BGK 2020 Schlussbericht

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Schlussbericht BGK 2020

Schlussbericht BGK 2020

© 2024 Schweizerisches Polizei-Institut (SPI), Neuchâtel

Autoren:

Stefan Aegerter

André Etter

Philipp Hochstrasser

Anojen Kanagasingam

Schweizerisches Polizei-Institut

Kantonspolizei Waadt

Schweizerisches Polizei-Institut

Schweizerisches Polizei-Institut

Vorwort

Im Jahr 2016 durfte ich als Mitglied der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) und des Stiftungsrats des Schweizerischen Polizei-Instituts (SPI) das Bildungspolitische Gesamtkonzept 2020 (BGK 2020) mitinitiieren.

Die Grundidee war, die polizeiliche Aus- und Weiterbildung in der Schweiz umfassend zu modernisieren und an die Anforderungen einer immer komplexer werdenden Sicherheitslandschaft anzupassen. Die politischen Überlegungen dahinter beruhten auf der Notwendigkeit, eine praxis- und kompetenzorientierte Grundausbildung für Polizeikräfte zu schaffen, um diese auf die aktuellen Herausforderungen, aber auch auf künftige Entwicklungen vorzubereiten.

Das Projekt zielte darauf ab, die polizeiliche Grundausbildung von einem auf zwei Jahre zu erweitern, um den angehenden Polizistinnen und Polizisten mehr Raum für die praktische Anwendung des erworbenen Wissens zu geben und ihre Handlungskompetenzen zu stärken. Damit einher ging auch die Einführung eines neuen Prüfungsdesigns, das sich an den realen beruflichen Anforderungen orientiert. Ergänzt mit der Einführung eines nationalen Mentoringkonzepts ist diese Reform ist ein bedeutender Schritt, um die Qualität der Ausbildung und die Einsatzfähigkeit der Polizisten und Polizistinnen zu verbessern.

Mein Dank gilt in besonderem Masse dem SPI und seinem Direktor Stefan Aegerter für die umsichtige und wohldurchdachte Projektleitung. Ihre unermüdliche Arbeit, ihre Fachkenntnis und ihr Engagement waren entscheidend für den Erfolg dieses Projekts. So wurde eine Ausbildung gestaltet, die den modernen Anforderungen gerecht wird und dabei die spezifischen Bedürfnisse der verschiedenen Polizeikorps in der Schweiz berücksichtigt.

Heute, einige Jahre nach der Einführung, können wir auf eine Erfolgsgeschichte zurückblicken. Das BGK 2020 hat sich als Meilenstein in der polizeilichen Aus- und Weiterbildung etabliert. Die Kompetenz- und Praxisorientierung haben sich als wertvolle Elemente erwiesen, die es nun fortzuführen gilt.

Entscheidend ist, diesen Weg weiterzugehen und die Aus- und Weiterbildung von Führungskräften und Spezialisten/-innen auf diesem Fundament kontinuierlich anzupassen Es liegt in unserer Verantwortung, sicherzustellen, dass unsere Polizeikräfte auf allen Stufen jederzeit bestmöglich darauf vorbereitet sind, ihre verantwortungsvolle Aufgabe zum Schutz der Bevölkerung wahrzunehmen.

Nochmals ein grosser Dank an alle Beteiligten – Ihr Einsatz ist ein Gewinn für die Sicherheit und das Wohl der Gesellschaft.

Abstract / Management Summary

Als damaliger stellvertretender Projektleiter des BGK 2020 möchte ich an das Vorwort anknüpfen und die wesentlichen Aspekte der Entwicklung und Umsetzung dieses wegweisenden Projekts zusammenfassen. Die politische Initiative aus dem Jahr 2016, die polizeiliche Grundausbildung in der Schweiz auf eine neue, kompetenz- und praxisorientierte Basis zu stellen, verlangte von allen Beteiligten viel Engagement und Ausdauer. In einer Zeit, die von vielfältigen Herausforderungen geprägt war, haben wir einen langen und nicht immer einfachen Weg erfolgreich beschritten immer mit dem Ziel vor Augen, die bestmögliche Grundausbildung für unsere Polizistinnen und Polizisten zu gewährleisten.

Skepsis und Widerstand zu Beginn eines gesamtschweizerischen Reformprojekts dieser Grössenordnung sind normal das BGK stellte da keine Ausnahme dar. Die Unterschiede zwischen den kantonalen und kommunalen Polizeikorps und die föderalen Strukturen der Schweiz machten es notwendig, einen Weg zu finden, der die Individualität und Eigenständigkeit der Korps respektiert und gleichzeitig eine einheitliche und standardisierte Ausbildung sicherstellt. Durch konstruktiven Dialog und die permanente Vermittlung des übergeordneten Mehrwerts ist es uns gelungen, Einheitlichkeit zu schaffen und den Föderalismus uneingeschränkt als Stärke zu begreifen.

Der Erfolg dieses Projekts wäre jedoch ohne die Zusammenarbeit und das Engagement der beteiligten Polizeikorps und der Mitglieder der verschiedenen Teilprojekte nicht möglich gewesen ihnen gilt mein besonderer Dank. Ihre Bereitschaft, sich auf neue Wege einzulassen, sowie ihre hohe Flexibilität und ihre Beharrlichkeit, den eingeschlagenen Weg auch in schwierigen Momenten nicht zu verlassen, haben wesentlich dazu beigetragen, dass das BGK 2020 heute als Erfolgsgeschichte gilt

Besonders hervorheben möchte ich die Arbeit der einzelnen Teilprojektgruppen und des Begleitausschusses der Projektleitung (BAPL), die sich intensiv mit der Entwicklung und Anpassung von Konzepten, Prüfungsformaten und Ausbildungsinstrumenten auseinandergesetzt haben. Ihr Fachwissen und ihre Fähigkeit, gemeinsam Lösungen zu erarbeiten, sind beispielhaft für den Geist, der dieses Projekt getragen hat. Durch ihre Arbeit konnten wir die Praxisnähe und die Qualität der Ausbildung sichern und ausbauen.

Das BGK 2020 hat einen entscheidenden Beitrag zur Weiterentwicklung der polizeilichen Grundausbildung in der Schweiz geleistet. Die positiven Rückmeldungen aus den ersten Betriebsjahren und die deutlich verbesserte Einsatzfähigkeit unserer Polizeikräfte zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Gehen wir diesen Weg weiter und gestalten wir die Zukunft der Polizeiausbildung in der Schweiz aktiv mit.

Ich danke allen Beteiligten herzlich für ihr Engagement, ihre Offenheit und ihre Entschlossenheit, dieses Projekt zum Erfolg zu führen.

1. Einleitung

1.1 Projektziel

Die Konferenz der Kantonalen Polizeikommandantinnen und -kommandanten der Schweiz (KKPKS) und die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) haben sich zum Ziel gesetzt, die polizeiliche Aus- und Weiterbildung weiterzuentwickeln und anzupassen. So soll sichergestellt werden, dass die Ausbildung den heutigen Anforderungen an Kompetenz und Praxisorientierung gerecht wird.

1.2 Historische Entwicklung der polizeilichen Grundausbildung in der Schweiz

Die polizeiliche Grundausbildung berücksichtigte lange Zeit den schweizerischen Föderalismus, indem sie auf die spezifischen Bedürfnisse und Ansprüche der verschiedenen Polizeiorganisationen einging. Dank der Organisation der Schulen auf Konkordatsbasis konnten die Polizeikorps ihre Ausbildung individuell gestalten.

Ein Wendepunkt war das erste Bildungspolitische Gesamtkonzept (BGK), das 2003 unter der Leitung der damaligen Justizvorsteherin des Kantons St. Gallen, Regierungsrätin Karin Keller-Sutter, initiiert wurde. 2006 erfolgten die ersten Berufsprüfungen und die Verleihung des eidgenössischen Fachausweises durch das damalige Bundesamt für Bildung und Technologie (BBT).

Rund ein Jahrzehnt später führte das BGK 2020 zu einer umfassenden Revision der polizeilichen Aus- und Weiterbildung, die mit dem Inkrafttreten der neuen Prüfungsordnung am 01. Januar 2021 abgeschlossen wurde Im Zentrum dieser Reform stand die Verlängerung der Grundausbildung von einem auf zwei Jahre, welche einen bedeutenden Schritt für die Polizeiausbildung darstellte.

1.3 Verortung des

Polizeiberufs im Schweizerischen Bildungssystem

Die Ausbildung zur Polizistin / zum Polizisten gilt im Schweizerischen Berufsbildungssystem als klassische Zweitausbildung. Sie baut auf allgemeinen Kompetenzen auf, die in der Sekundarstufe II erworben wurden, und zählt zur Tertiärstufe B (höhere Berufsbildung). Die Neuausrichtung der polizeilichen Grundausbildung hat keine Auswirkungen auf die Position im Berufsbildungssystem

Eine «Verakademisierung» der polizeilichen Grundausbildung, eine der grössten Befürchtungen, widerspricht weder dem Grundgedanken des BGK 2020 noch der Sicht des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI). Laut SBFI kombiniert die höhere Berufsbildung Unterricht und Berufspraxis, sichert das duale System

auch auf Tertiärstufe und fördert praxisbezogenes Lernen, die rasche Anwendung neuer Fachkenntnisse und einen hohen Innovationsrhythmus. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass diese Befürchtungen unbegründet waren.

Abb. 1: Schweizerisches Berufsbildungssystem (SBFI, 2019)

1.4 Organisation und Struktur der neuen polizeilichen Grundausbildung

Im Rahmen dieser sich über insgesamt zwei Jahren erstreckenden Grundausbildung findet das erste Jahr an einer der folgenden sieben Polizeischulen in den jeweiligen Konkordaten statt:

Westschweiz (CLCPC)

 Polizeiakademie Savatan

 Interregionales Polizei-Ausbildungszentrum IPaz (zwei Standorte: Colombier / NE und Granges-Paccot / FR)

Deutschschweiz

 Interkantonale Polizeischule Hitzkirch (ZPK und PKNW)

 Zürcher Polizeischule (ZHPS)

 Polizeischule Ostschweiz (Ostpol)

 Berner Polizeischule Ittigen (Kantonspolizei Bern)

Tessin

 Centro di Formazione della Polizia Giubiasco (CFP, inkl. italienischsprachige Aspirantinnen und Aspiranten aus dem Kanton Graubünden)

Die erste Ausbildungsphase in den Polizeischulen wird mit der schweizweit einheitlichen Vorprüfung (Prüfung Einsatzfähigkeit) abgeschlossen.

Im zweiten Jahr (Praxisjahr) wenden die angehenden Polizistinnen und Polizisten das Gelernte in ihren Korps in der Praxis an. Der Ausbildungsplan Polizei (APP) definiert hierfür den Rahmen für die Grundausbildung gemäss dem BGK 2020. Am Ende der zweiten Ausbildungsphase erfolgt die Hauptprüfung, die zum Erwerb des eidgenössischen Fachausweises führt

Die Trägerschaft der Organisation der Arbeitswelt Polizei (OdA Polizei), bestehend aus je einem Mitglied der Konferenz der Kantonalen Polizeikommandantinnen und -kommandanten der Schweiz (KKPKS), der Schweizerischen Vereinigung Städtischer Polizeichefs (SVSP), des Verbands Schweizerischer Polizeibeamter (VSPB) und des Schweizerischen Polizei-Instituts (SPI), beauftragt die nationale Prüfungskommission mit der Durchführung einheitlicher Prüfungen.

Diese Prüfungen sind in fünf Kreise unterteilt (Westschweiz, Nordwestschweiz und Zentralschweizer Polizeikonkordat, Region Zürich, Ostschweiz, Tessin), die durch ihre Kreiskommissionen die Vor- und Hauptprüfungen organisieren. Die Präsidenten dieser Kreise sind in der nationalen Prüfungskommission vertreten, der jeweils auch ein Mitglied von KKPKS, SVSP, VSPB, Militärpolizei und Transportpolizei SBB angehört und die vom Direktor des SPI präsidiert wird.

2. BGK 2020 – Projektinformationen

2.1 Ausgangslage

An der Frühjahrsversammlung vom 9 April 2015 genehmigte die KKJPD den Antrag der Kommission für Polizeiausbildung (PolKom) zur Weiterentwicklung des Bildungspolitischen Gesamtkonzeptes BGK. Dabei sollten die Konkordate, Polizeischulen und weitere Organisationen wie KKPKS und VSPB einbezogen und die erkannten Handlungsbereiche detailliert analysiert werden. Die Arbeiten sollten ergebnisoffen durchgeführt werden, einschliesslich der Option der Beibehaltung des Status Quo, wobei Vor- und Nachteile für jede Variante aufgezeigt werden sollten.

Eine integrale Projektarbeit wurde mit Vertreterinnen und Vertretern von kantonalen und städtischen Polizeikommandantinnen und -kommandanten, fedpol, VSPB, Transportpolizei SBB, Militärpolizei und SPI durchgeführt. Um die Praxisanforderungen zu erfüllen, wurden systematische Tätigkeitsanalysen erstellt und die heutigen eidgenössischen Abschlüsse Berufsprüfung (BP) und Höhere Fachprüfung (HFP) überprüft. Die Firma Ectaveo AG wurde beauftragt, das Projekt zu begleiten und auszuarbeiten. Auf dieser Grundlage und gestützt auf die Konsistenzprüfung des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) wurde eine Vorstudie für ein künftiges Berufsbildungssystem Polizei entwickelt

Diese zeigte folgende Handlungsfelder auf:

 Berufliche Handlungspraxis: Die Praxiserfahrung ist zum Zeitpunkt der Prüfung zu gering

 Schwergewicht auf der Überprüfung von Wissen: Geprüft werden nicht die beruflichen Handlungskompetenzen, sondern Schulwissen bzw. -fächer.

 Systemfremde Entwicklung und Durchführung der Prüfung durch die Kreiskommissionen: Die eidgenössischen Prüfungen setzen eine zentrale, von der Schule unabhängige Durchführung und Qualitätssicherung voraus (notwendige Neuorganisation bzw. -konstitution der Prüfungskommission)

Das Gesamtsystem «Grundausbildung Polizei (BP)» wurde am 26. Oktober 2017 von der KKPKS und am 17. November 2017 von der KKJPD für die Umsetzungsplanung freigegeben. Die Beschlüsse sahen folgende Rahmenbedingungen vor:

 Die polizeiliche Grundausbildung dauert neu zwei Jahre, gegliedert in ein Schuljahr in der Zuständigkeit der Polizeischulen und ein Praxisjahr in der Verantwortung der Korps.

 Mit der Ausbildungsverlängerung sollen insbesondere die Handlungskompetenzen verstärkt werden.

 Das Praktikum (zweite Ausbildungsphase, Praxisjahr) soll im eigenen Korps absolviert werden können.

 Die Zulassungsvoraussetzungen zum Polizeiberuf bleiben unverändert.

2.2 Rahmenbedingungen

Folgende Rahmenbedingungen wurden für das Gesamtprojekt und seine Teilprojekte definiert:

Kompetenzprofil: Das Kompetenzprofil «Generalist/-in» ist das Grundlagendokument für die Ausbildung und Prüfung. Es orientiert sich an der Praxis von Generalisten/ -innen bei der Polizei und definiert das nach zwei Jahren Ausbildung zu erreichende Abschlussniveau, das im Rahmen der Berufsprüfung geprüft wird. Korpsspezifischen Unterschieden in den Tätigkeitsgebieten wird mit dem Prüfungsdesign der Berufsprüfung Rechnung getragen.

Ausbildungsplan Polizei (APP): Der Ausbildungsplan soll weiterhin als brancheninternes, gesamtschweizerisches Steuerungsinstrument für das Schuljahr zum Einsatz kommen und wird daher unter Berücksichtigung des Kompetenzprofils überarbeitet. Diese Überarbeitung erfolgt in enger Zusammenarbeit zwischen den Ausbildungsverantwortlichen der Korps und den Polizeischulen. Der Ausbildungsplan definiert für alle Schulen die Handlungskompetenzbereiche und jeweiligen Kompetenzen und legt Richtwerte für die zeitlichen Anteile der Bildungsinhalte fest. Die Schulen können ihre Unterrichtsmethoden weiterhin frei wählen

Lehrmittel: In der ersten Ausbildungsphase kommen weiterhin gesamtschweizerische Lehrmittel des SPI zum Einsatz. Im Zuge der Reform prüft das SPI zusammen mit den Ausbildungsverantwortlichen und den Polizeischulen, welche Lehrmittel angepasst bzw. neu erarbeitet werden müssen (Stichwort «digitale Unterrichtsunterlagen»)

Praxisausbildung: In der Praxisausbildung (zweite Ausbildungsphase) kommen gesamtschweizerisch dieselben von den Ausbildungsverantwortlichen der Korps entwickelten Instrumente zum Einsatz. Über die Integration dieser Instrumente in die erste Ausbildungsphase entscheiden die Schulkreise. Die Einbettung der Instrumente und der Umfang der in der zweiten Ausbildungsphase durch die Polizistinnen und Polizisten zu erbringenden Nachweise sind auf die Rahmenbedingungen der Berufsprüfung abgestimmt.

Vorprüfung (Prüfung Einsatzfähigkeit): Die Vorprüfung beurteilt nach Abschluss der ersten Ausbildungsphase die Einsatzfähigkeit der Polizistinnen und Polizisten, wobei die Anforderungen gesamtschweizerisch einheitlich sind. Das Bestehen der Vorprüfung ist Zulassungsbedingung für das Praxisjahr und die abschliessende Berufsprüfung.

Hauptprüfung (Berufsprüfung): Die Berufsprüfung wird gesamtschweizerisch mit denselben Instrumenten durchgeführt und orientiert sich an den individuellen Praxiserfahrungen der Polizistinnen und Polizisten in der zweiten Ausbildungsphase. Das Anforderungsniveau ist im Kompetenzprofil definiert, während die Prüfungsinstrumente

von den Ausbildungsverantwortlichen als Vertreterinnen und Vertreter der Praxis ausgearbeitet und von der Prüfungskommission freigegeben werden.

2.3 Projektstruktur und -organisation

Ausgehend von der Grundidee sowie den daraus resultierenden Rahmenbedingungen wurden Struktur und Organisation des Gesamtprojekts «BGK 2020» wie folgt festgelegt:

 Operative Projektleitung (PL)

 Begleitausschuss der Projektleitung (BAPL)

 Teilprojekt 1: Kompetenzprofile

 Teilprojekt 2: Polizeiliche/-r Sicherheitsassistent/-in

 Teilprojekt 3: Praxiskonzept

 Teilprojekt 4: Berufsprüfung

 Teilprojekt 5: Didaktisches Konzept

 Teilprojekt 6: Höhere Fachprüfung 1

 Teilprojekt 7: Höhere Fachprüfung 2

Im vorliegenden Bericht wird das Hauptaugenmerk auf das Teilprojekt 4 (Berufsprüfung) gelegt.

2.4 Finanzierung

Das Budget des Projekts «BGK 2020» wurde aufgrund des von der KKJPD erhaltenen Auftrags und der von den wichtigsten Leistungserbringern eingeholten Offerten anfangs mit CHF 500 000 veranschlagt.

Die effektiven Projektkosten beliefen sich wegen der kontinuierlichen Anpassung des Auftrags im Projektverlauf schliesslich auf CHF 1 713 087.

Die Kosten verteilen sich wie folgt:

Kosten der Leistungserbringer

kosten

Mit Ausnahme der Übersetzungsarbeiten, die vom Sprachdienst des SPI in Rechnung gestellt wurden, ist die umfängliche Arbeit der Mitarbeitenden des SPI und der Polizeikorps, die ihr Personal für dieses Projekt kostenlos zur Verfügung gestellt haben, in den oben genannten Kosten nicht enthalten.

Das Projekt «BGK 2020» wurde folgendermassen finanziert:

Mit der Übernahme von 77,1 % der Kosten hat das SPI massgeblich zur Umsetzung des Projekts «BGK 2020» beigetragen.

3. BGK 2020 – Projektergebnisse

Gestützt auf dem übergeordneten Entscheid der politisch-strategischen Behörden (darunter KKJPD und KKPKS), dass die auf zwei Jahre verlängerte Grundausbildung aus einem Theoriejahr an den Polizeischulen und einem Praxisjahr (Praktikum) in den Korps bestehen soll, wurde die operative Projektleitung mit der Überprüfung, Anpassung und Weiterentwickelung der bestehenden Konzepte, Instrumente und Grundlagendokumente sowie der Erarbeitung der zusätzlich erforderlichen Unterlagen beauftragt. Diese Arbeiten standen und stehen nach wie vor unter der Prämisse, dass die Ausbildungsverlängerung vorrangig der Stärkung der Handlungskompetenzen und somit der Qualitätssteigerung zugunsten des operativen Einsatzes dienen soll, und weniger der Vermittlung von (zusätzlichem) Wissen.

Im Folgenden werden die einzelnen Produkte und Ergebnisse detailliert erörtert.

3.1 Ausbildungsplan Polizei (APP)

Die politisch-strategischen Behörden (darunter KKJPD und KKPKS) trafen den Entscheid, die Grundausbildung der Polizei auf zwei Jahre zu verlängern: einem Theoriejahr an den Polizeischulen und einem Praxisjahr in den Korps. Die operative Projektleitung wurde mit der Überprüfung, Anpassung und Weiterentwickelung der bestehenden Konzepte, Instrumente und Dokumente beauftragt. Ziel war es, die Handlungskompetenzen zu stärken und die Qualität desoperativen Einsatzes zu erhöhen, anstatt nur zusätzliches Wissen zu vermitteln.

Der Ausbildungsplan Polizei (APP) basiert auf dem Rahmenlehrplan von 2014 und beinhaltet wesentliche Aspekte des Polizeiberufs sowie aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse in Methodik und Didaktik. Er stützt sich auf das Berufsbildungsgesetz (BBG), die Verordnung über die Berufsbildung (BBV) und die Prüfungsordnung für Polizistinnen und Polizisten und wurde in enger Zusammenarbeit mit den Polizeikonkordaten, der Militär- und Transportpolizei sowie den Polizeischulen entwickelt. Der APP wurde am 14. Juni 2019 verabschiedet und ersetzt den bisherigen Lehrplan. Er gibt gemäss dem BGK 2020 für die Grundausbildung der Polizistinnen und Polizisten einen klar definierten Rahmen vor und dient als gesamtschweizerisches Steuerungsinstrument für die Grundausbildung.

Der APP ist ein für die Schweizer Polizeiorganisationen entwickeltes Dokument der Trägerschaft, in dem die Grundsätze der polizeilichen Grundausbildung festlegt sind und ein gemeinsamer Rahmen für die Lehrpläne der Polizeischulen und die Aus- und Weiterbildungspläne der Organisationen geschaffen wird. Er dient als zentrales Mittel zur Umsetzung einer modernen, einheitlichen polizeilichen Ausbildung in der Schweiz, vermittelt den künftigen Aspirantinnen und Aspiranten einen Überblick über die Struktur und Ziele der Ausbildung und stärkt die Identifikation mit dem Berufsbild «Polizistin / Polizist».

Der APP gewährleistet die Steuerung, Qualitätssicherung und Weiterentwicklung der Polizeiausbildung und fungiert als wichtiges Umsetzungsinstrument, um die Kompetenzorientierung im Ausbildungssystem zu verankern. Er schafft Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit und dient als Kompass für die Ausbildung, bietet aber auch Freiräume für kreative Lernprozesse.

Er bildet einen verbindlichen Rahmen für die zweijährige Ausbildung, wobei die Polizeischulen für den Kompetenzaufbau und die Korps für die Konsolidierung von Erfahrungswissen zuständig sind. Der APP legt Ausbildungsinhalte und Standards fest, respektiert jedoch die Autonomie der Schulen und Korps in der Umsetzung. Er fördert den schweizweiten Austausch zur Optimierung der Ausbildungspraxis und vermittelt ein einheitliches Verständnis der Werte und Normen des Polizeiberufs.

3.2 Aufteilung in zwei Ausbildungsphasen

Die sich über zwei Jahre erstreckende Grundausbildung ist in zwei Phasen unterteilt.

3.2.1 Ausbildungsphase 1 (Schuljahr)

Die erste Ausbildungsphase umfasst etwa 1200 Lektionen Lernzeit, die durch Präsenzunterricht, selbstorganisiertes Lernen oder andere Lehrmethoden gestaltet werden kann. Ergänzt wird dies durch korpsspezifische Ausbildungen und Praktika von 9 bis 15 Wochen, die einwöchige Prüfung der Einsatzfähigkeit und einen Ferienanspruch von 4 bis 5 Wochen. Die Ausbildung erfolgt auf der Grundlage des Qualifikationsprofils für Polizistinnen und Polizisten

Ein grosser Teil der Polizeiausbildung findet ausserhalb der Schulzimmer statt (z. B. auf Übungsgeländen, im Dojo, auf Schiessplätzen und Sportanlagen). Die Ausbildung ist praxis- und kompetenzorientiert und schafft ein solides Fundament an Wissen, Können, Haltung und lebenslanger Lernbereitschaft, welches die langfristige Berufstätigkeit der Polizistinnen und Polizisten sicherstellt Die Methodenvielfalt bietet den Ausbildenden Flexibilität in der Umsetzung, wodurch die Qualität der Ausbildung gefördert und individuelle Lernwege unterstützt werden.

3.2.2 Ausbildungsphase 2 (Praxisjahr)

Die zweite Ausbildungsphase beginnt nach der erfolgreich absolvierten Vorprüfung (Prüfung Einsatzfähigkeit, PEF), dauert etwa ein Jahr und findet im jeweiligen Stammkorps statt. Letztere sind für die Planung und Umsetzung dieser Ausbildungsphase verantwortlich, die sich inhaltlich am Qualifikationsprofil für Polizistinnen und Polizisten orientiert Bei der Erarbeitung der Praxisinstrumente erhalten die angehenden Polizistinnen und Polizisten Unterstützung von Praxisbegleiterinnen und -begleitern sowie Mentorinnen und Mentoren

Nach der individuellen Einführung in ihr Korps erwerben und festigen die Polizistinnen und Polizisten in Ausbildung vor allem ihr Praxis-Know-how. Die Praxisinstrumente geben dabei die Richtung vor und begleiten den Lernprozess. Alle Lernleistungen werden in einem schriftlichen Portfoliobericht zusammengefasst, der das erworbene

Know-how und die Reflexionsfähigkeit darstellt und als Grundlage für das Fachgespräch der eidgenössischen Berufsprüfung (BP) dient.

3.3 Vorprüfung (Prüfung Einsatzfähigkeit)

Die Prüfung Einsatzfähigkeit (PEF) wird schweizweit nach einheitlichen Vorgaben durchgeführt und ist Voraussetzung für die Zulassung zur eidgenössischen Berufsprüfung nach dem Praxisjahr. Sie ähnelt der Berufsprüfung des früheren einjährigen Systems und stellt sicher, dass die operative Einsatzfähigkeit der angehenden Polizistinnen und Polizisten nach dem ersten Jahr überprüft wird. Die PEF bescheinigt die erforderlichen Fachkenntnisse und Fertigkeiten sowie die Fähigkeit zur Reflexion über die Werte und Normen der Polizeiarbeit.

3.3.1 Die vier Prüfungsteile der Vorprüfung

Die Vorprüfung ist in vier Prüfungsteile aufgeteilt. Die Prüfungssystematik ist so konzipiert, dass die Kompetenzen gemäss dem zugrunde liegenden Kompetenzprofil ganzheitlich abgebildet und überprüft werden.

3.3.1.1 Prüfungsteil 1 – Angewandtes und vernetztes Polizeirecht (schriftlich)

In diesem Prüfungsteil werden hauptsächlich folgende Grundlagen behandelt:

 Strafgesetzbuch

 Strafprozessordnung

 Strassenverkehrsgesetz

 Menschenrechte und Berufsethik

Zusätzlich können folgende Grundlagen geprüft werden:

 Bundesgesetz über die Betäubungsmittel und die psychotropen Stoffe

 Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration

In der Prüfung werden drei verschiedene kompetenzorientierte Prüfungsmethoden angewandt:

3.3.1.2 Prüfungsteil 2 – Entgegennahme einer Anzeige (mündlich)Im Fokus dieses Prüfungsteils stehen das Vorgehen bei der Entgegennahme einer Anzeige sowie die damit verbundenen sozialen, psychologischen und ethischen Werte der Polizeiarbeit. In einem Rollenspiel wird das Entgegennehmen einer Anzeige simuliert und anschliessend von den Kandidatinnen und Kandidaten individuell reflektiert Im Fachgespräch erläutern die Kandidatinnen und Kandidaten ihre Erkenntnisse und beantworten Vertiefungsfragen der Expertinnen und Experten Die Szenarien sind schweizweit einheitlich und werden erst zu Prüfungsbeginn bekannt gegeben.

3.3.1.3 Prüfungsteile 3 und 4 – Polizeipraxis 1 und 2 (praktisch) In Zweiergruppen werden den Kandidatinnen und Kandidaten nach dem Zufallsprinzip zwei von vier ausgewählten Szenarien zugelost (Sicherheitspolizei / Verkehrspolizei / Kriminalpolizei). Die Kandidatinnen und Kandidaten erfahren erst vor Prüfungsbeginn,

welche Szenarien ihnen zugeteilt wurden. Alle Szenarien werden praktisch durchgeführt, wobei die Rollenverteilung innerhalb des Zweierteams von den Kandidatinnen und Kandidaten frei gewählt werden kann.

3.4 Die drei Praxisinstrumente

In der zweiten Ausbildungsphase vertiefen die angehenden Polizistinnen und Polizisten das angeeignete Wissen und Können durch die Bearbeitung praktischer Fälle. Mit der Unterstützung von Praxisbegleiterinnen und -begleitern sowie Mentorinnen und Mentoren erstellen sie ein Portfolio, das als Grundlage für die Hauptprüfung (Berufsprüfung) dient. Die bearbeiteten Fälle entsprechen den Anforderungen des jeweiligen Korps. Die zweijährige Grundausbildung wird mit einem Portfoliobericht und einem Fachgespräch bei der Hauptprüfung abgeschlossen

3.4.1 Praxisauftrag

Während der Ausbildung im Polizeikorps liegt der Fokus auf dem Erwerb von PraxisKnow-how. Die angehenden Polizistinnen und Polizisten führen mindestens zwei Praxisaufträge durch, die die Auseinandersetzung mit zentralen Aufgaben des Polizeialltags und die Reflexion des eigenen Handelns fördern. Jeder Auftrag besteht aus der Ausführung einer praktischen Handlung, welche schriftlich dokumentiert und reflektiert wird. Die Polizistinnen und Polizisten in Ausbildung setzen ihre Handlungskompetenzen im Praxisalltag um und reflektieren diese anhand der vorgegebenen Vorlagen für Praxisaufträge.

3.4.2 Kompetenzraster

Das Kompetenzraster dient den angehenden Polizistinnen und Polizisten dazu, ihre persönlichen Kompetenzen anhand des Qualifikationsprofils zu beurteilen. Für jeden im Praxisauftrag bearbeiteten Handlungskompetenzbereich wird ein eigenes Kompetenzraster erstellt. Es handelt sich hierbei nicht um eine Prüfung, sondern um eine ehrliche Einschätzung der eigenen Kompetenzen.

Neben der Selbsteinschätzung erfolgt auch eine Fremdeinschätzung, die von Mentorinnen und Mentoren, Praxisbegleiterinnen und -begleitern oder Kolleginnen und Kollegen durchgeführt wird. Die Ergebnisse beider Beurteilungen bilden die Grundlage für die Erstellung des Portfolioberichts.

3.4.3 Dispositionscheck

Neben Fähigkeiten und Fertigkeiten sind auch Einstellung und Haltung der Polizistinnen und Polizisten von Bedeutung. Der Dispositionscheck macht diese sichtbar, indem sich die Kandidatinnen und Kandidaten mit ihrer persönlichen Haltung und Motivation auseinandersetzen. Dies geschieht anhand eines Fragebogens, der auf Skalen mit zwei Extrempolen die eigene Position abbildet, wobei es keine «richtigen» oder «falschen» Antworten gibt. Der Dispositionscheck wird gegen Ende der zweiten Ausbildungsphase vor der Erstellung des Portfolioberichts durchgeführt. Seine Ergebnisse fliessen in den Bericht ein, ohne direkt bewertet zu werden

Der Dispositionscheck bildet neben Kompetenzraster und Praxisaufträgen eine der drei Grundlagen für den Portfoliobericht. Praxisbegleiterinnen und -begleiter sowie Mentorinnen und Mentoren sind bei der Erstellung nicht direkt eingebunden, können jedoch bei der Auswertung der Ergebnisse Unterstützung bieten.

3.5 Hauptprüfung (Berufsprüfung)

Ziel der zweiten Ausbildungsphase ist es, Handlungskompetenzen aufzubauen, Routine zu entwickeln und das Rollenverständnis zu festigen. Die Ergebnisse der im Praxisjahr bearbeiteten Instrumente (Portfolio) werden in einem Portfoliobericht zusammengefasst, der nach einheitlichen Vorgaben erstellt und durch ein Fachgespräch vertieft wird. Das Portfolio enthält alle in der zweiten Ausbildungsphase erarbeiteten Praxisinstrumente und dient als Grundlage für den Portfoliobericht, der in der Berufsprüfung präsentiert wird

In der Berufsprüfung wird die nach dem zweiten Jahr erworbene Praxiserfahrung, einschliesslich Fachwissen, Fertigkeiten, Werten und Reflexionsfähigkeit, sowie die Handlungskompetenz in den Einsatzgebieten der Polizistinnen und Polizisten gemäss Kompetenzprofil überprüft und bewertet

3.5.1 Die zwei Prüfungsteile

Die Hauptprüfung besteht aus zwei Prüfungsteilen

3.5.1.1 Prüfungsteil 5 – Portfoliobericht (schriftlich)

Während des Praxisjahrs arbeiten die Kandidatinnen und Kandidaten mit den Praxisinstrumenten Kompetenzraster, Dispositionscheck und Praxisauftrag. Darauf basierend erstellen sie einen Portfoliobericht, der folgende Kapitel umfasst:

 Mein Praxisjahr

 Erfahrungen und Entwicklung im Praxisjahr

 Stärken und Entwicklungspotenzial

 Vergleich der Dispositionschecks

 Zusammenarbeit und Verhalten im Team, Selbstmanagement

 Meine Rolle und Beziehung zum Korps

3.5.1.2 Prüfungsteil 6 – Fachgespräch (mündlich)

In Prüfungsteil 6 führen die Expertinnen und Experten mit den Kandidatinnen und Kandidaten ein Fachgespräch. Dabei stellen die Kandidatinnen und Kandidaten ihre Argumentations- und Reflexionsfähigkeit sowie ihre Fachkompetenz unter Beweis.

4. Rückblick auf die ersten operativen Jahre

Der Ausbruch der Pandemie und die damit verbundenen Massnahmen führten zu einer Verzögerung bei der operativen Umsetzung des BGK 2020, sodass die neue Prüfungsordnung erst per 1. Januar 2021 in Kraft trat. 2021 lag der Schwerpunkt auf der Vorprüfung (Prüfung Einsatzfähigkeit), die inhaltlich weitgehend der alten Berufsprüfung entsprach. Im Jahr 2022 wurden erstmals die Hauptprüfungen in allen fünf Prüfungskreisen organisiert, was zu einem erhöhten administrativen Aufwand für die Prüfungssekretariate und die Geschäftsstelle OdA Polizei führte.

Die Geschäftsstelle übernahm auch die Verantwortung für die Konzeption, Organisation und Durchführung aller Aus- und Weiterbildungen für die involvierten Personen. Die Jahre 2021 und 2022 dienten als Pilotjahre, um die neuen Anpassungen umzusetzen und zu analysieren. Basierend auf den Rückmeldungen wurden 2023 Änderungen vorgenommen und ein nationaler Erfahrungsaustausch (ERFA) für folgende Zielgruppen organisiert:

 Prüfungsexpertinnen und -experten (PEX) Vorprüfung

 Prüfungsexpertinnen und -experten (PEX) Hauptprüfung

 Mentorinnen und Mentoren

 Nationaler Kursstab Prüfungsexpertinnen und -experten (PEX) Vorprüfung

 Nationaler Kursstab Prüfungsexpertinnen und -experten (PEX) Hauptprüfung

 Nationaler Kursstab Mentorinnen und Mentoren

Ziel des Erfahrungsaustauschs (ERFA) war es, dass am Prüfungssystem beteiligte Personen über sprachliche und konkordats- sowie prüfungskreisübergreifende Themen diskutieren und der Prüfungskommission anhand der gemachten Erfahrungen Rückmeldungen geben. Eine Zusammenfassung dieser Rückmeldungen findet sich in Kapitel 4.2.

Da nicht alle ausgebildeten und zertifizierten Personen des Prüfungssystems an den ERFA-Tagen teilnehmen konnten und somit kein umfassendes Bild entstand, entschied sich die Prüfungskommission zu einer umfassenden Online-Befragung aller Zielgruppen. Die Ergebnisse dieser Umfrage bilden eine wichtige Grundlage für den Schlussbericht und sind in Kapitel 4.3 zusammengefasst.

4.1 Konzeption der Aus- und Weiterbildungen

Das im Rahmen des BGK 2020 entwickelte Ausbildungskonzept ist modular aufgebaut und umfasst Präsenz- und Online-Phasen.

Für alle zuvor genannten Funktionen, insbesondere aber für Mentorinnen und Mentoren sowie Prüfungsexpertinnen und -experten, wurde eine spezielle Ausbildung eingeführt.

Dank der Flexibilität des Modulsystems konnten die verschiedenen Kurse mitten in der Pandemiezeit stattfinden – in Form von Online-Unterricht.

4.1.1 Prüfungsexpertinnen und -experten (PEX) Vorprüfung

Die Ausbildung der Expertinnen und Experten für die Vorprüfung besteht aus drei Phasen. Die erste umfasst eine halbtägige Online-Veranstaltung, an der das BGK 2020 vorgestellt und auf die Rolle der Expertinnen und Experten eingegangen wird. In Phase 2 wird auf der Lernplattform Konvink innerhalb eines Monats ein ELearning absolviert, in dem das Konzept der Vorprüfung und die kompetenzorientierten Beurteilungsraster erläutert werden. Phase 3a findet als Präsenztag statt – hier geht es um den Abbau von Subjektivität und um die Analyse von praktischen Problemfeldern. Phase 3b bestand anfangs aus einer eintägigen Prüfungssimulation, die anschliessend auf einen halben Tag verkürzt und schliesslich in die Kaderkurse integriert wurde.

4.1.2 Mentorinnen und Mentoren

Im Rahmen des BGK 2020 unterstützen Mentorinnen und Mentoren die Polizistinnen und Polizisten in Ausbildung vor allem bei der Erstellung des persönlichen Portfolios und des Portfolioberichts. Zu ihren Aufgaben gehört es, die Ziele des Mentorings zu erklären, Lernziele festzulegen und auf die korrekte Umsetzung der beschlossenen Massnahmen zu achten, die gezielt optimiert werden können.

Mentorinnen und Mentoren organisieren während des gesamten Praktikumsjahrs Gespräche, darunter auch ein Abschlussgespräch, in dem die erworbenen Kompetenzen mithilfe der Praxisinstrumente bewertet werden. Sie geben Rückmeldungen zu den Sozial- und Selbstkompetenzen und tauschen mit anderen Beteiligten relevante Informationen aus.

Die Ausbildung der Mentorinnen und Mentoren umfasst vier Phasen, bestehend aus einem E-Learning auf der Lernplattform Konvink, einer eintägigen Online-Schulung, einem Modul zum Thema schwierige Gespräche und einer eintägigen PräsenzVeranstaltung zum Thema Praxisinstrumente.

4.1.3 Praxisbegleiterinnen und -begleiter

Auch die Praxisbegleiterinnen und -begleiter betreuen die Polizistinnen und Polizisten in Ausbildung im Polizeikorps. Ihr Aufgabenbereich umfasst die Erteilung von Praxisaufträgen, «On the job»-Anweisungen und, falls nötig, spezielle Simulationstrainings. Praxisbegleiterinnen und -begleiter stellen sicher, dass die Aufträge klar und verständlich sind und dem Wissensstand der angehenden Polizistinnen und Polizisten entsprechen. Nach der Auftragserfüllung geben sie ein ausführliches Feedback.

In regelmässigen Gesprächen werden die persönliche Weiterentwicklung der Polizistinnen und Polizisten in Ausbildung besprochen und die Lernmassnahmen ggf.

angepasst. Bei unangemessenem Verhalten oder unzureichenden Leistungen informieren die Praxisbegleiterinnen und -begleiter umgehend die Mentorinnen und Mentoren. In Beurteilungsgesprächen geben sie Rückmeldungen zu den erworbenen Kompetenzen und beziehen ggf. auch die Mentorinnen und Mentoren ein.

Sie beraten die angehenden Polizistinnen und Polizisten in beruflichen, organisatorischen und persönlichen Belangen und unterstützen sie in ihrer Weiterentwicklung und bei den Praxisaufträgen, sie geben aber auch Ratschläge zu Verhaltensweisen. Die Ausbildung der Praxisbegleiterinnen und -begleiter erfolgt über ein E-Learning, einige Organisationen bieten jedoch auch eine eigene interne Ausbildung an.

4.1.4 Prüfungsexpertinnen und -experten (PEX) Hauptprüfung

Die Expertinnen und Experten der Hauptprüfung beurteilen die Portfolioberichte für die schriftliche Prüfung und führen darauf gestützt die mündliche Prüfung durch. Sie verwenden dabei schweizweit standardisierte Beurteilungsraster, damit eine umfassende und einheitliche Bewertung gewährleistet ist. Der Portfoliobericht wird in einem Standardformat verfasst, um die Korrektur zu erleichtern. In der 45-minütigen mündlichen Prüfung halten die Kandidatinnen und Kandidaten zunächst eine 10minütige Präsentation, woraufhin sie Fragen von den Expertinnen und Experten beantworten, einen spezifischen Mini-Case bearbeiten und ggf. Erläuterungen zu ihrem Bericht geben.

Die Ausbildung der Expertinnen und Experten für die Hauptprüfung findet in drei Phasen statt. Die erste Phase umfasst eine halbtägige Online-Veranstaltung, an der das BGK 2020 vorgestellt wird und die Expertinnen und Experten auf die nächste Phase vorbereitet werden. Diese besteht – wie bei den Expertinnen und Experten der Vorprüfung – aus einem E-Learning, das innerhalb eines Monats auf der NBPP absolviert wird und in dem das Konzept der Hauptprüfung, die Prüfungen sowie die kompetenzorientierten Beurteilungsraster erläutert werden. Phase 3 gliedert sich in zwei Präsenztage und behandelt den Abbau von Subjektivität und die Beurteilung der Kompetenzen. Im Fokus des ersten Tages stehen Einzel- und Gruppenarbeiten zur Beurteilung der Portfolioberichte. Der zweite Tag ist der mündlichen Prüfung gewidmet. Anhand von Prüfungssimulationen werden das Formulieren von gezielten Fragen trainiert und die Kompetenzen der Expertinnen und Experten beurteilt. Dabei kommen auch Videoaufnahmen von Portfolioberichtpräsentationen zum Einsatz.

4.2 Überblick ERFA-Tage (2023)

Zwischen August und Oktober 2023 organisierte die Geschäftsstelle OdA Polizei sechs ERFA-Tage, die als Plattform für den Austausch von Erfahrungen unter den beteiligten Akteurinnen und Akteuren dienten. Die Veranstaltungen fanden teils online, teils in Präsenz statt und ermöglichten es den Teilnehmenden, neben dem Erfahrungsaustausch auch über Verbesserungen in der Ausbildung und in den Prüfungsprozessen zu diskutieren.

Die ERFA-Tage wurden insbesondere von den Teilnehmenden aus derWestschweiz und dem Tessin − überwiegend positiv bewertet, aus der Deutschschweiz waren hingegen weniger Teilnehmende vor Ort. Die Diskussionen konzentrierten sich auf die Themenbereiche Grundausbildung, Einsatz in der Praxis, Feedback zu den verwendeten Instrumenten sowie auf die Weiterentwicklung und Optimierung der Ausbildungsprozesse. Es wurde ein allgemeiner Wunsch nach einem regelmässigen jährlichen Erfahrungsaustausch geäussert, welchem die Prüfungskommission ab 2025 nachkommen möchte.

Die Rückmeldungen zur neuen polizeilichen Grundausbildung waren positiv, da diese die Reflexion und das lebenslange Lernen fördert. Ein Kritikpunkt war jedoch, dass die Beurteilung fachlicher Kompetenzen im Vergleich zu sozialen Kompetenzen an Bedeutung verloren habe. Die Ausbildungskurse für Mentorinnen und Mentoren sowie Prüfungsexpertinnen und -experten wurden ebenfalls positiv aufgenommen, insbesondere das hybride Lernformat, obgleich die Online-Phasen als zu informationsreich und intensiv empfunden wurden. Präsenzunterricht wurde für praxisnahe Schulungen und Simulationen als besser geeignet angesehen

Zu den vorrangigen Verbesserungsvorschlägen zählen die Optimierung der Übersetzungen und die verbesserte Übermittlung der Dokumente, damit die Rolle der Mentorinnen und Mentoren sowie Praxisbegleiterinnen und -begleiter in den Polizeikorps vereinheitlicht und anerkannt wird. Zudem wurde auf organisatorische und administrative Probleme in Bezug auf das Anmeldeverfahren und die Archivierungsprozesse hingewiesen, die einer Klärung bedürfen.

4.3 Umfrage zum Schlussbericht BGK 2020

Das Prüfungssystem muss in den kommenden Jahren von der Prüfungskommission weiterentwickelt werden, um eine zeitgemässe und kompetenzorientierte Ausrichtung sicherzustellen. Im April 2024 wurde eine umfassende Befragung von 4858 Personen aus verschiedenen Zielgruppen durchgeführt mit dem Ziel, die Perspektiven aller beteiligten Akteurinnen und Akteure zu berücksichtigen. Es gingen 1290 Rückmeldungen ein (26,55 %). Die wesentlichen Ergebnisse der Umfrage lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Ergebnisse zur Ausbildungsphase 1: Schuljahr

Das Konzept der Vorprüfung wird insgesamt als zeitgemäss, kompetenzorientiert und sinnvoll bewertet. Die Prüfungsstruktur mit schriftlichen, mündlichen und praktischen Teilen wird als angemessen betrachtet und die Kompetenzorientierung des BGK 2020 geschätzt, dennoch wird eine stärkere Ausrichtung auf die Kompetenzentwicklung und eine differenziertere Bewertung der Prüfungsteile gefordert. Die Schulung und Einbindung aller Beteiligten, insbesondere der Schuldirektionen, sollte den Ergebnissen zufolge intensiviert werden, um die Effizienz und Effektivität der Prüfungen zu erhöhen. Die Notwendigkeit einer klareren Kommunikation und verbesserten Dokumentation wird ebenfalls hervorgehoben, um eine einheitliche Vorgehensweise zu gewährleisten.

Die Prüfungssekretariate sehen Anpassungen im organisatorischen Management und in der Planung als zentrale Herausforderungen an. Kontinuierliche Schulungen und eine verbesserte Planung sind erforderlich, um den Übergang zu neuen Systemen zu erleichtern und der steigenden Anzahl an Kandidatinnen und Kandidaten gerecht zu werden.

Ergebnisse zur Ausbildungsphase 2: Praxisjahr

Das Konzept der Hauptprüfung wird als praxisnah und wertvoll angesehen, insbesondere Instrumente wie der Praxisauftrag und das Kompetenzraster. Der Dispositionscheck wird hingegen als weniger nützlich erachtet und sollte überarbeitet werden. Die Einführung der zweiten Ausbildungsphase wird als bedeutender Mehrwert angesehen, da sie die Anwendung und Vertiefung von Wissen sowie die Entwicklung der Kompetenzen fördert. Gleichzeitig muss der administrative Aufwand reduziert und mehr Ressourcen für Betreuung und flexible Ausbildungsprozesse zur Verfügung gestellt werden. Die Hauptprüfung sollte noch praxisorientierter gestaltet werden, um operative Kompetenzen besser überprüfen zu können und den Bedarf an Nachschulungen in den Polizeikorps zu verringern.

Darüber hinaus wird eine verbesserte Planung der Prüfungstermine empfohlen, um die Wiederholung im gleichen Prüfungskreis zu ermöglichen, und eine klare Regelung für die Nutzung technologischer Hilfsmittel vorgeschlagen. Die Unterlagen in allen Amtssprachen sollten fortlaufend aktualisiert werden, um Diskrepanzen zu vermeiden. Ein weiterer Punkt betraf die Gewichtung des Dispositionschecks, die zugunsten praxisnaher Inhalte angepasst werden sollte.

Fazit und Empfehlungen

Die Umfrageergebnisse verdeutlichen die Notwendigkeit umfassender Optimierungen im Prüfungssystem. Es wird empfohlen, die Kompetenzorientierung weiter auszubauen, die Bewertungssysteme zu verfeinern und die Effizienz der Prüfungsprozesse zu verbessern. Die Einbindung aller relevanten Akteurinnen und Akteure, die Anpassung der Prüfungsinstrumente und eine klarere Kommunikation sind entscheidend, um die Qualität von Ausbildung und Prüfungen langfristig sicherzustellen.

5. Überprüfung Zielerreichung, Lehren und Konsequenzen

Die Umstellung auf die neue polizeiliche Grundausbildung (BGK 2020) kann insgesamt als Erfolg bezeichnet werden. Die zentralen Ziele der kompetenzorientierten Ausbildung und der Stärkung der operativen Einsatzfähigkeit wurden weitgehend erreicht. Das Modell der zweijährigen Ausbildung mit einem Schuljahr an den Polizeischulen und einem Praxisjahr in den Korps hat sich als praxisnah und strukturiert erwiesen. Der neue Ausbildungsplan Polizei (APP) fördert die Handlungskompetenzen und steigert die Qualität der Ausbildung. Dennoch besteht insbesondere in Bezug auf die Praxisorientierung der Hauptprüfung Optimierungsbedarf, um die operativen Kompetenzen besser abzubilden und den Bedarf an Nachschulungen zu reduzieren. Die Trennung der Prüfung von theoretischen und praktischen Kompetenzen sollte überdacht werden.

Es hat sich gezeigt, dass die Kompetenzorientierung verstärkt werden muss − insbesondere bei der Beurteilung der fachlichen Kompetenzen, die nicht zugunsten sozialer und reflexiver Fähigkeiten vernachlässigt werden dürfen. Die Beurteilungsraster und Instrumente sind weiter zu optimieren, damit eine ganzheitliche Bewertung gewährleistet wird. Eine klare und kontinuierliche Kommunikation sowie die einheitliche Aktualisierung aller Prüfungsdokumente in allen Amtssprachen sind notwendig, um die Einheitlichkeit über alle Funktionen und Prüfungskreise zu gewährleisten

Regelmässige Weiterbildung und der Austausch zwischen Mentorinnen und Mentoren sowie Prüfungsexpertinnen und -experten sind entscheidend, um die Anpassung an neue Anforderungen zu unterstützen und die Standardisierung zu fördern. Es wird empfohlen, die ERFA-Tage aller Rollen und Funktionen zusammenzulegen, um die Vereinheitlichung der Prüfungsprozesse zu fördern.

Die Kombination aus geschlossenen und offenen Formaten ermöglicht eine umfassende Bewertung von Wissen und Fähigkeiten. Die Integration von künstlicher Intelligenz (KI) in die Prüfungen sollte durch erweiterte Eigenständigkeitserklärungen und regelmässige Schulungen zu rechtlichen und ethischen Aspekten transparent gestaltet werden. Dabei sind die korrekte Angabe von KI-generierten Inhalten und der Schutz personenbezogener Daten von zentraler Bedeutung.

Damit die Einhaltung der Prüfungsbestimmungen gewährleistet ist, sind regelmässige Schulungen zu Prüfungsanforderungen, Datenschutz und Urheberrechten durchzuführen. Darüber hinaus sollten Leitfäden mit detaillierten Informationen zu Prüfungsstandards erstellt und als Nachschlagewerke verwendet werden.

6. Empfehlungen

Überprüfung der Kompetenzen

Generative KI

Prüfungsmethodik

Kompetenzorientierung in der Grundausbildung

Die Fachbereiche der Prüfungen sind dafür zuständig, die beurteilten Kompetenzen regelmässig auf ihre Aktualität zu prüfen.

Die Kompetenzen bei der Anwendung generativer KI (Large Language Model, LLM) sollten ganzheitlich (Ausbildung und Prüfung) analysiert werden. Die Schulungen der verschiedenen Rollen (Aspirantinnen und Aspiranten, Lehrpersonal, PEX) sind aufeinander abzustimmen

Die Prüfungsmethodik sollte regelmässig geprüft werden. Mit der Nutzung von generativer KI verlagert sich die Gewichtung der Prüfungsteile.

Die Polizeischulen sollten den kompetenzorientierten Ansatz in ihrem methodisch-didaktische Konzept konsequent umsetzen. Damit wird das Verständnis in allen Rollen gefestigt und das Fundament für die Ausbildung der Führungskräfte und Spezialistinnen und Spezialisten geschaffen, welche künftig ebenfalls kompetenzorientiert sein wird.

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