Zusammenfassung Joint and separated lifestyles in couple relationships (Kalmijn & Bernasco)
Abstract Dieser Artikel, der in die gleiche Richtung geht wie das Paper von Klocke & Lück (2001), verdeutlicht, dass die Freizeitgestaltung niederländischer Paare keineswegs so individualisiert abläuft, wie dies von Individualisierungtheoretikern behauptet wird. Vier Erklärungskomplexe wirken auf die jointness und separatedness: Lebenszyklus, Zeitbeschränkungen durch Kinder und Arbeit, Homogamie und Wertevorstellungen. Von diesen erweisen sich die harten Faktoren, also die ersten beiden (Lebenszyklus und Zeitbeschränkungen) als erklärungskräftiger als die anderen beiden.
Background and Hypotheses Die beiden Autoren aus Holland fragen sich, was die Freizeitgestaltung von zusammenlebenden Paaren beeinflusst. Dabei geht es insbesondere darum zu sagen, ob die Freizeit gemeinsam oder getrennt verbracht wird. Wenige Autoren haben Lebensstile und Freizeitverhalten bislang als abhängige Variablen behandelt (was sehr schade ist, aber ja durch diesen Artikel behoben wird). Im Folgenden wird argumentiert, warum die einzelnen Variablen oder Variablenbündel die Efffekte zeitigen, die sie offenbar zeitigen sollen. Diese etwas langwierige Argumentation soll hier nicht in aller Breite abgehandelt werden. Wer will, kann ja den Artikel konsultieren. Wie sich herausstellt, wählen die Autoren eine utilitaristischen Approach, bei dem die Familienmitglieder versuchen diejenige Alternative zu wählen, die die Kosten minimiert und den Nutzen maximiert. „As discussed before, developing a joint lifestyle can in part be seen as an investment in the relationship that people lose when the relationship dissolves.” Für jeden der vier erklärenden Faktoren hier kurz die Argumentation: •
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Lebenslauf: Der Nutzen die Freizeit zusammen zu verbringen verändert sich über die Zeit hinweg. In frühen Jahren macht man viel zusammen, um sich kennenzulernen. Später lässt diese Aktivität nach um am Schluss wieder anzusteigen, weil man dann ein kleineres Netzwerk hat und mehr aufeinander angewiesen ist. Auch Unterschiede zwischen verheirateten und (nicht-verheirateten) zusasmmenlebenden Paaren werden erwartet. Ein weiterer Grund, der in diesen Bereich fällt, sind Kinder. Da Kinder viel Zeit brauchen, können ausserhäusliche Aktivitäten nicht mehr im gleichen Mass praktiziert werden. Deshalb wirken sich Kids negativ auf die joint leisure aus. Effekte der Arbeit: Die Arbeit setzt natürlich zeitliche Einschränkungen für die Freizeit. Sowohl die Anzahl Stunden (Vollzeit – teilzeit) als auch der Stundenplan oder Arbeitsplan (unregelmässige Arbeitszeiten, Nacht- und Wochenendarbeit) wirken sich negativ auf die gemeinsam verbrachte Freizeit aus. Allerdings könnten sich die Effekte asymmetrisch, d. h. nicht gleich für Frauen und Männer, auswirken. Wenn Ego einen Job annimmt, der Freizeit
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frisst, ist Folgendes zu erwarten: „We therefore expect that employment has either a zero or a negative effect on ego’s separate leisure time and either a positive or zero effect on the partner’s separate leisure time.” Homogamieeffekte: Wenn Partner einander gleichen, sprechen wir von Homogamie. Der Mechanismus, der erwarten lässt, dass ähnliche Partner ihre Freizeit tendenziell eher zusammen verbringen, ist der persönliche Nutzen: „More generally, one would expect partners to have a more joint lifestyle if they are married homogamously.“ Wertorientierungen: In der Familienforschung wird oft eine Unterscheidung zwischen traditionellen und modernen Einstellungen gegenüber der Familie gemacht. Hier werden zwei Formen der Modernität betrachtet: Betonung der individuellen Autonomie und Betonung der Geschlechtergleichheit. Paare, für die Autonomie wichtig ist, werden die Freizeit tendenzielle selten zusammen verbringen. Andererseits verbringen traditionelle Paare, für die die Geschlechtsgleicheit keine grosse Rolle spielt, auch einen beträchtlichen Teil der Freizeit getrennt und zwar wegen der Separierung der Lebenssphären (Haushalt, Arbeitswelt... male breadwinner).
Data, Measures and Models Die Fallzahl des Datensatzes beträgt 1523 Personen im Alter zwischen 18 und 64. Beide Partner wurden befragt und die Interviews dauerten ca. 2 Stunden. Um die Lebensstile zu operationalisieren (die in dieser Studie ja Freizeitstilen gleichen) wurden vier Freizeitmodi abgefragt: Sozialkontakte, Unterhaltung, Outdoor (Sport etc.) und Indoor (Basteln, Hausarbeit, TV...). Um die jointntess und separatedness der LS zu messen, brauchen die Autoren eine relative Perspektive: Zuerst fragten sie die Probanden, wie oft sie die bestimmte Aktivität vollführten, dann wie oft dies zusammen mit dem Partner geschieht. Für letzteres standen vier Antwortkategorien zur Verfügung: immer mit Partner – meistens mit Partner – selten mit Partner – nie mit Partner. Für die Freizeit wurden sodann Skalen gebildet mit dem durschnittlichen Verhalten. Die ausführliche Beschreibung der u. V. findet sich im Text. Das gerechnete Modell ist ein SUR (seemlingly unrelated regression). „SUR is an appropriate technique for research problems that include several regerssion equations with partially overlapping predictor variables.”
Results Die Resultate der Studie sehen folgendermassen aus: Tendenziell verbringen die Paare einen grossen Teil der Freizeit zusammen, obwohl es stark auf die Aktivität ankommt. Unterhaltung ist der Bereich mit der geringsten Trennung (oder grössten jointness). 90% aller Paare gehen immer oder meistens zusammen ins Kino oder Theater. Auch interaktive Bereiche sind nicht sehr getrennt. Anders sieht es bei Outdoor aus und bei Sport: 70% machen Sport ohne Partner. Gleiches gilt für Indoor. Ein Grund, dass letztere Bereiche am stärksten getrennt sind, so argumentieren die Autoren, könnte im unterschiedlichen Geschmack liegen. Die absolute Häufigkeit der Freizeitaktivität verrät folgendes: Männer betreiben häufiger Unterhaltungsaktivitäten (Bars) als Frauen, letztere fast alle anderen Sachen mehr.
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Lebenslauf: Paare mit jungen Kindern verbringen ihre Freizeit seltener zusammen als solche ohne. „Children serve as a time constraint for couples to engage in joint activities.“ Die Dauer der Beziehung zeigt eine umgekehrte U-Form (die abhängige Variable ist separatedness und nicht jointness). Am Anfang der Partnerschaft verbringt man viel Freizeit zusammen, dann wenig und am Schluss wieder mehr. Der Wendepunkt liegt mit 19 Jahren relativ spät. Arbeit: Die Vollzeit Beschäftigung der Frau hat einen negativen Effekt auf ihre getrennt verbrachte Freizeit. Für den Mann dagegen besteht ein (nichtsignifikanter) positiver Effekt auf die getrennt verbrachte Freizeit. Ähnlich sieht es bei teilzeit aus, wenngleich die Effekte schwächer sind. Homogamie: Der einzige überraschende Befund lautet, dass Altershomogamie eher zu getrennter verbrachter Freizeit führt als Altersdifferenz. Sonst sind die Auswirkungen von Homogamie schwach und meistens nicht signifikant (siehe auch FA). Werteorientierungen: Auch WO haben nur einen schwachen Effekt auf die getrennte Freizeit. „We do not find that people who have been exposed to same-sex settings when they were adolescents are more likely to develop a separated lifestyle in marriage.” In Hinblick auf die Individualismus-Dimension sind die Resultate besser. Männer, die vor der Ehe oder dem Zusammenleben mit der Partnerin allein gelebt haben, zeigen eine leicht erhöhte Wahrscheinlichkeit ihre Freizeit getrennt zu verbringen als ihre Zeitgenossen ohne dieses Attribut.
Anschliessend schlüsseln die Autoren die gefundenden Resultate nochmals auf und zwar mit Hinblick auf die einzelnen Dimensionen des Freizeitverhaltens. Siehe dazu den Artikel
Discussion and Conclusion Im Schlussteil werden die Resultate nochmals zusammengefasst. Die wichtigsten Befunde sind: Individualisierungsfeststellungen, wonach sich das Freizeitverhalten über die Zeit mehr und mehr individualisiert habe und nicht mehr gemeinsam stattfinde, konnten in diesem Artikel nicht bestätitgt werden. „In contrast to such assertions, we find a considerable degree of joint leisure activities among contemporary couples.” (Weiche) Faktoren der Präferenz erwiesen sich als nicht so aussagekräftig wie (harte) Faktoren des Zwangs und der Einschränkung. So zeigte sich, dass Homogamie und Werteorientierungen weniger aussagekräftig sind als Lebenslauf und Arbeit.