kreditnehmer und Privatleute zusammenbringen. Crowdfunding kontra Bankkredit – Alternative der Finanzierung Gerade diese Crowdfunding genannte alternative Form der Finanzierung könnte die Banken dereinst Umsatz kosten. Denn sie ermöglicht es, für verschiedenartige Projekte Geld zu beschaffen – ob es nun die Unterstützung eines Musikprojekts, die Anschubfinanzierung eines Start-ups oder der Kleinkredit für einen Sportplatz ist. Gegenstand des Deals ist in der Regel auch eine Gegenleistung. Sie ist entweder monetärer (Zinsertrag) oder nicht-monetärer Art (Produkte, Dienstleistungen). In der Schweiz hat sich diese Art der Kreditvergabe in den letzten drei Jahren verfünffacht. 15,8 Millionen Franken wurden 2014 durch Crowdfunding vermittelt – 36 Prozent mehr als im Vorjahr. Weltweit betrug das Volumen im letzten Jahr 14,8 Milliarden Franken, wobei der Schweizer
Online-Banking: Vieles ist heute über das Smartphone möglich.
Markt im internationalen Vergleich noch wenig entwickelt ist. Insbesondere eine massvolle Regulierung fehlt hierzulande. Zu diesem Resultat kommt eine Studie der Hochschule Luzern in Zusammenarbeit mit der Swisscom. Am weitesten fortgeschritten ist der Crowdfunding-Markt in den USA. Man rechnet dort bis 2025 mit einem Wachstum bis auf 150 Milliarden Dollar. Kommt dieser Trend in ähnlichem Verhältnis in der Schweiz an, könnten auf Klein- und Privatkredite spezialisierte Banken unter Druck geraten. Dass sich die Art und Weise, wie wir mit Geld um-
Der Markt von Crowdfunding hat sich in den letzten drei Jahren verfünffacht.
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gehen, derzeit stark verändert, zeigt schon das Verschwinden der klassischen Bankfiliale. Schweizer Banken dampfen zunehmend ihr Filialnetz ein und schlies sen Standorte, genauso wie europäische Grossbanken. Mit entsprechenden Folgen wie Jobabbau. Auch der Zahlungsverkehr befindet sich im Umbruch Auch das Ausführen von Zahlungen ist im Umbruch. Mit Selbstverständlichkeit kaufen wir heute Dinge übers Internet. Zahlen aus Deutschland zeigen, dass ein Viertel aller Online-Einkäufe bereits über Paypal laufen. Zudem wollen Apple Pay, Google Wallet und andere Anbieter das Bezahlen per Smartphone in Bars und Restaurants etablieren. Auch in der Schweiz gibt es
BANKING 2.0 ZUKUNFT
mehrere Lösungen für eine digitale Brieftasche oder für das elektronische Überweisen von Geld zwischen Privatpersonen. Weiteres Ungemach droht der Bankenwelt vom Trend zu digitaler Vermögensverwaltung, der sich in verschiedenen Ausprägungen zeigt. Dazu gehört auch das in der Schweiz präsente Wikifolio. Ähnlich wie bei sozialen Netzwerken kann dabei die Anlagestrategie eines anderen Users verfolgt oder nachgebildet werden (siehe auch Seite 20). Daneben gibt es vollständig automatisierte Online-Anlageplattformen, wie sie etwa die Zürcher Firma True Wealth anbietet.
zeigt. In vielen dieser erwähnten Finanzbereiche mischen nebst kleinen Anbietern auch die etablierten Bankinstitute selbst mit. So ist beispielsweise die Glarner Kantonalbank mit mehreren digitalen Produkten am Start. Mit wenigen Klicks ist dort der Abschluss eines Pri vatkredits oder einer Hypothek möglich. Während für kleinere Retail-Banken digitale Angebote durchaus einen bedeutenden Teil zum Umsatz beitragen können, sind sie für globale Universalbanken wie die UBS noch nicht match entscheidend. Diese mischen viel eher im digitalen Markt mit, um den Anschluss nicht zu verpassen, falls die Nachfrage rasant zunehmen sollte. Die UBS tut das vor allem im Bereich der digitalen Vermögensverwaltung mit ihrer Anwendung «UBS Advice».
Mit wenigen Klicks ist der Abschluss eines Privatkredits oder einer Hypothek möglich.
Die Universalbanken wollen den nschluss nicht verpassen A Am meisten Zukunftspotenzial dürfte aber die Online-Vermögensverwaltung in Kombination mit Beratung haben. Denn Bankkunden informieren sich vor Anlage entscheiden noch immer am liebsten via Kundenberater, wie eine Umfrage des Zuger Instituts für Finanzdienstleistungen (IFZ)
DIE VIER ARTEN VON CROWDFUNDING Crowdinvesting Beteiligung über Kapital an einem Unternehmen. Oft Firmen in einem frühen Entwicklungsstadium. Als Gegenleistung erhalten Investoren Anteile am Unternehmen oder sie haben am möglichen Erfolg teil. Crowdsupporting Besonders beliebt bei kreativen, kulturellen oder kommerziellen Projekten. Der Investor erhält ein Kunstwerk, ein Produkt oder eine Dienstleistung. Crowddonating Die bezahlten Beträge sind reine Spenden ohne Gegenleistung. Hier stehen soziale oder karitative Motive im Vordergrund. Crowdlending Die Kapitalgeber erhalten für ihr Darlehen Zinsen, die abhängig sind vom Risiko des Kapitalnehmers. Besonders beliebt bei Unternehmen oder Privaten.
Markt für digitales Anlegen noch im Anfangsstadium Auch wenn sich der Schweizer Markt für digitales Anlegen insgesamt noch in einem Anfangsstadium befindet, soll er in Zukunft stark wachsen. Bis im Jahr 2020 soll das digital angelegte Vermögen in der Schweiz auf 54 Milliarden Franken, in einem progressiven Szenario gar auf 89 Milliarden ansteigen, wie Zahlen der IFZ-Studie andeuten. Was die Studie auch sagt: Die Gewinner dieses Trends dürften die etablierten Banken sein – und nicht die innovativen Fintech-Unternehmen. Denn die Kunden schätzen die Erfahrung eines Anbieters als wichtig ein. Dafür und für das jahrelange Know-how sind Kunden im Moment noch bereit, in die Tasche zu greifen. Die Banken sind noch in anderen Bereichen Platzhirsche. Sie beackern komplexe Geschäftsfelder wie Fusionen von Unternehmen, Übernahmen oder Börsengänge. Und noch einen Trumpf haben die etablierten Geldhäuser: persönliche Daten. Mit den Unmengen von Informationen, die sie während langer Zeit über ihre Kunden in Erfahrung gebracht haben, wissen sie genau, woran diese interessiert sind und woran nicht. Und woher im Banking der Wind weht.
Mit der Smartphone-App «Paymit» digital Geld verschieben. Keystone
Umkämpfter Markt fürs digitale Zahlen
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er Schweizer Markt fürs Bezahlen via Smartphone ist in Bewegung. Wegen Erfolglosigkeit bietet Swisscom die mit Salt und Sunrise lancierte App «Tapit» nur noch bis Sommer 2016 an. Stattdessen schliesst sich Swisscom der Bezahllösung «Paymit» an, die von SIX, UBS und der Zürcher Kantonalbank ins Leben gerufen wurde. Paymit soll ein Schweizer Gegengewicht zur internationalen Konkurrenz wie Apple, Google oder Facebook sein, deren Lösungen in der Schweiz noch nicht funktionieren. Im Schweizer Markt der Bezahl-Apps tummeln sich zudem einige Start-ups.
Investoren stehen auf Fintech
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ie Fintech-Branche lockt zunehmend Geld an. Das jährlich in Fintech-Firmen fliessende Risikokapital stieg zwischen 2008 und 2014 von 1,5 Milliarden auf mehr als 12 Milliarden Dollar weltweit an. Allein zwischen 2013 und 2014 haben sich die Investitionen mehr als verdreifacht. Wer als Anleger auf den Fintech-Zug aufspringen will, sollte sich am «Solactive FinTech 20 Total Return Index» orientieren. Der Index bildet die Wertentwicklung der 20 grössten kotierten Fintech-Unternehmen eins zu eins ab. Die UBS bietet ein Zertifikat auf den Index an.
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ORAKEL BÖRSENEVENTS
Die Welt der Finanzmärkte und das Leben der Firmenchefs ist voller Überraschungen.
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WIRTSCHAFTS-NEWS, DIE SIE SICHER NIE LESEN WERDEN! Es gibt Events in der Schweizer Börsenwelt, die schlicht nicht möglich sind. Oder vielleicht doch? Sechs News aus der Fantasiewelt. VON MARC FORSTER UND DANIEL HÜGLI
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ick Hayek (Bild) hat die Nase voll: Immer diese Banken, immer dieser Börsenkurs! Hayek beschäftigt unzählige Mitarbeitende, welche die Börsen regulierung umsetzen müssen, Investorenbeziehungen pflegen und endlos Geschäfts- und Quartalsberichte schreiben. Dabei sollten sie doch das tun, wofür der glanzvolle Name Swatch steht: flippige Plastikuhren herstellen, edle Chronometer zusammensetzen und Schmuckstücke unter die Leute bringen, und zwar auf der ganzen Welt. Ein tieferer Aktienkurs – seit Anfang 2014 eine Tatsache im Konzern, dessen Führung Nick 2010 von seinem erfinderischen Vater Nicolas Hayek übernommen hat – hilft dem CEO
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bei seinem Plan: Er kauft die Swatch Group von der Börse zurück. Bei einem Börsenwert von über 20 Milliarden Franken kein leichtes Unterfangen. Aber Hayek bringt die Mittel zusammen, auch wenn er dafür hohe Schulden bei den ungeliebten Banken machen muss. Gemunkelt wird, dass es noch andere Geldquellen gibt. Dass die Uhrenmarke Omega ausgerechnet ihre Präsenz in der qatarischen Hauptstadt Doha und in Singapur vergrössert hat, wird dabei aber als reiner Zufall abgetan.
BÖRSENEVENTS ORAKEL
Wunschdenken: ABB-Aktie steigt nachhaltig über die Marke von 20 Franken
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ie Aktionäre des Industrie- und Technologieriesen ABB haben die Hoffnung auf Performance längst aufgegeben. Seit Mitte 2009 klebt der Aktienkurs von ABB an der Marke von 20 Franken, mit gelegentlichen Zuckungen nach unten und oben. ABB-Aktionäre sind geduldig und brav. Zu nachhaltig ist ihnen der Nahtod von ABB im Jahr 2002 eingefahren, als der Kurs auf 1,12 Franken absackte. Nun aber kommt «Deus ex Machina» Peter Voser (Bild), der wie in der antiken Tragödie in letzter Sekunde als Gott auf die Bühne schwebt und die als unvermeidlich angesehene (Aktien-)Katastrophe abwendet. Voser, als ABB-Präsident seit April 2015 im Amt, nimmt die Dinge entschlossen in die Hand. Er verkauft Unternehmensteile und fokussiert die konglomeratsähnliche ABB auf die wesentlichen Geschäfte. Voser hievt die ABB-Aktie damit auf derartige Höhen, dass die Investoren das Augenwasser kriegen. Ganz uneigennützig werden Vosers Taten aber nicht sein. Denn in seinen viereinhalb Jahren als CEO von Royal Dutch Shell stand Voser in permanenter Kritik von Aktionärsrechtlern, dass er zu viel Bonus (auch in Form von Aktien der Firma) im Verhältnis zum Fixlohn kassierte. Bilder Keystone
Traum: Tanner lässt die Bombe platzen
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rnst Tanner kommt zur Einsicht: Die Namenaktie des Schokoladenriesen Lindt & Sprüngli aus Kilchberg ZH ist mit einem Preis von gegen 70 000 Franken endgültig zu «schwer» geworden. Er kündigt den lange ersehnten Aktiensplit im Verhältnis 1:50 an. Das Papier ist nun für 1400 Franken zu haben. Heimatverbundene und schokoladensüchtige Kleinanleger greifen nun in Scharen nach der Aktie der traditionsreichen Firma. Versüsst wird ihnen der Besitz mit einer zusätzlichen Naturaldividende in Form von 10 Kilogramm Edel-Schoggi. Der Kurs steigt bald wieder auf 2000 Franken, die Analysten bleiben weiterhin voller Lob. Da kann CEO Tanner getrost die nächste Bombe platzen lassen: Er verzichtet auf sein Doppelmandat und bleibt nur noch für zwei Jahre Verwaltungsratspräsident. Die frei gewordene Zeit verbringt er häufig auf der Terrasse über dem Zürichsee mit dem ebenfalls nicht mehr vollbeschäftigten Ex-Fifa-Boss Sepp Blatter. Die Anlagestiftung Ethos preist Lindt zum ersten Mal als Vorbild in Sachen Corporate Governance.
Fantasie: Vasella vollendet sein Lebenswerk
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a war im Jahr 2001 dieser Angriff von Daniel Vasella auf Roche. Auf einmal besass Novartis 33 Prozent am Basler Lokalkonkurrenten. Novartis-CEO Vasella wollte die Fusion der Pharmakonzerne, bei der noblen Roche biss er auf Granit. Nun, fast 15 Jahre später, ist vieles anders. Vasellas Erzfeind bei Roche, Franz Humer, ist (fast) weg, der Konsolidierungsdruck steigt, die Roche-Familienaktionäre wollen Bares. Novartis-Ehrenpräsident Vasella zieht im Hintergrund die Fäden, und eines Morgens wacht Basel mit der «Novaroche» auf.
Fiktion: Hildebrand wird UBS-Präsident
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hilipp Hildebrand war 2008 Direktoriumsmitglied der Nationalbank, als diese die UBS vor dem Untergang rettete. Später musste Hildebrand als SNB-Präsident wegen einer Devisenaffäre abtreten. Diese Schmach hat er nie verschmerzt. In seinem Streben nach gesellschaftlicher Anerkennung will er unbedingt wieder eine Schweizer Spitzenposition. Die UBS erinnert sich an die guten Dienste und schanzt Hildebrand den Posten des VR-Präsidenten zu. Somit löst ein Ex-Zentralbankchef einen Ex-Zentralbankchef (Axel Weber) ab.
Utopie: Banken haken ihre Rechtsfälle ab
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ald ist Griechenland wieder solvent, die Euro-Krise vorüber und die Staatshaushalte sind wieder im Plus. Wer denkt da noch an unversteuertes Geld auf Schweizer Banken? Und weil die Trader sich an alle Regeln halten, geht den Regulatoren die Arbeit aus. CreditSuisse-Präsident Urs Rohner (Bild) fliegt nur noch für Opernaufführungen in der New Yorker «Met» über den Atlantik. Auf der Bühne sieht er alte Bekannte: US-Juristen in Diensten der UBS und der CS sind mittlerweile arbeitslos und versuchen sich im Kulturbetrieb.
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VORSORGE WICHTIGE FRAGEN
WAS SIE ÜBER DIE VORSORGE WISSEN MÜSSEN Vorsorge ist kompliziert. cash VALUE beantwortet die wichtigsten Fragen zur Altersfinanzierung. VON MARC FORSTER
Was ist eigentlich mein Ziel? Zentral ist die Finanzplanung zum Erhalt des Lebensstandards im Alter. Es gilt also, rechtzeitig eine Abschätzung über den Betrag zu treffen, den man nach der Pensionierung benötigt. Damit lässt sich klarer ein Sparziel festlegen. Das Altersvermögen setzt sich zusammen aus den Beträgen und finanziellen Anrechten, die sich aus den drei Säulen AHV, Berufsvorsorge und private Vorsorge ergeben. Es muss in zwei Teilen betrachtet werden: Geld, das man zum täglichen Leben braucht und das sich damit im Laufe der Jahre reduziert, und Geld, das man möglichst lange erhalten will. Warum muss ich überhaupt sparen? AHV und Berufsvorsorge reichen meist nicht, um den Lebensstandard zu erhalten. Regelmässig Geld zur Seite legen lohnt sich. Mit einem Säule-3a-Konto, bei dem pro Jahr maximal 6768 Franken einbezahlt werden können, spart man zudem Steuern. Nicht zu unterschätzten ist auch der Zinseffekt: Zahlt man ab dem 25. Lebensjahr im Monat 100 Franken auf ein Säule-3aKonto ein, das bis zur Pensionierung im Schnitt 3 Prozent Zinsen gibt, hat man mit 65 Jahren (vor Steuern) 92 000 Franken. 44 000 Franken ergeben sich dank Zinsen und Zinseszinsen. Wann muss ich anfangen? In jungen Jahren ist es wichtig, rechtzeitig einen Grundstock zu legen: Schon ein diszipliniert geführtes Jugendsparkonto kann den Anfang bilden. Wer studiert hat, muss sich auch bewusst sein, dass er während der Ausbildung länger nicht in die AHV und die Pensionskasse einbezahlt hat als Menschen, die Anfang 20 ins Berufsleben eingetreten sind.
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Es genügt nicht, einfach etwas Geld fürs Alter beiseitezulegen. Wichtig ist, ein Ziel zu definieren und sich dafür einen Plan zurechtzulegen. © sakkmesterke/fotolia.com
Steigt mit dem Alter das Einkommen, wird der finanzielle Spielraum grösser: Vor allem Lebensversicherungsprodukte richten sich zum Teil gezielt an Menschen über 45 Jahre. Es ist ratsam, zwischen 45 und 50 Jahren eine Zwischenbilanz vorzunehmen und sich vertieft mit der weiteren Finanzplanung auseinanderzusetzen. Wer eine Frühpensionierung, einen Kapitalbezug oder Einkäufe in die Pensionskasse ins Auge fasst, sollte sich auch schon
in diesem Alter die ersten Gedanken über die Umsetzung machen. Was für Produkte soll ich wählen? Möglichkeiten zum Alterssparen gibt es zahlreiche. Banken und Versicherungen halten dafür eine grosse Palette bereit. Säule-3a-Konten gehören zu den gängigsten Vorsorgeformen, bei denen man sich aber bewusst sein muss, dass ein Bezug vor dem Pensionsalter nur etwa beim Wegzug
WICHTIGE FRAGEN VORSORGE
in ein anderes Land, für gewisse Immobilienfinanzierungen oder für die berufliche Selbstständigkeit möglich sind. Lebensversicherungen enthalten die Garantie, dass das Geld einmal ausbezahlt wird. Man muss aber genau darauf achten, welche regelmässigen Zahlungsverpflichtungen man eingeht, denn aus Lebensversicherungen vorzeitig auszusteigen ist kostspielig. Fonds und Bankenangebote können für die Vorsorge verwendet werden, sind streng genommen aber Anlageprodukte und damit etwa nicht steuerbegünstigt. Bankprodukte sind, salopp gesagt, so sicher wie die Bank, die sie zur Verfügung stellt. Ist ein Pensionskassen-Einkauf sinnvoll? Wem Beitragsjahre fehlen, beispielsweise durch einen späten Beginn des Berufslebens oder eine Mutterschafts- oder Vaterschaftspause, sollte sich überlegen, wie er die Lücken schliessen kann. Zusätzlich in die Pensionskasse einzu zahlen kann aber auch mit der Überlegung zu tun haben, dass die Renten künftig eher kleiner werden: Der Umwandlungssatz, mit dem Pensionsguthaben verzinst werden – aktuell mit 6,2 Prozent berechnet – wird ziemlich sicher sinken. Oder man will eine zusätzliche Absicherung für den Fall, dass man länger lebt als gedacht. Der Vorteil von Pensionskassen-Einkäufen ist, dass sie steuerbegünstigt sind. Der Nachteil ist wie etwa beim Säule-3a-Konto, dass Vorbezüge erschwert sind. Wichtig ist auch: Beim Einkauf müssen der zusätzliche Finanzbedarf und der Netto-Steuereffekt ausgerechnet werden.
«Man muss beim Bezug von Kapital vorsichtig sein» Willi Graf, wann kann ich mir eine Frühpensionierung erlauben? Wenn die Einnahmen aus Renten das Haushaltsbudget decken. Darunter verstehen wir alle Ausgaben für den Lebensstandard inklusive Steuern. Bei den Renten zählt man die nach Alter 64 bei Frauen und Alter 65 bei Männern zustehende AHV-Rente und die beim geplanten Pensionierungsdatum aus dem Pensionskassenausweis heute schon ersichtliche Rente zusammen. Sind diese beiden höher als das Haushaltsbudget, ist eine Frühpensionierung möglich. Falls genügend Geld in der Säule 3a angespart ist, eine Erbschaft ausstehend ist oder sonst genügend zusätzliche Mittel verfügbar sind, dürfen die Renteneinnahmen ausnahmsweise unter dem Haushaltsbudget liegen. Eine unabhängige Beratung ist aber auf jeden Fall sinnvoll. Soll ich Pensionskassengeld für Wohneigentum beziehen? Was heute in Beton gegossen wird, kann in der Pension nicht zur Deckung des Haushaltsbudgets beigezogen werden. Also aufgepasst! Wenn die Renteneinnahmen aus AHV und Pensionskasse das Budget trotz Bezugs decken, dann ist das problemlos möglich. Sonst gilt es, vorsichtig mit dem Kapital umzugehen. Man sollte zudem bei einer Rentenlücke das Bezogene wenigstens teilweise wieder in die Pensionskasse einzahlen. Der Bezug kann dann ein Vorteil sein, wenn jemand über genügend andere
Willi Graf ist Inhaber und Geschäftsführer der Beratungsfirma VVK Vorsorge- und Vermögenskonzepte in Teufen AR. zvg
Mittel verfügt, weil dann die Hinterbliebenen bei einem Todesfall über das Kapital verfügen können und es nicht in der Pensionskasse verbleibt. Soll ich Kapital oder Rente wählen? Das ist eine der schwierigsten Fragen in der Vorsorgewelt und kann nur individuell beantwortet werden. Das Kapital kann beim Tod vererbt werden. Andererseits wird man immer gesünder älter und so gesehen ist die Rente wohl attraktiver, weil die Pen sionskasse die Rente lebenslänglich zahlt. Möglich ist eine Mischform. Die Lücke bei einem teilweisen Kapitalbezug berechnet man, indem man den Umwandlungssatz mit der gewünschten Kapitalmenge multipliziert. Ein Beispiel: Man bezieht 100 000 Franken bei einem Umwandlungssatz von 6 Prozent, dann reduziert sich die Rente um 6000 Franken pro Jahr.
Soll man für die Vorsorge an den Finanzmärkten anlegen? Und welche Rolle spielen die Zinsen? Aktien, Fonds und Obligationen sind ein Mit-
sind aber Ausnahmen. In der langen Frist sind
nungslos frustrierend erscheinen. Auf einem
tel zur Geldvermehrung. Aber eignen sie sich
Aktien oder Obligationen valable Alternativen
Bankkonto gibt es im Moment kaum noch
auch, um Vorsorge zu betreiben?
– oder besser: Ergänzungen – zu den klassi-
Zins, und mehr und mehr Banken und Ver-
Im Gegensatz zu typischen Vorsorgeprodukten
schen Vorsorgelösungen. Eine Aktie berechtigt
sicherungen senken auch die Zinsen auf den
bieten
vordergründig
zum Bezug von Dividenden und kann ihren
Vorsorgeplänen.
keine Garantien. Aktienkurse können drastisch
Wert über die Jahre enorm steigern. Das Wich-
Zu bedenken gilt aber, dass die Vorsorge auf
sinken, auf den sicheren Obligationen erhält
tigste bei Wertschriften ist aber, nur in Aktien
20, 30 oder 40 Jahre angelegt ist. In einem
man kaum noch Rendite. Im schlechtesten
und Strategien zu investieren, die man kennt
solchen Zeitraum schwanken die Zinsen be-
Fall geht ein Unternehmen Konkurs und des-
und versteht. Viele Langfristanleger setzen auf
trächtlich. Vor der Finanzkrise 2007/2008 lag
sen Aktien und Unternehmensanleihen wer-
sogenannte Qualitätsaktien wie etwa Nestlé,
der Leitzins der Schweizerischen Nationalbank
den wertlos. In dramatischer Weise geschah
Novartis oder Coca-Cola.
bei 2,75 Prozent, jener der US-Notenbank Fed
dies 2001 mit der Swissair, auf deren Aktien
Stichwort Zinsen: Die aktuellen Tief- und Ne-
bei 5,25 Prozent. Gewiss ist: In den nächsten
manche Anleger zwecks Vorsorge setzten. Das
gativzinsen lassen Sparanstrengungen hoff-
40 Jahren werden Zinsen auch wieder steigen.
Finanzmarktgeschäfte
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INTERVIEW ROLF HILTL
«EIN BÖRSENGANG KÖNNTE EINE VERLOCKUNG SEIN» Gastronom Rolf Hiltl über die Konkurrenz unter Vegi-Restaurants, das Problem mit dem Filet und einen möglichen Börsengang. INTERVIEW: IVO RUCH
Wird sich der Trend zu vegetarischer und veganer Küche in Zukunft noch verstärken? Es ist wirklich unglaublich. Ursprünglich wurde das Hiltl als Wurzelbunker, seine Gäste als Grasfresser bezeichnet, die das Restaurant oft durch den Hintereingang betraten. Mein Urgrossvater würde sich im Grab umdrehen, wenn er wüsste, wie es heute abgeht. Der Trend zum Veganen ist sehr gross, insbesondere bei jungen Leuten in Grossstädten. Diese Entwicklung wird sich vor allem in aufgeklärten Gesellschaften im Westen noch verstärken. Gleichzeitig strömt immer mehr Konkurrenz auf den Markt. Wie behaupten Sie sich? Ich finde es gut, dass es mehr vegane und vegetarische Restaurants gibt. Denn wir verfolgen auch ein übergeordnetes Ziel. Es ist nicht in Ordnung, wenn alle ständig Filet essen und die Fleischindustrie völlig aus dem Ruder läuft. Ich wundere mich, dass es nicht mehr Konkurrenz gibt, denn vegetarische Ernährung ist definitiv kein Nischenthema mehr.
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Gibt es in der Lebensmittelindustrie spannende Entwicklungen? Die Fleischindustrie überlegt sich, auch vegetarische oder vegane Optionen anzubieten. In unserer vegetarischen Metzgerei hatten wir schon Besuch von Grossmetzgern. Es gibt neue Hersteller von Fleisch ersatzprodukten. In den USA wird viel Geld in die Erforschung von Laborfleisch gesteckt. Mich stört, dass viele Leute beim Fleischkonsum sehr heikel sind und nur die schönsten und teuersten Stücke essen.
Bei Familienunternehmen stellt sich früher oder später die Frage der Nachfolge. Haben Ihre Kinder Interesse am Geschäft? Wie es momentan ausschaut, ja. Wir haben drei Kinder. Die älteste Tochter möchte die Hotelfachschule in Lausanne absolvieren, was mich sehr freut. Die mittlere Tochter hat bereits eine Schnupperlehre in unserem Betrieb gemacht. Und unser Sohn hat kürzlich gesagt, er wolle entweder Autorennfahrer, Fussballer oder Hiltl-Chef werden. Die Chancen stehen also gut. Unsere Kinder sind frei. Sie sollen und dürfen selber entscheiden, was sie tun wollen.
Die Schweizer essen viel Fleisch ... Da spielt die Tradition mit. Leute, die sagen, sie bräuchten immer Fleisch, finde ich amüsant. Sie brauchen es nicht. Sie sind es sich einfach gewohnt.
Haben Sie je daran gedacht, mit Hiltl an die Börse zu gehen? Nein, grundsätzlich nicht. Wir sind eigenständig und wollen unser Geschäft selber steuern. Natürlich könnte es eine Ver lockung sein. Sind Sie selber an der Börse aktiv? Vor ein paar Jahren habe ich entschieden, dass ich vor allem in meine eigenen Gas tronomie-Projekte investieren will.
zvg
Rolf Hiltl, das Hiltl-Restaurant gibt es seit mehr als 100 Jahren. Was ist das Erfolgsrezept? Wir haben einerseits eine tolle Geschichte. Gegründet wurde das Unternehmen von meinem Urgrossvater 1898, damit sind wir das älteste vegetarische Restaurant der Welt. Andererseits sind wir immer sehr innovativ geblieben. Schon meine Vorfahren haben die Dinge hinterfragt. Ganz wichtig ist auch unser Menschenbild. Für uns steht der Mensch im Vordergrund. Natürlich geht es auch ums Finanzielle, aber wir wollen in erster Linie die Leute begeistern.
ROLF HILTL GASTRONOM Der Zürcher Rolf Hiltl (50) führt die Hiltl AG in vierter Generation. Er absolvierte eine Kochlehre im Grand Hotel Dolder in Zürich. Nach der Hotelfachschule in Lausanne und mehreren Stationen im Ausland übernahm er 1998 die volle Verantwortung für das ä lteste vegetarische Restaurant der Welt. Hiltl be zeichnet sich selbst als «Flexitarier» – ein Vegetarier, der gelegentlich auch Fleisch isst.
Das hat sich offenbar gelohnt. Ja, sehr. Wir profitieren vom aktuellen Zeitgeist und sind sehr dankbar, dass es so gut läuft. Welche Tipps können Sie jungen Unternehmern geben? Das Wichtigste ist, dass man am Ball bleibt. Viele haben gute Ideen, aber entscheidend ist die hartnäckige Umsetzung. Zweitens sollte man nur das tun, was man gerne macht und wofür man Talent hat. Und drittens sollte man nicht andere kopieren, sondern einzigartig bleiben.
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