Dont follow the free

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serie falsche mythen (3/3) GRATIS-MENTALITÄT

WEG VON DER KOSTENLOS-DENKE

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arum müssen Waren und Leistungen eigentlich im Internet kostenlos angeboten werden? Weil die User es erwarten und die ökonomischen Modelle dies eindeutig berechnen? Bei der Preisfindung gilt als Untergrenze: K´= P – also die Grenzkosten entsprechen dem Preis. Und im Internet gilt als Randbedingung, dass die Kosten der letzten produzierten Einheit 0 betragen. Da die Wettbewerber bis an die wirtschaftlich letztmögliche Preisuntergrenze gehen, um möglichst viele Menschen für das Angebot zu gewinnen, hat man das Dilemma: Waren und Dienstleistungen sind im Web nicht zu verkaufen. Anbieter wie Facebook, Google oder Twitter machen es vor: Alles ist kostenlos. Aber diese These stimmt nur dann, wenn man Kosten als monetäre Einheit begreift, was aber auch in der Wirt-

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schaftstheorie schon lange nicht mehr angenommen wird. „Free“ bedeutet nur „ohne monetäre Transaktion“, aber nicht, dass keine Kosten entstehen. Vielmehr sind die Kosten für die Nutzung der Plattformen extrem hoch. Der Kunde baut, ohne es zu merken, Wechselbarrieren auf, die es ihm erschweren, das Angebot wieder zu verlassen, selbst wenn sich die Unzufriedenheit erhöht. Bei Facebook kann man diesen Effekt ganz gut erkennen. Zwar gibt es immer wieder Proteststürme gegen die Datenschutzrichtlinien, aber eine massenhafte Abwanderung ist erst einmal nicht oder nur langsam zu spüren. Warum? Weil die Wechselkosten zu hoch sind. Man ist vernetzt mit Websiten und Freunden und hat Inhalte eingestellt und geteilt – das alles würde verschwinden, wenn man wechseln möchte. Man LEAD digital 09_2013

FOTOS: Plainpicture; Unternehmen

Im Web muss alles kostenlos sein. Stopp, meint Gastautor Christian Hoffmeister, und räumt im letzten Teil seiner Serie über Sinn und Unsinn digitaler Mythen mit diesem Vorurteil auf. Denn wer es schlauer angeht, stellt schnell fest, dass „Kosten“ nicht zwangsläufig nur mit Geld zu tun haben.


ZUGANGSWALL STATT PAYWALL bleibt also erst mal, obwohl man unzufrieCHRISTIAN HOFFMEISTER Angebote müssen hinter einer Zugangswall den ist. – nicht hinter einer Paywall – verschwinden. Der Kunde wird heute technisch beKann der Kunde nicht eindeutig erkannt werwusst eingesperrt, statt nur auf Kundenloden, ist er wertlos. Keine erfolgreiche Plattyalität durch positive Einstellung zu setzen. form bietet Dienste ohne Log-In an. Apple, Und genau darum geht es in einem ersten Amazon Facebook, Twitter verlangen alle Schritt: die feste technische Bindung an AnLog-Ins. Auch Google hat 2004 erkannt, dass gebote, damit die Kosten für einen Wechsel man den Kunden kennen muss, um bessere steigen. Produkte und Services anbieten zu können. Wer eBooks bei Amazon kauft, wer MuMit der von ihm gegründeten Bulletproof Media berät Zahlreiche Log-In-Plattformen wurden seitsik oder Filme bei Apple herunterlädt oder Christian Hoffmeister Unternehdem eingeführt. Free macht nur Sinn, wenn auch seine eigene Musik in iTunes einstellt men im Bereich der Produktman die Kunden eindeutig identifizieren kann. oder wer einen Like-Button in seine Websiund Geschäftsmodellentwickte integriert, der geht feste Bindungen ein, lung an der Schnittstelle KUNDEN KENNENLERNEN – PAID die unwiderruflich sind. Wer gehen will, zwischen klassischen und neuen CONTENT ENTWICKELN verliert alles, was er sich „aufgebaut“ hat. Medien. Die „Entmythologisierung“ der Digitalbranche, über Wer den Kunden kennt, der kann sein VerhalDie Kosten fallen aber erst am Ende einer die Hoffmeister in einer dreiteiten vorhersagen. Je besser und eindeutiger Beziehung an. ligen Serie für LEAD digital Kunden erkannt und deren Verhalten analySieht man sich Angebote von Medienschreibt, ist auch Thema seines siert werden kann, umso besser wird es mögmarken an, stellt man verblüfft fest, dass Buchs „Digitale Geschäftslich, passende Produkte zum passenden Zeitdiese Strategie noch nicht wirklich erkannt modelle richtig einschätzen“, das im Sommer im Hanser-Verpunkt zu realisieren. Das ist das eigentliche worden ist. Alles wird zugangsfrei und aus lag erscheinen wird. Ziel der kostenlosen Plattformen. Aus Daten technologischer Sicht kostenfrei angebowerden Vorhersagen über das Verhalten des ten. Niemand muss spezifische Investitionen leisten. Ein Klick und weg ist der Kunde, ohne etwas zu verlie- Kunden. Heute liefern viele Medienplattformen die Daten an Anren. Gerade aber wenn man Paywalls einführen möchte, sollten bieter von Predictive-Behavioral-Marketing-Plattformen, anstatt zuerst hohe Wechselhürden aufgebaut werden. Dies vereinfacht die Kunden selber kennen zulernen. die Durchsetzung von Bezahlmodellen und bezahlpflichtigen Inhalten. Apple hat iTunes kostenlos verbreitet, ohne zu Beginn Mu- FAZIT: „FREE“ GIBT ES NICHT sik zu verkaufen. Vielmehr haben die User zuerst eigene Musik in Free gibt es nicht! Denn in jedem Fall zahlt der Kunde durch die die Software geladen, dann wurden Inhalte bezahlpflichtig angebo- Preisgabe seiner Daten und durch die feste Bindung an die Plattformen. Bei Apple, Amazon und nun auch bei Google zahlt er dann ten. Hohe Wechselkosten und Zahlung für Inhalte schließen sich auch noch für den Kauf der Inhalte. Free ist eben nicht das Gegennicht aus, sondern ergänzen sich. Um in diesen Prozess einzustei- teil von Paid. Free ist heute die zweite Seite des Euro. Um dieses gen, muss man bei dem Aufbau von bezahlpflichtigen Angeboten Modell zu etablieren, bedarf es einer klaren Managementvision und einer langfristigen Verfolgung einer neuen Digitalstrategie. anders und langfristig vorgehen. Christian Hoffmeister, Bulletproof WECHSELSEITIGES KOSTENMODELL ENTWICKELN Die Grundlage des Modells besteht in der Ausgestaltung eines wechselseitigen Kostenmodells. Welche Kosten werden für den Kunden gesenkt und welche Wechselkosten entstehen durch die Nutzung der Angebote? Dieser Logik folgen vor allem Apple und Amazon. Dabei geht es darum, dass Preise immer als Kosten verstanden werden. Der Kunde wird durch die Reduktion transaktions-spezifischer Kosten gewonnen und zugleich werden Wechselkosten etabliert. So reduzierte iTunes die Kosten für die Kunden gegenüber Napster, da die Downloads sicher, stabil und legal sind. Die Unsicherheitskosten sinken. Der wesentliche Preis, den der Kunde dafür zahlt, ist die feste Bindung an iTunes, durch ein eigens MP3-Format. LEAD digital 09_2013

SERIE „FALSCHE MYTHEN“ Teil 1 (LEAD digital 5/2013, 6. 3. 2013): Es geht nicht darum, um jeden Preis der Erste zu sein. Richtiges Timing ist die neue Geschwindigkeit. Teil 2 (LEAD digital 7/2013, 3. 4. 2013): Die Unmöglichkeit, innovativ zu sein – oder warum Apple auch nur Me-too macht. Teil 3 (LEAD digital 9/2013, 2. 5. 2013): „Don’t follow the free“ – oder warum Google und Facebook nichts kostenlos anbieten.

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