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Steuerungsdefizite in der Covid-19-Politik
kussionsstrategie (...) Politik redet mit Politik, bestenfalls mit Behörden. Behörden reden aber auch nur mit Behörden.“ Der ungenügende Informationsaustausch bedeutet nicht nur fehlendes Sammeln von Fakten und deren Aufarbeitung. Es verhindert möglichst einvernehmliches Einschätzen der Problemlage, möglicher Risken und des Handlungsbedarfs zwischen Behörden und politisch Verantwortlichen.
Mitte Februar registriert man in weiten Teilen Europas eine steigende Zahl von Infektionen. Aus Skandinavien und Deutschland liegen den österreichischen Behörden Nachrichten über infizierte Tirol-Urlauber vor. Ein Innsbrucker Hotel wird wegen eines Infektionsfalls am 25. Februar sofort gesperrt. In Ischgl und anderen Tourismuszentren dauert es dagegen mehr als zwei Wochen, bis notwendige Schließungen nach dem Epidemiegesetz verfügt und umgesetzt werden. Eine Weisung von Minister Rudolf Anschober an den Tiroler Landeshauptmann nach raschem Vollzug in den Skigebieten wäre angebracht gewesen.
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„Fachbeirat Corona“ und „Nationaler Krisenstab“
Im Gesundheitsministerium wird erst Ende Februar ein „Fachbeirat Corona“ eingerichtet, bestehend aus Virologinnen, Ärzten und anderen Experten; im Innenministerium setzt man einen „Nationalen Krisenstab“ ein, in dem mehrere Ministerien und Länder vertreten sind. Generell sind sich die Experten einig, dass die Ausbreitung des Virus verlangsamt werden muss und ältere Personen geschützt gehören. Altenheime sind ein spezielles Problemfeld. Mitte März kommt der Lockdown. Im Fachbeirat gibt es dazu verschiedene Sichtweisen und Ratschläge, die Bundesregierung entscheidet jedoch schnell und orientiert sich dabei am Beispiel anderer Staaten (etwa Israel, Schweiz). Die politische Steuerung funktioniert – nicht zuletzt mit Hilfe der „Angstbotschaft“ des Kanzlers über die besondere Gefährlichkeit des Virus. Der Beschluss des Lockdowns im Nationalrat erfolgt einstimmig; die Länder stellen sich geschlossen hinter die Bundesregierung. Nach Umfragen erhält diese Politik von der Bevölkerung viel Zustimmung.
Die Steuerung der Bekämpfung des Virus im föderalen System zeigt Stärken und Schwächen, worauf der Verfassungsdienst des Landes Kärnten in der „Wiener Zeitung“ (22. Mai) hinweist: „Der Staat (kann) wirksame Abhilfe gegen Bedrohungen des Lebens schaffen (...), dabei müssen andere Grundrechte im notwendigen und zielführenden Maß zurückstehen. Eine strenge Prüfung der Verhältnismäßigkeit schließt die konsequente Suche nach gelinderen Mitteln ein (...). Ein bundesweites Vorgehen ist bei einer bloß regionalen Problemlage nicht erforderlich (...), eine Lockerung (wird) in Betracht kommen, soweit allgemeine Verbote im regionalen Kontext überschießend wären.“ Es hängt also von der Prüfung der Verhältnismäßigkeit ab, ob bundesweit einheitliche Maßnahmen ergriffen werden müssen oder ob regional differenziert werden kann.
Unterschiedliche
Handlungsweisen
Zur Eindämmung von regionalen Infektionshäufungen in Skigebieten durch Quarantäne können die Länder unterschiedlich handeln. Ob und nach welchen Kriterien solche strengen Prüfungen angestellt wurden, ist kaum bekannt. Lediglich einzelne Fakten weisen darauf hin, dass unterschiedlich streng geprüft worden ist, was zu unterschiedlichen Handlungsweisen führte: So wurde in Heiligenblut eine strenge Quarantäne verfügt, während aus Tiroler und Salzburger Gemeinden mit deutlich mehr Infizierten Touristen und Saisonkräfte vor der Quarantäne ausreisen durften.
Aus demokratiepolitischer Sicht wäre es wünschenswert, regional unterschiedliches Vorgehen auf seine Berechtigung zu prüfen. Eine Kontroverse zwischen Politikern des Bundes und der Stadt Wien hat gezeigt, dass die verwendeten fachlichen Grundlagen zur Prüfung und die Art der laufenden Evaluierungen zu unterschiedlichen politischen Schlussfolgerungen und Maßnahmen führen können. Häufig verwendete Indikatoren wie die „effektive“ beziehungsweise. die „Basis-Reproduktionszahl“ ändern sich in Abhängigkeit von den Testungen und verlangen kundiges Interpretieren; andere Daten, etwa zur Auslastung der Intensivstationen, erscheinen zudem nicht immer verlässlich.
Demokratiepolitisch bedenklich sind jedenfalls die übertrieben oder teils unrichtig kommunizierten Botschaften betreffend einzelner Einschränkungen von Menschen- und Freiheitsrechten sowie über die Hilfspakete und deren Nachbesserungen.
Österreichische Tageszeitung seit 1703 Wien, am 18.07.2020, 260x/Jahr, Seite: 16 Druckauflage: 43 000, Größe: 59,94%, easyAPQ: _ Auftr.: 8420, Clip: 13012943, SB: Ischgl Anstelle eines politischen Diskurses Verschiedene schädigung zu regeln. Durch das Cosetzt man auf „Message Control“. EiGebiete gingen vid-19-Gesetz wird auch festgelegt, ne weitere Schwäche der Regierenunterschiedlich dass im Falle einer Verordnung des den betrifft das Abwägen und die mit der Pandemie Gesundheitsministers das EpidemieTransparenz von Wirkungen der geum. Foto: apa/Groder gesetz und damit auch die Entschädiplanten Maßnahmen auf unterschiedgungsregelungen nicht zur Anwenliche gesellschaftliche Bereiche. Seit dung gelangen. Vielmehr werden Jahren ist im Bundeshaushaltsrecht Förderungsmaßnahmen zur finanziund bei einigen Ländern die Wirellen Abfederung eingerichtet und kungsorientierung als Grundprinzip Fonds (Kurzarbeit, Härtefallfonds, staatlicher (Budget-)Planung festgeHilfen für Kulturschaffende) dotiert, schrieben. Das Ziel des Handelns ist die aber – im Unterschied zum frühedann nicht etwa das Herunterfahren ren Rechtsanspruch – den Förderoder Absperren, sondern die konkret werbern nur die schwächere Rolle eibeabsichtigte Wirkung; diese gilt es nes Bittstellers einräumen. offenzulegen und darüber RechenDie nunmehr limitierten Unterschaft zu leisten. stützungszahlungen verlangen das
Das Verwechseln von Zielen und Erfüllen zahlreicher VoraussetzunMitteln hat unter anderem zur Folge, gen. Jedoch wird unterschiedlichen dass die Politik „Kollateralschäden“ Problemlagen zu wenig Rechnung geausklammert. So wäre etwa bei getragen, was zu Unklarheiten und sundheitspolitischer Abwägung das Nachbesserungen führt. Die AbwickEindämmen der Zahl der Infektionen lung einiger Förderungen wird teils bei der Risikogruppe der Alten den Nicht-Regierungsagenturen überlaszu erwartenden Auswirkungen auf sen - was etwa im Fall der Wirtdie Behandlung anderer schwerer Erschaftskammer wegen der Bürokratie krankungen dieser Gruppe gegenüberzustellen gewesen. Es gälte also, Das und des Einblicks in sensible wirtschaftliche Daten konkurrierender Abwägungen zwischen den kurzfrisVerwechseln Unternehmen kritisiert wurde. Diese tig angestrebten Auswirkungen der Seuchenbekämpfung und den zu ervon Zielen Agenturen stellen den Antragstellern keine Bescheide aus, sondern nur Zuwartenden mittelfristigen Konseund Mitteln oder Absagen, gegen die kein Rechtsquenzen in maßgeblichen gesellschaftlichen Bereichen und Wirthat unter mittel möglich ist. Insgesamt erscheint das Handeln schaftssektoren anzustellen und öffentlich zu diskutieren. anderem zur der Politik auf die Pandemie teilweise stimmig und richtig, jedoch lassen
Vielfache Auswirkungen Folge, dass die Politik sich erhebliche Steuerungsdefizite erkennen. Diese sind unter anderem ungenügendes rechtspolitisches AbHeute zeigen sich die vielfachen Auswirkungen der bisherigen Politik. „Kollateralwägen konfligierender Ziele und Interessen, anstelle demokratiepoliZum einen sind unzweifelhafte Erfolschäden“ tisch bedeutsamer Wirkungen das ge des restriktiven Kurses und eines Teils der gesetzten Maßnahmen zu ausklammert. Abstellen auf bloße Maßnahmen sowie mangelnde Fairness bei der Entbetonen, etwa der bisher weniger graschädigung von Verdienstentgängen vierende Verlauf der Covid-19-Epideaufgrund behördlicher Schließunmie im Vergleich zu den Opfern der gen. jährlichen Grippewelle sowie die sozialpartnerschaftlich abgesicherte Kurzarbeit. Dem stehen negative soZu den Autoren zial- und gesellschaftspolitische Auswirkungen gegenüber, die durch besHelfried Bauer leitete von 1973 seres Abwägen und politische Weitbis 2008 das Zentrum für Verwalsicht vermeidbar oder verringerbar tungsforschung (KDZ) und arbeitet erscheinen. nun freiberuflich an Projekten zu
Ein weiterer negativer Aspekt beFragen von Public Governance trifft die Entschädigungspflicht des und Management sowie zu FiEpidemiegesetzes. Seit der Novelle nanzausgleich und anderen fi1974 hat jeder bei Verdienstentgang nanzwissenschaftlichen Themen. Anspruch auf Entschädigung. Diese Regelung wird im April dadurch ausBruno Rossmann ist Ökonom. Er gehebelt, dass ein neuer Absatz den war Nationalratsabgeordneter der Gesundheitsminister ermächtigt, Grünen beziehungsweise der Lisdurch Verordnung die Höhe der Entten Pilz und Jetzt.