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VOLKMAR STAUB
HÜBSCH, ABER HUNGRIG
Foto: © tln
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Nur rund einen Zentimeter groß ist der Japankäfer. Trotzdem macht der gefräßige Schönling mit seinem gewaltigen Appetit Landwirten große Sorgen. Er kann Obstbäume, Erbeeren, Bohnen, Wein und vieles mehr befallen. Rund 300 Pflanzen stehen auf seinem Speiseplan. Bisher kannte man den grün glänzenden Käfer nur aus dem Ausland. Ursprünglich kommt er aus Japan und Nordchina. Im Raum Mailand und auf den Azoren ist er bereits bekannt. Im November ist er nun erstmals in Deutschland gefangen worden – und zwar in Freiburg beim Güterbahnhofareal (das chilli ist nebenan). Der illegale Einwanderer tappte in eine Pheromonfalle. Man darf hoffen, dass er alleine gekommen ist. Sonst könnte uns Popillia japonica noch einige Probleme bereiten. Die EU hat bereits einen bösen Begriff für ihn gefunden: Prioritärer Unionsquarantäneschädling. tln
DAS IST DER NEUE
Foto: © Recup
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Er kam, sah und machte Wirbel: Der FreiburgCup hat seit 2016 hohe Wellen geschlagen. Er war zwar nicht hübsch, dafür aber ein nachhaltiges MehrwegBecherSystem. Viele Freiburger und Auswärtige haben das kultige Ding geholt und nie zurückgegeben. Jetzt ist er Geschichte: Mit Recup hat das Rathaus ein neues Mehrwegsystem eingeführt. Der Anbieter aus München stellt neben Bechern auch Schalen für das Essen zum Mitnehmen. Für die ersten 60 Gastronomen, die einsteigen, gibt’s einen Zuschuss. Der Pfand ist gestaffelt: Für den Becher fällt ein Euro an, für die Schale sind es fünf. Bis Ende 2022 kann der FreiburgCup noch abgegeben werden. tln
NACHGEWÜRZT!
NEUSTART
Der flotte Dreier steht. Rot, Grün und Gelb bilden die erste Bundesregierung aus drei Parteien. Anfang des Jahres hatte ich noch gehofft, die Grünen könnten stärkste Partei werden und AnnaLena Kanzlerin, aber das hat AnnaLena höchstselbst verbaerbockt. Jetzt halt diese seltsame Ampel: Oben rot, dann grün und dann gelb. Wann soll man da losfahren? Gestartet sind sie und wollen zügig vorankommen. Das klingt nach Vollgas im Leerlauf. Komisch war: Zu Beginn der Sondierungen trafen sich zunächst nur die Liberalen und die Grünen. Ich dachte: Wollen da zwei Schwänze mit dem Hund wedeln? Klar war aber auch: Ein Scholzomat lässt sich nicht zum Ampelmann machen. Einfach ist so eine DreifachKopulation nicht. Die Grünen wollten die Steuern erhöhen, wenigstens für die Reichen, die Liberalen die Steuer senken, und Scholz sagt: Wenn einer steuert, dann ich. Die SPD steht für soziale Gerechtigkeit, die FDP für soziale Ungerechtigkeit, vermutlich treffen sie sich bei sozialer Gleichgültigkeit. Immerhin ist der Mindestlohn von 12 Euro vereinbart. Ärgerlich für die Grünen war der Zugriff der FDP auf das Verkehrsministerium, aber die FDP hat ja schon immer verkehrte Politik gemacht. Der neue Minister Volker Wissing hat als erste Amtshandlung nichts anderes zu tun, als Steuererleichterung für Dieselfahrer anzukündigen. Für eine selbst ernannte Klimaregierung ein mutiger Schritt. Man darf gespannt sein, wie AnnaLena als Ministerin des Äußersten den Erdogans, Putins und Lukaschenkos gegenübertritt. Cem Özdemir darf Landwirtschaftschef werden, und der linke Anton musste vom Hof reiten. Wie die Vorgängerin Julia Klöckner hat sich der Veganer Cem das Tierwohl auf die Fahne geschrieben, die Fahne hat er von der Julia und die hatte sie noch aus der Zeit als Weinkönigin. Das schwerste Amt übernimmt Karl Lauterbach. Aber ich bin zuversichtlich: Er wird die blöden Viren notfalls einfach totquasseln. In Anlehnung an Willy Brandts „Mehr Demokratie wagen“ und Schröders „Mehr Volkswagen“ hat sich die Ampel das Motto „Mehr Fortschritt wagen“ gegeben. Na, dann bewegt euch mal und schreitet fort. Die üblichen 100 Tage Schonfrist seien euch gegönnt. Für etwas Feuer im Hintern eine scharfe Schote! Herzlichst, Volkmar Staub
Foto: © Privat Volkmar Staub, geboren in Lörrach, lebendig in Berlin, vergibt im chilli die Rote Schote am goldenen Band.
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GEWAGTE OFFENSIVE
RATHAUS WILL ZWÖLF JAHRE FRÜHER KLIMANEUTRAL SEIN
Erst im vergangenen Jahr hat die Stadtspitze prüfen lassen, wie Freiburg 2035 klimaneutral werden könnte. Ihre Erkenntnis: Unmöglich, wir bleiben bei 2050. Jetzt setzen die Verantwortlichen zum Sprint an. Schon zwölf Jahre früher (2038) will Freiburg eine bilanzierte Ökonull vorweisen. Klappen soll das mit einer Klimaschutzoffensive. Darin stecken viel Geld, ein Beirat und Druck auf Land und Bund. Selbst Klimaaktivisten sind beeindruckt. Der Protest von der Straße wird dennoch wachsen.
Till Neumann, Philip Thomas & Pascal Lienhard
Illustrationen: © freepik.com „Wir verabschieden uns vom Möglichen hin zum Nötigen“, sagt Freiburgs Oberbürgermeister Martin Horn. Der Satz hat’s in sich, beinhaltet er doch den Kern des Problems: Es ist nicht möglich, aber wir versuchen es trotzdem. Gesagt hat ihn der 37-Jährige bei der Vorstellung der „Klimaschutzoffensive“ im November. Die Pressekonferenz ist ein Paukenschlag: Um ganze zwölf Jahre schiebt die Stadtverwaltung ihr Klimaziel nach vorne. Aus 2050 wird 2038. Gelingen soll das vor allem mit viel Geld. 120 Millionen Euro will das Rathaus bis 2028 einsetzen. 72 Millionen kommen mit einem Zukunftsfond Klimaschutz aus dem städtischen Haushalt. Weitere 48 Millionen sollen über Fördertöpfe akquiriert werden. Abrufen können das Geld allein Ämter, Eigenbetriebe und Gesellschaften mit städtischer Beteiligung. Ziel ist, den CO 2-Verbrauch signifikant zu senken. Über sechs Jahre je zwölf Millionen Euro zu veranschlagen, findet Horn enorm. Gleich drei Doppelhaushalte werden damit belastet. „Eine kommunale Kraftanstrengung“, betont der OB. Doch er ist überzeugt: „Die Zeit läuft gegen uns, wir brauchen mehr Geschwindigkeit.“
Umweltbürgermeisterin Christine Buch-
heit teilt seine Meinung: „Klimaschutz braucht politischen Willen – und es braucht Investitionen.“ Dass der Fonds auf sechs Jahre angelegt ist, verschaffe Planungssicherheit und Perspektive. „Wenn wir nicht handeln, wird es teurer“, sagt die Bürgermeisterin. Gerade Freiburg sei vom Klimawandel beson-
ders betroffen: „Am Tuniberg bekommen wir bei Wein- und Obstanbau noch in diesem Jahrhundert Schwierigkeiten. Wir haben Druck und wollen handeln.“
GEFAHR FÜR WINZER
Zweiter Teil der Offensive ist ein Fachbeirat. Die Verwaltung besetzt ihn mit Vertreter·innen aus Wissenschaft und Forschung. Sie sollen jeden Antrag für Geld aus dem Zukunftsfonds bewerten. Wichtigstes Kriterium soll das CO 2-Einsparpotenzial pro eingesetztem Euro sein. Einen „CO2 -Check“ nennt Buchheit das. Weitere Kriterien seien etwa Innovations- und Bildungspotenzial oder Öffentlichkeitswirksamkeit. Die ersten Förderanträge können 2022 eingereicht werden. Antragsberechtigt ist als städtische Tochter auch die Freiburger Verkehrs AG (VAG). „Die VAG begrüßt alles, was zu mehr Klimaschutz führt“, lobt Sprecher Andreas Hildebrandt. Ideen für Förderprojekte hat er bereits: „Wir denken zum Beispiel über die Umstellung auf LED-Beleuchtung in unseren Werks- und Abstellhallen und in der Verwaltung nach.“ Auch der Ausbau von Photovoltaik-Anlagen sei interessant. Die VAG selbst will bis 2035 klimaneutral werden.
Auch die Abfallwirtschaft und Stadtreinigung Frei-
burg (ASF) möchte das schaffen. „Bei diesem Vorhaben sind wir natürlich auch auf Investitionszuschüsse aus
verschiedenen Fördertöpfen angewiesen“, erklärt Sprecher Peter Krause. Er sei daher sicher, dass auch die ASF den Fonds der Klimaschutzoffensive anzapfen werde. Ähnliches lässt die Freiburger Stadtbau (FSB) verlauten. Genug Arbeit also für den Fachbeirat. Dessen Zusammensetzung will das Rathaus im Frühjahr bekannt geben. Er soll dem Gemeinderat die Arbeit erleichtern, der über die Gelder aus dem Zukunftsfonds entscheidet. Ein externes Gremium sei im Rat schon häufiger gewünscht worden, erklärt Buchheit. Klaus von Zahn, der Leiter des Freiburger Umweltschutzamts, ergänzt, warum der zentrale CO2 Check entscheidend sei: „Das Einsparpotenzial ist nicht einfach zu sehen, viele rechnen da anders.“ Jetzt sollen die Vorhaben mit einer einheitlichen Berechnungsgrundlage „durch eine Stelle geschleust werden“. Die 48 Stadträt·innen hat das überzeugt: Sie haben die Klimaschutzoffensive Ende November mit nur einer Gegenstimme angenommen. Im Paket mit einem „Masterplan Wärme“ und der Einrichtung eines „Klimabürgerrats“. Er kenne keine andere Kommune, die mit so einer Summe ein Zeichen setze, lobte beispielsweise Walter Krögner von der SPD/Kulturliste. Der Stadtrat zog einen Vergleich zum neuen Kanzler: „Olaf Scholz würde sagen: Wir versuchen es mit Wumms.“ Den Bazooka-Effekt erhofft sich auch Martin Horn: „Die Offensive ist ein Appell an Land und Bund.“ Auf dem Weg zur Klimaneutralität habe die Kommune nur ein Drittel selbst in der Hand. „20 Prozent der Entscheidungen liegen beim Land, 50 Prozent beim Bund“, rechnet Horn vor. „Wir wissen, wir können es faktisch alleine nicht erreichen, aber wir versuchen es in dem Drittel.“ Zwei zentrale Aufgaben nennt Buchheit: „Wir müssen den Energieverbrauch drosseln und Gebäude modernisieren.“ Konkrete Projekte gebe es genügend, rund 140. Entscheidend sei jetzt deren Umsetzung. Doch genau dafür fehlten dem Rathaus die Mittel. „Das Geld liegt auf der Straße, aber wir haben nicht genügend Leute, um es abzurufen“, klagt Buchheit. Auch von Zahn sieht das so: „Die Fördermöglichkeiten sind gut.“ Doch nicht alles werde abgegrast. Dass es viel Geld und Mut brauchen wird, kann Christoph Kost vom Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg bestätigen. Mit der Studie „Wege zu einem klimaneutralen Energiesystem“ ist er der Frage nachgegangen, wie sich gesellschaftliche Trends auf das Erreichen der Klimaziele auswirken. Vier Szenarien hat er für die Energiewende genutzt: Beharrung, Inakzeptanz, Suffizienz und Referenz. Sie sehen Widerstände der Bevölkerung gegen neue Techniken im Privatbereich oder den Ausbau größerer Infrastrukturen vor. Aber auch, wie es gehen könnte, wenn sich das Verhalten positiv entwickelt und die Rah
menbedingungen günstig sind. Was passiert, wenn die Menschen nicht bereit sind für EMobilität und weiter auf Verbrenner setzen? Was wenn sie im Heizkeller lieber Gas oder Ölkessel betreiben als eine Wärmepumpe?
»GELD LIEGT AUF DER STRASSE«
Die Studie blickt auf Deutschland mit dem Ziel Klimaneutralität 2045. Sie zeigt: Bei allen vier Szenarien ist die Energiewende zu schaffen. Die Kostenspanne ist gewaltig: Im günstigsten Fall belaufen sich die Mehrkosten auf 440 Milliarden Euro. Im ungünstigsten sind es 2330 Milliarden. Also mehr als das Fünffache. Die Differenz hat selbst den Forscher überrascht. Die Zahlen sind gewaltig, findet Christoph Kost. Doch er sagt: „Es lohnt sich, jetzt zu investieren.“ Langfristig werde es dann günstiger. Ob die Bevölkerung für den Umbruch bereit sei? „Es ist ein extremer Wandel nötig, das haben viele noch nicht realisiert“, sagt der 39Jährige. Vorreiter seien nötig. Das Ziel 2038 der Stadt Freiburg findet er „ambitionierter als ambitioniert“. Wie Energie auf ungewöhnlichem Wege gespart werden kann, hat ein weiterer Forscher des ISE gerade in Freiburg vorgestellt: Pascal Blank möchte landwirtschaftlich genutzte Flächen für die Stromerzeugung verwenden. „In AgriPhotovoltaik steckt Riesenpotenzial“, betont Blank bei einem Event des Fördervereins Energie und Solaragentur Regio Freiburg (FESA) im Dezember. Acker wird praktisch doppelt genutzt, indem Sonnenpaneele bis zu fünf Meter etwa über Weizenfelder montiert werden. Flächen wären vorhanden: Knapp die Hälfte der Bundesrepublik (47 Prozent) werden landwirtschaftlich genutzt. Nur rund vier Prozent dieser Fläche würde laut Blank ausreichen, um den aktuellen Strombedarf in Deutschland (rund 500 Gigawatt) durch AgriPV zu decken. Zusammen entwickelten Pflanzen und Paneele nützliche Synergieeffekte: Die PVAnlagen schützen die Ernte vor starker Sonne oder ExtremwetterEreignissen wie Hagel. Die Pflanzen unter den Modulen wiederum bildeten ein kühlendes Mikroklima, das auch leistungssteigernd