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1. ARBEITSWELT In der Geschichte der Menschheit haben die letzten 200 Jahre wohl den raschesten und einschneidendsten Wandel von Wirtschaft und Arbeitswelt gebracht. Durch die Industriellen Revolutionen konnte sich die Wirtschaftsleistung in einem bis dahin ungeahnten Tempo vervielfachen. Menschliche Arbeit konnte durch den gigantischen technischen Fortschritt produktiver und effizienter genutzt werden, bleibt aber letztlich die unersetzbare Grundlage für die Schaffung von Gütern und Dienstleistungen. Nicht der Großmut und die Entscheidungskraft einiger Konzernherren, sondern die Arbeit von FabriksarbeiterInnen, Büroangestellten, BusfahrerInnen, LehrerInnen, ÄrztInnen, KrankenpflegerInnen etc. und nicht zuletzt die zumeist unbezahlte Haus- und Pflegearbeit schaffen den uns gewohnten gesellschaftlichen Wohlstand.
KAPITALISMUS IST UNDEMOKRATISCH Die entscheidende Rolle, die den Menschen zukommt, die durch ihre Arbeit unseren Lebensstandard ermöglichen, spiegelt sich in unserem Wirtschaftssystem allerdings keineswegs wider. Die wichtigsten wirtschaftlichen Entscheidungen über Produktion, Arbeitsbedingungen, über Investitionen und Arbeitsverteilung liegen im Kapitalismus nicht bei den direkt davon Betroffenen, sondern bei den UnternehmerInnen, ob als EigentümerInnen oder als ManagerInnen. Demokratische Grundprinzipien sind aus einem unserer wichtigsten Lebensbereiche, dem Wirtschaftsleben, noch immer weitgehend aus- geschlossen.
AUSBEUTUNG DER ARBEITER_INNEN Der Kapitalismus teilt die Menschen in solche, die über Kapital verfügen und andere für sich arbeiten lassen können und solche, die auf den Verkauf ihrer Arbeitskraft angewiesen sind, um ihren Lebensunterhalt aufbringen zu können. In der den ArbeiterInnen abverlangten Arbeitszeit erzeugen sie in der Regel mehr, als sie in Form von Löhnen (zuzüglich aller staatlichen Abgaben) erhalten. Den Überschuss schöpfen die Unternehme-
rInnen als "Gewinn" ab. Tatsächlich handelt es sich bei diesem "Gewinn" aber um den Beschäftigten vorenthaltene Lohnteile. Reichtum einiger weniger setzt deshalb immer die Ausbeutung und relative Armut einer viel größeren Gruppe voraus.
DIE ROLLE UNBEZAHLTER HAUSARBEIT Um dauerhaft die Arbeitskraft von LohnarbeiterInnen ausbeuten zu können, bedarf es ihrer ständigen Reproduktion, d.h. LohnarbeiterInnen müssen über Zeit und Lebensmittel verfügen, um ihre Kräfte zu erneuern. Doch auch die Reproduktion von Arbeitskraft erfordert Arbeit, z.B. Kochen, Putzen, Kinder betreuen, etc. Diese Arbeit wird allerdings zum größten Teil unbezahlt von Frauen erbracht, ein Umstand, der Frauen zu doppelt Ausgebeuteten macht. Die Gleichberechtigung von Frauen in der Gesellschaft erfordert deshalb nicht nur, dass Frauen im Erwerbsleben endlich gleich behandelt werden (gleicher Lohn für gleiche Arbeit), sondern eben auch, dass Haus- und Betreuungsarbeit weitgehend vergesellschaftet bzw. partnerschaftlich aufgeteilt wird, denn nur dadurch kann tatsächliche Gleichheit der Geschlechter gewährleistet werden.
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DER MARKT ERZEUGT KRISEN Wir erleben im Kapitalismus aber nicht nur eine ungerechte Verteilung gesellschaftlichen Wohlstands. Die Mechanismen des freien Marktes sorgen auch dafür, dass in einer Welt, die in weiten Teilen noch immer von Hunger, Elend und Mangel regiert wird, regelmäßige "Überproduktionskrisen" auftreten; dass die Produktion dringend benötigter Güter eingestellt wird, bzw. Millionen Tonnen bereits erzeugter industrieller und landwirtschaftlicher Güter vernichtet werden, weil es keine finanzkräftige Nachfrage danach gibt; dass gleichzeitig durch immer aufwendigere Werbung Bedürfnisse künstlich erzeugt werden; dass Forschungs- und Produktionsentscheidungen nicht nach gesellschaftlicher Nützlichkeit, sondern nach Profitaussichten getroffen werden. Es sind die Mechanismen des Marktes, das unkoordinierte Agieren konkurrierender Unternehmen, die regelmäßige Krisen erzeugen. Und es sind die unternehmerischen Reaktionen, durch "Rationalisierungen", Lohnkostensenkungen und Entlassungen die "Wettbewerbsfähigkeit" zu erhöhen, durch die sich gesamtwirtschaftlich die Spirale von Krise, Arbeitslosigkeit und sinkenden Einkommen fortsetzt. Teil dieser aktuellen Rationalisierungsmaßnahmen ist die Erhöhung des Drucks auf die arbeitenden Menschen, die Absenkung von Lohnkosten und ein Abbau sozialstaatlicher Leistungen. In diesem Zusammenhang ist die - von Neoliberalen häufig als "Zukunftskonzept" gefeierte - Forcierung atypischer Beschäftigungsverhältnisse, Teilzeitarbeit, Scheinselbstständigkeit etc. zu sehen. Ebenso
wie bei der "Flexibilisierung" von Arbeitsrecht bzw. Arbeitszeiten, beim Abbau sozialer Leistungen und bei der Förderung des "Niedriglohnsektors" geht es darum, den Druck auf die Beschäftigten zu erhöhen und ihren Anteil am Wirtschaftsprodukt zugunsten der Profite abzusenken.
DIE ROLLE DER ARBEITSLOSIGKEIT Die weltweit herrschende Massenarbeitslosigkeit ist dabei keine zufällige und unbeabsichtigte Nebenerscheinung, sondern wird von neoliberaler Politik bewusst herbeigeführt bzw. in Kauf genommen. Arbeitslosigkeit wird als Waffe eingesetzt, um Löhne zu drücken und Rechte zu beschneiden. Sie dient als eines der wichtigsten Instrumente, um Selbstbewusstsein, Solidarität und Kampfkraft der arbeitenden Menschen zu zerstören und so eine Umverteilungspolitik von unten nach oben zu ermöglichen. Diese Umverteilung erfolgte nicht nur durch eine Verschlechterung der Arbeitssituation, sondern auch durch die Gestaltung öffentlicher Finanzen. Die Privatisierung vormals staatlicher Industrien und öffentlichen Dienstleistungen in Form von Verkauf und Liberalisierungen eröffnen neue Felder für die Profitwirtschaft. Steuerpolitisch werden Gewinn- und Vermögenssteuern gesenkt, während Konsum- und Lohnsteuern deutlich an- gehoben werden. Sozialistische Wirtschaftspolitik hat zum Ziel, alle Menschen mit den ihren Bedürfnissen entsprechenden Gütern auszustatten und der Demokratie auch im Wirtschaftsleben zum Durchbruch zu verhelfen. Wir kämpfen für die so-
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ziale Besserstellung der arbeitenden Menschen und für ihr Recht, über ihr Leben selbständig entscheiden zu können. Deshalb richtet sich unser Kampf auch auf die Überwindung des Kapitalismus, der einigen wenigen Reichtum und Privilegien verschafft, indem er der großen Mehrheit Rechte, Möglichkeiten und Lebensqualität vorenthält. Wir fordern die Ersetzung des Privateigentums an den Produktionsmitteln durch gesellschaftliches Eigentum und eine demokratische Verwaltung der Wirtschaft.
GRUNDSÄTZE SOZIALISTISCHER WIRTSCHAFTSPOLITIK Denn wir sehen soziale Gleichheit als Notwendigkeit an, um tatsächlich in allen Lebensbereichen Fremdbestimmung durch demokratische Grundsätze zu ersetzen. Erst die soziale Gleichstellung aller Menschen ermöglicht die Durchsetzung echter Freiheit und gesellschaftlicher Demokratie. Damit schaffen wir auch die Grundlage, um die geistigen und körperlichen Potenziale aller Menschen für die Steigerung der allgemeinen Lebensqualität nutzbar zu machen. Wir
sind der Überzeugung, dass Wirtschaftskrisen und Arbeitslosigkeit, soziale Ungleichheit und Elend, Unfreiheit und mangelnde Wirtschaftsdemokratie nicht naturgegeben sind, sondern durch unser gemeinsames Handeln beseitigt werden können. Nachstehend wollen wir einige Schritte skizzieren, mit denen wir eine Überwindung der herrschenden Missstände einleiten wollen. Die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung ist eine zentrale Aufgabe sozialistischer Wirtschaftspolitik. Wir wollen durch die Schaffung gutbezahlter und sicherer Arbeitsplätze und die Beseitigung von Lohn- und Sozialdumping im Rahmen atypischer Beschäftigungsverhältnisse Vollbeschäftigung wiederherstellen. Mit der dadurch bewirkten Verbesserung der Lebenssituation Millionen arbeitender Menschen, stärken wir auch die Position der organisierten ArbeiterInnenschaft im Kampf um die soziale Gleichstellung aller Menschen. Vollbeschäftigungspolitik bedarf einer radikalen Umverteilung von Einkommen und Vermögen von oben nach unten. Damit werden die BezieherInnen niedriger Einkommen in die Lage versetzt, zusätzliche, dringend benötigte Güter kaufen zu können und damit die effektive Nachfrage zu erhöhen.
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UMVERTEILUNG DURCH STEUERPOLITIK Die Sozialistische Jugend fordert eine umfassende Umverteilung der steuerlichen Lasten, die momentan hauptsächlich von den arbeitenden Menschen getragen werden.
WIR VERLANGEN: o eine drastische Anhebung der Steuern auf Vermögen und Spitzeneinkommen durch die Beseitigung von Steuerprivilegien für Vermögen (z.B. "Privatstiftung"); o die Anhebung der Grundsteuer; o die Wiedereinführung der Vermögensteuer; o die Erhöhung der Gewinnsteuern; o die Wiedereinführung der Erbschaftssteuer und Verstärkung der Progression; o Verstärkung der lohnsteuerlichen Progression, Erhöhung des Spitzensteuersatzes; o die Einführung der Finanztransaktionssteuer und von Kapitalverkehrskontrollen, um Spekulation und Steuerflucht entgegenzuwirken; o eine Erhöhung der Steuern auf Kapitaleinkünfte.
Diese zusätzlichen Finanzmittel sollen zum Ausbau verbesserter öffentlicher Dienstleistungen und zur Senkung der unteren und mittleren Lohnsteuerklassen, zur Einführung einer Negativsteuer und schrittweise zur Abschaffung indirekter Steuern wie der Mehrwertsteuer genutzt werden. Wir wollen mit diesen Schritten nicht nur in Österreich zu einer deutlich gerechteren Verteilung der Einkommen beitragen, wir sind auch überzeugt, dass eine verbesserte internationale Zusammenarbeit zur Schließung von Steuerschlupflöchern und zur Verhinderung eines internationalen Steuerwettbewerbs sinnvoll ist.
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2. EUROPA DROHT EINE„ „VERLORENE GENERATION
Mit wachsender Verzweiflung suchen Millionen von jungen Menschen einen festen Job. Aber ein Rückgang der durch die Finanzkrise besonders in Europa dramatisch gestiegenen Jugendarbeitslosigkeit ist für die nächsten Jahre kaum in Sicht, warnt auch die Internationale Arbeitsorganisation (ILO). Es droht eine „verlorene Generation“!
Aktuellen Studien der OECD zufolge kletterte die Jugendarbeitslosigkeit in den 27 EU-Mitgliedsländern von 2008 bis April 2012 von 16 auf 22 Prozent. Besonders besorgniserregend ist der dramatische Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit in den „Krisenländern“ Griechenland und Spanien, wo bereits mehr als 50 Prozent der Jugendli-
Die langfristigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen könnten verheerend sein. Die immer wieder erfolglose Jobsuche erzeuge bei vielen jungen Menschen ein Gefühl von "sozialer Ausgrenzung, Nutzlosigkeit und Nichtstun". Deshalb müsse eine aktive Beschäftigungspolitik für Jugendliche für die Regierenden höchste Priorität haben.
chen ohne Job dastehen. Aber auch in anderen größeren EU-Staaten wie Frankreich, Großbritannien oder Italien ist die Jugendarbeitslosigkeit auf über 20 Prozent bzw. weit über 30 Prozent geklettert. Eine Ausnahme stellt Deutschland dar, wo die Jugendarbeitslosigkeit gesunken ist. Dieser leichte Rückgang ist hingegen mit einer drastischen Ausweitung des Niedriglohnsektors verbunden:
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Laut dem Arbeitsmarktexperten Karl Brenke betrug 2010 der Anteil der im Niedriglohnsektor (Stundenlohn unterhalb von EUR 8,9) Beschäftigten fast 23 Prozent – 1996 noch waren es rund 7 Prozent weniger. 1 Damit verfügt Deutschland über den höchsten Niedriglohnanteil unter den EU-Ländern.2 Gleichzeitig sind die Stundensätze im Niedriglohnbereich in den vergangenen Jahren weiter gesunken: Laut dem „Institut für Arbeit und Qualifikation“ an der Universität Duisburg-Essen verdienen über 4 Millionen Beschäftigte weniger als 7 Euro, 2,5 Millioinen weniger als 6 Euro und fast 1,4 Millionen nicht einmal 5 Euro pro Stunde.
Vgl. Roth, Eva/Sievers, Markus: Der Volltreffer von Schröder, in: Frankfurter Rundschau, 8.2.2010. Online abrufbar unter: http://www.fr-online. de/arbeit---soziales/niedriglohnsektor-der-volltreffer-von-schroeder,1473632,2677948.html (Zugriff: 16.12.2011). 1
Vgl. Rügemer, Werner: Arbeits-Unrecht: Die Lage von Beschäftigten und Arbeitslosen in der neoliberal orientierten Gesellschaft, in: Hentges, Gudrun/Lösch, Bettina (Hrsg.): Die Vermessung der sozialen Welt. Neoliberalismus – extreme Rechte – Migration im Fokus der Debatte. Wiesbaden 2011, S. 104. 2
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WIE SIND DIE ERFAHRUNGEN MIT DER AUSBILDUNGSGARANTIE IN ÖSTERREICH? Österreich startete 2009 mit der Verwirklichung einer sogenannten Ausbildungsgarantie für 19- bis 24-jährige. Durch die Errichtung überbetrieblicher Lehrwerkstätten konnte sichergestellt werden, dass Jugendliche ihre Lehrausbildung abschließen können. Überbetriebliche Lehrwerkstätten legen den Fokus, etwa durch Betriebspraktika, darauf, dass Lehrlinge in eine betriebliche Lehrstelle kommen. Wenn es hart auf hart kommt, ist es aber auch möglich, die gesamte Lehrzeit in der überbetrieblichen Lehrwerkstätte abzuschließen (samt Lehrabschlussprüfung). Die Kehrseite: Viele Betriebe geben seither ihre Ausbildungsverantwortung an diese Einrichtungen ab. Seit Einführung der Ausbildungsgarantie im Jahr 2008 gibt es über
3.000 Lehrplätze in Österreich weniger. Gleichzeitig ist die Zahl der Lehrlinge in überbetrieblichen Ausbildungseinrichtungen auf rund 10.000 gestiegen. Das war nicht Sinn und Zweck der Sache. Unternehmen müssen wieder mehr in die Pflicht der Ausbildung genommen werden. Dass in einer Zeit, in der ganz Europa spart und kürzt, die Arbeitslosigkeit in die Höhe schnellt und immer mehr Jugendliche ohne Anstellung und Zukunftsperspektiven dastehen, erscheint logisch. Die wirksamste Bekämpfung der (Jugend-) Arbeitslosigkeit sind daher öffentliche Investitionen, Arbeitsmarktprogramme und ein steigendes Wirtschaftswachstum. Die Entwicklung Europas geht aber in die andere Richtung:
NEIN ZU NOCH MEHR ARBEITSLOSIGKEIT – NEIN ZUM FISKALPAKT. NEIN ZU EINER EUROPAWEITEN WACHSTUMSBREMSE! Europas Staaten sparen und verordnen sich selbst strenge Schuldenbremsen, um mehr „Haushaltsdisziplin“ durchzusetzen, was wiederum den Spielraum für Investitionen und staatliche Programme einengt. Die Ankündigung der österreichischen Bundesregierung, eine sogenannte Schuldenbremse in Verfassungsrang zu beschließen, hat für kontroversielle Debatten gesorgt. Kritische ÖkonomInnen stellten die Sinnhaftigkeit dieser Maß-
nahmen in Frage. Neben der technischen Umsetzbarkeit und der Warnung des Ökonomen Markus Marterbauers in seinem jüngsten Buch „Zahlen bitte“, argumentierte auch der deutsche Ökonom Achim Truger zuletzt auf Einladung der AK die Gefahr einer Schuldenbremse für aktive Konjunkturpolitik und stellte sich gegen eine „Entmündigung der Politik“.1 Die schon in sich widersinnige Argumentation, die Bundesverfassung nach den Vorgaben der Finanzmärkte umzuschreiben, um sich von den Finanzmärkten unabhängig
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zu machen, fand durch das Downgrading Österreichs durch die Ratingagentur „Standard&Poor’s“ keine Bestätigung. In der Begründung des Downgradings betonte die Agentur sogar ausdrücklich, dass die derzeit europaweit betriebene Sparpolitik Europa in eine Rezession zu stürzen drohe.
EU-Länder dieser Politik. In dieser Situation muss die europäische Sozialdemokratie insgesamt aktiv werden, um der Sparpolitik des Fiskalpakts mit ihren verheerenden ökonomischen und sozialen Folgen den Kampf anzusagen. Schuldenbremse und Fiskalpakt sind aber nicht nur ökono-
Allen sachlichen Argumenten zum Trotz halten Europas Staats- und Regierungschefs aber an diesem Kurs fest. Mit einem sogenannten Fiskalpakt, der u. a. eine verpflichtende Schuldenbremse vorsieht, wird tiefgehend und nachhaltig in das europäische Vertragswerk eingegriffen, ohne das formelle Procedere für eine Vertragsänderung einzuhalten. Frankreichs neu gewählter Präsident François Hollande hat angekündigt, den Fiskalpakt neu verhandeln zu wollen. Er will der Debatte über rezessionsfördernde Kürzungspakete ein Wachstumsprogramm entgegenstellen. Dieses Wachstum soll durch öffentliche Investitionsprogramme und eine Neuorientierung der Europäischen Zentralbank ermöglicht werden. Die neoliberale Antwort darauf: Der Fiskalpakt soll bleiben wie er ist. Als Verschärfung soll ein nur zum Schein, schönfärberisch genannter „Wachstumspakt“ die Arbeitsmärkte flexibilisieren, die Dienstleistungsmärkte in Europa liberalisieren und so den Weg von Deregulierung und Privatisierung zu Lasten der ArbeitnehmerInnen verschärfen. Der politische Kurswechsel in Frankreich stellt eine einmalige Möglichkeit dar, als Sozialdemokratie europaweit in die Offensive zu kommen: Nach Jahren des Merkel’schen Spardiktats widersetzt sich eines der beiden wichtigsten
misch schädlich, sie sind auch demokratie- und europapolitisch hoch gefährlich. Europa wird von den Regierungen als Sündenbock missbraucht, um die heimischen Parlamente vor vollendete Tatsachen zu stellen. Die vertraglichen Grundlagen und Kompetenzverteilungen, um die zuletzt im Vertrag von Lissabon jahrelang gerungen wurde, werden einfach umgangen, die Rechte des Europäischen Parlaments zugunsten von Rat und Kommission ausgehebelt. Die Rechte der demokratisch gewählten Abgeordneten, über das Budget zu bestimmen - ein Kernelement moderner Demokratie - werden dramatisch eingeengt. Das aktuelle „Krisenmanagement“ droht daher auch demokratische Rechte einzuschränken und der Idee einer europäischen Einigung auf demokratischer Grundlage weiter Legitimation zu entziehen.
http://derstandard.at/1325485954654/Schuldenbremse-als-GefahrDiese-Idee-wird-noch-viel-Schaden-anrichten 1
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o Den europäischen Fiskalpakt in der derzeit vorliegenden Fassung nicht zu ratifizieren o Grundlegende Neuverhandlung des Fiskalpakts: Für einen europäischen Pakt für qualitatives Wachstum statt einem Pakt für rezessionsförderndes Sparen – Budgetkonsolidierung ist in der Rezession nicht möglich o Ein Wachstumspakt braucht öffentliche Investitionen, keine Deregulierungspolitik zu Lasten der ArbeitnehmerInnen – die Agenda 2010 darf nicht zur europaweiten Armutsfalle werden o Eine innerparteiliche und öffentliche Debatte über die weiteren Krisenbewältigungsstrategien in Europa zu führen o Die Budgetkonsolidierung überwiegend einnahmenseitig durch das Schließen von Steuerschlupflöcher und durch höhere Abgaben auf Gewinne und Vermögen (insbesondere eine Vermögenssteuer) sowie durch starkes Wirtschaftswachstum und nicht durch Kürzungen im Sozialstaat zu finanzieren o Die österreichische Bundesverfassung nicht nach den Launen der Finanzmärkte umzugestalten – Nein zu einer Schuldenbremse in Verfassungsrang, weil die Schuldenbremse eine Wachstumsbremse ist.
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3. LEHRAUSBILDUNG IN DER KRISE Das momentane Berufsausbildungssystem produziert mehrere Defizite – nach materiellen Gesichtspunkten sowie in der Persönlichkeitsbildung der Jugendlichen, aber auch in der fachlichen Berufsbildung. Es wird oft behauptet, in Österreich gäbe es einen FacharbeiterInnenmangel. Wenn man sich jedoch die Daten zum Lehrstellenmarkt ansieht, fällt sofort ins Auge dass es sich eher um ein Zurückziehen der Wirtschaft von der dualen Lehrausbildung handelt. Der Staat hat mit Rahmenbedingungen reagiert, z. B. mit der bereits erwähnten Schaffung überbetrieblicher Lehrwerkstätten.
BERUFSORIENTIERUNG UND VORBILDUNG ZUR LEHRE Es gibt mehrere Bildungswege, die zu einer Lehre führen. Der gebräuchlichste ist der Hauptschulabschluss mit anschließendem Besuch einer polytechnischen Schule. Genau in diesem Bildungsweg kann die Qualität der Bildung potenzieller Lehrlinge am erfolgreichsten gesteuert werden. Die momentane Hauptschule ist im Kontext der Berufsorientierung zu vernachlässigen, da sie de facto nicht stattfindet.
PERSÖNLICHKEITSBILDUNG. Das größte Manko im Lehrausbildungssystem stellt die individuelle Entwicklung, also die Förderung persönlicher Talente bzw. persönlicher Defizite abseits der beruflichen Eignung dar. Obwohl sowohl Lehrbetrieb, Staat und Individuum sehr stark davon profitieren könnten, wird kein Wert auf die Förderung und Vermittlung sogenannter „Soft Skills“ gelegt. Im weiteren Sinne umschließt das Gebiet z. B. Rhetorik, Ethik, StaatsbürgerInnenkunde, Wirtschaftskunde, Politische Bildung. Diese müssen in das Berufsschulwesen mit einfließen.Im Unterschied zu den bestehenden Hauptschulstrukturen hat die „Neue Mittelschule“ einen entscheidenden Vorteil – sie ist in der „Anfangsphase“. Diese Umbruchstimmung muss
genutzt werden, um fördernde Maßnahmen und Lehrplananpassungen in das neue Schulsystem einzugliedern. Zu empfehlen sind ein wöchentlich 1-stündiges unbenotetes Fach „Berufs(Studien)-orientierung“ ab der 7. Schulstufe sowie der verstärkte Fokus auf allgemeine Persönlichkeitsbildung, da im weiteren Verlauf der Ausbildung von Lehrlingen quasi nur Wert auf „fachliches“ Wissen gelegt wird.
POLYTECHNISCHE SCHULEN Anzudenken ist auch ein verpflichtendes 10. Schuljahr – was besonders den Lehrplänen der Polytechnischen Schulen mehr Raum für Berufsorientierung und Persönlichkeitsbildung geben würde. Auch würde einiges an Druck von den Jugendlichen fallen, immerhin wird man im derzeitigen System im zarten Alter von 15 Jahren vor eine Entscheidung gestellt, die womöglich das gesamte Leben beeinflusst. Jeder Tag Berufsorientierung bedeutet hier also bares Geld, aber auch Lebensqualität. Doch beleuchten wir die zurzeit stattfindende Berufsorientierung in den Polys: Das Konzept der „Schnuppertage“ bekleidet nur mäßigen individuellen Erfolg, da natürlich in den Berufen geschnuppert wird, die man sowieso schon „im
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Auge“ hat. Nischenberufe bleiben von „Schnuppertagen“ meist unberührt. Das Argument, dass die Schnuppertage dem Kennenlernen des gewünschten Berufes nachkommen, ist zu bejahen, da durch das Schnuppern die Tätigkeiten des Berufes sichtbar gemacht werden. Jedoch kann dadurch die Berufsorientierung nicht als abgehakt betrachtet wer-
gendarbeitslosigkeit möglichst gering zu halten. Die gesellschaftspolitische Problematik entsteht daraus, dass sich Betriebe so um die Lehrausbildung im 1. Lehrjahr schwindeln, da der Staat mit Steuergeldern Fachkräfte ausbildet, meist bis weit ins 2. Lehrjahr hinein. Sobald diese Jugendlichen genug Wissen angesammelt haben, um ordentlichen Mehrwert
den, da bei Ablehnung des „Schnupperberufes“ keinerlei Alternativen aufgezeigt werden. Vielmehr sollte hier ein Konzept erstellt werden, das polytechnische Schulen mit Partnerbetrieben vernetzt und somit den Poly-SchülerInnen eine Übersicht über Ihre Möglichkeiten außerhalb Ihres Fachbereiches gibt, denn Polys sind in Schwerpunktbereiche, also z. B. Handel, Holz, Elektro usw. unterteilt. Um diese Branchenbindung zu durchbrechen, ist auch eine Schnupperwoche in einer anderen Branche nützlich. Abseits dieser Schnuppertage finden vereinzelt Betriebsbesuche o. ä. statt, jedoch kann man auch hier nicht wirklich von Berufsorientierung sprechen, da diese eher Ausflugcharakter haben und so auch wahrgenommen werden. Es ist also klar erkenntlich, dass die Lehrpläne der polytechnischen Schulen ihren Zweck nur unzureichend erfüllen.
zu produzieren, werden sie dann in die freie Marktwirtschaft "überstellt". Die Kosten für die bisherige Ausbildung werden jedoch nicht an den neuen Lehrberechtigten verrechnet, womit der Lehrling zum reinen Geschäft für die Wirtschaft wird. Anders ausgedrückt, ist die Profitmaximierung nun endgültig auch im Lehrausbildungswesen angekommen. Um dieser Entwicklung entgegen zu wirken, ist eine solidarische Abgabe aller Wirtschaftstreibenden erforderlich (siehe Lehrausbildungsfonds).
KRISE DER DUALEN LEHRAUSBILDUNG Die sogenannte Krise der dualen Lehrausbildung manifestiert sich in den Zahlen des AMS und der „Statistik Austria“. Demnach gibt es immer weniger Betriebe, die Lehrlinge ausbilden. Das führt trotz dem demographisch bedingten Rückgang der Lehrstellensuchenden zur Notwendigkeit, staatlich finanzierte überbetriebliche Lehrwerkstätten zu finanzieren, um die Ju-
DUALES ODER TRIALES LEHRAUSBILDUNGSSYSTEM Neben der voranschreitenden Profitmaximierung taucht(e) in letzter Zeit auch das Phänomen auf, dass immer mehr Lehrlinge nicht oder nur unzureichend entsprechend Ihrem Berufsbild ausgebildet werden. Da es so gut wie unmöglich ist, jeden Lehrplatz auf die Vollständigkeit des Berufsbildes hin zu überprüfen, macht es Sinn neben der praktischen Ausbildung im Betrieb und des theoretischen Stoffes in der Berufsschule eine dritte Säule der Lehrausbildung zu schaffen. In dieser soll und muss verstärkt auf die bekannten Defizite eingegangen werden. Dies ist nichts Ungewöhnliches oder Neues, im Bereich der Maurer-Tiefbauer-Schalungsbauer z. B. wird so ein System mit gutem Erfolg betrieben.
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LEHRAUSBILDUNGSFONDS Um möglichst alle Wirtschaftstreibenden gleichermaßen an der Lehrausbildung zu beteiligen, muss ein Lehrlingsfond geschaffen werden, der anfallende Ausbildungskosten der Jugendlichen abdeckt. Das würde zum einen die Betriebe an der Lehrausbildung beteiligen, die selbst keine Lehrausbildung betreiben und sich am Arbeitsmarkt fertige Facharbeiter holen (Malus), andererseits jedoch Betriebe, die Jugendliche ausbilden, entlasten (Bonus). Sinnvoll ist hier, 1 Prozent der Bruttolohnsumme als Abgabe einzuheben. Das Gesamtvolumina beläuft sich somit um eine Milliarde Euro.
LEHRLINGSENTSCHÄDIGUNGEN Bis dato gibt es kein einheitliches Entschädigungsschema für Lehrlinge. Das benachteiligt vor allem ArbeitnehmerInnen in Nischenberufen, die kaum gewerkschaftlich organisiert sind und gerade deswegen unverschämt geringe Lehrlingsentschädigungen aufweisen (< 300 Euro, z.B. FriseurIn, ZahnartztechnikerIn usw, ...). Im Bereich der Lehrlinge kann nicht einfach auf die sozialpartnerschaftlichen Kollektivvertragsverhandlungen verwiesen werden, da Jugendliche, die ja erst am Anfang ihres Berufslebens stehen, kaum mit gewerkschaftlicher Mitgliedschaft ihre Gehaltsentwicklung sonderlich beeinflussen werden können.
Das derzeitige System, in dem das Geld zur Förderung der Lehrausbildung im Insolvenzausgleichfond angesiedelt ist, hat sich als nicht zielführend erwiesen, da kein Cent aus diesem Fonds für die Ausbildung zweckgebunden ist und somit bei steigenden Insolvenzzahlen immer weniger Geld übrig bleibt. Ein Beispiel dafür ist der sogenannte Praxistest zur Mitte der Lehrzeit, der nach Ausschöpfung des Fonds aus Kostengründen einfach eingestellt wurde.
Zu dieser Misere kommt hinzu, dass Zulagen in der Praxis meist nicht verrechnet werden und Lehrlinge kaum in den Genuss von Prämien und Sonderzahlungen geraten (ausgenommen Urlaubs- und Weihnachtsgeld). Somit ergibt sich selbst bei einem nach Prozent gestaffelten Entschädigungsschema ein proportional deutlich geringeres Jahreseinkommen der Lehrlinge im Vergleich zu den FacharbeiterInnen. Da Prämien Sonderzahlungen des Betriebes sind und somit nicht kollektiv geregelt werden können, ist es unbedingt erforderlich ein einheitliches MindestLehrlingsentschädigungsschema auf gesetzlicher Basis zu erstellen. Angestrebt werden sollten folgende Werte:
QUALITÄTSKONTROLLE Neben der BS macht es das triale Ausbildungssystem durch die zusätzliche Zeit in einer nicht profitorientierten Arbeitsumgebung möglich, Qualitätskontrollen durchzuführen. Erzielt der Lehrling hier gute Erfolge, soll eine Prämie aus dem Lehrlingsfond sowohl an den Lehrling als auch an den Betrieb ausgeschüttet werden. Das steigert Motivation und Lernbereitschaft.
1. Lehrjahr min. 40% des Facharbeiterlohnes (vom 1. Berufsjahr) 2. Lehrjahr min. 60% des Facharbeiterlohnes (vom 1. Berufsjahr) 3. Lehrjahr min. 80% des Facharbeiterlohnes (vom 1. Berufsjahr) 4. Lehrjahr min. 90% des Facharbeiterlohnes (vom 1. Berufsjahr) …bei Doppellehre
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INTERNATSKOSTEN UND FAHRTKOSTENVERGÜTUNG Bei derartig niedrigen Lehrlingsentschädigungen, wie sie derzeit ausgezahlt werden, ist es absolut unverständlich, Internatskosten einzuheben. Ohne finanziellen Zuschuss der eigenen Familie könnten sich viele Jugendliche ihre Ausbildung trotz 40-Stunden-Arbeitswoche niemals leisten. Wir fordern daher eine generelle Streichung der Internatskosten und die Rückerstattung der Fahrtkosten bzw. die Wiedereinführung der Lehrlingsfreifahrt. Als Kostenträger soll der Lehrausbildungsfond agieren.
LEHRE MIT MATURA UND KOSTENLOSE MEISTERPRÜFUNG Die Lehrabschlussprüfung muss ausnahmslos die Fachbereichsprüfung ersetzen. Prüfungen sollen zukünftig nur mehr in den Fächern Deutsch, Mathematik und Englisch abgelegt werden müssen. Meisterkurs + Prüfung = rund 3.500 Euro. Der Bund gibt pro Jahr 13 Milliarden Euro für Schulen und Hochschulen aus, aber nur 900 Millionen für Weiterbildung inklusive AMS-Maßnahmen. Um die Meisterprüfung abzulegen, braucht es meist ein Meisterkursjahr. Dieser Kurs kostet derzeit beim WIFI 3.120 Euro. Die Meisterprüfung an sich kostet zusätzlich 534 Euro. Wir wollen, dass diese Prüfung und der dazugehörige Kurs künftig für alle gratis angeboten wird.
BERUFSBERECHTIGUNG NACH MATURA In letzter Zeit werden AbgängerInnen von Berufsbildenden höheren Schulen (schließen mit Matura ab) in Lehrverträge gedrängt. Dies ist äußert problematisch für die Betroffenen selbst, da hier im Laufe der „Zweiten Ausbildung" bis zu mehrere Zehntausend Euro verloren gehen. Für die Arbeitsmarktsituation bedeutet das natürlich wiederum, dass "echte Lehrausbildungsplätze" vernichtet werden.
LEHR- UND BERUFSAUSBILDUNG AN ÖFFENTLICHE AUFTRAGSVERGABE BINDEN Maßnahmen zur Frauenförderung sind bereits seit rund einem Jahr ein wichtiges Kriterium, wenn Betriebe ihre Chancen auf den Erhalt öffentlicher Aufträge erhöhen wollen. Selbiges soll nun auch für Lehrlingsund Berufsausbildungsmaßnahmen eingeführt werden. Damit kann die Privatwirtschaft stärker in die Pflicht genommen und mehr jungen Menschen eine Lehrstelle verschafft werden. Aber nicht nur bei der Lehrlingsausbildung hapert es:
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4. GENERATION PRAKTIKUM Vorsichtige Schätzungen aus mehreren quantitativen Studien gelangen zum Ergebnis, dass in Österreich jährlich von etwa 40.000 studentischen Pflichtpraktika auszugehen ist. Für sonstige Praktika von Studierenden (mit fließenden Grenzen zu Formen studentischer Erwerbstätigkeit) sind keine direkten Schätzungen möglich. Auszugehen ist allerdings von einer noch höheren Anzahl als jener der Pflichtpraktika. Auch zur Verbreitung von Schülerinnen-Praktika sind auf Basis der existierenden Datenlage keine präzisen Schätzungen möglich.
GENERATION PRAKTIKUM – FAIRE BEDINGUNGEN FÜR PRAKTIKANTINNEN Als „Praktikum“ deklarierte Tätigkeiten erfuhren in den letzten Jahren am Arbeitsmarkt, sowohl in Betrieben als auch im öffentlichen Sektor, in NGOs und NPOs, eine massive Ausweitung. Die unzureichende rechtliche Klarstellung des Begriffs sowie die angespannte Arbeitsmarktlage für junge Menschen führten zu einer Zweckentfremdung der Arbeitsform, Ausbeutung, versteckter Arbeitslosigkeit und anderen prekären Situationen von immer mehr „PraktikantInnen".
AUSBILDUNGSPRAKTIKA Der massiven Zunahme von Praktika, begründet einerseits durch die Verankerung von Pflichtpraktika in vielen Studienplänen der Fachhochschulen und Universitäten und andererseits durch einen deutlichen Anstieg von freiwillig absolvierten Praktika, steht ein eklatantes Versäumnis in der Schaffung dafür notwendiger rechtlicher Rahmenbedingungen und politischer Maßnahmen gegenüber. Praktikum ist heute ein Begriff für verschiedenste Arbeitsverhältnisse geworden, die nur mehr wenig mit „Ausbildung“
zu tun haben. So agieren PraktikantInnen oft in einem Graubereich zwischen Lernen und Arbeiten, übernehmen Tätigkeiten von regulär Beschäftigten, erhalten aber nur einen geringen oder gar keinen Lohn. Daher handelt es sich bei den Praktika oft um getarnte Beschäftigungsverhältnisse, Niedriglohnjobs – oder auch: „Scheinpraktika“. Ein Teil der Praktika findet sogar gänzlich unbezahlt statt und dies vor allem im Sozial- und Gesundheitswesen, im Medien-, Kunst-, und Wissenschaftsbereich, sowie im Non-Profit-Sektor.
ABSOLVENTINNENPRAKTIKA Die Berufseinstiegsphase von AkademikerInnen gestaltet sich meist schwierig und wird häufig mit einer Vielzahl von befristeten Beschäftigungen, Übergangsjobs, Honorar- und Werkverträgen oder Formen der Selbstständigkeit überbrückt. Um Arbeitslosigkeit zu verhindern werden auch immer häufiger noch nach Studienabschluss Praktika absolviert. Dies führt allerdings zu einem Teufelskreis: Wenn immer mehr junge AkademikerInnen gezwungen sind, als PraktikantInnen für wenig bis gar kein Geld zu arbeiten, werden in Folge immer weniger reguläre Stellen angeboten. Die Integration in
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den Arbeitsmarkt in Form von Praktikumsstellen ist prekär, ungerecht und keinesfalls nachhaltig. Darüber hinaus wirkt das Phänomen sozial selektiv, weil es sich eben nicht alle leisten können, gratis zu arbeiten. AkademikerInnen ohne
ein finanzielles Polster sind so gezwungen, deutlich unter ihrer Qualifikation erwerbstätig zu sein, während Gutsituierte entsprechend lange auf eine adäquate Tätigkeit warten können, ohne eine De-Qualifikation befürchten zu müssen.
WIR FORDERN DAHER: o Schluss mit der „Generation Praktikum“! Jugendliche, die eine Ausbildung abgeschlossen haben, sollen nicht mehr als PraktikantInnen, sondern im Rahmen eines normalen Arbeitsverhältnisses angestellt werden. o Praktika während der einer schulischen oder universitären Ausbildung (so genannte Pflichtpraktika) müssen gesetzlich geregelt werden. Es muss eine allgemein gültige gesetzliche Definition des Praktikums geben, sowie Mindeststandards festgelegt werden (Pflichtversicherung, Mindestlohn). Deshalb fordern wir die Einführung eines Praktikumsgesetzes für alle Pflichtpraktika! o Die Vor- und Nachbearbeitung der Pflichtpraktika muss an den einzelnen Schulen und Hochschulen verbessert werden und für die verschiedenen Arten der Bildungseinrichtungen vereinheitlicht werden. Nur wenn die Tätigkeit als sinnvoll von Jugendlichen erachtet wird, können sie ihr theoretisches Wissen in der Praxis vertiefen. o Es ist nicht einzusehen, warum Jugendliche, welche aufgrund schulrechtlicher Vorschriften verpflichtet sind ein Pflichtpraktikum zu absolvieren, keinen Anspruch auf SchülerInnenfreifahrt während dieser Zeit haben. Deshalb: SchülerInnenfreifahrt auf die Zeit der Praktikumsdauer ausdehnen!
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5. WARUM ARBEITSZEITVERKÜRZUNG FUNKTIONIERT
Über 300.000 Menschen sind in Österreich pro Jahr durchschnittlich arbeitslos, fast 50.000 davon sind unter 25 Jahre alt – Tendenz steigend. Im Laufe eines Jahres sind sogar 800.000 der in Österreich lebenden Menschen zumindest vorübergehend von Arbeitslosigkeit direkt betroffen. Dabei sind die vielen hunderttausend Menschen – vor allem Frauen und Junge – die unfreiwillig als Teilzeit- oder anders atypisch Beschäftigte ihr Auskommen finden müssen, noch gar nicht berücksichtigt.
ARBEITSLOSIGKEIT TRIFFT ALLE In Wahrheit ist heute jedeR von der hohen Arbeitslosigkeit betroffen. Denn der Druck am Arbeitsmarkt wirkt sich auch auf jene aus, die einen Job haben oder noch in Ausbildung sind. Wer kennt nicht das Gefühl, dem Chef nicht widersprechen zu können aus Angst um den Arbeitsplatz? Wie viele Junge sind gezwungen, Teilzeit, mit Werk- oder freiem Dienstvertrag und ohne soziale Rechte zu arbeiten, weil sie sonst gar keinen Job hätten? Und wie viele Studien braucht es noch, die belegen, dass in den letzten Jahren die Löhne nicht gestiegen, die Gewinne aber explodiert sind und daher die Ungleichheit der Einkommen zunimmt? Arbeitslosigkeit wird von den Unternehmen auch zunehmend dafür genutzt, unsere Rechte am Arbeitsplatz in Frage zu stellen. Weniger Lohn, weniger Urlaub und längere Arbeitszeiten werden in ganz Europa von den Unternehmen gefordert und oft auch durchgesetzt. Gleichzeitig wird und wurde fast in ganz Europa das Pensionsantrittsalter nach oben gesetzt, was die hohe Jugendarbeitslosigkeit zusätzlich anfeuert.
ARBEITSLOSIGKEIT ERREICHT REKORDHÖHEN AUFGRUND DER WIRTSCHAFTSKRISE
KAMPF DER ARBEITSLOSIGKEIT ARBEITSZEITVERKÜRZUNG BEI VOLLEM LOHNAUSGLEICH! Wer Politik für ArbeitnehmerInnen, Arbeitslose und Jugendliche machen will, muss endlich gegen die Arbeitslosigkeit aktiv werden. Dabei schreien die Ausmaße nach entschlossenen Maßnahmen. Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich ist so eine Maßnahme, mit der Beschäftigung geschaffen, Einkommen gerechter verteilt und die Lebensqualität der ArbeitnehmerInnen gesteigert werden kann.
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MEHR BESCHÄFTIGUNG, HÖHERE EINKOMMEN, BESSERE LEBENSQUALITÄT! Arbeitszeitverkürzung ist eine effektive Politik für die arbeitenden Menschen – und das ist auch der Grund warum Konservative und Unternehmer so sehr gegen dieses Konzept hetzen. Sie wollen nicht, dass wir weniger, sondern länger arbeiten. Sie wollen nicht mehr Sicherheit für Beschäftigte, sondern weniger. Sie haben kein Interesse an einer gerechteren Einkommensverteilung, sondern an einer Erhöhung der Unternehmensprofite auf Kosten der ArbeitnehmerInnen.
ARBEITSZEITVERKÜRZUNG - GEGENSTEUERN! Arbeitslosigkeit ist kein Zufall, sondern das Produkt eines falschen Wirtschaftssystems und einer falschen Politik. Hinter dieser Politik stehen die Profitinteressen der Unternehmen – und die vertragen sich schwer mit einer ernsthaften Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und einer Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich.
Vollbeschäftigung braucht also politische Auseinandersetzung, braucht Diskussion und Überzeugungskraft. Auf den folgenden Seiten findest du dafür eine Übersicht über die wichtigsten Argumente zum Thema Arbeitslosigkeit und Arbeitszeitverkürzung. Du findest Zahlen, Daten und Fakten, warum wir Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich brauchen und mit welchen Tricks uns die großen Konzerne und ihre Lobbys Sand in die Augen streuen wollen.
WARUM ARBEITSZEITVERKÜRZUNG ANGEBLICH NICHT GEHT... 1. „ARBEITSZEITVERKÜRZUNG BRINGT KEINE JOBS – FLEXIBILISIERUNG SCHON“ Mehr Arbeitsplätze entstehen laut Industriellenvereinigung (IV) dann, wenn die Kosten für die Unternehmen sinken. Deshalb sollen doch die Arbeitszeiten besser „flexibilisiert“ als verkürzt werden. In der Praxis heißt diese „Flexibilisierung“: ArbeitnehmerInnen sollen Überstunden ohne Überstundenzuschläge leisten, also länger arbeiten. Der Haken: Wenn die Beschäftigten für weniger Geld mehr produzieren, warum soll ein Unternehmer mehr Leute anstellen? Logisch wäre es doch eher, Leute zu kündigen, weil er ja bei längeren Arbeitszeiten auch mit weniger Beschäftigten auskommt. Die von der IV getrommelte
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WAS ARBEITSZEITVERKÜRZUNG TATSÄCHLICH BRINGT... 1. „ARBEITSZEITVERKÜRZUNG BRINGT MEHR BESCHÄFTIGUNG“ Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich verteilt Arbeit gerechter, sie verteilt aber auch Einkommen gerechter. Für dasselbe Arbeitsvolumen müssen die UnternehmerInnen mehr Beschäftigte anstellen und bezahlen. Nach 20 Jahren, in denen die UnternehmerInnen immer mehr und die Beschäftigten eher weniger verdient haben, wäre dies eine positive Trendumkehr. Nicht nur direkt, sondern auch indirekt mehr Beschäftigung wäre die Folge. Wenn nämlich die Beschäftigten endlich wieder mehr, statt weniger verdienen, können sie auch mehr kaufen, es kann mehr produziert werden. Und damit ist es auch wieder sinnvoll, die enormen Unternehmensprofite, die derzeit nur für Übernahmen, Rationalisierung und Spekulation verwendet werden, in eine Ausweitung der Produktion und mehr Beschäftigung zu investieren.
2. „ARBEITSZEITVERKÜRZUNG BRINGT MEHR EINKOMMEN“ Seit 20 Jahren sinkt der Anteil der ArbeitnehmerInnen am Volkseinkommen, seit Jahren stagnieren die Reallöhne der österreichischen Beschäftigten. Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich heißt: dasselbe Geld für weniger Arbeit, mehr Jobs und weniger Arbeitslosigkeit. Das stärkt den Gewerkschaften den Rücken für die Lohnverhandlungen und ermöglicht größere Erfolge bei Lohnrunden. Damit trägt Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich doppelt zur Stärkung der Einkommen der ArbeitnehmerInnen bei: durch mehr Beschäftigung und durch mögliche höhere Lohnabschlüsse in der Zukunft.
ÖSTERREICHS ARBEITNEHMERINNEN BEKOMMEN IMMER WENIGER VOM GESELLSCHAFTLICHEN REICHTUM ZU SEHEN