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GEWAGTE OFFENSIVE

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IN DEN WELTRAUM

IN DEN WELTRAUM

Angela Hinel

Martin Horn

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Christine Buchheit

Christoph Kost

Fotos: © Badenova, Patrick Seeger, Stadt Freiburg, Fraunhofer Institut wirke: „Bei Temperaturen jenseits  der 25GradMarke sinkt der Leistungsgrad von PhotovoltaikPaneelen um 0,4 Grad je weiterem Grad.“

Die Aktivisten von Fridays for Future

Aktuell müssen solche Anlagen noch aus eigener Tasche gezahlt werden. Zwar betreibt der Energieversorger Badenova seit Februar ein mit 21.380 Euro gefördertes Projekt „VitiPhotovoltaik“ in der Weinbauregion Kaiserstuhl, „Förderung gibt es sonst jedoch noch nicht“, so Blank. Doch das könnte sich bald ändern. Die neue Regierung will AgriPhotovoltaik stärken. Auch die Badenova zeigt, dass der Zukunftsfonds zünden kann. Sie arbeitet mit dem Innovationsfonds für Klima und Wasserschutz schon seit 20 Jahren erfolgreich. „Der Fonds hat seit dem Start im Jahr 2001 rund 33 Millionen Euro Fördermittel für 312 Umweltprojekte bereitgestellt“, sagt NachhaltigkeitsReferentin Angela Hinel. Investitionen von 150 Millionen Euro seien dadurch in der Region angeschoben worden. Die 27Jährige ist überzeugt: „Der MultiplikatorenEffekt kann eine große Wirkung entfachen.“ Auf ein großes Projekt hat sich die BadenovaTochter Wärmeplus eingelassen. Um den Anteil erneuerbarer Energien am Wärmeverbrauch zu erhöhen, soll in der Region die Tiefengeothermie gefördert werden. Dafür wird aktuell ein Potenzialgebiet erkundet. Die BadenovaTochter ist vor allem um eine transparente Kommunikation bemüht. Schließlich ist vor allem die Katastrophe in Staufen, wo Bohrungen zu Hebungsrissen geführt haben, nicht vergessen. In öffentlichen Veranstaltungen erklären die Verantwortlichen mit Unterstützung von Wissenschaftlern, weshalb die geplante hydrothermale Tiefengeothermie sicher ist. Klaus Preiser, technischer Geschäftsführer der Wärmeplus: „Das Potenzial der Erdwärme ist in menschlichen Dimensionen gerechnet quasi unerschöpflich.” Große Hoffnungen ruhen im Rathaus auch auf dem Wärmenetz 4.0 – ebenfalls in Kooperation mit Wärmeplus. Mit dem 36 Millionen Euro teuren Großprojekt soll Abwärme der Schwarzwaldmilch Freiburger Wohnungen heizen. Bis zu 5000 Personen sollen davon ab 2024 profitieren. sehen die Dynamik und begrüßen den neuen Vorstoß. „Wir sind mit der Klimaschutzoffensive grundsätzlich zufrieden“, sagt Sprecher Lukas Gress. Er betont: „Es kommt nicht so oft vor, dass wir Lob aussprechen für politische Zielsetzungen.“ Dass mehr Geld zur Verfügung stehe, sei positiv. Genau wie der Expert·innenrat. Entscheidend sei jetzt, dafür die richtigen Personen zu finden, die unabhängig die Anträge bewerten. „Wir werden da genau hinschauen“, sagt der 18Jährige. 130 Maßnahmen für mehr Klimaschutz hat die Freiburger Gruppe schon 2019 ans Rathaus gerichtet. Sie fordern unter anderem mehr Photovoltaikanlagen auf Freiburger Schulen. Auch die Wärmeversorgung müsse umgebaut werden. „Wir haben 93 Prozent fossile Wärme in Freiburg“,

SELTENES bemängelt Gress. Die Stadt sieht er jetzt LOB DER AKTIVISTEN in einer Vorreiterrolle. Tatsache sei aber: „Alle Kommunen in Deutschland sind weit hintendran.“ Ausruhen sei nicht angesagt: „Wir wollen weiter Druck machen“, sagt der Klimaaktivist. So geht es auch der Gruppe Klimaentscheid Freiburg. Sie will, dass Freiburg 2035 klimaneutral wird und einen Klimaentscheid erwirken. „Wir begrüßen es sehr, dass sich die Stadt ambitioniertere Ziele setzt“, sagt Sprecher Julian Kolbe. Diese seien auch dringend notwendig, wenn man sich den bisherigen CO2 Reduktionspfad anschaue. In allen Bereichen muss schneller gehandelt werden: „Das betrifft sowohl die Strom und Wärmeversorgung mit Erneuerbaren Energien als auch ein Umdenken beim Verkehr und Bauen.“ Im Rathaus dürfte man nicht bestreiten, dass die zunehmenden Klimaproteste ihren Anteil an der neuen Offensive haben. Martin Horn sieht keinen Wettstreit zu anderen Städten oder Verwaltungsebenen. Er konstatiert dennoch: „Der Bund will 2045 klimaneutral sein, das Land im Jahr 2040. Es wäre bemerkenswert, wenn die Green City dann bei 2050 verharrt.“

DEZEMBER 2021/JANUAR 2022 CHILLI 13

IM GEHEIMEN

WARUM DIE NEUE FREIBURGER SYNAGOGE AN EINEM UNBEKANNTEN ORT IST

Foto: © tln I m September hat die Egalitäre Jüdische GescherGemeinschaft in Freiburg feierlich ihre Synagoge eröffnet. Doch wo sie ist, geben die Verantwortlichen nur vertrauenswürdigen Personen bekannt. chilli-Redakteur Till Neumann hat sich den gut gesicherten Gebetsraum angeschaut.

Von außen ist nichts zu erkennen. Doch in diesem Wohngebäude irgendwo in Freiburg ist eine Synagoge. Nur ein kleines Schild an der Haustür zeigt Eingeweihten, wo es langgeht. „Wir sind anonym und nicht anonym“, erklärt Sylvia Schliebe und öffnet die Tür. Rein geht’s in die Büroräume des gemeinnützigen Vereins Egalitäre Jüdische Chawurah Gescher. Dort liegen Flyer und Broschüren aus, die 61Jährige hat einen festen Arbeitsplatz für Administration und das aktuelle Bildungsprojekt „Jüdisch für Alle“. Der

Grund, warum die Adresse geheimgehalten wird, liegt eine Etage tiefer. Über eine Tür und eine Treppe geht es dorthin: zur Synagoge. Dort steht eine blaue Bima (der Altar) vor einem verzierten Toraschrank mit Rollen. Sie zeugen von vielen Jahren ohne feste Bleibe. Immer freitags konnten sie bislang in der Vauban in einer Kirche feiern – dazu wurde der Schrank reingerollt. „Wir haben sieben, acht Jahre lang intensiv gesucht“, erzählt Schliebe. Als gemeinnütziger Verein sei es schwer gewesen, etwas zenPOLIZEI tral Gelegenes zu finden. „Freitagabend am Stadtrand zur Synagoge zu laufen, SCHÜTZT GLÄUBIGE das ist nicht gut für das Sicherheitsgefühl“, sagt Schliebe. Jetzt sind sie endlich in Freiburg fündig geworden. An den Sicherheitsvorkehrungen ändert das jedoch nicht viel: Schon im Quartier Vauban waren bei GescherVeranstaltungen Polizisten um die

MEINE SORGEN

KEIN SCHÖNER LÄND

Wer seine Wohnung kürzlich verlassen hat, kann den Staatsstreich bezeugen: Wir wohnen nicht mehr in BadenWürttemberg. Ab sofort leben wir in „THE LÄND“. Das zumindest propagierten plötzlich aufgetauchte Plakate von sämtlichen Publicitymöglichkeiten im Brave New Bundesland. Tapeziert wurde der neue Landesclaim in feinster GuerillaManier sogar entgegen der hiesigen Straßenverkehrsordnung. Diese untersagt eigentlich „jede Werbung und Propaganda“ außerhalb geschlossener Ortschaften. Aber wozu ist man schließlich Staatsministerium. Bloß warum hängt die BeamtenBeschäftigungstherapie aus vibrierenden Versalien und grenzdebilem Gelb ausgerechnet hier? Wer soll hier angeworben werden? Wir wohnen doch längst im gelobten „LÄND“. Bitte verstehen Sie mich aber nicht falsch – die Promotion, passend immerhin zum kürzlich gekürten Jugendwort des Jahres „cringe“ (peinlich), kann gerne unter uns bleiben. Auf den alten Slogan, die Beichte, „Wir können alles. Außer Hochdeutsch“ folgt mit „THE LÄND“ nun das Eingeständnis: „Wir können außerdem weder Deutsch noch Englisch.“ Dabei wollte die Kampagne doch eigentlich hartnäckige Klischees um Kehrwoche und Co. entkräften. Immerhin: Bei Kosten von mehr als 20 Millionen Euro kann zumindest niemand mehr behaupten, der Südwesten sei geizig.

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