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eit Ausbruch der Pandemie gilt der Name „Ischgl“ als Synonym für Fehlentwicklungen im Tourismus, speziell jenem in den Bergen. Jahrzehnte versilberte die erfolgsverwöhnte Branche das S einzigartige Alpenpanorama und baute es zu einem lukrativen Geschäftsmodell aus, das nur eine Richtung kannte: die nach oben. Tourismus und Freizeitwirtschaft sind wichtige Säulen der heimischen Volkswirtschaft und tragen prozentual gemessen dreimal so viel wie die Autoindustrie in Deutschland zur Wertschöpfung bei. Rund 80 Prozent des Umsatzes an den wichtigsten Reisezielen kommen von ausländischen Gästen. Im CoronaJahr hat die Tourismuswirtschaft eine Vollbremsung hingelegt. Seither wird fi eberhaft nach neuen Konzepten jenseits von AprèsSki gesucht. Von sanftem Tourismus ist die Rede. Für Tourismusministerin Elisabeth Köstinger sind Massentourismus und Nachhaltigkeit kein Widerspruch. Sie sieht Österreich „auf dem Weg zur nachhaltigsten TourismusDestination der Welt“. Ähnlich die Schweiz, deren Tourismus ebenso hart getroff en wurde: Unter dem Label „Swisstainable“ soll das Nachbarland als Ort für nachhaltigen Tourismus positioniert werden. Aber ist das überhaupt möglich? Innovationen statt Revolutionen Th omas Poltura, Vorstand des oberösterreichischen Alpenvereins, bezweifelt das. Im Zivilberuf ist der Bergfex Unternehmensberater und Restrukturierungs Profi . Er ist es gewohnt, in die Krise geratene Organisationen zu analysieren und neu auszurichten. „Als fl ächendeckendes Konzept ist ein sanfter Tourismus in den Bergen nicht durchführbar“, sagt Poltura. Es fehlt an Fläche, Infrastruktur und öff entlichen Verkehrsmitteln, „da soll man sich nicht selbst anlügen“ (siehe Interview). Auch Harald Pechlaner, Inhaber des Lehrstuhls Tourismus an der Ô

ALPINTOURISMUS. Nach Corona und Ischgl ist viel von Nachhaltigkeit und sanftem Tourismus die Rede. Aber ist das ohne Abkehr vom Massentourismus überhaupt möglich? Eine Spurensuche.

Après-Ski in Ischgl: Abtanzen nach dem Skilauf in der Schatzi-Bar.

Universität EichstättIngolstadt und ehemaliger Direktor der SüdtirolWerbung, bezweifelt eine Abkehr vom Massentourismus. Es braucht Menschen, die auch morgen noch so reisen, wie sie es getan haben, denn das ist das Geschäftsmodell, auf dem im Moment noch alles aufbaut.

Menschen drängen einfach an die Hotspots, das habe man auch im Corona Sommer 2020 gesehen. „Da wird keine Revolution stattfi nden“, sagt der Tourismusforscher. Pechlaner begrüßt Diskussionen über den skitouristischen Massentourismus, die als konkrete Strategien formuliert und umgesetzt werden sollen. „Das wird nicht einfach werden, weil die Regionen im Alpenraum sich in ein Geschäftsmodell hineinmanövriert haben, das zwar seit mehreren Jahrzehnten sehr erfolgreich ist, durch das es aber auch viel schwieriger wird, neue Pfade zu gehen“, sagt der gebürtige Südtiroler den „Salzburger Nachrichten“. Der alpine Tourismus müsse sich jedenfalls die Frage gefallen lassen, dass das „immer höher und weiter“ so nicht mehr funktioniert. Die wesentliche Frage dabei ist: Wie ist ein nachhaltiger Massentourismus möglich, ohne dass die Wertschöpfungssysteme in unseren Regionen

zusammen brechen? „Es braucht ein gehöriges Maß an Innovation, damit wir für Reisemärkte attraktiv bleiben“, sagt Pechlaner.

Retro-Flair und Entschleunigung Als Vertreter des nachhaltigen Tourismus sieht sich Linus Pilar. Der Linzer Betriebswirt hat vor drei Jahren mit seinem Geschäftspartner, dem Wiener Anwalt Michael Proksch, die schwer defi zitäre Winterpark Postalm GmbH in Strobl am Wolfgangsee um einen symbolischen Euro gekauft und versucht seither, das Skigebiet mit neuen Konzepten auf Kurs zu bringen. „Nach dem ersten Jahr hat es geheißen: ‚Gut, die haben Glück gehabt.‘ Jetzt sind wir in der vierten Saison – es gibt uns immer noch und es wird uns auch weiterhin geben“, sagt der Sohn des Ebenseer Schriftstellers Walter Pilar. „Wir werden den Fehler nicht machen, größer und besser werden zu müssen. Wir werden das, was wir haben, sogar gesundschrumpfen.“ Pilar setzt auf das ZeitgeistTh ema „Entschleunigung“. Die zwei alten Liftanlagen vermitteln RetroFlair. Bei der SchillingTankstelle für Pistenbullys fühlt man sich um 40 Jahre zurückversetzt. Gäste werden bei der Einfahrt zur Postalm mit der Aufschrift „Zentral kasse“ empfangen. „Das wirkt wie ein Relikt aus dem Kommunismus, gehört aber zu unserem Geschäft“, sagt Pilar. Zum Geschäft gehören auch Liftmitarbeiter, die durch ihre knorrige, skurrile Art im Gedächtnis bleiben.

Keine Beschallung, kein Après-Ski Pilar kommt ursprünglich aus der Gastronomie, hat eine Lehre gemacht und dann im zweiten Bildungsweg ein Betriebswirtschaftsstudium absolviert. Für ihn ist daher das Wichtigste der Stammtisch: „Wenn der Stammtisch in einem alten Wirtshaus nicht mehr besetzt ist, dann weiß ich, du bist zum Scheitern verurteilt. Wenn du die Einheimischen und die Vereine aus der Umgebung gewinnst, dann hast du deine Hausaufgaben gemacht.“ Wichtig sei eine wirtschaftliche Grundauslastung. Dazu zählen die Saisonvorverkaufskarten, um in den schwierigen Monaten November und Dezember über Liquidität zu verfügen. „Wir hatten in dieser Saison beim Vorverkauf Zuwächse zwischen 10 und 20 Prozent“, sagt der Touristiker. Die neuen Gäste kommen aus einem Umkreis von 100 bis 150 Kilometer. Und zum „Stammtisch“ zählen auch die ZweitwohnsitzBesitzer aus Wien und München, wovon es rund um den Wolfgangsee nicht wenige gibt. Im ersten Jahr zählte der Betrieb 45.000 Besucher, inzwischen sind es 60.000. „Das Produkt, das wir haben, ist naturgegeben. Damit spiele ich. Wir haben keine Beschallung oder AprèsSki. Bei uns wird man keinen Gabalier hören“, sagt Pilar. n

Bei uns wird man keinen Gabalier hören.

Linus Pilar Unternehmer und Betreiber Winterpark Postalm GmbH in Strobl

Regionen im Alpenraum haben sich in ein Geschäftsmodell hineinmanövriert, das zwar seit mehreren Jahrzehnten sehr erfolgreich ist, durch das es aber auch viel schwieriger wird, neue Pfade zu gehen.

Harald Pechlaner Inhaber des Lehrstuhls Tourismus an der Universität Eichstätt-Ingolstadt

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