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STUDI VERSUM NUMMER 28 | 2009.09

Wonach Studis süchtig sind 10 Sehen mit der Zunge 13 Randalieren statt studieren 29

Wahnsinn


Kommt das Vergnügen erst nach der Arbeit? Brigitte Plankensteiner, PricewaterhouseCoopers Zürich

Spass an der Arbeit steht bei PricewaterhouseCoopers hoch im Kurs. Als Nr. 1 für Wirtschaftsprüfung, Steuern und Beratung arbeiten wir konstant daran, der attraktivste Arbeitgeber der Branche zu bleiben – dank inspirierender Teams, spannender Jobs sowie glänzender Karriereaussichten. Mit dem Resultat, dass wir öfter etwas zu feiern haben. Erfolge, neue Kunden oder eine Beförderung. Wir freuen uns, von Ihnen zu hören.

www.pwc.ch/careers © 2009 PricewaterhouseCoopers. All rights reserved. PricewaterhouseCoopers refers to the network of member firms of PricewaterhouseCoopers International Limited, each of which is a separate and independent legal entity.


EDITORIAL | INHALT

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Liebe Leserinnen und Leser,

Wolfgang Petry landete 1983 mit «Wahnsinn» einen eher zweifelhaften Hit, der noch Leute von heute dazu bewegt, die unsinnigen Zeilen «Wahnsinn, warum schickst du mich in die Hölle» bierselig mitzugrölen. Mag der eine darüber lachen – für andere ist die Hölle bittere Realität. So auch für die Studentin Juliana. Kyra Raymann hat den Leidensweg der jungen Frau, die unter Depressionen litt, einfühlsam aufgezeichnet. In ihrem Tagebuch erzählt Juliana, womit sie in der Klinik zu kämpfen hatte und wie sie ihren düsteren Verfolger schliesslich abhängen konnte. Raffaela Angstmann ist keine Angstfrau: Sie hat sich mit einem ausgedienten Hooligan der Zürcher Hardturm Front über Sinn, Unsinn und Wahnsinn des Prügelns unterhalten. Hauen als Hobby? Für deinen Kommilitonen vielleicht ganz normal. Der positiven Seite des Wahnsinns ist Yolanda Wittwer auf der Spur. In ihrem Beitrag gewährt sie einen intimen Einblick in das wahnsinnige Leben einer 29-jährigen Bernerin, die in Puerto Rico als Model und Schmuckdesignerin erfolgreich ist. Währenddessen hat sich Redaktor Simon Knopf auf die Suche nach den täglichen «Mödeli» und ihren Ähnlichkeiten mit Zwangshandlungen gemacht. Schritte zählen und dabei nicht auf die Fugen treten? Das ist noch gar nichts. Erkennst du dich darin wieder? Vielleicht solltest du dir eine Zwangsjacke… äh… ein T-Shirt schenken lassen – mehr dazu auf Seite 12. Genie und Wahnsinn liegen bekanntlich ja nahe beieinander. Zum Schluss ein Hinweis in eigener Sache: Du hältst die vorerst letzte Ausgabe mit Bildern unserer langjährigen Bildredaktorin Barbara Graf in deinen Händen. Barbara, vielen Dank für deinen Einsatz! StudiVersum wünscht dir und deiner kleinen Familie für die Zukunft nur das Beste und allen anderen einen wahnsinnigen Semesterstart,

Eure Anouk N’Guyen

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04 LIEBLINGSDING Warum ich meine SONNENBRILLE liebe 06 INTERNET StudiSurf.CH – dein Begleiter durchs Studium 08 AUS DEM LEBEN Ernst und heiter 10 UMFRAGE Wonach bist du süchtig? 12 DAS UNIKAT Das ist Wahnsinn! 13 WISSENSCHAFT Neue Bahnen 14

Gefangene der Dunkelheit 18

«Der Spass danach» 22

Schön erfolgreich 26

Der tägliche Wahnsinn? 29 UNIPOLITIK Kritik von unten 30 Interview Der UNTERNEHMER 32 UNTERHALTUNG Sudoku, Kreuzworträtsel 33 KURZGESCHICHTE Wer denkt, verliert! 34 WIE ANNO DAZUMAL haushaltstipp


LIEBLINGSDING

Warum ich meine Sonnenbrille liebe

Mario Fuchs, 23, studiert Schauspiel in Zürich «Meine Sonnenbrille ist vom Flohmarkt, billig, aus pinkfarbenem Plastik. Sie öffentlich zu tragen ist unmöglich. Deshalb kann ich sie nur heimlich lieben. Wie eine Geliebte. Ja, wir haben eine Art Affäre miteinander. Dadurch wird unsere Beziehung aber umso aufregender und inniger.»

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INTERNET

StudiSurf.CH – dein Begleiter durchs Studium Ein herzliches Willkommen (zurück) im Studi-Alltag. Einige von euch stehen noch ganz am Anfang ihrer Uni-, ETH- oder FH-Karriere, andere sind bereits im Endspurt. So oder so hat die Studentenplattform StudiSurf viele nützliche Tipps und Tricks, News und Wettbewerbe für euch parat. Klickt euch rein und surft locker durch den Campus-Alltag.

Wettbewerbe – Ablenkung vom Studi-Alltag

News – immer auf dem neusten Stand

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Wenn du dich nicht nur dafür interessierst, was auf deinem Campus gerade läuft, dann liefert dir StudiSurf die nötigen News aus der Schweizer und internationalen Studierendenwelt. Tipps zur Jobsuche, Diplomarbeiten und Kolumnen aus dem Studentenalltag gehören ebenso dazu wie aktuelle Studien rund ums Studium und den Berufseinstieg.

Jobs – zur Budgetaufbesserung Du bist auf der Suche nach einem Studentenjob oder Praktikum? Auf StudiSurf.ch bieten wir dir laufend über 100 Stellen, die täglich aktualisiert werden. Dank dem Job-Newsletter erhältst du regelmässig Updates über die neuesten Angebote. Ob einmalige Aktionen oder feste Anstellungen: Es hat bestimmt auch für dich etwas dabei.

File-Exchange – sicher in die Prüfungen starten Zusammenfassungen schreiben ist ziemlich mühsam, gehört aber zu jeder Prüfungsvorbereitung. Sicher hast du dir auch schon überlegt, wie es wäre, wenn du von der Arbeit deiner Kommilitonen profitieren könntest. Auf StudiSurf.ch bieten wir dir mit dem File-Exchange genau das an. Rund 1500 verschiedene Zusammenfassungen findest du hier. Und wenn du im Besitz eines dieser wertvollen Dokumente bist, dann stelle dies doch den anderen Studis ebenfalls zur Verfügung. Denn wie heisst es so schön? Geben ist seeliger als Nehmen.

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www.exsila.ch: Die Tauschplattform für DVDs, Bücher, Musik und Games ist gratis. Indem du selber Artikel zum Tauschen anbietest, sammelst du Punkte auf deinem Konto, die du wiederum zum Erwerben von anderen CDs, DVDs, Büchern und Games einsetzen kannst. Die «gekauften» Filme gehören dir und du kannst selber entscheiden, ob du diese wieder zum Tauschen anbieten oder doch lieber behalten möchtest. www.meinprof.ch: Du merkst schon in der ersten Vorlesung, dass dein Prof echt etwas drauf hat und du möchtest dies deinen Kommilitonen mitteilen? Oder du bist dir nicht sicher, was andere Studierende von der übertrieben strengen Dozentin halten? Dann schau rein auf MeinProf.ch, der Bewertungsplattform für Professoren, und gib deinen Dozenten eine Note.

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AUS DEM LEBEN

Ein Tag am Greenfield Ein Auszug aus meinem Open-Air-Tagebuch würde wie folgt lauten (wenn ich denn eines schreiben würde; oder noch schreiben könnte). Text Janine Meyer

Es ist hell und heiss. Ist die Nacht vorüber? Scheint so. Das heisst, die Sonne scheint so. Unerbittlich nämlich, direkt aufs Zelt und verwandelt es in eine Schwitzhütte. Auch der Schlafsack hat sich über Nacht in einen klebrigen Kokon verwandelt. Die Befreiung aus selbigem ist nur unter grosser Anstrengung möglich. Kaum daraus entflohen, fühle ich mich auch schon wieder ähnlich matt wie gestern Nacht. Schön, dass ich auch im Dunkeln mein Zelt mit traumwandlerischer Sicherheit gefunden habe. Moment, habe ich das überhaupt? Langsam und vorsichtig richte ich mich auf, versichere mich, dass ich inmitten meines Chaos’ liege und greife nach dem Flachmann, auf dem ich wohl geschlafen habe. Ich entschliesse mich, besser nicht darüber nachzudenken, warum er leer ist und krieche lieber unters improvisierte Vorzelt. Wenigstens ein bisschen im kühlen Schatten liegen, hoffe ich. Doch die Hoffnung erstickt, bei gefühlten 50 Grad, im Keim. Die ausgetrocknete Schnecke, die direkt über meinem Kopf in den Tarnstoff eingebrannt ist, machts auch nicht besser. Inzwischen bin ich wach und mein Organismus schreit nach Kaffee. Seit Neustem kann ich das Gebräu nämlich auch im Zelt kochen (ein Hoch auf die italienische Espressomaschine!). Dank der Stärkung gelingt mir das Aufstehen und sogleich wundere ich mich über die Gestalten, die mal schleichend, mal rennend unterwegs sind und dabei brüllen, keifen, singen und/oder Bier trinken. Erstaunt stelle ich fest, dass Mittag schon rum ist – Zeit für ein Bad. Schliesslich bin ich nicht kleinkariert und weigere mich deshalb, unter eine Dusche zu stehen. Ist auch nicht nötig, es gibt ja schliesslich den Brienzersee. Nur: Der Weg ist unglaublich weit; da muss genug Flüssigkeit her. Und ein Sonnenschirm (zur Not tut’s auch ein Regenschirm). Ein Bad mopst noch mehr Zeit als Rumgammeln und schon muss der Rückweg in Angriff genommen werden; Bands wollen ja nicht nur gehorcht, sondern auch gefeiert werden. Dumm nur, dass die Zeit auch während des Rückwegs wesentlich schneller läuft als ich. Doch dann vor der Bühne: Mächtig fegen die Klänge übers Gelände,

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vertreiben erst die Sonne, dann die Regenwolken, und die Menschen können nicht mehr stillstehen. Tausende Körper rucken und zucken im Scheinwerferlicht, bis die Klänge schliesslich abebben und die nunmehr abgekühlten Zelte rufen. Das war er also, der eine Tag am Greenfield – oder sind es am Ende mehr gewesen?

Angriff der KillerFlyer

Oft genug hält man etwas Alltägliches für harmlos. Dass Flyer-Verteilaktionen eine Gefahr für Studierende darstellen, wissen nur wenige. Text Mauro Landolt

Sie sind überall. Getarnt als gewöhnliche Studierende, besetzen sie wie Parasiten die Eingänge sämtlicher Hochschulen der Schweiz. Doch dann, wenn man nichts ahnend seinen Weg in Richtung Hörsaal sucht, werfen sie ihren Deckmantel ab und schalten blitzschnell auf Angriff. Ihre Waffe: ein auf den ersten Blick unscheinbar wirkendes Zettelchen. Die blosse Penetranz des Hinstreckens macht den ungeübten Erstsemestler zu einem leichten Opfer. Gutgläubig nimmt er das freundliche Gratis-Angebot an. Er schaut sich den Zettel an und freut sich, dass ausgerechnet er aus zigtausend Studierenden eine Einladung an eine exklusive Semesterbeginn-Party erhalten hat. Es kommt noch besser: Mit diesem wertvollen Stück Papier bekommt er sogar vergünstigten Eintritt! Sobald er hier Freunde gefunden hat, will er ihnen von diesem einmaligen Angebot erzählen, nimmt er sich vor. Ein paar ernüchternde Stunden später stellt er fest, dass seine Tasche einer AltpapierSammlung gleicht, und ist erstaunt darüber, dass es so viele exklusive Partys zu geben scheint. Einmal als williges Opfer entlarvt, sieht er sich in den kommenden Tagen einem epischen Kampf ums Überleben ausgesetzt. Mit der Zeit wird er die verschiedensten

Selbstverteidigungstechniken erlernen, die ihn in diesem täglichen Krieg unterstützen. Als Student voller Forschungsdrang wollte ich diesen Ungepflogenheiten nachspüren und versuchte mich in einem kleinen Selbstexperiment. Ich passierte zwei Zettelanbieter, die sich beim Haupteingang der Uni positioniert hatten. Durch jahrelange Übung war es mir ein Leichtes, den Angriffen standzuhalten und die angebotenen Kärtchen abzulehnen. Ich umkurvte die Beiden in einem grossen Bogen und stolzierte erneut, als ob nichts dabei wäre, durch ihr Zetteltor. Das Resultat bestätigte meine Vermutungen: Obschon sie es erst 30 Sekunden zuvor bereits versucht hatten, streckten sie mir abermals ihre papiergewordenen Hände entgegen. Ich konfrontierte einen Studienfreund (der als ehemaliger Zettelverteiler und Aussteiger anonym bleiben möchte) mit diesen Beobachtungen. Er erklärte mir, dass die Angelegenheit zu einem Teufelskreis mutiert sei: Reihenweise würden Zweitsemestler, deren Taschen aus dem ersten Halbjahr noch voll seien, versuchen, ihre Last mit eigenen Verteilaktionen auf Nichtsahnende umzuverteilen. Nur gut, dass ich dieser Spirale entkommen bin. Aber nach wie vor laufen Tausende dieser Gefahr ungeschützt entgegen. Wann wird die Unipolitik aktiv?


AUS DEM LEBEN

Der quietschgelbe Bus Im Postauto durch die Schweiz zu gurken, hat was. Auf langen Strecken – Kurzstrecken machen mich irgendwie nervös und kommen mir überteuert vor. Text Katharina Kuhn

Bei langen Fahrten im Postauto überkommt mich immer so ein seltsamer, patriotisch motivierter, gönnerhafter Wohltätigkeitsenthusiasmus: «Ach, das ist doch schön. Das muss man unterstützen.» Ja, so richtig Schweiz. Wie Cervelat grillieren oder Böötli fahren. Kaum losgefahren, dauerts auch nicht lange und mir geht das unverkennbare Tütataaa gehörig auf den Sack. Spätestens nach der dritten unübersichtlichen Kurve. Was mich bei dem Lärm erstaunt: Die Mitreisenden dösen. Sie scheinen Valium genommen zu haben, oder es liegt einfach an der einlullenden Wirkung des Kurvenfahrens. Wir – das heisst sie – sind zehn Senioren, deren anzunehmende Schwerhörigkeit die Gelassenheit trotz Saulärm erklären mag. Senioren als Mitreisende sorgen mitunter für mehr Unterhaltung als nötig, wenn sämtliche Handy-, iPod- und Notebookakkus versagt haben. Mir wird in diesem Moment bewusst, dass ich ein sehr ambivalentes Verhältnis zu Senioren habe. Beobachtet man sie, dann verhält es sich wie mit unmoralischen Witzen; der Grat zwischen unterhaltsam, ja fast schon spannend, und ein wenig nervig bis «muss das sein?» ist sehr schmal. Ähnlich wie bei «Deutschland sucht den Superstar»Castings – einerseits findet man es mega lustig, aber gleichzeitig will man wegschalten, weil man sich dermassen schämt. Nach nur 60 Minuten Fahrt halten wir bereits an. Ungewollt, da ein Betonmischer über die Leitplanke hinaus auf das abschüssige Seeuferterrain gestürzt ist und sich nun auf der schmalen Strasse Stau bildet. Man geht so lange Kaffee trinken. Der Fahrer: «Alle schön zusammenbleiben, damit ich euch wieder finde.» Ich befürchte schon das Schlimmste; gleich streift er uns orange Kindergärtlerdreiecke über. Wir warten, wir machen Fotos, wir machen Pipi auf dem italienischen Plumpsklo. Kollektiver Ekel und Entrüstung. Nach 45 Minuten regt sich der Verkehr langsam wieder. Das Postauto kriecht auf uns zu – bin ich froh, hab ich es nicht übersehen. Oder bin in das falsche Fahrzeug ein-

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gestiegen. Das kann ja schon mal passieren bei all den gelben Bussen, die so fies gleich aussehen. Dann fährt der lokale Bus auf uns zu. Er ist blau. Blau wie der Comersee. Von meinen Mitreisenden dringt zu mir herüber: «Hans, isch das üsere Böss?» Ich bin mir nicht sicher, ob ich richtig gehört habe, beschliesse dann aber, dass dem so ist. Ich gucke verdutzt und bin einmal mehr unentschlossen, ob ich peinlich betreten oder gerührt sein soll.

SOLFERINOS UNSERER ZEIT Was früher auf dem Schlachtfeld von Solferino ausgetragen wurde, findet heute – in etwas abgeänderter Form – vor den Augen der Weltöffentlichkeit statt. Text Nina Fargahi

Wir durchleben dieser Tage das Geburtsjahr der humanitären Idee: Vor 150 Jahren wurde Henry Dunant Augenzeuge des Blutbades der Schlacht im norditalienischen Solferino zwischen Frankreich und Italien auf der einen und Österreich auf der anderen Seite. Infolge der erlebten Kriegsgrauen erkannte er seine Mission und schrieb seine humanitäre Vision nieder, die für diese Zeit revolutionär war. Mit seinem Buch «Eine Erinnerung an Solferino» legte er den Grundstein für eine weltweite Bewegung, die schliesslich in die Initiative zur Gründung des Roten Kreuzes und der Genfer Konventionen mündete. Heute, 150 Jahre später, sehen wir uns leider immer noch mit zahlreichen Solferinos konfrontiert. Zwar findet der Schrecken nicht mehr auf dem klassischen Schlachtfeld statt. Dennoch können Parallelen gezogen werden: Denken wir an die Menschenrechtsverletzungen im Gazastreifen, im Iran, in Sri Lanka sowie in Darfur und in Burma, um nur einige Beispiele zu nennen. Armut, Migration, Krieg,

Krankheiten, Diskriminierung und auch die Erderwärmung stellen die Solferinos von heute dar und fordern uns heraus. Sie sind nicht minder tragisch und blutrünstig, doch komplexer und verkettet im Rahmen eines globalisierten Systems. Schlussendlich sind wir alle betroffen und im gleichen Mass verantwortlich, denn wir leben alle auf der gleichen Erdkugel. Es ist manchmal schwierig zu sehen, was wir sehen. Doch nehmen wir dabei auch unsere Aufgabe wahr, wie es uns Henry Dunant vorgemacht hat. Damit meine ich nicht nur die notwendige Metamorphose vom geschockten Beobachter zum Aktivisten und von der Idee zur Tat. Sondern auch die Fähigkeit, gemeinsam Stellung zu beziehen und zusammen für eine Lösung einzustehen. Nicht nur mit der Motivation gegen die Solferinos unserer Zeit, sondern vor allem für eine «Solferinofreie» Zukunft. Vergessen wir dabei nicht: «Post tenebras lux – nach dem Schatten das Licht», wie Jakob Kellenberger, Präsident des IKRK, zu sagen pflegt.


UMFRAGE

Wonach bist du süchtig? Jeder hat seine kleine und manchmal auch grössere Sucht – irgendetwas, ohne das man meint, nicht leben zu können. StudiVersum hat die Süchte von Studierenden der Uni Fribourg aufgespürt. r Text und Bild Myriam Schuler Marco Süess, 28, Theologie «Ich bin süchtig nach Gott, Vanilletabak und Appenzeller!» Philipp Appt, 24, Recht «Nach Magenbrot, weil da Schokoladenpulver drin ist.» Marion Regli, 24, Sportwissenschaft «Meine Sucht ist die Slackline, weil die einfach ‹fägt›!» Eveline Hug, 23, Recht «Nach Musik, Schokolade und Leonina, meiner Verbindung.» Olivia Payo Moreno, 24, Sozialarbeit «Tanzen! Tanzen gibt mir so ein gutes Gefühl.» Raffael Kubalek, 23, Recht «Ich bin süchtig nach Kaffee und Zigaretten.» Ralf Bachmann, 28, Medien und Kommunikation «Meine Sucht: ‹Party from Dusk till Dawn›!» Verena Stucki, 24, Theologie «Ich bin süchtig nach Spielen. Am liebsten Jassen und Brändi-Dog.» Moritz Schuler, 24, Medien und Kommunikation «Gute Geschichten sind meine Sucht.» Beni Etter, 23, Biomedizin «Ich suche ständig Konfrontation – ich bin sozusagen süchtig danach.»

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Das neue Rivella Gelb.

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Das Unikat

Das ist Wahnsinn! Hast du lieber ein einzigartiges T-Shirt als nicht alle Tassen im Schrank? StudiVersum und Durchzwei schenken dir das Unikat!

T-Shirt:

No 3

Auch im neuen Semester sind der Siebdrucker Bruce Jost und der Grafiker Tim Engel von Durchzwei wieder wahnsinnig kreativ für dich. Die beiden Berner Giele kennen sich seit Kindheitstagen und haben schon früh zusammen gezeichnet. Heute entwerfen, gestalten und drucken Durchzwei in ihrem Atelier unter anderem für StudiVersum. Fällt dir die Wahl zwischen T-Shirt und Zwangsjacke manchmal schwer? Hier kommt die Lösung: Das Unikat ist beides. Gewinne dieses speziell für dich designte Einzelstück – diesmal ist es sogar wahnsinnig einfach: Du musst bloss ein Mail an shirt@studiversum.ch schicken und vielleicht hängt das T-Shirt zum Thema schon bald in deinem Kleiderschrank. r Text Anouk N’Guyen, Bild Durchzwei

FH SCHWEIZ

Du studierst an einer Schweizer Fachhochschule? Du interessierst dich dafür, was nach Studienabschluss auf dich zukommt? Du willst wissen, mit welchem Einstiegslohn du nach Studienabschluss rechnen darfst? Du willst wissen, wie FH-Ehemalige ihre Karrieren gestaltet haben? – Die erste Antwort kennst nur du, die anderen kennen wir. Die FH SCHWEIZ vertritt deine zukünftigen Interessen. Wir bieten dir ein breites Netzwerk zu anderen Absolventinnen und Absolventen von Fachhochschulen. Wir bieten dir News, Hintergründe, Dienstleistungen und vieles andere mehr. www.fhschweiz.ch Fragen schickst du an: mailbox@fhschweiz.ch

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Ich bin Studentin an der FH und schliesse in einem Jahr das Bachelorstudium ab. Danach möchte ich den Master machen. Nun habe ich gesehen, dass es sowohl konsekutive als auch exekutive Master gibt. Was ist der Unterschied? Der konsekutive (zeitlich folgende) Master baut auf einem Bachelorstudiengang auf und ist Teil der Grundausbildung. Er vermittelt ein vertieftes und spezialisiertes Wissen innerhalb der Fachrichtung. Der exekutive Master – auch Master of Advanced Studies (MAS) genannt – hingegen ist ein Teil der Weiterbildung. Die Studierenden beginnen damit erst nach einigen Jahren Berufserfahrung und wählen einen Studiengang, der eng mit ihrem aktuellen Beruf verknüpft ist. Deshalb wird der exekutive Master auch berufsbegleitend angeboten. Ein weiterer Unterschied ist der Kostenpunkt. Während ein konsekutiver Master sich im finanziellen Rahmen eines Bachelorstudiums bewegt, ist ein exekutiver Master kostenintesiver.

Ich bin Student an der Fachhochschule im zweiten Semester. Gerne möchte ich ein Semester im Ausland studieren. Ist das überhaupt möglich? Wenn ja, wann wäre der richtige Zeitpunkt für einen Austausch? Für FH-Studierende ist es möglich und für das spätere Berufsleben von Vorteil, einen Studienaufenthalt im Ausland zu machen. Eine Möglichkeit ist zum Beispiel, den Austausch über das ERASMUS-Programm vorzunehmen. Dieses Programm fördert den Austausch von Studierenden zwischen Hochschulen im europäischen Raum. Je nach bilateralen Abkommen deiner Fachhochschule mit Partner-Hochschulen im Ausland hast du verschiedene Austauschmöglichkeiten. Es wird empfohlen, den Austausch erst in der Zeit nach dem dritten Semester zu machen. Wichtig ist, dass du dich mindestens ein Jahr im Voraus anmeldest, da die Plätze meist beschränkt sind und Anmeldefristen bestehen. Die Anmeldung erfolgt über deine Fachhochschule. Dort findest du auch alle weiteren Informationen.


im Inneren abstrakte, allgemeine und lange andauernde Phänomene abgelegt werden. Dank diesem ausgeklügelten Verfahren und wegen der dezentralen Verarbeitung der Information weist unser Gehirn grosse Flexibilität auf und kann sich schnell an neue Situationen anpassen.

WISSENSCHAFT

War Jesus ein Neurologe?

Neue Bahnen In den letzten Jahren wurden im Bereich der Hirnforschung grosse Fortschritte erzielt. Mittlerweile ist es für Blinde sogar möglich, über die Zunge zu sehen. Auf der ganzen Welt sind Forschende fleissig daran, die Geheimnisse unseres Denkorgans zu enthüllen. Mit bildgebenden Verfahren zum Beispiel werden die Hirnregionen auf ihre Funktionen hin untersucht. So kann erforscht werden, welche Areale bei welcher Art von Geistestätigkeit aktiv sind. Oder fachsprachlich ausgedrückt: welche Neuronen wann feuern. Die gewonnene funktionale Einteilung erscheint zunächst ziemlich verwirrend. Es gibt Lappen,

Schichten, Felder und Zentren, die jeweils mit komplizierten lateinischen Fachbegriffen benamst werden. Doch dieses abschreckende Durcheinander klärt sich bei genauerem Hinschauen schnell, denn unser Gehirn ist in seinen Grundzügen ziemlich einfach aufgebaut: Es besteht aus rund 100 Milliarden Nervenzellen und deren Verbindungen. Sie machen die menschlichen Verstandesleistungen erst möglich.

Den Cortex im Visier

Die wichtigste Hirnregion für komplexe Geistestätigkeiten ist der Neocortex, der jüngste und grösste Teil der Grosshirnrinde. Er findet sich nur bei Säugetieren und koordiniert sowohl sensorische als auch motorische Aufgaben. Trotz seiner geringen Dicke von lediglich zwei bis fünf Millimetern funktioniert er nach raffinierten Prinzipien. Sein hierarchischer Aufbau ist dabei besonders wichtig, denn der Neocortex hat die schnörkellose Arbeitsteilung bis ins kleinste Detail perfektioniert. Insgesamt sechs Schichten sorgen für die stufenweise Erkennung und Speicherung von Mustern. Die äusseren Schichten sind für konkrete, einmalige Situationen zuständig, während

Das zeigt sich besonders, wenn verschiedene Hirnareale füreinander einspringen. Bei taub geborenen Menschen übernehmen Hirnzellen, die eigentlich fürs Hören zuständig wären, Sehaufgaben. Und Blinde können per Zunge zumindest wieder grobe Umrisse sehen. Eine kleine Kamera, die auf der Stirn befestigt wird, sendet Signale an einen Chip, den der Blinde auf der Zunge trägt. Dort werden die «Eindrücke» Pixel für Pixel in Druckpunkte umgewandelt. Schnell lernt das Gehirn, damit umzugehen und braucht die Hirnzellen, die vorher aufgrund der Blindheit fürs Schmecken zuständig waren, wieder fürs Sehen. War Jesus also bloss ein cleverer Neurologe, als er den Blinden ihr Augenlicht zurückgab? Auf jeden Fall dürfte die Wandlungs- und Anpassungsfähigkeit unseres Gehirns noch für so manches «Wunder» sorgen.

Ein Blick nach Zürich

Auch in Zürich kann die Hirnforschung beachtliche Ergebnisse vorweisen. Sie ist hier breit verankert, vielfältig und interdisziplinär. Von der Biologie über die Medizin bis hin zur Psychologie, Informatik und Ökonomie reicht das Spektrum der involvierten Wissenschaften. Am Institut für Neuroinformatik (INI), einem Gemeinschaftsprojekt von Uni und ETH, entwickelt man zum Beispiel Computerchips, die das Verhalten des menschlichen Gehirns möglichst effizient imitieren sollen. Weil Computer und Roboter zum Lösen von scheinbar einfachen Aufgaben, wie Gesichter erkennen oder Bälle fangen, immense Rechenleistungen benötigen und oft scheitern, hat man in letzter Zeit versucht, «natürlichere» Methoden anzuwenden – mit Erfolg, wie sich zeigt (siehe Kasten). r Text Christoph Lutz, Illustration Anna Unterrassner

Beim INI-Projekt «Silicon Retina» (SR) werden Sensoren entwickelt, die nach dem Funktionsprinzip unserer Netzhaut arbeiten. Verglichen mit traditionellen Verfahren läuft die SR viel sparsamer, denn statt der Verarbeitung einzelner Bilder werden nur noch Veränderungen registriert und gespeichert. Das neue System performt besonders bei schwierigen Lichtverhältnissen ausgezeichnet. Entsprechend breit sind die Einsatzmöglichkeiten: Die SR könnte als Fahrhilfe oder Netzhautimplantat zur Anwendung kommen. Weitere Infos: siliconretina.ini.uzh.ch

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Gefangene der Dunkelheit Depressionen zählen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Etwa 20 Prozent der Erwachsenen leiden mindestens einmal im Leben an dieser Krankheit. Was geschieht, wenn man den Alltag nicht mehr übersteht? Ein Auszug aus dem Tagebuch einer Studentin.

Wir kennen sie alle – die Momente, in denen wir uns traurig, einsam oder niedergeschlagen fühlen. Stimmungstiefs gehören zum Leben; wo Licht ist, ist auch Schatten. Aber was geschieht, wenn die Schatten grösser und grösser werden und uns ständig begleiten? Was geschieht, wenn sie sich wie ein Verfolger an uns heften und wir sie nicht mehr abschütteln können? Die Studentin Juliana, die anonym bleiben möchte, versucht den Teufelskreis zu beschreiben, der schlussendlich dazu geführt hat, dass nach ihrer eigenen Einschätzung ein Klinikaufenthalt unumgänglich wurde. In ihren Tagebucheinträgen schildert sie Erlebnisse aus der Privatklinik Wyss in Münchenbuchsee.

Ein Erklärungsversuch

Stell dir vor, du wirst verfolgt. Zuerst ist da nur ein dummes Gefühl. Immer wieder blickst du über deine Schultern zurück, aber du kannst niemanden erkennen. Nichts ist anders als sonst. Und doch – das Gefühl wird immer intensiver. Du merkst, wie sich dein Atem beschleunigt, das Herz zu rasen beginnt und die Pupillen wie verrückt hin und her zucken, um den vermeintlichen Verfolger zu entdecken. Doch nichts

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ist anders als sonst. Jetzt ist es um dich geschehen: Du bist in Panik. Es wird dir heiss und kalt, ja fast schwarz vor den Augen. Krampfhaft versuchst du, deine Fassung nicht zu verlieren und nicht in Tränen auszubrechen. Denn eigentlich ist nichts anders als sonst. Und doch ist alles anders. Natürlich habe ich nie geglaubt, verfolgt zu werden. Was ich eingangs zu beschreiben versucht habe, ist eine Panikattacke, die unter anderem dazu geführt hat , dass ich nicht mehr an die Uni konnte. Einkaufen oder Busfahren wurde zur Tortur, genauso wie meine liebste Freizeitbeschäftigung «Ausgang». Denn plötzlich und ohne Vorwarnung schloss sich in den fröhlichsten Situationen, wie beispielsweise beim Tanzen in einem Club, eine grosse schwarze Hand um mich und um mein Herz. Durch die nachfolgenden Tränen und den verfrühten Aufbruch geriet ich bei meinen Freunden in Erklärungsnot. Aber wie sollte ich etwas erklären, das ich selbst nicht verstand? Das Gefühl war betäubend, kalt und grauenvoll. Als hätte ein Unbekannter mein Leben im Griff. Schlussendlich kam ich mir so fremd vor, dass ich mich selbst nicht mehr leiden konnte. Und blieb erst recht zu Hause. Mit meinen Tagebuchauszügen möchte ich euch eine Welt zeigen, in der man machtlos ist; eine Welt, die düster und voller Angst ist, aber letztendlich auch voller Hoffnung. Mein Verfolger war eine Krankheit namens Depressionen, Panikattacken inklusive.

4. Mai

«Hallo Papa, ich bin im Spital und ich bleibe auch hier!» Ich versuche, mich zusammenzureissen und meinem Vater zu erklären, warum ich hier bin. Auch wenn mir beim Gedanken, hier zu bleiben mulmig wird und ich mir über die Konsequenzen überhaupt nicht im Klaren bin – so einfach


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«Ich fühlte nichts ausser einer immens grossen Leere, die mich von innen auffrass. Ich war nur noch eine leblose Hülle.»

wird es sicher nicht sein, hier wieder rauszukommen – wüsste ich nicht, wie ich mein Leben sonst in den Griff bekommen könnte. Ungläubiges Staunen am anderen Ende des Telefons. Mein Vater glaubt im ersten Moment, dass ich ihn auf den Arm nehme. Ich war seit einiger Zeit nicht mehr zu Hause – wie auch – und habe immer versucht, allen etwas vorzuspielen, um den Schein der Normalität zu wahren. Verständlich, dass mein Vater völlig überrascht ist und glaubt, mir anderweitig helfen zu können. Doch lange genug habe ich mich durchgekämpft und trotz psychologischer Hilfe und Medikamenten bin ich am Tiefpunkt angelangt.

Rückblick

Mein damaliger Freund hat mir in einem Café in Bern nahegelegt, öfters etwas mit Freunden zu unternehmen. Ich versuchte ihm zu erklären, dass dies nicht ginge, weil ich mich nicht wohlfühle. Mein Freundes-

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kreis war durch die Depressionen, die erstmals knapp zwei Jahre zuvor diagnostiziert wurden, schon damals sehr eingeschränkt. Deshalb waren die wenigen Personen, mit denen ich mich zu treffen versuchte, besonders wichtig für mich. Der Vorwurf meines Freundes, ständig meine Depressionen «vorzuschieben», traf mich mit voller Wucht. Ich verlor die Kontrolle, brach in Tränen aus und konnte mich nicht mehr erholen. Und das mitten in Bern. Das war das Schlimmste für mich, das haltlose Weinen in der Öffentlichkeit; eine grosse Blamage. Genau deswegen fühlte ich mich nur noch in den eigenen vier Wänden einigermassen sicher. Es ist nicht zu beschreiben, wie verzweifelt ich nach diesem Vorfall war. Ich wollte nicht mehr so weiterleben, ich wollte mein altes Leben zurück. Ich hasste diese Machtlosigkeit und diese neue, scheue und ängstliche Person. Schlussendlich wusste ich weder ein noch aus und suchte Hilfe.


Eigentlich sollte es nach diesem Zusammenbruch nur ein Notfall-Gespräch bei einer Psychiaterin geben. Durch Zufall wurde ich an die diensthabende Oberärztin der Privatklinik Wyss in Münchenbuchsee vermittelt. Da sass ich also und versuchte zu erklären, wie es mir ging, ohne die richtigen Worte zu finden. Ich fühlte nichts ausser einer immens grossen Leere, die mich von innen auffrass. Ich war nur noch eine leblose Hülle, und obwohl ich einen Freund hatte, war ich mir nicht sicher, ob ich das Gefühl der Liebe zu spüren oder sogar noch zu geben vermochte. Es konnte jedenfalls nicht mehr so weitergehen. Als mich die Ärztin fragte, ob ich in der Klinik bleiben möchte, sagte ich ja. Ich war froh, die Kontrolle über mein Leben in andere Hände geben zu können, mich vorerst nicht mehr der «Öffentlichkeit» stellen und nicht mehr lächeln zu müssen.

11. Mai

Langsam habe ich mich an die Gitterstäbe vor den Fenstern gewöhnt. Auch die aufgestellte Zimmergenossin, die in der Nacht heftigst mit den Zähnen knirscht und wegen einer Abhängigkeitserkrankung in Behandlung ist, stört mich nicht und gibt mir ansatzweise sogar ein Gefühl der Sicherheit. Auch die übrigen Patienten, die beispielsweise wegen Angst- und Zwangserkrankungen oder Burnout in Behandlung sind, habe ich inzwischen kennengelernt. Und mittlerweile darf ich nach Abmeldung das Gebäude verlassen. Das Gefühl des Eingesperrtseins war anfangs wirklich schockierend. Der «geschützte Rahmen» der Klinik erlaubt es mir nicht (oder zumindest weniger), mir Vorwürfe über das Fehlen an der Uni zu machen und liefert gleichzeitig einen Grund, mich nicht mit Freunden treffen zu können. Diese «Lasten» werden mir abgenommen. Ich habe sozusagen die ganze Verantwortung über mein Leben abgegeben. Immer noch fühle ich mich wie betäubt, ausgelaugt und leer. Obwohl ich auch zu Hause oftmals keine Kraft hatte überhaupt aufzustehen, habe ich hier irgendwie das Gefühl, dass zu viel von mir erwartet wird. Ich habe absolut keine Energie, mich an den Wochenplan zu halten und ich möchte am liebsten niemanden sehen. Doch hier besteht kaum eine Chance, sich zurückzuziehen. Ich fühle mich wahnsinnig alleine.

15. Mai

Es ist 1.45 Uhr in der Nacht. Von Schlaf keine Spur. Tausend Dinge gehen mir durch den Kopf und ich komme mir vor wie ein Versager. Ich weiss, dass dies nicht der Wahrheit entspricht, aber ich komme mir

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trotzdem so vor. Und da helfen alle Worte nichts. Ich werde an der Uni sooo viel verpassen. Das ist niemals mehr aufzuholen. Und auch wenn ich nur ein halbes Jahr verlieren würde: Die Kraft, neue Personen kennenzulernen, hätte ich und habe ich nicht mehr.

19. Mai

Heute Morgen habe ich, das erste Mal seit ich in der Klinik bin, meine Mutter getroffen. Sie nahm mit mir an einer Sitzung teil. Und obwohl sie zu früh gekommen war, hat sie mich nicht vorher besucht oder abgeholt. Hart, wirklich hart. Als ich sie draussen auf einer weit entfernten Bank habe sitzen sehen und realisiert habe, dass sie mir aus dem Weg ging, traf mich das mitten ins Herz. Sie konnte mir nicht einmal in die Augen schauen. Sie schämte sich, dass ich in einer solchen Einrichtung bin. Doch eigentlich hätte ich darauf vorbereitet sein müssen; bei den meisten Freunden ging es mir ja nicht anders. Und es wird an der Uni auch nicht unbedingt besser sein. Wird es mir überhaupt jemals besser gehen? Lange halte ich es nicht mehr aus.

3. Juni

Die Therapien hier sind wirklich wirkungsvoll. Unbestritten. Ich habe mittlerweile auch hilfreiche Tipps und Tricks zum Umgang mit Panikattacken bekommen. Doch die Musiktherapie ist das Letzte. Ich verstehe den Sinn dahinter einfach nicht. Alle in der Gruppe müssen ein Instrument nehmen und gleichzeitig darauf spielen. Das klingt

so grauenvoll, dass ich mich heute geweigert habe, ein Instrument zu «spielen». Meiner Musiklehrerin am Gymnasium wären die Haare zu Berge gestanden. Doch irgendwie muss ich auch über mich lachen: Zum ersten Mal habe ich ansatzweise so etwas wie Wut verspürt und mich endlich getraut, eine gegenteilige Meinung zu äussern. Ha!

17. Juni

Es ist soweit: Heute kann ich die Klinik verlassen. Obschon ich mich besser und ruhiger fühle, weiss ich nicht, was mich da draussen erwarten wird. Sicher ist, dass meine Depressionen nicht einfach «weg» sein werden. Doch das Paket an Tipps wird mir helfen, zumindest mit den Panikattacken besser umzugehen. Und auch wenn es nur langsam besser gehen sollte – es geht zumindest vorwärts.

Vier Jahre später

Obwohl es mir bereits ein Jahr nach der Entlassung wieder sehr schlecht ging und mein Psychiater erneut einen Klinikaufenthalt in Betracht gezogen hat, geht es mir heute, vier Jahre später, sehr gut. Natürlich muss ich immer noch gegen die Schatten ankämpfen, aber ich habe meinen Verfolger hinter mir gelassen. Mittlerweile kann ich frei entscheiden, wo ich hingehen und was ich unternehmen möchte. Obwohl mir manches immer noch schwerfällt, muss ich weder an der Uni noch an meinem Arbeitsplatz fehlen. Ich habe gelernt, mit meiner Krankheit umzugehen und ich fühle mich frei! r Aufgezeichnet von Kyra Raymann, Bilder Barbara Graf

2004 ist ein neuer Vertrag zwischen dem Verband der Krankenkassen und demjenigen der Berner Privatspitäler in Kraft getreten. Dieser besagt, dass Patienten, die grundversichert sind, in einem Privatspital ihres Wohnkantons behandelt werden können. Die Privatklinik Wyss in Münchenbuchsee bietet im Rahmen eines strukturierten Wochenprogramms, das beispielsweise Körper-, Bewegungs-, Musik- und Maltherapie beinhaltet, verschiedene therapeutische Ansätze an. Weitere Infos unter www.privatklinik-wyss.ch.


«Der Spass danach» Hooliganismus – ein medialer Brennpunkt. Gespräche mit einem «ausgedienten» Hooligan und dem Hooligan-Experten und Soziologen Maurice Illi gewähren einen tiefen Einblick in dieses wahnsinnige Phänomen. Prügeln kann auch ein Hobby für Studierende sein.

Marc fällt nicht negativ auf – er kleidet sich neutral und entpuppt sich als guter Gesprächspartner. Der heute 22-Jährige ist ein ehemaliger Hooligan und war eines von rund 80 Mitgliedern der «Hardturm Front», einer Hooligan-Gruppierung (eine sogenannte «Firm») des GC Zürich. Wäre er heute noch dabei, hätte er sich vermutlich nicht mit mir unterhalten, meint er. Auch als Ehemaliger will er anonym bleiben. Die Hardturm Front ist eine von vier grösseren Firms der Schweiz. Der grosse Gegner der Zürcher sind bekanntlich die Basler-Hooligans, deren Firm sich «Bande Basel» nennt. Die Matches zwischen dem FC Basel und GC sind deswegen immer sogenannte Hochrisiko-Spiele. «Ich erinnere mich an ein Zusammentreffen auf dem Fussballfeld im Hardturm. 30 gegen 30 – nach 47 Sekunden war es vorbei – ich lag auf dem Boden.» Diese Prügelei fand unabhängig von einem Match statt. Die Hooligans werden aufgrund der Sicherheitsmassnahmen der Polizei oft dazu gezwungen, ihre Treffen vorzuverlegen oder am Tag nach dem Spiel abzuhalten. Treffpunkte sind grosse Plätze, Felder und Wiesen. Der Albisriederplatz in Zürich ist nach einem Derby im Stadion

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Letzigrund ein beliebter Austragungsort für Hooligan-Kämpfe.

Was sind das bloss für Leute?

Eine Firm ist organisiert. Der Grösste, Stärkste oder Intelligenteste ist der Kopf der Firm, der mit dem Kopf der gegnerischen Firm übers Handy in Kontakt steht und den Treffpunkt ausmacht. Das Paradoxe dabei ist: Sie kennen sich meist ganz gut und gehen auch mal zusammen ein Bier trinken, brechen sich aber am nächsten Wochenende gegenseitig die Nase. Das Alpha-Tier der Firm bestimmt, wann der Kampf beginnt. Daneben gibt es zwei bis drei Untertanen, die übernehmen, falls der Anführer in den Ferien oder sonst nicht abkömmlich sein sollte. Am unteren Ende der Hierarchie stehen die Junioren, jüngere Mitläufer. Aber was sind das für Leute, die Spass daran haben, sich verprügeln zu lassen und selber auszuteilen? Tatsache ist: Es könnten deine Kommilitonen sein. Vom Handwerker über den Jus-Studenten bis zum Bankangestellten und Geschäftsführer sind alle vertreten. Es sind mehrheitlich Männer im Alter von 16 bis 40 Jahren, mit und ohne familiären Verpflichtungen. «Das Abnormale daran hat mich interessiert.» Mit 16 Jahren ist Marc in «diese Kreise» gekommen. «Man sieht die Leute regelmässig, bekommt mit, was nach dem Match abgeht und das eine führt zum anderen.» Reizvoll daran war für ihn das Unbekannte. Bei ihm habe sich jedoch nie eine Sucht entwickelt, wie bei anderen, die dieses «Hobby» ausüben. Hooliganismus-Experte Maurice Illi hat sich für seine Lizenziatsarbeit mit vielen Hooligans unterhalten und erklärt, was diese zu ihrem Tun bewegt: «Sie überwinden ihre Angst und das gibt ihnen den Adrenalin-Kick. In der Wissenschaft nennt man


«Der Hooligan ist geil auf Gewalt.» das auch ‹Sensation-Seeking› – je gefährlicher und illegaler eine Aktion ist, desto grösser ist das Befriedigungsgefühl, das sich im Körper ausbreitet.» Und: «Sie haben Respekt vor dem kommenden Abend, aber sie freuen sich so auf die Gewalt, dass sich eine positive Anspannung aufbaut. Der Hooligan ist geil auf Gewalt. Er sucht sie und plant sie. Die Sucht nach der Gewalt und dem Kick bewirkt, dass er richtig enttäuscht ist, wenn es dann nicht abgeht. Der Hooligan ist unter der Woche angepasst und am Wochenende kann er für kurze Zeit zum ‹prügelnden Tier› werden.»

Gesuchte Gewalt

Der Begriff Hooliganismus umfasst nach Maurice Illi folgendes Phänomen: zwei gewaltbereite Gruppierungen, die sich einen Tag vor, während oder nach einem Match treffen und eine Schlägerei austragen. Ein «Fight Club» also – bewusst gesuchte und organisierte Gewalt. Hooliganismus findet weder im Stadion statt noch ist er in den Medien zu sehen. Hooliganismus läuft unter Gleichgesinnten ab. Oft werden fälschlicherweise alle Randale ums Stadion den Hooligans zugeschrieben. Es gilt hier jedoch zwischen den

Hooligans und anderen gewaltbereiten Fans zu unterscheiden. Wer sind die Randalierer? Ein Grossteil wird Ultras und E-Fans genannt. Die Polizei unterscheidet zwischen verschiedenen Fan-Kategorien: Die A-Fans sind die ungefährlichen, die mit ihren Freunden das Spiel schauen und dann wieder heimkehren. B-Fans sind sogenannte Ultras: Fussball ist ihr Leben. Sie sorgen für gute Stimmung im Stadion, organisieren die Choreo und zünden die Fackeln, die sie jedoch nicht werfen. Der Ultra muss aber auch Frust rauslassen, wenn sein Team verliert.

Die 80. Match-Minute

Marc versuchte, sich diesbezüglich zu mässigen: «Ich will grundsätzlich immer die Kontrolle haben. Sonst mache ich etwas, das ich nicht will.» Hooligans haben keine politischen Beweggründe für ihr Handeln. Ihre Aussage lautet: Wir verteidigen unsere Stadt gegen die Eindringlinge von aussen, ähnlich wie im Mittelalter. Marc erzählt, dass ein Hooligan sicher keine Saisonkarte besitzt. Sein Name soll nirgends registriert sein, denn ein Hooligan gibt sich nicht zu erkennen. Bloss die andere Firm soll Hooligans als solche wahrnehmen. Laut Maurice Illi können sich Erkennungsmerkmale immer wieder verändern. In der Kurve fallen Hooligans nicht auf, höchstens durch ihre fast zurückhaltende Art. Einzige Auffälligkeit: die berühmte 80. Minute des Matches, in der die Firm das Stadion verlässt und sich für ihre «Aktion» sammelt. «Wenn es hochkommt, gibt es in der Schweiz vielleicht 300 Hooligans», so Maurice Illi. Diese werden von einem Kodex geleitet, der besagt, dass ohne Waffe gekämpft wird und dass am Boden liegende nicht weiter traktiert werden.

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«Das Abnormale daran hat mich interessiert.» C-Fans schliesslich sind die traditionellen Hooligans und der E-Fan ein «Ein-WegHooligan» oder «-Ultra», der nach Maurice Illi bloss den «heissen Nachmittag» sucht. Der E-Fan ist unberechenbar und deswegen auch nicht ungefährlich. Von ihm könnte ein Fackelwurf stammen. «Im Gegensatz zum Hooligan ist beim Ultra die Stimmung situativ bedingt und er kann aus Enttäuschung jähzornig werden. Der Hooligan hingegen weiss, was nach dem Spiel ablaufen wird, da es ja eine geplante Sache ist.»

Die anonyme Masse

Die Polizei ist meist mittendrin. Ihr Ziel ist, Unbeteiligte zu schützen. «Die Polizei hat aber auch schon die Gasse aufgemacht, damit die Hools aufeinander losgehen konnten. So werden keine Unbeteiligten verletzt und alle sind zufrieden.» Maurice Illi erklärt: «Hooliganismus stellt an sich kein


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Problem für unsere Gesellschaft dar. Vielleicht steigen wegen der zu behandelnden Verletzungen die Krankenkassenprämien – andere indirekte Folgen wären sicher auch zu finden.» Aber: «Wir geben uns immer zivilisierter. Die Gesellschaft toleriert das Verhalten der Hooligans nicht und fordert erhöhte Sicherheitsmassnahmen.» Das eigentliche Problem sieht Maurice Illi darin, dass an Sport-Veranstaltungen einige wenige Personen die Anonymität der Masse nutzen, um Gewalt anzuwenden. Wenn man dem ein Ende setzen will, meint er, müsse man die Übeltäter gezielt rauspflücken und die Gesetze konsequent durchsetzen. Ein Gerichtsverfahren mit einjähriger Verspätung schrecke kaum ab. Maurice Illi rät zum einen, Schnellgerichte einzuführen und zum anderen, mit Sozialarbeit in den Stadien den Chaoten den Nachwuchs zu entziehen.

Kontrollen und Geisterspiele

Wer schon ein Spiel live im Stadion gesehen hat, weiss, wie ungenau an den Eingängen kontrolliert wird. Oft kann eine Frau gar nicht durchsucht werden, weil keine weibliche Sicherheitsperson zur Stelle ist, um sie abzutasten. Nichts ist also einfacher, als die Fackel der Freundin zu geben. Oft wurden in den alten Stadien die Fackeln auch schon Tage vor den Spielen auf den Tribünen unter den Sitzen befestigt. Sicherheitsverantwortliche, die sich im Nachhinein über Pyros im Stadion empören, neigen zu Augenwischerei.

«Es ist Gewalt. Man muss es nicht schönreden.»

Bei Randalen im Stadion kann es auch sein, dass die Fans des Teams, zu dem die Randalierer gehören, beim nächsten Match nicht dabei sein können, da die Swiss Football League zur Strafe sogenannte Geisterspiele verhängt. Das hält Maurice Illi für Unsinn: «Man bestraft auf diese Weise nur diejenigen, die nichts dafürkönnen. Man kann ja nicht das Autofahren verbieten, bloss weil einige rasen.» In der Schweiz verwendet man Datenbanken, um den Randalierern auf die Schliche zu kommen. Die Polizei versucht Täter anhand von Fotos, die im Stadion gemacht werden, zu identifizieren. Diejenigen, bei denen sicher ist, dass sie das Delikt begangen haben, werden im Internet an den Pranger gestellt. Von schweren Tätern ist meist auch eine Filmsequenz vorhanden. Gemäss Schweizer Fernsehen haben schon Väter ihre Söhne angezeigt, als sie diese im Internet erkannt haben.

Eine «Jugendsünde»

Mit 20 Jahren stieg Marc aus. «Ich habe von einem Tag auf den anderen aufgehört. Mir war klar, dass es für meine Zukunft nicht gut ist und Berufliches kam bei mir immer zuerst. Ich sah keinen Grund mehr, dabei zu bleiben.» Heute nennt er es seine «Jugendsünde» und hält sich jetzt für verantwortungsbewusster. «Ich habe Einsicht gewonnen. Mir war natürlich von Anfang an klar, dass ich das nicht mein Leben lang machen kann.» Er fügt hinzu, dass er nach seinem abrupten Abgang keine Drohungen erhalten habe, was nicht selbstverständlich sei. Mittlerweile erinnert nur noch eine Tätowierung auf dem Bauch an diese Zeit. Trotzdem meint Marc: «Ich habe mich nie dafür geschämt. Ich bin rein wie ich wollte und raus wie ich wollte.» Ihm ist jedoch klar: «Es ist Gewalt. Man muss es nicht schönreden.» r Text Raffaela Angstmann, Bild Barbara Graf

Seit 2007 ist das Hooligan-Gesetz in Kraft, befristet bis Ende 2009. Mit Meldepflicht, Stadion- und Rayonverbot, Ausreisesperre und 24-Stunden-Polizeigewahrsam wollen Bund und Sportverbände die «Hools» in den Griff bekommen; in der dazugehörigen Hooligan-Datenbank sind bereits über 100 Einträge gespeichert. Infodossier unter www.sf.tv/sfwissen/ dossiers.php?navpath=spo

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Schön erfolgreich Dank dem Zusammenspiel mehrerer glücklicher Ereignisse kam die 29-jährige Bernerin Miriam Josi zu einer erfolgreichen Karriere als Model und Schmuckdesignerin auf der Karibikinsel Puerto Rico. Eine wahnsinnige Lebensgeschichte. 8 Uhr 30, San Juan, Puerto Rico

Durch das offene Fenster der grossen Dachwohnung weht ein angenehmes Lüftchen und die weissen Leinenvorhänge bewegen sich leicht. Eine junge Frau mit kurzem Haar steht auf der Terrasse und blickt auf die Lagune nahe des neueren Stadtteils von San Juan. Sie ist gerade aufgestanden und hält, noch etwas verschlafen, eine Tasse Cappuccino in der Hand. Nach einer Weile stellt sie die leere Tasse auf den Tisch, schnappt sich die Leine und ruft ihren Hund. Wie oft um diese Zeit geht Miriam mit ihm zum Morgenspaziergang an den nahe gelegenen Sandstrand.

Wie alles begann

Miriam Josi, 29, lebt als Model und Designerin auf der Karibikinsel ein aufregendes Leben. Miriam ist so erfolgreich, dass sie es auf das Cover einer internationalen Frauenzeitschrift geschafft hat. Sie selbst beschreibt ihr Leben eher bescheiden: «Wenn nicht gerade eine Reise, ein Shooting oder ein besonderer Anlass ansteht, ist mein Alltag selten glamourös, manchmal stressig, meistens anstrengend, aber definitiv abwechslungsreich.» Wie kam die Schweizerin zu dieser Traumkarriere? Die Geschichte beginnt

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in Bern. Miriam wuchs im schönen Obstbergquartier nahe der Stadt auf. Nach dem Erwerb des Lehrerpatents zog es die junge Frau mit den grünen Augen in die weite Welt hinaus. Zunächst reiste sie nach Indien, um an einer Schule für Strassenkinder zu unterrichten. Danach beschloss sie, gemeinsam mit ihrer Schwester eine sechsmonatige Auszeit zu nehmen, um New York und San Juan, die Hauptstadt Puerto Ricos, zu bereisen. Während ihrer Zeit in Puerto Rico besuchte sie einen Malkurs an der «Escuela de Artes Plásticas de Puerto Rico», der Kunstakademie des Inselstaates. Miriam interessierte sich schon immer für Kunst und Design. Nach ihrer Rückkehr in die Schweiz arbeitete sie ein Jahr lang als Lehrerin in Biel. Während dieser Zeit flog sie zweimal zurück nach Puerto Rico, wo sie schliesslich ihr Portfolio an der Kunstakademie einreichte und auch prompt angenommen wurde. Dies war der Punkt in ihrem Leben, an dem sich Miriam nicht nur für den Studiengang «Image and Design» an der Kunstakademie, sondern auch für ein paar weitere Jahre Puerto Rico entschied. Aber es sollte nicht bei einem «einfachen» Studium bleiben. Das Schicksal hatte mit Miriam auf der Karibikinsel weit mehr vor.

10 Uhr

Nach dem gemütlichen Spaziergang am Strand lässt sich Miriam, kaum zu Hause angekommen, in ihren weichen Sessel vor dem Computer fallen. Es gibt eine Menge Mails, die in ihrem Posteingang darauf warten, beantwortet zu werden. Die meisten sind Anfragen zu ihrer neusten Schmuckkollektion. Dann klingelt das Telefon. Am anderen Ende ist ihr Agent und macht ihr Vorschläge für ein Shooting mit einem lokalen Designer.


Im Ausgang wurde Miriam von einer Bookerin angesprochen und in eine Modelagentur aufgenommen.

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Der Weg zum Erfolg

Den Weg auf die Laufstege und in die Magazine fand Miriam eher zufällig. Im Ausgang wurde sie von einer Bookerin angesprochen und in eine Modelagentur aufgenommen. Damals stand gerade die lokale Fashionweek an, und obwohl sie kleiner und weniger dünn war als die anderen Models, wurde sie zu ihrem eigenen Erstaunen gleich von den meisten Designern gebucht. Das Modeln war für Miriam vorerst aber vor allem ein idealer Nebenjob, um ihr Studium zu finanzieren. Neben der Kunstakademie und dem Modeljob begann die kreative Schweizerin, für sich selbst Schmuck herzustellen. «Es war für mich wie eine Therapie, ein entspannender Ausgleich zu meinem stressigen Alltag», erklärt sie. Die Leute aus ihrem Umfeld wurden schnell auf ihre Kreationen aufmerksam. Das motivierte sie, sich intensiver mit dem Entwerfen von Schmuckstücken zu beschäftigen. 2005 gründete Miriam schliesslich mit ihrem Mann, den sie auf der Insel kennen- und lieben gelernt hatte, das Label «mimi vert»: «Mit der Unterstützung von Fotografen, Models, Stylisten und Re-

dakteuren konnten wir mit einem minimalen Budget eine Marke entwickeln. Bald hatte ich so viel zu tun, dass ich Prioritäten setzen und mein zeitintensives Studium auf Eis legen musste, um mich voll auf ‹mimi vert› konzentrieren zu können.» Den Durchbruch als Model und Designerin hatte Miriam im Mai dieses Jahres, als sie es auf die Titelseite der «Vanidades» schaffte, einer der beliebtesten spanischsprachigen Zeitschriften in ganz Lateinamerika und den USA: An einer Modeshow lernte die Bernerin einen Stylisten aus New York kennen, der sie für das Cover der «Vanidades» vorschlug. Eine Woche später konnte Miriam nach Manhattan zum Fotoshooting reisen. Normalerweise sind auf dem Cover nur Hollywoodschauspielerinnen zu sehen; Miriam ist eines der wenigen Models, das auf den Titel durfte.

14 Uhr

Eine Freundin hat Miriam Mittagessen aus dem nahe gelegenen Restaurant «pure and natural» mitgebracht. Plaudernd essen sie ein Aubergine-Hummus-Sandwich und geniessen dazu einen Bananen-Peanutbutter-Milkshake.

Nach dem Mittagessen packt Miriam schnell die Muster der neuen Schmuckkollektion ein, schlüpft in ihre beigen Sandalen, sucht die Handtasche und verlässt das Haus. Sie ist spät dran, denn in einer halben Stunde trifft sie sich mit dem Besitzer eines Schmuckgeschäftes in der Altstadt San Juans, dem sie einige ihrer Schmuckstücke präsentieren soll. Der Zeitplan heute ist eng: Danach trifft sich Miriam gleich mit ihrem Webdesigner, um die letzten Änderungen an ihrer Onlineboutique zu besprechen und dann geht’s ab ins Studio, wo sie für Aufnahmen eines Magazins vor der Kamera steht.

Pläneschmieden für die Zukunft

Was sich die meisten nicht im Traum vorstellen können, wurde für die Auslandschweizerin also Realität. Aber wie verändert sich das Leben, wenn man plötzlich vom Titel eines so umsatzstarken Modemagazins wie der «Vanidades» blickt? «Erst durch die Anrufe von Freunden aus den Staaten, Mexiko oder Peru, die mir ganz aufgeregt mitteilten, dass sie mich an der Strassenecke oder im Supermarkt angetroffen haben, wurde mir bewusst, was es bedeutet,

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Giorgio Behr geb. 1948 I verheiratet, Vater von vier Söhnen I 1970 Tenente fucilieri di montagna I 1971 Lizenziat & Handelsschullehrer I 1972 Berufseinstieg bei KPMG I 1973 Aufstieg NLA Handball als Spieler I 1974 Doktorat & Vorprüfung WP I 1975 Rechtsanwalt I 1978 dipl. Wirtschaftsprüfer I 1979 Aufstieg NLB Handball als Trainer, dann Forschungsaufenthalt University of Washington, Seattle I 1982 Controlling & Restrukturierungen in der Industrie I 1984 Aufbau eigener Beratungsgesellschaft, später Verkauf an Partner I 1989 Professur Universität St. Gallen I 1991 Aufbau des eigenen Industrieunternehmens I 2005 Schweizer Meister Handball als Präsident I 2006 Präsident der Treuhand-Kammer I Hobbys: Tauchen, Museums-Bahn und Handball I Wirtschaftsprüfung: Wo Karrieren geboren werden. www.treuhand-kammer.ch

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auf einem internationalen Cover zu sein», meint Miriam. Noch mehr als über ihren Erfolg als Model hat sie sich aber darüber gefreut, dass sie mit dem Schmuck ihres eigenen Labels abgelichtet wurde. Miriam besucht keine Castings mehr, denn seit dem Titelshooting bekommt sie viele attraktive Modelaufträge. Ihr Plan, sich langsam aus dem Model-Business zurückzuziehen und sich zu 150 Prozent ihrem Schmuckprojekt zu widmen, möchte sie dennoch nicht aufgeben: «Ich kreiere lieber ein Produkt, als es einfach nur zu verkaufen. Das Designen ist eine Arbeit, die mich immer wieder herausfordert und meine grosse Leidenschaft.»

Im Mai schaffte es Miriam auf die Titelseite der «Vanidades».

23 Uhr

Nach einem stressigen, aber schönen Tag hat Miriam gemeinsam mit Freunden das Abendessen in der Altstadt San Juans genossen und sitzt nun mit ihrem Mann auf der Dachterrasse, wo sie üblicherweise bis spät in die Nacht hinein arbeiten. Dies sind die produktivsten Stunden, in denen sie Ideen sammeln, recherchieren und «mimi verts» Zukunft besprechen. r Text Yolanda Wittwer, Bild Rocio Lugo

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Der tägliche Wahnsinn? Ganz ehrlich: Wir alle haben unsere kleinen Rituale und Marotten. Doch was sind die im Volksmund oft fälschlicherweise als «Ticks» bezeichneten «Mödeli» überhaupt? Und wie stehen sie mit Zwangsstörungen in Verbindung?

«Zuhause, bei meinen Eltern, habe ich immer dreimal an die Kühlschranktür geklopft, bevor ich sie geöffnet habe», erzählt Alex lachend. Und fügt dann hinzu, dass er dies an seinem neuen Wohnort nicht mehr tue. Rolf hingegen tätschelt beim Einsteigen jeweils dreimal an die Aussenwand eines Flugzeuges. Und während Katja immer genau sieben Schlucke eines Getränkes nimmt, benutzt Chantal für den Einkauf nie den gleichen Rück- wie Hinweg und Martin liest bei jeder Uhr, die er erblickt, die Zeit ab.

Verrückt oder einfach nur menschlich? Dies sind nur einige Beispiele für jene kleinen Angewohnheiten und Rituale, die nicht wenige von uns durch den Alltag begleiten. Ob wir nun den Kopf über unsere Marotten schütteln oder einfach nur darüber schmunzeln, eines ist klar: Sie faszinieren und beschäftigen uns. In unzähligen Foren im Internet diskutieren und lachen Menschen über ihre eigenen Spleens, über die von anderen und am liebsten über solche von Prominenten wie zum Beispiel Woody Allen. Die Süddeutsche Zeitung hat auf ihrer Homepage gar ein «Tableau unserer Ticks» eingerichtet, in dem seit April über 9000 Menschen anonym ihre Alltagsritu-

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ale eingetragen haben. Was dort etwas salopp als Möglichkeit für das «ungestrafte» Posten von «Absonderlichkeiten» angepriesen wird, lässt aber einen wichtigen Punkt ausser Acht: Viele dieser Gewohnheiten sind viel weniger absonderlich, als gemeinhin angenommen wird. Was wir nämlich regelmässig als kleine Verrücktheiten des Alltags abstempeln, ist in Wirklichkeit ein Teil unserer Persönlichkeit. Laut der Psychologin FSP, Charlotte Vogt, lassen sich die oft besprochenen Phänomene am ehesten als Rituale und «Mödeli» bezeichnen. Den Ausdruck «Tick» dafür zu verwenden, ist irreführend: Er bezeichnet das unwillkürliche Zucken von Gliedmassen oder Körperpartien. Bei Ritualen und Marotten handle es sich, so Charlotte Vogt, vielmehr um Sachen, die wir jeden Tag machen und die absolut menschlich seien. «Dadurch, dass sie wiederholt werden, geben sie uns Sicherheit und Struktur.»

Abbau von Spannung und Angst

Wenn also Beate vor dem Verlassen des Stalls stets dreimal überprüft, ob ihre Pferdebox auch wirklich abgeschlossen ist, und Hannes gerne Gegenstände auf einer Tischplatte entlang von Linien ausrichtet, haben die beiden nicht etwa eine Schraube locker, sondern lediglich einen persönlichen Drang nach Kontrolle und Ordnung, vielleicht sogar Perfektion. Ein weiterer Faktor, der bei der Entstehung von individuellen Marotten einen Einfluss hat, ist das magische Denken. Gemäss Charlotte Vogt führt dies nicht nur zu Phänomenen wie dem Weglassen des dreizehnten Stockwerkes in gewissen Ländern, sondern hat auch einen Einfluss auf die persönlichen Gewohnheiten. «Solche ‹Mödeli› helfen unter anderem auch, Spannungen und Ängste abzubauen», so die Psychologin.


Helena, die als Kind auf den letzten Metern vor dem Haus stets dreimal auf vier zählen musste, um etwas Schlimmes abzuwenden, vermindert mit diesem Ritual vermutlich ebenso eine Angst oder Anspannung wie Peter, der vor Prüfungen auf der Schulhaustreppe nur jede zweite Stufe betreten durfte. Besonders bei Kindern spielen Rituale und magisches Denken eine bedeutende Rolle. «Jedes Kind hat Rituale, die Sicherheit und eine gewisse Ordnung vermitteln», meint Charlotte Vogt dazu. Dem pflichtet auch Psychiater und Psychotherapeut Rudolf Olivieri bei: «Magisch-rituelles Denken ist bei Kindern natürlich verbreitet. Einem Kind fehlt rein intellektuell die Möglichkeit, alles zu begreifen, was um uns herum geschieht.»

So treten je nach Alter bei etwa 20 Prozent der Kinder «zwanghafte» Rituale auf. Diese können vom allabendlichen Ordnen der Stofftiere bei Kindern bis zum bekannten Nicht-auf-Fugen-stehen gehen und verschiedene Formen von Spielen und anderen Handlungen beinhalten. Am Ende verschwinden solche Verhaltensweisen aber nach etwa einem Jahr; nur gerade bei ein bis drei Prozent der Betroffenen bleiben sie.

«Mödeli» versus Zwangsstörung

Dieser Aspekt wirft unausweichlich eine Frage auf, die auch in den «Marotten-Foren» im Internet immer wieder zur Diskussion steht: Gibt es einen Zusammenhang zwischen Marotten und jenen schweren Zwangserkrankungen, die therapiert wer-

den müssen? Offensichtlich beschäftigt viele Menschen die Tatsache, dass gewisse «Mödeli» durchaus Ähnlichkeiten mit Zwangshandlungen aufweisen. Doch ist jedes «zwanghafte» Ritual, wie jenes von Stephan, der regelmässig Türen und Taschen auf ihre Verschlossenheit überprüft, gleich krankhaft? «Nein», sagt Charlotte Vogt. Die Psychologin, die bis vor einem Jahr Vorstandsmitglied der Schweizerischen Gesellschaft für Zwangsstörungen war, hebt die Merkmale einer Störung hervor: «Von Zwangserkrankungen spricht man dann, wenn die betroffene Person mehr als eine halbe Stunde pro Tag durch die Handlung oder den Gedanken vereinnahmt wird.» Vorübergehende Störungen seien keine Ursache für spätere Zwangserkrankungen.

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Katja nimmt immer genau sieben Schlucke eines Getränkes. Die weltweit rund ein bis zwei Prozent der Bevölkerung, die unter tatsächlichen Zwangshandlungen (sogenannten Compulsionen) und Zwangsgedanken (Obsessionen) leiden, sind in ihrem Alltagsleben stark beeinflusst. Zum einen werden das Auftreten von Zwangsgedanken sowie das Ausführen von Zwangshandlungen vom Betroffenen selber als unangenehm empfunden, zum anderen führt vor allem der dadurch entstehende Zeitmangel zu einer Beeinträchtigung des sozialen Lebens.

Woher kommen unsere Rituale?

Ebenso wie die Frage nach der Verbindung zwischen Ritualen und Zwängen scheint die Menschen aber auch deren Ursprung zu interessieren. Erstere, so Charlotte Vogt, können von den Eltern abgeschaut werden oder aber «erlernt» sein: «Nehmen wir an, jemand zählt kurz vor einer Prüfung auf dem Hinweg die Stangen im Treppengeländer. Ist der Ausgang der Prüfung daraufhin erfolgreich, wird diese Person das Zählen beim nächsten Mal unter Umständen wiederholen.» Was Zwänge betrifft, konnten die Ursachen noch nicht eindeutig geklärt werden. Hier vermutet man sowohl eine genetisch vorbestimmte Anfälligkeit auf Zwangserkrankungen als auch Traumata und Unteroder Überaktivität des Hirns als möglichen Hintergrund.

Chaot oder Pedant?

Kurz und gut, weder der Autor dieses Artikels, der ein durch eine Mütze geknicktes Ohr stets ausgleichend zurückbiegen muss noch sonst jemand mit oben erwähnten «Mödeli» braucht sich also irgendwie zu fürchten, er oder sie sei bereits gestört oder besonders gefährdet, eine Zwangsstörung zu entwickeln. Ebenso wenig müssen wir uns Gedanken über die – wenn auch humorvoll gemeinte –These der Süddeutschen Zeitung machen, wonach wir alle verrückt seien. Die Tatsache, dass uns unsere Rituale und «Mödeli» trotzdem peinlich sind, kann wohl als Bestätigung dafür gesehen werden, dass diese Phänomene etwas sehr Persönliches sind; sie sind ein Teil von uns, genau wie andere Charakterzüge eben auch. «Mancher, der zum Beispiel etwas chaotisch ist, wünschte sich vielleicht, er wäre etwas pedantischer», meint Charlotte Vogt und fügt an, dass solche Ordnung verschaffende Rituale durchaus etwas Positives haben können. Oder welcher Innenarchitekt würde nicht davon träumen, Renates «Mödeli» zu seinen Gunsten nutzen zu können: «Wenn ich eine mit vielen Bildern behangene Wand lang anstarre, dann beginne ich in Gedanken, Linien zu ziehen, und am Ende kommt immer eines heraus: rechte Winkel. Die mag ich anscheinend sehr.» r Text Simon Knopf, Bild Elena Brotschi

Das «Tableau unserer Ticks» findest du unter www.sueddeutsche.de/app/kultur/ticks/ Welche «Mödeli» begleiten dich durch den Alltag?

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UNIPOLITIK

Das Komitee «Uni von unten» agierte als Gegenspieler gegen die vom Schweizerischen Institut für Auslandforschung (SIAF) organisierten Vorträge. Gegenvorträge und Demonstrationen sollten nicht nur zum kritischen Reflektieren anregen, sondern es wurde auch gehandelt: Novartis-Chef Vasella wurde vom Vortragen abgehalten, Brabeck (Nestlé) und Roth (Schweizerische Nationalbank) mussten sich mit gut durchdachten Antworten den Kritiken stellen. Die Demonstranten befürchteten vor allem eine «Privatisierung der Bildung» und kritisierten die «neoliberale» und einseitig vertretene Haltung der Referenten.

Meinungsfreiheit in Gefahr?

Kritik von unten Die Vorträge grosser Wirtschaftsbosse und Demonstrationen gegen dieselben haben im letzten semester an der Uni Zürich für heissen Gesprächsstoff unter den Studierenden gesorgt.

Das Gerücht, dass aufgrund der Proteste die Disziplinarordnung verschärft werde, kam während der ersten studentischen Reaktionen auf die Vortragsreihe in Umlauf. Es wurde befürchtet, die Meinungsfreiheit des Campus sei in Gefahr. Unsicherheit entstand unter den Studierenden. Auf die Frage, ob die Änderung der Disziplinarmassnahmen etwas mit den «Tumulten» zu tun habe, erklärt Sven Akeret, Leiter des Rechtsdiensts der Universität Zürich, dass eine Revision der Disziplinarordnung bereits vor mehr als zwei Jahren in die Wege geleitet worden sei. Sie sei somit nicht mit den Demonstrationen in Verbindung zu bringen. Ebenso sei die verfassungsrechtlich garantierte Meinungsfreiheit in keiner Weise gefährdet. Grund für die Änderung sei eine Anpassung der noch aus dem Jahr 1976 stammenden Disziplinarordnung. Für eine allfällige Änderung des Universitätsgesetzes ist der Kantonsrat zustän-

dig. Claudio Zanetti von der SVP Zürich will mit einer parlamentarischen Initiative eine entsprechende Änderung, die sehr wohl mit den Vorfällen dieses Frühlings in Verbindung steht, erreichen: Wer einen Referenten bei seinem Auftritt behindert, soll lebenslänglich aus dem Universitätsbetrieb ausgeschlossen werden. Als Argumentation und Ansporn für die Initiative erklärt Claudio Zanetti: «Wer sich das Recht einfordert, seine Meinung frei äussern zu können, muss dieses Recht auch anderen zugestehen. Mit der Nötigung, die zum Verzicht von Herrn Vasella auf einen Auftritt führte, hat ‹Uni von unten› klar gemacht, dass sie Andersdenkenden dieses Recht verweigert.» Dies sei totalitär.

Macht und Meinung

«Uni von unten» erachtet die Vortragsreihe laut Tagesanzeiger als einen «neoliberalen Thinktank», wo einseitige Meinungen vertreten und die Machtverhältnisse klar asymmetrisch verteilt seien. Auch bestehen unter Studierenden Zweifel darüber, wie viel und in welcher Form grosse Firmen wie Nestlé und Novartis Einfluss auf eine öffentliche Bildungsinstitution haben dürfen. Es sollte künftig klar thematisiert werden, was eine Vortragsreihe wie diejenige im Frühling 2009 zum Ziel hat und welche Folgen und Reaktionen unter den Studierenden zu erwarten sind. Sinnvoll wäre beispielsweise, wenn Gegenvorträge schon von Anfang an eingeplant werden: So gäbe es eine interessante Diskussionsgrundlage, die nicht «erkämpft» werden muss. r Text Julia Nauer, Illustration Rita Peter

Was sagst du zu diesem Vorfall? Wie sollte in Zukunft mit einem ähnlichen Problem umgegangen werden? Findest du es in Ordnung, wenn sich grosse Firmen und Politiker in die Unipolitik einmischen? Findest du es richtig, einen Referenten vom Vortragen abzuhalten? Verrate uns deinen Standpunkt im Forum auf www.studiversum.ch – Meinungsfreiheit garantiert.

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INTERVIEW

Der UNTERNEHMER Er sorgt für den professionellen Rahmen und hält die Fäden zusammen. StudiVersum sprach anlässlich DES fünfjährigen Jubiläums mit dem Geschäftsführer Patrick Mollet – Eine Erfolgsgeschichte.

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Die meisten Studierenden kennen das Magazin StudiVersum, aber kaum jemand die Firma dahinter: Kannst du unsere Leser aufklären? StudiVersum gehört zur Firmengruppe von StudiMedia und Campus Lab. StudiMedia ist die Agentur, die Dienstleistungen für Unternehmen anbietet. Wir beraten Unternehmen, wenn es beispielsweise darum geht, sich als zukünftigen Arbeitgeber von Studierenden oder «First Choice Employer» für die Absolventen und Young Professionals zu positionieren. Wir sind aber nicht die klassischen Consultants, sondern vor allem stark in der Umsetzung: Mit einer massgeschneiderten Online- und Print-Mediaplanung erreichen die Unternehmen effizient ihre Zielgruppe. An Karrieremessen markieren wir zudem Präsenz für unsere Kunden oder führen Marktforschungen durch.

Ausserdem sorgen wir für Netzwerke, wie etwa dasjenige der Campus-Promotoren, die auch für das Verteilen des StudiVersum zuständig sind. Seit dem 1. Juli haben wir auf der anderen Seite alle Verlagsaktivitäten in der neuen Firma Campus Lab zusammengefasst: Hier funktionieren unsere Angebote ganz nach dem Prinzip «von Studenten für Studenten», wobei die Firma für den professionellen Rahmen sorgt. Nebst StudiVersum haben wir hier auch die OnlinePortale StudiSurf.ch und MeinProf.ch. Bei StudiMedia und Campus Lab sind die Studierenden zentraler Bestandteil des Unternehmens. Du bist Ex-Student, hast du noch keine Überdosis Uni? Nein, ich finde es erfrischend, mit jungen Leuten zusammenzuarbeiten. Das inspirierende und kreative Umfeld ist manch-


mal im positiven Sinn unprofessionell, da es unkonventionell ist. Im Allgemeinen halte ich diesen Markt für sehr attraktiv, nicht zuletzt, weil er dynamischer ist als etwa das Bankenwesen. Es kommen ständig neue Angebote und Player hinzu und es bereitet Freude, Unternehmer zu sein. Ein eigenes Unternehmen, das seinen fünften Geburtstag feiern kann. Was würdest du heute, wo du mehr Erfahrung hast, anders machen? (Überlegt) Rückblickend würde ich vielleicht von Anfang an mehr Vollgas geben, wie dies Gründer von Start-up-Unternehmen gewöhnlich tun. Nach unserem Studienabschluss suchten sich meine Mitgründer eine Vollzeitstelle. Ich nahm mein Doktorat in Angriff, weil mir dies persönlich wichtig war, und wir stellten einen Geschäftsführer teilzeitlich ein. Erst seit Ende 2007 bin ich voll und ganz für StudiMedia tätig. Allerdings ist aufgrund dieses Etappenstarts StudiMedia auch nachhaltig gewachsen. Wir haben uns nicht voreilig in etwas hineingestürzt; es fand eine langsame, aber stetige Entwicklung statt. Es wird gemunkelt, du und deine Freunde hätten auf der täglichen Fahrt mit dem RBS-Zügli an die Uni nach Bern die Grundsteine für das gemeinsame Unternehmen gelegt. Vor fast 10 Jahren besuchten wir, drei Studenten aus Solothurn, jeweils zusammen die Vorlesungen. Wir experimentierten gerne mit Webseiten und waren der Meinung, es fehle eine dienliche Homepage, wo alle nützlichen Studi-Informationen vereint sind. So lancierten wir im Herbst 2001 schliesslich StudiSurf.ch. Da wir BWL studierten, war das Geldverdienen natürlich ein Thema; im Vordergrund stand anfangs jedoch der Spass. Rasch merkten wir, dass von Seiten der Unternehmen ein enormes Bedürfnis nach Kommunikationsinstrumenten vorhanden war, mit denen man Studierende effizient ansprechen kann. Mit der Zeit gründeten wir eine GmbH und begannen parallel dazu mit dem Aufbau der Agenturdienstleistungen. Wir sind mit dem Markt gewachsen.

2004 lancierten wir das StudiVersum; auf dem Markt gab es damals wenig Medienprodukte, wie wir sie uns vorstellten. Etliches war zu unispezifisch, sehr politisch oder es ging nur um Career Advisory. Wir wollten etwas Unterhaltsames mit einem gewissen Niveau. Eine Zeitschrift, die zwar Themen aus dem Studentenalltag aufgreift, aber nicht bei Studiengebühren und Prüfungsterminen bleibt, sondern breiter angelegt ist. Rasch hat sich herauskristallisiert, dass unser Magazin ein Aufhänger für gute Firmenkontakte ist. Und obgleich es nicht von Anfang an Gewinn einbrachte, hatten wir grosse Freude an unserem Produkt, weshalb wir es im ersten Jahr trotz finanziellem Verlust durchschleusten. Könntest du es überhaupt ertragen, nicht dein eigener Chef zu sein? Mittlerweile hätte ich wohl Mühe, in einem klassischen, grossen Unternehmen zu arbeiten. Welche Vorteile hat die Selbstständigkeit? Man hat viele Freiheiten und ist niemandem Rechenschaft schuldig, wann und wie man etwas erledigt – ausser den Kunden natürlich. Ich muss keine Rücksicht nehmen auf einen Vorgesetzten. Das hat den Vorteil hat, dass ich schnell und pragmatisch reagieren oder etwas einfach ausprobieren und eventuell wieder verwerfen kann, ohne vorher während zweier Jahre ein Projekt zu planen und danach von verschiedenen Instanzen absegnen lassen zu müssen. Wenn wir erfolgreich sind, sei es mit einem Kunden oder einem Produkt, ist die Freude riesig. Ich denke kaum, dass Erfolg und Misserfolg bei einem normalen Angestellten eine derartige emotionale Wirkung hat. Für einen Unternehmer sind alle Erfahrungen extremer. Schlussendlich ist es die Verantwortung, die nicht zu unterschätzen ist; niemand kontrolliert deine Arbeit, wenn du Chef bist. Gelingt es dir, abzuschalten? In den Ferien gelingt mir dies problemlos. Abends, zuhause, ist es eher schwierig. Das Notebook winkt, und während ande-

re Fernsehschauen oder Vereinsarbeit verrichten, stelle ich noch eine Offerte aus. Allerdings kommt mir dies dann jeweils nicht wie Arbeit vor. Warum bist du ein guter Chef? Meine Devise ist, eine möglichst flache Hierarchie und viel Mitbestimmung zu pflegen. Ich versuche, Verantwortung abzugeben und meinen Angestellten viel Freiheit zu lassen, um ihre Ideen zu verwirklichen, auch wenn mal etwas schief geht. StudiVersum ist ein gutes Beispiel. Anouk ist verantwortlich, ihr Name steht im Editorial. Zwar erhält sie von mir eine Blattkritik, aber schlussendlich muss der Wurm dem Fisch schmecken und nicht dem Fischer. Und ich gehöre ja nicht mehr zum Zielpublikum. Gibt es spruchreife Projekte für die Zukunft? Ja, zum Beispiel die Beteiligung an Cumlaude, einer noch jungen Eventagentur mit Sitz in Berlin und München: Cumlaude organisiert Abi- und Examensbälle auf professionelle Art, kennt sich mit Sponsoring und Catering aus und erspart den feiernden Studierenden den Aufwand, unerfahren einen Grossanlass auf die Beine stellen zu müssen. Ein weiteres neues Projekt ist etuboard.ch, ein Portal für die französischsprachigen Studenten mit Zusammenfassungen von Vorlesungen und Kleinanzeigen. In einem zweiten Schritt werden wir natürlich auch noch Studentenjobs in der Romandie sowie News und Events aufschalten. Damit können wir dann effektiv die ganze Schweiz abdecken und sämtliche Studenten erreichen. Welches ist deine Lieblingsrubrik im StudiVersum? Horsts Tipps und die Kurzgeschichte gefallen mir immer besonders gut. Vor allem aber lese ich die Hauptartikel mit grossem Interesse, da diese mehr in die Tiefe gehen, Interviews geführt und Recherchen betrieben werden. Anders, als wenn ich Tageszeitungen lese, selektiere ich bei StudiVersum nicht – ich lese es von A bis Z durch. r Text Martina Zimmermann, Bild Barbara Graf

Im Juli sind StudiMedia und Campus Lab von Bern nach Zürich gezogen. «Mit unserem neuen Büro sind wir noch näher bei den Kunden und im Brennpunkt der Schweizer Hochschullandschaft», so Patrick Mollet. Weitere Infos findest du unter www.studimedia.ch und www.campuslab.ch.

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HERAUSGEBERIN:

Campus Lab AG Eschenring 2 6300 Zug

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CHEFREDAKTORIN:

Anouk N'Guyen

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Raffaela Angstmann, André Bähler Nina Fargahi, Mario Fuchs Simon Knopf, Katharina Kuhn Mauro Landolt, Christoph Lutz Janine Meyer, Julia Nauer Anouk N’Guyen, Kyra Raymann Myriam Schuler, Yolanda Wittwer Martina Zimmermann LAYOUT:

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Elena Brotschi, Barbara Graf Rocio Lugo, Flavia Trachsel (unteres Titelbild) LEKTORAT:

Stephanie Hug VERTRIEBSPARTNER:

FH Schweiz DRUCK:

Weber Benteli AG, Brügg KONTAKT:

Campus Lab AG Lavaterstr. 71 8002 Zürich Tel: +41 44 201 16 57 Fax: +41 44 201 16 50 www.campuslab.ch info@campuslab.ch StudiVersum erscheint sechs Mal jährlich in einer Auflage von 30 000 Exemplaren an allen Universitäten und Fachhochschulen der Deutschschweiz. Alle Rechte vorbehalten; Nachdruck, Aufnahme in OnlineDienste und Internet und Vervielfältigung auf Datenträgern wie CD-Roms etc. nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung der Herausgeberin.

Gib das Lösungswort jetzt ein auf www.studiversum.ch und gewinne mit etwas Glück eine von drei Handcremen von The Body Shop. Lösungswort der letzten Ausgabe: EINZIGARTIG

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KURZGESCHICHTE

Wer denkt, verli ert! Text: André Bähler

Die WG-Party ist in vollem Gang. John füllt bereits zum dritten Mal den Kühlschrank mit Bierdosen auf, als Beat unvermittelt in die Küche tritt und die Türe hinter sich schliesst: «John, ich habe ein Problem.» «Gratuliere! Wie hast du die übrigen 99 in so kurzer Zeit gelöst?» «Hö hö hö. Extrem lustig.» «Im Ernst: Was ist los?» «Ich kann nicht mit Frauen umgehen. Ich bin immer so verkrampft, wenn ich mit einer spreche.» «Ausser sie ist potthässlich?» «Stimmt. Wieso weisst du das?» «Habe mal ein halbes Semester Psychologie studiert.» «Genau das ist der Unterschied zwischen dir und mir: Du bist schlagfertig und unterhaltsam. Vorhin, da hat dir doch Isabelle aus der Hand gefressen, als du mit deinen Anekdoten und Sprüchen aufgetrumpft hast. Du bist so locker mit Frauen. Wie machst du das?» «Weiss auch nicht, Beat. Habe nie darüber nachgedacht.» «Das ist eben der Punkt: Wer darüber nachdenkt, ist nicht locker.» «Dann denk nicht darüber nach.» «Geht leider nicht. Je mehr ich versuche, nicht darüber nachzudenken, wie ich lockerer sein könnte, desto mehr muss ich daran denken und desto verkrampfter bin ich.» «Scheint ein komplexes Problem zu sein.» «Ja! Aber hast du verstanden, was ich meine?» «Glaub schon. Ich als Amateur-Freud würde sagen: Menschen mit Selbstvertrauen sind locker, weil sie nicht zwingend die Anerkennung anderer brauchen

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und sich nicht vor Kritik fürchten.» «Auf das bin ich auch schon gekommen…» «Hast ja auch intensiv darüber nachgedacht!» «… aber wenn man nicht locker im Umgang mit Frauen ist und deshalb keinen Erfolg bei ihnen hat, kann man auch kein Selbstvertrauen entwickeln.» «Ein echter Teufelskreis. Komm, lass uns unter die Leute gehen! Ich stelle dir Nathalie vor.» «Du bist gemein.» John flüstert Beat ins Ohr: «Versuch einfach NICHT, locker zu sein. Okay?» «Okay.» Lange nach Mitternacht, das WG-Fest erreicht gerade seinen Höhepunkt, macht Rebekka, in der vagen Hoffnung auf eine unberührte Familien-Packung Paprika-Chips, einen Abstecher in die Küche: «John, was machst du hier so ganz alleine? Du siehst ja richtig depressiv aus! Bist du traurig, weil dich Isabelle auf einmal hat stehen lassen?» «Das ist das kleinere Problem.» «Und das grössere?» «Ich habe in den letzten zwei, drei Stunden darüber nachgedacht, wieso ich so locker mit Frauen umgehen kann.» «Ja und? Weshalb?» «Weiss es nicht. Aber seit ich darüber nachdenke, bin ich völlig verkrampft. Isabelle kann ich mir jetzt wohl abschminken…» «Mein Gott, John. So kenne ich dich gar nicht. Du tönst ja wie Beat.» «Eben.» «Hast du übrigens gesehen, wie er diese Nathalie eingewickelt hat?»


WIE ANNO DAZUMAL

Haushaltstipp Fruchtfliegen Sommer – das ist die Zeit der behäbigen Gemütlichkeit und der fröhlichen Musse. Dem Nichtstun fröne ich am liebsten im Liegestuhl auf meiner Terrasse, ein Buch in der einen und eine feine Frucht in der anderen Hand. Meine Frau Martha schleppt im Sommer jeweils kiloweise Früchte an, in mannigfaltiger Form und Farbe. Denn die Früchte bringen Dolce Vita – und leider auch jede Menge Fruchtfliegen. Um dem Treiben dieser ungebetenen Gäste ein für alle Mal ein Ende zu bereiten, habe ich mich an einem schwülen Julitag von meinem Liegestuhl aufgerafft und meinen alten Freund Istvan aufgesucht. Istvan ist Imker und unzimperlich. Zunächst hat er mir erklärt, dass Fruchtfliegen von gärenden Stoffen und Flüssigkeiten wie eben Früchten, Wein, Kompost oder Küchenabfällen leben. Deshalb sollte ich zuerst einen neuen Abfalleimer mit Deckel besorgen. Ausserdem riet er mir, im Sommer kleinere Abfallsäcke zu verwenden, diese dafür aber öfter zu wechseln. Dann kam Istvan auf das «gröbere Geschütz», wie er es nannte, zu sprechen. Da ich die Anschaffung einer teuren UV-Lampe ablehnte, erklärte er mir den Bau einer Fliegenfalle: Ich sollte in einem flachen Schälchen einen Esslöffel Essig, drei Esslöffel Fruchtsaft, einen Esslöffel Wasser und einen Tropfen Spülmittel mischen. Eine bis zwei solcher Fallen reichten aus, wenn man sie in der Küche neben die Obstschale stellt. Ich dankte Istvan für seine Hilfe und machte mich tatkräftig ans Werk. Am Abend trieben bereits ein Dutzend Fliegen leblos im Schälchen neben den Äpfeln. Aber als Martha nach Hause kam und den Friedhof sah, schrie sie auf: Was mir einfalle, die armen Tiere einfach zu töten. Ich hätte nur sie fragen müssen, sie kenne ein viel besseres Hausmittel. Sie holte eine Zitrone aus dem Kühlschrank, fing an, sie mit Nelken zu spicken und legte sie neben die Äpfel. «So geht das», sagte sie.

Horst

Horst, 73, ist allzeit bereit: Ob im Haushalt oder in der Garage, beim Einkaufen oder an der Uni, Horst hilft! Als Hörer besucht er regelmässig Vorlesungen und weiss daher, was den Jungen unter den Nägeln brennt. Seine Tipps sind längst keine Geheimtipps mehr. Deshalb: Horst ausschneiden und an den Kühlschrank heften, dann kann nichts mehr schiefgehen. Horsts Ratschläge gibt es zudem als gesammelte Werke unter www.studiversum.ch. Hast du weitere Ideen gegen die lästigen Fruchtfliegen? Gib deine Tipps im Forum ab!

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Europaug mit SWISS. Studentenkonto eröffnen und abheben.

Christoph O., Zoologiestudent, möchte herausnden, ob die Kreuzberger Nächte wirklich so lang sind. Martina H., Geschichtsstudentin, hat gehört, dass das Brandenburger Tor gerade einmal werbefrei ist.

Harald B. und Alex K., Chemiestudenten, planen einen Besuch bei Tante Hertha BSC.

Giulia P., Designstudentin, möchte sich von der Berliner Street Art inspirieren lassen.

Patrick M., Philosophiestudent, freut sich auf die weltbeste Currywurst bei Konnopke im Prenzlauer Berg.

Willkommen an Bord. Eröffnen Sie bis 31. Oktober 2009 ein Privatkonto Academica und Sie erhalten von der Credit Suisse einen Gutschein für einen Flug mit SWISS nach Amsterdam, Barcelona, Berlin, Budapest, Kopenhagen, London, Madrid, Paris, Prag, Rom, Stockholm oder Wien, inklusive Rückug, Taxen und Gebühren. Das Angebot der Credit Suisse gilt nur, so lange Vorrat. Sofort mit Studentenausweis und ID in die nächste Filiale oder per Gratis-SMS weitere Informationen bestellen: «CS Flug» und Ihre E-Mail-Adresse an 963. www.credit-suisse.com/ug

Neue Perspektiven. Für Sie. Auszug aus den Bedingungen: Nonstop-Flug in der Economy Class (Buchungsklasse E). Platzzahl beschränkt. Ab Basel, Genf oder Zürich. Buchungsperiode bis 31.12.2009; Rückug bis spätestens 31.10.2010 bzw. spätestens 12 Monate nach Buchung. Keine Rückerstattung oder Umtausch. Nur ein Gutschein pro Kunde. Ausschliesslich für Academica-Neukunden. Weitere Bedingungen siehe unter www.credit-suisse.com/ug.


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