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59 59 59 SELTSAME FRACHT INS PAZNAUN SELTSAME FRACHT INS PAZNAUN SELTSAME FRACHT INS PAZNAUN SELTSAME FRACHT INS PAZNAUN

Das Magazin 4 Ischgl, Kappl, See, Galtür Innsbruck, im Jänner 2021, Nr: 7 2020/21, 1x/Jahr, Seite: 90-93 Druckauflage: 15 000, Größe: 93,33%, easyAPQ: _ Auftr.: 8420, Clip: 13328714, SB: Alpinarium SELTSAME FRACHT INS PAZNAUN

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Der Bauer und Friseurmeister Erwin Walter hatte als Soldat in Russland im Verlauf des Zweiten Weltkrieges zum ersten Mal mit Rentieren zu tun. Und fand, sie passen auch in seine Heimat Galtür.

Rentiere als Hirschart des hohen Nordens bilden die Existenzgrundlage der Polarvölker, denen sie Fleisch, Milch und Fell liefern und als Nutztiere dienen. Wieder in der Heimat zurück, trug sich Erwin Walter mit dem Gedanken, die possierlichen und ebenso anspruchslosen wie widerstandsfähigen Tiere auch in Galtür anzusiedeln. Vor allem wollte er sie als Hüttentransporte oder für Schlittenfahrten einsetzen.

Walter nahm zunächst Verbindung mit Schweden auf, kam aber zu keinem Ergebnis. Über einen alten Bekannten aus Finnland gelang es dann aber doch, zehn Rentiere (je vier Kühe und Ochsen sowie zwei Stiere) anzukaufen. Die Tiere wurden von Helsinki via Kopenhagen und Hamburg nach Lindau gebracht und dann mit dem Zug nach Landeck transportiert. Zehn Tage hatte ihre Reise von Finnland nach Galtür gedauert. Bis sie in ihrer neuen Heimat waren betrugen die tes Zaumzeug und leichte Schlitten anfertiKosten für Anschaffung und Transport be- gen und begann mit Fahrten zum Zeinisjoch reits 70.000 Schilling; für die 1950er-Jah- und zur Jamtalhütte. Die Gäste ließen sich im re eine enorme Summe. Den Großteil die- Schlitten von den Rentieren ziehen oder beser Mittel hatte Erwin Walter – forthin als sichtigten die Tiere in ihrem Freigehege. Der „Renntier-Pionier des Paznauns“ bezeichnet damalige Bundeskanzler Julius Raab und – selbst aufgebracht. Subventionen zur Ver- Tirols Landeshauptmann Hans Tschiggfrey wirklichung seines kühnen Plans erhielt er besuchten die Tiere aus dem hohen Norden unter anderem von der Gemeinde und dem und auch Prinz Bernhard aus Holland ließ Verkehrsverein. sich im Zuge seines Osterurlaubes im Tal geAm 6. Februar 1954 war es schließlich so Irene den ungewöhnlichen Ausflug nicht entweit. Die Bewohner von Galtür konnte die gehen. Die königlichen Gäste ließen sich im neuen Einwanderer aus dem Polargebiet in Schlitten von drei Rentieren zur Jamtalhütihrer Gemeinde begrüßen und taten dies mit te emporziehen und hatten ihre helle FreuPomp und Gloria. „In Galtür, der neuen Hei- de, den mühsamen vierstündigen Aufstieg mat, wartete die Musikkapelle in ihrer schö- bequem zu überwinden. Prompt wurden sie nen blauen Tracht“, schrieb Die Wochenpost eingeschneit, sodass der Aufenthalt zu Berge in ihrer Samstagsausgabe vom 13. Febru- unfreiwillig länger wurde als geplant. Im Alar 1954. „Da geschah es dann, daß die zehn pinarium Galtür gibt es unter anderem einen Tiere, die die Reise aus dem Nordland bis in Film zu sehen, der dokumentiert, wie Prinz die Alpen ohne Schaden hinter sich gebracht Bernhard mit seinen Töchtern eine Schlittenhaben, zum erstenmal durch den Schnee der fahrt ins Jamtal unternimmt. Silvrettaberge tobten, etwas ungehalten und meinsam mit den Prinzessinnen Beatrix und ungebärdig, weil die Musik vielleicht nicht DAS RENTIER-ENDE das Richtige für die Renntierohren ist, die Finnische Fachleute glaubten damals, dass an die unendliche Einsamkeit und Stille der die Tiere im Paznaun sicher heimisch werden Tundren gewöhnt sind.“ würden, denn „das wenige, was das Ren zum Leben braucht – isländisch Moos und troDennoch lebten sich die Tiere im Paznaun ckenes Laub – hat das Paznaun in Mengen. ein. Das „Renntierdorf Galtür“ stand bald Sogar das Tränken der Tiere fällt im Winter nach dem Eintreffen der Vierbeiner im Mit- weg, da sie einfach Schnee fressen. Im Somtelpunkt des öffentlichen Interesses. Zahl- mer will man die Renntiere versuchsweise auf reiche Berichterstatter und Kamerateams die Hochalmen bringen und beim Uebergang rückten an, um vom Zuwachs zu berichten. von Herbst auf Winter wird sich zeigen, ob Insbesondere deutsche Illustrierte nahmen der Versuch gelungen ist“, schrieb die damasich der Story an. Erwin Walter ließ geeigne- lige Alpenpost aufgeregt. Zum eigenen Gebrauch nach §42a UrhG. Anfragen zum Inhalt und zu Nutzungsrechten bitte an den Verlag (Tel: 0512/290088). Pressespiegel Seite 60 von 91 Erwin Walter berichtete dem Gemeindeblatt im April 1954, die Tiere haben sich gut akklimatisiert, hielten sich in den ersten Wochen zwar mit Fressen noch zurück, was Walter den Anstrengungen der Fahrt und der Umstellung im Futter zuschrieb. „Nun aber haben sich die Tiere völlig auf ihr neues Futter umgestellt, und zwar sehr gut“, gab’s zu lesen. „Sie erhalten Grummet (Heu), bei dem sie allerdings ziemlich wählerisch sind. Die vier Ochsen und zwei Stiere erhalten und fressen auch Kurzfutter, jeder etwa 2 – 3 Liter Hafer oder Gerste täglich. Man würde es den an sich grazilen Tieren nicht ansehen, daß sie eine solche Menge Futter ‚verdrücken‘! Natürlich ist und bleibt das Isländisch Moos ihr Lieblingsfutter.“

Nun. Der Versuch, Rentiere dauerhaft im Paznaun anzusiedeln, gelang letztlich nicht. Das das Geschäft nicht so recht aufblühen wollte, zäunte der Besitzer die Tiere bei seinem Hof ein und nahm aus den Eintrittsgeldern gerade so viel ein, dass er das nötige und – von Tierseite begehrte – Isländisch Moos zukaufen konnte. Das milde Klima und das zu nährstoffreiche würzige Alpengras ist den Rentieren offenbar doch nicht gut bekommen. Obwohl drei Kälbchen in Galtür geboren wurden und zunächst 14 Rentiere hier lebten, begann im Herbst 1955 das Sterben. Im Sommer gediehen sämtliche Tiere noch prächtig, da sie sich das Futter suchen konnten, das ihnen behagte. Mit der Zufütterung ging es rapide bergab. So kam es, dass die Tiere allmählich immer weniger wurden. „Im Februar 1957 verendete schließlich das letz-

te Rentier, so daß Galtür nun keine Rentiere mehr hat“, schrieb eine örtliche Zeitung. Der Besitzer der Tiere deutete dieses Sterben in der Art der Lappen, indem er sagte, dass die Geister der Rentiere in ihre Heimat zurückgeholt wurden. So kommt die Galtürer Rentier-Geschichte doch noch zu einem versöhnlichen Abschluss. about settling these cute, undemanding and

quaintance from Finland, however, he manSTRANGE FREIGHT TO PAZNAUN. aged to buy ten reindeer (four cows and four oxen, plus two bulls). The animals were THE FARMER AND MASTER HAIR- brought to Lindau from Helsinki via CopenDRESSER ERWIN WALTER HAD HIS hagen and Hamburg and then transported FIRST CONTACT WITH REINDEER by train to Landeck. The journey from FinAS A SOLDIER IN RUSSIA DURING land to Galtür took ten days. By the time they THE SECOND WORLD WAR. reached their new home, the cost of purchase HE THOUGHT THEY WOULD BE and transport had already reached 70,000 SUITED TO HIS HOME VILLAGE shillings. This was an enormous sum for the OF GALTÜR. 1950s. Erwin Walter – known from then on Reindeer, a deer species from the far north, ley” - had raised most of the funds himself. are the livelihood of the polar peoples. They He received subsidies for the implementation provide meat, milk and fur and serve as farm of his bold plan from, among others, the local animals. Back home, Erwin Walter thought council and the tourist office. as the “reindeer pioneer of the Paznaun valhardy animals in Galtür. Above all, he want- On 6 February 1954, the time finally came. ed to use them as transport animals for The inhabitants of Galtür were able to welmountain huts or for sleigh rides. come the new immigrants from the polar region to their community and did so with Walter first got in touch with contacts in Swe- pomp and glory. “The music band in their den, but with no success. Through an old ac-Zum eigenen Gebrauch nach §42a UrhG. beautiful blue costumes was waiting for Anfragen zum Inhalt und zu Nutzungsrechten bitte an den Verlag (Tel: 0512/290088). Pressespiegel Seite 61 von 91 them in Galtür, their new home,” wrote Die Wochenpost in its Saturday edition of 13 February 1954. “The ten animals, which had made the journey from the northern lands to the Alps without any problems, raged for the first time through the snow of the Silvretta mountains. They were a little upset and unruly, perhaps because the music was not suited to reindeer ears, which are used to the endless loneliness and silence of the tundra.”

Nevertheless, the animals settled down in the Paznaun. The “reindeer village Galtür” soon became the focus of public interest after the arrival of the four-legged friends. Numerous reporters and camera teams came to report on the new arrivals. German magazines were especially interested in the story. Erwin Walter had suitable bridles and light sleighs made and began trips to the Zeinisjoch and the Jamtalhütte. The guests could be pulled by reindeer in the sleigh or visit the animals in their outdoor enclosure. The then Federal

Ischgl Das Magazin 4 Ischgl, Kappl, See, Galtür Innsbruck, im Jänner 2021, Nr: 7 2020/21, 1x/Jahr, Seite: 90-93 Druckauflage: 15 000, Größe: 90,46%, easyAPQ: _ Auftr.: 8420, Clip: 13328714, SB: Alpinarium 93www.observer.at

Selbstverständlich waren die Rentiere auch das damalige Schulgespräch. Sogar die Jugendrotkreuzzeitschrift „Berglandkinder“ hat das weihnachtliche Titelbild den außergewöhnlichen Tieren gewidmet, im Innenteil sind Berichte und Zeichnungen

von Schülern abgedruckt. Of course, the reindeer were also the talk of school pupils at the time. Even the youth Red Cross magazine „Berglandkinder“ dedicated the Christmas cover picture to these extraordinary animals, and reports and drawings by the schoolchildren are printed in the inside section.

were promptly snowed in, so that the stay in the mountains became longer than planned. You can watch a film documenting Prince Bernhard and his daughters on a sleigh ride into the Jamtal valley in the Alpinarium Galtür. imals is not necessary in winter because they simply eat snow. The reindeer will be brought up to the high alpine pastures in the summer tumn to winter will show whether the experiment has been successful,” wrote the then Alalso receive and eat short fodder, each about 2 - 3 litres of oats or barley daily. You would not think that the animals, which are quite graceful, would ‘eat’ such a large amount of food! Of course, Icelandic moss is and remains their favourite food.”

But in the end the attempt to settle reindeer permanently in the Paznaun failed. The owner fenced in the animals at his farm and took just enough from the entrance fees to buy the necessary Icelandic moss, which the animals preferred. The mild climate and the spicy and over-nutritious alpine grass obviously did not suit the reindeer after all. Although three calves were born in Galtür and 14 reindeer initially lived here, the reindeer started to die in the autumn of 1955. In the summer, all the animals were still thriving, as they were able to find food that suited them. Once the supplementary feeding started, the situChancellor Julius Raab and Tyrol’s Governor Erwin Walter told the local newspaper in number of animals gradually became fewer Hans Tschiggfrey were among the visitors to April 1954 that the animals had acclimatised and fewer. “The last reindeer finally died In the animals from the far north. Prince Bern- well, but were still holding back on feeding in February 1957, leaving Galtür with no more hard from Holland, together with Princess- the first few weeks, which Walter attributed reindeer,” a local newspaper wrote. The ownes Beatrix and Irene, also did not miss this to the stress of the journey and the changeo- er of the animals interpreted the death of the unusual excursion during Easter holidays in ver in feed. “But now the animals have com- animals in the manner of the Lapps, by saythe valley. The royal guests were pulled up to pletely changed over to their new feed, and ing that the spirits of the reindeer had been the Jamtalhütte in a sleigh by three reindeer very well,” the newspaper reported. “They called back to their homeland. In his eyes the and had the pleasure of making the other- are given Grummet (hay), but they are quite story of the Galtür reindeer had come to a fitwise tough four-hour climb in comfort. They fussy about it. The four oxen and two bulls ting conclusion at the end. THE END OF THE REINDEER Finnish experts at the time believed that the GANZ OBEN animals could settle in the Paznaun, because “the Paznaun valley has much of the lit- GESCHICHTEN ÜBER GALTÜR UND DIE WELT tle that the reindeer needs to live - Icelandic moss and dry foliage. Even watering the anwww.alpinarium.at, Tel. 05443 20000 on a trial basis, and the transition from auation went rapidly downhill. As a result, the penpost excitedly. Zum eigenen Gebrauch nach §42a UrhG. Anfragen zum Inhalt und zu Nutzungsrechten bitte an den Verlag (Tel: 0512/290088). Pressespiegel Seite 62 von 91 Seite: 4/4

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