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GEMÜSE-ABO

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DIE GROSSEN VIER

DIE GROSSEN VIER

WEG VON AGRARKONZERNEN

GARTENCOOP WÄCHST UND GEWINNT KLIMASCHUTZPREIS

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Ganzjährig frisches, saisonales Bio-Gemüse, geerntet vor den Toren der Stadt – die Gartencoop Freiburg liefert wöchentlich kistenweise gesunden Genuss für mehr als 300 Haushalte. Die Mitglieder können dann „ihr“ Gemüse genießen: Sie sind nicht nur Konsumenten, sondern packen selbst mit an.

Kisten mit Lauch, Radicchio, Grünkohl, Butterrüben, Rotkohl, Pastinaken, Möhren stapeln sich in dem kleinen Lagerraum. Es duftet nach frischer Petersilie und Sellerie. Am Morgen wurde das Bio-Gemüse in der Gartencoop bei Tunsel, in der Nähe von Bad Krozingen, geerntet, abgewogen und in Kisten gepackt. Im Car-Sharing-Transporter ging’s zum Umschlagplatz in Freiburg, wo es in Fahrrad-Anhängern zu den 18 Verteilpunkten gebracht wurde. Wie jeden Donnerstag holt Svenja Fugmann ihre Gemüseration am Tennenbacher Platz ab. Seit zehn Jahren ist sie Mitglied der Gartencoop: „Die Idee, die Ernte zu teilen, egal, was es gibt, Verantwortung zu übernehmen, ein Teil der Gemeinschaft zu sein und möglichst klimaneutral zu wirtschaften, haben mich überzeugt. Ich dachte damals: Das ist mein Projekt.“ Sie, ihr Mann und ihr vierjähriger Sohn ernähren sich aus der Coop-Kiste und möchten nicht mehr darauf verzichten. Denn es ist auch „ihr“ Gemüse und es schmeckt besonders gut. Die wöchentliche Lieferung der Gartencoop ist mehr als eine Abo-Kiste: Als Mitglieder in der Gartencoop sind die Fugmanns nicht nur Konsumenten, sie teilen sich die Arbeit, das Risiko und die Ernte. Mehr als 300 Initiativen der „Solidarischen Landwirtschaft“ gibt es bundesweit, rund um Freiburg sind es vier. Die Idee ist einfach: Erzeuger und Verbraucher schließen sich zusammen und wirtschaften dadurch kostengünstig, ökologisch, regional und selbstbestimmt. So auch die Gartencoop, die 2010 gegründet wurde und heute 300 Mitglieder hat. Im vergangenen Jahr erntete sie den Klimaschutzpreis der Stadt Freiburg.

»KRUMM, KÖSTLICH, WERTVOLL«

In Tunsel hat die Coop zehn Hektar Land gepachtet und eine Hofstelle mit Lagerräumen gemietet. Sieben fest angestellte Gärtner und Gärtnerinnen arbeiten vor Ort. Auf dem Freiland und in unbeheizten Folientunneln bauen sie 70 verschiedene Gemüsekulturen, Kartoffeln und Getreide an. Alles samenfeste Sorten. Auch eine Streuobstwiese gehört dazu. Kurze Wege, wenig Maschineneinsatz, viel Handarbeit: Eine nachhaltige Humuswirtschaft und solidarisches Handeln sind wesentlich für die Coop. Die Mitglieder zahlen eine einmalige Einlage von 400 Euro sowie einen monatlichen Beitrag nach Selbsteinschätzung. Über die Finanzen und alle wichtigen Fragen des Betriebs wird basisdemokratisch beschlossen. An fünf halben Tagen im Jahr helfen die Mitglieder beim Jäten, Ernten und Packen von Gemüse und übernehmen Fahrradtransporte. „Alles ist gut

Hofstelle in Tunsel: 70 verschiedene Gemüsekulturen im Angebot.

organisiert“, erzählt Fugmann, „und in zehn Jahren Routine geworden. An Erntetagen wird gekocht. Es ist immer eine tolle Atmosphäre. Jung und Alt sitzen dann zusammen, manche bringen ihre Kinder mit. Es ist bunt mit so vielen verschiedenen Menschen.“ Als Kooperative ist die Gartencoop weitgehend unabhängig von den Marktmechanismen und hat keinen Druck, sich auf wenige, marktfähige Sorten zu spezialisieren. So baut sie auch alte, fast vergessene Sorten an wie Palmkohl, Vulkanspargel oder Kiwano und erhält so die biologische Vielfalt. Samenfeste Sorten zu verwenden hat noch einen Vorteil: Man kann sie nachbauen und muss den Samen nicht zukaufen. Auch das ist Fugmann und den Coop-Mitgliedern wichtig. „Es geht darum, den Agrarkonzernen etwas entgegenzusetzen und ihren großen Teil ein bisschen kleiner zu machen.“ Geschmacklich überzeugen diese Sorten allemal. „Wenn man an samenfeste Sorten gewöhnt ist, dann schmeckt einem das gewöhnliche Gemüse, zum Beispiel im Restaurant, nicht mehr.“ Bei der Ernte in Tunsel wird auch nicht so perfektes Gemüse verwertet. In die Kisten kommt das, was es gerade gibt: im Winter meist Lagergemüse, im Sommer große Mengen an frischem Salat, Tomaten oder Gurken. Den Inhalt der Kiste nicht auswählen zu können, war für Fugmann anfangs noch ungewohnt: „Ich hatte noch nie Pastinaken gesehen, Rüben oder Haferwurzeln. Aber dann hab’ ich gelernt, wie man sie kocht. Jetzt ist es normal. Ich bekomme die Kiste, guck rein und weiß, okay, am Wochenende gibt es das und das.“ Als Umweltpädagogin im Leitungsteam der Freiburger Ökostation hat Svenja Fugmann häufig mit Fragen dazu zu tun, wie sich der ökologische Fußabdruck verkleinern lässt. „Ein wichtiger Punkt ist, beim regionalen Erzeuger einzukaufen. Auch Lebensmittel nicht zu verschwenden. Einfach den Blick ändern und Gemüse kaufen, das nicht der Norm entspricht. Auch mal krummes nehmen, zu großes, zu kleines, es ist trotzdem wertvoll.“

VOM REDEN INS TUN KOMMEN

BEWUSSTER EINKAUFEN IN DER REGION

Nachhaltig, regional, saisonal: Immer mehr Menschen versuchen, ihre Ernährung bewusst zu gestalten. In der Region gibt es verschiedene Konzepte, die es den Käufern ermöglichen, Herkunft, Herstellung und Transportwege ihrer Lebensmittel genau nachzuvollziehen. Ein Überblick.

Marktschwärmer

Marktschwärmer gibt es überall dort, wo jemand motiviert ist, etwas zu verändern. In Freiburg war das Barbara Schneider: „Ich wollte vom Reden ins Tun kommen“, erzählt die 45-Jährige. So hat sie sich im Mai 2017 aufgemacht, Landwirte zu suchen und ihr Projekt zu starten. Mittlerweile verkaufen die Landwirte ihre Erzeugnisse jeden Donnerstag von 17.30 bis 19 Uhr in der Marktschwärmerei im Turmcafé „Hier und Jetzt“ an der Zähringerstraße.

Info: www.marktschwaermer.de

Regionalwert Frischekiste

Die Regionalwert Frischekiste liefert direkt zu den Kunden nach Hause. „Bei uns gibt es quasi alles, wir sind ein Bioladen auf Rädern. Wenn möglich, sind die Produkte Verbandsware, sonst Bio, aber es gibt keine konventionellen Artikel“, sagt Geschäftsführer Valentin Oswald. Beim Bestellvorgang können Kunden Spannendes über Herkunft, geschichtliche oder botanische Fakten die Produkte lesen. Hauptlieferant ist die Gärtnerei Querbeet in Eichstetten.

Info: www.regionalwert-frischekiste.de

Piluweri

Säen, ziehen, ernten: Wer bei der Demeter-Gärtnerei Piluweri bestellt, kriegt hochwertiges biodynamisches Obst und Gemüse nach Hause geliefert. Die Gärtnerei aus dem Markgräflerland steht für Qualität und Demeter-Produkte: „Wir bauen nur so viel an, wie wir auch brauchen, wir haben einen eigenen Kompost und Mist, den wir verwerten. Der Grundgedanke ist, dass alles in einem geschlossenen System bleibt, ohne chemische Pflanzenmittel“, erklärt Sarah Bernhard aus dem Piluweri-Team.

Info: www.piluweri.de

Cowfunding

Fairer, nachhaltiger Fleischkonsum? Ja, das geht – „bei Cowfunding ist das Tierwohl großgeschrieben“, erklärt Barbara Schneider, die Marketingfrau des Projekts. Es gibt nur Produkte von alten Nutztierrassen, die Landwirte werden fair bezahlt, die Tiere genießen Auslauf auf der Weide und werden erst geschlachtet, wenn sie vollständig verkauft sind. Die bestellte Ware gibt es jeden Freitag ab 10 Uhr in der Wiehre-Filiale von Metzger Schmidt in Freiburg. Per Post zuschicken lassen geht auch.

Info: www.cow-funding.de

Obstkiste Freiburg

Vom Großmarkt direkt zum Kunden nach Hause, dafür steht die Obstkiste. „Dort, wo es möglich ist, lege ich Wert auf regionale Bio-Produkte. Aber ich möchte eine vielfältige Kiste anbieten, deshalb gibt es bei mir im Winter nicht nur Lauch, Chinakohl und Weißkraut. Das unterscheidet mich von den anderen Anbietern“, sagt Betreiber Georg Obermaier. Es gibt auch vegetarische Koch-Kisten mit Rezepten vom Koch des Freiburger Restaurants Herrmann.

Info: www.obstkiste-freiburg.

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