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„Bands eine Chance geben“

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Miss Zuverlässig

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Tausendsassa

CHAOS (EP)

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3 Fragen An Rhino Rainbow

Konzerte, Jams und experimentelle Kunst: Der Unicorn Music Store in Freiburg hat zwei Veranstaltungsreihen gestartet: Robert Kirch (58) alias Rhino Rainbow erzählt im Interview mit chilli-Redakteur Till Neumann, was sich hinter den „Unicorn Sessions“ verbirgt – und wem das helfen soll.

Herr Kirch, was ist mit den Sessions geplant?

Jeden Dienstagabend steigen im Ruefetto Konzerte bei den Unicorn Sessions. Es gibt eine Opening Band, die so lange spielen kann, wie sie möchte. Danach ist eine Jam. Es gibt von allem ein bisschen: Jazz, Pop, Heavy Metal oder Singer-Songwriter. Außerdem gibt es jeden ersten Freitag im Raum der Kreativpioniere die crossmedialen „Unicorn Sessions – Experimental“.

Was verbirgt sich dahinter?

Das ist ein ähnliches Format wie im Ruefetto, aber offener. Auch da gibt’s ein Opening-Konzert: Zum Start hatten wir eine improvisierte Musik- und Tanz-Performance mit Videos. Alle Kunstrichtungen sind willkommen, vielleicht wird auch mal live gemalt. Wer Interesse hat mitzumachen, kann uns anschreiben.

Der Plan ist, ein neues Kulturangebot zu schaffen?

Ja. Wir hatten an unserem ehemaligen Standort an der Belfortstraße eineinhalb Jahre lang Konzerte, Ausstellungen und Tanz-Performances, wollten dort auch Proberäume einrichten. Aber die Stadt hat das dichtgemacht. Jetzt wollen wir lokalen Bands und Künstlern in Freiburg eine Chance geben, sich zu zeigen. Leuten, die noch nicht so bekannt sind, es aber draufhaben.

Entspannt und lyrisch

(miwi). Chaos heißt die die neue EP von Tausendsassa. Dahinter verbirgt sich der Freiburger Rapper Ansgar Hufnagel. Acht Songs bieten den Hörer·innen eine Mischung aus positiven und nachdenklichen Songs. Es geht um Liebe, Selbsterkenntnis und die kleinen Widerstände des Alltags. Dabei sticht der Song „Plus eins“ klar hervor. Die Kombination aus dem groovigen Rap und der Samtstimme von Lisa Akuah erzeugt eine fast märchenhafte Atmosphäre.

Die positiven Vibes ziehen sich selbst durch die kritischeren Songs. Das garantiert gute Laune. Wie schon auf dem Soloalbum „abersowasvon“ zeigt sich Tausendsassa als selbstbewusster, starker Musiker. Entspannte Beats und lyrische Texte sind die Stärken der EP. Weitere Features mit Lisa Akuah wären wünschenswert. Obwohl die Platte „Chaos“ verspricht, ist der rote Faden da: beim Style und bei den Texten. Der Nachteil: Kontrastreiche und musikalisch mutige Tracks fehlen hier.

Tausendsassa ist auch Slammer, Poet, Moderator, Kabarettist und macht Improtheater. Das Multitalent hat sein Rap-Soloalbum „Abersowasvon“ im Frühjahr 2022 veröffentlicht. Der Sound erinnert an eine moderne und chillige Version des Deutschraps der 90er. Mit einer ordentlichen Portion Selbstironie.

Keine Schubladen

(pl). Sie haben sich Zeit gelassen. Rund zehn Monate nach dem ersten Vorboten ist die EP „Mess in Heaven“ des Freiburger Quintetts Raw Sienna jetzt komplett. Darauf sind sechs Songs mit verschiedenen Spielarten der Rockmusik zu hören.

Die Tracks haben Raw Sienna seit Juli peu à peu veröffentlicht. Als ein zentrales Thema ihrer meist interpretationsoffenen Texte bezeichnet Sänger Fabian Sommerhalter mentale Gesundheit. Deutlich wird das vor allem auf dem emotionalen „Kill the Noise“. Schon vor Release der Single erklärte die Band über Social Media, dass die im Lockdown entstandene Nummer von Depressionen und mentaler Gesundheit handelt.

Musikalisch lässt sich die Band kaum einordnen. „Firesky“ kommt düster und hymnisch daher, dagegen geht „Soak up some Lights“ direkt ins Ohr und in die Beine. „Game“ hat ein knallendes Riff und erinnert an klassischen und bluesinspirierten Rock der 1970er-Jahre, „Collapse“ wirft mit einem mehr als zweiminütigen Intro und dem breiten Soundgewand das Kopfkino an. Manchen dürfte der rote Faden der EP fehlen. Wer dagegen einfallsreiche Gitarrenmusik abseits des Schubladendenkens schätzt, dürfte sich mit „Mess in Heaven“ kaum langweilen.

Warm gegen kalt

(tln). Der Freiburger Singer-Songwriter Sebastian Hesselmann ist gerade durch die Republik getourt. Mit seiner neu gegründeten Band um Alisa Merker (Gitarre), Philipp Nosko (Drums) und Niclas Egerer (Bass) hatten die vier auch die Single „Am Ende jeder Tage“ im Gepäck.

Das Video zum neuen Song ist unter anderem in Berlin entstanden, doch der Track nimmt mit zum Eiffelturm. Hesselmann singt zu einem nervös-treibenden Riff von eisigen Momenten, Schatten und Trümmern. Und schon verlassen sie Paris am Morgen in aller Eile. Denn die Lichter sind ein Schatten ihrer selbst.

Poetisch ist das, ein Track zum Zuhören und Reinfühlen. Aber im Chorus auch zum Rumhüpfen und Mitsingen. „Ungleiche Gleichheit bleibt“ heißt es da. Düster kommt das daher. Doch da schwingt auch Hoffnung mit, wenn das Ganze in der Mitte aufbricht. Gezupfte Saiten versprühen Hoffnung, bis Hesselmann mit Gast-Sänger Danny McClelland von Redensart die Schatten bekämpft und aus den Trümmern etwas aufbaut.

Fast fünf Minuten sind lang für einen Song. Aber „Am Ende jener Tage“ ist feinsinnig getextet und abwechslungsreich arrangiert. Das Feature gibt dem rockigen Ende extra Drive. Die Band setzt hier kreative Wärme gegen kalte Zeiten. Chapeau.

Beißend ironisch

(pl). Punk und Politik – die Verbindung hat zu vielen Krachern beigetragen: Die Ärzte haben mit „Schrei nach Liebe“ eine Hymne gegen Nazis geschaffen, Green Day die Ära Bush mit „American Idiot“ angeprangert. Auch die Freiburger von Das Aus der Jugend halten mit ihrer politischen Einstellung nicht hinterm Berg – und widmen Finanzminister Christian Lindner eine beißend ironische Single.

Das Aus der Jugend hat sich 2022 im Freiburger Haus der Jugend gegründet. Mit ihrem Debüt „Porsche fahrn mit Christian“ formuliert das Trio Kritik an Lindner. Textlich kommt das mal zynisch-humoristisch („Dein bester Freund er ist, wenn du bist ein Lobbyist“), mal gekonnt plakativ („Porsche fahrn mit Christian, ohne Tempolimit, ohne Verstand“) daher. Natürlich webt das Trio Lindner-Zitate der Marke „Probleme sind nur dornige Chancen“ ein.

Mit Schlagzeug, Gitarre, Bass und Gesang – inklusive Mitgrölpart –peitscht die Nummer im Refrain ordentlich nach vorne. Musikalisch bleibt zwar nicht viel hängen, trotzdem macht das Debüt Lust auf die nächste Single. Die kommt im Juli, ihr Titel ist schon bekannt und nicht weniger konfrontativ als der Vorgänger: „Stehblues im Wasserwerferregen“. Ebenfalls im Juli spielt die Band auf dem ZMF.

... zum Mai

Die Freiburger Geschmackspolizei ermittelt schon seit 20 Jahren gegen Geschmacksverbrechen – nicht nur, aber vor allem in der Musik. Für die cultur.zeit verhaftet Ralf Welteroth fragwürdige Werke von Künstlern, die das geschmackliche Sicherheitsgefühl der Bevölkerung empfindlich beeinträchtigen.

Wonnemonat Mai – dass wir nicht lachen. Rain in May? Wenn’s unbedingt sein muss, okay, Herr und Frau Mai-er, handelsüblicher Mai-s oder der Mai-n – kann man alles irgendwie noch durchwinken, aber bei Vanessa Mai, da müssen wir dann doch einschreiten.

Schlagerstampf mit hohem Fremdschämfaktor, eigentlich nichts Besonderes, gerade deswegen aber wohl besonders beunruhigend und besorgniserregend. Um diese Alliteration gebührend fortzusetzen, setzen wir mit Backnang noch eins obendrauf. Dort nämlich ist die Dame einst als Vanessa MandekiĆ geboren und hat sich dann später ihren Geburtsmonat einfach als Künstlernamen zu eigen gemacht, klingt auf jeden Fall besser als Februar oder November, führt aber völlig in die Irre.

Frau Mai ist schwer beizukommen, obwohl die Beweislast hoch ist, von fragwürdigen Bühnen-Outfits mal ganz abgesehen. Textauszüge dürfen wir aus ermittlungstaktischen Gründen nicht preisgeben, aber komm, was soll’s:

Und wenn ich sterb', ich sterb' für dich oh ich sterb' für dich heut' Nacht, und wenn ich wein, ich wein um dich, oh ich wein' um dich heut Nacht, und wenn ich denk, ich denk an dich, oh ich denk' an dich heut Nacht, es tut so weh ganz ohne dich!

Totstellen wird wohl nicht helfen. In diesem Sinne, unsterblich grüßt für die Geschmackspolizei

Ralf Welteroth

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