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Blick in die Zukunft
DIE 20. AUSGABE DES FREIBURGER FILMFORUMS: FESTIVAL OF TRANSCULTURAL CINEMA
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von Erika Weisser
In diesem Monat jagt im Kommunalen Kino ein Filmfestival das andere: Gerade ist das 30. Cinelatino zu Ende gegangen, da folgt auf dem Fuß die 20. Ausgabe des hauseigenen Freiburger Filmforums, das inzwischen als „Festival of Transcultural Cinema“ gehandelt wird. Am Freitag, 12. Mai geht’s los – heuer wieder vor Ort im Alten Wiehrebahnhof und mit etwa 30 internationalen Gästen. Den Auftakt macht Rafiki Fariala aus der Zentralafrikanischen Republik: Er präsentiert seine Dokumentation „Nous, étudiants!“.
Indessen haben die Macher·innen um Kurator Mike Schlömer viel gelernt aus dem jüngsten Filmforum 2021, das wegen pandemischer Einschränkungen nur online stattfand: Bei einigen Filmgesprächen sind die Regisseure oder Autoren zugeschaltet, und bei einem Teil des Programms haben Zuschauer·innen die Möglichkeit, die Filme über die Streamingplattform des Kinos zeitgleich mit den im Saal Anwesenden zu sichten.
Zudem entwickelte das fünfköpfige Kern-Team ein ganz neues Format, das es erlaubt, an verschiedenen analogen Orten synchron den gleichen Dokumentarfilm zu sehen. #Junctions nennen sie dieses Experiment, mit dem neue Rezeptionsformen erprobt werden sollen – „im „außereuropäischen Austausch“, wie Schlömer betont. Dabei sind Besucher des Unseen-Kinos in der kenianischen Hauptstadt Nairobi sowie Gäste des Conflictoriums im indischen Ahmedabad per Livestream mit dem KoKi-Publikum in Freiburg verbunden; alle sehen den gleichen Film und kommen hernach miteinander ins Gespräch. An fünf der insgesamt zehn Festivaltage gibt es Vorführungen innerhalb dieses #Junction-Programms.
Mike Schlömer ist gespannt, wie das neue Format ankommt. Ansonsten ist er froh, dass das Filmforum „endlich wieder Bodenhaftung“ hat. Auch wenn der diesjährige Themenschwerpunkt eher in den Sternen steht: Um die Zukunft geht es, also „um das, was uns noch erwartet, uns aber heute schon bestimmt, weil wir damit rechnen müssen, genau das zu erleben, was wir eigentlich verhindern wollen“. Dabei müsste es eigentlich „Zukünfte“ heißen, weil die Realitäten unterschiedlich seien – und damit auch das, was in den verschiedenen Weltgegenden auf die Menschen zukomme.
Dabei könnten Filmbilder der Gegenwart als Schnittstelle zur Zukunft dienen: „Hierzulande dystopisch anmutende Szenarien sind andernorts bereits Realität“, wie etwa in „Everything that breathes“ zu sehen sein wird. Dieses Thema sei derzeit so relevant, dass es neben dem Hauptprogramm und der bewährten Student’s Platform ein neues Format gibt: „Filming Futures“ heißt es.
Es gibt vier Kurzfilmprogramme, die wagemutig in die Zukunft blicken. Einige dieser Dokus sind beim Outdoor-Programm „Living Walls“ zu sehen, wenn am späten Abend des 16. Mai geeignete Freiburger Hauswände mit bewegten Bildern belebt werden.
Die Geschichte Vom Holzf Ller
Finnland 2022
Regie: Mikko Myllylahti
Mit: Jarkko Lahti, Hannu-Pekka
Björkman u.a.
Verleih: eksystent
Laufzeit: 99 Minuten
Start: 11. Mai 2023
Das Alte stürzt ein
(ewei). Im Norden Finnlands ist nicht viel los. Auch in der Kleinstadt, in der Pepe mit seiner Familie lebt: Der einzige Treffpunkt ist die Bar, wo sich Groß und Klein, Alt und Jung versammeln und trinken, Billard spielen oder tanzen. Manchmal schweigen sich alle auch an; in dieser Region wird nicht viel geredet.
Pepe ist Holzfäller; sein Leben ist einfach und sorgenfrei. Er hat seinen besten Freund, auf den er sich hundertprozentig verlassen kann, eine verständnisvolle Frau und einen anhänglichen Sohn – Thomas, der ihm auf Schritt und Tritt folgt und sein Hobby teilt: Eisangeln.
Doch eines Tages wird unerwartet das Sägewerk geschlossen, in dem Pepe und mit ihm das halbe Städtchen arbeitet. Alle werden erst einmal arbeitslos. Zudem häufen sich bei Pepe private Schicksalsschläge. Doch während das alte Leben um ihn herum in sich zusammenfällt, macht er einfach stoisch weiter. Egal, was passiert. Schwarzhumorig, ein bisschen schräg – und auf besondere Art magisch.
Die Nachbarn Von Oben
Schweiz/Frankreich 2022
Regie: Ursula Meier
Mit: Stéphanie Blanchoud, Valeria Bruni Tedeschi u.a.
Verleih: Piffl
Laufzeit: 103 Minuten
Start: 18. Mai 2023
Jenseits der Wut
(ewei). Margret neigt zu unkontrollierten Wutausbrüchen. Die 35-jährige Musikerin hat deshalb sämtliche Liebes- und Freundesbeziehungen in den Sand gesetzt. Als einzige Bezugspersonen bleiben ihr die als Solo-Pianistin tätige Mutter Christina und die kleine Schwester Marion. Wobei insbesondere das Verhältnis zur Mutter sehr belastet ist.
Als die beiden in einen heftigen Streit geraten, verletzt Margret Christina so schwer, dass diese einen Hörschaden erleidet. Die Polizei rückt an, Margret wird verhaftet und erhält die Auflage, sich während der nächsten drei Monate dem Haus der Mutter nicht zu nähern. Sie muss einen Abstand von mindestens 100 Metern einhalten – eine Grenze, die Marion mit einer Linie markiert, die sie mit blauer Farbe um das ganze Anwesen zieht.
Täglich hält sich die labile Margret an dieser Linie auf, sucht Vergebung – und die Nähe zu ihrer wenig empathischen Mutter, die ihr nie Liebe und Anerkennung zukommen ließ. Doch deren innere Barriere bleibt.
Schweiz 2023
Regie: Sabine Boss
Mit: Sarah Spale, Max Simonischek, Roeland Wiesnekker, Ursina Lardi
Verleih: Wild Bunch
Laufzeit: 88 Minuten
Start: 1. Juni 2023
Ungeahnte Aussichten
(ewei). Anna und Thomas sind schon lange ein Paar. Schon seit 20 Jahren leben sie in derselben Wohnung im selben Mietshaus – mehr neben- als miteinander. Und die Tatsache, dass sie sich allmählich voneinander entfernt haben, hat sie bisher nicht weiter gestört, war ihnen nicht einmal wirklich bewusst.
Das ändert sich, als im Stockwerk über ihnen neue Nachbarn einziehen –ein junges Paar, das ziemlich deutlich hörbar den sexuellen Gefallen aneinander noch nicht verloren hat. Die oft und lautstark ausgelebte Liebesfreude sorgt bei Thomas und Anna für schlaflose Nächte und unruhige Wochenenden –und trifft die beiden bis ins Mark: Ihnen wird bewusst, wie sehr sie in ihrer Ehe festgefahren sind – und dass sie auch einmal Zeiten kannten, da sie kaum voneinander lassen konnten.
Doch anstatt darüber zu reden, giften sie sich nur noch an. Bis Anna die Nachbarn auf einen Drink einlädt –und diese ihr und ihrem Mann ein überraschendes Angebot machen. Wortwitzige Komödie.