6 minute read
4 4 4 Anschieben gegen Anschober Anschieben gegen Anschober Anschieben gegen Anschober Anschieben gegen Anschober
TREND WIRTSCHAFT
ÖSTERREICH
Advertisement
Anschieben gegen Anschober
In Österreich wurde Anfang des neuen Jahres gerade heftig darüber diskutiert, warum nach dem Schauimpfen bei zwei Vorzeigesenioren in den Weihnachtsfeiertagen –im Beisein von Kanzler und Gesundheitsminister – von Bürokraten ein Impf-Lockdown verhängt wurde.
Höchst paradox, aber wahr: Die ersten zehntausenden Impfdosen hatten zwar unter Polizeischutz längst die Grenze passiert, sollten danach aber rund zwei Wochen in den Kühlregalen des Pharmagroßhandels gelagert werden.
Absurde Begründung: Alters- und Plege heime seien noch nicht in der Lage, die Impfung vor Ort auszurollen.
Der öfentliche Aufschrei bewirkte, dass da und dort schon vor Ende der Feiertagsruhe der Ausnahmesituation einer Jahrhundertpandemie Tribut gezollt wurde. Ein paar Anti-Corona-Stiche wurden so schon vor dem gemächlich mit 9. Jänner gesetzten Stichtag der Behörden verabreicht.
In der breiten Empörung über den verschlampten Start der Corona-Impfung ging eine politische Weichenstellung unter, die in den kommenden Monaten wochenlang für Aufregung sorgen könnte. Im Ausweichquartier des Nationalrats, dem Redoutensaal in der Wiener Hofburg, konstituierte sich Anfang Jänner der sogenannte „kleine U-Ausschuss“.
Das auf Initiative von SPÖ und Neos einberufene Gremium hat sich der „ Untersuchung des Corona-Krisenmanagements der Regierung“ verschrieben. Der „kleine U-Ausschuss“ ist formell ein Unterausschuss des Rechnungshof-Ausschusses. Die Sitzungen laufen daher unter Ausschluss der Öfentlichkeit ab. Regierung und Opposition rüsten bereits für den Showdown mit der Corona-Politik in einem einschlägigen U-Ausschuss. Die Türkisen tun schon jetzt alles, dass der Blitz ableiter RUDOLF ANSCHOBER und nicht Sebastian Kurz heißt.
VON JOSEF VOTZI
Grüne bremsen bei Kanzler-Grillen
Vorarlberger Abgeordnete hatte – zum zunehmenden Missfallen des türkisen Koalitionspartners – im Ibiza-Ausschuss bislang keine Scheu, auch ÖVP-Granden präzise, aber unpolemisch ins Visier zu nehmen. Als es jüngst freilich darum ging, auf dringenden Wunsch der Opposition den Kanzler wegen der Maskenafäre der Hygiene Austria in den „kleinen U-Ausschuss“ zu laden, hielt die türkis-grüne Mehrheitsachse. Beide Regierungsparteien versicherten: Sebastian Kurz werde dem Ausschuss Rede und Antwort zu stehen haben, aber zu einem späteren Zeitpunkt. Kurz wird spätestens im Sommer geladen werden müssen. Denn dann läuft das Untersuchungsmandat des Parlamentsgremiums aus. Alles in allem dürfte auch das aber starken Minderheitenrechte – von der nicht mehr als ein Vorgeplänkel werden. Themensetzung bis zur Zeugenladung –, die geschickte Abgeordnete nutzen kön- Nach Ibiza der nen, um den Ausschuss zu einer Bühne Corona-U-Ausschuss der Opposition zu machen. Im „kleinen Denn der wahre politische Showdown U-Ausschuss“ gelten die herkömmli- ist für den Herbst geplant. Im Septemchen Spielregeln. Die Regierungsmehr- ber muss der Ibiza-Ausschuss endgültig heit hat im Zweifelsfall immer dichtmachen. Dann ist auch recht. Entsprechend hand- der Weg für den U-Ausschuss zahm, ergebnisarm und weit- in Sachen Corona-Politik frei. gehend unbemerkt liefen die SPÖ und Neos sitzen zwar bisherigen Zusammenkünfte bei den alle paar Wochen ab. angesetzten montäglichen Dabei sind die Themen Krisengipfeln von Experten, durchaus brisant: Finanz-, Landeshauptleuten und ReGesundheits- und Wirt- gierung als konstruktive Krischaftsministerium sowie tiker mit am Tisch. Für den Kanzleramt sollen die Be- Corona-U-Ausschuss werden schafung und Auftragsvergaben rund um Schutzmasken, DER AUTOR. Josef Votzi ist einer der renomaber in allen Oppositionsparteien schon die Messer Corona-Tests und Stopp-Co- miertesten Politik- gewetzt. rona-App sowie etwa das journalisten des Die FPÖ glaubt, in der ToHandling von TV-Spots und Landes. Er arbeitete talopposition gegen die CoroInseraten ofenlegen. für proil und News na-Politik der Regierung eine Koalitionstechnisch zudem und „Kurier“. Für den neue Hauptrolle gefunden zu
Sie sind auch aus einem anderen Grund nicht unheikel: Vorsitzende des Ausschusses ist die Fitrend verfasst er jede Woche „Politik Backstage“. Jeden haben. Der – im Windschatten von FPÖ-Obmann Norbert weniger spektakulär als ein regulärer nanzsprecherin der Grünen, Freitag auch auf Hofer agierende – wahre blaue U-Ausschuss. Hier gibt es nicht jene Nina Tomaselli. Die junge Zum eigenen Gebrauch nach §42a UrhG. Digitale Nutzung gem PDN-Vertrag des VÖZ voez.at. Anfragen zum Inhalt und zu Nutzungsrechten bitte an den Verlag (Tel: 01/213 12-0). trend.at Parteichef Herbert Kickl sucht Pressespiegel Seite 4 von 27
KANZLER VOR U-AUSSCHUSS. Im Juni 2020 musste Sebastian Kurz im Ibiza-Ausschuss Rede und Antwort stehen. Im Herbst wird sich das in Sachen Corona wiederholen.
sich seit Wochen bei den Anti-Corona- Schuldigen für die gesundheitlichen und
Demos zum Anführer der außerparla- wirtschaftlichen Folgen der Corona- mentarischen Opposition aufzuschwin- Pan demie sollen andere abgeben. gen und die Blauen als Sammelbecken Der öfentliche Watschentanz, den für vermeintliche und tatsächliche Opfer Sebastian Kurz jüngst mit zwei „Gesundder Krise zu positionieren. heitsbürokraten“ inszenierte, machte Hinter den Kulissen rüsten sich be- einmal mehr klar, wen die ÖVP zuvorreits auch Türkis und Grün für die heiße derst im Auge hat. „Glauben wir Rudolf
Phase der politischen Aufarbeitung der Anschober vorerst einmal, dass er nichts
Pandemie. In beiden Regierungspartei- davon wusste, was Clemens Martin Auer en rechnet man bereits ix damit: „Das zum Nachteil des Landes als Vertreter war von Anfang an klar und es ist gut so, Österreichs in der EU entschieden hat“, dass es ähnlich wie in Tirol nach Ischgl merkte ein Spitzen-Türkiser dieser Tage zu einer Aufarbeitung möglicher Fehler vieldeutig an. und struktureller Mängel kommt“, gibt Ein anderer spricht noch vor Start des ein hochrangiger Grüner das Wording Corona-U-Ausschusses unter vier Augen des kleineren Regierungspartners vor. und Ohren unverblümt aus, wohin die „Dass so ein Ausschuss kommt, ist Reise gehen soll: „Wenn ich Rudolf aus jeder Wortmeldung der Opposition Anschober wäre, wäre ich schon längst herauszuhören. Da zurückgetreten.“ schießen sich jetzt Am liebsten wäre Die Türkisen haben schon einige warm“, resümiert ein hochran- es der ÖVP, wenn mit den Grünen noch einige Rechnungen ofgiger türkiser Politiker die Opposition den fen: Diese hätten ÖVPnüchtern. grünen Gesund- Minister wie Gernot
Intern wurde als Parole ausgegeben: Die ÖVP soll sich, wenn heitsminister weichklopft. Blümel nicht nur bei Attacken der Opposition im Regen stehen irgend möglich, nicht lassen, sondern im selber die Hände schmutzig machen. Ibiza-Ausschuss nach Kräften mit in die
Die Opposition werde sich die Chance Mangel genommen. der Proilierung im U-Ausschuss ohne- Als jüngst nicht nur gegen den Fihin nicht nehmen lassen. nanzressortchef, sondern gegen InnenWo immer es geht, werden aber schon minister Karl Nehammer Misstrauensjetzt hinter den Kulissen die Weichen so anträge zur Abstimmung anstanden, gestellt, dass nicht der türkise Regie- ließ der grüne Parlamentsklub die Türrungschef und seine Minister primär am kisen bis drei Stunden vor SitzungsAusschuss-Pranger stehen. Den oder die beginn zappeln, ob tatsächlich alle F T O Zum eigenen Gebrauch nach §42a UrhG. Digitale Nutzung gem PDN-Vertrag des VÖZ voez.at. Anfragen zum Inhalt und zu Nutzungsrechten bitte an den Verlag (Tel: 01/213 12-0). Pressespiegel Seite 5 von 27 Abgeordneten der Ökos dem Begehren der vereinigten Opposition ihre Zustimmung verweigern werden. „Von uns ist bisher keine einzige Anti-Anschober-Parole gekommen“, sagt ein VP-Spitzenparlamentarier, „wir halten uns weiter öfentlich sehr zurück – im Vergleich zu dem, was Grüne schon alles über Nehammer gesagt haben.“
In den Augen der ÖVP ein besonderer Akt der Selbstkasteiung. Denn zwischen Kurz und Anschober hängt schon seit Monaten der Haussegen schief. Die beiden reden nur noch das Nötigste miteinander. Anschober sei zu langsam, zu stur und habe sein Ministerium nicht im Grif, monieren die Türkisen.
Kurz presche in Sachen Corona oft vor und stelle den zuständigen Gesundheitsminister vor vollendete Tatsachen – auch weil er eifersüchtig auf dessen lange besseren Popularitätswert sei, monieren die Grünen.
Ofene Rechnungen wegen Blümel und WKStA
Was bei entscheidenden Playern in der Kanzlerpartei durchklingt: Am liebsten wäre es der ÖVP, wenn die Opposition den grünen Gesundheitsminister derart weichklopft, dass ihm und/oder seiner Partei nichts anderes übrig bleibt, als den Job an den Nagel zu hängen.
Die Koalition deswegen generell in Frage stellen will in der Kurz-ÖVP derzeit niemand. „Nach der Hausdurchsuchung bei Gernot Blümel und den Debatten um die WKStA, hat es koalitionsintern ordentlich geruckelt“, resümiert ein Kurz-Mann, „jetzt ruckelt es auch manchmal, aber nicht so sehr wie bei der Justiz.“
Im bislang schwersten Konlikt mit Anschober rund um seine Spitzenbeamten hielt sich der Kanzler so auch demonstrativ an Grünen-Chef Werner Kogler. Dieser hatte dem – wegen eines Breakdowns für eine Woche ausgefallenen – Gesundheitsminister auch zu vermitteln, dass Clemens Martin Auer nicht mehr zu halten sei.
Ab sofort rüsten Türkis und Grün für den generellen Showdown mit der Corona-Politik: spätestens in einem U-Ausschuss im Herbst, wenn die politische Regie entgleist, auch früher.
Die Türkisen tun schon jetzt alles, dass der Blitzableiter Rudolf Anschober und nicht Sebastian Kurz heißt.