PRESSEMAPPE
JAPAN-NESS 1. PRESSE-COMMUNIQUÉ 2. ALLGEMEINE PRÄSENTATION 3. AUSSTELLUNGSRUNDGANG 4. SZENOGRAPHIE VON SOU FUJIMOTO 5. ARCHITEKTEN- UND KÜNSTLER-LISTE
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JAPANORAMA 1. PRESSE-COMMUNIQUÉ 2. PRÄSENTATION DER AUSSTELLUNG DURCH DIE KURATORIN YUKO HASEGAWA 3. AUSSTELLUNGSRUNDGANG 4. SZENOGRAPHIE VON SANAA 5. KISHIO SUGA, LAW OF PERIPHERAL UNITS, 1997/2017 6. KÜNSTLER-LISTE
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DUMB TYPE 1. PRESSE-COMMUNIQUÉ 2. DIE WERKE DER AUSSTELLUNG
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GLOSSAR DIE KATALOGE DIE PARTNER BILDMATERIAL FÜR DIE PRESSE PRESSEKONTAKT
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VORWORT JAPAN-SAISON IM CENTRE POMPIDOU-METZ: DREI AUSNAHME-AUSSTELLUNGEN Während die Globalisierung von Kunst und Denken geografische und kulturelle Grenzen weltweit verschwimmen lässt, zeichnet sich das japanische Archipel weiterhin durch eine spezifische künstlerische Identität aus, die in Teilen bis heute unbekannt ist. Der Architekt Arata Isozaki hat versucht, die spezifisch japanischen Merkmale der Architektur- und Kunstproduktion des Inselstaates unter dem Begriff der Japan-ness zu subsummieren. Diese kaum fassbare Eigenheit, die sich ebenso in der Offenheit gegenüber äußeren Einflüssen manifestiert wie in einer Zurückgezogenheit auf sich selbst und sich angesichts von Erschütterungen durch Natur und Geschichte (Konflikte, Krisen, Erdbeben, nukleare Katastrophen) immer wieder neu definieren muss, will das Centre Pompidou-Metz seinem Publikum mit seiner Japan-Saison nahebringen. Von September 2017 bis Mai 2018 eröffnen drei Ausstellungen und zehn Themenabende mit Gesprächen, Konzerten, Tanz, Theater und Performance neue Sichten auf Japan, auf die Geschichte der modernen japanischen Architektur und seine zeitgenössische Kunstszene. Gegenstand der ersten Ausstellung sind sieben Jahrzehnte japanische Architektur von 1945 bis heute, inszeniert von Sou Fujimoto im Herzen des Museumsbaus von Shigeru Ban. Hier geht es darum, welche neuen Formen des Wohnens die japanische Stadt mit ihrer unaufhaltsamen Urbanisierung seit dem Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg hervorgebracht hat. Und mit welchen Konzepten und in welchem gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Kontext haben sich berühmte japanischen Architekten wie Kenzo Tange, Tadao Ando, Toyo Ito und Kengo Kuma einen Namen gemacht?
Die zweite Ausstellung ist der japanischen Gegenwartskunst seit der Weltausstellung in Osaka 1970, Expo ‘70, gewidmet und knüpft damit dort an, wo 1986 die letzte große disziplinenübergreifende Präsentation japanischer Kunst unter dem Titel Le Japon des avant-gardes, 1910–1970 im Centre Pompidou in Paris aufhörte. Die Ausstellung Japanorama, für deren Szenografie die Agentur SANAA zuständig zeichnet, gewährt aufschlussreiche Einblicke in vier Jahrzehnte kreatives Schaffen, die geprägt waren von der Ausformung einer unverwechselbaren visuellen Identität. Gestaltet nach dem Vorbild des Archipels, offenbart die Schau die vielen Gesichter der japanischen Kunst, die sich keinesfalls auf die Opposition von Zen-Minimalismus (Mono-ha) und Kawaii- und Pop-Ästhetik reduzieren lässt. Die zeitgenössische Kunst in Japan ist auch poetischer Widerstand, militantes Engagement und – gemeinsam mit der Mode – Reflexion über den Körper und das Posthumane oder über die Rolle des Individuums in der Gesellschaft, den Begriff der Gemeinschaft und die Bedeutung des Inselstatus und nicht zuletzt Dialog mit den Subkulturen. Zu sehen sind nicht nur Werke berühmter Künstler wie Nobuyoshi Araki, Rei Kawakubo, Tetsumi Kudo, Yayoi Kusama, Daido Moriyama, Takashi Murakami, Lee Ufan und Tadanori Yokoo, sondern auch Arbeiten von Künstlern, die kaum außerhalb des Landes gezeigt werden. Auch die Veranstaltungsreihe 10 Evenings mit Gesprächen, Tanz, Theater und mehr wird geprägt durch die Vielseitigkeit der japanischen Kultur und bietet Möglichkeiten zu Begegnung mit bekannten Künstlerin wie Ryuichi Sakamoto, Saburo Teshigawara, Yasumasa Morimura oder Ryoji Ikeda. Die dritte Ausstellung schließlich beginnt Anfang des kommenden Jahres und gilt dem Kollektiv Dumb Typ, das als Wegbereiter für den Einsatz neuer Technologien in der Kunst gilt.
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AUSSTELLUNGEN 09.09.17 > 08.01.18 centrepompidou-metz.fr | #Japanness With special support of the Ishibashi Foundation
Takeshi Hosaka, Hoto Fudo, Yamanashi, Japon © Nacasa&Pertners Inc. / Koji Fujii © TAKESHI HOSAKA ARCHITECTS © photo: Seiji Toyonaga / Graphisme L&D, Kanta Desroches
ARCHITEKTUR UND STÄDTEBAU IN JAPAN VON 1945 BIS HEUTE
1. PRESSEMITTEILUNG Nach dem Architekten Arata Isozaki besteht das Besondere der japanischen Architektur zum einen in der Unveränderlichkeit bestimmter Werte und zum anderen in einer Identität, die die Architekten seit Jahrhunderten immer wieder neu interpretieren. Dieses besondere Merkmal, das den roten Faden der Ausstellung bildet, fasst er unter dem Begriff der « Japan-ness » zusammen. Umfangen von Sou Fujimotos Szenografie in Gestalt einer organischen Stadt, durchwandert der Besucher die zyklische Geschichte der japanischen Architektur von der atomaren Zerstörung der Städte Hiroshima und Nagasaki bis zu ihren aktuellsten Ausformungen. Die chronologisch geordnete Ausstellung ist in sechs Abschnitte gegliedert: - Zerstörung und Wiederaufbau (1945) - Städte und Raum (1945–1955) - Formierung einer japanischen Architektur (1955–1965) - Metabolismus, Osaka 1970 und eine « neue Vision » (1965–1975) - Eine Architektur des Verschwindens (1975–1995) - Überbelichtete Architektur, Bilder und Geschichten (1995 bis heute) In den 1950er-Jahren entwickelte sich unter dem Einfluss der internationalen modernen Architektur und insbesondere Le Corbusiers in Japan ein neues Verständnis von Stadt und Raum. In den Jahren von 1955 bis 1965 hielt Beton bei Architekten wie Arata Isozaki und Kenzo Tange als gestalterisches Element Einzug in die japanische Architektur. Einen Wendepunkt markierte dann die Weltausstellung in Osaka 1970, mit der sich Strömungen wie der „Metabolismus“ und „Neue Vision“ formierten. Bekannteste Vertreter dieser Bewegungen, die durch die Verwendung innovativer Materialien, Formen und Technologien auf sich aufmerksam machten, waren Kisho Kurokawa, Yutaka Murata und Kazumasa Yamashita.
Kengo KUMA & Associates, Asakusa Culture Tourist Information Center, 2012 © Kengo KUMA © Takeshi Yamagishi
Ein beträchtlicher Teil der Exponate in der Ausstellung stammt aus der Sammlung des Centre Pompidou. Dazu kommen Werke und Modelle aus Architektur- und Designarchitekturen, japanischen Museen und Privatsammlungen. In ihrer Gesamtschau, die in ihrem Umfang einmalig in Europa ist, zeigen sie eindrucksvoll die Vielseitigkeit und Fülle japanischer Architektur und Stadtplanung. Kurator: Frédéric Migayrou, stellvertretender Direktor und Chefkonservator der Abteilung Architektur des Centre Pompidou – Musée national d’art moderne, Paris Yûki Yoshikawa, Recherche und Ausstellungen, Centre Pompidou-Metz
Die 1980er- und 1990er-Jahre wurden geprägt von Architekten, die auch auf internationaler Ebene erfolgreich waren. Toyo Ito, Tadao Ando, Shin Takamatsu, Itsuko Hasegawa oder Kazuo Shinohara stehen für eine Architektur des Verschwindens, deren zentrale Merkmale eine Vereinfachung der Formen, der Einsatz von Metall und die Beschäftigung mit Einfamilienhäusern sind. Mit dem Erdbeben in Kobe 1995 schließlich setzten Reflexionen zum Thema der « Notfall-Architektur » ein. Seit einigen Jahren nun entwickelt eine neue, international hoch dekorierte Architektengeneration eine transparente und narrative Architektur. Bekannte Namen in diesem Kontext sind etwa Shigeru Ban, Kengo Kuma, SANAA oder Sou Fujimoto.
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2. ALLGEMEINE PRÄSENTATION Streben nach Minimalismus, ein innovativer Umgang mit Materialien und eine neue Raumökonomie. Bei dieser Ausstellung japanischer Architektur geht es vor allem darum, den Horizont der Besucher zu erweitern, um die Vielfältigkeit der japanischen Architekturlandschaft sichtbar zu machen und ihren Blick auf prägende Werke auch solcher Architekten zu lenken, die im Westen meist unbekannt sind. Weiterhin erfolgt eine Einordnung all jener Strömungen und Schulen, die sich im Zuge der verschiedenen Reflexionen, Auseinandersetzungen und Debatten formierten und entscheidend zum Pluralismus in der japanischen Architektur beigetragen haben.
Toyo ITO, Tower of winds, Yokohama, 1986. Scale model Metal, plastic and glass, 43 × 55 × 40 cm Completed project Paris, Centre Pompidou, Musée national d’art moderne — Centre de création industrielle © Toyo ITO Photo © Centre Pompidou, MNAM-CCI, Dist. RMN-Grand Palais / Bertrand Prévost
Allein daran, wie vertraut einem die Namen einiger japanischer Architekten sind – ob längst bekannt wie im Fall von Kenzo Tange, Kisho Kurokawa, Arata Isozaki oder Tadao Ando oder in jüngerer Zeit populär geworden wie Toyo Ito, SANAA (Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa), Kengo Kuma und Shigeru Ban, lässt sich ermessen, welchen internationalen Stellenwert die japanische Architekturszene hat. Bis zu der von Frédéric Migayrou kuratierten Ausstellung « Japan Architects 1945–2010 » im Museum für Gegenwartskunst des 21. Jahrhunderts in Kanazwa 2014 jedoch hat es weder in Japan noch sonst irgendwo auf der Welt je eine umfassende Ausstellung
über die zeitgenössische japanische Architektur gegeben. Die Faszination für die japanische Architektur und ihre Eigenständigkeit verdankt sich vor allem den Metabolisten, deren Bewegung ihren Höhepunkt mit den spektakulären Pavillons für die Expo ‘70 erlebte. Die rasende Urbanisierung der japanischen Großstädte gab außerdem Anlass zu Reflexionen über neue Wohnformen, die der hohen Bevölkerungsdichte Rechnung tragen sollten. Angesichts der Gegebenheiten war es schlicht unumgänglich, den Begriff des Hauses und des privaten Raumes neu zu denken. Daraus entwickelten sich neue Gebäudetypen, ein
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Die Mehrzahl der in der Ausstellung präsentierten Exponate stammt aus der Sammlung des Centre Pompidou, Musée national d’art moderne. Sie werden ergänzt durch Leihgaben aus dem privaten Archivbestand von Architekten sowie aus Museen und Universitäten. Mit fast 70 Modellen und über 200 Zeichnungen, Filmen und Dokumenten rund um 300 exemplarische Architekturprojekte zeichnet die Ausstellung die Geschichte des urbanen und ökonomischen Wandels in Japan seit 1945 nach, eine Geschichte, die durch tiefgreifende gesellschaftliche und kulturelle Veränderungen geprägt wurde. Weiterhin veranschaulichen diverse Fotografien und Experimentalfilme, wie das Leben aussehen sollte, das durch die zeitgenössischen urbanistischen Konzepte vorgegeben wurde. Mit dem Zugang zu ikonischen Werken und berühmten Projekte japanischer Architekten eröffnen sich neue Sichtweisen auf eine Kultur, die maßgeblich durch ihre stete Suche nach neuen ästhetischen und kritischen Konzepten geprägt wird. Gestärkt durch die Insellage des Landes, zeichnet sich die japanische Architektur durch ihre
Itsuko HASEGAWA, Garden and Fruit museum, Yamanashi, 1996 Photo © Itsuko HASEGAWA
Offenheit, ihre Durchlässigkeit für Innovationen und die Vielfalt und Zukunftsorientiertheit ihrer Bewegungen aus, die stets am Puls der internationalen Architekturszene sind. Der Rundgang durch die Ausstellung illustriert die Entwicklung der japanischen Architektur, die sich ungeachtet ihrer Teilhabe an internationalen Debatten und Bewegungen wie Brutalismus, Informel, Minimalismus und Konzeptualismus und zunehmender internationaler Bedeutung stets ihre Einzigartigkeit und Eigenständigkeit bewahrt hat. Ob Moderne oder PopArchitektur, High-Tech- oder Notfallarchitektur, Postmoderne oder strukturalistische Typologisierungen – die japanische Architektur war in allen Schulen vertreten. Neben bekannten Bewegungen geht es in der Ausstellung auch um den steten Rückgriff auf eigene Traditionen, die auch durch andere asiatische Länder beeinflusst wurden, darum, wie das gespannte Verhältnis zur westlichen Moderne zur Formierung eigenständigerer Architekturschulen führte und so Raum ließ für alternative, auf die eigene Kultur gerichtete Forschungsansätze, wie sie von Architekten wie Makoto Masuzawa, Togo Murano, Seiichi Shirai und Kiyoshi Seike entwickelt wurden.
Um die lange Geschichte nachzuzeichnen, die mit dem Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg begann und in die internationale Positionierung Japans mündete, bedarf es der Auseinandersetzung mit der Geschichte der internationalen zeitgenössischen Architektur, um vor diesem Hintergrund jene Merkmale der japanischen Architektur zu identifizieren, die sich keiner Richtung oder Schule zuordnen lassen. Eine der grundlegenden Eigenheiten der japanischen Kultur besteht darin, dass Raum und Zeit nicht notwendig als zwei unterschiedliche Konzepte betrachtet werden, wie es in der westlichen Welt der Fall ist. Der Begriff « MA », der einen Abschnitt, einen Raum, eine Dauer, einen Abstand (nicht das, was trennt, sondern das, was eint) bezeichnet, ist in der japanischen Architektur von fundamentaler Bedeutung. Als raum-zeitlicher Begriff, der die Dinge verbindet und ihnen Sinn verleiht, ist er tief in der asiatischen Kultur verwurzelt. Arata Isozaki sollte ihn im Übrigen 1978 als Titel einer bedeutenden Ausstellung im Pariser Musée des Arts décoratifs wählen. Der singuläre Charakter der japanischen kulturellen Identität scheint auch im Begriff der « Japan-ness » auf, der von Arata Isozaki als Autor des Werkes
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Japan-ness in Architecture geprägt wurde. Der Architekt verwendete den Neologismus « Japan-ness », um das konstituierende Prinzip der spezifisch japanischen kulturellen Identität zu definieren. Wie gestaltet, entwickelt und behauptet sich eine Einzigartigkeit, die sich in stetem Wandel befindet und offen für eine Vielzahl von Einflüssen ist? Dieses Prinzip veränderlicher Identität könnte man als « Japanität » bezeichnen, die sich als dauernde Fortschreibung ihrer möglichen Identifikation gestaltet. In eben dieser permanenten Bewegung, dieser Verweigerung jeglicher Festschreibung und Historisierung durch die Identifizierung und Beschreibung von Stilen oder Epochen manifestiert sich die Einzigartigkeit der japanischen Architektur, die sich damit allen von außen kommenden Identifikationsversuchen entzieht. Die Ausstellung, die sich um sechs thematische Schwerpunkte gliedert, soll Atmosphäre und Stimmung japanischer Urbanität spürbar machen. Mit seiner Szenografie schafft Sou Fujimoto eine Verbindung zwischen den sechs Ausstellungssektionen und der Gegenwart.
Kurator: Frédéric Migayrou, Stellvertretender Leiter des Mnam, Centre Pompidou (Paris) Yûki Yoshikawa, Recherche und Ausstellungen, Centre Pompidou-Metz, Ko-Kuratorin
3. DER AUSSTELLUNGSRUNDGANG Die Ausstellungsrundgang entwickelt sich chronologisch von 1945 bis in die Gegenwart und ist in sechs Abschnitte gegliedert, die durch Farbabstufungen von Schwarz nach Weiß symbolisiert werden. Jeder Abschnitt bildet einen thematischen Schwerpunkt und versammelt stadtplanerische und Architekturprojekte, die veranschaulichen sollen, mit welchen spezifischen gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Herausforderungen sich das kreative Schaffen in der betreffenden Zeit konfrontiert sah.
Arata ISOZAKI, Re-ruined Hiroshima, 1968 New York, Museum of Modern Art (MoMA).Ink and gouache with cut-and-pasted gelatin silver print on gelatin silver print, 35,2 × 93,7 cm Gift of The Howard Gilman Foundation. Acc. n.: 1205.2000 © 2017. Digital image, The Museum of Modern Art, New York/Scala, Florence
ZERSTÖRUNG UND WIEDERAUFBAU (1945) 1945 hielt Kaiser Showa (Hirohito), erschüttert vom Ausmaß der atomaren Zerstörung, erstmals eine Radioansprache, 1947 zeigte er sich im Stadtanzug in der Öffentlichkeit. Mit der « Menschwerdung » des « Himmelssohns » ging ein tiefer Riss durch die japanische Gesellschaft. Diese Säkularisierung, die gleichzeitig für den Untergang einer Welt und einen Neuanfang stand, bedeutete für Japan eine Annäherung an die westliche Kultur. Wie sollte man nun die Identität der japanischen Architektur definieren? In Japan begann man erst angesichts der katastrophalen Zerstörungen durch Weltkrieg und Atombombe, sich mit den spezifischen Merkmalen der japanischen Architektur und deren Bezug zur Stadt zu befassen. Zwar lässt die Architektur traditioneller Heiligtümer (etwa des Ise-Schreins), die regelmäßig zerstört und wieder aufgebaut werden, bereits eine bestimmte Haltung zum Konzept von Dauerhaftigkeit und Geschichte aufscheinen, doch ein erster Begriff vom « traditionellen Haus » und das Bewusstsein
einer eigenen architektonischen Identität tauchten, angeregt durch die Schriften des deutschen Architekten Bruno Taut, der als einer der Väter der Moderne in der Architektur gilt, erst in den 1930erJahren auf. Somit formierte sich der Architekturbegriff in Japan erst im Kontext der seinerzeit aufstrebenden westlichen Moderne. Nach stark eklektizistisch geprägten Tendenzen begann sich die Vorstellung von einer spezifischen Architektur und Formensprache erst unter dem Eindruck der Bewegung Bunriha kenchikukai (1920) durchzusetzen, die durch Schriften von Sutemi Horiguchi und später Ryuichi Hamaguchi inspiriert wurde. Die Phase des Zweiten Weltkriegs stand im Zeichen von Technikbegeisterung und Industrialisierung im Gefolge der Militarisierung der Gesellschaft. Dieser bedingungslose Modernismus fand sein Ende in der Katastrophe von Hiroshima und Nagasaki. Der Kreislauf aus Wiederaufbau und Zerstörung prägt die japanische Kultur seit den verheerenden Bränden der EdoZeit (1603–1868) und dem großen Kantō-Erdbeben (1923). Der erste
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Ausstellungssaal, in dem die Farbe Schwarz vorherrscht, illustriert diesen Zyklus aus Zerstörung und Wiederauferstehung sowie eine Tradition, die von Verhüllung, Schatten und Dunkelheit beherrscht wurde. In dieser Sektion werden zwei Filme präsentiert: Hiroshima, Mon Amour (1959) von Alain Resnais sowie Navel and A-Bomb [Nabel und die Atombombe], entstanden aus einer Kooperation zwischen Eiko Hosoe und den Butoh-Tänzern Tatsumi Hijikata und Yoshito Ohno. Weiterhin sind Fotografien des Ise-Schreins von Yoshio Watanabe und der kaiserlichen KatsuraVilla von Yasuhiro Ishimoto zu sehen. Komplettiert wird diese Sektion durch Werke von Bruno Taut, der einer der Ersten war, die die Ursprünge des modernen Rationalismus in der traditionellen japanischen Architektur suchten.
STÄDTE UND RAUM. EIN WORK IN PROGRESS (1945-1955)
Die japanische Architektur jener Jahre zeichnet sich durch ihren dezidiert internationalen Stil aus, und einige große Namen, etwa Antonin Raymond, Kunio Mayekawa und Junzo Sakakura, etablierten sich regelrecht als Markenzeichen. Herausragendster Vertreter dieser Generation war Kenzo Tange, der 1964 mit dem National Yoyogi Stadium für die Olympischen Spiele in Tokio berühmt wurde, das als Ikone der neuen japanischen Architektur gilt.
Nachdem mit dem Krieg die Vorstellung extremer Zerstörung fassbar, die Auslöschung der Menschheit durch die Atombombe denkbar geworden war, wandte man sich einer neuen Form des Humanismus zu. Die Auseinandersetzung mit der Rolle des Menschen in der aufstrebenden Industriegesellschaft manifestierte sich in Werken wie dem Temple Atomic Catastrophes (1955) von Seiichi Shirai und dem Friedensmuseum Hiroshima (1952–1955] von Kenzo Tange.
Kenzo TANGE, Peace Center Complex, Hiroshima, 1952
Kenzo TANGE, National Gymnasiums for the Tokyo Olympics, 1964
© Kenzo TANGE
© Kenzo TANGE
Photo © Kochi Prefecture, Ishimoto Yasuhiro Photo Center
Photo © Makoto Ueda
Viele japanische Architekten, die seit den 1930erJahren in Le Corbusier ein Vorbild für die Erneuerung der Architektur gefunden hatten, ließen sich nach dem Krieg durch dessen humanistisches Stadtkonzept inspirieren. So entwickelten sich Kunio Mayekawa, Junzo Sakakura und Takamasa Yosizaka zu Meistern einer brutalistischen Architektur, die sich durch den systematischen Einsatz von Beton und flexible Ausdrucksformen auszeichnete, um kollektiven Institutionen (wie Rathäusern, Kulturzentren und Universitäten) eine menschliche Dimension zu verleihen. Sie entwickelten eine Sprache, die weit mehr als Nachahmung des Corbusier‘schen Vokabulars war und fanden, wie die ihnen nachfolgende Architektengeneration, über Charlotte Perriand und Jean Prouvé zu den Konstruktionsprinzipien einer ökonomischeren und sozialeren Architektur, die zum Wiederaufbau des Landes (insbesondere in Projekten von Junzo Sakakura und Makoto Masuzawa) beitragen sollte.
Renommierte Architektenbüros wie Kiyonori Kikutake, Masato Otaka oder die Agentur des jungen Arata Isozaki entwickelten sich zu Schaufenstern der japanischen Architekturszene. Ihre Entwicklung war Ausdruck ihres Strebens nach einer neuen Modernität.
Antonin RAYMOND, Gunma Music Center, Takasaki, 1961
So bildeten sich in einer Vielzahl von Werken die Grundlagen einer originär japanischen zeitgenössischen Architektur aus, die sich zunehmend experimentell zeigte. Gleichzeitig erschienen neue Zeitschriften und Veröffentlichungen, die die Entstehung der japanischen Architekturkultur kritisch begleiteten und zu deren Sichtbarkeit in der internationalen Architekturszene beitrugen.
© Collection of Raymond Architectural Design Office
Andere Planer wie etwa der berühmte Seiichi Shirai befanden den Modernismus für zu formal und wandten sich einer eher narrativen Architektur zu, die den Bezug zum Menschen suchte und sich durch den Einsatz einer Vielzahl von Materialien auszeichnete. Zu internationalem Ansehen gelangten sie durch diverse Publikationen über japanische Architektur. Vorgestellt wurden als exemplarisch geltende Werke wie das Sky House (1958) von Kiyonori Kikutake, die Kathedrale St. Marien (1964) von Kenzo Tange oder die Oita Medical Hall (1960) von Arata Isozaki.
FORMIERUNG EINER MODERNEN JAPANISCHEN ARCHITEKTUR (1955–1965) Das rasante Wachstum der japanischen Wirtschaft und Industrie ging einher mit einer bemerkenswerten Bautätigkeit. Die Expansion der japanischen Städte wurde von großen Bauunternehmen (wie Kajima, Obayashi, Shimizu, Taisei und Takanaka) realisiert. Dass der Berufsstand der Architekten an Bedeutung gewann, verdankte sich großen Unternehmen wie Nikken Sekkei, die zahlreiche Architekten beschäftigen, und dem wachsenden Einfluss von diversen Agenturen.
METABOLISMUS, OSAKA 1970 und die « NEUE VISION » (1965–1975) Die Weltausstellung in Osaka 1970 markierte nicht nur eine Wende in der japanischen Architekturgeschichte, die von den Metabolisten und ihren Entwürfen organischer
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Megastrukturen über dem Meer angestoßen wurde, sondern sie verschaffte diesen fortschrittlichen Konzepten auch auf internationaler Ebene Sichtbarkeit und Ansehen. Expo ‘70 war Schaufenster einer hoch technologisierten Architektur, deren Ästhetik durch die Pop-Kultur inspiriert war. Sie stand für Positivismus und Technikgläubigkeit und war Ausdruck blinden Vertrauens in die Konsumgesellschaft – Positionen, die schon bald durch Aktionen von Künstlern wie Tadanori Yokoo oder die kritischen Performances der Kunstvereinigung Gutai erschüttert werden sollten.
Kiyonori KIKUTAKE, Marine City, uncompleted project, 11 February 1959 Graphite and collage of three photos of modules cropped on tracing paper, 50,5 × 56,5 cm Paris, Centre Pompidou, Musée national d’art moderne — Centre de création industrielle © Centre Pompidou, MNAM-CCI/Jean-Claude Planchet/Dist. RMN-GP © Kiyonori KIKUTAKE
Ichi Ban Kan (1969) und Ni Ban Kan (1970) von Minoru Takeyama und die Schornsteine von Ryoichi Shigeta (1969) sind Zeugnisse einer fröhlichen Architektur, wie sie sich auch in den Zeichnungen von Kiko Mozuna (Kushiro City Museum, 1984) findet. Aus ihrem Verständnis von Architektur als Zeichen in der Stadt entwickelten die Planer damals eine große Freiheit im Ausdruck, so etwa Kazumasa Yamashita mit seinem Haus mit Gesicht (1974) oder Tatsuhiko Kuramoto mit seinem Hokkaido-Haus namens Bâchan-chi (1972) – Haus der Großmutter.
Arata ISOZAKI, Cities in the air, uncompleted projects, Tokyo, 1960-1963 Collection of Arata ISOZAKI & Associates Co. Ltd.
Metabolismus In den 1960er-Jahren, die geprägt waren durch die rasant fortschreitende industrielle Entwicklung, wandte man sich verstärkt der Erprobung neuer Materialien und technischer Innovationen zu. Heute berühmte Architekten wie Kisho Kurokawa, Kiyonori Kikutake, Masato Otaka, Fumihiko Maki oder Arata Isozaki rückten den modularen und flexiblen Charakter ihrer Architektur, die aus Anhäufungen einzelner Zellen bestand, in den Vordergrund. Sie propagierten offene Architekturen und entwickelten neue Strategien städtischer Expansion. Expo ‘70 verhalf dem Metabolismus endgültig zu Ansehen. Die experimentellen Pavillons wurden zu internationalen Manifesten einer neuen, technologiegeprägten Architektur. Osaka 1970 diente als Plattform für die Megastrukturen von Kenzo Tange, Kisho Kurokawa und Kiyonori Kikutake sowie für die aufblasbaren Konstruktionen von Yutaka Murata. Ihre Entwürfe inspirierten junge Architekten in aller Welt. Ihre visionäre Architektur eröffnete neue Perspektiven für städtebauliche Großprojekte, etwa die Megastrukturen von Arata Isozaki, die über dem Meer errichteten Städte von Kenzo Tange oder Kiyonori Kikutake bis hin zu Kikutakes schwimmender Stadt, die er 1975 auf der Internationalen Ausstellung der Meere in Okinawa präsentierte. Image oder die Versuchungen der Pop-Kultur Osaka 1970 rief auch kritische Architektenstimmen auf den Plan. Arato Isozaki distanzierte sich vom Metabolismus und kritisierte dessen strenge moderne Formensprache. Zeitgleich zu der im Fokus der Medien stehenden Architektur entwickelt sich die Pop-Architektur. Mit Kijo Rokkaku hielten Farben Einzug in die Stadt. Die Gebäude
Kazumasa YAMASHITA, Face House (Maison Visage), Kyoto, 1974 © Kazumasa YAMASHITA / © Courtesy of Kazumasa YAMASHITA, Architect & Associates / Ryuji Miyamoto
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so etwa bei Shin Takamatsu oder Hiroshi Hara, der sich visionären Experimenten mit High-Tech-Architektur widmete. Die wohl gelungensten Synthesen zwischen experimentellen Wohnformen und neuen Materialien schuf Itsuko Hasegawa als Erfinderin der „Light Architecture“, deren Strukturen durch Metallnetze unsichtbar werden. Diese Architektur des Verschwindens findet ihre Vollendung im Werk von Toyo Ito, dessen Struktur „PAO II“ anlässlich der Ausstellung rekonstruiert wird.
Kazumasa YAMASHITA, Face House, Kyoto: eastern and southern final elevations, completed project, 1973-1974 Scale 1/50 Paris, Centre Pompidou, Musée national d’art moderne — Centre de création industrielle © Kazumasa YAMASHITA / Photo © Centre Pompidou, MNAM-CCI, Dist. RMN-Grand Palais / Georges Meguerditchian
Unter den in diesem Ausstellungsabschnitt präsentierten Filmen finden sich Dokumentarfilme über Expo ‘70 und die Dokumentation Gutai Art Festival: Drama of Man and Matter über die Performance von Gutai bei besagter Weltausstellung. Der Film OOI & Environs (1977) von Katshuhiro Yamaguchis zeigt japanische Städte in solarisierten – stark überbelichteten – Aufnahmen und lässt die Atmosphäre jener Zeit aufleben. Shin TAKAMATSU, ”Ark”, Dental clinic, Fushimi, Kyoto, Japan Completed project, 1982-1983 / Elevation
ARCHITEKTUR DES VERSCHWINDENS (1975–1995). KONZEPTUELLE ARCHITEKTUR UND LIGHT ARCHITECTURE
Graphite on paper, 79 × 109,5 cm Paris, Centre Pompidou, Musée national d’art moderne — Centre de création industrielle
Die Jahre 1980 bis 1990 waren geprägt von einer Intellektualisierung der japanischen Architektur sowie einer starken Anbindung an den Westen. Das Ende der politischen Bewegungen von 1968 markierte die Abkehr der neuen Architektengeneration von der technologischen Architektur, die eng mit dem Industriemilieu und dem idealistischen Optimismus der 1970er-Jahre verknüpft war. Basis für Kazo Shinoharas Arbeiten war die Rückbesinnung auf einfache Typologien und Wohngebäude, und er entwickelte mit seinen vereinfachten Formen und Bauweisen ein neues Vokabular für das Einfamilienhaus. Die japanische Architektur jener Zeit widmete sich der Auseinandersetzung mit Raum, Materialien und Licht. Die Rückkehr zu einfachen geometrischen Formen brachte eine minimalistische, durch den Strukturalismus geprägte Architektur hervor, die beinahe unmittelbar weltweite Anerkennung fand. Mit der Inszenierung des Wechselspiels zwischen Sichtbeton und Licht erhob Tadao Ando die Struktur zur Sprache, während andere Architekten eine eher philosophische Annäherung an die Architektur suchten, so etwa Takefumi Aida oder Hiromi Fujii, der als wichtigster Vertreter der strukturalistischen Architektur gilt. Umgekehrt griffen andere Planer auf eher technologisch inspirierte Ausdrucksformen zurück. Bei ihnen geriet Architektur zur autonomen Maschine,
© Centre Pompidou, MNAM-CCI/Philippe Migeat/Dist. RMN-GP © All rights reserved
Tadao ANDO, Light Church, Osaka, Japan (1987-1989): model Completed project, 1987-1989 Paris, Centre Pompidou, Musée national d’art moderne — Centre de création industrielle © Tadao ANDO / Photo © Centre Pompidou, MNAM-CCI, Dist. RMN-Grand Palais / Georges Meguerditchian
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Fotografien städtischer Landschaften, großformatige Collagen und Ausschnitte aus der Avantgarde-Zeitschrift Toshi Jutaku illustrieren die Typologien von Städten, Wohnhäusern und Entwürfen. Die von Makoto Ueda geleitete Avantgarde-Zeitschrift, deren Cover von Arata Isozaki und Kohei Sugiura gestaltet wurden, bezog kritische Positionen zu den Praktiken der Architektur und lieferte soziologische Analysen neuer urbaner Phänomene. Das große Modell des Turm-Hauses (1966), dem ersten auf sehr kleiner Fläche errichteten Wohnhaus, dient bis heute einer Vielzahl von Architekten als Vorbild. Die Fotos von Shuji Yamada zeigen, dass auch in einer extrem dicht besiedelten, lebhaften japanischen Stadt Viertel mit dörflichen Strukturen und volkstümlicher Kultur fortbestehen. Zwei Filme von Itoh Takashi, Devils Circuit (1988) und The Mummy’s Dream (1989), zeigen die Stadt als Abstraktion in Bewegung, als formales Universum, aus dem neue Landschaften entstehen.
die sich in Lücken zwischen bestehenden Bauten fügen, und Gemeinschaftsbauten als Zentren des sozialen Lebens. Aktuellere Projekte lassen eine neuerliche Auseinandersetzung mit der narrativen Architektur erkennen, die bei Terunobu Fujimori in einem gewissen Archaismus Gestalt annimmt, während sich bei Jun Aoki, Kumiko Inui oder auch Junya Ishigame ein eher symbolistisches Verständnis von Architektur beobachten lässt. Sie erfinden neue Geschichten und erzählen die Beziehung zu Natur, Handel und Industrie auf ganz neue Art und Weise. Nach den Experimenten von Makoto Sei Watanabe widmet sich die jüngste Architektengeneration der Übertragung minimalistischer Architektur in komplexere Geometrien.
ÜBERGANG Mit Blick auf die erste Ausstellungssektion und die im kollektiven japanischen Bewusstsein stets präsente Gefahr der Zerstörung werden hier großformatige Aufnahmen vom Erdbeben in Kobe 1995 von Ryuji Miyamoto präsentiert, die den Einstieg in die letzte Ausstellungssektion bilden.
ÜBERBELICHTETE ARCHITEKTUR, BILDER UND GESCHICHTEN (1995 BIS HEUTE) Im Fokus dieses letzten Ausstellungsabschnitts steht jene Generation japanischer Architekten, die seit Anfang der 2000er-Jahre die Szene bestimmen und international große Bekanntheit erlangt haben. Zu nennen sind in diesem Kontext etwa die die Büros SANAA (Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa), Kengo Kuma und Shigeru Ban sowie aus jüngerer Zeit Junya Ishigami oder Sou Fujimoto. Darüber hinaus werden über hundert Projekte präsentiert, um das gesamte Spektrum der vielgestaltigen japanischen Gegenwartsarchitektur abzubilden, das auf der Arbeit unzähliger Architekten in den japanischen Regionen und Städten beruht. Seit den 1990er-Jahren sorgen nicht mehr nur einige große Namen der japanischen Architektur für Aufmerksamkeit, sondern die Szene hat sich insgesamt als eine der bedeutendsten in der internationalen Architekturlandschaft etabliert. Gleichwohl im eigenen Land mit zahlreichen Projekten präsent, agieren viele japanische Architekten auch auf internationaler Ebene sehr erfolgreich. Zwar beherrscht weiterhin die Ästhetik der aus Glas und Transparenz bestehenden „Architektur des Verschwindens“ die Szene, doch Architekten wie Kengo Kuma oder Shigeru Ban widmen sich mit ihren Arbeiten der Auseinandersetzung mit anderen Materialien. Die Planer dieser seinerzeit aufkommenden japanischen Architektengeneration, darunter etwas Tezuka Architects, widmen sich der Erprobung neuer Stadtkonzepte, um auf diesem Wege die organischen Funktionen der Stadtplanung wieder mit Leben zu füllen: Sie entwerfen kleine Wohngebäude,
Terunobu Fujimori Takasugi-An (Maison de thé), Chino, 2004 © Terunobu Fujimori /Photo © Makoto Ueda
Sou FUJIMOTO, Tokyo Apartment, Tokyo, 2012 © Sou FUJIMOTO / © Photo: Iwan Baan
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Exemplarisch sind hier etwas die veränderlichen Formen bei Sota Ichikawa (doubleNegatives Architecture), Akihisa Hirata und Sou Fujimoto. In ihren aktuellsten Erscheinungsformen schließlich zeichnet sich die japanische Architektur durch ihren beinahe zufälligen Charakter aus und setzt mit Häusern und Geschäften auf winzigen Grundstücken faszinierende Blickfänge im Stadtbild. In diesem Ausstellungsbereich werden beinahe 60 Projekte vorgestellt, die der Besucher in der als « Architekturspaziergang » angelegten Szenografie von Sou Fujimoto gleichsam erwandern kann.
Recherchen. Ergänzend dazu werden diverse westliche Publikationen zu vergleichbaren Themen (radikale Architektur, Konzeptkunst und Architektur) präsentiert. In ihrer – bis dato einmaligen – Zusammenschau illustrieren die Dokumente den experimentellen Charakter der japanischen Architektur sowie den Forschergeist, der sie zu einem weiten Feld des kreativen Schaffens macht.
Kengo KUMA, CG Prostho Museum Reasearch Center, Kasugai-shi, Japan :
model, 2008-2010 Paris, Centre Pompidou, Musée national d’art moderne — Centre de création industrielle © Kengo KUMA & Associates Photo © Centre Pompidou, MNAM-CCI, Dist. RMN-Grand Palais / Georges Meguerditchian
Das Video Blue Scatter von M-KODA veranschaulicht den fragmentarischen Charakter und die spezifische Stimmung japanischer Städte durch eine Flut sich ständig neu formierender Bilder. Die Fotografien von Naoya Hatakeyama vermitteln ebenfalls einen Eindruck des nie stillstehenden urbanen Lebens in Japan.
TAU, no. 1, 1972 Photo © Suzanne Nagy
ARCHITEKTUR UND DESIGN, NEUE GRAFISCHE IDENTITÄTEN Für die Gestaltung dieses Ausstellungssaals zeichnet Yûki Yoshikawa zuständig, die im Centre PompidouMetz im Bereich Recherchen und Ausstellungen tätig ist und die Ausstellung als Kokuratorin und Expertin für japanische Grafik betreut. Hier offenbart sich die ganze Fülle der Publikationen zur japanischen Architektur von der Nachkriegszeit bis zur Gegenwart. In den 1960er- und 1970er-Jahren vervielfachten sich die Publikationen japanischer Architekten. Die Schriften dienten der Etablierung einer konzeptuellen Architektur und ermöglichten ihnen in Zeiten mangelnder Sichtbarkeit eine Verbreitung ihrer Entwürfe. Die Bücher und Zeitschriften waren damit nicht nur Kommunikationsmittel, sondern auch kreatives Werkzeug und neue Ausdrucksform der Architekturszene. Eine Vielzahl von Zeitschriften, Büchern und Plakaten illustriert die Bandbreite ihrer
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4. SZENOGRAFIE VON SOU FUJIMOTO
Sou Fujimoto Architects
Die Szenografie der Ausstellung von Sou Fujimoto besteht aus einer riesigen organischen Wolke, in der sich das Licht fängt und bricht. Sie ist Ausdruck der Vielfältigkeit der zeitgenössischen japanischen Architektur und spiegelt ihren Rhythmus ebenso wider wie ihre Metamorphosen. Als Ausgangspunkt für die unterschiedlichen Formate der modularen Paneele dienten japanische Formen und Maßeinheiten wie die Abmessungen der traditionellen Tatamimatten oder Schiebewände. Mit dieser raumgreifenden Struktur bespielt Fujimoto die bis zu 8,50 m hohe Grande Nef. Die auf digitalen Wegen transformierten und vervielfältigen Formen und Maße sind Ausgangspunkt für eine Auseinandersetzung zwischen Architektur und Natur und Einladung an die Besucher, sich durch diese Metapher auf die japanische Stadt treiben zu lassen. Herzstück aller Projekte von Sou Fujimoto ist das fundamentale Konzept der « Primitive Future ». Für ihn bedarf es, um eine innovative Architektur für die Zukunft zu denken, paradoxerweise
des Rückgriffs auf die primitive Architektur. Das Konzept nimmt die Form einer Genese an, die, indem sie über die Grenzen der Architektur hinausweist, die ersten menschlichen Behausungen auf ihren Ur-Zustand zurückführt. Ausgehend von der Grundidee des Projekts und seiner Intuition, eröffnet Fujimoto eine Vielzahl von Wegen, statt einen bestimmten Weg vorzugeben, um so der Verschiedenheit der Orte, an denen Menschen leben, Ausdruck zu verliehen, den Möglichkeiten dessen, was Architektur nachahmt. « In dem Konzept Primitive Future verschmelzen wegweisende Projektionen, um auf den menschlichen Ur-Raum zu verweisen. » (Sou Fujimoto) Die Agentur Sou Fujimoto wurde im Jahr 2000 in Tokio gegründet und verfügt seit 2015 über eine Niederlassung in Paris. Sie beschäftigt über 50 Architekten, Designer, Künstler und Theoretiker. Bei den Projekten der Agentur hat die permanente intellektuelle Auseinandersetzung mit Fragen zur Architektur stets einen festen Platz, was sie zu einer veritablen
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Experimentier- und RecherchePlattform macht. Die Agentur konnte bereits viele Wettbewerben für sich entscheiden und wurde schon mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Großen Preis der AR Awards, dem Großen Preis des Japanischen Architekturinstituts 2008 für das Children’s Center for Psychiatric Rehabilitation, dem Ersten Preis des Internationalen Architekturfestivals von Barcelona 2008 und dem Preis der Rice Design Alliance 2010. 2012 erhielt Fujimoto den Goldenen Löwen für seinen Beitrag zur Architektur-Biennale von Venedig, 2013 folgten der Marcus-Preis und der « New London Award 2013 » für den Sommerpavillon der Serpentine Gallery. In Paris realisiert Fujimoto gegenwärtig das ebenso ambitionierte wie einzigartige Projekt « Mille Arbres », in dem Stadt in ihren optisch am wenigsten ansprechenden Ausprägungen (den Pariser Vororten), ein utopistisches Stadtkonzept und eine omnipräsente Natur vereint sind. In Zeiten, da der Mensch danach strebt, 1000 m hohe Gebäude zu errichten, hat die Compagnie de
Phalsbourg Sou Fujimoto und die Agentur Manal Rachdi-OXO beauftragt, 1000 Bäume über dem Boulevard périphérique, der Pariser Stadtautobahn, zu pflanzen, um auf diesem Wege einem neuen, alternativen Verständnis von Entwicklung Ausdruck zu verleihen. So ist das Projekt ein Beitrag zu den Bestrebungen der Stadt Paris, nachhaltige Entwicklung und einen verantwortungs- und respektvollen Umgang mit der Natur zu fördern. « Mille Arbres » bringt Mensch und Natur einander wieder näher und trägt zu einem gesunden und positiven Lebensumfeld des Menschen bei. Motor des Projekts ist die Liebe zum Lebendigen. Es soll den Menschen die Natur wieder nahebringen und verständlich machen. Exemplarisch für diesen Ansatz ist der im Rahmen des Projekts innovative Bahnhof.
Project 1000 Treas Paris Sou FUJIMOTO Architects + OXO Architects Cie de Phalsbourg and OGIC
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5. ARCHITEKTEN- UND KÜNSTLER LISTE •
ABE Hitoshi
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HASEGAWA Itsuko
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ITO Takashi
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MAYEKAWA Kunio
NIKKEN SEKKEI LTD
HATAKEYAMA Naoya
ITO Toyo
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NISHIZAWA Ryue
AIDA Takefumi
MIKAN
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NISHIZAWA Taira
AIDA Tomoro
HAYAKAWA Kunihiko
JINNO Taiyo
MILLIGRAM Studio
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ANDO Tadao
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AOKI Jun
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ARIMA Hiroyuki
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AZUMA Takamitsu
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BAN Shigeru
HAYASHI (YAMADA) Masako
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HIRATA Akihisa
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HOSAKA Takeshi
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HOSOE Eikoh
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CHIBA Manabu
ICHIKAWA Sota / double-Negatives Architecture
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EBIHARA Ichiro
IGARASHI Jun
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ENDO Shuhei
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FUJII Hiromi
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FUJIMORI Terunobu
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FUJIMOTO Sou
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FUJINO Takashi
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HARA Hiroshi
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HARADA Kazuma
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HARADA Masahiro et HARADA Mao
IKEDA Masahiro et ENDOH Masaki
• •
KARASAWA Yuusuke
•
OHE Hiroshi
MIYAMOTO Katsuhiro
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ONADA Yasuaki
KIKUTAKE Kiyonori
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MIYAMOTO Ryuji
•
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OTAKA Masato
KIMURA Kousuke
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KITAGAWARA Atsushi
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KOJIMA Kazuhiro (C+A Coelacanth and Associates)
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KUBOTA Katsufumi
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KUMA Kengo
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MIZUTANI Eisuke et TAKATSUKI Akiko
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Mount Fuji Architects studio
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MOZUNA Kiko
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MURANO Togo
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MURATA Jun
•
• • •
OTANI Sachio
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RAYMOND Antonin
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RESNAIS Alain
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ROKKAKU Kijo
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SAKAKURA Junzo
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SEJIMA Kazuyo
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SHIGETA Ryoichi
•
SHINOHARA Kazuo
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SHINOZAKI Hiroyuki
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SHIRAI Seiichi
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SUZUKI Makoto
•
SUZUKI Ryoji
•
TAKAMATSU Shin
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TAKASAKI Masaharu
•
•
TAKEYAMA Kiyoshi Sey
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NAGAYAMA Yuko
SAMBUICHI Hiroshi
•
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ISHIMOTO Yasuhiro
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ISHIYAMA Osamu
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ISOZAKI Arata
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• •
MAEDA Norisada
NAITO Hiroshi
SAMPEI Junichi
•
•
•
•
TEZUKA ARCHITECTS
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TORAFU ARCHITECTS
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UNO Susumu
MAKI Fumihiko
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• •
MATSUKAWA Shohei
ITO Mari
TAKEI Makoto + NABESHIMA Chie
TANGE Kenzo
MASUZAWA Makoto
ITO Hiroyuki
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SAKAUSHI Taku
•
NAKAMURA Anna et JINNO Taiyo
•
NAKAMURA Hiroshi
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NAYA Manabu et NAYA Arata
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SANAA
SATO Mitsuhiko
SATO Oki (NENDO)
• •
KUROSAKI Satoshi
ISHIGAMI Junya
•
NAGATA Keita
•
YAMAGUCHI Katsuhiro
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•
•
•
YAMADA Shuji
Suppose Design Office YAMASHITA Kazumasa
KUROKAWA Kisho
INUI Kumiko
•
WATANABE Yoshio
YAMAMOTO Riken
•
SAKANO Yoshinori
•
WATANABE Yoji
SUMA Issei
KURAMOTO Tatsuhiko
MURATA Yutaka
•
WATANABE Makoto Sei
• • • •
UTSUMI Tomoyuki
•
YAMASHITA Yasuhiro
•
YOH Shoei
•
YOKOMIZO Makoto
•
YOKOO Tadanori
•
YOSHIMURA Junzo
•
YOSIZAKA Takamasa
SHIGERU BAN
Centre Pompidou-Metz © Shigeru Ban Architects Europe und Jean de Gastines Architectes, mit Philip Gumuchdjian (Konzeption) Wettbewerbssieger / Metz Métropole / Centre Pompidou-Metz / © Foto: Philippe Gisselbrecht
In Paris wurde eben erst Shigeru Bans neue Seine Musicale eingeweiht, die sich vor allem durch das Wechselspiel zwischen Innenraum und äußerer Umgebung auszeichnet. Derweil hat der japanische Architekt für das Centre Pompidou-Metz ein neues Konzept für die Lenkung der Besucherströme entwickelt, ohne dabei die grundlegenden architektonischen Prinzipien anzutasten, die die Metzer Institution zu einem Meilenstein in der Laufbahn des Pritzker-Preisträgers von 2014 machen. So strukturiert nun eine transparente, bewegliche Trennwand im Forum den Eingangsbereich. In Kombination mit der Neugestaltung der Sitzgelegenheiten tritt der multifunktionale Charakter des Foyers nun deutlicher in den Vordergrund, und es dient innerhalb des Gebäudes als architektonisches und visuelles Bindeglied zwischen Bereichen ganz unterschiedlicher Funktion. Die flexible Trennwand ermöglicht ein Spiel mit heterogenen Volumen, wobei die für das Ausgangskonzept so charakteristischen fließenden Übergänge zwischen den Räumen erhalten bleiben. Das neu gestaltete Forum wird der Öffentlichkeit erstmals zum Auftakt der Japan-Saison präsentiert. Rund um das Modell des Centre Pompidou-Metz werden diverse charakteristische Arbeiten des Architekten Shigeru Ban gezeigt.
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AUSSTELLUNGEN 20.10.17 > 05.03.18 centrepompidou-metz.fr | #Japanorama With special support of the Ishibashi Foundation
L'exposition bénéficie de prêts exceptionnels du MOT, musée d'art contemporain de Tokyo
Kenji Yanobe, Atom Suit Project – Desert C-prints, 49,8 x 49,8 cm Collection particulière © Kenji Yanobe / Graphisme L&D, Kanta Desroches
ZEITGENÖSSISCHES SCHAFFEN AUS NEUER SICHT
1. PRESSEMITTEILUNG Mit der kulturellen Revolution im Japan der 1970er-Jahre geriet der Inselstaat in ein Spannungsfeld zwischen seinem mächtigen Kulturerbe einerseits und dem immer lauter werdenden Modernisierungsdiskurs im eigenen Land, und Phasen der Öffnung und des Rückzugs wechselten sich ab. Die Auswirkungen des Wandels wurden auf gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Ebene spürbar. Die Ausstellungskuratorin Yuko Hasegawa nimmt vor allem jene Jahre in den Blick, in denen Japan zwischen Globalisierung und Behauptung seiner Identität hin- und hergerissen wurde. Die Expo ‘70 und die 10. Biennale von Tokio markierten 1970 den Anfang einer Übergangsphase, in der die bildende Kunst in Japan sich von den seit Ende des Zweiten Weltkrieges prägenden Einflüssen aus dem Westen befreite. Die ästhetischen Strategien, die die japanischen Künstler seinerzeit entwickelten, sind im Wesentlichen zwei Strömungen zuzuordnen: Während die Bewegung Mono-ha materialistische Positionen vertrat, versammelten sich die konzeptuellen Künstler in der Bewegung Nippon-Gainen-ha.
Kenji YANOBE, Atom Suit Project – Desert C-prints, 49,8 × 49,8 cm Particular collection
In den 1980er-Jahren entwickelte sich die kulturelle japanische Identität in Richtung eines postmodernen Futurismus, der seine Wurzeln in der Region Tokio hatte und auch die internationale Kunstlandschaft befruchtete. Im Hyperkonsum, der mit der spekulativen Wirtschaft jenes Jahrzehnts einherging, wurden Mainstream, Popkultur und Akademismus eins. Mit dem Wegfall dieser Hierarchien bildete sich ein Mix, der die Stücke des YMO (Yellow Magic Orchestra) ebenso prägen sollte wie die Entwürfe von Rei Kawakubo, der Gründerin der Modemarke Comme des Garçons. Seinerzeit veränderte sich die westliche Wahrnehmung der japanischen Kreativen maßgeblich, und man löste sich zunehmend von der Vorstellung einer rein materiellen und emotionalen japanischen Kunst.
© Kenji YANOBE
Kommunikationstechnologien neue, auf einem vertrauensvollen Umgang basierende Formen menschlichen Miteinanders möglich werden. Charakteristisch für die japanische Kunst der 1990er-Jahre ist außerdem eine intimistische, volkstümliche, im häuslichen Umfeld verwurzelte Tendenz, und Spontaneität und Improvisation halten Einzug in die japanische Kultur. In der japanischen Gesellschaft der 2000er-Jahren verwischen die Grenzen zwischen Öffentlichem und Privatem zunehmend. Dies wird auch in der Kunst spürbar. Mit dem Tsunami und der Reaktorkatastrophe von Fukushima am 11. März 2011 beginnt ein neues Kapitel der japanischen Geschichte. In Künstlerkreisen erwacht ein gesellschaftliches Engagement, und Solidarität erhält einen ganz neuen Stellenwert.
Nachdem die japanische Kultur in den 1980er-Jahre die Subjektivität ins Zentrum der gesellschaftlichen Debatte gerückt hatte, markierten die 1990er-Jahre eine Hochphase der sogenannten „Superflat“-Kultur, in der Pop-Art-Elemente und die Niedlichkeitsästhetik der durch Mangas und Animes inspirierten Kawaii-Kultur zusammenfanden. Eine aufstrebende Künstlergeneration strebte nach Realismus und verweigerte sich auf ganzer Linie dem Symbolismus. Als « Neo-Pop » gelten Arbeiten von Künstlern wie Takashi Murakami oder Yoshitomo Nara, die sich der Bildsprache von Popkultur, Manga und Spektakel bedienen, um die Ängste sichtbar zu machen, die die Gesellschaft seit dem Ende der Bubble Economy der 80er bewegen. Ihre Bilder sind nicht nur von erkennbar didaktischem Charakter, sondern lösen darüber hinaus einen kritischen Diskurs über das gesellschaftspolitische und ökologische Modell Japans aus. Das große Erdbeben von 1995 und der Giftgasanschlag der Aum-Sekte in der Tokioter U-Bahn im selben Jahr markieren das Ende des seit 1945 herrschenden Gleichgewichts und lassen den Glauben an eine stabile gesellschaftliche und politische Ordnung zerplatzen. Die japanische Gesellschaft zieht sich einmal mehr auf sich selbst zurück, während mit den aufkommenden
Die Ausstellung zeichnet diese kulturelle Odyssee anhand der Metapher des Archipels nach, die sich in der Szenografie von SANAA (Pritzker-Preis 2010) verwirklicht. Jede Insel steht für einen zentralen Begriff in der Geschichte des zeitgenössischen kreativen Schaffens in Japan, so etwa « post-human », « Kollektiv » und « Subjektivität ». Bei der Mehrzahl der Werke handelt es sich um Leihgaben japanischer Institutionen, die erstmals in Europa präsentiert werden. Parallel zur Ausstellung lädt Emmanuelle de Montgazon als intime Kennerin der japanischen Kunstszene regelmäßig zu Begegnungen mit japanischen Kreativen ein. Während der Japan-Saison im Centre Pompidou-Metz haben die Besucher damit Gelegenheit, herausragende Persönlichkeiten aus den Bereichen Tanz, Musik, Theater und Mode wie Saburo Teshigawara oder Yasumasa Morimura kennenzulernen. Kuratorin: Yuko Hasegawa, künstlerische Leiterin des Museums für Gegenwartskunst in Tokio
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2. PRÄSENTATION DER AUSSTELLUNG DURCH DIE KURATORIN YUKO HASEGAWA „Japan ist in vielerlei Hinsicht einzigartig. Der Inselstaat mit seiner über 2000 Jahre alten Kultur gehörte zu den ersten Ländern Asiens, die sich Ende des 19. Jahrhunderts der Moderne öffneten, und ging dabei einen Sonderweg: Weder wurde es Opfer des westlichen Kulturimperialismus, noch gab es seine Sprache auf. Japan ist ein Land der Gegensätze, wo Tradition und Spitzentechnologie nebeneinander bestehen, das Verhältnis des Menschen zur Natur als ungemein wichtig gilt und die Bedürfnisse von Kollektiv und Individuum gleichberechtigt sind. Dies sind nur einige Gründe, warum wir unseren Blick im Zeitalter einer nicht mehr aufzuhaltenden Globalisierung nach Japan richten sollten. So lohnt sich auch die Frage, ob die japanische Kultur, die als einer der Ursprünge der westlichen Moderne gilt, nicht auch heute als „kultureller Stimulus“, als Modell für Europa gelten könnte, das gegenwärtig von Umbrüchen geschüttelt wird und einer ungewissen Zukunft entgegensieht. Ein herausragendes Merkmal der japanischen Gegenwartskunst in all ihren Disziplinen ist ihre außerordentliche Vielgestaltigkeit, die ein Grund dafür gewesen sein mag, dass ihr bis dato nur wenige Ausstellungen in Europa und Frankreich gewidmet wurden. Eine große Ausnahme gibt es allerdings: die Schau Le Japon des avant-gardes 1910–1970 im Centre Pompidou in Paris im Jahr 1986. Diese wichtige Ausstellung nahm die Ausdrucksformen einer japanischen, durch Einflüsse westlicher Avantgarden geprägten Moderne in den Blick. Man mag allerdings einwenden, dass die Konzeption dieser Ausstellung dadurch vereinfacht wurde, dass sich leicht ein Bezug zwischen dem Kontext der japanischen Avantgarde der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und dem Selbstverständnis der westlichen Moderne herstellen ließ, der sie sich in gewisser Hinsicht zuordnen lässt.
So ist einer der Gründe dafür, dass die Mehrzahl der Ausstellungen, die in den vergangenen Jahren der japanischen Kunstszene gewidmet waren, vor allem den Zeitraum vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zu den 1970er betrafen, da sich das künstlerische Schaffen jener Jahre eher als Fortsetzung und Weiterentwicklung des westlichen Kunstkontexts begreifen lässt.
und mündete schließlich in den Minimalismus der 1970er-Jahre. Die wichtigsten Strömungen dieser Jahre waren Mono-ha, die „Schule der Dinge“, die sich im Materiellen verwirklichte, und die japanische Konzeptkunst, die sich den Ideen widmete. Seinerzeit bestanden die zentralen Anliegen der japanischen Künstler in der Ablösung von westlichen Einflüssen und der Erschaffung ihrer eigenen Kultur.
Die Ausstellung Japanorama – Zeitgenössisches Schaffen aus neuer Sicht kreist um das, was danach kam, auf die Jahre von 1970 bis in die Gegenwart. Ausgangspunkt ist dabei in bestimmter Weise Le Japon des avant-gardes 1910-1970. Bereits in der Wahl des Titels Japanorama kommt zum Ausdruck, dass es um das gesamte Spektrum der visuellen Kultur, ihren Background sowie die Werke selbst, gehen soll. Die Formulierung „Neue Sicht„ steht für jenen Augenblick, jene Wende, mit der das Land in den 1970er-Jahren begann, eine eigene kulturelle Identität als Nation zu entwickeln. Weiterhin ist die Ausstellung auch eine Reflexion über die zukünftige Wahrnehmung der zeitgenössischen japanischen Kultur.
In den 1980er-Jahren formierte sich in Japan eine postmoderne, futuristische Kulturszene, deren Zentrum in Tokio lag und die auch auf internationaler Ebene Sichtbarkeit erlangte. Die Grenzen zwischen Subkultur und akademischer Kunst verschwammen, beide galten als gleichberechtigt in einer Kultur, die den Mechanismen des Massenkonsums eng verbunden war. Dank der Spekulationsblase prosperierte die japanische Wirtschaft, und das Spiel mit Oberflächlichkeiten und Symbolen mündete in eine „Kultur der fließenden Übergänge“. Die Gründung des Yellow Magic Orchestra (YMO) 1978, das Aufkommen des Technopop, und das spektakuläre Debüt von Rei Kawakubo mit ihrer schwarzen Kollektion in Paris 1981 bildeten den markanten Auftakt der 1980er. Berühmt wurden YMO und Kawakubo durch ihr bedingungsloses Streben nach Individualität, ihre kreativen Mittel waren dabei Dekonstruktion und Remix, und ihre Weiterentwicklung vollzog sich auf dialektischen Wegen. Beide differenzieren zwischen gängigen Kriterien des Schönen, zwischen Asien und Europa oder nicht-menschlichen Körpern (im Sinne des Posthumanen) und streben nach digitaler Entmaterialisierung. Ihre Methoden ermöglichten ihnen einen „Re-initialisierung“, mit der sich die letzten Reste jener Äußerlichkeiten und Emotionen verflüchtigen, die die Ästhetik der Nachkriegszeit kennzeichneten, was zur Entstehung von etwas fundamental Neuem führte. Man könnte die 1980er-Jahre
1970 war das Jahr der Weltausstellung in Osaka. Die Expo ‘70 gilt als Höhepunkt der japanischen Moderne. 1970 fand außerdem die 10. Biennale von Tokio statt. Zu dieser „Tokyo Biennale 70 – Zwischen Mensch und Materie“ gaben sich viele internationale Konzeptkünstler ein Stelldichein, und sie markierte den Beginn einer Übergangsphase, in der Japan sich von der sogenannten Nachkriegsordnung – mit anderen Worten vom kulturellen Einfluss des Westens – zu lösen versuchte. Die Befreiung vom Formalismus vollzog sich in der Behauptung des Realen, einem leidenschaftlichen Expressionismus und AntikunstAktionen. Nach dem Ende dieser Phase hielt eine Tendenz zur Leugnung oder Relativierung von Realität Einzug
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rückblickend als Zeitalter exzessiver Selbstverwirklichung bezeichnen, das in der übersteigerten Differenzierung zwischen der eigenen Person und den anderen gipfelte. Nach dem Ende der Bubble Economy ist das gesellschaftliche Klima in der Rezession ambivalent und instabil. Konkrete Zukunftsperspektiven gibt es nicht, und die junge Generation sehnt sich nach einer « eindeutigen » Realität bar jeder Symbolhaftigkeit. Die Fotografien, die Takashi Homma zu Beginn der 1990er-Jahre in Tokioter Vororten aufnimmt, lassen alle Interpretationen bezüglich ihres Sinnes offen. Auch die Architektur von Kazuyo Sejima (Mitbegründerin des Burös SANAA, die für die Ausstellungsszenografie zuständig zeichnet), die die vorherrschende architektonische Grammatik dekonstruiert, zeigt sich allen Deutungen ihres programmatischen Hintergrundes offen. Die spezifischen Bildwelten dieser als Neo-Pop bezeichneten Kultur, die von Künstlern wie Takashi Murakami geprägt wird, sind spektakulär und von dezidiert diskursivem Charakter. Sie spiegeln die Ängste einer Generation, die Folge des wachsenden Umweltbewusstseins sowie der ökonomischen und gesellschaftspolitischen Unsicherheiten sind, die unmittelbar auf das Leben jedes Einzelnen wirken. Ende der 1990er-Jahre wird nach dem Erdbeben in Kobe und dem Giftgasanschlag in der Tokioter Metro 1995 zunehmend Kritik an den politischen und wirtschaftlichen Strukturen des Landes laut, und bürgernahe Kommunikation und gegenseitige Hilfe gewinnen an Bedeutung. Gleichzeitig entstehen Freiräume zur persönlichen Entfaltung, die keinen gesellschaftlichen Zwängen unterliegt. In der Kunst versucht man, zu Mitteln menschlicher Kommunikation zurückzufinden und individuellen Emotionen mittels Improvisation und amateurhaften
Praktiken Ausdruck zu verleihen. Dieser Ansatz, der nicht in Gestalt eines Umsturzes oder einer Revolution daherkommt, sondern in der geduldigen Erprobung verschiedener Ausdrucksformen besteht, die dank der vollkommenen Freiheit von Subjekt und Objekt möglich ist, prägt die japanische Kunstszene bis heute. Er lässt sich in allen bildenden Künsten und Disziplinen beobachten, so auch in Fotografie, Dokumentarfilm, Architektur und Mode. Nach dem Erdbeben von Tohoku und dem Tsunami 2011 wurde das sprunghaft zunehmende soziale Engagement neuerlich zum prägenden Merkmal der japanischen Kultur. Anders als Architektur und Design, die ihren Platz in der spezifisch japanischen Kultur der Moderne gefunden haben, hat sich die Gegenwartskunst in Japan auf chaotischen Wegen entwickelt. Sie formierte sich nicht entlang einer grundlegenden Theorie oder eines begleitenden Diskurses, sondern vielmehr im Kontext verschiedener Kulturen, Subkulturen und Ereignisse. Dennoch lassen sich innerhalb dieses Prozesses zwei gemeinsame Aspekte der diversen Praktiken identifizieren: zum einen der Zustand des Bewusstseins seiner selbst, zum anderen die Erschaffung einer « physischen Realität », die sich im unmittelbaren Bezug zur Umwelt vollzieht und Produkt von Erkenntnis und Wahrnehmung ist. Dabei leistet gerade das Fehlen einer umfassenden Kunsttheorie der Entstehung ganz einzigartiger, individueller Ausdrucksformen Vorschub. Das der Ausstellung zugrunde liegende Konzept zielt darauf ab, Kunst, Architektur, Mode, Manga und andere Subkulturen in einem gemeinsamen Kontext zu präsentieren, um die spezifischen Bezüge der einzelnen Ausdrucksformen zu Geschichte und Realität sichtbar zu machen und gleichzeitig das Zusammenspiel der beiden oben genannten Elemente
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hervorzuheben. So ist die Ausstellung nicht chronologisch gegliedert, sondern entwickelt sich um sechs Schlagworte, die charakteristische Merkmale der bildenden Kunst in Japan aufgreifen. Jedes Schlagwort bildet eine eigene thematische « Insel », wobei wie in einem Archipel natürliche Verbindungen zwischen den sechs Inseln bestehen. Die Gestaltung der Ausstellungsgalerien versieht die mit dem Pritzker-Preis ausgezeichnete SANAA, das Architektur-büro vor allem für ihre sich in den Raum entfaltenden Entwürfe bekannt ist, in denen privater und öffentlicher Raum harmonisch miteinander verschmelzen. Die Ausstellung ist nicht als schlichte Einführung in die japanische Gegenwartskunst angelegt, sondern versteht sich als umfassende Auseinandersetzung mit der visuellen Kultur in Japan, die weit über die stereotyp assoziierten ästhetischen Konzepte « Zen » und « Kawaii » hinausgeht. So soll sie zu Verständnis und Wertschätzung der japanischen Gegenwartskunst beitragen und als Vorbild für eine umfassende, strukturierte und erkenntnisreiche Auseinandersetzung mit der vielseitigen und komplexen Kunstszene einer einzigartigen Kultur dienen. Wir hoffen, dass diese « neue Sicht », die das Centre Pompidou-Metz mit der Ausstellung eröffnet, Anlass und Ort für einen Dialog zwischen Japan und dem Westen ist, der in Richtung Zukunft weist und sich stetig ausweitet. Denn angesichts krisenhafter Zeiten sind Austausch und Dialog für das Funktionieren unseres kulturellen Umfeldes und das Entstehen neuer Kulturen unabdingbar.“ Yuko Hasegawa, April 2017
3. DER AUSSTELLUNGSRUNDGANG ALLGEMEINER ÜBERBLICK
Kunst, Konsum und Subkulturen. In diesem umfangreichen Ausstellungsabschnitt offenbart sich die bemerkenswerte Vielseitigkeit und Komplexität der bisweilen als oberflächlich geltenden japanischen Pop-Art, deren Ursprünge in der blühenden Popkultur des Landes liegen. Sie findet sich in der Werbung der 1980er-Jahre ebenso wie in der Underground-Kultur und prägte auch den « Neo-Pop » der 1990er-Jahre, der sich der Bildsprachen von Manga, Anime und Subkultur bediente.
Die Ausstellung Japanorama – Zeitgenössische Schaffen aus neuer Sicht versammelt bildende Künste, Architektur, Design, Mode und Subkulturen wie u.a. Illustration, Manga und Trickfilm. Ihre Präsentation erfolgt nicht nach chronologischen Gesichtspunkten, sondern entlang thematischer Schwerpunkte, deren Gestaltung sich am Vorbild des Archipels orientiert. Jede Insel des Archipels steht für einen Schlüsselbegriff der Ausstellung: Die insgesamt sechs Themenbereiche – „Fremdes Objekt/posthumaner Körper“, „Pop“, „Kollaboration/Partizipation/Austausch“, „Politiken und Poetiken des Widerstandes“, „Subjektivität“, „Materialismus und Minimalismus“ – spiegeln zentrale Merkmale der zeitgenössischen visuellen Kultur in Japan wider. Für die Ausstellungsszenografie zeichnet das Büro SANAA zuständig (s. auch weiter unten, Abschnitt Szenografie).
Abschnitt C: Kollaboration/Partizipation/Austausch In dieser Sektion geht es um innergesellschaftliche Beziehungen. Im Fokus stehen kollaborative und partizipative Projekte rund um das Verhältnis zum anderen, wobei Ausgangspunkt weiterhin das Konzept des individualisierten Ich ist, das jedoch über eine Bereitschaft zur Anpassung verfügen muss, um harmonische Beziehungen zu seinen Mitmenschen führen zu können. Ein besonderes Augenmerk gilt in diesem Kontext der beträchtlichen Zunahme an Solidarität im Gefolge des Erdbebens von Tohoku am 11. März 2011.
Ausgangspunkt für die Auswahl der sechs zentralen Themenfelder waren charakteristische Werke der japanischen Kunst von 1970 bis heute. Sie erschließen sich im Zusammenspiel von ästhetischem Empfinden, stofflicher Beschaffenheit, Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Informationstechnologie und sollen außerdem die politischen und philosophischen Implikationen künstlerischer Ausdrucksformen in den Blick rücken. Die ausgestellten Werke wurden nicht mit dem Ziel einer chronologischen oder möglichst allumfassenden Darstellung der japanischen Gegenwartskunst ausgewählt, sondern weil sie in besonderem Maße geeignet sind, die der Kunstproduktion zugrunde liegenden Konzepte offenzulegen. Weiterhin erleichtern einige bereits vor den 1970er-Jahren entstandene Werke Verständnis und Zugang zu den einzelnen Themenbereichen. So werden, obwohl die Ausstellung zeitlich bei der Weltausstellung 1970 in Osaka ansetzt, mehrere Werke von 1968 zu sehen sein, da dieses Jahr, das weltweit von Protesten und dem Ruf nach Reformen geprägt wurde, in der Kunst eine Phase des Experimentierens markierte, die in einem Kontext mit den großen politischen Bewegungen jener Zeit gesehen werden muss und einen beträchtlichen Einfluss auf die Kunst der Folgejahre haben sollte. So werden etwa im Ausstellungsabschnitt A, « Fremdes Objekt/posthumaner Körper » Werke der Künstlervereinigung Gutai und Aktionen des Hi Red Center aus den späten 1960er-Jahren präsentiert.
Abschnitt D: Politiken und Poetiken des Widerstandes Thema dieser Insel ist der charakteristische Umgang mit Widerstand und Kritik in der japanischen Kunst. Beispielhaft für diese spezifischen Politiken des Widerstands ist etwa die Ästhetik des « Kawaii », die unschuldig und niedlich erscheinen mag, jedoch unterschwellig Widerstand signalisiert. Die Kawaii-Kunst verzichtet auf direkte Bezüge auf politische oder gesellschaftliche Missstände, sondern bedient sich allegorischer Darstellungen und setzt damit auf Fantasie und Vorstellungskraft des Betrachters. Abschnitt E: Subjektivität Hier geht um Subjektivität und ihre Ausformung aus individueller Sicht und in dokumentarischen Werken. Die Beobachtung und Entschlüsselung der Welt aus persönlicher Sicht ist ein bevorzugtes Verfahren von Künstlern, deren Produktion von dezidiert expressivem Charakter ist. Im Fokus dieser Sektion stehen vor allem dokumentarische Arbeiten von ausgeprägt narrativer Natur. Präsentiert werden insbesondere Fotografien, Filme und Videoproduktionen. Abschnitt F: Materialismus und Minimalismus Das Verhältnis zur Materie und Minimalismus sind insbesondere in der japanischen Architektur eng mit einem komplexen Raumverständnis verknüpft, das durch Denksysteme wie die Zen-Philosophie hervorgebracht wurde. In dieser Sektion soll deutlich werden, in welcher Unmittelbarkeit verschiedene japanische Künstler sich der Welt der Dinge nähern. Aufgezeigt werden künstlerische Strategien jenseits anthropozentrischer Denkmuster, die in der Auslöschung aller emotionalen Spuren des Künstlers bestehen, sodass die Narration allein dem Objekt oder der stofflichen Erscheinung obliegt, ein Streben nach Reduktion, das sich im Konzept « weniger ist mehr » und der Vorstellung vom mit Sinn gefüllten Nichts manifestiert.
Abschnitt A: Fremdes Objekt – posthumaner Körper Hauptinsel und Einführung, Schwerpunkt Körper: Auseinandersetzung mit Fragen des Empfindens und dem Verhältnis zwischen Körper und Außenwelt. Welches Körperbild herrscht in Japan? Auch das Posthumane im Kontext der Technologisierung ist Thema in diesem Abschnitt, der den Einstieg in die Ausstellung bildet und ebenso spektakuläre wie ungewöhnliche Kunstformen versammelt. Abschnitt B: Pop Im Zuge der Auseinandersetzung mit japanischer Pop-Art und Popkultur geht es vor allem um das Verhältnis zwischen
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Die Ausstellung beginnt im obersten Stockwerk der Kunsthalle in Galerie 3, wo sich die Abschnitte A und B befinden. Weiter unten folgen in Galerie 2 die Abschnitte C, D, E und F. Das Archipel-Konzept nimmt in der Inszenierung der Agentur SANAA konkrete Gestalt an: Auch wenn jedes Thema für sich dargestellt wird, ist es auf physischer oder visueller Ebene mit den anderen verbunden.
DER AUSSTELLUNGSRUNDGANG IM EINZELNEN GALERIE 3 In Galerie 3 werden die Ausstellungsabschnitte über den Körper (Abschnitt A) und Pop (Abschnitt B) präsentiert. Im Eingangsbereich der Ausstellung erwartet den Besucher auf dem Treppenabsatz ein berühmtes Bild der Expo ‘70, die den Ausgangspunkt für „Japanorama“ bildet.
ABSCHNITT A: FREMDES OBJEKT/POSTHUMANER KÖRPER Im Zuge ihrer Suche nach einer eigenständigen kulturellen Identität nach dem Zweiten Weltkrieg machten die japanischen Künstler das Verhältnis zum Körper zu einem zentralen Gegenstand ihrer Recherchen. Dabei näherten sie sich ihrem Sujet auf ungewöhnlichen Wegen, wie die Aktionen, Performances und Werke der Kunstvereinigung Gutai, der Neo-Dadaisten oder des Tanztheaters Butoh bezeugen. Typisch waren seinerzeit animistische Tendenzen, die Suche nach einer organischen Verbindung zu nichtmenschlichen Elementen. So entstanden Objekte, die surrealistisch oder grotesk waren oder an indigene Kunst erinnerten. Die Aktionen jener Zeit, mit denen die künstlerische Sprache zu ganz neuen Ausdrucksformen fand, können als Vorboten der posthumanistischen performativen Kultur gelten. In den 1980er-Jahren gewann die digitale Welt zunehmend an Bedeutung für die Kunstproduktion. Mit dieser Entwicklung, die vor allem Techno-Musik, Mode und Medien prägte, fanden zunehmend auch futuristische Ausdrucksformen ihren Weg in die Kunst. Wenn der Besucher die Galerie betritt, sieht er sich zunächst mit einer Gruppe von anthropomorphen Körpern und Objekten konfrontiert, darunter auch das Elektrische Kleid von Atsuko Tanaka. Als die Künstlerin, die der Künstlervereinigung Gutai angehörte, die Skulptur Ende der 1950er-Jahre schuf, schlug sie damit ein neues Kapitel der japanischen Kunstgeschichte auf, denn nie zuvor hatte ein Werk so eindeutig Körper, Technik und Kunst vereint. Das körperlose Blinken der elektrischen Lichter, das den Körper umschließt, ist nicht nur Haut, sondern ein weiterer, jedoch metaphorischer Körper, der mit dem pulsierenden Organismus der Künstlerin verschmilzt. So verweist dieses bahnbrechende Werk auf den Körper der Zukunft. Neben dem Elektrischen Kleid ist eines jener berühmten Kleider mit « Buckeln und Beulen » zu sehen, die Rei Kawakubo in den 1990er-Jahren für ihre Kollektion Body Meets Dress, Dress Meets Body (SS 1997) entwarf, außerdem weitere Kleidungsstücke des Marke Comme des Garçons, entstanden aus der Dekonstruktion des westlichen Modekonzepts zugunsten einer Forcierung der Idee des Körpers. Damit wurde der Körper zum Manifest eines neuen Verständnisses von Schönheit, das einen Kontrapunkt zur
Atsuko TANAKA, Denkifuku (Electric Dress), 1956/1999 Seen in elles@centrepompidou exhibition, 4th floor, 2009 86 coloured bulbs, 97 striplights varnished with 8 shades, felt, electric cable, adhesive tape, metal, painted wood, switchbox, circuit breaker, dimmer switch, 165 × 90 × 90 cm Paris, Centre Pompidou, Musée national d’art moderne — Centre de création industrielle © Centre Pompidou, MNAM-CCI/Georges Meguerditchian/Dist. RMN-GP © All rights reserved
konventionellen Mode mit ihrem Streben nach Harmonie und der perfekten Form setzte. Neben Fotografien von zerrissenen schwarzen Kleidungsstücken aus der ersten Pariser Kollektion von Rei Kawakubo, die seinerzeit als « Pennerlook » diffamiert wurde, sind – vom Künstler mit Absicht durchlöcherte – Gemälde des Gutai-Mitglieds Shozo Shimamoto zu sehen. In der beunruhigenden Asymmetrie, den Rissen und Deformierungen nimmt die Vorstellung einer neuen Körperlichkeit konkret Gestalt an.
Mariko MORI, Link of the Moon (Miko no Inori), 1996 Video installation, 5 min The Museum of Contemporary Art Tokyo © Mariko MORI
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Ebenfalls in diesem Ausstellungsabschnitt zu sehen sind Tetsumi Kudos allegorische Darstellungen von durch radioaktive Strahlung transformierten Körpern. Die Performances von Tatsumi Hijikata, dem Gründer des Tanztheaters Butoh, die er selbst als Tanz einer sich aufrecht haltenden Leiche beschreibt, die Avantgarde-Werke von Natsuyuki Nakanishi und seinen Kollegen vom Hi Red Center, die bei ihren Performances mit grotesken Transformationen des Körpers arbeiten, sind Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Fragestellungen und gelten als Wegbereiter der Postmoderne der 1980er-Jahre. Seinerzeit entstehen auch die hybriden und ambivalenten Skulpturen von Kodai Nakahara, und YMO (Yellow Magic Orchestra) produziert seine ersten Techno-Stücke, an denen Musiker und Computer gleichberechtigt beteiligt sind. Gleiches gilt auch für die Werke von Dumb Type und später Rhizomatiks, in denen Mensch und digitale Technologie verschmelzen. Und am Ende ist der Mensch ganz verschwunden, und zurück bleiben nur willkürlich zusammengefügte, disparate mechanische Elemente, wie sie sich im jüngsten Werk von Yuko Mohri finden, das den Abschluss der usstellungssektion bildet. Comme des Garçons Autumn/Winter 1982-83 Photographer credit: ©Peter Lindbergh
YMO, Solid State Survivor, 1979 Collection Wataru SHOJI / © Photo: Masayochi Sukita
ABSCHNITT B: POP Die japanische Pop-Art-Szene, die ihre Motive aus der Transformation von Bildern und Motiven aus der Alltagskultur bezieht, gilt als ausgesprochen dynamisch und wird durch ebenso zahlreiche wie vielfältige Subkulturen bereichert. Gleichwohl zu Beginn stark durch die amerikanische Pop Art der 1960er-Jahre und deren Konsumkritik geprägt, widmete sich die Bewegung in Japan sogleich der Neuinterpretation populärer Bildwelten, bediente sich am Vokabular der Underground-Kultur und politischen Botschaften. In den 1980er-Jahren machte sich der Einfluss der Computertechnologie zunehmend in der Gesellschaft spürbar, und in der Kulturszene gewannen neue
Tetsumi KUDO, Votre portrait-chrysalide dans le cocon, 1967 Installation with light Laminated cotton, polyester and black light, 161 × 87 × 78 cm Paris, Centre Pompidou, Musée national d’art moderne — Centre de création industrielle © Adagp, Paris, 2017 © Centre Pompidou, MNAM-CCI/Georges Meguerditchian/Dist. RMN-GP
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Akteure wie etwa der Handelskonzern PARCO an Bedeutung. Gleichzeitig erlebten traditionelle Ausdrucksformen wie Manga und Illustration eine bemerkenswerte Weiterentwicklung und Diversifizierung und sind ebenfalls der Pop Art zuzurechnen. Die japanische Gesellschaft wurde von einem regelrechten Konsumrausch erfasst, der in einem engen Zusammenhang mit der rasanten Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien stand. Der technologische Fortschritt wiederum bildete in den 1990erJahren den Nährboden für die Neo-Pop-Bewegung und die „Otaku“-Subkultur (s. Glossar).
Miwa YANAGI, Yuka, 2000 C-print, Plexiglas, dibon, 160 × 160 cm Edition of 7 Courtesy of the artist and Almine Rech Gallery Courtesy of the artist and Yoshiko Isshiki Office, Tokyo © Miwa YANAGI
Tsunehisa KIMURA, Howling at the Pig, 1980 Photomontage, 40,8 × 28,6 cm Collection of Tokyo Photographic Art Museum Photo © Fumiko Kimura
Den Einstieg in Abschnitt B der Ausstellung bildet ein Saal mit Werken von Tadanori Yokoo, der seine Laufbahn als Grafiker in den 1960er-Jahren begann. Berühmt wurde er vor allem für seine surrealistischen Bildwelten mit volkstümlichen und kitschigen Elementen, die sich durch ihre große stilistische Qualität und ihren hohen Wiedererkennungswert auszeichnen. Yokoo gilt als einer der bedeutendsten Vertreter der japanischen Popkultur und ist bekannt für seine Kooperationen mit KünstlerInnen und Persönlichkeiten der japanischen Kulturlandschaft. In den 1970er-Jahren arbeitete er mit Juro Kara aus der japanischen UndergroundTheaterszene, weiterhin mit Shuji Terayama und Tatsumi Hijikata sowie in den 1980ern mit der Musikgruppe Yellow Magic Orchestra. Yokoos grafisches Werk, das sich durch seine Mischung aus Erotik und augenzwinkernder Ironie auszeichnet, vereint in sich die charakteristischen visuellen Merkmale der japanischen Untergrundkultur.
Tadanori YOKOO, Fancy Dance, 1989 FNAC 93767 Centre national des arts plastiques © All rights reserved / Cnap
Yokoo gehörte zu den vielen Künstlern und Designern der Weltausstellung in Osaka 1970, deren Bildwelten die nachfolgende japanische Künstlergeneration, darunter auch Kenji Yanobe, maßgeblich prägen sollten. In den 1990er-Jahren nahmen die von Science-Fiction-Figuren wie Godzilla inspirierten Werke Yanobes unter dem
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Eindruck der Reaktor-Katastrophe von Tschernobyl und des Erdbebens von Kobe 1995 zunehmend die Form utopistischer Technologie- und Zukunftsvisionen an. So lässt der Künstler sich in einem Atom Suit, der die radioaktive Strahlung verzeichnet, auf dem ehemaligen Gelände der Expo ’70 fotografieren oder stellt Strahlenschutzanzüge aus und positioniert damit die auf der Expo ‘70 präsentierten Utopien in einen Kontext mit dem dystopischen Szenario des Reaktorunfalls in Fukushima nach dem Erdbeben von Tohoku 2011. Ebenfalls in dieser Sektion zu sehen sind allegorische Werke, die sich auf die politischen Botschaften der 1970er-Jahre beziehen, etwa die Collagen von Tsunehisa Kimura oder die Arbeiten des bekannten Illustrators Katsuhiko Hibino, der eine Brücke zwischen Gegenwartskunst und Konsumkultur – oder « PARCOKultur » (s. Glossar) – schlägt, die die Kaufhaus-Kette Seibu in den 1980er-Jahre begründete.
Die in den 1980er-Jahren entstandenen dystopischen Animationsfilme von Akira-Schöpfer Katsuhiro Otomo und Kyoko Okazaki spiegeln die Gegenwart einer Jugend, die einer ungewissen Zukunft entgegenblickt. Im selben Jahrzehnt heben Takashi Murakami und Makoto Aida den Neo-Pop aus der Taufe, indem sie traditionelle Techniken und Bildwelten mit dem Vokabular der japanischen Subkulturen kombinieren, um ihren ambivalenten Kommentaren zu Konsumpolitik und -gesellschaft Ausdruck zu verleihen. Der dynamische und komplexe Dialog zwischen Gesellschaft und Popkultur gehört zu den prägendsten Wesensmerkmalen der japanischen Gegenwartskunst und unterstreicht die Bedeutung der Popkultur als gesellschaftskritisches Instrument.
Takashi MURAKAMI, Cosmos, 1998 Acrylic on canvas mounted on board, 3000 × 4500 mm (3 panels) 21st Century Museum of Contemporary Art, Kanazawa Courtesy Tomio Koyama Gallery / ©︎1998 Takashi MURAKAMI /Kaikai Kiki Co., Ltd. All Rights Reserved. / Courtesy: Tomio Koyama Gallery / Image courtesy: 21st Century Museum of Contemporary Art, Kanazawa
GALERIE 2
Shinro OHTAKE, Scrapbook #68, 2014 - 2016 Mixed media artist book 20 kg, 704 pages, 41 × 39 × 50 cm © Shinro Ohtake, courtesy of Take Ninagawa, Tokyo
Den Auftakt des Rundgangs durch die Galerie bildet eine Reihe von Werken aus der Zeit nach dem Erdbeben von Tohoku am 11. März 2011. Die dreifache Katastrophe (Erdbeben, Tsunami, Reaktorunfall) hat Japan ins Mark getroffen – und das nicht nur auf materieller Ebene. Die Angst vor radioaktiver Verseuchung verursachte ein tiefes Trauma in der Bevölkerung, das bis heute spürbar ist. Die Forderung nach Wissensaustausch durch unabhängige Netzwerke und NGOs führte damals zu einer « kommunikativen Wende » in der zeitgenössischen Kunst.
Photo by Kei Okano
Die postapokalyptischen und gleichzeitig sehr persönlichen Fotografien von Naoya Hatakeyama zeigen die Meeresbrise und den Wald seiner zerstörten Heimatstadt. Lieko Shiga betätigt sich als « Dorffotografin » und überlässt es dem Betrachter, den Aufruhr der Bevölkerung und die Dramatik des Ereignisses zu erspüren. Die Performance des Künstlerkollektivs ChimPom im Sperrgebiet rund um das Kernkraftwerk Fukushima Daiichi ist Ausdruck der Unzufriedenheit mit den Machthabern. Diese Werke sind kritische Auseinandersetzung mit Rolle und Aufgabe des Künstlers im unmittelbaren Nachgang einer beispiellosen
Keiichi TANAAMI, Untitled (Collagebook 3_06), circa 1973 Marker pen, ink, magazine scrap collage on drawing paper, 45 × 54 cm © Keiichi TANAAMI Courtesy of the artist and NANZUKA
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Krise. Damit spiegeln die Arbeiten, die in den drei Abschnitten dieser Galerie – Politiken und Poetiken des Widerstands (Abschnitt D), Subjektivität (Abschnitt E) und Kollaboration/Partizipation/Austausch (Sektion C) – präsentiert werden, eine kritische Haltung zur Realität.
Die meisten kollaborativen Werke jedoch entstanden bei Projekten im Gefolge der Erdbeben von Kobe (1995) und Tohoku (2011), die Anlass für eine Auseinandersetzung mit der Rolle des Künstlers in der Gesellschaft waren, und KünstlerInnen, ArchitektInnen und FilmemacherInnen bündelten ihre Kräfte. Bedenkt man, welches Gewicht der Autor in der westlichen Moderne als Urheber des Kunstwerks innehat, ist die Etablierung kollaborativer und partizipativer Praktiken – die Mitwirkung des Betrachters – als Grundvoraussetzung künstlerischen Arbeitens ein Zeichen der Innovation. Abschnitt C beginnt mit der Präsentation diverser Fluxus-Projekte aus den 1960er-Jahren. Fluxus war eine der internationalsten Bewegungen in der Geschichte der Gegenwartskunst, der sich eine Vielzahl von KünstlerInnen anschloss, die sich häufig vor allem den von Cage formulierten Gedanken hinsichtlich Vergänglichkeit und Flüchtigkeit des Kunstwerks verbunden fühlten. Yoko Ono beteiligte das Publikum an ihren Werk Grapefruit, indem sie Anweisungen für dessen Vollendung formulierte. Die Spatial Poems von Mieko Shiomi waren Vorboten elektronischer Kommunikation noch vor Erfindung des Internets. In dieselbe Richtung weisen die Werke von Koki Tanaka aus den 2000erJahren. Er inszeniert partizipative Aktionen und fordert andere Kreative wie Dichter, Töpfer oder Musiker zur Gemeinschaftsarbeit auf, um sie dabei zu beobachten und den Sinn gegenseitigen Wissensaustauschs auszuloten.
Chim>Pom, SUPER RAT (diorama), 2008 5 rats (stuffed after being caught in Shibuya), diorama of town of Shibuya, video monitor, etc., 136 × 87 × 87 cm Osamu KITADA / Photo : Yoshimitsu Umekawa © Chim>Pom Courtesy of MUJIN-TO Production, Tokyo
ABSCHNITT C: KOLLABORATION/PARTIZIPATION/AUSTAUSCH In der japanischen Gesellschaft spielt ein harmonisches Miteinander traditionell eine wichtige Rolle, und kollaborative Werke sowie Arbeiten, die den Betrachter mit einbeziehen, sind integraler Bestandteil der japanischen Gegenwartskunst. Die japanische Fluxus-Bewegung der 1960er-Jahre basierte unter anderem auf den buddhistischen Lehren von D.T. Suzuki, und die meisten Fluxus-Werke erfordern entweder die Beteiligung des Betrachters oder enthalten Anweisungen für ihn. Dieses Konzept erlebte im internationalen Kontext der relationalen Ästhetik Ende der 1990er-Jahre eine Renaissance.
SHIMABUKU, Then, I decided to give a tour of Tokyo to the octopus from Akashi, 2000 Performance + Video Installation: mini DV transferred to Digital Data (6 min. 50 sec. / color / sound / 4:3) Courtesy: the Artist + Air de Paris, Paris
ABSCHNITT D: POLITIKEN UND POETIKEN DES WIDERSTANDS Die als « Kawaii » bezeichneten poetischen Bilder sind ein häufig wiederkehrendes Element in der japanischen Kunst, und anders, als die scheinbare Unschuld oder Naivität der Darstellung vermuten lassen könnte, haben sie eine Botschaft. Dabei handelt es sich jedoch nicht um direkte politische Stellungnahmen, sondern allegorische Bilder, surrealistische Welten, die ihre Botschaften auf poetischen Wegen übermitteln.
Yoko ONO, Eyeblink (Fluxfilm n° 9) Paris, Centre Pompidou - Musée national d’art moderne © Yoko Ono / Photo © Centre Pompidou, MNAM-CCI, Dist. RMN-Grand Palais / image Centre Pompidou, MNAM-CCI
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Auch der friedlich anmutende, utopische Surrealismus von Harue Koga aus den 1920er-Jahren ist aufgeladen mit der charakteristischen Spannung der Zwischenkriegszeit. Den Mittelpunkt der Sektion bildet ein Werk aus in traditioneller Bingata-Technik gefärbtem Stoff des Künstlers Yuken Teruya, der unweit eines US-amerikanischen Militärstützpunktes aufgewachsen ist und die traditionellen bunten Blumen- und Baummotive teilweise durch Abbildungen von Kampfflugzeugen und Fallschirmspringern ersetzt hat. In einer „Black Box“ produziert die Soundinstallation von Fuyuki Yamakawa, die sich aus der Stimme seines verstorbenen Vaters, der einer Journalistin, die in den 1970er- und 1980er-Jahren aus den Krisengebieten der Welt berichtete, sowie seiner eigenen Stimme zusammensetzt, ein mächtiges poetisches Crescendo. Harue KOGA, Sea, 1929 Oil on canvas, 130 × 162,5 cm Collection of The National Museum of Modern Art, Tokyo
Junya ISHIGAMI & Associates, Balloon, 2007 Aluminium structure, 73 × 12,8 × 14 cm © Junya Ishigami+associates / Photo © Yasushi Ichikawa
Yoshimoto NARA, Ocean Child (in the floating world), 1999
Courtesy of Gallery Koyanagi
Reworked woodcut, Fuji xerox copy, 41,5 × 29,5 cm Takahashi Collection © Yoshimoto NARA, 1999 Courtesy of the artist
Diese Strategie ist nicht neu. Es lassen sich durchaus Gemeinsamkeiten zwischen dem Surrealismus von MAVO oder Harue Koga, der durch die europäische Dada-Bewegung der 1920er-Jahre beeinflusst wurde, und der poetischen Praxis von Künstlern wie Yoshitomo Nara entdecken, der in seinen Werken seit den 1990er-Jahren Themen wie Jugend, Unreife und Reinheit verhandelt. Diese Ausformung der Konzeptkunst ist originär japanisch: Hier kann das Reine, Unschuldige und Poetische eine politische Botschaft haben. Warum schauen die jungen Mädchen, die Nara malt, so zornig und misstrauisch? Hinter den Darstellungen von Kindern oder Tieren verbirgt sich ungeachtet ihres ikonischen Charakters eine Kritik am aktuellen Zeitgeschehen und der Welt der Erwachsenen.
Lieko SHIGA, Rasen Kaigan 31, 2010 c-type print, 1200 × 1800mm © Lieko SHIGA
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Auseinandersetzung mit der Monotonie und Gleichförmigkeit des Daseins. Takashi Homma erforschte die « neue Welt » mit einer Fotoserie über die geschichtslosen Tokioter Vororte sowie Porträts von Kinder, die distanziert und unbewegt in die Kamera blicken. Rinko Kawauchi sucht mit seinen Aufnahmen, die Details aus dem Alltag und die Kosmologie des Lebens abbilden, inneren Energieströmen auf die Spur zu kommen. Seine sehr persönliche Dokumentation ist nicht anders als ein subjektives Verfahren, um sich der Welt als reales, jedoch transparentes Wesen zu stellen.
Yuken TERUYA, You-I, You-I, 2002 Lin, 180 × 140 cm Collection of The Dai-Ichi Life Insurance Company, Limited © Yuken TERUYA
ABSCHNITT E: SUBJEKTIVITÄT Bemerkungen und Beobachtungen, die von einem persönlichen Standpunkt aus erfolgen, werden in der japanischen Tradition des autobiografischen Romans derart verschleiert oder verändert, dass der Eindruck eines universellen Standpunktes entsteht. Während die Autonomie des Subjekts in der westlichen Kultur über allem steht, neigt man in der japanischen Kultur einem fundamental anderen Subjektbegriff zu: Die Konturen des Subjekts sind unscharf, was sein Verschmelzen mit der Umgebung oder anderen Entitäten möglich macht. Dieses Konzept ist charakteristisch für die in dieser Sektion präsentierten Fotografien, darunter die Aufnahmen des „Subjektivisten“ Ikko Narahara aus der Zeit um 1968, aber auch Arbeiten von Takashi Homma aus den 1990er-Jahren oder von Rinko Kawauchi aus den 2000ern, und rückt sie in die Nähe zu verschiedenen Werken des subjektiven Dokumentarismus, der nach der Katastrophe von 2011 eine Renaissance erlebte. Der große Einfluss der subjektiven Fotografie, die das Erscheinungsbild der 1968 gegründeten Zeitschrift Provoke prägte, gründet in den Zweifeln einer Generation, die in einer Welt voller Ungewissheiten aufwächst. Die Ausstellung versammelt Arbeiten vieler Fotografen, deren Bilder in Provoke erschienen, etwa Ikko Narahara, Daido Moriyama und Takuma Nakahira. Die intimen Fotografien, die Nobuyoshi Araki von seiner Frau macht, und das unkonventionelle Bildkonzept von Eikoh Hosoe insbesondere bei seinen Fotografien des Schauspielers Simmon unterstreichen deutlich die ontologischen Belange ihrer Urheber. Nach dem Zerplatzen der Spekulationsplatze in den 1990er-Jahren rückte an das ontologische Problem der Versöhnung der Welt mit dem Individuum die
Ikko NARAHARA, Domains, Garden of Scilence, 1958/2017 Courtesy of the artist and Taka Ishii Gallery Photography / Film, Tokyo © Ikko Narahara / Taka Ishii Gallery Photography / Film, Tokyo
Eikoh HOSOE, Simon: A Private Landscape, 1971/2012 Silver gelatine print, 35,4 × 45,4 cm Courtesy the artist and Taka Ishii Gallery Photography / Film, Tokyo
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Hiroshi SUGIMOTO, Sea of Okhotsk, Hokkaido, 1989 Series Ten Seascapes © Courtesy Sonnabend Gallery, New York Photo credit: Blaise Adilon Rinko KAWAUCHI, Untitled (I54), 2007 Illuminance / C-print, 50 × 50 cm
Den Abschluss der Ausstellung bildet die spektakuläre Installation Force von Kohei Nawa: ein Vorhang aus schwarzen Ölfäden als Symbol für den Umgang der Politik mit Ressourcen, radioaktiven Fall-out, aber auch Barcode und sublimes Gemälde im Sinne Barnett Newmanns. Dieses Werk liefert einen Schlüssel zum Verständnis der Ausstellung Japanorama, die dem Westen oder der globalisierten Welt Wege eines alternativen Denkens und Sehens aufzeigen will. So einfach die visuelle Sprach auch sein mag, so komplex können die darunter verborgenen Sinnschichten sein, die sich aus dem Bezug zur Umwelt, zu den Informationen und Erinnerungen aus der Vergangenheit und zu den Aussichten in die Zukunft ergeben. In diesem Sinne bildet das Werk einen Epilog zu den beiden Ausstellungsgalerien.
Edition of 1/6
ABSCHNITT F: MATERIALISMUS UND MINIMALISMUS Verschiedene japanische Künstler zeichnen sich durch ihr Streben nach extremer Einfachheit im Verhältnis zu den Dingen aus. Dies äußert sich in künstlerischen Ansätzen, in denen der emotionale Beitrag des Künstlers ausgelöscht ist, um Autonomie und Narration des Objekts zu wahren, wobei der kreative Beitrag in der Konstruktion von Beziehungen zwischen den Objekten selbst liegt. Diese zeitgenössische japanische Kunstströmung ist eng verbunden mit dem Begriff « Ma » (Intervall, Raum-Zeit, s. Glossar). In diesem letzten Ausstellungsabschnitt ist eine vielgestaltige Auswahl von Werken zu sehen, die man Zen-Bewegung, Minimalismus, Mono-ha (der « Schule der Dinge ») oder der Architektur der Moderne zurechnen kann. In dieser Sektion geht es um die Auseinandersetzung mit Gegenwart und Abwesenheit des Objekts. Von den künstlerischen Recherchen rund um Prozesse, die die wechselseitige Abhängigkeit materieller Gengenstände offenlegen und damit Weiterführung der buddhistischen Vorstellung sind, dass jedes Ding nur im Verhältnis zu den anderen existieren könne, zeugen Zen-Gärten ebenso wie die Mono-ha-Werke der 1970er-Jahre. Nomura Hitoshis obsessive Mondbeobachtungen, die er von immer gleichen Standpunkten aus vornahm, um die Mondbewegungen in einem Notensystem zu verzeichnen, lassen sich als Vorboten des auf Wiederholungen und Unterscheidungen basierenden Minimalismus deuten. Auf den beinahe abstrakten Meereslandschaften von Hiroshi Sugimoto durchtrennt der Horizont jedes Bild exakt in der Mitte. Die Werke von Ryojii Ikeda wiederum beruhen auf Verfahren der Datenverarbeitung zur Erzeugung minimaler Töne. Weiterhin spiegeln die Arbeiten Fragenstellungen rund um Maßstab und Größenverhältnisse wider, die uns in Gestalt von Darstellungen auf Makro-, Nano- und Mikroebene begegnen.
Kohei NAWA, Force, 2015 ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe © Kohei NAWA, Foto © ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe, Foto: Tobias Wooton und Jonas Zilius
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4. SZENOGRAFIE DER AGENTUR SANAA SANAA (Kazuyo SEJIMA + Ryue NISHIZAWA), Musée d’Art contemporain du 21e siècle, Kanazawa, 2004 Frac Centre / Les Turbulences © SANAA © FRAC Centre-Val de Loire, François Lauginie
Yuko Hasegawa : „SANAA ist eines der bekanntesten Büros der zeitgenössischen japanischen Architekturszene auch über die Landesgrenzen hinaus. Als Kuratorin der Ausstellung hatte ich die Gelegenheit, regelmäßig mit dem Büro zusammenzuarbeiten und einmal mehr zu erleben, mit welcher Meisterschaft es in ihrer räumlichen Gestaltung sowohl architektonischen wie auch szenografischen Belangen gerecht zu werden vermag. Das Büro, die von Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa gegründet wurde und 2010 mit dem Pritzker-Preis ausgezeichnet wurde, verdankt seine Berühmtheit vor allem ihren Entwürfen für so bedeutende Museumsbauten wie den Louvre-Lens oder das New Museum. Als Gründungsdirektorin habe ich gemeinsam mit SAANA das 21st Century Museum of Contemporary Art im japanischen Kanazawa entworfen und realisiert, wo Ausgangspunkt des Entwurfes die Durchlässigkeit zwischen öffentlichen und privaten Bereichen war. Die Ausstellungsszenografie für Japanorama zeichnet sich durch die charakteristischen Merkmale der Architektur von SAANA aus: Dank ihrer Transparenz und der Durchlässigkeit der Räume gestaltet sich der Rundgang fließend, und die Besucher können entspannt zwischen den Werken umherschlendern. In der ersten Galerie erfassen die Besucher den gesamten Ausstellungsbereich mit einem Blick. Kleine, an Zellen erinnernde Säle wurden geschickt so angelegt, dass der Besucher das Volumen der Galerie je nach Standpunkt ganz unterschiedlich wahrnimmt, was vor allem dem Kontrast zwischen diesen kleinen Räumen und dem Eindruck von Offenheit und Weite zu verdanken ist. Der weitere Parcours gestaltet sich dank der runden Stellwände organischer und erinnert in seiner Anlage an einen Inselarchipel, in dem die Werke in unterschiedlichen Themenbereichen versammelt sind und sich ein harmonisches Wechselspiel zwischen den Perspektiven entwickelt.“
Louvre-Lens © SANAA, IMPREY CULBERT, C. Mosbach
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5. KISHIO SUGA, LAW OF PERIPHERAL UNITS, 1997/2017 INSTALLATION IM FORUM 09.09.17 05.03.18
Ansicht der Installation von Kishio Suga im Vangi Sculpture Garden Museum, Shizuoka, Japan © Kishio Suga, Foto: Kenji Takahashi
Für Kishio Suga, den berühmten japanischen Künstler der Mono-ha-Bewegung (wörtlich « Schule der Dinge »), kann der Mensch dank simpler Gesten, die einen Raum in einen Ort der Meditation verwandeln, ein gesteigertes Bewusstsein seiner Umwelt erlangen. In diesem Kontext ist auch der « Steingarten » zu sehen, den Suga im Forum des Centre Pompidou-Metz anlegt. Bei seiner Arbeit handelt sich um eine radikale Version des mineralischen Gartens in der ZenTradition japanischer Tempel. Die Intention des Künstlers ist die Rückbesinnung des Menschen auf sein Verhältnis zur Natur. Er beschreibt sein Vorgehen so: « Das Werk besteht lediglich aus Metallrohren, Steinen und Seilen, die allesamt Elemente natürlichen Ursprungs sind. Der Mensch beherrscht und knechtet alle künstlichen Materialien, nicht aber die natürlichen Elemente. Darum muss ich mich, um herauszufinden, ob ich ein natürliches Material verwenden kann, auf mein Bewusstsein konzentrieren. » Die Besucher wiederum sind eingeladen, die Steine aufmerksam zu betrachten, ihre Kraft zu würdigen und die Art und Weise, wie sie sich ergänzen. Sie sorgen dafür, dass die Seile gespannt bleiben, und halten das Gesamtwerk im Gleichgewicht. Jedes Seil nimmt einen anderen Weg und schafft auf diese Weise ein magnetisches Spannungsfeld, das Suga als « innere Dichte » bezeichnet. Mit Unterstützung der Tomio Koyama Gallery, Tokio. Die Realisierung dieses Ausstellungsbeitrags erfolgt im Rahmen des Projekts « NOE-NOAH », das von der Europäischen Union im Rahmen des Programms INTERREG V A Großregion (2014–2020) gefördert wird.
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KÜNSTLER LISTE A
AIDA Makoto AKASEGAWA Genpei ANREALAGE ARAKI Nobuyoshi ASAI Yusuke Atelier Bow-wow
C
ChimPom Comme des Garçons
D
DEKI Yayoi Dumb type Archive
E
ENOKURA Koji
F
Finger Pointing Worker Fluxus FUJII Hikaru FUJIMOTO Sou FUKUSHIMA Hideko
H
HATAKEYAMA Naoya hatra HIBINO Katsuhiko HIJIKATA Tatsumi HIRATA Minoru Home-For-All HOMMA Takashi HOSOE Eikoh
I
IKEDA Ryoji ISHIGAMI Junya ISHIHARA Tomoaki ITO Zon IZUMI Taro
K
KANEUJI Teppei KASHIKI Tomoko
KATO Izumi KAWAKUBO Rei KAWAMATA Tadashi KAWARA On KAWAUCHI Rinko KIMURA Tsunehisa KOGA Harue KOJIN Haruka KONISHI Kenzo KOSHIMIZU Susumu KUDO Tetsumi KUSAMA Yayoi
L
LEE Ufan
M
MACHIDA Kumi mame MATSUE Tetsuaki MIYAJIMA Tatsuo MOHRI Yuko MORI Mariko MORIMURA Yasumasa MORIYAMA Daido MURAKAMI Takashi MURAKAMI Tomoharu
N
NAKAGAWA Yukio NAKAHARA Kodai NAKAHIRA Takuma NAKAMURA Hiroshi NAKANISHI Natsuyuki NAKAZONO Koji NARA Yoshitomo NARAHARA Ikko NAWA Kohei NOMURA Hitoshi
O
ODANI Motohiko OHNO Kazuo OHTAKE Shinro OKAZAKI Kyoko ONO Yoko Osaka Archive OTOMO Katsuhiro OZAWA Tsuyoshi
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R
Rhizomatiks
S SANAA SAWA Hiraki SHIGA Lieko SHIMABUKU SHIMAMOTO Shozo SHIOMI Mieko SHIRAGA Kazuo Sputniko! SUGA Kishio SUGIMOTO Hiroshi SUKITA Masayoshi
T
TABAIMO TAKANO Aya TAKAYAMA Noboru TANAAMI Keiichi TANAKA Atsuko TANAKA Koki TATEISHI Tiger TERUYA Yuken The Play TSUMURA Kosuke
W
wah document
Y
YAMAGUCHI Harumi YAMAKAWA Fuyuki YAMAMOTO Yohji YANAGI Miwa YANOBE Kenji Yellow Magic Orchestra (YMO) YOKOO Tadanori YOKOYAMA Yuichi YOSHIOKA Tokujin
centrepompidou-metz.fr | #dumbtype With the special support by the Agency for Cultural Affairs, Government of Japan
DumbType, S/N Performance photo: Yoko Takatani / Graphisme L&D, Kanta Desroches
AUSSTELLUNGEN 20.01.18 > 14.05.18
1. PRESSEMITTEILUNG
Dumb Type, S/N, 1992 © Foto Yoko Takatani
Dumb Type ist die erste umfangreiche monografische Ausstellung des Künstlerkollektiv in Frankreich. Das Kollektiv bestand bei seiner Gründung 1984 aus rund fünfzehn Studenten des Kyoto City Art College, darunter bildende und Videokünstler, Choreografen und Performancekünstler, aber auch Architekten, Grafiker, Toningenieure und Informatiker, die sich zusammenschlossen, um eine neue, multidisziplinäre Form der Bühnenkunst zu entwickeln. Das englische Wort dumb bedeutet « stumm » oder « dumm ». Teiji Furuhashi (1960–1995), der Initiator der Gruppe, erläuterte die Bedeutung des Namens « Dumb Type » in einem Interview: Mit der Öffnung nach Westen und der Bubble Ökonomie in den 1980er-Jahren sei die japanische Gesellschaft immer oberflächlicher geworden und habe sich ganz Medien, Konsum und Technologie verschrieben, in der jeder « mit Informationen überschüttet wird,
ohne irgendetwas zu begreifen » und die Begehrlichkeiten an Verzweiflung grenzen. Als Reaktion auf diese Zeit sowie das Pathos und die Künstlichkeit des zeitgenössischen Theaters entwickelt Dumb Type ein experimentelles Theater, in dem der Körper der Darstellenden zur Projektionsfläche für Bilder, Töne und Ausstattung wird. Die Stücke sind beherrscht von aseptischer, nüchterner, allgegenwärtiger Technologie, die den Körper prägt und den Geist fordert. Eine erste politische Positionierung nahm Dumb Type mit der Entscheidung für die Form des Kollektivs vor. Gemeinsam arbeiten zu wollen signalisiert die Bereitschaft der Gruppe zu uneingeschränkter Interdisziplinarität, zur Abschaffung akademischer Kategorien und Hierarchien. Dieses Ansinnen lässt sich deutlich an der hybriden Natur der Projekte der Gruppe ablesen, in denen sich darstellende Künste und
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Multimedia-Installation verquicken. Es entsteht eine neue Form von Theater, in dem digitale Technologien omnipräsent sind. Die Gruppe ist bis in die 2000er-Jahre sehr aktiv und tritt in Museen und Theatern in Japan, Europa und den USA auf, wo einige ihrer Mitglieder zeitweise auch leben. Zentrales Thema des international präsenten Kollektivs ist der Wandel von Identitäten und Kommunikation in einer globalisierten Welt. Bei ihren ersten Stücken verzichtete die Gruppe vollständig auf Dialoge zwischen den ausführenden Künstlern, die jedoch von Zitaten und Songtexten umgeben waren. Die neuen Medien und die digitale Revolution haben unser Verhalten, unsere Subjektivität und im weitesten Sinne unsere Menschlichkeit verändert. Und doch flackert auch in Datenströmen, Stroboskoplichtern und elektronischer Musik weiterhin eine Flamme der Empfindsamkeit. Diese existenzielle Dimension äußert sich bei Dumb Type im Rückgriff auch auf
populärere und flüchtige Formen wie Karaoke, Talk-Show, Cabaret, DragPerformance, geheime Geständnisse oder die direkte Ansprache ans Publikum. 1990 verwandelte Dumb Type die Bühne für eines seiner ersten Stücke in ein makelloses « Flachbett », und regelmäßig fuhr ein riesiger Scanner über die Darsteller hinweg. pH, der Titel des Stücks, verweist auf die « potentia Hydrogenii », die man in der Chemie verwendet, um den Säuregehalt einer Lösung zu messen. Aber die Texte, die in dem Stück zitiert werden, verweisen auch auf das « Potential Heaven/Hell » einer japanischen Gesellschaft, die in einem Zustand der Mittelmäßigkeit gefangen ist, einem schädlichen Milieu, das Furuhashi mit der Vorhölle vergleicht. In den folgenden Stücken wird diese kalte Neutralität diversen Elektroschocks unterzogen. In S/ NK lässt Furuhashi das Publikum wissen, dass er HIV-positiv ist, indem er Etiketten mit Aufschriften wie « männlich », « Japaner », « homosexuell » und « HIV+ » am Körper trägt. Gleichzeitig werden Sätze
auf die Bühne projiziert, die Gegenteil dieser brutalen Klassifizierung sind: « Ich wünschte, mein Geschlecht würde verschwinden », « Ich wünschte, meine Nationalität würde verschwinden » oder « Ich wünschte, mein Blut würde verschwinden ». Videoaufnahmen entblößter Oberkörper, überlagert von Fadenkreuzen, komplettieren diese klinische Annäherung an den Körper. Wie pH verweist auch S/N auf eine wissenschaftliche Messgröße: In der Akustik dient das Signal-Rausch-Verhältnis S/N als Maß für die technische Qualität eines Signals. Das Auftauchen der CD 1982 markierte den Übergang von der analogen zur digitalen Tonaufnahme, mit der alle Hintergrundgeräusche der Vergangenheit angehörten. Für Furuhashi ist diese Ausblenden von Umgebungsgeräuschen symptomatisch für eine Gesellschaft, die alles, was sie nicht sehen oder hören will, schlicht ignoriert. Im Rahmen der Japan-Saison präsentiert das Centre PompidouMetz fünf große Installationen von Dumb Type, darunter eine nie zuvor
Dumb Type, Memorandum or Voyage Installation Photo: Shizune Shiigi
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präsentierte Arbeit, die eigens für die Ausstellung produziert wurde. Bei einigen dieser Werke handelt es sich um Einzelproduktionen von drei historischen Mitgliedern des Kollektivs – Teiji Furuhashi, Ryoji Ikeda und Shiro Takatani – die neben ihrer Arbeit im Kollektiv auch auf individueller Ebene Kunst machten. Ergänzend werden Archivmaterial und Berichte von Zeitzeugen zu sehen sein, anhand deren sich Werdegang und Zusammensetzung der Gruppe vor und nach dem Tod von Teiji Furuhashi 1995 nachvollziehen lassen. Diese gleichermaßen physische wie dokumentarische Annäherung an verschiedene Werke von Dumb Type ermöglicht die Einordnung dieser bahnbrechenden Werke in den zeitgenössischen Kontext und in die Gegenwart, wo die Gesellschaft noch immer durch einen Überfluss an Information und Konsum geprägt wird. Kuratorin: Yuko Hasegawa, künstlerische Leiterin des Musée d’art contemporain (MOT), Tokio Recherche- und Ausstellungsbeauftragte: Hélène Meisel
2. DIE WERKE DER AUSSTELLUNG wurde, was bedeutet, dass hier reine Mathematik mit dem riesigen Ozean der auf der Welt vorhandenen Daten kombiniert wurde ».
Eine neue, eigens für die Ausstellung entwickelte und erstmals präsentierte Installation versammelt die Rekonstruktionen von drei Dumb-Type-Performances aus der Zeit vor Teiji Furuhashis Tod: PleasureLife (1988), pH (1990) und S/N (1994). Lovers (1994) ist das ruhige Pendant zum Spektakel von S/N. Die interaktive Installation von Teiji Furuhashi ist gleichermaßen geisterhafte wie romantische Auseinandersetzung mit dem Thema Liebe. Auf die Wände eines quadratischen Saales werden in Lebensgröße die nackten Körper von neun männlichen und weiblichen Darstellern projiziert, die einander begegnen. Die Silhouette des Künstlers kommt auch auf den Betrachter zu, um just in dem Moment zu verschwinden, da er ihn umarmen will.
Toposcan (2013 und 2016) ist eine audiovisuelle Installation von Shiro Takani (geb. 1963), der bei den Projekten von Dumb Type für die visuellen und technischen Aspekte zuständig zeichnet. Das Werk besteht aus acht nebeneinander aufgereihten Monitoren im Format 16:9 und zeigt die Panoramaaufnahme einer Landschaft. Hier offenbart sich die digitale Struktur des vom Künstler gewählten Mediums: Es handelt sich um HDI-Technologie. Die im 360°-Winkel gefilmte Natur wird nach und nach mit einem Filter überzogen, und die Videoaufnahme löst sich immer weiter in Pixelreihen auf, aus denen sich das Bild zusammensetzt.
Data.tron (2007) ist eine raumgreifende audiovisuelle Installation von Ryoji Ikeda (geb. 1966), die Teil seiner 2006 begonnenen Serie datamatics ist. Das Dumb-Type Mitglied Ikeda ist eine zentrale Figur in der elektronischen Musik und Kunst. Der Künstler erläutert, dass « für Data.tron jedes Bildpixel strikt nach mathematischen Prinzipien berechnet
MOV schließlich ist eine mehrstimmige Installation, die auf einem 16 m breiten Bildschirm drei alte Stücke von Dump Type in Bild und Ton zeigt. Es handelt sich um die nach dem Tod von Teiji Furuhashi realisierten Werke Memorandum (1999), [OR] (1997) und Voyage (2002), die, zusammengefasst in einem neuen Werk, an das Kollektiv Dumb Type erinnern.
DumbType, pH, 1990
Dumb Type, Lovers
Performance
Installation
Photo: Kazuo Fukunaga
Photo: Haruhiro Ishitani
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Shiro Takatani, Toposcan / Ireland, 2013 Photo Courtesy: NTT InterCommunication Center [ICC] Photo: KIOKU Keizo
DumbType, MEMORANDUM OR VOYAGE, 2014 Installation Photo: Shizune Shiigi
DumbType, Voyage, 2002
DumbType, MEMORANDUM OR VOYAGE, 2014
Performance
Installation
Photo: Kazuo Fukunaga
Photo: Shizune Shiigi
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08.09.17 > 14.05.18
centrepompidou-metz.fr | #10evenings
10 Evenings #8 Saburo Teshigawara, Broken Lights photo: Jochen Schindowski / Graphisme L&D, Kanta Desroches
TANZ, MUSIK, PERFORMANCES
PERFORMANCE UND DARSTELLENDE KÜNSTE IN JAPAN – DER KULTURELLE KONTEXT
Die Teilhabe japanischer Künstler an den großen internationalen Avantgarde-Bewegungen seit den 1950erJahren erfolgte im Kontext des intensiven intellektuellen und kulturellen Austausches des Landes mit dem Westen. In den 1960er-Jahren etablierte sich das Sogestu Art Center (SAC) als Epizentrum der japanischen Avantgarde. Zwischen 1958 und 1971 war es Heimat hochgradig experimenteller Kunstprojekte, und bildende KünstlerInnen, MusikerInnen, DesignerInnen, KritierInnen und AutorInnen sowie darstellende KünstlerInnen kamen dort zu kollaborativen Projekten zusammen. Insbesondere die japanische Fluxus-Bewegung fand dort eine Heimat, ebenso Takahiro Iimura als Pionier des japanischen Experimentalfilms, und das Kunstzentrum war Ort legendärer Performances und Konzerte von Toshi Ichiyanagi, John Cage, David Tudor oder Merce Cunningham. Dieses fruchtbare Klima, das durch Cross talk intermedia noch befeuert wurde, bildete den Nährboden für die Entwicklung vieler Kunstprojekte, die 1970 bei Expo ‘70 präsentiert werden sollten. Die 1970er-Jahre begannen mit der ersten Weltausstellung in Japan, der Expo ’70, die einen enormen Einfluss auf die Kulturszene hatte und rund 64 Millionen Besucher verzeichnete. Und dieses einmalige Fest, aus dem, wie Yoko Hayashi es in seinem Essay für Donai Yanen! Et maintenant! La création contemporaine au Japon (1999) formulierte, die „Kinder der Expo“ hervorgingen, belebte die Kunstszene ungemein. Damals öffnete das Seibu Theatre (später Parco Theatre) seine Pforten. Die Bühne gehörte zur großen Handelsgruppe Saison, die maßgeblich zur Verbreitung des Massenkonsums in Japan beitrug und Besitzer von Radio J-wave war, das als Musiksender seinerzeit unumgänglich war. Ab 1973 spielte der Konzern eine zentrale Rolle für die Formierung der japanischen Popkultur, denn er sicherte ein massenhaftes Warenangebot, verkaufte Mode und bot Raum für experimentelle künstlerische Recherchen. Das Parco Theatre, das lediglich über einen kleinen Saal mit 500 Plätzen verfügte, wurde bald zum Symbol für die einzigartige Verquickung und gegenseitige Befruchtung von Gegenkultur und aufstrebender Konsumkultur. Es wurde zum Sprungbrett für Künstler wie Shuji Terayama und war von 1974 bis 1988 Heimat des Festivals „Music Today“, das von Toru Takemitsu in Leben gerufen wurde. Man kann in diesem Konsumtempel die Urform eines Phänomens sehen, das maßgeblich zum Wandel der japanischen Städte beitrug: zum einen eine Generation von „Anti-Konsumenten“, zum anderen die neue Verfügbarkeit von anspruchsvollen Produkten aus der Hand von KünstlerInnen, MusikerInnen und DesignerInnen.
Saburo TESHIGAWARA, Fragments of Time Foto: Bengt Wanselius
10 Evenings – das sind 10 Veranstaltungen mit bedeutenden Vertretern der japanischen Kulturszene, die zwischen Oktober 2017 und März 2018 im monatlichen Rhythmus im Centre Pompidou-Metz zu Gast sind. Jeder Abend bietet Einblicke in das Verhältnis eines Künstlers zum historischen Erbe seiner Heimat sowie zum künstlerischen und kulturellen Kontext der Gegenwart. Präsentiert werden Projekte aus den Bereichen Performance, Theater und Tanz, die speziell für das Centre Pompidou-Metz entwickelt oder adaptiert wurden. So erlebt das Publikum künstlerische Darbietungen, die einen Bezug zu den verschiedenen Fragestellungen der Ausstellung Japanorama haben und teilweise noch nie in Frankreich zu sehen waren. Der Titel der Veranstaltungsreihe – 10 Evenings – ist eine Anspielung auf die legendäre Peformancereihe 9 evenings: Theater and Engineering, die Billy Klüver vom 13. bis 23. Oktober 1966 in New York initiierte. Die seinerzeit sehr intensiven und lebhaften amerikanischjapanischen Beziehungen führten 1969 zu einer ähnlichen Veranstaltungsreihe in der Sporthalle Yoyogi in Tokio unter dem Titel Cross Talk Intermedia, bei der Industrievertreter, Toningenieure und Künstler zusammenkamen, um diverse innovative Strukturen und Technologien zu erproben, die später wesentlich zum Erfolg der Expo ‘70 beitragen sollten. Das Programm 10 Evenings ist eine Hommage an die seinerzeit ungemein kreative und produktive Kulturszene, in der Künstler verschiedener Generationen zusammenwirkten.
Die aufkommende japanische Kulturszene ist ungemein produktiv und erregt auch im Ausland Aufsehen, sie findet ihre Bühnen im privaten wie öffentlichen Raum, bedient sich der Ästhetik von Untergrund-Kultur und KonsumGesellschaft. In Zeiten der Bubble Economy folgen weitere Handelsunternehmen dem Vorbild von Parco: Im angesagten Viertel Aoyama öffnet 1985 die Spiral Hall ihre Pforten, 1989 folgt das Kulturzentrum Bunkamura
Kuratorin: Emmanuelle de Montgazon, freie Kuratorin
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in Shibuya-Viertel. Damit wandelte sich das Zentrum von Tokio zu einem blühenden Hort der Kunst von internationaler Reichweite. In dieser Zeit entwickelten sich vielgestaltige und unkonventionelle Theaterformen – vom Shigaigeki City Theatre unter der Leitung Shuji Terayama bis zu einer Vielzahl von Shogekiju, kleinen Laientheatern. Angeregt durch diese lebendige Szene, gründete Suzuki Tadashi 1981 das erste internationale Theaterfestival Japans in Toga.
und im Rückgriff auf ihre kulturellen Wurzeln wie etwa den Animismus definieren die Künstler ihre Verbindung zu Gemeinschaft neu. Sie verleihen der Notwendigkeit Ausdruck, wieder eine gesamtgesellschaftliche Wirklichkeit zu schaffen. Diese Debatte wird begleitet von engen Kulturkooperationen mit anderen asiatischen Ländern und den fortgesetzten Austausch mit dem Westen. Der Tsunami von 2011 und die Nuklearkatastrophe von Fukushima finden ihren Widerhall in diesen engagierten Praktiken, die auch im Ausland auf großes Interesse stoßen. Literatur, Theater, Mode, Musik: Aus Bewegungen werden gemeinschaftliche Projekte, ob privater Augenzeugenbericht oder größere Aktion in den sozialen Netzwerken. Neue künstlerische Ausdrucksformen kommen auf, so etwa die Aktionen des Kollektivs ChimPom, und wecken ein neues politisches Bewusstsein.
Die 1990er-Jahre wurden geprägt von einer offiziellen Kulturpolitik, die stark am französischen Modell der Kulturförderung orientiert war. Es wurden neue Theater, Stiftungen und Förderprogramme für Künstler gegründet. Bedeutende Vertreter des japanischen Theaters wurden mit der Leitung hervorragend ausgestatteter, großzügig subventionierter staatlicher Bühnen betraut, darunter das Tokyo Metropolitan Theater (1990), das Setagaya Public Theater, das Saitama Art Theater, das New National Theater Tokyo und das Spac in Shizuoka (1997). Gebaut mit dem Geld der Bubble Economy, eröffnet jedoch in Zeiten der Rezession, wurden sie Heimat großer kommerzieller Produktionen und internationaler Shows. Für experimentelle Projekte boten sie keine Bühne mehr, und die Avantgarde wurde heimatlos. Während die großen Theater in Zeiten der Krise friedlich koexistierten, wurde die Kluft zwischen kommerzieller Kultur und Underground immer tiefer, und die Künstler der Gegenkultur schufen ein unabhängiges Netzwerk aus kleinen japanischen Bühnen und internationalen Verbindungen.
DIE EINGELADENEN KÜNSTLER „[In Japan] ist jeder Diskurs unweigerlich der Realität unangemessen.“ (Claude Levi-Strauss, L’autre face de la lune, 2011) „Erst wenn man viele Künstlern unterschiedlicher Generationen zu Wort kommen lässt, erschließt sich die Vielfalt der zeitgenössischen künstlerischen Praktiken in Japan in ihrer ganzen Bandbreite. Was diese Praktiken verbindet, sind im Wesentlichen zwei Dinge: Sie sind einerseits Reaktion auf die tiefgreifenden und schmerzhaften Umbrüche, die unsere bewegten Zeiten prägen, zum anderen lebt in ihnen stets eine Erinnerung an die Avantgarden fort. Alle Künstler, die das Programm von 10 Evenings gestalten, verfolgten eine ebenso radikale wie einzigartige Praxis, die gleichzeitig in der Tradition der Avantgarden verortet ist.
Die durch das Platzen der Spekulationsblase bedingte Rezession dauerte von 1991 bis 2006. Diese Jahre werden in Japan häufig als „verlorenes Jahrzehnt“ bezeichnet. Das Erdbeben von Kobe 1995, das die gesamte japanische Gesellschaft und Wirtschaft erschütterte, wirkte wie ein Elektroschock auf die Kulturszene, und man machte sich an eine neuerliche Auseinandersetzung mit der Rolle von Kollektiv und Individuum. Beispielhaft waren in dieser Hinsicht vor allem die radikalen und engagierten Performances des Kollektivs Dumb Type sowie die Aktionen von Gruppen aus dem Umfeld des Kollektivs, das nach dem Tod seines Gründers Teiji Furuhashi, der 1995 an Aids starb, zur Legende wurde.
Jeder auf seine Weise, bringen sie die spezifische Eigenheit der japanischen Kultur zum Ausdruck. Ihre Praktiken sind exemplarisch dafür, wie man auf individueller Ebene einer Gesellschaft begegnen kann, die im Laufe der Jahre in einem gesellschaftspolitischen Muster (dem Kollektiv) erstarrt ist, während die städtische und technische Entwicklung explodiert. Sie haben ihre Marken in Raum und Zeit hinterlassen. Gozo Yoshimasu und Min Tanaka seit den 60ern und 70ern, Yasumasa Morimura, Norimuzu Ameya, Saburo Teshigawara und Ryuichi Sakamoto, kritische Akteure in Zeiten der Bubble Economy, Dumb Type, Ryoko Sekiguchi und Fuyuki Yamakawa in der Entzauberung der 1990er und Mariko Asabuki und Kukangendai als junge Künstler der Post-Fukushima-Generation.
2006 beginnt die Wirtschaft sich zu erholen, aber das gesellschaftliche Klima bleibt angesichts verfallender Werte und einer tiefen Identitätskrise trübe, was sich durch die zunehmende Bedeutung der neuen Medien noch verschärft. Die Jugend muss sich den Herausforderungen der „Dividualität“ stellen. Mit dieser Wortschöpfung beschreibt Keiichiro Hirano seine Theorie, dass ein Individuum, dass sich mit verschiedenen Welten konfrontiert sehe, verschiedene Gesichter habe.
Diese Künstler sind Inseln einzigartiger Emotionen, die durch ein gemeinsames Band über Generationengrenzen hinweg miteinander verbunden sind, Teile eines kulturellen Ganzen in einer Welt der Brüche.“
Dennoch regen sich aufgrund der positiven Wirtschaftsentwicklung einige kulturelle Initiativen, die Ausdruck der Bereitschaft Japans sind, einen Dialog mit dem Rest der Welt zu beginnen. Mit der Gründung des TPam (Tokyo Performing Art Market), der Tokyo Art Fair sowie zahlreicher Biennalen und Festivals (Festival Takyo, KEX usw.) haben viele Künstler Gelegenheit, nach Japan zu kommen. Es entstehen tragfähige kulturelle Netzwerke,
Emmanuelle de Montgazon
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Fuyuki Yamakawa Photo : Yusuke Tsuchida
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Evening #1 :
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Evening #2 :
Yukiko Nakamura, Don’t wake me up, Tanz 9. November 2017 + Norimizu Ameya, Classroom, Theater 10. November 2017
Sou Fujimoto im Gespräch mit Frédéric Migayrou 8. September 2017
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Kazuyo Sejima (SANAA) ) im Gespräch mit Yuko Hasegawa 22. Oktober 2017 + Fuyuki Yamakawa, Konzert 22. Oktober 2017
Norimizu Ameya ist eine radikale und einzigartige Erscheinung in der japanischen UntergroundTheater- und Performanceszene. Keiner bestimmten Strömung zugehörig, hat er bereits viele Künstler der unterschiedlichsten Disziplinen geprägt. Er arbeitete zunächst mit der Theaterkompanie von Juro Kara, um 1984 die Truppe Tokyo Grand Guignol zu gründen, die den berühmten Underground-Manga Litchi Hikari Club mit Ameya in der Hauptrolle auf die Bühne brachte. 1987 hob er die Kompanie [M.M.M.] aus der Taufe, die sich vor allem dem Cyberpunk-Genre widmete. Nach seinem Beitrag Semence zur Biennale von Venedig 1995 zog er sich einige Jahre aus der Kunst zurück, um eine Tierhandlung zu eröffnen und ein Buch über die Beziehung von Mensch und Tier zu veröffentlichen. 2005 kehrte er zu den plastischen Künsten zurück, 2007 zum Theater.
Der Künstler, Performancekünstler und Musiker Fuyuki Yamakawa ist bekannt für seine äußerst intensiven Happenings, die er mit einer « Khoomei » genannten Gesangstechnik bestreitet. Diese spezielle Form des Obertongesangs ist in Tuwa in Zentralasien beheimatet. Ihr charakteristisches Merkmal besteht darin, dass der Sänger zwei verschieden Töne gleichzeitig produziert, was nur durch eine extreme Kontrolle der Atmung möglich ist. Für seine Happenings kombiniert Yamakawa den Obertongesang mit verstärkten anderen Tönen, bevorzugt seinem Herzschlag. Außerdem entwickelt er audiovisuelle Installationen sowie Performances mit Künstlern ganz unterschiedlicher Disziplinen (Tanz, Mode, Film, Radio). Seit der Reaktorkatastrophe von Fukushima hat sein Werk eine stark gesellschaftskritische Prägung angenommen.
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2013 wurde er für das Stück Blue Tarp, das er im selben Jahr in einer Schule in Fukushima zur Aufführung gebracht hatte, mit dem 58. Kishida-Kunio-Drama-Preis ausgezeichnet. Im selben Jahr nahm er mit dem Stück Classroom, das von seiner Familie geschrieben und gespielt wurde, am Internationalen Kunstfestival von Osaka teil.
Evening #3 :
2014 gründete er gemeinsam mit dem Kunstkritiker Noi Sawaragi die Theatergruppe Grand Guignol Future und arbeitete mit Takahiro Fujita (mam & gypsy) Fuyuki Yamakawa und Otomo Yoshidide.
Fuyuki Yamakawa vs. Norimizu Ameya, Performance Fuyuki Yamakawa, Konzert 8. November 2017
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Norimizu Ameya, Blue Sheet, Fukushima, 2013 © Norimizu Ameya / Photo © Kei Okuaki
Min Tanaka solo dance Yamanashi Pr./Dance Hakushu Festival, 2009 ©Madada Inc.
Photo : Yves Verbièse
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Evening #5 :
Min Tanaka, Locus Focus, Performance 11. November 2017
Evening #6 :
Gozo Yoshimasu und Kukangendai, La broderie de feu, Performance, im Anschluss Konzert von Kukangendai 8. Dezember 2017
„Man tanzt nicht an einem Ort, sondern den Ort.“ Dieses Zitat von Min Tanaka, nicht länger als ein Haiku, beschreibt die Praxis des japanischen Choreografen sehr prägnant. Was er als „Body Weather“ bezeichnet, ist ein Tanz, bei dem sich der Körper wie das Wetter in beständiger Veränderung befindet und dabei in intensivem Austausch mit der Umgebung ist. Der Choreograf konzentriert den Tanz auf den Ort, den er mit seinem Körper „bewohnt“ und von dem er seine Energie bezieht. „Wenn ich tanze, lasse ich nichts hinter mir. Nichts hat sich verändert, aber alles ist anders“, so Min Tanaka. Sein Tanz ist eine vergängliche, flüchtige Kunst. Für seine Arbeiten im Rahmen der 2004 begonnen Performance-Reihe Locus Focus macht er sich das Klima eines Ortes zu eigen, um die Gesamtheit seiner atmosphärischen Veränderungen einem Barometer oder Seismografen gleich darzustellen. Als experimenteller Avantgarde-Tänzer wird Min Tanaka stark durch Tatsumi Hijikata, den Begründer von Ankoko Butoh, geprägt.
Gôzô Yoshimasu ist nicht nur Filmemacher, Kalligraf und Fotograf, sondern gilt – auch auf internationaler Ebene – als einer der bedeutendsten Lyriker der japanischen Moderne. Yoshimasu setzt sich über die traditionellen Grenzen der poetischen Genres hinweg und kombiniert Gedichte und Bilder, Objekte und Videos. Bei seinen öffentlichen Lesungen erweckt er die Kunst der Deklamation zu neuem Leben, wenn er mal mit seiner ganzen Stimmgewalt, mal mit leisem Flüstern seine Werke zum Vortrag bringt. Yoshimasus Gedichte gilt es zu erforschen wie eine Landschaft aus Bildern, Objekten und Worten. Sie erwecken ein widersprüchliches Gefühl von Nostalgie und zeitlicher Ferne, das sich durch die improvisierte musikalische Untermalung noch verstärkt. Yoshimasu arbeitet regelmäßig mit bildenden Künstlern, Freejazzern und Improvisationsmusikern wie Otomo Yoshihide zusammen. Seine erste Gedichtsammlung veröffentlichte er 1964. Seitdem wurde sein Werk mit vielen japanischen und internationalen Preisen gewürdigt. Sein jüngstes Werk « Kaibutsu-kun » (Geliebtes Monster) ist ein Langgedicht, das in den Jahren 2012 bis 2016 im Gefolge des Tsunami entstand und 2016 publiziert wurde.
1974 begann Tanaka mit der Entwicklung des hyperdance, um die körperliche Einheit von Psyche und Physis darzustellen. Seine künstlerische Tätigkeit mündete in zahlreiche Kollaborationen mit Intellektuellen und bildenden Künstlern aus aller Welt von Gilles Deleuze bis zu Anna Halprin. 1978 präsentierte er seine Arbeit erstmalig im Ausland, als er an der von Arata Isozaki und dem Festival d’Automne entwickelten multidisziplinären Ausstellung Ma – Espace-Temps du Japon teilnahm.
Die Stücke der seit 2006 bestehenden, inzwischen in Kyoto ansässigen Rockgruppe Kukangendai sind eine eigenwillige Kombination aus Live-Mix, Wiederholung und vorsätzlichen Fehlern, die charakteristisch für ihren schrägen Sound sind.
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Gozo YOSHIMASU performing a reading Photo credit: Sayuri Okamoto
Portrait Mariko ASABUKI Photo : Shinchosha
Im Laufe der letzten Jahre hat die Gruppe für ihre Livekonzerte ein Verfahren entwickelt, bei dem sie zwischen mehreren Songs, die simultan gespielt werden, hin und her wechselt — während sich mit der Zeit ein einziger, gemeinsamer Rhythmus herausbildet. Die erste Zusammenarbeit zwischen Gôzô Yoshimasu und der Band fand 2016 anlässlich einer dem Lyriker gewidmeten Retrospektive im MOMAT in Tokio statt. Sie kreiste um das Thema des Monsters Kaibutsu, das Yoshimasu seit der Katastrophe von Fukushima beschäftigt.
Performance lebt aus einem fragilen Gleichweicht zwischen Kontrolle und Zufall, Ordnung und Unordnung, Flüchtigkeit und Wiederholung. + Tomoko Sauvage, Water Bowls, Performance-Konzert 9. November 2017 Ryoko Sekiguchi, Lorsque l’humidité change, le monde change. [Wenn die Feuchtigkeit sich ändert, ändert sich die Welt]. Sinnliche Augenblicke mit dem Designer Felipe Ribon und dem Koch Sugio Yamaguchi, Performance 10. Dezember 2017
Mariko Asabuki und Tomoko Sauvage, Timeless 9. Dezember 2017
Die japanische Autorin und Schriftstellerin Ryoko Sekiguchi lebt in Paris. Sie verfolgt das Prinzip des « doppelten Schreibens » und durchstreift Disziplinen und Regionen. Sie schreibt auf Französisch und Japanisch, übersetzt in beide Richtungen, arbeitet in Literatur und Gastronomie und kann auf diverse kollaborative Projekte zurückblicken.
Die Romanautorin Mariko Asabuki hat ihre Karriere mit einem fulminanten Start begonnen. Ihr Erstling Ryuseki (Traces of flow) wurde 2010 mit dem Literaturpreis Bunkamura Deux Magots ausgezeichnet. Ihr zweites Buch Kikotowa erhielt den Akutagawa-Preis. Aufgrund ihrer blumigen Sprache und ihrer Reflexionen über Zeit und Erinnerung haben einige Kritiker sie bereits mit Proust verglichen. Inzwischen hat sie den Roman Timeless veröffentlicht, der als Mehrteiler in der Zeitschrift Shinshosha erschien. Sie macht Lesungen mit Noise-Musikern und arbeitet mit Künstlern anderer Disziplinen wie Norimizu Ameya.
Sie hat rund ein Dutzend Werke in französischer Sprache veröffentlicht, die meisten bei P.O.L., darunter 2011 Ce n’est plus un hasard und 2013 Le Club des gourmets sowie 2016 Dîner Fantasma mit Felipe Ribon. Auf Japanisch hat sie ca. zehn Bücher geschrieben, von denen ein Großteil bei Shoshi-Yamada erschienen ist. Ins Japanische übersetzt hat sie Romane von Stéphane Foenkinos, Emmanuel Carrère und Jean Echenoz. Über die Performance Lorsque l’humidité change, le monde change schreibt sie Folgendes:
Die in Paris lebende Klangkünstlerin Tomoko Sauvage arbeitet seit mehreren Jahren mit waterbowls. Dabei handelt es sich um mit Wasser gefüllte und mit Unterwasser-Mikrophonen bestückte Porzellanschalen unterschiedlicher Größe, die sie mit Tropfen, Wellen und Blasen zum Klingen bringt. So entstehen natürliche Harmonien, die sich aus der unterschiedlichen Größe der Resonanzkörper ergeben. Die elektro-aquatische
„Ähnlich wie wir, die wir zu 70% aus Wasser bestehen, enthält alles, aus dem unsere Welt sich zusammensetzt,
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Portrait de Ryoko Sekiguchi et Felipe Ribon
Ryoji Ikeda, supercodex [live set], 2013
Wasser. Ganz wie der Begriff des Terroirs, der letztlich von einer Vielzahl von klimatischen Bedingungen abhängt, kann die Feuchtigkeit, der Wassergehalt entscheidend dafür sein, wie etwas in unserer Welt existiert. Eine Tomate verfault irgendwann. Doch enthält sie kein Wasser mehr, verwandelt sie sich in eine appetitliche getrocknete Tomate. Ein toter Körper löst sich auf, doch je nachdem, wieviel Wasser er enthält, unterscheidet sich seine Textur. Die Haut von Mumien kann so fein sein wie Papier, aber auch zäh wie Leder. Oder sie erinnert an eine Baumrinde oder wird wächsern. Wenn wir uns ein getrocknetes Lebensmittel auf die Zunge legen, saugt es die Feuchtigkeit in unserem Mund auf, um sich unserem Körper anzugleichen. Es gibt einen permanenten Wasseraustausch zwischen uns unter der Welt, zwischen Ihnen und mir, bis unser Körper nicht mehr ist. Übrig bleibt nur das Denken, die einzige Sache, die kein Wasser enthält. Und das geht immer so weiter.“
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oder audiovisuellen Arbeiten in der Internationalen Kunstszene sehr präsent. Im Rahmen seiner Recherchen arbeitete er vor allem mit dem Künstler und Musiker Carsten Nicolai, dem Choreografen William Forsythe, dem Fotografen Hiroshi Sugimoto und dem Architekten Toyo Ito zusammen. Norico Sunayama, Un monde parfumé, Performance (unter Vorbehalt) 19.-20.-21. Januar 2018 (unter Vorbehalt) Norico Sunayama ist Tänzerin und Performancekünstlerin im Kollektiv Dumb Type und realisiert darüber hinaus eigene Performances und Kollaborationen vor allem mit der japanischen Gruppe Kyupikyupi und der Gruppe Kill your television aus Singapur. In den 1990er-Jahren war sie vor allem im Rahmen der Veranstaltungsreihe « Club –Luv+ » aktiv und gründete die reinen Frauengruppen « OK Girls » und « C.Snatch Z ». Seitdem betätigt sie sich vor allem als Performancekünstlerin und arbeitet am Schnittpunkt von zeitgenössischer Kunst und Subkultur, Cabaret und Theater. Noriko Sunayama ist bekannt für ihre ebenso unkonventionellen wie provozierenden Performances.
Evening #7 :
Ryoji Ikeda, Supercodex, Konzert 19. Januar 2018
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Anlässlich der Vernissage der Ausstellung Dumb Type präsentiert das Centre Pompidou-Metz zwei außergewöhnliche Performances von Künstlern, die Teil des legendären Kollektivs sind, dessen Einfluss auf die Kunstwelt weit über die japanischen Grenzen hinaus spürbar ist. Beide Veranstaltungen greifen zwei zentrale Aspekte im Schaffen von Dumb Type auf: zum einen Engagement und Gesellschaftskritik, zum anderen die Entwicklung einer neuen, durch innovative Technologien geprägten Sprache.
Evening #8 :
Saburo Teshigawara & Rihoko Sato, Absolute Absence, Tanz und Installation 27.-28. Januar 2018 Der aus Tokio stammende Saburo Teshigawara begann seine Laufbahn als Choreograf 1981 nach Abschluss seines Kunststudiums und seiner klassischen Tanzausbildung. 1985 gründete er gemeinsam mit der Tänzerin Kei Miyata die Kompanie KARAS und wandte sich darüber hinaus einer Vielzahl anderer Disziplinen zu. So hat er etwa fünf Opern inszeniert und diverse Installationen und Filme realisiert. Bei seinen tänzerischen Werken übernimmt er nicht nur die Choreografie, sondern gestaltet auch die
Als zentrale Gestalt in der Sphäre der elektronischen Musik und Kunst beschäftigt sich Ryoji Ikeda mit den physikalischen Eigenschaften des Tons, namentlich mit Ultraschall und Frequenz. Seit 1995 ist Ikeda, der auch Mitglied von Dumb Type ist, mit Konzerten, Installationen
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Yasumasa Morimura, A Requiem: Unexpected Visitors/ 1945, Japan, 2010 Photo: Yasumasa Morimura
Broken Lights Photo: Jochen Schindowski
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Kostüme, übernimmt die Beleuchtung und entwirft das Bühnenbild. Seit 2013 verfügt er mit « Karas Apparatus » in Tokio über ein eigenes Kulturzentrum, wo Aufführungen, Ausstellungen und Workshops stattfinden.
Evening #9 :
Yasumasa Morimura, Nippon cha cha cha, InstallationPerformance 24. Februar 2018
Im Zusammenhang mit 10 Evenings und der neuen, spektakulären Installation/Performance im Centre Pompidou-Metz ist Saburo Teshigawara auch zu Gast im Arsenal, wo sein jüngstes Stück zur Aufführung kommt:
Für diese höchst ungewöhnliche Performance kombiniert Yasuma Morimura Live-Elemente mit Videoaufnahmen, um aus einer Mischung zwischen seiner persönlichen Geschichte, der japanischen Geschichte und der japanischen Kunstgeschichte seit dem Zweiten Weltkrieg eine ganz neue Erzählung entstehen zu lassen. Anhand einer Auswahl von Persönlichkeiten der Gegenwartsgeschichte beschäftigt er sich mit diversen Konzepten des Ich – und damit mit einer Frage, die ihn seit Beginn seiner Laufbahn beschäftigt.
Saburo Teshigawara und Rihoko Sato, Tristan and Isolde, Tanz 9. Februar 2018 Bei Saburo Teshigawara hat die Bewegung immer Vorrang vor der Atmung. « Tanzen ist ein natürlicher Akt, noch natürlicher als leben », so der Choreograf. Die außergewöhnliche Geschmeidigkeit und extreme Präzision seines Tanzes scheinen direkt aus seinem Inneren zu entspringen. Der Rhythmus tritt in den Hintergrund, mathematische Zwänge werden bedeutungslos. Teshigawara begreift Chorografie als Spiegel der Natur, einer organischen Realität, in der Symmetrie nicht existiert und Gefühle unverfälscht, unerwartet, intensiv und bisweilen auch gewaltsam sind. Dieses Verhältnis zu den Elementen in Kombination mit Teshigawaras Innerlichkeit bilden den perfekten Nährboden für eine sublime Interpretation der romantischen Geschichte von Tristan und Isolde. Mag auch Wagners Musik weiterhin integraler Bestandteil des Stücks sein, so bringen der Choreograf und seine Partnerin Rihoko Sato in ihrem Tanz den Kern der Geschichte und ihre tragische Dimension auf die Bühne: den Schmerz einer unmöglichen Liebe, entflammt durch ein Begehren, das nie erfüllt werden kann und selbst im Tod nicht vergeht. So verkörpern sie diese Liebenden, um ihre Körper zu Mittlern des Unsagbaren zu machen, und treffen direkt in unsere Seele.
Yasumasa Morimura widmet sich seit mehr als drei Jahrzehnten der Konzeptfotografie und arbeitet als Filmemacher. Er gilt als einer der bedeutendsten Vertreter der « inszenierten Fotografie ». Mithilfe von Accessoires, Kostümen, Make-up und Bildbearbeitungsprogrammen nimmt er die Gestalt von Motiven aus der westlichen Kunst an, um so das Konzept des Kulturkanons kritisch zu hinterfragen. Mit der Nachstellung ikonischer Sujets der Kunstgeschichte unternimmt er nicht nur eine kritische Auseinandersetzung mit traditionellen Positionen, sondern bezieht auch Stellung zur Assimilation der westlichen Kultur in Japan.
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Evening #10 :
Ryuichi Sakamoto und Shiro Takatani, Dis·play Konzert-Performance 3. und 4. März 2018
In Partnerschaft mit dem Arsenal / Metz en Scènes
Eine Gemeinschaftsproduktion von Le Lieu Unique in Nantes und dem Maison de la culture du Japon in Paris.
Außerdem präsentiert Saburo Teshigawara im Februar 2018 ein neues Stück für das CCN-Ballet de Lorraine im Rahmen des Gast-Künstler-Programms (weitere Informationen folgen).
Ryuichi Sakamoto präsentiert eine Kombination aus Klanginstallation und musikalischer Performance. Die Musik stammt von seinem neuen Album async
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Photo by Da Ping Luo © 2017, Courtesy of Park Avenue Armory Photomontage by Shiro Takatani
(2017), erweitert durch neueres Material. Gegenwärtig erarbeiten Sakamoto und Shiro Takatani (Dumb Type) einzigartige Bilder sowie eine Klanginstallation für die Performance. Der « Soundtrack » nimmt sowohl Bezug auf die Bilder als auch auf die Töne der akustischen Installation, um den Betrachter auf eine Reise durch ein beinahe meditatives Universum zu geleiten.
Shiro Takatani ist Gründungsmitglied des Kollektivs Dump Type (1984) und Urheber einer Vielzahl von Performances und Multimedia-Installationen. Seine Arbeiten werden in Museen in aller Welt gezeigt. Außerhalb von Dumb Type verfolgt Takatani seit 1998 auch eine Solokarriere. Zu seinen jüngeren Werken gehören La Chambre Claire (2008) und CHROMA (2012). 2013 widmete das Tokyo Photographic Museum ihm unter dem Titel Camera Lucida seine erste persönliche Retrospektive. Seine jüngste Kreation ST / LL (2015) zu einer Musik von Ryuichi Sakamoto wird im Februar 2018 im New National Theatre Tokyo präsentiert.
Ryuichi Sakamoto feierte sein Debüt 1978 mit dem Soloalbum Thousand Knives. Noch im selben Jahr war er Mitbegründer des Yellow Magic Orchestra – YMO (1978– 1985), das als Pionier der elektronischen Musik gilt. 1983 komponierte Sakamoto den Soundtrack zu Nagisa Oshimas Merry Christmas, M. Lawrence. Seit dem Beginn seiner Laufbahn hat der Musiker rund ein Dutzend Soloalbums veröffentlicht, Installationen produziert, die in Museen auf der ganzen Welt zu sehen waren, und die Musik zu über 30 Filmen komponiert, darunter Werke von Bernardo Bertolucci, Pedro Almodóvar, Brian De Palma und in jüngerer Zeit Alejandro González Iñárritu. Ryuichi Sakamoto arbeitet seit vielen Jahren mit Shiro Takatani vom Kollektiv Dumb Type zusammen, mit dem er unter anderem die Oper LIFE (1999) realisiert und den Soundteppich der Installation Plancton komponiert hat. Weiterhin verbindet ihn eine langfristige Zusammenarbeit mit Alva Noto (Carsten Nicolai), mit dem er eine Vielzahl von Installationen, Performances und Aufnahmen verwirklicht hat. Seit den 1990er-Jahren engagiert sich Sakamoto intensiv im Umweltschutz und für den Weltfrieden, und 2005 begann er, sich aktiv für den Ausstieg aus der Kernenergie einzusetzen. Nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima engagierte er sich an der Seite der Opfer von Erdbeben, Tsunami und Reaktorunglück.
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GLOSSAR ARCHITEKTUR, BILDENDE UND DARSTELLENDE KUNST
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Folgen des Crashs waren sowohl am Immobilien- als auch am Arbeitsmarkt bis Mitte der 2000er-Jahre spürbar.
Anime
Butoh Nach dem Zweiten Weltkrieg entstandene, in der japanischen Kultur bis dahin beispiellose Tanzform, mit der durch groteske Verrenkungen Schmerz zum Ausdruck gebracht wird. Einer der Begründer des Butoh war der Tänzer Tatsumi Hijikata, der 1961 gemeinsam mit Kazuo Ôno das Kollektiv Ankaku Butoh-ha Movement ins Leben rief. Sie waren auf der Suche nach Alternativen zu den seit dem Weltkrieg beherrschenden westlichen Tanzformen sowie zum traditionellen japanischen Tanz (s. No), um eine neue, zeitgemäße tänzerische Sprache zu entwickeln, die es dem Körper erlaubte, jede beliebige lebendige oder nicht lebendige Form anzunehmen. Butoh, auch als „Tanz der Finsternis“ oder „Entdeckung des dunklen Körpers“ bezeichnet, ist ein Versuch, mit langsamen, poetischen und minimalistischen Bewegungen das auszudrücken, was nicht sichtbar ist, was in jedem Menschen verborgen liegt. So gerät der Tanz zum Ritual, in dem der Körper nicht mehr nur menschlicher Körper ist, sondern aufgeladen mit einer erotischen Urgewalt, die die Schöpfung selbst verkörpert. „Der Versuch, das Kind in uns zu finden. So vieles stürzt von außen auf uns ein. So gilt es nach innerer Leere zu streben, um auf diesem Wege etwas wiederzufinden. Ursprung des Butoh ist das Gefühl der Nostalgie.“ Die erste Aufführung, die als „Butoh“ angekündigt wurde, war Reda Santai [Die drei Zustände der Leda] im Jahr 1962. Die beiden Begründer des Butoh entwickelten die Tanzform bis in die 1980er-Jahre weiter und gaben sie an andere Tänzer weiter, die ihrerseits ihre eigenen Interpretationen des Butoh schufen.
Die auf der Grundlage von Comics (s. Manga) erstellten Animes sind die beliebteste Form des Zeichentrickfilms in Japan. Der Begriff wird für Fernsehserien sowie für Langfilme verwendet. Die ersten japanischen Zeichentrickfilme datieren aus den 1920er-Jahren, doch der typische Anime-Stil tauchte erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf. Nach dem Zweiten Weltkrieg orientierte man sich in Japan an den Produktionen großer amerikanischer Filmkonzerne wie z. B. Disney. Seit den 1980er-Jahren – mit der Entwicklung der großen japanischen Technologiekonzerne – exportiert das Land seine Animes auch ins Ausland, und die AnimeCharaktere erobern ein internationales Publikum, was vor allem Videospielen und Merchandising-Produkten zu verdanken ist. Die betonte Expressivität der Charaktere und der dynamische Zeichenstil prägen die Identität des japanischen Anime-Genres maßgeblich. Der Anime Akira (1988) von Regisseur Katsuhiro Otomo, der auch Autor des gleichnamigen Mangas ist, war ein Meilenstein in der Geschichte des Anime und stieß auf großes internationales Echo. Setting der Dystopie ist Japan nach Ausbruch des Dritten – atomaren – Weltkriegs, dem eine Explosion in Tokio im Jahr 1982 voranging. Heute gilt Hyao Miyazaki, der Mitbegründer des Studios Ghibli, als unbestrittener König des Genres. Seine Filme zeichnen sich sowohl durch ihren poetischen Charakter als auch Miyazakis zeichnerisches Können aus.
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Bubble economy Als Bubble Economy bezeichnet man eine Wirtschaft, die zunächst aufgrund einer Spekulationsblase wächst und nach deren Zerplatzen eine Rezession erlebt, was in Japan in den Jahren 1986 bis 1991 der Fall war. Eine Spekulationsblase entsteht, wenn die Handelspreise insbesondere am Immobilien- und Aktienmarkt über dem inneren Wert der Handelsgüter liegen. Seit den Wirtschaftswunderjahren nach dem Zweiten Weltkrieg konnte die japanische Wirtschaft ein beträchtliches Wachstum verzeichnen. In den 1980er-Jahren kam es aufgrund niedriger Kreditzinsen bei den Banken zu einer extremen Preisinflation am Immobilienmarkt. Die daraus resultierende Vermögenserhöhung der Bürger führte zu massivem Konsum und damit einer Steigerung der Lebensqualität. In der Tat nimmt das Gemeinwohl in der Spekulationsblase zu. Gleichwohl es unter Medienund Industrieunternehmen Gewinner und Verlierer des Globalisierungsprozesses gibt, führt ein allen zugängliches Konsumüberangebot zur Entstehung gesellschaftlicher Chancengleichheit. Die japanische Spekulationsblase sollte auch erheblichen Einfluss auf den Kunstmarkt haben, der zunehmend für Investoren attraktiv wurde. 1985 brachte dann eine massive Abwertung des Dollars die Blase zum Platzen, und die Japaner blieben auf reichlich abgewerteten Dollars sitzen. In Japan bezeichnet man die Jahre nach dem Zerplatzen der Blase als „verlorenes Jahrzehnt“, und die
Dumb Type Kollektiv aus bildenden und VideokünstlerInnen, MusikerInnen, ArchitektInnen, ChoreografInnen, GrafikerInnen, SchauspielerInnen und ProgrammiererInnen, das 1984 von Studierenden des Kyoto City Art College gegründet wurde. Mitglieder der ersten Stunde, von denen einige bis heute aktiv sind, waren Teiji Furuhashi (1960–1995), der als Initiator des Projekts gilt, Tôru Koyamada, Yukihiro Hozumi, Shirô Takatani, Takayuki Fujimoto und Hiromasa Tomari. Im Rahmen diverser Projekte arbeiteten sie auch mit anderen Kreativen wie etwa dem Künstler und Musiker Ryoji Ikeda zusammen. Ziel des Kollektivs ist es, Kunst mit ebenso poetischen wie ironischen interdisziplinären Projekten, darunter auch höchst innovative audiovisuelle Installationen, aus dem Museum zu holen. Auf diesem Weg sollte eine neue Form des Spektakels entstehen, das nicht nur der Zerstreuung dient, sondern auch politisch und engagiert ist (die Gruppe sollte sich zum Beispiel aktiv am Kampf gegen Aids beteiligen). Dumb Type lässt sich einer Strömung zuordnen, die man unter dem Schlagwort Media Art zusammenfassen könnte und die sich zu Zeiten der japanischen (s. Bubble Economy) in den 1980er-Jahren formierte. Die Performances der Gruppe sind Ausdruck einer – gleichwohl distanzierten
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und kritischen – positiven Grundhaltung zu einer Gesellschaft, in der Technologie ein “way of life” ist.
Staub, farbigen Flüssigkeiten, Sound und elektrischem Licht. Zentrales Element der Gutai-Kunst war stets der Einsatz des gesamten Körpers, mit dem der Künstler sein Medium bearbeitete, ohne zwangsläufig ein ästhetisch ansprechendes Ergebnis zu erzielen. Das Ansehen von Gutai in westlichen Künstlerkreisen außerhalb Japans ist vor allem dem französischen Kritiker Michel Tapié zu verdanken, der die Gruppe 1957 kennenlernte. Die letzten Performances von Gutai, für die die Gruppe Roboter auf die Bühne brachte, fanden 1970 bei der Weltausstellung in Osaka statt.
F Fluxus Tokyo Fluxus ist eine in den 1960er-Jahren entstandene internationale Kunstbewegung. Ihre Forderung besteht in absoluter Freiheit im kreativen Prozess, für den in ihrem Verständnis der Zufall eine zentrale Rolle spielt, sowie einem fließenden Übergang zwischen Kunst und Leben („Kunst ist das, was das Leben interessanter macht als Kunst“, wie es Robert Filiou, einer ihrer Hauptakteure, formulierte). Die Bewegung erreichte bald nach ihrer Gründung auch die japanische Kunstszene, und einige Künstler siedelten, angezogen vom US-amerikanischen Fluxus-Zweig, nach New York über, um dort die Erfahrung interdisziplinären Arbeitens zu machen. Yoko Ono, Ay-O, der Komponist Kuniharu Akiyama, Mieko Shiomi und Shigeko Kubota schlossen sich in den Jahren 1963/1964 dem Kreis um Fluxus-Initiator George Maciunas an, der eine Vielzahl von Fluxus-Veranstaltungen organisierte. Die Verbindung nach Japan bildeten Yoko Ono, die von 1962 bis 1964 nach Tokio zurückkehrte, sowie ihr damaliger Mann, der Komponist Toshi Ichiyanagi, sowie der koreanische Künstler Nam June Paik, der 1963 in die japanische Hauptstad kam. Sie trugen maßgeblich dazu bei, das Interesse der Tokioter Avantgarde-Szene für das Medium Performance zu wecken, und machten die Hauptstadt zu einem Fluxus-Zentrum. Aus dem Austausch zwischen den Fluxus-Kreisen in Tokio und New York entstand unter anderem die Zeitschrift V TRE, die in New York publiziert wurde und aus Beiträgen japanischer und US-amerikanischer Künstler bestand. Die wichtigsten Aktionen von Fluxus Tokio waren die von Akiyama und Ichiyanagi organisierte Fluxus Week in der Crystal Gallery in Tokio im September 1965 und die Konzertperformance From Space to Environment (Kûkan kara kankyô) 1966 im Sôgetsu Art Center.
H Hi Red Center 1963 gründet der Künstler Genpei Akasegawa gemeinsam mit Jiro Takamatsu und Natsuuyuki Nakanishi das Kollektiv Taka Aka Naka, besser bekannt als Hi Red Center, das in der Geschichte der japanischen NeoAvantgarde eine bedeutende Rolle spielen sollte. Der ursprüngliche Name Taka Aka Naka setzt sich aus den Anfangssilben der drei Gründungsmitglieder zusammen. Zunächst nahmen sie am Salon der unabhängigen Künstler teil, einer jährlich stattfindenden Ausstellung ohne Jury und Preisgelder, die vom Zeitungsverlag Yomiuri im Metropolitan Museum of Art in Tokio organisiert wurde. Im Anschluss stellt die Galerie Naika dem Kollektiv für ein Jahr einen Bereich für regelmäßige Veranstaltungen zur Verfügung. Charakteristisch für die Werke des Hi Red Center, bei denen es sich meist um (Straßen-)Aktionen handelte, waren ihre unterschwellige Ironie und Gesellschaftskritik: Für das Happening Shelter Plan im Januar 1964 etwa lud das Kollektiv einige ausgewählte Gäste in das Hotel Imperial in Tokio ein, um diese genau zu vermessen und anhand der Daten maßgeschneiderte und personalisierte Ein-PersonenSchutzräume zu entwerfen. Ein berühmtes Happening im öffentlichen Raum war auch die Reinigungsaktion auf dem Ginza-Boulevard („Aktionsbündnis zur Reinigung und Wiederherstellung der Ordnung in der Hauptstadt und Umgebung“, 1964). Weiterhin arbeitete die Gruppe mit dem Choreografen Tatsumi Hijikata zusammen, der sich ebenfalls der Beschäftigung mit dem Körper zugewandt und eine neue Form des performativen Tanzes, genannt Ankaku Butoh (s. Butoh), entwickelt hatte. Mit seinen scheinbar banalen Aktionen wollte das Kollektiv Reaktionen der Passanten provozieren und die Zuschauer anregen, konventionelle Denkmuster und politische Propaganda zu hinterfragen.
G Gutaï Gutai war eine der bedeutendsten japanischen Avantgarde-Gruppen der japanischen Nachkriegszeit, in der sich eine Vielzahl temporärer Vereinigungen junger KünstlerInnen formierte, die vor allem Happenings und Freiluft-Aktionen veranstalten. Besonders an Gutai jedoch war nicht nur die Langlebigkeit der Gruppe, sondern auch die Tatsache, dass sie mit dem Theoretiker Jirô Yoshihara, der von jüngeren KünstlerInnen wie Kazuo Shiraga, Shôzô Shimamoto oder Atsuko Tanaka frequentiert wurde, über einen „Gründervater“ verfügte. Dank der Erfahrung und der finanziellen Mittel des rund 50-Jährigen wurde die Gruppe schneller und auch deutlich leichter bekannt. Gutai strebte nach einer Erneuerung der Kunst, namentlich der Malerei, und wollte „tun, was bis dahin nie jemand getan hatte“. Prägend für die Werke von Künstlern wie Shimamoto waren Experimente mit Gewalt und Wiederholung. Die Gutai-Künstler arbeiteten mit neuen, unkonventionellen Materialien wie Schlamm, Asphalt,
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Japan-ness Englische Wortschöpfung, die man mit „Japanität“ übersetzen könnte. Eingeführt wurde dieser Begriff von dem Architekten Arata Isozaki, der ihn in einem 2003 erschienen Aufsatz über japanische Architektur verwendete, um deren spezifische, durch die japanische Kulturgeschichte vom 7. bis 20. Jahrhundert bedingte Besonderheiten zu benennen. Isozaki widmet sich in seinem Text vor allem den mit der Moderne einsetzenden Bestrebungen seiner Berufskollegen, eine genuin japanische Architektur zu erschaffen. Am Beispiel großer Heiligtümer zeigt er auf, wie der regelmäßige, rituelle Wiederaufbau eines Gebäudes am selben Ort eine Alternative zur erdrückenden Suche der Moderne nach den Ursprüngen sein kann. Das Gebäude wird hier nicht als Objekt begriffen, sondern als Ereignis, das Ausdruck des gesellschaftlichen und historischen Kontextes ist. Es ist eine Form, die offen ist für Neuinterpretationen und nicht gefangen in ihrer stofflichen Erscheinung. Diese « Japan-ness » wird vor allem in jenen historischen Momenten spürbar, da die japanische Kultur sich in der Abgrenzung vom anderen neu erfindet, wenn aus dem Bedürfnis nach kulturellem Wandel ein bereinigter Stil entsteht, was im Übrigen Ausdruck eines freiwilligen Rückzugs auf den Inselstatus ist. Höhepunkt dieser Phase der kulturellen Identitätsfindung waren laut Isozaki die 1970er-Jahre nach der Weltausstellung in Osaka 1970.
Ma Das fundmentale Konzept „Ma“ definiert eine Ästhetik der Leere (und ihrer Variationen in Gestalt von Stille, Raum und Dauer). In der Architektur zum Beispiel wird Ma mit dem traditionellen japanischen Haus assoziiert, das sich nach außen öffnet und keine abrupten Übergänge zwischen innen und außen hat. Ma bezieht sich auf Raum und Zeit, eine Unterscheidung zwischen beiden gibt es, anders als im Westen, nicht. Wörtlich bedeutet „Ma“: „natürlicher Intervall zwischen zwei oder mehreren Dingen, die in einem Zusammenhang stehen“ oder „natürliche Pause oder Abstand, in der oder dem im Laufe der Zeit Phänomene auftreten“. Dieses Konzept bildet das grundlegende Prinzip von Umwelt, künstlerischem Schaffen und Alltagsleben, und so werden Architektur, Kunst, Musik, Theater, Küche und Gartenbau in Japan auch als „Ma“-Künste bezeichnet. Der Verzicht auf eine Differenzierung zwischen Raum und Zeit macht einen der fundamentalsten Unterschiede zwischen japanischer und europäischer Kunstproduktion aus. 1978 war der Architekt Arata Isozaki im Musée des Arts décoratif in Paris zu Gast mit einer Wanderausstellung, die um das Konzept des „Ma“ kreiste und einen nachhaltigen Einfluss auf das Verständnis für die kulturell bedingten Besonderheiten der japanischen Ästhetik hatte. Manga Die Ursprünge des Mangas (wörtlich etwa „humoristische Zeichnung“, „Karikatur“) liegen in den emakinomo, die um das 8. Jahrhundert auftauchten. Dabei handelte es sich um die japanische Variante der bebilderten Papierrollen, die buddhistische Mönche aus Korea und China ins Land brachten. Diese Papierrollen wurden von rechts nach links gelesen und dienten zunächst der Verbreitung der buddhistischen Philosophie, wurden später jedoch als Medium für Erzählungen beliebiger Natur verwendet. Der Begriff „Manga“ fand seit Ende des 18. Jahrhunderts Verbreitung. Hokusai zum Beispiel bezeichnete seine Stichsammlungen mit ihren bisweilen grotesken Motiven als „Hokusai Manga“. Diesem Werk ist es auch zu verdanken, dass der Begriff „Manga“ im Zuge der Japan-Begeisterung im 19. Jahrhundert auch nach Europa gelangte. Seine allgemeine Verwendung zur Bezeichnung von Comics etablierte sich im Laufe des 20. Jahrhunderts. Als erste Mangas im modernen Sinne gelten die Karikaturen von Yasuji Kitazawa, die um 1900 publiziert wurden. Populär wurde das Genre nach dem Zweiten Weltkrieg durch den Einfluss der nordamerikanischen Comicstrips. Seinerzeit gelangten die ersten MangaZeichner zu Berühmtheit, allen voran Osamu Tezuka, der den Beinamen „Manga no Kamisama“ – Gott der Mangas – trug und die erste Anime-Serie für das Fernsehen schuf. In den 1970er-Jahren kamen die ersten Manga-Zeitschriften auf den Markt und erfreuten sich bald großer Beliebtheit. Es bildeten sich verschiedene Manga-Genres und -Kategorien heraus, so etwa Dramen, deren Schauplatz historische Fantasiewelten sind. Weibliche Mangaka, wie man die Manga-Zeichner nennt, insbesondere aus der Year 24 Group (Nijûyo-nen Gumi) revolutionierten das Genre der MädchenMangas. Dass sich aus der Manga-Begeisterung eine ganze Industrie entwickeln konnte, ist vor allem der Generation
K Kawaï Dieses japanische Adjektiv wird häufig mit “niedlich” übersetzt. Doch der Begriff hinter dem Wort umfasst noch viel mehr, nämlich Unschuld, Kindlichkeit, Reinheit und Unerfahrenheit. Obgleich es sich nicht um eine neue Wortschöpfung handelt, tauchte der Begriff erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg als “kawayushi” in den Wörterbüchern auf. Daraus wurde um 1970 “kawayui”, was so viel wie “schüchtern” oder “verlegen”, aber auch “verletzlich” bedeutet. Man kann ein Kleinkind, ein Tier oder eine Situation als « kawaii » beschreiben. Bald schon sollten “kawaii”-Figuren aus der Unterhaltungsindustrie nicht mehr wegzudenken sein (s. Manga und Anime). Von 1970 bis 1990 ist die Kawaii-Ästhetik in den Medien omnipräsent, Gleiches gilt für die Konsum- und Dienstleistungssphäre, wobei die 1980er-Jahre einen Höhepunkt des Kawaii-Trends markierten. Und der Kawaii-Stil beschränkt sich keinesfalls auf Menschen. Es gibt sogar eine Kawaii-Schrift in waagerechter Schreibrichtung mit kindlichen, runden Buchstaben, die sich fundmental von der vertikalen japanischen Schrift mit ihren gestreckten Buchstaben unterscheidet. Benutzt wird sie vor allem von Jugendlichen, was vor allem im schulischen Bereich zu Problemen führt. Später machten auch Handelsunternehmen und die Medien sich den Kawaii-Stil zu eigen, Zielgruppe waren vor allem Frauen: 1977 gestaltet das Großhandelsunternehmen Sanrio, der Erfinder von Hello Kitty, sein Design um, um vor allem junge Menschen zu erreichen. Schon bald hatte die Marke eine Monopol-Position im Bereich Kawaii, und in den 1990er-Jahren schossen die Verkaufszahlen auch außerhalb Japans in die Höhe.
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der Otaku zu verdanken. 1985 widmete das Museum für moderne Kunst in Tokio Osamu Tezuka eine Retrospektive und verlieh dem Genre damit endgültig einen festen Platz in der japanischen Kulturgeschichte.
Vorbote von Mono-ha gelten. Sekine schnitt einen irdenen Zylinder aus dem Boden, den er vorübergehend neben dem Loch deponierte, um den Ort danach wieder in seinen ursprünglichen Zustand zu versetzen. Kishio Suga schrieb 1970: „Während das Sein aus einem Bewusstseinszustand entspringt, entspringt die Existenz aus dem physischen Bewusstsein einer Sache. (…) Einen Gegenstand, der „existiert“, in seinen extremsten Existenzzustand zu versetzen, gewöhnliche Dinge aus dem Zustand, in dem wir sie kennen, in einen ‚Existenzzustand‘ zu versetzen, in dem jedes einzelne unabhängig wird – dies könnte eine Möglichkeit sein, uns von der Vorstellung zu lösen, dass die Menschen die Dinge erschaffen. Mindestens als Künstler sollte man jede noch so unterschwellige Vorstellung, man erschaffe etwas, von sich zu weisen. Den Übergang eines Objekts von seinem Zustand „einfacher Existenz“ in einen Zustand „extremer Existenz“ anzuerkennen bedeutet die Anerkennung der Notwendigkeit menschlichen Tuns als Mittlerfunktion.“
Media Art Siehe Dumb Type. Métabolisme Bewegung junger japanischer Architekten und Stadtplaner, die sich Ende der 1950er-Jahre formierte, als im Zuge von Wirtschaftswunder und Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg die ersten japanischen MegaStädte entstanden. Die Metabolisten, denen Architekten wie Kiyonori Kikutake, Kisho Kurokawa, Masato Otaka und Fumihiko Maki sowie der Kritiker Noboru Kawazoe zugerechnet werden, befanden die traditionellen Prinzipien der japanischen Architektur hinsichtlich Form und Funktion für veraltet und favorisierten ein offenes, modulares Konzept für Architektur und Städtebau und setzten auf organisches Wachstum als Antwort auf den nur beschränkt zur Verfügung stehenden Raum. Ihr Manifest Metabolism 1960: A proposal for a new urbanism versteht sich als Antwort auf wachsende Bevölkerungszahlen sowie die zunehmenden Ströme im dicht bebauten urbanen Raum: Ihre Lösung besteht in flexiblen Formen, in denen Biologie und Technologie zusammenfinden. Die Entwürfe sind häufig spektakulär, z.B. die Kapsel-Gebäude, Megastrukturen und schwimmenden Städte. Kisho Kurokawa erdachte 1961 seine Floating City für einen See unweit des Flughafens von Narita: Ausgehend von einer organischen spiralförmigen Struktur sollte seine Stadt sich nach dem Vorbild des Zellwachstums vergrößern. Kenzo Tange stellte 1960 mit dem Tokyo Bay Plan 1960 ein Konzept für die strukturelle Neuorganisation der Stadt vor und schlug angesichts des fehlenden Platzes an Land eine Ausdehnung des Stadtgebiets durch künstliche Inseln und eine Brücke vor, die die Bucht von Tokio mit der Stadtregion Chiba verbinden sollte. Obwohl nur wenige Entwürfe tatsächlich realisiert wurden, war der Metabolismus eine wichtige Bewegung in der japanischen Architekturgeschichte. Mono-ha Die „Schule der Dinge“ formierte sich Ende der 1960erJahre. Bei ihren Anhängern handelte es sich vor allem um KünstlerInnen, die in den Protestjahren 1968/1969 selbst noch StudentInnen waren, zum Beispiel Nobuo Sekine oder Kishio Suga. Eine Ausnahme bildete der ältere Lee Ufan. Das zentrale Anliegen der Mono-haBewegung bestand in der künstlerischen Begegnung von natürlichem Objekt und Industrieobjekt, im gegenseitigen Wechselspiel zusammengeführt in einem ursprünglichen Zustand, eingebettet in ihre Umgebung. Der Eingriff des Künstlers sollte so gering wie möglich bleiben. In ihrer Nüchternheit und Intellektualität wurde die „Schule der Dinge“ zu einem Ort des Lernens: „Wir müssen uns darin üben, die Welt als solche zu beobachten und sie nicht durch Darstellungen zu verändern, mit denen sie sich gegen den Menschen wendet“, schrieb Lee Ufan 1969. Nobuo Sekines Happening Phase-Mother Earth, das er 1962 ohne offizielle Genehmigung im Suma-Rikyu-Park in Kobe anlässlich der Contemporary Sculpture Exhibition realisierte, kann als
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oder Werbung. Zielgruppe der Neo-Pop-Künstler sind vor allem jugendliche Otaku, deren Bildwelten (s. Anime, Manga) sie ebenso zitieren wie die spezifisch japanische visuelle Kultur. Der Neo-Pop dient außerdem der Abgrenzung von der Künstlergeneration der Bubble Economy und bietet im in den 1990er-Jahren herrschenden Klima der Verunsicherung Raum für kritische Stellungnahmen zum politischen Tagesgeschehen sowie zu gesellschaftlichen und Umweltfragen. Laut Noi Sawaragi konnten durch die Kombination von japanischen Elementen aus verschiedenen Traditionen und Epochen durch den Neo-Pop die „Verwerfungen der Geschichte“, die Japan verfolgen, sichtbar gemacht werden. Eines der bekanntesten Gesichter des Neo-Pop ist Takashi Murakami, der mit der explosionsartigen Verbreitung der Massenkultur großwurde und in seinem Werk traditionelle und sakrale japanische Kunst mit der Welt des Fernsehens, der Videospiele und der Mangas kombiniert, um auf diesem Wege eine als superflat bezeichnete Ästhetik entstehen zu lassen. Yoshitomo Nara ist ein weiterer Vertreter des Neo-Pop.
Nihonga Nihonga bedeutet wörtlich „japanische Malerei“. Verwendet wird der Begriff für malerische Werke, die mit traditionellen Techniken und Materialien in Überstimmung mit den Konventionen der traditionellen japanischen Malerei realisiert wurden und werden. Diese entwickelte sich im 7. Jahrhundert aus der Aquarellmalerei auf Papier oder gespannter Seide mit natürlichen Materialien (Pigmente, Tusche, Wasserfarbe). Der Begriff Nihonga kam in der Meiji-Zeit (1868–1912) auf und diente der Abgrenzung der traditionellen Malerei von der westlichen Malerei, die als Yôga bezeichnet wurde. Die Geschichte der japanischen Malerei wurde durch diverse einschneidende Veränderungen geprägt: So führte Tawaraya Sotatsu im 17. Jahrhundert eine bemerkenswerte Neuerung in der Technik ein: Er gestaltete Formen und Konturen nicht wie bis dahin üblich mit Tusche, sondern durch den Einsatz von Farbe und Farbtupfen, die er auf die noch feuchten unteren Farbschichten setzte. Im 19. Jahrhundert wurde das Genre Ukiyo-e (wörtlich „Bilder der fließenden Welt“) populär. Zu seinen bekanntesten Vertretern gehörten Kitagawa Utamaro, Utagawa Hiroshige und Katsushika Hokusai, deren Werke sich durch eine neue Vielfalt der Motive auszeichneten und – vielfach auch per Holzschnitt verbreitet – der Unterhaltung der bürgerlichen Gesellschaft der Edo-Zeit dienten. Die traditionelle japanische Malerei wird bis heute gelehrt und von zeitgenössischen Malern wie Takashi Murakami zitiert.
Nô Diese traditionelle Form des japanischen Theaters, dessen Anfänge im 14. Jahrhundert liegen, wurde vor allem am Hofe des Shoguns Yoshimitsu entwickelt. Vermutlich entstand das lyrische Schauspiel aus der Verschmelzung von dengaku nô, einer Mischung aus heidnischem Tanz und Musik, und saguraku nô, einer humoristischen, volksnahen Pantomime, in Kombination mit religiösen Ritualen, deren Gesten und Töne im Laufe der Zeit immer weiter kodifiziert wurden. Die Darsteller sind ausschließlich Männer. Sie tragen aufwendige Kostüme und spezielle Masken. Das Spiel ist reduziert und stilisiert. Es gibt verschieden Kategorien von Schauspielern, meist einen Helden (shite), seinen Gefährten (tsure) und einen kleinen Chor aus sieben oder acht Schauspielern (jiutai). Der Chor wird von einigen Trommeln und einer Bambusflöte begleitet, die vor allem Spannung erzeugen – besonders, wenn übernatürliche Ereignisse sich ankündigen. Es gibt zwei Arten von Nô: zum einen fantastische Stücke (mugen nô), in denen Dämonen und Geister vorkommen, und Stücke aus der realen Welt (genzai nô), in denen menschliche Emotionen und tragische Begebenheiten dargestellt werden. Inspiriert sind sie meist durch schintoistische Erzählungen (s. Schintoismus) und literarische Werke. Das Nô-Theater wurde im Westen unter anderem durch den Schriftsteller und Diplomaten Paul Claudel, der auch französischer Botschafter in Japan war, sowie Marguerite Yourcenar, die die modernen Nô-Stücke von Yukio Mishima übersetzt hat, bekannt.
Neo-Dada und Anti-Kunst Die 1960er-Jahre wurde durch diverse Protestbewegungen geprägt. So versammelte sich um Masunobu Yoshimura eine kleine Künstlergruppe, die sich Neo Dada Organizers nannte und in Yoshimuras Atelier, dem von Arata Isozaki entworfenen White House, zusammenkam. Als Namen wählte die Gruppe, zu deren berühmteren Mitgliedern Genpei Akasegawa und Ushio Shinohara gehörten, einen Begriff, den Jasper Johns und Robert Rauschenberg schon in den USA geprägt hatten (Neodada). Für ihre Traktate, Manifeste und Happenings griffen sie auf radikale, zerstörerische und anarchistische Formen zurück, um mit aller Gewalt gängige Konventionen zu brechen. Die Aktionen der Neo Dada Organizers fielen in die Zeit der gewaltsamen Proteste gegen den amerikanisch-japanischen Sicherheitsvertrag, an denen die Künstler auch teilnahmen. Weiterhin übten sie Kritik an der unkritischen und realitätsfernen Kunst vorangehender Generationen und äußerten in ihrem zweiten Manifest: „Obgleich durch Gefälligkeit verdorben und dem Niedergang geweiht, lässt die zeitgenössische Kunst nicht ab von diesem Nektar. Geschehen ist dies durch ihren Schulterschluss mit der Gesellschaft und ihre Bereitschaft zum Kompromiss. Im fauligen Gestank der Stagnation schlagen wir mit unseren Aktionen eine Bresche zur Realität.“ Journalisten bezeichnen ihre Kunst, in Anlehnung an Genres wie den Anti-Roman oder das Anti-Theater, als Anti-Kunst.
O Otaku Der Begriff setzt sich aus der Vorsilbe „o“ und dem Wort „taku“ zusammen und bedeutet „Haus“. Als Otaku bezeichnet man einen Menschen, der seine Zeit am liebsten zu Hause verbringt und aufgrund seiner Isolation und seines exzessiv betriebenen Hobbys häufig ausgegrenzt wird. Bei diesem Verhalten handelt sich um eine charakteristische Erscheinung der japanischen Postmoderne. Den Menschen mangelt es
Neo-Pop Dieser 1992 entstandene Begriff geht auf den Kunstkritiker Noi Sawaragi zurück. Als Neuauflage der Pop-Art bedient sich der Neo-Pop derselben Codes – Ikonen der Konsumgesellschaft, Readymade, Bilder aus Massenmedien
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an Bezugspunkten, und sie flüchten sich in die fiktiven Universen von Manga, Anime und Computerspiel. Dabei verschwimmen die Grenzen zwischen Original und Kopie, Urheber und Konsument, realer und virtueller Welt. Der Otaku ist aber auch ein wichtiger Wirtschaftsteilnehmer, und die an Otaku gerichteten Freizeitangebote sind Teil der Konsumgesellschaft, die – was im Widerspruch zur angesprochenen Isolation zu stehen scheint – das Individuum in der uniformen Masse untergehen lassen.
gleichzeitig nach intellektueller Strenge in der Beobachtung der Umwelt strebt. Das Posthumane ist die Fähigkeit zum Perspektivwechsel. Im Posthumanismus werden Individuen nicht als die Summe ihrer spezifischen und einzigartigen Merkmale definiert, sondern es herrscht eine für alle Entwicklungen offene Zukunftsvorstellung. Postmoderne Dieser international gebräuchliche Begriff wurde 1977 von dem Kunstkritiker Charles Jencks zunächst für den Bereich der Architektur eingeführt. Er verwendete ihn zur Bezeichnung von Werken, die mit den Prinzipien der Moderne und des internationalen Stils im Sinne Le Corbusiers oder Mies van der Rohes brechen. Die Verfechter der Postmoderne betrachteten die Utopie der Moderne als gescheitert. In Abkehr vom hegemonialen Diskurs der Moderne wandten sie sich eklektischen, volkstümlichen, ironischen und subversiven Formen zu. Der Begriff der Postmoderne, dessen Definition keinesfalls eindeutig ist, diente bald als Konzept zur Eingrenzung einer Epoche (nach 1980) und einer weltweit zu beobachtenden Reaktion in Kultur und Gesellschaft. Kennzeichnend für die Postmoderne ist die Abkehr von den Werten der Vorkriegszeit aus dem Wunsch heraus, den multiplen Realitäten mit kritischer Distanz Rechnung zu tragen. Bevorzugte Formen der Postmoderne in Architektur, Design, Mode und Kunst sind Nachahmung, Parodie und Verfremdung
P Parco 1953 in Tokio gegründeter Kaufhauskonzern, der 1969 seinen ersten „department store“ eröffnete. Parco hatte wesentlichen Anteil am Einzug der westlichen Kultur und ihres Konsumverhaltens in die japanische Gesellschaft (als Modell diente vor allem die Pariser Kaufhauskultur, und auch die Werbekampagnen orientierten sich an französischen Vorbildern). Mit der Gründung der ersten Parco Theatres 1973 setzte die Diversifizierung des Konzerns und sein Wandel zu einem Ort der Kultur ein, der die Film- und Bühnenszene belebte. Gleichzeitig mit dem Ausbau des Unternehmens stieg der Anteil der berufstätigen Frauen in der japanischen Gesellschaft, und im günstigen Wirtschaftsklima der 1980er Jahren avancierte der Konsum dank gestiegener Kaufkraft und neuem Individualismus zum Freizeitvergnügen nach der Arbeit. Die Parco-Läden spielten bereits seit ihrer Öffnung eine wichtige Rolle in der Tokioter Kulturszene. Zu verdanken war dies dem Geschäftsmann, Schriftsteller und Dichter Seiji Tsutsumi. 1975 eröffnete er das Seibu Museum of Art und die Buchhandlungen Libro und Art Vivant in einem seiner Einkaufszentren, um das Kaufhaus als Hort von Kultur, Luxus und Kunst zu etablieren. Im Hyperkonsum verschmolzen Massenkultur und hohe Kunst, wie sich auch an der Eröffnung einer Boutique des 1969 von Rei Kawakubo gegründeten Labels Comme Des Garçons ablesen lässt. Die Designerin gründete 1988 die Zeitschrift Sixth Sense, in der sie ihre Werke neben denen anderen Künstler zeigte, um die Grenzen zwischen Kunst, Mode und Design usw. verschwimmen zu lassen.
Pre-Pop Electronic Music Experimentelles musikalisches Genre, das darauf abzielt, die Zuhörer durch einen provokanten Stil zu überraschen und auf die Probe zu stellen. Jenseits aller Normen und gängigen Stile verortet, setzt das Genre einen Kontrapunkt zur kommerziellen Popmusik. Als berühmter Vertreter des Genres gilt YMO (Yellow Magic Orchestra). Die Gruppe, die 1979 von Ryuichi Sakamoto, Haruomi Hosono und Yukihiro Takahashi gegründet wurde, mischte elektronische Instrumente und Maschinen und verwendete dabei von japanischen Unternehmen entwickelte Spitzentechnologie, um traditionelle Musik oder die elektronischen Geräusche von Videospielen (8-bit) zu parodieren. Dieser Rückgriff auf technische Geräte hat jedoch durchaus einen Bezug zu japanischen Traditionen, wie Ryuichi Sakamoto einmal bemerkte: „Bevor der Schintoismus Einzug hielt, hingen die Japaner dem Animismus an. Ein wenig davon ist bis heute erhalten geblieben. Das macht sich etwa daran bemerkbar, wie wir unsere Instrumente und Maschinen benutzen. Wir betrachten sie nicht als einfache Objekte. Die Japaner haben stets eine enge Bindung zu dem, was sie herstellen, ob das ein Auto, ein Fernsehgerät oder ein Computer ist.“
Posthumanismus Der Begriff des Posthumanismus ist in der Sphäre von Science-Fiction und Philosophie verortet. Das Konzept des Posthumanen bedeutet ein Denken des Menschen über seine rein physische Natur hinaus, was nicht ohne Konsequenzen in den Bereichen Ethik, Recht und Gesellschaft und – weiter gedacht – die Zukunft der Menschheit im Zeitalter des Anthropozäns bleibt. Der Transhumanismus, die Erweiterung der menschlichen Möglichkeiten mittels Wissenschaft und Technologie (Verbesserung der physischen und intellektuellen Fähigkeiten des Menschen und damit einhergehend Abschaffung von Leiden, Krankheit, Alterung und sogar Tod) wäre ein möglicher Übergang zum Posthumanismus. Die Anerkenntnis der Unvollendetheit des Menschen ist Bestandteil der Theorie des Posthumanismus, der auf einem multiperspektivischen Weltverständnis gründet und
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Schintoismus Unter dem Begriff Shinto – oder „Weg der Götter“ – wird eine Vielzahl von Glaubensformen zusammengefasst, die sich im Mittelalter in Abgrenzung gegen den von China und Korea ins Land drängenden Buddhismus formierten. Im Schintoismus werden zahlreiche Gottheiten (kami) verehrt, die mit den Kräften der Natur, aber auch mit bestimmten Orten oder Berufsständen assoziiert werden. Die religiöse Praxis besteht in regelmäßigen Besuchen der Heiligtümer zu bestimmten Festtagen. Shinto ist weniger eine Religion als vielmehr ein Bündel von Glaubenssätzen, die auch mit anderen Religionen kompatibel sind. Dennoch wurde der Schintoismus in der Meiji-Zeit (1868–1912), als Japan mit dem Westen in Berührung kam, zur „Staatsreligion“ erklärt. Obwohl mit der Verfassung von 1947 Staat und Religion getrennt wurden, hat der Schintoismus mit seinem Heldenkult und der Verehrung von Natur und japanischem Staatsgebiet weiterhin nationalistische Züge.
Zen-Minimalismus Die Wurzeln des Zen liegen in der buddhistischen Philosophie, die zwischen dem 6. und 8. Jahrhundert nach Japan gelangte. Zunächst bezeichnete man als Zen eine extreme Konzentration, durch die man zum Wesen des Seins vordringen und innere Erleuchtung erreichen sollte, um durch Meditation über die Paradoxien des Daseins und der Dinge die Herrschaft der Vernunft hinter sich zu lassen. Im Kontext der Postmoderne bedeutet ZenMinimalismus anzuerkennen, dass es unmöglich ist, alles zu bewahren, was die Bilderflut in Konsumgesellschaft und Massenmedien hervorbringt, und stattdessen Einfachheit und Schmucklosigkeit den Vorzug zu geben (wabi). In Architektur und Kunst äußert sich ein zen-minimalistischer Ansatz durch betonte Schlichtheit und große Aufmerksamkeit für das Licht. Das traditionelle japanische Haus bestand aus einer Holzstruktur. Als Raumteiler dienten fusuma oder shoji, Schiebetüren oder Stellwände aus Reispapier auf leichten Holzrahmen. Diese traditionelle Bauweise nehmen minimalistische Architekten mit ihren der Natur zugewandten und lichtdurchfluteten Entwürfe auf. Dabei tragen sie dem Klima Rechnung, aber auch der Angst vor Naturkatastrophen und der Vergänglichkeit der Dinge. „Zen-minimalistische“ Werke ermöglichen einen Austausch zwischen Körper und Umgebung, zwischen Materie und Universum (s. Mono-ha).
Superflat Als „Superflat“ (superflach) bezeichnet man eine bestimmte, von den 1990ern bis in die 2000er-Jahre weit verbreitete Ästhetik. Ursprung des Begriffs war eine Ausstellung des Künstlers Takashi Murakami im Jahr 2001, die zunächst im Parco-Einkaufszentrum von Nagoya und später im Museum für zeitgenössische Kunst in Los Angeles gezeigt wurde. Inspiriert durch Anime, Werbegrafik und über-sexualisierte Manga-Charaktere, schuf Murakami aus der Verschmelzung von Popkultur, bildender Kunst und Grafikdesign eine extrem glatte, zweidimensionale, an Kitsch grenzende Ästhetik. Diese doppelte Dimension spiegelt sich auch in ihrer Deutung wider: „Superflat“ ist nicht nur das Bild (2D) – nach Murakami besteht der fundamentale Unterschied zwischen japanischer und westlicher Kunst darin, dass es Ersterer an Tiefe fehlt –, sondern auch die Oberflächlichkeit der zeitgenössischen japanischen Konsumgesellschaft. Neben Murakami gelten etwa Yoshitomo Nara und Aya Takano als Vertreter des Superflat. Siehe auch Neo-Pop.
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DIE KATALOGE Das Centre Pompidou-Metz gibt anlässlich der Japan-Saison zwei Kataloge in französischer Sprache heraus. Einer ist der Ausstellung JAPAN-NESS gewidmet, der andere erscheint zur Ausstellung JAPANORMA und enthält außerdem Texte zur Veranstaltungsreihe 10 Evenings sowie über Dumb Type.
ARCHITEKTUR UND STÄDTEBAU IN JAPAN SEIT 1945 Diese Publikation ist ein Streifzug durch die japanische Architekturgeschichte seit der Zerstörung der Städte Hiroshima und Nagasaki durch die Atombombe 1945 bis zu ihren aktuellsten Erscheinungen und nimmt vor allem den Wandel der japanischen Großstädte vor dem Hintergrund aktueller städtebaulicher Fragestellungen in den Blick. Vorgestellt werden Arbeiten namhafter Architekten wie Tadao Ando, Kenzo Tange, Toyo Ito und Kengo Kuma, außerdem eine Vielzahl im Westen eher unbekannter Architekten. Ob der Moderne zugehörig oder Pop-Architektur, High-Tech- oder Notfallarchitektur, Postmoderne oder strukturalistische Typologien – die japanische Architektur zeichnet sich stets durch ihre Einzigartigkeit aus, ohne sich je in ein vorgefertigtes Bild pressen zu lassen. Ihre „Japan-ness“, wie Arata Isozaki ihre spezifische Natur in seinem Buch Japan-ness in Architecture nennt, konstituiert sich aus ihrer unablässigen Erneuerung.
NDAS ZEITGENÖSSISCHE SCHAFFEN IN JAPAN AUS NEUER PERSPEKTIVE Diese Publikation unter der Herausgeberschaft von Yuko Hasegawa, der künstlerischen Direktorin des Musée d’Art contemporain in Tokio, nimmt alle Facetten der japanischen Kulturszene der letzten 50 Jahre in den Blick – von Mode über Mangas und die bildenden wie darstellenden Künste bis hin zu Design, Performance und Musik. Der Katalog offenbart die Vielfältigkeit und Vitalität der verschiedenen japanischen Kunstströmungen entlang von Werken von rund hundert KünstlerInnen wie Rei Kawakubo, Yayoi Kusama, Hiroshi Sugimoto oder Takashi Murakami. Das Werk enthält verschiedene Essais über die visuelle Kultur Japans von namhaften AutorInnen wie Yuko Hasegawa, Yasuo Kobayashi und Keisuke Kitano und liefert dem Leser zahlreiche Orientierungshilfen (z. B. detaillierte Chronologie, Themenschwerpunkte, Kurzbiografien usw.) für seine Auseinandersetzung mit der japanischen Kultur.
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DIE PARTNER DAS CENTRE POMPIDOU-METZ Als Schwesterinstitution des Centre Pompidou ist das Centre Pompidou-Metz Ergebnis der ersten Dezentralisierung einer nationalen Kulturinstitution in Zusammenarbeit mit den Gebietskörperschaften. Als unabhängiges Kunstzentrum profitiert das Centre Pompidou-Metz von der Erfahrung, dem Know-how und der internationalen Bekanntheit des Centre Pompidou. Dabei ist es denselben Werten verpflichtet wie die Schwesterinstitution und setzt auf Innovation, Großzügigkeit, Multidisziplinarität sowie Offenheit für Besucher aus allen Teilen der Gesellschaft. Das Centre Pompidou-Metz veranstaltet wechselnde temporäre Ausstellungen, für die es im Wesentlichen auf Leihgaben aus der Sammlung des Centre Pompidou, Musée national d’art moderne, zurückgreift, die mit über 120.000 Werken eine der zwei bedeutendsten Sammlungen für moderne und zeitgenössische Kunst weltweit und wichtigste Sammlung in Europa ist. Weiterhin baut das Kunstzentrum Partnerschaften mit Museumsinstitutionen auf der ganzen Welt auf. Begleitend zu seinen Ausstellungen bietet das Centre Pompidou-Metz ein umfassendes Veranstaltungsprogramm mit Tanz, Konzerten, Filmvorführungen und Vorträgen.
DIE JAPAN-SAISON Medien-Partner:
Mäzene:
Unter Beteiligung von Vranken-Pommery Monopole.
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Die Ausstellung JAPAN-NESS wird vom 9. September 2017 bis zum 8. Januar 2018 im Rahmen der Japan-Saison im Centre Pompidou-Metz pr채sentiert. Eine Gemeinschaftsproduktion mit der Japan Foundation
Mit besonderer Unterst체tzung der Ishibashi Foundation
M채zene der Ausstellung JAPAN-NESS:
Mit Unterst체tzung der Society of the Japanese Friends of Centre Pompidou und der Obayashi Foundation
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Die Ausstellung JAPANORAMA wird vom 20. Oktober 2017 bis zum 5. März 2018 im Rahmen der Japan-Saison im Centre-Pompidou-Metz präsentiert. Eine Gemeinschaftsproduktion mit der Japan Foundation
Mäzene der Ausstellung JAPANORAMA:
Mit besonderer Unterstützung der Ishibashi Foundation
Unter Beteiligung von TAIYO KOGYO CORPORATION und UNION Mit Unterstützung der Society of the Japanese Friends of Centre Pompidou. Die Installation Law of Peripheral Units von Kishio Suga im Forum wird vom 9. September 2017 bis zum 5. April 2018 im Rahmen der Ausstellung Japanorama im Centre Pompidou-Metz präsentiert. Mit Unterstützung der Tomio Koyama Gallery, Tokio. Die Realisierung dieses Ausstellungsbeitrags erfolgt im Rahmen des Projekts « NOE-NOAH », das von der Europäischen Union im Rahmen des Programms INTERREG V A Großregion (2014–2020) gefördert wird.
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Das Programm 10 Evenings wird von September 2017 bis M채rz 2017 im Rahmen der Japan-Saison im Centre Pompidou-Metz pr채sentiert. Mit Unterst체tzung der Fondation Sasakawa.
Mit besonderer Unterst체tzung von Deschanet (Saburo Teshigawara et Ryoko Sato, Absolute Absence)
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Die Ausstellung DUMB TYPE wird vom 20. Januar 2018 bis zum 14. Mai 2018 im Rahmen der Japan-Saison im Centre Pompidou-Metz pr채sentiert. Mit besonderer Unterst체tzung der Agentur f체r kulturelle Angelegenheiten der japanischen Regierung.
Mit besonderer Unterst체tzung von
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WENDEL. GRÜNDUNGSMÄZEN DES CENTRE POMPIDOU-METZ Wendel fördert das Centre Pompidou-Metz bereits seit seiner Gründung 2010. Seitdem ist es der Gruppe ein wichtiges Anliegen, das Kunstzentrum als bespielhafte Kulturinstitution mit einer großen Öffentlichkeit zu unterstützen. Aufgrund ihres langjährigen Engagements in der Kulturförderung trägt die Wendel-Gruppe seit 2012 den Titel Grand mécène de la culture [Großer Kulturmäzen]. Wendel ist eine der größten börsennotierten Beteiligungsgesellschaften in Europa. Als Langzeit-Investor trägt sie eine besondere Verantwortung und muss sich als zuverlässiger Partner profilieren, Innovation und Nachhaltigkeit fördern und aussichtsreiche Diversifizierungen anstreben. Ihr besonderes Know-how zeigt sich in der Auswahl führender Unternehmen, wie sich an ihren aktuellen Engagements als Aktionär ablesen lässt: Bureau Veritas, SaintGobain, IHS, Constantia Flexibles, Allied Universal, Cromology, Stahl, CSP Technologies, Tsebo, SGI Africa, Mecatherm oder Saham Group. Die im Jahr 1704 in Lothringen gegründete Wendel-Gruppe konzentrierte ihre vielfältigen Aktivitäten 270 Jahre lang vor allem auf die französische Stahlindustrie, um sich Ende der 1970er-Jahre zu einer Beteiligungsgesellschaft zu wandeln. Mit dem familieneigenen Unternehmen Wendel-Participations, in dem die über 1000 Aktionäre der Familie versammelt sind, hält die Gründerfamilie über 36% der Anteile der Wendel-Gruppe. www.wendelgroup.com PRESSEKONTAKT Christine Anglade-Pirzadeh +33 (0)1 42 85 63 24 c.angladepirzadeh@wendelgroup.com Caroline Decaux +33 (0)1 42 85 91 27 c.decaux@wendelgroup.com
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Die Japan Foundation wurde 1972 gegründet, um das gegenseitigen Verständnis auf internationaler Ebene durch kulturellen Austausch zu verbessern. Mit 24 Auslandsbüros weltweit ist die Stiftung in drei Bereichen aktiv: Kunst und Kultur, Sprachvermittlung, Japanforschung und intellektueller Austausch. Im Bereich der bildenden Kunst veranstaltet die Abteilung Kunst und Kultur als Teil der Japan Foundation sowohl eigenständig als auch in Kooperation mit anderen Organisation Ausstellungen, unterstützt Ausstellungen zur japanischen Kunst im Ausland und erleichtert den persönlichen Austausch mit den Künstlern und Kunstschaffenden. Auf diesem Wege bemühen wir uns, auch in der Kunst den Dialog zwischen Japan und anderen Ländern zu fördern. Eine der ersten großen Ausstellungen moderner und zeitgenössischer japanischer Kunst in Frankreich fand 1986 unter dem Titel Le Japon des avant-gardes 1910–1970 statt. Dabei handelte es sich um ein gemeinsames Projekt der Japan Foundation mit dem Centre Pompidou in Paris. Das Japanische Kulturinstitut in Paris vertritt die Japan Foundation in Frankreich, und die Organisation des Veranstaltungsprogramm erfolgt in Partnerschaft mit dem Verein für das Japanische Kulturinstitut in Paris, der Association pour la Maison de la culture du Japon. Das Japanische Kulturinstitut in Paris besteht seit 1997. Seitdem macht es die traditionelle und zeitgenössische japanische Kultur einem breiten Publikum zugänglich und war bereits Veranstalter diverser großer Ausstellungen, darunter JÔMON – L’art du Japon des origines (1998), Yayoi KUSAMA – installations (2001) oder Cosmos/Intime – La collection Takahashi (2015–2016).
THE JAPAN FOUNDATION Japan-ness: Suzuki (Ms.), Nagata (Ms.) Japanorama: Namba (Ms.), Tokuyama (Ms.) Tel. +81(0)3-5369-6063 Fax +81(0)3-5369-6038 metz@jpf.go.jp
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Mit über 50 Millionen Passagieren jährlich ist ANA – All Nippon Airways die wichtigste japanische Fluggesellschaft und das elftgrößte Flugunternehmen weltweit. Die Gesellschaft fliegt seit 1990 täglich zwischen Frankreich und Japan. Neben Paris sind weitere Startflughäfen Lyon, Nizza, Marseille, Toulouse, Bordeaux und Nantes via Codesharing. Von ihrem Sitz in Paris aus unterstützt ANA eine Vielzahl von Kulturprojekten, die in Zusammenhang mit beiden Ländern stehen, ob Ausstellungen, Konzerte, Tanz, Theater, Fotografie oder Film … ANA war unter anderem Mäzen der Ausstellungen « Takashi Murakami » im Schloss von Versailles, « French Window » im Mori Art Museum in Tokio 2011, « Kabuki costumes du théâtre japonais » in der Fondation Pierre BergéYves Saint-Laurent 2012, « Marie Laurencin » im Musée Marmottan Monet und « Impressionismes » im Musée des Impressionismes in Giverny 2013 sowie Anfang 2016 Le BAL in Paris. Auch das Engagement von ANA als Partner des Centre Pompidou-Metz für die Japan-Saison erfolgt im Rahmen der Kulturförderung durch die Gesellschaft. Besonders reizvoll erscheint uns dabei der Aspekt, ein Projekt dieses Umfangs außerhalb von Paris zu fördern, das in dem wundervollen Gebäude von Shigeru Ban stattfindet. ANA verbindet nicht nur Menschen, sondern auch Kulturen. Was eine Brücke zwischen unseren beiden Ländern schlägt, ist vor allem das Interesse und die Faszination für die Empfindsamkeit und Kultur des anderen. Wir wünschen Ihnen eine wunderschöne Kulturreise und hoffen, dass Sie nach dem Besuch der Ausstellung Lust verspüren, Japan etwa anlässlich der Olympischen Spiele 2020 zu besuchen und auf der Reise unseren exzellenten Service zu genießen. Moriyuki Tanemura Stellvertretender Präsident, Generaldirektor ANA France & Benelux
PRESSEKONTAKT Pascale Le Maillot Tél. 01 53 83 52 44 lemaillot@ana.co.jp
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Die Fondation Franco-Japonaise Sasakawa ist eine anerkannte gemeinnützige Stiftung (Erlass des Premierministers vom 23. März 1990). Als private Organisation nach französischem Recht setzt sie sich « für den Ausbau der kulturellen und freundschaftlichen Beziehungen zwischen Frankreich und Japan ein ».
Seit ihrer Gründung 1965 empfängt die Cité internationale des arts Artists-in-Residence aus der ganzen Welt. Die Residenzen bieten den KünstlerInnen Gelegenheit zum kulturellen Austausch sowie zur Begegnung mit Kunstinteressierten und Kulturschaffenden. Die Cité internationale verfügt über zwei Standorte, die sich mit ihrer Lage im Marais und in Montmartre gegenseitig ergänzen. In Zusammenarbeit mit 135 nationalen und internationalen Organisationen empfängt sie allmonatlich 300 KünstlerInnen unterschiedlicher Disziplinen, die bis zu sechs Monate als Residenten zu Gast sind.
Dank ihres Engagements in einer Vielzahl von Bereichen trägt sie maßgeblich zur Entwicklung des Austausches zwischen Frankreich und Japan bei. Seit ihrer Gründung hat die Stiftung bereits 700 Organisationen und Institutionen bei der Realisierung von französisch-japanischen Projekten unterstützt. Außerdem entwickelt, initiiert und koordiniert sie auch selbst Projekte.
Mit engagierten Partnerschaften wie der zwischen der Cité internationale des arts und dem Centre Pompidou-Metz will die Stiftung die KünstlerInnen, die als Residenten ihr Gast sind, fördern und den Kontakt zu französischen Kulturinstitutionen herstellen.
Da ihr Augenmerk der französischen und japanischen Gegenwart gilt, fördert die Stiftung insbesondere innovative Projekte sowie Ausbau und Gründung dauerhafter Kompetenznetzwerke in so unterschiedlichen Bereichen wie Kunst und Kultur, Wissenschaft, Technik und Knowhow, Aus- und Weiterbildung, Konferenzen, Verlagswesen, Kommunikation und Medien. www.ffjs.org
PRESSEKONTAKT Angélique Veillé Kommunikation Tél. +33 (0)1 44 78 25 70 angelique.veille@citeartsparis.fr
PRESSEKONTAKT Eric Mollet Stellvertretender Direktor 27, rue du Cherche-Midi 75006 Paris Tél. +33 (0) 1 44 39 30 40 Fax +33 (0) 1 44 39 30 45 siegeparis@ffjs.org
Terrada entwickelt seit Gründung des Unternehmens 1950 leistungsstarke Lagerlösungen und hat seitdem konsequent in dynamische Verfahren für Lagerung und Aufbewahrung von Gütern investiert. Inzwischen verfügen wir über Kompetenzen, die weit über die traditionelle Lagerung hinausgehen. Wir haben unsere Verfahren rund um Aufbewahrung und Restaurierung von Kunst verbessert, um so den Wert der uns anvertrauten Objekte zu erhöhen und sie für kommende Generationen zu erhalten. Weiterhin wollen wir mit unserem neuen Kunst-Hub die Entstehung einer neuen Kultur fördern, indem wir unser Know-how hinsichtlich der Gestaltung von Räumen in die Waagschale werfen. www.terrada.co.jp
PRESSEKONTAKT Yasuyuki Korekawa Tel. +81 (0)70-6576-3920 korekawa.yasuyuki@terrada.co.jp
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Das Einkaufszentrum Waves Actisud und die Compagnie de Phalsbourg sind Partner der Ausstellung Japan-ness im Centre Pompidou-Metz.
Das Bauunternehmen Eiffage wird in Frankreich und der Welt wegen seiner ungemein breit gefächerten Kompetenzen und seines hohen technischen Know-hows geschätzt.
Als wichtiger Akteur in Handel und Wirtschaft der Metropolregion Metz engagiert sich das Einkaufszentrum Waves Actisud seit seiner Gründung 2014 als Förderer von Kulturund Sportinstitutionen. In diesem Rahmen unterstützt das Zentrum regelmäßig Ausstellungen im Centre Pompidou-Metz (Kawamata, Andy Warhol …) und bietet seinen Gästen für die Dauer der Partnerschaft die Möglichkeit privater Führungen und Besuche.
Die Gruppe ist im Bau- und Immobiliensektor, im Straßen-, Brücken- und Metallbau, im Energiesektor, im Konzessionsgeschäft und im Bereich Öffentlich-Private Partnerschaften aktiv. Mit über 66.000 Mitarbeitern wickelt sie jährlich rund 100.000 Baustellen ab. Eiffage zeichnet sich außerdem durch die Beteiligung seiner Mitarbeiter am Unternehmen aus, deren Umfang in Europa einmalig ist: Insgesamt 61.000 Mitarbeiter und ehemalige Mitarbeiter halten gemeinsam 25,3% des Kapitals. Dieses Modell trägt zu Unabhängigkeit und Stabilität der Gruppe bei. Eiffage ist sich der ökologischen und gesellschaftspolitischen Herausforderungen der Gegenwart bewusst und verfügt darum inzwischen über ein eigenes Labor zur Erforschung nachhaltiger Stadtentwicklung namens Phosphore und engagiert sich über ihre Unternehmensstiftung Fondation Eiffage in gemeinnützigen Vereinen.
Waves wurde von der Compagnie de Phalsbourg entwickelt und zeichnet sich, wie alle Projekte der Gesellschaft, durch seine außergewöhnliche Architektur aus. Die Compagnie de Phalsbourg ist ein wichtiger Akteur im französischen Immobiliensektor und arbeitet bei seinen Projekten häufig mit Architekten von internationalem Renommee zusammen. Da die Gesellschaft gleich zwei große Projekte verzeichnen kann, die aus der Feder japanischer Architekten stammen – « Aurore » von Kengo Kuma und « Mille Arbres » von Sou Fujimoto – war es nur natürlich, dass Phalsbourg gemeinsam mit Actisud die Ausstellung Japan-ness unterstützt, deren Szenografie von Sou Fujimoto entwickelt wurde und die den Besuchern des Centre Pompidou-Metz deutlich macht, wie prägend der japanische Einfluss auf die zeitgenössische Architektur ist.
Eiffage hat schon häufig neue Wege beschritten. Kreativität und Fantasie machen die Gruppe zu einem innovativen Unternehmen, das mit den Herausforderungen seiner Zeit Schritt halten kann.
PRESSEKONTAKT Sophie Mairé Abteilung Kommunikation Tél. 01 71 59 10 62 direction.communication@eiffage.com
Im Rahmen dieser Partnerschaft bieten das Centre PompidouMetz und Waves außerhalb der Museumsmauern Workshops für Kinder an, die das Einkaufszentrum besuchen.
PRESSEKONTAKT Mathieu Boncour Kommunikation mit öffentlichen Institutionen und Mäzenen Tél. +33 (0)1 53 96 60 31 Mobile +33 (0) 6 83 08 22 13 mboncour@compagniedephalsbourg.com
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BILDMATERIAL FÜR DIE PRESSE Bildmaterial zu den Ausstellungen, darunter auch die nachstehenden Aufnahmen, können unter folgender Adresse heruntergeladen werden: centrepompidou-metz.fr/phototeque
Nutzername: presse Passwort: Pomp1d57
Kenzo TANGE, Peace CenterComplex, Hiroshima, 1952 © Kenzo TANGE Photo © Kochi Prefecture, Ishimoto Yasuhiro Photo Antonin RAYMOND, Gunma Music Center, Takasaki,
Center
1961 © Collection of Raymond Architectural Design Office Kiyonori KIKUTAKE, Marine City, uncompleted project, 11 February 1959 Graphite and collage of three photos of modules cropped on tracing paper, 50,5 × 56,5 cm Paris, Centre Pompidou, Musée national d’art moderne — Centre de création industrielle © Centre Pompidou, MNAM-CCI/Jean-Claude Arata ISOZAKI, Cities in the air, uncompleted projects, Tokyo, 1960-1963
Planchet/Dist. RMN-GP © Kiyonori Kikutake
Frankfurt am Main, Deutsches Architekturmuseum Photo © Uwe Dettmar, Frankfurt am Main © Arata ISOZAKI
Shigeru BAN, Curtain wall house (Case Study House 7), Tokyo, 1965 Arata ISOZAKI, Cities in the air, uncompleted
© Shigeru BAN
projects, Tokyo, 1960-1963
Photo © Hiroyuki Hirai
Collection of Arata ISOZAKI & Associates Co. Ltd. Kiyonori KIKUTAKE, Marine City, uncompleted project, 1963 Plexiglas, plaster, glass and metal, 57,1 × 58,5 × 58,5 cm Paris, Centre Pompidou, Musée national d’art moderne — Centre de création industrielle © Centre Pompidou, MNAM-CCI/Georges Meguerditchian/Dist. RMN-GP © Kiyonori KIKUTAKE
Kenzo TANGE, National Gymnasiums for the Tokyo Olympics, 1964 © Kenzo TANGE Photo © Makoto Ueda
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Dezain HIHYO (The Design Review), no.1, 2, 3 et 4, octobre 1967
Arata ISOZAKI, Re-ruined Hiroshima, 1968
Photo © Suzanne Nagy
New York, Museum of Modern Art (MoMA).Ink and gouache with cut-and-pasted gelatin silver print on gelatin silver print, 35,2 × 93,7 cm Gift of The Howard Gilman Foundation. Acc. n.: 1205.2000 © 2017. Digital image, The Museum of Modern Art, New York/Scala, Florence
Sachio OTANI, Pavillon Sumitomo, Osaka, 1970
Yutaka MURATA, Pavillon of Fuji Group, Osaka, 1970
© Sachio OTANI
© Yutaka MURATA
© Osaka Prefectural Expo 1970 Commemorative
© Osaka Prefectural Expo 1970 Commemorative
Park Office
Park Office
Kisho KUROKAWA, Pavillon Toshiba IHI, Osaka, 1970
Kisho KUROKAWA, Pavillon Takara Beautilion, Osaka, 1970
Kishô KUROKAWA, Nakagin Capsule Tower, 1972
© Kisho KUROKAWA
© Kisho KUROKAWA
© Kishô KUROKAWA
© Osaka Prefectural Expo 1970 Commemorative
© Osaka Prefectural Expo 1970 Commemorative
Photo © Makoto Ueda
Park Office
Park Office
Kurokawa Kisho no Sakuhin (Work by Kisho KUROKAWA), Bijutsushuppansha, 1970 Photo © Suzanne Nagy
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Itsuko HASEGAWA, House version 1, Yaizu, 1977 © Itsuko HASEGAWA Photo © Mitsumasa Fujitsuka
TAU, no. 1, 1972 Photo © Suzanne Nagy
Kazumasa YAMASHITA, Face House, Kyoto, 1974 © Kazumasa YAMASHITA © Courtesy of Kazumasa YAMASHITA, Architect & Associates / Ryuji Miyamoto
Tadao ANDO, Light Church, Osaka, Japan (19871989): model Completed project, 1987-1989 Paris, Centre Pompidou, Musée national d’art moderne — Centre de création industrielle © Tadao ANDO Photo © Centre Pompidou, MNAM-CCI, Dist. RMNGrand Palais / Georges Meguerditchian
Shin TAKAMATSU, « Ark », Dental clinic, Fushimi, Kyoto, Japan, Completed project, 1982-1983 Elevation Graphite on paper, 79 × 109,5 cm Paris, Centre Pompidou, Musée national d’art moderne — Centre de création industrielle
Toyo ITO, Tower of winds, Yokohama, 1986 - Scale
© Centre Pompidou, MNAM-CCI/Philippe Migeat/
model
Dist. RMN-GP
Metal, plastic and glass, 43 × 55 × 40 cm
© All rights reserved
Completed project Paris, Centre Pompidou, Musée national d’art moderne — Centre de création industrielle © Toyo ITO Photo © Centre Pompidou, MNAM-CCI, Dist. RMNGrand Palais / Bertrand Prévost
Tadao ANDO, Light Church, Ibaraki, District of Osaka, Itsuko HASEGAWA, Garden and Fruit museum,
1989
Yamanashi, 1996
© Tadao ANDO
Photo © Itsuko HASEGAWA
Photo © Mitsuo Matsuoka
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SANAA (Kazuyo SEJIMA + Ryue NISHIZAWA), Atelier multimédia, Institute of Advanced Media Arts and Sciences, Oogaki, Gifu, Japan, Scale model, 1996 Plastic and polyester, 46 × 152,5 × 92,5 cm Paris, Centre Pompidou, Musée national d’art moderne — Centre de création industrielle © Centre Pompidou, MNAM-CCI/Georges
Toyô ITO, Médiathèque de Sendaï, 2000
Meguerditchian/Dist. RMN-GP
Provided by Miyagi Prefecture Sightseeing Section
© Kazuyo SEJIMA
© Toyô ITO Terunonu Fujimori, Takasugi-An (Teahouse), Chino : maquette Projet réalisé, 2003-2004 Paris, Centre Pompidou - Musée national d’art moderne - Centre de création industrielle © Terunonu Fujimori Photo © Centre Pompidou, MNAM-CCI, Dist. RMNGrand Palais / Georges Meguerditchian
Sou Fujimoto Architects, Primitive Future House (N House), 2003 Endoh Masaki, Ikeda Masahiro, Natural Ellipse,
Model
arrondissement de Shibuya, Tokyo, Japan, completed
Plexiglas, 69 × 63 × 63 cm
project, 2000-2002
Photography: François Lauginie
Study model
Collection Frac Centre-Val de Loire
Canvas and metal rods, 30,5 x 16 x 11 cm Paris, Centre Pompidou, Musée national d’art moderne – Centre de création industrielle © Centre Pompidou, MNAM-CCI/Georges Meguerditchian/Dist. RMN-GP
Terunobu Fujimori Takasugi-An (Teahouse), Chino,
© Masaki Endoh, © droits réservés
2004 © Terunobu Fujimori Photo © Makoto Ueda
SANAA (Kazuyo SEJIMA + Ryue NISHIZAWA), Musée d’Art contemporain du 21e siècle, Kanazawa, 2004 Frac Centre / Les Turbulences © SANAA © FRAC Centre-Val de Loire, François Lauginie Junya ISHIGAMI, Atelier KAIT, Institut de technologie de Kanagawa, 2008
Yuusuke KARASAWA, Villa Kanousan, Kimitsu, 2009
© Junya ISHIGAMI
© Yuusuke KARASAWA
© Shokokusha Photographer
© Koichi Torimura
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Kengo KUMA, CG Prostho Museum Reasearch Center, Kasugai-shi, Japan : model, 2008-2010 Paris, Centre Pompidou, Musée national d’art moderne — Centre de création industrielle © Kengo KUMA & Associates Photo © Centre Pompidou, MNAM-CCI, Dist. RMNGrand Palais / Georges Meguerditchian
Takeshi HOSAKA, Restaurant Hoto Fudo,
Takeshi HOSAKA, Restaurant Hoto Fudo,
Fujikawaguchiko, 2009
Fujikawaguchiko, 2009
© Takeshi HOSAKA Architects
© Takeshi HOSAKA Architects
© Nacasa & Partners Inc. / Koji Fujii
© Nacasa & Partners Inc. / Koji Fujii
Sou FUJIMOTO, House NA, 2011
Sou FUJIMOTO, Tokyo Apartment, Tokyo, 2012
© Sou FUJIMOTO
© Sou FUJIMOTO
Photo © Iwan Baan
© Photo: Iwan Baan
Kengo KUMA, GG Prostho Museum Reasearch Center, Kasugai-shi, Japan © Kengo KUMA Photo © Daici Ano
Anna NAKAMURA & Taiyo JINNO (EASTERN design office), On the Corner, Yôkaichi, 2011 © Anna NAKAMURA / Taiyo JINNO © Koichi Torimura
Kiwako KAMO, Masashi SOGABE, Masayoshi Akihisa HIRATA, Pavillon Bloomberg, Musée d’art
TAKEUCHI et Manuel TARDITS (Mikan), Maison à
contemporain de Tokyo, 2011-2012
Jingumae, Tokyo, 2012
Frac Centre / Les Turbulences
© Kiwako KAMO / Masashi SOGABE / Masayoshi
© Akihisa HIRATA
TAKEUCHI / Manuel TARDITS
© FRAC Centre-Val de Loire, François Lauginie
© Jérémie Souteyrat
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Kengo KUMA & Associates, Asakusa Culture Tourist Information Center, 2012 © Kengo KUMA © Takeshi Yamagishi
Yuusuke KARASAWA, s-house, Saitama, 2013
Projet 1000 arbres Paris
© Yuusuke KARASAWA
Sou FUJIMOTO Architects + OXO Architects
Photo © Koichi Torimura
Cie de Phalsbourg et OGIC
Project 1000 Treas Paris Sou FUJIMOTO Architects + OXO Architects Cie de Phalsbourg et OGIC
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BILDMATERIAL FÜR DIE PRESSE Nutzername: presse Passwort: Pomp1d57
Bildmaterial zu den Ausstellungen, darunter auch die nachstehenden Aufnahmen, können unter folgender Adresse heruntergeladen werden: centrepompidou-metz.fr/phototeque
Harue KOGA, Sea, 1929 Oil on canvas, 130 × 162,5 cm The National Museum of Modern Art, Tokyo
Atsuko TANAKA, Denkifuku (Robe électrique), Minoru HIRATA, Nakanishi Natsuyuki’s Clothespins
1956/1999 Seen in elles@centrepompidou exhibition, 4 floor,
Assert Churning Action, for Hi Red Center’s 6th
2009
Mixer Plan event, Tokyo, 1963/2017
86 coloured bulbs, 97 striplights varnished with 8
Silver gelatin print, 33,5 × 22,2 cm
shades, felt, electric cable, adhesive tape, metal,
Courtesy the artist and Taka Ishii Gallery
painted wood, switchbox, circuit breaker, dimmer
Photography / Film, Tokyo
th
switch, 165 × 90 × 90 cm Paris, Centre Pompidou, Musée national d’art moderne — Centre de création industrielle © Centre Pompidou, MNAM-CCI/Georges Meguerditchian/Dist. RMN-GP © All rights reserved Natsuyuki NAKANISHI, Cloths Pegs Assert Churning Action, 1963 Strings, clothes pegs on canvas, 116,5 × 91 cm The Museum of Contemporary Art Tokyo © Nobuko Nakanishi
Tetsumi KUDO, Votre portrait-chrysalide dans le cocon, 1967 Installation with light Ouate plastifiée, polyester et lumière noire, 161 × 87 × 78 cm Paris, Centre Pompidou, Musée national d’art moderne — Centre de création industrielle Tiger TATEISHI, Sphinx of Alamo, 1966
Tadanori YOKOO, Motorcycle, 1966/2002
© Adagp, Paris, 2017
Oil on canvas, 130,3 × 162 cm
Acrylic on canvas, 53 × 45,5 cm
© Centre Pompidou, MNAM-CCI/Georges
The Museum of Contemporary Art Tokyo
Kurokochi Shun
Meguerditchian/Dist. RMN-GP
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Eikoh HOSOE, Simon: A Private Landscape, 1971/2012
Keiichi TANAAMI, Untitled (Collagebook 3_06),
Silver gelatin print, 35,4 × 45,4 cm
circa 1973
Courtesy the artist and Taka Ishii Gallery
Marker pen, ink, magazine scrap collage on
Photography / Film, Tokyo
drawing paper, 45 × 54 cm © Keiichi TANAAMI Courtesy of the artist and NANZUKA
Tsunehisa KIMURA, Howling at the Pig, 1980 Photomontage, 40,8 x 28,6 cm Collection of Tokyo Photographic Art Museum © Fumiko Kimura
Katsuhiko HIBINO, PRESENT SOCCER, 1982 Acrylic, coloured pencils, sumi ink, cardboard, paper, 72,8 × 108 cm © Katsuhiko HIBINO
Kodai NAKAHARA, Viridian Adaptor + Kodai’s Morpho II, 1989 Wool, plywood Toyota Municipal Museum of Art © Photo by Katsunori Iwase
Nobuyoshi ARAKI, Winter Journey, 1990/2005 Silver gelatin print, 27 × 40,6 cm
Tadanori YOKOO, Fancy Dance, 1989
© Nobuyoshi Araki
FNAC 93767
Courtesy of Taka Ishii Gallery, Tokyo
Centre national des arts plastiques Takashi HOMMA, TOKYO SUBURBIA, Urayasu
© Droits réservés / Cnap
Marina East 21, Chiba, 1995 © Takashi HOMMA
Takashi MURAKAMI, Cosmos, 1998 Acrylic on canvas mounted on board, 3000 × 4500 mm (3 panels) / 21st Century Museum of Contemporary Art, Kanazawa Kenji YANOBE, Atom Suit Project – Desert
Courtesy Tomio Koyama Gallery / ©︎1998 Takashi
C-prints, 49,8 × 49,8 cm
Takashi HOMMA, TOKYO SUBURBIA, Boy-1,Keio
MURAKAMI /Kaikai Kiki Co., Ltd. All Rights Reserved.
Particular collection
Tama center, Tokyo, 1998
/ Courtesy: Tomio Koyama Gallery / Image courtesy:
© Kenji YANOBE
© Takashi HOMMA
21st Century Museum of Contemporary Art, Kanazawa
76
Mariko MORI, Video still from Miko No Inori, 1996 © Mariko MORI
Kenji YANOBE, E.E. Pod 1, 1996 Geiger counter, metal, engine, food, water, etc., 150 × 130 × 120 cm
Yayoi DEKI, Mimichin, 1998
Photo by Vincent D. Feldman
Acrylic on board, 145,5 × 103 cm
Courtesy of PERROTIN and YAMAMOTO GENDAI
Takahashi Collection Photo by courtesy of the artist and YAMAMOTO GENDAI
Miwa YANAGI, Yuka, 2000 C-print, Plexiglas, dibon, 160 × 160 cm Edition de 7 Courtesy of the artist and Almine Rech Gallery Courtesy of the artist and Yoshiko Isshiki Office, Tokyo © Miwa YANAGI
Yoshimoto NARA, Ocean Child (in the floating
Yuken TERUYA, You-I, You-I, 2002
world), 1999
Linen, 180 × 140 cm
Reworked woodcut, Fuji xerox copy, 41,5 × 29,5 cm
Collection of The Dai-Ichi Life Insurance Company,
Takahashi Collection © Yoshimoto NARA, 1999 Courtesy of the artist
Limited Zon ITO, Traveling in The Shallows, 2000
© Yuken TERUYA
Embroidery on fabric, wood panel Private Collection © Zon ITO Courtesy of Taka Ishii Gallery
Motohiko ODANI, Rompers, 2003 Yayoi KUSAMA, Infinity Mirror Room Fireflies on the
Video, approx. 2 min. 52 sec.
Water, 2000
Music: PIRAMI 21st Century Museum of Contemporary Art,
FNAC 01-253 Centre national des arts plastiques
Daido MORIYAMA, Shinjuku, 2002 / 2008
Kanazawa
© Yayoi KUSAMA / Cnap
Silver gelatin print, 55,5 × 83.8 cm
Courtesy: YAMAMOTO GENDAI
Photo © Musée des Beaux-Arts / Réunion des
© Daido Moriyama
Photo courtesy of the artist and YAMAMOTO
musées métropolitains Rouen Normandie
Courtesy of Taka Ishii Gallery, Tokyo
GENDAI
77
RHIZOMATIKS, live videos of performances from Perfume x Rhizomatiks Research © Photo by Chiaki Nozu Aya Takano, Milk Of Tender Love, 2005 Acrylic on canvas, 162 × 131 cm Motohiko ODANI, Rompers, 2003
© 2005 Aya Takano/Kaikai Kiki Co., Ltd. All
Video, approx. 2 min. 52 sec.
Rights Reserved.
Music: PIRAMI
Courtesy Perrotin
21st Century Museum of Contemporary Art, Kanazawa Courtesy: YAMAMOTO GENDAI
Rinko KAWAUCHI, Untitled from the series of Illuminance, 2007 Rinko KAWAUCHI, Untitled (I54), 2007
© Rinko KAWAUCHI
Illuminance. C-print, 50 × 50 cm Edition of 1/6
Yoshitomo NARA, Sayon, 2006 Acrylic on canvas, 146 × 112.5 cm The Museum of Contemporary Art Tokyo © Yoshitomo NARA, 2006 Courtesy of the artist
Chim>Pom, SUPER RAT (diorama), 2008 5 rats (stuffed after being caught in Shibuya), diorama of town of Shibuya, monitor, etc., 136 × 89 × 89 cm Osamu KITADA Photo : Yoshimitsu Umekawa © Chim>Pom Courtesy of MUJIN-TO Production, Tokyo ANREALAGE, collection LOW, Autumn-Winter 2011-2012 © ANREALAGE Izumi KATO, Untitled, 2010 Wood, oil, acrylic, stone and iron,
Naoya HATAKEYAMA, Rikuzentakata / 2011.5.1
166 × 230 × 230 cm
Yonesaki-cho, 2011/2015
Photo: Claire Dorn
C-print, 38 × 47 cm
PIV-H Collection, Austria
© Naoya HATAKEYAMA / Courtesy of Taka Ishii
©2010 Izumi Kato
Gallery, Tokyo
Courtesy of the Artist and Perrotin
78
Lieko SHIGA, Rasen Kaigan 31, 2010
Chim>Pom, LEVEL 7 feat. “Myth of Tomorrow”, 2011
C-type print, 1200 × 1800mm
Video © Chim>Pom
© Lieko SHIGA
Courtesy of MUJIN-TO Production, Tokyo
Kohei NAWA, Force, 2015
Kohei NAWA, Force, 2015
ZKM | Center for Art and Media Karlsruhe
ZKM | Center for Art and Media Karlsruhe
© Kohei NAWA, Photo
© Kohei NAWA
© ZKM | Center for Art and Media Karlsruhe, Photo: Tobias Wooton and
Photo: © ZKM | Center for Art and Media Karlsruhe
Jonas Zilius
Photo: Tobias Wooton and Jonas Zilius
Kohei NAWA, Force, 2015 ZKM | Center for Art and Media Karlsruhe
ANREALAGE, collection ROLL,
© Kohei NAWA
Autumn-Winter 2017-2018
Photo : © ZKM | Center for Art and Media Karlsruhe
© ANREALAGE, in collaboration
Photo : Tobias Wooton und Jonas Zilius
with KOHEI NAWA | SANDWICH
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BILDMATERIAL Fร R DIE PRESSE Bildmaterial zu den Ausstellungen, darunter auch die nachstehenden Aufnahmen, kรถnnen unter folgender Adresse heruntergeladen werden: centrepompidou-metz.fr/phototeque
DumbType, Pleasure Life, 1988
DumbType, pH, 1990
Performance
Performance
Photo: Kazuo Fukunaga
Photo: Kazuo Fukunaga
Nutzername: presse Passwort: Pomp1d57
DumbType, pH, 1990 Performance DumbType, Pleasure Life, 1988
DumbType, pH, 1990
Performance
Performance
Photo: Kazuo Fukunaga
Photo: Kazuo Fukunaga
Photo: Kazuo Fukunaga
DumbType, pH, 1990
DumbType, pH, 1990
Performance
Performance
Photo: Kazuo Fukunaga
Photo: Kazuo Fukunaga
80
DumbType, Lovers, 1994
DumbType, Lovers, 1994
Installation
Installation
Photo: ARTLAB, Canon Inc.
Photo: Haruhiro Ishitani
DumbType, S/N, 1994
DumbType, S/N, 1994
Performance
Performance
Photo: Yoko Takatani
Photo: Yoko Takatani
DumbType, S/N, 1994
DumbType, S/N, 1994
Performance
Performance
Photo: Yoko Takatani
Photo: Yoko Takatani
DumbType, Lovers, 1994 Installation Photo: Haruhiro Ishitani
DumbType, S/N, 1994
DumbType, OR, 1997
DumbType, S/N, 1994
Performance
Performance
Performance
Photo: Yoko Takatani
Photo: Arno Declair
DumbType, S/N, 1994
DumbType, OR, 1997
DumbType, OR, 1997
Performance
Performance
Performance
Photo: Yoko Takatani
Photo: Arno Declair
Photo: Arno Declair
Photo: Yoko Takatani
81
DumbType, memorandum, 1999 Performance Photo: Kazuo Fukunaga
DumbType, memorandum, 1999 Performance Photo: Kazuo Fukunaga DumbType, memorandum, 1999 Performance Photo: Kazuo Fukunaga
DumbType, Voyage, 2002 Performance
DumbType, Voyage, 2002
Photo: Kazuo Fukunaga
Performance Photo: Kazuo Fukunaga
DumbType, Voyage, 2002
DumbType, Voyage, 2002
DumbType, Voyage, 2002
Performance
Performance
Performance
Photo: Kazuo Fukunaga
Photo: Kazuo Fukunaga
Photo Kazuo Fukunaga
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Shiro Takatani, Toposcan / Ireland, 2013
Shiro Takatani, Toposcan / Ireland, 2013
Shiro Takatani, Toposcan / Ireland, 2013
Photo Courtesy : NTT InterCommunication Center [ICC]
Photo Courtesy : NTT InterCommunication Center [ICC]
Photo Courtesy : NTT InterCommunication Center [ICC]
Photo: KIOKU Keizo
Photo: KIOKU Keizo
Photo: KIOKU Keizo
Shiro Takatani, Toposcan / Ireland, 2013
Shiro Takatani, Toposcan / Ireland, 2013
Shiro Takatani, Toposcan / Ireland, 2013
Photo Courtesy : NTT InterCommunication Center [ICC]
Photo Courtesy : NTT InterCommunication Center [ICC]
Photo Courtesy : NTT InterCommunication Center [ICC]
Photo: KIOKU Keizo
Photo: KIOKU Keizo
Photo: KIOKU Keizo
Shiro Takatani, Toposcan / Ireland, 2013
Shiro Takatani, Toposcan / Ireland, 2013
DumbType, MEMORANDUM OR VOYAGE, 2014
Photo Courtesy : NTT InterCommunication Center [ICC]
Photo Courtesy : NTT InterCommunication Center [ICC]
Installation
Photo: KIOKU Keizo
Photo: KIOKU Keizo
Photo: Shizune Shiigi
DumbType, MEMORANDUM OR VOYAGE, 2014
DumbType, MEMORANDUM OR VOYAGE, 2014
DumbType, MEMORANDUM OR VOYAGE, 2014
Installation
Installation
Installation
Photo: Shizune Shiigi
Photo: Shizune Shiigi
Photo: Shizune Shiigi
DumbType, MEMORANDUM OR VOYAGE, 2014
DumbType, MEMORANDUM OR VOYAGE, 2014
DumbType, MEMORANDUM OR VOYAGE, 2014
Installation
Installation
Installation
Photo: Shizune Shiigi
Photo: Shizune Shiigi
Photo: Shizune Shiigi
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BILDMATERIAL FÜR DIE PRESSE Bildmaterial zu den Ausstellungen, darunter auch die nachstehenden Aufnahmen, können unter folgender Adresse heruntergeladen werden: centrepompidou-metz.fr/phototeque
Nutzername: presse Passwort: Pomp1d57
Evenings #3+#4 Fuyuki YAMAKAWA Photo: Yusuke Tsuchida
Evening #4
Evening #4
Evening #5
Norimizu Ameya, Blue Sheet, Fukushima, 2013
Norimizu Ameya, Gun, 2016
Min TANAKA, solo dance Yamanashi Pr./Dance
© Norimizu Ameya
© Norimizu Ameya
Hakushu Festival,2009 © Madada Inc.
Photo © Kei Okuaki
Evening #6 Performance Gozo YOSHIMASU et Kukangendai, MOMAT, 2016 Photo by Keizo Kioku Courtesy: The National Museum of Modern Art, Tokyo
Evening #6
Evening #6
Gozo YOSHIMASU performing a reading
Gozo YOSHIMASU perform poetry reading,
Photo: Sayuri Okamoto
2016 The National Museum of Modern Art, Tokyo Photo © Keizo Kioku Courtesy The National Museum of Modern Art, Tokyo
Evening #6 Gozo YOSHIMASU perform poetry reading, 2016 / The National Museum of Modern Art, Tokyo Photo © Keizo Kioku / Courtesy The National Museum of Modern Art, Tokyo
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Evening #6
Evening #6
Portrait of Mariko ASABUKI
Portrait of Sugio YAMAGUCHI
Evening #7 Ryoji IKEDA, supercodex [live set], 2013 Concept, composition: Ryoji IKEDA Computer graphics, programming: Tomonaga TOKUYAMA Evening #6
© Ryoji IKEDA
Portrait of Ryoko SEKIGUCHI and Felipe RIBON
Photo by Ryo Mitamura
Evening #8 Saburo TESHIGAWARA, Broken Lights Photo: Jochen Schindowski
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Evening #8 Saburo TESHIGAWARA, Broken Lights Photo: Jochen Schindowski
Evening #8 Saburo TESHIGAWARA, Fragments of Time Photo: Bengt Wanselius Evening #8 Saburo TESHIGAWARA, Fragments of Time Photo: Bengt Wanselius
Evening #8
Evening #9
Evening #10
Saburo TESHIGAWARA, Fragments of Time
Yasumasa MORIMURA, portrait
Ryuichi SAKAMOTO, portrait
Photo: Bengt Wanselius
Nippon, chachacha. My Art, my story, My Art History
Photo by Zakkubalan
Photo by Kazuo Fukunaga
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PRESSEKONTAKT Centre Pompidou Metz Diane Junqua Leitung Kommunikation und Entwicklung +33 (0)3 87 15 39 66 diane.junqua@centrepompidou-metz.fr Presse régionale Noémie Gotti Kommunikation und Presse +33 (0)3 87 15 39 63 noemie.gotti@centrepompidou-metz.fr AGENCE CLAUDINE COLIN Nationale und internationale Presse Pénélope Ponchelet Pressereferentin +33 (1) 42 72 60 01 penelope@claudinecolin.com
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