concerti Ausgabe Mitteldeutschland Januar 2016

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DAS KONZERT- UND OPERNMAGAZIN

Mit Regionalteil MIttelDeutschland

471 Konzert- UNd Operntermine

Vadim Gluzman »Nicht nur Fleisch und Eiscreme essen« Rudolf Buchbinder Er kann keine Ruhe geben

Zubin Mehta

»Gnädige Frau, ich muss weiter zur Probe!«

Januar 2016


Hörempfehlungen BEST OF DOMINGO Plácido Domingo kann auf eine einzigartige Karriere zurückblicken. Zu seinem 75. Geburtstag am 21. Januar veröffentlicht Sony Classical das Beste dieses großartigen Sängers auf einer Doppel-CD und in einem 4 CD-Set. Erhältlich ab 15.1.2016

WIENER PHILHARMONIKER & MARISS JANSONS NEUJAHRSKONZERT 2016

Das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker verspricht in 2016 wieder ein ganz besonderes Vergnügen zu werden, unter dem Dirigat von Mariss Jansons und mit zahlreichen Repertoire-Neuheiten. Die CD erscheint am 8.1. als limitierte Erstauflage mit umfangreichem Booklet zum 75-jährigen Jubiläum des Konzerts.

KLASSIK WUNDERLAND Stars der Klassik begeistern Kinder für klassische Musik mit Stücken, die sie persönlich ausgewählt und eingespielt haben. Mit Jonas Kaufmann, Lang Lang, Martin Stadtfeld, Sol Gabetta, den 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker u.a. www.gewandhausshop.de Augustusplatz 8 · 04109 Leipzig · 0341-1270396


Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser! Neues Jahr, neues Glück? Für concerti wird mit dem Jahr 2016 auf jeden Fall ein schon länger gehegter und in den vergangenen Monaten intensiv vorbeiteter Plan Realität: Ihr Konzert- und Opernmagazin erscheint nun in allen Bundesländern mit einem eigenen Regionalteil. Was die Hamburgerinnen und Hamburger bereits seit Magazin-Gründung kennen und schätzen – nämlich den umfassenden Überblick zu den Terminen und interessantesten Themen des Musiklebens in ihrer Stadt –, Gregor Burgenmeister bietet unsere Redaktion künftig für die gesamte ReHerausgeber/Chefredakteur publik. Ein Wunsch, der in den letzten Jahren immer wieder an uns herangetragen worden war und mit dessen Umsetzung wir uns selbst ein großes Geburtstagsgeschenk gemacht haben: Feiert concerti doch mit dieser vorliegenden Ausgabe sein 10-jähriges Jubiläum. Einst an der Elbe initiiert, erscheint das Magazin heute nicht nur bundesweit, sondern hat sich auch zu Deutschlands auflagenstärkster Klassikzeitschrift entwickelt. Nicht zuletzt dank Ihrer Treue, für die ich mich bei Ihnen ganz herzlich bedanken möchte. Natürlich haben wir uns auch für Januar wieder um ein abwechslungs- und (klang-)farbenreiches Themenangebot bemüht: sei es im Interview mit Maestro Zubin Mehta, beim Nord-Süd-Vergleich im Opernleben oder auch mit unserem Blick auf die schönsten Festivals in den kommenden Wochen. Lassen Sie sich anregen, ja, vielleicht sogar musikalisch verführen – alles Gute für ein gesundes und harmonisches Jahr 2016 voll beglückender Klangerlebnisse!

Fotos: Ivo von Renner, privat (2). Titelbild: Nico Carignani

Ihr

KURZ VORGESTELLT

Ann-Christin Sand zeichnete schon als kleines Mädchen leidenschaftlich gern. Ein frühes Faible für die Kunst, das die Westfälin sich später dem Grafikdesign widmen ließ und heute auch das unverwechselbare Erscheinungsbild des Magazins concerti prägt.

Helge Birkelbach hat es in seinem bewegten journalistischen Leben immer wieder zur Kultur und Klassik gezogen: mal konzipierend, mal schreibend, mal leitend. Als leidenschaftlicher Hobbykoch lädt er in Berlin zudem regelmäßig zum „Private Cooking“. Januar 2016 concerti   3


Inhalt

Konzert

8

Wiener Symphoniker Tragender Pfeiler des Musiklebens

8 Spitzenmusiker im Schatten

Porträt Die Philharmoniker kennt jeder – dabei sind es die Wiener Symphoniker, die das sinfonische Leben der Stadt prägen

10 »Gnädige Frau, ich muss weiter

zur Probe!« Interview Ruhe und Zeit? Nein, die hat Zubin Mehta auch im Alter nicht. Der Dirigent ist ständig in Sachen Musik unterwegs

Oper

16 Die neue Neugierde

Feuilleton Muss es immer nur Mozart

oder Verdi sein? Am Nord- und Südpol der Opernrepublik sorgen zwei neue Werke für Aufbruchsstimmung ins 21. Jahrhundert

Regionalseiten

10

Zubin Mehta Zur inneren Ruhe gefunden

An dieser Stelle finden Sie die interessantesten Klassikgeschichten des Monats sowie alle Konzert- und Operntermine Ihrer Region

Die Welt der Klassik

24 Image-Politur

36

Michael Sanderling Vom Virus des Dirigierens infiziert

28 »Das ist keine Hexenkunst«

reportage Seit zehn Jahren weckt die

Initiative »Rhapsody in School« Begeisterung für Bach & Co im Schulalltag

36 »Ich stehe gerade total Rubriken 3 Editorial | 6 Kurz & Knapp | 18 Opern-Kritiken 20 Opern-Tipps | 32 CD-Rezensionen 35 Top 20 Klassik-Charts | 40 Multimedia-Tipps 42 Vorschau & Impressum 4  concerti Januar 2016

auf dem Schlauch ...« Blind Gehört Der Chefdirigent der Dresdner Philharmonie und Cellist Michael Sanderling hört und kommentiert CDs seiner Kollegen, ohne dass er erfährt, wer spielt

Foto: Andreas Balon, Wilfried Hösl, Nikolaj Lund

Festivalguide Telemann und Magde­burg: ­Mit den Festtagen gelingt seiner Geburtsstadt ein neuer Blick – nicht nur auf den Komponisten


DEVELOPED IN COLLABORATION WITH


kurz & knapp

Mein Lieblingsstück

Berg: Vier Stücke op. 5 Auf kleinstem Raum und in minimaler Form hat Berg hier Sabine Meyer alles gesagt. Geblieben ist eine Essenz von ungeheurem Farbenreichtum, Intensität und Espressivität in diesen Sätzen, die man ausgestalten muss. Eine der größten Herausforderungen für jeden Klarinettisten und Pianisten, denn da muss jede Note sitzen: Ist nur ein Ton zu laut, ist alles vorbei.

61

Prozent aller Deutschen über 14 Jahre besuchen gelegentlich Musik­veranstaltungen und Konzerte – 7 Prozent sogar regelmäßig.

Im Rausch des Musizierens Wissenschaftlerin Nina Kraus hat menschlichen Hirnen beim Musikhören „gelauscht“. Das Ergebnis ihrer Messungen der Gehirnströme: Während bei einigen die Melodie im EEG-Verlauf der Hirnströme deutlich erkennbar ist, wird diese bei anderen von einem „neuronalen Rauschen“ überlagert. Das indes lässt sich durch das Erlernen eines Instruments ausschalten – was wiederum die Leistungsfähigkeit des Hirns steigert.

… Schlagt ihn tot, den Hund! Es ist ein Rezensent.

6  concerti Januar 2016

Immer wieder gern gesehen: die meist gespielten Opern in den Spielzeiten 2010/2011 bis 2014/2015

Puccini Tosca

Puccini La bohème

Bizet Carmen

Puccini La bohème

Mozart Die Zauberflöte

0

Verdi La traviata

1.000

Strauss Die Fledermaus

2.000

Humperdinck Hänsel und Gretel

3.000

Welt

Deutschland

Verdi La traviata

Überraschen tun diese Zahlen nicht wirklich: Mozarts Zauberflöte ist nun mal eine wunderbare Oper, und Verdis Duett Parigi, o cara können nicht allein Liebende wieder und wieder hören. Und doch gibt es ein Werk unter den laut der Datenbank Operabase meistgespielten Opern, das anders als in der übrigen Welt in Deutschland besonders geschätzt wird: Humperdincks Hänsel und Gretel – ob’s an der Hexe liegt …?

4.000

Aufführungen

Mozart Die Zauberflöte

Wenn Hänsel zur Zauberflöte greift

Fotos: Steven Haberland, shutterstock, gemeinfrei, Mike Krause

Johann Wolfgang von Goethe


Deutscher Nestor des Rock ’n’ Roll: »Sugar Baby« Peter Kraus ist derzeit auf großer Abschiedstournee

Schon während Ihrer Schulzeit nahmen Sie Gesangsstunden: Zog es Sie zur Oper? Nein, eine klassische Sängerlaufbahn wollte ich nie einschlagen. Ich schwärmte für Sinatra, Sammy Davis Jr., Dean Martin und wollte so schnell wie möglich auch so eine „reife Stimme“ wie meine Vorbilder haben. Dann kam die Kunde vom Rock ’n’ Roll aus den USA und ich dachte: Endlich hat die Jugend eine eigene Musik. Ich übte und übte, machte mit 16 Jahren Karriere, doch war sehr oft heiser.

Wie haben Sie dieses Problem gelöst? Meine Gesangslehrerin brachte mir dann die richtige Technik bei – und da sie meine Musik nicht mochte, musste ich mich an Schubertlieder und Arien wagen. Dafür bin ich ihr dankbar, denn dadurch konnte ich später auch Operetten und Musicals singen, was mir viel Spaß gemacht hat. Vor allem aber hatte ich mein Leben lang kaum stimmliche Probleme und musste nie ein Konzert ausfallen lassen.

Auch auf Ihrer aktuellen Abschiedstour nicht – wollen Sie wirklich aufhören? Auf Tourneen möchte ich verzichten, denn das wird immer anstrengender. Nicht aber auf einzelne Konzerte, denn ich bin nicht der Typ, der total aufhören und etwa Blumen züchten kann. Und in Einzelkonzerten bis an meine Grenzen zu gehen, das mag ich: Eigentlich sollten zwar auch diese weniger werden, doch da muss ich nochmal mit meiner Frau reden …

Oper Sa • 19:05

bundesweit und werbefrei UKW, DAB+, Kabel, Satellit, App, deutschlandradiokultur.de

Peter Kraus

Das Feuilleton im Radio.

3 Fragen an …

Konzert Di bis Fr, So • 20:03


Porträt

Spitzenmusiker im Schatten Die Philharmoniker kennt jeder – dabei sind es die Wiener symphoniker , die das sinfonische Leben der Stadt prägen. Zeit für eine internationale Wiederentdeckung. Von Stefan Musil

Daheim im Konzertverein: die Wiener Symphoniker

I

n Sachen Musik, da sind die Wiener wie auch ihre Gäste durchaus verwöhnt. Da ist die Staatsoper, da sind die Sängerknaben und die Wiener Philharmoniker, die jeden ersten Jänner ein Millionenpublikum mit ihrem Neujahrskonzert begrüßen. Doch natürlich bietet die Musikstadt Wien viel mehr als jene drei „Markenzeichen“: Ensembles wie etwa die Wiener Symphoniker, die – zu Unrecht – stets ein wenig im Schatten der berühmteren Philharmoniker standen und stehen. Dabei sind auch die Symphoniker ein Klangkörper mit großer und langer Tradition. Ja, eine Institution, ohne die das Musikleben der Donaume8 concerti Januar 2016

tropole nicht funktionieren könnte – weder in solcher Vielfalt noch in solcher Qualität. Bilden doch die Symphoniker – im Gegensatz zu den Philharmonikern, die als privater Orchester-Verein aufgestellt sind und „hauptberuflich“ im Orchester der Wiener Staatsoper spielen – das Konzertorchester der Stadt Wien. Sie sind der eigentlich tragende Pfeiler des sinfonischen Musiklebens und bestreiten einen Großteil der Konzerte. Regelmäßig treten die Musiker in den beiden Konzertsälen der Stadt – im Musikverein und im Konzerthaus – auf und haben in ihren eigenen Abonnements-Zyklen ein treues Publikum.

Zudem stellen die Wiener Symphoniker seit 1946 allsommerlich das „Orchestra in Residence“ und damit das Rückgrat der Bregenzer Festspiele, geben dort Konzerte und fungieren als Opernorchester – in letzterer Funktion sind sie übrigens auch immer wieder im Orchestergraben im Theater an der Wien anzutreffen. Um darüber hinaus regelmäßig zu internationalen Tourneen aufzubrechen und den typischen Wiener Klang und Musizierstil in die Welt hinauszutragen. Ihre Wurzeln reichen zurück bis ins Jahr 1900: Damals ward der Klangkörper als „Wiener Concertverein“ gegründet mit dem Ziel, einerseits erschwingliche Orchesterkonzerte für die breite Öffentlichkeit zu veranstalten und andererseits den Bedarf an Urund Erstaufführungen abzudecken. Manch bedeutende Komposition wurde hier aus der Taufe gehoben wie Bruckners neunte Sinfonie oder Schönbergs Gurre-Lieder, Ravels Klavierkonzert für die linke Hand und Schmidts Das Buch mit sieben Siegeln. Und zu Beginn der 30er Jahre erhielt der Klangkörper dann auch seinen bis heute gültigen

Foto: Bubu Dujmic

Bedeutende Kompositionen aus der Taufe heben


Bolshoi Ballett Namen: Wiener Symphoniker. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs erfolgte eine Neugründung des Orchesters, dessen Neubeginn die damaligen Chefdirigenten Hans Swarovsky und Josef Krips maßgeblich prägten. Nach ihnen kam Herbert von Karajan, der von 1950 an zehn Jahre lang dem Orchester große internationale Reputation bescherte – ebenso übrigens auch sein Nachfolger Wolfgang Sawallisch. Seither haben zahlreiche weitere Spitzendirigenten das Ensemble geleitet: Carlo Maria Giulini und Gennadij Roshdestvenskij, Georges Prêtre und Rafael Frühbeck de Burgos, Vladimir Fedosejev und Fabio Luisi. Die Ära des letzteren indes erwies sich als etwas problematisch, denn der italienische Dirigent verfolgte lieber seine internationale Karriere als Operndirigent, als dem Orchester ein prägender künstlerischer Leiter zu sein. Glücksgriff Philippe Jordan

Voller Spannung verfolgte daher nicht nur die Wiener Musikwelt die Suche nach seinem Nachfolger: Die Wahl fiel schließlich auf den jungen Schweizer Dirigenten Philippe Jordan, zugleich künstlerischer Direktor der Opéra National de Paris. Mit der Saison 2014/2015 hat der gebürtiger Züricher seine Chefposition angetreten und sich schnell als großer Glücksgriff für die Symphoniker erwiesen. Das Orchester präsentiert sich seither in Topform, zudem ist es dem 41-Jährigen in der aktuellen Saison gelungen, den Weltklasse-Pianisten Pierre-Laurant Aimard als Artist in Residence zu gewinnen: Mit ihm stehen nicht

nur die Aufführungen der fünf Beethoven-Konzerte auf dem Programm, gemeinsam mit Orchestermitgliedern gestaltet der Franzose auch Kammermusiken. Vor allem aber sorgt Jordan dafür, dass neben ihm die besten Kollegen aus aller Welt die Konzerte seines Orchesters leiten – auf dass auch die Symphoniker endlich von einem Geheimtipp zum Markenzeichen für Wien werden … Konzert-TIPPs

Hilary Hahn, Wiener Symphoniker, Philippe Jordan. Dvořák: Karneval op. 92 & Violinkonzert a-Moll op. 53, Schumann: Sinfonie Nr. 2 C-Dur / Brahms: Sinfonie Nr. 2 D-Dur Frankfurt Sa. 23.1., 20:00 Uhr Alte Oper München So. 24.1., 19:30 Uhr Gasteig

Der Nussknacker am 20.12. um 16 Uhr

Düsseldorf Di. 26.1., 20:00 Uhr Tonhalle Stuttgart Mi. 27.1., 20:00 Uhr Liederhalle Essen Do. 28.1., 20:00 Uhr Philharmonie Hamburg Fr. 29.1., 19:30 Uhr Laeiszhalle Köln So. 31.1., 20:00 Uhr Philharmonie Freiburg Mo. 1.2., 20:00 Uhr Konzerthaus Mannheim Di. 2.2., 20:00 Uhr Rosengarten online-Tipp

Philippe Jordans Gedanken über Schuberts Unvollendete Das Video sowie weitere Konzerte auf: www.concerti.de/wienersymphoniker CD-Tipp

Schubert: Sinfonien Nr. 8 & 9 Wiener Symphoniker, Philippe Jordan (Ltg.) Solo Musica

Der widerspenstigen Zähmung live am 24.1. um 16 Uhr Erleben Sie die exklusiven Veranstaltungen auf der großen Leinwand – Infos und Karten unter cinestar.de


Interview

»Gnädige Frau, ich muss weiter zur Probe!« Ruhe und Zeit? Nein, die hat Zubin Mehta auch im Alter nicht. Der Dirigent ist ständig in Sachen Musik unterwegs – wenn er sich nicht gerade politisch engagiert. Von Teresa Pieschacón Raphael

S

tets hat Zubin Mehta das Image des unkomplizierten Glamourboys, Bonvivants und Klangzauberers umweht. Vielleicht, weil er mit einer ehemaligen HollywoodSchauspielerin verheiratet ist und in Kalifornien in dem Haus wohnt, das einst Steve McQueen gehörte. Doch mit dem Dirigenten verbindet sich auch bodenständiges Handwerk und Traditionsbewusstsein – andernfalls würde seine internationale Karriere wohl kaum bis heute andauern. Sie klingen wie Daniel Barenboim!

(Lacht) Ja! Ich bin doch auch Daniel Barenboim, oder?

Über 3000 Konzerte gab Zubin Mehta bisher mit dem Israel Philharmonic Orchestra, das ihn 1981 zum Chefdirigenten auf Lebenszeit ernannte. 1936 in Bombay geboren, leitet Mehta 16 Jahre die Los Angeles und 13 Jahre die New Yorker Philharmoniker und setzt sich mit großem Engagement für die Förde­ rung junger Talente ein.

10 concerti Januar 2016

Sie haben die gleiche Stimme, den gleichen Tonfall.

(Lacht) Sehr viele Leute verwechseln uns, manchmal veralbern wir die Menschen damit. Sie beide kennen sich seit vielen Jahren. Stichwort 1969, Schuberts Forellenquintett ...

… mit Jacqueline (du Pré) am Cello, Daniel am Klavier, Itzhak (Perlman) und Pinchas (Zukerman) an der Violine und Bratsche. Damals spielte ich noch Kontrabass. Ich war

Foto: Terry Linke

zur person


sogar Trauzeuge bei Daniels Hochzeit 1967 mit Jacqueline.

man sich heute gar nicht mehr vorstellen …

unbedingt klassische Musik sein muss.

… zumal es damals inmitten jahrelanger Konflikte geschah zwischen Israel, Libanon, aber auch der PLO, die der Die Aufrichtigkeit der Musik südlibanesischen Armee viele gegenüber. Das ist keine einfa- Verluste einbrachte.

Sie selbst zieht es immer wieder in Kriegs- und Krisenregionen: 1956, während der Ungarn-Krise, spielten Sie in einem Flüchtlingslager bei Wien, 1968 im besetzten Bethlehem. 1994, während des Bosnienkrieges, in Sarajewo …

Abgesehen von der Stimmenähnlichkeit: Welche Gemeinsamkeiten gibt es noch zwischen Ihnen beiden?

che Antwort, aber es ist wirklich so: Musik war uns beiden immer wichtiger als wir selbst. Und wie ist es mit dem Glauben, dass Musik Frieden bringen könnte?

Wir glauben beide, dass die Musik viel stärker ist, als die Menschen es selbst glauben. Ich weiß nicht, ob sie allgemeinen Frieden schafft: Aber in jedem Fall schafft sie innere Ruhe. Und die fehlt vielen Menschen, ja, ich würde sagen, Teilen der Welt. Das sind meine Erfahrungen, die ich mit Musik habe. 1982 etwa habe ich das Israel Philharmonic über die Grenze in den Libanon genommen … … also in eine Region, die geprägt war von Konflikten und Kriegen zwischen Israel und dem benachbarten Libanon.

Die israelische Armee hatte für uns in einer Kaffeeplantage ein Podest gebaut mit Sonnenschirmen für das Orchester. Wir haben nur für die Araber dort gespielt. Es war nur klassische Musik und wahrscheinlich hatten sie diese Werke noch nie gehört. Doch das war überhaupt nicht wichtig: Die Musik hat mit ihrer eigenen Sprache zu ihnen gesprochen. Viele sind nach dem Konzert auf die Bühne gesprungen und haben die Musiker umarmt. Und das im Libanon! Das kann

Ja. Die Israelis hatten dort Krankenhäuser für die verwundeten Soldaten der südlibane- … ja – in Bosnien haben wir dasischen Armee gebaut, die im mals schusssichere Westen Norden in den Spitälern an der getragen. Wir sind von der Grenze behandelt wurden. So kanadischen Luftwaffe geflowar es trotz der vielen Konflik- gen worden, mit einer Hercute ein wunderbares Gefühl les: Die Gefahr war tatsächlich zwischen den Völkern. Und da, dass wir abgeschossen werdies alles wurde durch die den. Das einzige Haus, das schlechte Außenpolitik von noch halbwegs unversehrt daIsrael vernichtet: Leider haben stand, war das Opernhaus in die Israelis sechs Monate spä- Sarajewo, dort haben wir geter Libanon erobert – und sind probt. Das eigentliche Konzert drei Jahre geblieben. Der ganze aber gaben wir in der zerbombGoodwill, der da von den Men- ten islamischen Bibliothek: schen aufgebaut worden war, Wie die Nazis hatten auch die wurde durch ihre politischen Serben als erste Handlung die Führer vernichtet. Die gleichen Bücher verbrannt. Da kein PuLeute, die zu uns auf die Bühne blikum in das zerstörte Gebäugekommen sind und uns um- de kommen konnte, haben wir armt haben, waren dann die es aufgezeichnet. ersten Selbstmordattentäter. Das kann man einfach nicht Hatten Sie bei solchen Konzerten jemals Angst? glauben! Nein, denn ich war damals nicht allein, sondern mit José »Die ganze Nacht Carreras und Ruggero Raimondi dort. Unser Hotel hatlang haben wir ten sie mit schwarzem Papier Schüsse gehört« bedeckt, „unsichtbar“ gemacht. Die ganze Nacht lang Inzwischen beherrschen haben wir Schüsse gehört – andere Selbstmordattentate nur während der Konzerte die Schlagzeilen – kann da haben die Serben nicht geMusik nach Anschlägen wie schossen. jüngst in Paris trösten?

Das weiß ich so nicht – auf jeden Fall müssen die Konzerte weitergehen, denn die Menschen brauchen Musik. Konzerte bringen vielen Menschen innere Ruhe, wobei es nicht

Erinnern Sie sich noch an das Repertoire?

Das Requiem von Mozart. Und vor zwei Jahren war ich in Kaschmir mit dem Staatsorchester aus München … Januar 2016 concerti  11


Interview

… ein großer Wunsch von Ihnen: ein Versöhnungskonzert für Hindus und Muslime in den Bergen des indischen Bundes­ staates, in einem der größten Konfliktgebiete Asiens.

In den Medien hieß es, nur wenige Stunden vor dem Auftritt seien vier Menschen erschossen worden, als sie versucht hätten, eine Polizeistation anzugreifen.

Die Musiker waren wirkliche Helden. Zunächst schien es nicht so, dass es so gefährlich werden könnte. Aber das ist es geworden und kein einziger Musiker wurde nervös oder hat sich beschwert. Alle sind auf die Bühne gegangen. Mit welchen Gefühlen besuchen Sie ansonsten Ihre Heimat Indien?

Rastloser Bonvivant – doch dann lernte Zubin Mehta seine Frau kennen und änderte seinen Lebensstil

Connors Club gestattet wurde, beim Cricket mitzuspielen. Eine große Leidenschaft auch von Ihnen …

(Lacht) Oh ja, das stimmt. Ich spielte es während meiner Jugend in Mumbai – und bin heute noch ein großer Fan des Sports. Nun kennt Ihre parsische Religion weder Beichte noch Vergebung der Sünden ...

...das würde ich so nicht sagen. Das Fundament der Religion ist die Trinität: „Gute Worte. Gute Taten. Gute Wünsche.“ Die Lehre des Propheten Zarathustra ...

Ist Ihr Vater auch so bestattet worden?

Nein, mein Vater lebte in Kalifornien. Er dürfte irgendwo im Pazifik liegen. Das Israel Philharmonic, das Sie als Dirigent auf Lebenszeit berufen hat, ist so alt wie Sie. Es wurde 1936 gegründet, Ihrem Geburtsjahr ...

… übrigens ein Privatunternehmen. Der Staat Israel hilft kaum. Haben Sie Parallelen zwischen Ihrer künstlerischen Entwicklung und der des Orchesters feststellen können?

Als ich anfing, war es quasi ein K.-u.-k.-Orchester, mit Musikern aus Wien, Budapest, Prag. Dann ging die erste Generation in Pension und eine zweite Generation kam aus der Sowjetunion. Jetzt ist es eine Mischung zwischen Bürgern aus der ehemaligen Sowjetunion und gebürtigen Israelis. Das Repertoire ist noch wie zu Zeiten der österreichischen Mo­ narchie. Gnädige Frau, ich muss weiter zur Probe!

… mit ziemlich schaurigen Ich bin ein hundertprozentiger Bestattungsritualen ... Inder, aber eben auch ein Parse. … nicht aber für uns. Uns sind Vor 1000 Jahren sind die Parsen die Elemente heilig: Wasser, aus dem Iran eingewandert: Feuer, Erde. Wir begraben nicht Wir waren, 500 Jahre vor Mo- die Toten, wir verbrennen sie ses, die erste monotheistische auch nicht. In Alt-Persien wurReligion. Heute leben in Indien, den die Leichen auf die Hügel inmitten einer Bevölkerung getragen, zu den Türmen der von 1,3 Milliarden Menschen, Stille, des Schweigens. Früher etwa 80 000 Parsen. In Indien waren diese am Rande von waren wir, anders als etwa in Mumbai – heute sind sie fast China, immer sehr willkom- mittendrin, da die Stadt so gemen – und wir hatten auch nie wachsen ist. Dort werden die Noch ein paar Worte zum nackten Körper hingelegt, da- Schluss zum „Shield of Keren Probleme mit den Moslems. mit sie von den Vögeln und Hayesod“ … Die Parsen waren die ersten Tieren aufgefressen werden. … den Preis bekomme ich im Einheimischen, denen zu So bleibt nichts übrig vom Kör- Februar in München, aber ich Kolonialzeiten unter den per – der Körper kehrt zurück kann Ihnen nur wenig dazu zur Natur. sagen. Ich muss weg … englischen „Shaibs“ im Jim 12  concerti Januar 2016

Foto: Joe Malina

Das war eine sehr gefährliche Situation: Kaschmirische Separatistenführer protestierten, es gab Streiks – und massive Sicherheitsvorkehrungen durch das indische Militär. Alles sah aus wie eine Festung.


… und wie werden Sie Ihren 80. Geburtstag im April feiern?

Mit Wohltätigkeitskonzerten!

Konzert-TIPPs

Berlin Mi. 13.1., 20:00 Uhr Philharmonie Geburtstagskonzert für Zubin Mehta. Daniel Barenboim (Klavier), Staats­ kapelle Berlin, Zubin Mehta (Leitung). Schumann: Klavierkonzert a-Moll, Mahler: Sinfonie Nr. 1 D-Dur

Mi. 6.4., 20:00 Uhr Philharmonie Daniel Barenboim (Klavier), Berliner Philharmoniker, Zubin Mehta (Leitung). Brahms: Klavierkonzert Nr. 2 B-Dur & Sinfonie Nr. 1 c-Moll op. 68

Mo. 15.2., 20:00 Uhr Nationaltheater 4. Akademiekonzert. Schönberg: GurreLieder. Anne Schwanewilms (Sopran), Okka von der Damerau (Mezzosopran), Stephen Gould (Tenor), Gerhard Siegel (Tenor), Goran Jurić (Bass), Bayeri­ sches Staatsorchester, Chor und Extra­ chor der Bayerischen Staatsoper, Zubin Mehta (Leitung) Weitere Termine: 17. & 19.2.

So. 6.3., 19:00 Uhr (Premiere) Nationaltheater Verdi: Un ballo in maschera. Piotr Be­ czala (Raccardo), Simon Keenyside (Renato), Anja Harteros (Amelia), Okka von der Damerau (Ulrica), Sofia Fomina (Oscar), Andrea Borghini (Silvano), Anatoly Sivko (Samuel), Scott Conner (Ton), Johannes Erath (Regie), Zubin Mehta (Leitung)

Baden-Baden Mo. 30.5., 19:00 Uhr Festspielhaus Rudolf Buchbinder (Klavier), Münchner Philharmoniker, Zubin Mehta (Leitung). Mendelssohn, Brahms & Tschaikowsky online-Tipp

Zubin Mehta, Rudolf Buchbinder und die Münchner Philharmoniker Das Video sowie weitere Konzerte auf: www.concerti.de/zubinmehta CD-Tipps

Neujahrskonzert 2015 Wiener Philharmoni­ ker, Zubin Mehta (Lei­ tung). Sony Classical

Weitere Termine: 9., 19., 23. & 28.3., 1.4.

München So. 7.2., 18:00 Uhr Nationaltheater Beethoven: Fidelio. Tareq Nazmi (Don Fernando), Tomasz Konieczny (Don Pizarro), Peter Seiffert (Florestan), Anja Kampe (Leonore), Franz-Josef Selig (Rocco), Calixto Bieito (Regie), Zubin Mehta (Leitung)

Di. 22.3., 20:00 Uhr Gasteig Mojca Erdmann (Sopran), Okka von der Damerau (Mezzosopran), Michael Scha­ de (Tenor), Alexander Tsymbalyuk (Bass), Philharmonischer Chor Mün­ chen, Münchner Philharmoniker, Zubin Mehta (Leitung). Mozart: Serenade Nr. 10 „Gran Partita“ & Requiem d-Moll

Weitere Termine: 10., 14., 16. & 20.2.

Weitere Termine: 24. & 26.3.

Sommernachtskonzert 2015 Rudolf Buchbinder (Klavier), Wiener Phil­ harmoniker, Zubin Mehta (Ltg.). Sony

ERÖFFNUNGSWOCHENENDE MIT DER DEUTSCHEN STAATSPHILHARMONIE RHEINLAND-PFALZ

LUDWIGSHAFEN UND DESSAU – EINE 26.2.–13.3.2016

Krenek, Weill & Die Moderne Fr 26. Februar 2016 Dessau, Anhaltisches Theater ERÖFFNUNGSKONZERT KURT WEILL FEST

Ariane Matiakh, Dirigentin Ernst Kovacic, Violine

STRAWINSKY, WEILL, KRENEK und MUSSORGSKI

DER GROSSE FESTSPIELAUFTAKT MIT DEM ORCHESTER DES JAHRES

Sa 27. Februar 2016 Dessau, Anhaltisches Theater „VON BABELSBERG NACH HOLLYWOOD“

Frank Strobel, Dirigent

Filmmusik aus „Die Drei von der Tankstelle“, „Der Dritte Mann“, „Metropolis“, „Sunset Boulevard“ u. a.

Sa 27. Februar 2016 Dessau, Marienkirche BESSER ALS MACKEBENS TANZORCHESTER!

Ernst Kovacic, Violine und Leitung LUMAKA Salonorchester HE RN JETZT TIC KETS SIC U FAH RE N! UN D NACH DESSA

Klassiker aus „Die Dreigroschenoper“ und „Jonny spielt auf“ sowie SCHUBERT, KREISLER und HK GRUBER

INFORMATIONEN & TICKETS Telefon 0341 – 14 990 900 www.kurt-weill-fest.de www.staatsphilharmonie.de

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24.11.15 16:41 Januar 2016  concerti   13


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Endlich Ruhe im Saal Der Saal verdunkelt sich, die Spannung steigt, alle Sinne sind geschärft. Plötzlich wird der Mund ganz trocken, im Hals beginnt es zu kratzen und ein Räuspern oder Husten erscheint unausweichlich … und ein leichter Brauseeffekt halten Mund und Rachen zusätzlich geschmeidig.

E

ine äußerst unange­ nehme Situation, die wohl jeder Musiklieb­ haber kennt. Kein Wunder: Die gespannte Vorfreude ebenso wie die geringe Luft­ feuchtigkeit im Saal lassen Mund und Rachen trocken werden. Hat einen der lästige Reiz erst mal gepackt, wird man ihn so schnell nicht los und der Opern­ oder Konzertbesuch gerät zur Qual.

Guter Rat für den nächsten Opern- oder Konzertbesuch Neben dem Opernglas für die bessere Sicht und dem Taschentuch für große Gefühlsausbrüche auch an GeloRevoice® Halstabletten denken – und die große Kunst ganz in Ruhe genießen … So bleiben Mund und Rachen schön geschmeidig Eine ebenso einfache wie effektive Möglichkeit, die lang ersehnte Vorstellung ohne Räusper­ und Husten­Attacken genießen zu können, bieten GeloRevoice® Halstabletten aus der Apotheke: Das einzig­ artige Revoice® Hydro­Depot befeuchtet die Schleimhäute schnell und nachhaltig, aus­ gewählte Mineralstoffe

Was für Musikliebhaber lästig ist, bedeutet für die Darsteller auf der Bühne ein echtes Drama: Hustenreiz, Räusperzwang, Halskratzen und Stimmverlust. Viele Pro­ fis schwören daher bereits seit Langem auf GeloRevoice® Halstabletten – für eine ge­ schmeidige Stim­ me auch unter besonderer Beanspruchung.


Oper

Die interessantesten Inszenierungen und Künstler – wir stellen Ihnen das Wichtigste aus der Welt der Oper vor

Oper mit Köpfchen: Berlioz’ Benvenuto Cellini von La Fura dels Baus

Foto: Paul Leclaire

16_Feuilleton Die neue Neugierde Muss es immer nur Mozart oder Verdi sein? Am Nord- und

Südpol der opernrepublik sorgen zwei neue Werke für Aufbruchsstimmung ins 21. Jahrhundert 18_Kurz besprochen Online-Kritiken Auszügr aus unseren tageaktuellen MusiktheaterRezensionen 20_ Opern-Tipps Das beste aus Musi- und Tanztheater – ausgewählt von unserem Experten Peter Krause Januar 2016 concerti  15


Feuilleton

Die neue Neugierde Muss es immer nur Mozart oder Verdi sein? Am Nord- und Südpol der opernrepublik sorgen zwei neue Werke für Aufbruchsstimmung ins 21. Jahrhundert. Von Peter Krause

F

rüher war irgendwie alles besser: Da gab’s auf der Bühne die Callas und die Caballé. Am Pult den Bernstein und den Karajan. Und die Regisseure hielten sich so angenehm zurück, störten das Hörvergnügen bei Mozart, Verdi und Wagner nicht weiter. Ja, Opernfreunde neigen zur Verklärung … »Die Zukunft war früher auch besser«

Wer allerdings in Hamburg eingefleischte Fans nach der guten alten Zeit fragt, dem begegnet immer wieder ein Name, der schon in den 60er Jahren für sehr viel mehr stand als hübsch arrangierte kostümierte Konzerte in Bestbesetzung: Rolf Liebermann. Während 16  concerti Januar 2016

seiner legendären ersten Intendanz an der Hamburgischen Staatsoper von 1959 bis 1973 holte der gewiefte Schweizer nicht nur werdende Weltstars wie Plácido Domingo oder Kurt Moll an die Elbe, er brachte auch stolze 24 Auftragswerke zur Uraufführung. Nicht alle davon erspielten sich ewiges Bühnenleben. Doch hier aus der Taufe gehobene Werke wie Staatstheater von Mauricio Kagel, Die Teufel von Loudon von Krzysztof Penderecki oder Der Prinz von Homburg von Hans Werner Henze gehören heute zu den Klassikern der Moderne. Galt damals also das Bonmot des Karl Valentin auch in der Oper? Die Zukunft war früher auch besser … war sie das wirklich?

Ein Rolf Liebermann jedenfalls pendelte Tradition und Innovation an der Hamburger Dammtorstraße genialisch aus und sorgte für niedrigschwelligen Zugang in den hohen Tempel der Sangeskunst: Die Karten im dritten und vierten Rang ließ er bewusst zu Preisen verkaufen, die unter dem einer Kinokarte lagen. Die ideologisch enge Diskussion um Oper als kulinarische Selbstbespiegelung des Bildungsbürgertums oder zeitgenössisches Experimentierfeld existenzieller Menschheitsfragen musste er nie führen: Natürlich darf und muss Oper beides sein. Galaabende finanzierten das Neue und Gewagte

Bei Liebermann gelang gerade mit dieser Doppelstrategie die Ermöglichung des Unerhörten: Galaabende mit den Sängerstars seiner Zeit verkaufte er zu so hohen Preisen, dass die Überschüsse daraus das Neue und Gewagte mitfinanzierten. Heute haben Intendanten größere Sorgen: Spektakuläre Uraufführungen mehren zwar wie eh und je das Renommee ihres Hauses, da reisen auch mal die internationalen Kritiker an und loben den Geist des Aufbruchs an Elbe und Isar. Allein das Publikum folgt dem Ruf zum Risiko nicht mehr. Re-

Foto: Norwegische Nationalbibliothek

Letzten weißen Fleck von der Weltkarte wischen: die Entdeckung des Südpols


pertoire-Reißer füllen die Häuser, Neues aber spielt vor leeren Rängen. Soll man deshalb in Kulturpessimismus verfallen? Und das Gewagte in Nischen und Studiobühnen abschieben? Natürlich spielten auch Liebermanns Lieblingsnovitäten selten vor vollem Haus, aber er schmuggelte die Uraufführungen noch so dramaturgisch geschickt in die festen Abonnement-Reihen ein, dass es ihm als autoritärem wie lustvollem Verführer glückte, die Bindung ans etablierte Publikum aufrecht zu erhalten. Nur so konnte Experimentelles in vielen Fällen tatsächlich seine Repertoirefähigkeit beweisen und zum Kanon werden. Der Weg der Bindung mit sanftem Zwang ist freilich kontinuierlich rückläufig: Die alte „Platzmiete“ ist dem flexiblen Wahl-Abo gewichen. Nur wer wählt da noch freiwillig die Katze im Sack? Die über Jahrhunderte bewährten Qualitätsprodukte von (frühestens) Händel bis (allenfalls) Strauss stehen also stets oben auf der Einkaufsliste. Der Kanon verengt sich, statt sich wie in Liebermanns Zeiten zu weiten. Keine Alibi-Avantgarde

Zwei der größten Opernhäuser Deutschlands wollen da jetzt mutig gegensteuern und bringen just im selben Monat zwei spektakuläre Uraufführungen heraus, die mit dem Etikett einer Alibi-Avantgarde für Rezensenten und Kultusminister mitnichten abzutun sind. Wichtiges Zeichen dafür: An beiden Häusern sind die Uraufführungen Chefsache. Kirill Petrenko lenkt an der Isar eigenhändig die Expedition zum South Pole, Kent Nagano, der

Ex-Münchner GMD, mischt an der Elbe behutsam Stilles Meer auf. Beide Häuser setzen zudem geschickt darauf, dass die Opernfreunde durch große Sängernamen in ihrer Neugierde bestärkt werden: In Hamburg ist dies mit Bejun Mehta der „wahrscheinlich beste Countertenor der Welt“, wie just die Süddeutsche Zeitung den Amerikaner nennt. In München, wo der Sängeretat ein ungleich höherer ist, setzt man gar auf eine tenoral-baritonale Doppelweltspitze aus Rolando Villazón und Thomas Hampson. Feingeistige Kompositionen über die Katastrophe von Fukushima

Ansonsten fallen vor allem die krassen Unterschiede der beiden Projekte ins Auge. Während der vor 60 Jahren in Hiro­ shima geborene Toshio Hosokawa in Stilles Meer mit der Atomkatastrophe von Fukushima die jüngste japanische Geschichte zum Anlass seiner feingeistigen Kompositionen nimmt, widmet sich der junge tschechische Neutöner Miroslav Srnka der Entdeckung des Südpols und dem dramatischen Wettlauf der beiden konkurrierenden Teams um den Briten Robert Scott und den Norweger Roald Amundsen anno 1911. Georges Delnon als neuer Intendant der Hamburgischen Staatsoper nennt seinerseits die glorreiche Vergangenheit seines Hauses zu Zeiten Rolf Liebermanns als Vorbild für seine endlich wieder in die Zukunft weisende Arbeit. Sein Kollege Nikolaus Bachler indes vermittelt seine Vision von Zukunft ohne Rekurs auf große Vorgänger, dafür mit ungleich

größerem Selbstbewusstsein: South Pole wird in München schon Monate vor der Premiere zum Stadtgespräch. Gleich einer „Großbaustelle Südpol“ sorgt ein enorm spannender Blog für Begegnungen mit den Machern und Protagonisten. Die facettenreiche Kontextualisierung eines eben gar nicht mehr sperrigen neuen Opus holt South Pole aus dem Expertenzirkel heraus in die Mitte der Stadt. Oper wird hier nicht zuletzt zum kommunikativen Gesamtkunstwerk, das sich in der Gesellschaft in allerhand Verzweigungen und Vernetzungen fruchtbar einnistet. Die hitzige süddeutsche Expedition zum Südpol scheint da schon Wochen vor der Ankunft kurz vorm Ziel zu stehen, weil die Zahl der begeisterten Entdecker so groß ist – das nordische Alsterwasser hingegen steht weiterhin ziemlich still im halbvollen Bierglas. Aber wer weiß: Vielleicht löst Kent Nagano sein Buchmotto „Erwarten Sie Wunder!“ just mit einer fulminanten Uraufführung ein, die das zuletzt extreme Gefälle vom hochfliegenden Südpol zum brachliegenden Nordpol der Opernrepublik wieder in ein gesundes Gleichgewicht bringt. Opern-TIPPs

München So. 31.1., 19:00 Uhr (Uraufführung) Nationaltheater Srnka: South Pole. Kirill Petrenko (Leitung), Hans Neuenfels (Regie)

Weitere Termine: 3., 6., 9., & 11.2., 5.7. Hamburg So. 24.1., 18:00 Uhr (Uraufführung) Staatsoper Hosokawa: Stilles Meer. Kent Nagano (Leitung), Oriza Hirata (Regie) Weitere Termine: 27. & 30.1., 9. & 13.2. Januar 2016 concerti   17


Kurz Besprochen

Online-Kritiken Auszüge aus unseren tagesaktuellen Musiktheater-Rezensionen. Weitere finden Sie unter: www.concerti.de/oper

Köln 15.11.2015

Berlin 22.11.2015

Kulturstaatsministerin trifft Jonathan Meese

Déjà-vu am Rhein

Verdi-Verwurstung am Küchentisch

Offenbach: Hoffmanns Erzählungen Theater Lübeck. Ryusuke Numajiri (Leitung), Florian Lutz (Regie), Fabienne Conrad, Jean-Noël Briend Weitere Termine: 8. & 16.1., 7. & 19.2.

Berlioz: Benvenuto Cellini Oper Köln. Francois-Xavier Roth (Leitung), La Fura dels Baus: Carlus Padrissa (Regie), Ferdinand von Bothmer, Emily Hindrichs

Verdi: Aida Deutsche Oper Berlin. Andrea Battistoni (Leitung), Benedikt von Peter (Regie), Anna Smirnova, Tatiana Serjan, Alfred Kim, Markus Brück

Oper Die Muse des ach so unangepassten Künstlers Hoffmann liefert im Gewand der Kulturstaatsministerin (Wioletta Hebrowska mit der perfekt austarierten MezzoMischung aus staatstragender Herbheit und sehnsüchtiger Sinnlichkeit) den ideologischen Überbau des vergnüglich frechen Abends. In ihren moderierenden Einwürfen schwafelt sie mit Adorno-Zitaten davon, dass „Kunst eine Zumutung“ zu sein habe. Herrlich selbstironisch nimmt Florian Lutz das zum bildungsbürgerlichen Bekenntnis gewordene Provokationsgebot der Kunst auf die Schippe. Ein Jonathan Meese ist heute längst bayreuthtauglich: Im Chor findet sich nicht zufällig ein Wiedergänger des Aktionskünstlers. Fabienne Conrad gibt alle verflossenen Lieben Hoffmanns: Sie ist ein sängerdarstellerisches Ereignis. (PK)

Oper Auf die „Fura“-typische Art und Weise wird die gesellschaftliche Rolle der Kunst emblematisiert und nahezu bloßgestellt. Die Handlung wird nicht erzählt, sondern gleichsam auf zwei widerstreitenden Kanälen bebildert. Der erste speist sich aus denkbar naiven, von der Geschichte ausgelösten Illus­ trationen, der zweite bietet große, durch Gründeln im historischen und kulturellen Umfeld des Werkes gefundene Bilder. Da nehmen plötzlich quallenartige, virtuos an Seilen durch die Luft bewegte Mischwesen die Bühne ein. Und immer wieder drängen transparente Plastikschläuche ins Bild, die kriechende Kreaturen beherbergen, Figuren ausspeien und Kunststoffhaufen zum Einsturz bringen. Das ist eindrucksvoll, aber eben nicht sinnstiftend oder zielführend, gelegentlich gar beliebig. (AF)

Oper Statt Triumphmarsch-Pomp der Grand Opéra begegnen uns Künstler Radames und Hausfrau Amneris im privaten Kleinkrieg der Soap Opera. Dazu schneidet der Regisseur die Titelfigur aus dieser Aida in einer gewagten Operation einfach heraus. Will heißen: Benedikt von Peter degradiert Aida zur bloßen Projektion des einstigen Helden Radames. Verdis große Oper auf Kammerspiel einzudampfen, ist weder neu noch unbedingt falsch. Das darf man. Aber Benedikt von Peter kann es nicht. Wenn er könnte, würde er davon erzählen, wer dieser hoffnungslose Held, dieser von Ängsten gepeinigte Träumer im Jedermann-Pullover denn wohl ist. Verdi selbst? Durch die küchenpsychologische Verkleinerung großer Operngefühle bringt der Regisseur uns die Figuren mitnichten näher. Ein desolates Experiment. (PK)

18 concerti Januar 2016

Fotos: Oliver Fantitsch, Paul Leclaire, Marcus Lieberenz

Lübeck 13.11.2015


ˇ MILOS BLACKBIRD The Beatles Album

© Andy Earl / DG

Feat. Gregory Porter, Tori Amos, Anoushka Shankar Eine Beatles-Hommage vom Ausnahme-Gitarristen. www.milos-gitarre.de

Jetzt reinhören


OPERN-Tipps Ausgewählt von unserem Experten Peter Krause

ZÜRICH SO. 24.1.2016

Träumerischer Utopieverlust Neue fängt mit der Zerstörung des Alten an. Getreu diesem Motto der Dekonstruktion schuf Heiner Müller 1977 seine Hamlet-Zersplitterung, die zu den großen Theatertexten des 20. Jahrhunderts zählt. Wolfgang Rihm machte die Hamletmaschine später zur Oper, just als er eine Bühnenkunst imaginierte, die mehr von Ritual und Traumlogik lebt als von Gefühlsdramen in Geschichtenform. Die Oper gehört ihrerseits zu den bedeutendsten des späten 20. Jahrhunderts. Der Utopieverlust, die politische Verunsicherung und der Terrorismus unserer Zeit machen sie brennend aktuell. Rihm: Die Hamletmaschine Oper Zürich. Gabriel Feltz (Leitung), Sebastian Baumgarten (Inszenierung) Weitere Termine: 29. & 31.1., 2., 7., 11. & 14.2.

Aktueller denn je: Wolfgang Rihm

20 concerti Januar 2016

Welch eine Komödie – doch schon bald kippt die schöne heile Welt … Dresden SA. 16.1.2016

Großes Verismo-Kino OPER Filmemacher Philipp Stölz schärft grandios

den Naturalismus von Mascagni und Leoncavallo

J

ust der Filmschnitt wird zur Inszenierungs-Geheimwaffe im doppelt tödlichen Spiel der berühmten Verismo-Zwillinge: Philipp Stölz nutzte bei den Salzburger Osterfestspielen geschickt sein Fachwissen aus seinem anderen Leben als Filmemacher. Und baute für die mit der Semperoper koproduzierte Produktion ganze sechs Spielflächenfenster, die in Sekundenbruchteilen den Fokus von der feschen und durch Nebenhandlungen aufgewerteten Lola zum verliebten Turridu, von den Solisten zum Chor verlagern können. Das Aufblenden und Abdun-

keln der Kämmerchen legt das Beziehungsgeflecht der Tragödien mit krass geschärftem Naturalismus offen, der durch die Verlegung aus dem Sizilien der vorletzten Jahrhundertwende in die Gegenwart einer grauen Industriestadt zusätzlich Feuer erhält. Durch Stölz’ Setting profitiert besonders das genialisch bittere Spiel im Spiel aus Komödie und Realität, das Leoncavallo im Bajazzo erdacht hat. Mascagni: Cavalleria rusticana & Leoncavallo: Der Bajazzo Semperoper. Stefano Ranzani (Leitung), Philipp Stölz (Inszenierung) Weitere Termine: 19. & 22.1., 3. & 6.2.

Fotos: Andreas J Hirsch, Eric Marinitsch/Universal Edition, Annemone Taake/Theater und Orchester Heidelberg , Uli Weber/Sony Classical

OPER „Ich war Hamlet.“ Das


CHEMNITZ SA. 30.1.2016

Weitere Tipps

Berstende Intensität Oper Antony Pilavachi, Meister der Personenregie

Mannheim

LA JUIVE

und Erfinder starker Bilder, widmet sich Massenet

H

ier gehören nicht nur Wagner und Strauss zu den Hausheiligen, die Inszenierung von Meyerbeers Vasco da Gama wurde zur „Wiederentdeckung des Jahres 2013“ gekürt, Operette und Musical machen das Publikumsinteresse weit. Chemnitz ist kein Geheimtipp mehr, sondern gehört zu den spannendsten Häusern im Osten. Damit das so bleibt, müssen immer wieder wichtige Regisseure die Klassiker befragen. Mit Anthony Pilavachi inszeniert nun der fantas-

tische Lübecker Ring-Schmied, der nicht nur mit unerwarteten Bildfindungen begeistert, sondern auch mit einer Personenregie, die seine Sänger zu intensiven Darstellern macht. In Massenets Oper auf Goethes Briefroman mit seiner romantischen Dreiecksgeschichte sollte Pilavachi sein Können voll ausspielen können. Massenet: Werther Theater Chemnitz. Felix Bender (Leitung), Anthony Pilavachi (Inszenierung) Weitere Termine: 20.2., 6. & 13.3., 16. & 22.4.

So. 10.1., 19:00 Uhr Nationaltheater Mannheim Meisterregisseur Peter Konwitschny (Foto) setzt Halévys grandiose Grande Opéra in Szene OSNABRÜCK

OWEN WINGRAVE Sa. 16.1., 19:30 Uhr Theater Osnabrück Benjamin Brittens pazifistische „Oper fürs Fernsehen“ wurde 1971 von BBC und ZDF zeitgleich aus­ gestrahlt, jetzt inszeniert sie der Niederländer Floris Visser in der Friedenstadt Osnabrück LÜBECK

COSÌ FAN TUTTE

Wien FR. 19.2.2016

Rossini statt Verdi Oper Der Venezianer Damiano Michieletto setzt

den anderen Otello in Szene

I

m Mekka des Musiktheaters ist die Staatsoper längst nicht mehr das Maß aller Dinge. Seit zehn Jahren werden im Theater an der Wien im italienischen Stagione-Prinzip, also ohne täglich wechselnde Repertoireaufführungen, Spitzenproduktionen in jeweils eigens engagierten Idealbesetzungen erarbeitet. Schikaneder hatte das Theater anno 1801 ganz im Geiste Mozarts erbauen lassen. Jetzt inszeniert Rossini: Otello Theater an der Wien. Antonello Manacorda (Leitung), Damiano Michieletto (Inszenierung) Weitere Termine: 19., 21., 23., 26. & 28.2., 1.3.

der in Venedig geborene Italiener Damiano Michieletto gerade nicht Verdis in seiner Heimatstadt spielenden Otello, sondern jenen von Rossini. Amerikas Belcantospezialist John Osborne ist Otello, Nino Machaidze die Desdemona.

Fr. 22.1., 19:00 Uhr Theater Lübeck An der Trave bewegte Sandra Leupold zuletzt mit Verdis düsterem Don Carlos, jetzt wagt sie sich an Mozarts „Schule der Liebenden“ MAGDEBURG

DIE TOTE STADT Sa. 23.1., 19:30 Uhr Theater Magdeburg Den expressionis­ tischen Überraschungserfolg von 1920 des erst 23-jährigen Korngold inszeniert Jakob Peters-Messer BERLIN

EUGEN ONEGIN So. 31.1., 18:00 Uhr Komische Oper Berlin Nach sei­ nem Ausflug mit Prokofjew nach München ist Barrie Kosky zurück am eigenen Haus und erarbeitet Tschaikowskys lyrische Szenen

Nino Machaidze singt Rossinis Desdemona

Weitere Tipps, Termine, Tickets und mehr: www.concerti.de

Die Rezension zum Tipp: Über alle Premieren mit diesem Zeichen berichten wir tagesaktuell. Sie finden diese und weitere Kritiken online: www.concerti.de/oper Januar 2016 concerti   21


vom künstlerischen Leiter der Erfolgsshows " Flying Bach" und " Breakin' Mozart" Chri s to ph Hagel prä s en t ie r t

M u S i K – T A N Z – WA H N S i N N Das ne ue au f r eg end e Br eakd anc e– S p e k ta k e l a u s B e r l i n

2 6 /0 5 / 2 0 1 6 2 7/ 0 5 / 2 0 1 6 2 8 /0 5 / 2 0 1 6 31/05/2016 01/06/2016 0 2 /0 6 / 2 0 1 6 0 6 /0 6 / 2 0 1 6 0 7/0 6 / 2 0 1 6 12/06/2016 13/06/2016

Dresden Berlin Berlin München Stuttgart Hamburg Genf Zürich Bamberg Bremen

A lt e r Sch l ach t hof Huxley's Huxley's Circus Krone KKL - Beethovensa al Laeiszhalle Théâtre du Leman Kongresshaus Konz e rthalle - Ke i lb e rthsa al Glocke

T i c ke ts u n t e r www . myt i c ke t . d e u n d www . t i c ke t m ast e r . d e s ow i e u n t e r 0 1 8 0 6 - 7 7 7 1 1 1 * * (0 , 2 0 € / Anruf aus de m dt . Festnetz / max . 0 , 6 0 € /Anruf aus de m dt . Mobilfunknetz )


Festivals In Deutschland und Europa – wir stellen Ihnen die interessantesten Programme, Orte und Künstler vor

Foto: Ronny Hartmann

Von italienischer Renaissance gerahmt: Telemann-Festtage im Palais am Fürstenwall

24_Magdeburg Image-Politur Telemann und Magdeburg. Mit den Festtagen gelingt seiner Geburtsstadt ein neuer Blick – nicht nur auf den Komponisten 26_Hitzacker ZonenrandFörderung Einst trennte hier die Elbe Ost und West – heute zieht es Künstler aus ganz Deutschland zur Musikwoche Hitzacker 28_Berlin »Das ist keine Hexenkunst« Seit zehn

Jahren weckt die Initiative Rhapsody in School Begeisterung für Bach & Co im Schulalltag Einzeltermine, Details, Tickets und vieles mehr auf www.concerti.de/festivalguide

Januar 2016 concerti   23


Festivalguide

Image-Politur Zwei, denen die Geschichte übel mitgespielt hat: Telemann und Magdeburg. Doch mit den Festtagen gelingt seiner Geburtsstadt ein neuer Blick – nicht nur auf den Komponisten. Von Udo Badelt

D

er Fluss, immer wieder dieser Fluss. Er ist es, auf den in Magdeburg alles hinausläuft. Ohne ihn, ohne die Furt durch die Elbe an dieser Stelle, gäbe es die Stadt gar nicht. Gurgelnd strömt das Wasser beim Blick aus den Fenstern tief unten vorbei. Wir sind im Remter, einem herrlich mittelalterlichen Saal, dessen Spitzbögen die Decke tragen. Remter ist das deutsche Wort für „Refek24 concerti Januar 2016

torium“ – der Ort, an dem die Mönche zum Essen zusammenkamen. Gleich nebenan erhebt sich stolz der Dom. Klänge erfüllen den Raum: Duette, Terzette, Suiten, ein Concerto. Sie beruhigen die Seele, öffnen ein Fenster in eine ferne und doch seltsam nahe Empfindungswelt. Es ist Musik von Georg Philipp Telemann, der 1681 in Magdeburg zur Welt kam und ganz in der Nähe des Doms zur Schule ging.

Seinen Ruhm begründete er anderswo, vor allem als Director Musices in Hamburg. Trotzdem: Magdeburg ist seine Geburtsstadt, und seit 1962 rücken hier die Telemann-Festtage sein Werk in den Fokus. Wissenschaftlich, indem die Kompositionen in den Archiven erschlossen werden. Und klanglich, schlicht indem man sie aufführen lässt, und zwar von bekannten Musikern und Experten Alter Musik auf historischen Instrumenten. So arbeitet man in Magdeburg kontinuierlich an einem neuen Blick auf Telemann, der in direkter Nachbarschaft seiner barocken Zeitgenossen Händel und Bach lange als Vielschreiber, als seelenlose Tonmaschine gering geschätzt wurde. Magdeburg braucht solche Identifikationsfiguren. Hat es die Geschichte mit der Stadt doch nicht besonders gut gemeint: Um 900 war sie unter Kaiser Otto I. das Zentrum des Reiches gewesen, hätte so etwas wie das deutsche Paris werden können. Mit dem Magdeburger Dom entstand, noch vor Köln, erstmals ein ambitioniertes Bauwerk im französischen gotischen Baustil auf deutschem Boden. Ein Dutzend weiterer großer Kirchen präg= Zeitraum

= Künstler

= Ort

Foto: Stephanie Teschner

Telemann war keine seelenlose Tonmaschine

Festival-Spielort: die Johanniskirche


ten das Stadtbild von der Elbe her – es muss ein überwältigender Anblick gewesen sein. Doch Tillys Truppen legten die Herrlichkeit im Dreißigjährigen Krieg in Schutt und Asche, und was im 19. Jahrhundert erneut aufblühte, ging im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs unter. Heute ist Magdeburg eine von Plattenbauten geprägte Großstadt im strukturschwachen Norden Sachsen-Anhalts – mit einigen wunderbaren historischen Überbleibseln und überraschenden Ecken in der Innenstadt. Und genau die zu erkunden, dazu bieten die Telemann-Festtage eine großartige Gelegenheit. Da der Dom selbst für Telemanns Musik zu groß und für die historischen Instrumente im März zu kalt ist, wird im Remter gespielt. Oder, nicht

Sitz des Telemann-Zentrums: das von Schinkel entworfene Gesellschaftshaus

weit entfernt, im Kloster Unser Lieben Frauen, in der Johanniskirche oder im von Schinkel entworfenen Gesellschaftshaus, in dem das Telemann-Zentrum seinen Sitz hat. Dazu im Opernhaus, wo jährlich eine von Telemanns Opern neu entdeckt wird. Und 2016 kommt als neuer Spielort der charmante Antoniussaal hinzu, der sich in einem Renaissance-Gebäude verbirgt: So können auswärtige Besucher Musik genießen und dabei die architektoni-

schen Perlen einer oft unterschätzen Stadt erkunden. Und dank des breiten Spektrums an Spielstätten ist garantiert, dass auch die Magdeburger selbst „ihren“ Telemann immer wieder neu kennenlernen. Telemann-Festtage 11.–20.3.2016 Daniel Hope, Berliner Barocksolisten, Leipziger Barockorchester, HansChristoph Rademann, La Stagione Frankfurt, Stefano Veggetti, Florian Heyerick, NeoBarock, Dorothee Oberlinger, Ensemble 1700 u. a. Magdeburg

unter anderem mit IL GIARDINO ARMONICO, KIT ARMSTRONG, PATRICIA KOPATCHINSKAJA, SOL GABETTA, CONCERTO COPENHAGEN

thueringer-bachwochen.de Einzeltermine, Details, Tickets und vieles mehr auf www.concerti.de/festivalguide

Januar 2016 concerti   25


Festivalguide

Zonenrand-Förderung Einst trennte hier die Elbe Ost und West – heute zieht es Künstler aus ganz Deutschland zur Musikwoche Hitzacker . Die just zum Jubiläum einen neuen Leiter präsentiert. Von Reinald Hanke

D

ass ein Musiker fast 30 Jahre lang ein Festival führt, ist schon ungewöhnlich in unserer schnelllebigen Zeit. Fast noch bemerkenswerter ist indes, wenn dieser künstlerische Leiter dann just ein Jahr vor dem Jubiläum das Zepter abgibt: So geschehen im Fall von Startrompeter Ludwig Güttler, der die Musikwoche Hitzacker vor drei Jahrzehnten ins Leben rief und nun zum Jubiläumsjahr 2016 den Stab an den Berliner Oboisten Albrecht Mayer weitergereicht hat. Hitzacker: Das ist ein verwinkeltes, beschauliches, ja verschlafenes Örtchen an der 26  concerti Januar 2016

Mündung der Jeetzel in die Elbe. Friedlich liegt diese Gemeinde hier inmitten einer einzigartigen Natur, die sich allerdings immer wieder den Ort zurückerobert – wer erinnerte sich nicht an die großen Überflutungen der beiden gewaltigen Elbhochwasser in den letzten Jahrzehnten. Aufbruchsstimmung an der Jeetzelmündung

Bekannt geworden ist diese Gegend indes nicht nur durch die Fluten, sondern vor allem durch die jahrzehntelangen Gorleben-Proteste in unmittelbarer Nähe. Und: Bis zum Mauerfall bildete hier die Elbe die Grenze zwischen Ost

und West. Wer oberhalb Hitzackers auf dem nördlichsten Weinberg Deutschlands stand, konnte damals die Wachtürme der DDR-Grenzer auf der anderen Flussseite sehen. Ein klassisches Zonenrandgebiet – da schien es seinerzeit naheliegend, diese Mischung aus verträumten Idyll und benachteiligter Lage für ein Aufbruchssignal zu nutzen. Und da man im Sommer schon das älteste deutsche Kammermusikfestival der Sommerlichen Musiktage hatte, fiel die Wahl des damaligen Bürgermeisters und des Musikers Güttler auf eine winterliche Festivalwoche. Jahraus, jahrein verwandelte = Zeitraum

= Künstler

= Ort

Foto: Christian Sagawe

Am Rande der Stadtinsel von Hitzacker gelegen: St. Johannis ist eine der beiden Hauptspielstätten


der Trompeter seither Hitzacker mit Musikern aus seiner sächsischen Heimat für neun Tage im Februar in eine Hochburg barocken und frühklassischen Musizierens. Hier präsentierte er nicht nur seine Ensembles von den Virtuosi Saxoniae bis hin zum Blechbläseremsemble Güttler, sondern auch seine ausgegrabenen Lieblingsstücke für die frühe Trompete. Natürlich gab es immer wieder auch mal Musik anderer Epochen zu hören, aber vorwiegend drehte sich das Festival um die Musik für Blechbläser zwischen Frühbarock und Klassik – und gerne auch aus dem großen Umfeld der Dresdner Musikergrößen. Mit der Zeit wurde es allerdings zunehmend schwerer, Gelder für das Festival aufzutreiben: Güttler wollte partout nichts an seinem Konzept ändern, doch da die Geldgeber immer widerspenstiger wurden, vergraulte irgendwann die Last der Geldbeschaffung dem künstlerischen Leiter die Lust an der Musik.

Nun darf sich also Albrecht Mayer gemeinsam mit dem Trägerverein ums liebe Geld kümmern. Wobei der Oboist den Vorteil hat, dass er dank erfolgreicher PR und diverser in den Klassikcharts hoch gehandelter CDs heute fast noch bekannter ist, als es Güttler vor 30 Jahren war. Nur konsequent also, dass der neue künstlerische Leiter da bei seinem ersten Festival geradezu omnipräsent sein und an sieben von neun Tagen selbst spielen wird. Das Programmprofil indes ähnelt stark dem der letzten Jahre – nur dass statt Dresdner jetzt Berliner und Hannoveraner Musiker den Festival­ stamm bilden und nicht mehr Trompeten- oder Blechbläsermusik im Zentrum steht, sondern originale oder bearbeitete Musik für Oboe. Musikwoche Hitzacker 4.–13.3.2016 Albrecht Mayer, Igor Levit, Andreas Ottensamer, Felix Klieser, Gabriel Schwabe, Nicholas Rimmer, Kammerakademie Potsdam, Hamburger Symphoniker, Joachim Król u. a. Hitzacker

Einzeltermine, Details, Tickets und vieles mehr auf www.concerti.de/festivalguide

Weitere Tipps Bonn

Beethoven-Woche 23.–31.1.2016 Im Zentrum der diesjährigen Beethoven-Woche im Beethoven-Haus verortet Festivalleiterin Tabea Zimmermann den Liederzyklus An die ferne Geliebte. Von hier aus öffnet sich Beethovens Werk der Musik der Gegenwart. Dessau

Kurt Weill Fest 26.2.–13.3.2016 Zum 25. Todestag des US-amerikanischen Komponisten Ernst Krenek bietet das Festival auch dem Zeitgenossen Kurt Weills ein Forum. Kreneks Der Diktator und Weills Der Zar lässt sich photographieren bilden zwei von vielen Festival-Highlights, an denen Geiger Ernst Kovacic als Residenzkünstler maßgeblich beteiligt ist. Neuruppin

Aequinox Musiktage 18.–20.3.2016 Tanz und Bewegung, Frieden und Freiheit sowie die Arbeit mit der jungen Generation sind die roten Fäden, die sich durch das barocke Programm ziehen. Auf dem stehen unter anderem die Lautten Compagney und Sopranistin Simone Kermes.

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REPORTAGE

»Das ist keine Hexenkunst« Wer neue Hörer für die Klassik gewinnen will, muss an die Kinder ran. Seit zehn Jahren weckt die Initiative Rhapsody in School Begeisterung für Bach & Co im Schulalltag. Von Helge Birkelbach

Früh übt sich, wer ein Meister werden will: Cellist Daniel MüllerSchott weiß das aus eigener Erfahrung

28  concerti Januar 2016

auf der sich die Ernst-LudwigHeim-Grundschule breit gemacht hat. Zweckmäßige Flachbauten – und doch einladend. Ein selbstgemaltes Hinweisschild „Achtung Kinder!“ weist den erwachsenen Eindringling darauf hin, wer hier das Sagen hat, auf dem Schulhof tummeln sich verschiedenste Ethnien und Altersstufen.

Entspannte Begegnungen statt schwerem Konzert

Fred Handrick ist Musiklehrer und hat den heutigen Vormittag organisiert. Die knapp 40 Kinder der ersten und zweiten Klassen seien schon ganz aufgeregt, erzählt er, während sich in der Aula Franziska Hölscher warm spielt. Um sie herum sind schwarze Schalenstühle aufgestellt, hinter ihr ein = Zeitraum

= Künstler

= Ort

Fotos: Tibor Pluto, Helge Birkelbach

G

rau und trist nieselt dieser Herbstvormittag in Berlin-Spandau vor sich hin. Farbe ins Bild bringen allein die gelbbraunen Blätter am Boden, denen die Männer der Stadtreinigung mit ihren Laubpustern gerade lautstark zu Leibe rücken. Versteckt hinter eintönigen Häuserfassaden öffnet sich eine ausgedehnte Stadtlichtung,


schwarzer Theatervorhang – und auch die Geigerin ist ganz in schwarz gekleidet. Wie stets, wenn sie Konzerte gibt – nur dass dies heute ja gar kein Konzert ist, sondern eine „Begegnung“, wie die Macher der Musiker-Initiative „Rhapsody in School“ nicht müde werden zu betonen. »Es gibt Geigen, die kosten mehrere Millionen.« – »Boah!«

Hölschers Schwarz mutet denn auch eher leger an, sportlich, so wie die ganze Erscheinung der 33-Jährigen. Sie strahlt gleichzeitig innere Ruhe und raumfüllende Freude aus. Etwas irritiert wirkt sie lediglich, als Handrick erläutert, die Aula hätte abgetrennt werden müssen, da gleichzeitig die jährliche Zahnarztuntersuchung ne-

Aufgepasst, ihr Erwachsenen! In der Spandauer Grundschule lieben die Kinder nicht nur Musik

benan stattfinde: Bach und Bohren? Wenn das mal gut geht … Plötzlich läutet die Klingel, die Kinder stürmen herein und rangeln um die Plätze, doch Handrick und seine Kollegin haben die Schar im Griff. Wie überhaupt die Kinder gut vorbereitet zu sein scheinen: Sogleich kommen die ersten Fragen. „Wann hast du angefangen mit der Geige?“ – „Wie

geht das eigentlich mit dem Spielen?“ – „Wie teuer ist deine Geige?“ Hölscher lacht und erklärt, dass solch ein Instrument, wenn es viele Jahre auf dem Buckel habe, auch viel koste. „Es gibt Exemplare, die kosten mehrere Millionen.“ Unisono: „Boah …!“ Ihre eigene Geige indes sei noch nicht so viel wert, auch wenn sie diese vor einiger Zeit in Paris speziell für sich habe anferti-

17. INTERNATIONALER

ROBERT SCHUMANN WETTBEWERB KLAVIER | GESANG 9. bis 19. Juni 2016 in Zwickau

Anmeldeschluss: 15. Februar 2016 www.schumann-zwickau.de

Einzeltermine, Details, Tickets und vieles mehr auf www.concerti.de/festivalguide

Januar 2016 concerti  29


REPORTAGE

scher an, dass ein Kind auf ihrer Violine den beliebten Kanon spielen kann. Sie selbst stellt sich hinter die Schülerin und unterstützt das Mädchen bei den Griffen. Begeistert klatschen und singen alle mit. Musik- und Kunstunterricht werden häufig gestrichen

Überhaupt scheint den Spandauer Schülern Gesang nicht fremd zu sein. Wie im Flug vergeht die Stunde, die Kinder ziehen mit geradezu überschäumender Freude mit. Auch, da es hier weder um die musiktheoretische Vermittlung von Klassik geht, noch ernsthaft um Fachwissen wie etwa Herkunft oder Alter der Stücke. Nachdem sie gebannt Hölschers Interpretation der Sarabande aus Bachs d-Moll-Suite gelauscht haben, vermuten einige: „Zehn Jahre?“ Kopfschütteln. „20 Jahre? Noch älter …?!“ Zeitspannen und Epochen sind für einen jungen Menschen, der seit sechs oder sieben Jahren jeden Tag neu die Welt endeckt, keine fassbare Größe. Die Euphorie und Über-

Erste Streichversuche: Bruder Jakob mit »Lehrschwester« Franziska Hölscher

30 concerti Januar 2016

raschung der Kinder entspringt vielmehr aus der Musik selbst, aus ihrer unmittelbaren Präsenz in dieser Aula. Mit eben dieser Musikerin und an diesem grauen Vormittag, der zwei Welten zusammenbringt, die einfach zusammengehören wie diese Stunde einmal mehr zeigt: Kinder und Musik. Eigentlich das Natürlichste der Welt. Und doch finden solche „Begegnungen“, die „Rhapsody in School“ fördern möchte, immer seltener statt. Kunstund Musikunterricht werden zugunsten vermeintlich wichtigerer Fächer gestrichen. Immer mehr Eltern der jungen Generation vermögen nicht mehr zu unterscheiden zwischen einem herzzerreißenden Largo Schostakowitschs und einer schmachtenden Hollywood-Musik Hans Zimmers – und gehen lieber ins Multiplex-Kino, als mit ihren Kindern den Weg in einen vermeintlich langweiligen Konzertsaal zu suchen. Ein erster Schritt – nun müssen Eltern und Lehrer weiter fördern

„Leidenschaft für Musik lässt sich nur über Emotionen vermitteln“, sagt Lars Vogt. Vor zehn Jahren hat er die Initiative „Rhapsody in School“ ins Leben gerufen und mittlerweile über 300 renommierte Solisten und Ensembles wie Sol Gabetta, Sabine Meyer oder das Fauré Quartett hierfür begeistern können. „Die Idee ging aus Gesprächen hervor, die ich mit meinen Künstlerfreunden beim Kammermusikfestival ‚Spannungen‘ in Heimbach führte“, erinnert sich der Pianist. „Wir waren uns einig, dass die Schulmusik so, wie sie ist, keine Chan= Zeitraum

= Künstler

= Ort

Foto: Helge Birkelbach

gen lassen. „Extra für dich?“ Die Schüler kommen aus dem Staunen nicht heraus. Und staunen noch mehr, als die 33-jährige Musikerin ein Stück spielt, in dem sie der Violine ganz andere Töne entlockt, als gemeinhin in Konzert, Rundfunk oder von CD zu hören. Klopfen, Kratzen, Pizzicato, Glissando: alles drin, was Neue Musik halt so aufzufahren hat. „Das ist keine Hexenkunst“, lacht die mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete Geigerin. „Es ist so wie Kuchen backen.“ Und wie in der Konditorei die Rezepte gelegentlich etwas komplexer ausfallen, geht nun auch die Baden-Württembergerin in die Details: versetzt Saiten in Schwingungen, erklärt Griffe und die Relevanz des Bogens. „Der Bogen ist mit Pferdehaaren bespannt. Die müssen immer wieder erneuert werden.“ Die Kinder werden unruhig und wollen mehr Musik hören. „Wollen wir was zusammen spielen? Das klappt ganz sicher. Kennt ihr ‚Bruder Jakob‘?“ Was für eine Frage: „Jaaa!“ Spontan bietet Höl-


ce hat, klassische Musik wirklich emotional an Kinder zu vermitteln – es sei denn, ein extrem charismatischer und ambitionierter Lehrer steht dafür ein.“ Also hat der gebürtige Dürener das Heft selbst in die Hand genommen: „Wir wollten gemeinsam etwas tun, um Kindern eine Möglichkeit zu eröffnen, Musik so wahrzunehmen, wie wir als Künstler sie lieben: als überaus emotional und in unser ganzes Leben eindringend. Oder wie die Kids sagen würden: als cool! Dafür stellen wir unsere Persönlichkeit und unsere Leidenschaft ehrenamtlich zur Verfügung.“ Eine Idee, die ankommt, wie die zahlreichen Kommentare und Briefe von Kindern und Jugendlichen auf der „Rhapsody in School“-Webseite zeigen. Lara, Schülerin der Klasse 6a der Heilbronner Wilhelm-Hauff-Schule, schrieb nach dem Besuch von Vogt: „Eigentlich interessierte ich mich nicht für Klavier, aber als Sie gespielt haben, wollte ich auch Klavier spielen.“ Mission also erfüllt? „Es ist ein erster Schritt, die Neugier ist geweckt – doch wir sind uns bewusst, dass ‚Rhapsody‘ nicht alles leisten kann“, relativiert der Pianist. „Aber hoffentlich trifft dieses Mädchen auf Eltern und Lehrer, die das aufgreifen und weiter fördern.“ Fördern ist auch das Stichwort für Vogt selbst und seine Mitstreiter. „Nach zehn Jahren sind wir so groß geworden, dass wir uns in der Organisation weiter professionalisieren müssen – und dazu brauchen wir weitere Partner und Sponsoren.“ Wobei der Initiator und Musiker nur zu gut weiß, wie viel Überzeugungskraft es braucht, um Geld locker zu machen. Doch vielleicht gelingt es ja über emotionale Eindrücke; Erlebnisse wie an diesem Vormittag in Spandau: Nachdem Hölscher ihre Violine in den Geigenkasten gepackt hat, stellen sich die Kinder in einer langen Warteschlange vor einen Schultisch. Und fordern lautstark: „Au-to-gramm! Au-to-gramm!“ PS: Der Zahnarzt hat übrigens nicht bohren müssen. Scheußliche Geräusche hätten zu diesem Schulvormittag auch einfach nicht gepasst. Rhapsody in Concert Fr. 8.1., 18:30 Uhr Sharon Kam (Klarinette), Veronika Eberle (Violine), Tanja Tetzlaff (Violoncello), Lars Vogt (Klavier), Malte Arkona (Moderation), Konzerthausorchester Berlin, Orchester des Musikgymnasiums Carl Philipp Emanuel Bach Konzerthaus Berlin

MONTSERRAT CABALLÉ

mit ihrer Tochter Montserrat Marti Fr. 29. Januar 2016, 20 Uhr Schwerin, Kongresshalle

Sa. 30. Januar 2016, 20 Uhr

Neubrandenburg, Konzertkirche (ausverkauft)

Di. 2. Februar 2016, 20 Uhr Magdeburg, Johanniskirche

Fr. 5. Februar 2016, 20 Uhr Frankfurt Oder, Konzerthalle „Carl Philipp Emanuel Bach“

Do. 24. März 2016, 20 Uhr Hamburg, CCH

Mi, 30. März 2016, 20 Uhr

Oldenburg, Weser-Ems-Halle

Sa. 2. April 2106, 20 Uhr

Dessau, Veranstaltungszentrum am Golfpark

So. 13. November 2016, 17 Uhr Bamberg, Congresshalle

Mi. 16. November 2016, 20 Uhr Rosenheim, KUKO

Sa. 19. November 2016, 20 Uhr Nordhorn, Euregium

Tickets bei allen bekannten Vorverkaufsstellen und Eventim 01805-570070 und www.eventim.de


Rezensionen CDs – ausgewählt und bewertet von der concerti-Redaktion

Zur Weltspitze geführt: 1964 gründete John Eliot Gardiner seinen Monteverdi Choir

Bekenntnis und Erkenntnis

E

r weiß, dass von allen geistlichen Werken Bachs diese h-Moll-Messe die wohl größten Hürden bereithält. Trotzdem schont John Eliot Gardiner niemanden: Er verlangt seinen Instrumentalisten und Vokalisten ein hohes Maß an Spontaneität, an technischer Verlässlichkeit und Tempo-Variabilität ab. Das Schöne für den Hörer: Er bekommt von all den Mühen nichts mit, sondern darf sich einfach satthören an diesem 32 concerti Januar 2016

über Jahre verfeinerten Reifeprozess, der nach Gardiners erster Einspielung von 1985 nun ein neues, ein beglückendes Ergebnis hervorgebracht hat. Wie kühn das Gloria, wie sphärisch das Et incarnatus, wie geradezu trotzig frohbotschaffend das Et resurrexit, wie festlich das Sanctus! Gardiner kann sich nicht nur auf seine English Baroque Soloists verlassen, sondern vor allem auf seine Fabelsänger vom Monteverdi Choir. Sie singen

wie aus einem Guss – eine bessere Klangtechnik hätte das sogar noch besser einfangen können. Gardiners Sicht auf diese Messe spiegelt ungemein viel Bekenntnis und Erkenntnis. Doch will niemanden belehren. Das klingt alles gelöst und ungemein selbstverständlich. Christoph Vratz Bach: h-Moll Messe H. Morrison, E. Brazil, P. Davoren, A. Ashworth u. a. Monteverdi Choir, English Baroque Soloists, John Eliot Gardiner (Leitung). Soli Deo Gloria

Weitere Rezensionen finden Sie auch unter www.concerti.de

Foto: Sim Canetty-Clarke

CD des Monats Welch ein Reifeprozess: John Eliot Gardiner beglückt mit Bachs h-Moll-Messe


Verrat und Wut

Treue und Wankelmut

Präzision und Jubel

Mozart: Arien aus Idomeneo, Le nozze di Figaro, Don Giovanni u. a. Dorothea Röschmann (Sopran), Swedish Radio Symphony Orchestra, Daniel Harding (Leitung). Sony Classical

Händel: Partenope Karina Gauvin (Partenope), Philippe Jaroussky (Arsace), Emöke Baráth (Armindo) u. a. Il Pomo d’Oro, Riccardo Minasi (Leitung). Erato

Händel: Salve Regina, Arien aus Resurrezione, Rodrigo, Dafne u. a. Julia Lezhneva (Sopran), Il Giardino Armonico, Giovanni Antonini (Leitung) Decca

Wahn, Furien, Entsagung! Elettras Arie Oh smania aus Mozarts Idomeneo ist nichts fürs schwache Nerven. Dorothea Röschmann gestaltet sie als Psychogramm, seelendurchdringend, aufbegehrend, leidend. Was bezeichnend ist für dieses ArienAlbum: Röschmann wird zu Vitellia, zur Gräfin, zu Elvira, zu Ilia – und am Ende singt sie Bella mia fiamma. Die ganze Farb-Palette dieser Einspielung zeigt sich im Gegensatz von Rezitativ und Arie Dove sono aus dem Figaro: hier das Gefühl von Verrat und Wut – dort Schmerz und Hoffnung. Röschmann begnügt sich nie mit Melodien-Seligkeit. (CV)

In der 1730 in London uraufgeführten Partenope scheint Händel shakespearesche Vertiefung anzustreben. In feinster Ausdifferenzierung werden Liebeslust und -leid, Treue und Wankelmut geradezu musikalisch analysiert. In der Titelrolle gibt Karina Gauvin der hervorragend besetzten Aufnahme mit warmem, wandlungsfähigem Sopran ein grandioses Zentrum. Philippe Jaroussky, der eigentliche Star der Aufnahme, singt hinreißende melancholische Linien, klingt aber oft körnig – und ein wenig müde. Und dem feinsinnigfundierten Dirigat Riccardo Minasis fehlt es gelegentlich an Esprit. (AF)

Schon mit dem ersten Track fasziniert Lezhneva den Zuhörer. In der Arie aus La Resurrezione wickelt sich ihre Stimme geradezu in hauchzarten und dennoch jubelnden Miniaturwindungen um die konzertierende Solo-Violine – und es klingt, als mache ihr das nicht die geringste Mühe. Zumal stets der Ausdruck im Vordergrund steht, nie der zirzensische Effekt. Und so geht es weiter mit Händels Arien und Kantaten aus den frühen italienischen Jahren 1707–1709: auf StratosphärenNiveau. Giovanni Antonini und Il Giardino Armonico begleiten brillant und sensibel, nur manchmal vielleicht eine Spur ritardando-verliebt. (AF)

J ETZ TICKE T SICH TS ERN!

FESTTAGE 18. – 28. MÄRZ 2016 MIT

Daniel Barenboim, Staatskapelle Berlin

Foto © Holger Kettner

UND

Wiener Philharmoniker, Staatsopernchor, Martha Argerich, Yo-Yo Ma, Jonas Kaufmann, Jürgen Flimm, Dmitri Tcherniakov, Waltraud Meier, Anna Prohaska, Bejun Mehta, Andreas Schager, René Pape u. a. TICKETS 030 – 20 35 45 55 | WWW.STAATSOPER-BERLIN.DE

***** = herausragend **** = sehr gut *** =gut ** =befriedigend * =unbefriedigend

Januar 2016 concerti  33


Rezensionen

Anpfiff

Doppelpass

Gemmingen: Violinkonzerte Nr. 3 & 4, Gossec: Symphonie D-Dur op. 6/1 Kolja Lessing (Violine), Münchner Rundfunkorchester, Ulf Schirmer (Leitung). cpo

Schulhoff, Smit & Raphael: Flöten­ sonaten, Gal: 3 Intermezzi, Tansman: Sonatine für Flöte & Klavier Anne-Cathérine Heinzmann (Querflöte), Thomas Hoppe (Klavier). audite

Die Leidenschaft des Mozart-Zeitgenossen Ernst von Gemmingen galt der Geige. In der Ersteinspielung seiner Violinkonzerte Nr. 3 und 4, die prallen Opernausdruck haben, nimmt Kolja Lessing locker, präzise und mit prononcierten Gesten die Hürden im Solopart – bis hin zu paganinesken Kapriolen! Lessing bringt all dies verwegen und mit dem gehörigen Übermut. Das Münchner Rundfunkorchester unter Ulf Schirmer spielt mit Schwung in schöner Abstufung und transparent im Klang. Fraglos eine ebenso lohnende wie spannende Entdeckung an der Schwelle zwischen Mozart und Frühromantik. (EW)

Duo-Werke von Komponisten, deren künstlerisches Schaffen durch die barbarische Rassenideologie der Nationalsozialisten ausgebremst wurde, haben die Flötistin Anne-Cathérine Heinzmann und der Pianist Thomas Hoppe aufgenommen. Beide ergänzen sich dabei wunderbar, ziehen an einem Strang. Ihr wandlungsfähiges Spiel ist konzentriert und doch entspannt, die vielfältigen Charaktere und Idiome werden mit feinem Stilempfinden herausgearbeitet: Elegantes, Jazziges, Klassizistisches, Experimentelles, Anleihen an Modetänze, Idyllen, moderne Lyrismen. Was für eine Repertoirebereicherung! (EW)

Verlängerung

Heimvorteil

Dinorah Varsi – Legacy Werke von Bach, Beethoven, Brahms, Chopin, Mozart, Schumann u. a. Dinorah Varsi (Klavier) Genuin (35 CDs & 5 DVDs)

Reger: Orgelwerke – Introduktion, Passacaglia & Fuge op. 127, Fantasie „Ein’ feste Burg ist unser Gott“ u. a. Christoph Schoener (Orgel St. Michaelis Hamburg). MDG

Dinorah Varsi verfügt über die interpretatorische Autorität, erzählerische Dichte und poetische Imaginationskraft der alten Schule. Für die Kantabilität und das Temperament ihres Klavierspiels nennt sie Maria Callas als Vorbild, deren „Maximum des Ausdrucks“ sie anstrebe. Die vorzüglich editierte Box mit 13 Live-Mitschnitten, 21 Studio-Einspielungen sowie Filmund Interviewdokumentationen vermittelt ein umfassendes Bild der vor zwei Jahren verstorbenen Ausnahmekünstlerin aus Uruguay: von den frühen Jahren als wilde Romantikerin bis zur Vollendung als ruhige, zentrierte Persönlichkeit. (PK)

2016 ist Reger-Jahr. Aus diesem Anlass hat Christoph Schoener an den restaurierten Orgeln im Hamburger Michel ein repräsentatives Programm aus Regers Orgelschaffen aufgenommen. Das Spektrum reicht von der praller Fantasie bis hin zu kleinen Chorälchen – und für all das weiß Schoener als musikalischer Hausherr in St. Michaelis seinen Heimvorteil wohl zu nutzen. Er kennt jeden Kniff, jede Möglichkeit eines organischen Miteinanders, jede Chance zu Kontrasten. Subtil lässt er Aus tiefer Not aus dem Fernwerk flüstern, brummend sinfonisch preist er Großer Gott, wir loben dich. (CV)

34 concerti Januar 2016

Kurz Besprochen Abel: Concerti, Quartetti & Arie Dorothee Mields (So­ pran), Hamburger Ratsmusik, Simone Eckert (Gambe). cpo Reichlich Raum für Streich-Experimente bieten die Werke Abels. Schade nur, dass sich das Ensemble nicht hat mehr anstecken lassen von Mields’ Eleganz und Leichtigkeit. (KH) Transkriptionen – Werke von Debussy, Fauré, Liszt & Ravel Peter Kofler (Orgel St. Michael München). querstand Vertraute Werke in neuem Klangfarbengewand: Peter Kofler nutzt die schier unendlichen Möglichkeiten der Orgel – von beißenden Harmonien bis wabernden Begleitungen. (CV) Gounod: La Colombe Erin Morley, Javier Camarena, Michele Losier, Laurent Naouri, Halle Orchestra, Mark Elder (Leitung). OperaRara Wohl zeigt Elder Sinn für Farben, sind die Sänger exquisit – doch Gounods Werk rettet das nicht. Zu klein die äußeren Reize, ohne Geheimnis der Clou, sinnfrei der Esprit. (AF) Sommer: Klavierquartett, Klaviertrio, Gavotte, Romance & Vanished Joy Trio Images, Hartmut Rohde (Viola). CAvi Berückend schön artikuliert stoßen die Musiker hier auf Momente irritierender Eigenständigkeit. Denn Sommer begehrt immer wieder gegen das Prinzip „Romantik“ auf. (AF) Online-Tipp

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Top 20 Klassik-Charts Januar (6.11.– 3.12.2015)

1

Jonas Kaufmann

2

Campino, Bundesjugendorchester & Alexander Shelley

3

Ludovico Einaudi

4

Igor Levit

(1)

(Neu)

(2)

(3)

Nessun dorma - The Puccini Album Sony Classical

Bach, Beethoven, Rzewski Sony Classical Aufstieg nach ganz oben: Beherzt wagt sich Igor Levit an die Goldberg-Variationen, reflektiert intelligent das Werk. Und liefert gleich noch zwei weitere heikle Klavierzyklen mit.

5

Lang Lang

6

Jonas Kaufmann

7

Julia Lezhneva, Giovanni Antonini, Il Giardino Armonico

8

Anne-Sophie Mutter

9

Albrecht Mayer

(4)

(5)

(Neu)

(13)

(7)

Lang Lang in Paris Sony Classical

Du bist die Welt für mich Sony Classical

Julia Lezhneva - Handel Decca Records

The Club Album (Live From Yellow Lounge) Deutsche Grammophon

10 (10)

Überschaubar der Anteil, den Helmut Schmidt zu Mozarts Konzert für drei Klaviere beisteuerte. Doch vielleicht hat der Altkanzler das charmante Werk damit vor dem Vergessen bewahrt.

12

Martin Stadtfeld

13

Rolando Villazón, Cecilia Bartoli

14

Plácido Domingo

15

David Garrett

16

Anja Harteros, Jonas Kaufmann, Antonio Pappano

17

Jay Alexander

18

Sol Gabetta, Amsterdam Sinfonietta

Christina Pluhar

Cavalli: L’amore innamorato L’arpeggiata Erato

Mozart: Klavierkonzerte Nr. 1 & 9, Pieces from London Sketchbook Sony Classics

(Neu)

Treasures of Bel Canto Deutsche Grammophon

(15)

My Christmas Sony Classical

(Neu)

Timeless. Brahms & Bruch Violinkonzerte Decca Records

(9)

Verdi: Aida Warner Classics

(6)

Geh aus, mein Herz AP Music

(14)

Vasks: Presence Sony Classical

(Neu)

Sehnsucht, Zagen, Melancholie: Sol Gabetta trifft den Ton des ihr gewidmeten Cellokonzertes von Vasks. Und eröffnet uns mit zwei weiteren seiner Werke dessen Klangwelten.

Bach - Konzerte und Transkriptionen Deutsche Grammophon Geschmackssache sind Bach-Transkriptionen immer. Doch Albrecht Mayer „singt“ mit seiner Oboe einfach wunderschön, sein elegantes Spiel beschert wahrhaft andächtige Momente.

Helmut Schmidt spielt Mozart Warner Classics

(Neu)

Peter und der Wolf in Hollywood Deutsche Grammophon Elements We Love Music

Helmut Schmidt, Christoph Eschenbach

11

19

Martha Argerich

20

Leonard Bernstein & New York Philharmonic Orchestra

(Neu)

(Neu)

Ermittelt von GfK Entertainment GmbH im Auftrag des Bundesverbandes Musikindustrie e.V.

The Complete Recordings On Deutsche Grammophon Deutsche Grammophon

The Complete Mahler Symphonies Sony Classical

Januar 2016 concerti   35


Blind gehört

zur person

1967 in eine Musikerfamilie geboren – sein Vater war der legendäre Berliner Konzerthauschef Kurt Sanderling – begann Michael Sanderling seine Karriere als Solocellist im Leipziger Gewandhausorchester. 2010 legte er sein Instrument dann ganz zur Seite, nachdem ihn die Dresdner Philharmoniker zu ihrem Chef gewählt hatten.

»Ich stehe gerade total auf dem Schlauch ...«

V

iel Zeit hat Michael San- Söhne Peter und Paul warten derling nicht fürs schon sehnlich auf den Papa. „Blind gehört“-Interview. Schließlich kommt es Prokofjew: Krieg und selten genug vor, dass ihn Frieden, Ouvertüre Orchestre National de seine Familie aus Frankfurt in France, Mstislaw seinem GeneralmusikdirektoRostropowitsch (Leirenzimmer auf dem Dresdner tung). Erato 1988 Brauhausberg hoch droben über der Elbe besucht. Und die Das habe ich doch dirigiert! 36  concerti Januar 2016

Warten Sie, ich stehe gerade total auf dem Schlauch … Noch mal bitte … das ist doch eine Opernouvertüre! Natürlich, wie konnte ich das vergessen… peinlich. Prokofjew! Meine erste Oper, produziert in Köln. Und eine der wenigen, die ich überhaupt gemacht habe. Das ist Krieg und

Foto: Nikolaj Lund

Der Chefdirigent der Dresdner Philharmonie und Cellist Michael Sanderling hört und kommentiert CDs seiner Kollegen, ohne dass er erfährt, wer spielt Von Christian Schmidt


SHOOTER PROMOTIONS GMBH PRÄSENTIERT

Frieden, aber so ganz anders, als ich sie sehe: Keine russische Aufnahme, ein westeuropäisches Orchester muss das sein... Wundert mich, dass Rostropowitsch hier so auf der eleganten Seite steht, wo das Stück ja nun gar nichts Elegantes hat. Übrigens heißt es eigentlich „Frieden und Krieg“, weil es für zwei aufeinander folgende Abende konzipiert ist … Es würde mich interessieren, ob das so weitergeht: Das klingt für mich zu weihevoll, zu undramatisch. Leider mache ich zu selten Oper, weil das zu viel Zeit kostet. Bedenken Sie nur, was man in den sechs bis acht Wochen alles für sinfonisches Repertoire studieren kann!

KÜNSTLERISCHE LEITUNG:

WJATSCHESLAW GORDEJEW

J. Strauß: Die Fledermaus „Im Feuerstrom der Reben“ Wiener Symphoniker Willi Boskovsky (Leitung) EMI Classics 1972/97

Ah, drehen Sie mal auf, Operette mag ich gern lauter. Leider habe ich das viel zu wenig gemacht und kann nicht sagen, wer da spielt. Ich vermute eine neuzeitliche Aufnahme, weil es sehr durchsichtig gespielt ist. Mich fasziniert die Ausgelassenheit und die dirigentische Aufgabe, die bei der Operette handwerklich viel größer ist als bei der Sinfonik: Die Musik lebt vor allem von ihrem inneren Rhythmus. Wäre ich Lehrer, müssten meine Studenten Operette üben. Eines Tages, wenn ich Zeit dafür habe, wird dieses Repertoire eine Rolle in meinem Leben spielen.

Mahler: Sinfonie Nr. 4 Wiener Philharmoniker Frederica von Stade (Mezzosopran) Claudio Abbado (Leitung) Deutsche Grammophon 1978/84

Mahlers Vierte, die habe ich jüngst in Toronto dirigiert. Ich tippe auf eine ältere Aufnahme. Das steht alles schön im Saft, vielleicht kann man im Paradies sogar noch entrückter sein. Anhand des Vibratos würde ich sagen, dass die Sopranistin keine Deutsche ist, richtig? Ich halte sie für eine Amerikanerin. Die Bernsteinaufnahme ist es nicht... Claudio Abbado? Hat er später ganz anders gemacht.

27.+28.12.15 29.12.15 01. - 03.01.16 05.01.16 06.01.16 07.01.16 08.+ 09.01.16 11.01.16 12.01.16 13.01.16 16.01.16 17.01.16 18.01.16 19.01.16 22.01.16 23.01.16 24.01.16 25.01.16 28.01.16 30.01.16 31.01.16

ESSEN RECKLINGHAUSEN BERLIN LUDWIGSBURG STUTTGART FREIBURG BASEL FRIEDRICHSHAFEN SINGEN THUN ZÜRICH MÜNCHEN LEIPZIG COTTBUS CHEMNITZ NIEDERNHAUSEN FRANKFURT NÜRNBERG ROSTOCK DUISBURG HAMBURG

Philharmonie Ruhrfestspielhaus Admiralspalast Forum am Schlosspark Liederhalle Konzerthaus Musical Theater Graf Zeppelin Haus Stadthalle KKThun Schadausaal Kongresshaus Philharmonie im Gasteig Gewandhaus Stadthalle Stadthalle Rhein-Main-Theater Jahrhunderthalle Meistersingerhalle Stadthalle Theater am Marientor CCH 1

DER NUSSKNACKER 26.12.15 10.01.16 20.01.16 27.01.16

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Bethovenhalle Stadthalle Stadthalle Halle Münsterland

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Blind gehört

Grieg: Cellokonzert, 2. Satz (Arr. J. Horowitz) Raphael Wallfisch (Cello), London PO, Vernon Handley (Ltg.) black box 2011

Da haben Sie ein Stück gefunden, das ich tatsächlich nie gespielt habe. Muss eine Transkription sein, oder? Die siedle ich bei Grieg an ... Ich kenne die Sonate nur für Kontrabass, denn zu meiner Zeit war sie nicht sehr populär. Eigentlich müsste ich sie aber kennen, denn ich habe sie zwei Mal unterrichtet. Der Cellist hier stammt wohl aus einer älteren Schule: Er leistet sich Töne, die man heute wahrscheinlich nicht mehr so stehen ließe … Wallfisch? Das erstaunt mich allerdings: Von ihm habe ich ganz tolle Sachen gehört. Was Sie alles ausgraben! Léhar: Tatjana Ouvertüre Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, Michail Jurowski (Leitung). cpo 2002

Kenne ich nicht, sage ich gleich. Meine Idee zum Anfang wäre: russisch. Oh, jetzt gerade gar nicht mehr ... Eine deutsche Oper, die in Russland spielt? Ich wusste nicht mal von deren Existenz. Jurowski? Der hat vieles ausgegraben, was ja auch die Aufgabe der Rundfunkorchester ist, die leider nicht mehr alle ernst nehmen. Bei dieser Aufnahme war ich damals nicht dabei, aber ich hatte eine sehr wichtige und auch sehr schöne Zeit beim Rundfunk-Sinfonieorchester. Wir haben viel abseits des Mainstreams 38 concerti Januar 2016

gespielt. Alle Chefdirigenten haben mich sehr beeindruckt, angefangen bei Heinz Rögner, dessen emotionales Musikantentum mir sehr gefallen hat. Dann kam Frühbeck de Burgos, der über ein unfassbar gutes Gedächtnis und Gehör verfügte. Marek Janowski kenne ich als besten Orchestererzieher, den ich erlebt habe. Diese Erfahrungen haben mich damals fast mehr geprägt als Dirigent – der ich damals ja noch nicht war – denn als Cellist. Solchen Ausgrabungen stehe ich übrigens generell sehr offen gegenüber, zumal wir bei unseren vielen Konzerten doch viel mehr Möglichkeiten als freie Ensembles haben, etwas Unbekanntes unterzubringen. C.P.E. Bach: Oboenkonzert Wq 22, 1. Satz Ramón Ortega Quero, KA Potsdam, Peter Rainer (Konzertmeister). Genuin 2012

Historisch informierte Aufnahme! Dieser Bach stammt aus Deutschland, nicht aus Italien. Ich hätte fast auf Neues Bachisches Collegium Musicum getippt, aber ich liege wahrscheinlich falsch. Potsdam? Dann ist das wahrscheinlich eine Aufnahme ohne Dirigent, mit Peter Rainer als Konzertmeister. Ganz richtig, schön phrasiert, freundlich, gesittet. Der neue Chef Antonello Manacorda hätte das verzierter, im guten Sinne des Wortes verrückter gemacht. Ich glaube, dass wir den Extremensembles für die historische Aufführungspraxis eine sehr sachdienliche Arbeit verdanken: Zunächst davon aufgeschreckt, haben

wir Augen und Ohren geöffnet. Was dazu führte, dass auch die traditionellen Ensembles viele Werke neu und anders interpretiert haben als früher – auch ohne Originalinstrumente. Mozart: Sinfonie Nr. 38 „Prager“, 2. Satz Chamber Orchestra of Europe, Nikolaus Harnoncourt (Leitung). Teldec 1992/94

Diese Herangehensweise an die Klassik mag ich sehr. Sie ist wahnsinnig lebendig, ein bisschen überphrasiert, Pauken scharf und so weiter – das müssen genau die Pioniere der Bewegung sein, die ich eben beschrieben habe und die uns bei dieser Musik erst auf den richtigen Topf gesetzt haben. Harnoncourt wahrscheinlich... ja, klar. Sehr schön!

Fauré: Pelléas und Mélisande Dresdner Philharmonie, Michael Sanderling (Leitung). Genuin 2012

Unsere Aufnahme erkenne ich schon an der Phrasierung. Gerade Pelléas und Mélisande von Fauré hat ein wunderschönes Kolorit. Überhaupt haben die Franzosen ja besonders in der Farbigkeit der Mittelstimmen die wunderbare Fähigkeit, uns eine Gefühlswelt nahezubringen, die wir so aus der deutschen Romantik überhaupt nicht kennen. Mich begeistert dieses zart Verschwimmende in den Innenstimmen. Ein Kollege hat das mal sehr schön gesagt: In diese Musik muss man sich hineintasten.


Konzert-TIPPs

Berlin Fr. 1.1., 16:00 Uhr Konzerthaus Gábor Boldoczki (Trompete), Konzerthausorchester Berlin, Michael Sanderling (Leitung). Werke von Goldsmith, Holst, Mozart, Debussy, Dvořák u. a. Wiesloch Mo. 11.1., 20:00 Uhr Palatin Hotel Herbert Schuch (Klavier), Bundesjugendorchester, Michael Sanderling (Leitung). Hechtle: Fresco. Eine Zuflucht (UA), Mozart: Fantasie c-Moll KV 475, Ullmann: Klavierkonzert op. 25 & Beethoven: Sinfonie Nr. 3 „Eroica“ Hamburg So. 31.1., 11:00 Uhr & Mo. 1.2., 20:00 Uhr Laeiszhalle Baiba Skride (Violine), Philharmonisches Staatsorchester Hamburg, Michael Sanderling (Leitung). Schostakowitsch: Violinkonzert Nr. 1 & Tschaikowsky: Sinfonie Nr. 6 Dresden Sa. 13.2., 16:00 Uhr Kreuzkirche Sophia Jaffé (Violine), Holger Gehring (Orgel), Philharmonischer Chor, Dresdner Philharmonie, Michael Sanderling (Leitung). Barber: Agnus Dei, Britten: Violinkonzert op. 15, Howells: Rhapsodie Nr. 3 & Vasks: Dona nobis pacem

Nobuyuki Tsujii (Klavier) Dresdner Philharmonie Michael Sanderling (Leitung) Rachmaninow: Klavierkonzert Nr. 3 d-Moll, Dvořák: Sinfonie Nr. 9 e-Moll „Aus der neuen Welt“ u. a. Berlin Mi. 2.3., 20:00 Uhr Philharmonie Köln Do 3.3., 20:00 Uhr Philharmonie DRESDEN Fr. 4. & Sa. 5.3., 19:30 Uhr Albertinum (Lichthof) München So. 6.3., 20:00 Uhr Philharmonie Potsdam Sa. 12.3., 16:00 & 19:30 Uhr Nikolaisaal Felix Klieser (Horn), Kammerakademie Potsdam, Michael Sanderling (Leitung). Werke von Strauss, Mendelssohn u. a. Saarbrücken So. 20.3., 11:00 Uhr Congresshalle Augustin Hadelich (Violine), Deutsche Radio Philharmonie, Michael Sanderling (Leitung). Sibelius: Violinkonzert d-Moll op. 47, Schostakowitsch: Sinfonie Nr. 4

LIVE. LIKE NO ONE ELSE.

Frankfurt Di. 12.4., 20:00 Uhr Alte Oper Fazil Say (Klavier), Dresdner Philharmonie, Michael Sanderling (Leitung). Beethoven: Egmont-Ouvertüre op. 84 & Klavierkonzert Nr. 3 c-Moll op. 37, Say: Sinfonie Nr. 2 „Mesopotamia“ (DEA) Köln Mi. 22.6., 20:00 Uhr Philharmonie Dresdner Philharmonie, Michael Sanderling (Leitung). Beethoven: Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 55 „Eroica“, Mahler: Sinfonie Nr. 1 D-Dur online-Tipp

Michael Sanderling stellt die CD mit german hornsound vor Video & weitere Termine auf: concerti.de/ michaelsanderling CD-Tipp

Schostakowitsch & Beethoven: Sinfonien Nr. 6 Dresdner Philharmonie, Michael Sanderling (Leitung). Sony

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Januar 2016 concerti   39


multimedia Das Beste aus Radio, Fernsehen, Kino und Internet

3sat

Lang lang in London

Kino: live-übertragung

Tanz für die Königinmutter

Fr. 1.1., 9:05 Uhr Aufzeichnung Seine Auftritte gehören aktuell zu den gefragtesten in der Klassikwelt: Wenn Lang Lang pianiert, steht das Publikum Kopf. So auch bei seinem Recital in der Londoner Royal Albert Hall. arte

meister des barock So. 10.1., 22:45 Uhr Dokumentarfilm Jean-Philippe Rameau zählt zu den großen Meistern des 18. Jahrhunderts. Olivier Simonnet hat Leben und Schaffen des Komponisten am Hof in Versailles für sein Porträt rekonstruiert. 3sat

hamburgs teuerste baustelle

Figuren ganz im Geiste Ashtons: das Royal Opera Ballet

G

leich zwei Ballette schickt das Royal Opera Ballet für seine erste Liveübertragung im Jahr 2016 auf die Kino-Leinwände. Für deren Tanz-Ideen hat einer der berühmtesten Choreographen des 20. Jahrhunderts Hand und Fuß angelegt: Sir Frederick Ashton, Begründer des ‚englischen

Stils‘ nach Ninette de Valois. Während seine Rhapsody auf Rachmaninows Paganini-Variationen zu den bekanntesten Werken des Engländers gehört – er entwarf die Choreographie 1980 zum 80. Geburtstag der ‚Queen Mum‘ –, findet sich im zweiten Teil des Abends mit The two Pigeons eine kleine Rarität auf dem Programm, die höchst selten aufgeführt wird: Im 19. Jahrhundert von André Messager aus der Fabel La Fontaines als Ballett adaptiert, hat Ashton das Werk neu choreographiert und ein unterhaltsames Lustspiel geschaffen. Di. 26.1., 20:15 Uhr live im Kino Mehr Informationen unter: www.uci-kinowelt.de

virtual reality So. 17.1., 12:30 Uhr Film 2017 soll sie nun wirklich eröffnet werden: Hamburgs Elbphilharmonie. Sven Rieken und Kristina Hansen erzählen die Geschichte überforderter Behörden, unfähiger Politiker und allzu schöner Prognosen. arte

Wiener klassik So. 17.1., 17:40 Uhr Epochen der Musikgeschichte In der Dokumentarfilmreihe geht es diesmal um die Zeit der Revolution und Aufklärung. Gabriela Montero erzählt von Mozart und Haydn.

40 concerti Januar 2016

Star Wars goes Konzerthaus

D

as Ding sieht aus wie eine Skibrille – doch dahinter könnte sich das Konzerterlebnis von morgen verbergen. Ermöglicht doch die von der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft entwickelte Virtual-Reality-Brille einen 360-Grad-Eindruck wenige Meter über dem Orchester. Ein virtuelles Konzerterlebnis, mit

dem vor allem das Klassik-Interesse der jungen Generation geweckt werden soll. Bis dahin könnte es allerdings noch etwas dauern: Derzeit gibt es das „visionäre“ Projekt nämlich allein im Konzerthaus Berlin -– und auch dort (nicht zuletzt ob der Kosten) lediglich als Testmodell im Foyer. Möge die Macht mit der Klassik sein ...

Fotos: Thies Raetzke, Johan Persson, Kaupo Kikkas, Felix Broede, Berliner Philharmoniker

TV-Tipps


Online-Interview: in der welt von ...

... David Orlowsky

K

ünstler nichit nur live im Konzert hören, sondern Musiker auf ihren Reisen begleiten und sie hautnah bei Proben, spannenden Projekten und außergewöhnlichen Ereignissen erleben: Solch unverstellten Blick in die Künstlerwelt eröffnet das Online-LeserInterview von concerti. Mitte Januar begeben wir uns eine Woche lang in die Welt des Klarinettisten David Orlowsky. Ein Künstler, der nicht nur musikalisch keine Grenzen kennt, wie der 34-Jährige mit seinem Klezmer-Trio immer wieder beweist – und so beginnt denn seine (Facebook-Tagebuch-) Tour auch mit Auftritten in New York. Schreibpausen sind

Radio-Tipps deutschlandradio kultur

Rolando villazón Sa. 2.1., 10:05 Uhr Klassik-Popet-cetera Seine Tenorkarriere schien unaufhaltsam – bis ihn eine Kehlkopfoperation stoppte. In der Sendung erzählt Rolando Villazón von Höhen und Tiefen seines Sängerlebens, aber auch von seinen neuen Leben als Regisseur, Moderator und Clown.

Unterwegs in vielen Genres: Klarinettist David Orlowsky

lediglich für den Rückflug nach Europa eingeplant – bevor der Bläser dann am 23. und 24. Januar mit Mozarts Konzertklassiker in Hildesheim zu hören ist. Und spätestens dort auch wieder alle User-Fragen beantworten wird. 16. – 24.1. Zu finden ist das Interview unter: www.facebook.com/ concertimagazin

deutschlandfunk

»Mit mir nicht!« So. 3.1., 20:03 Uhr Historische Aufnahmen Leo Blech ging es stets um den Geist der Musik. War etwas nicht im Werk-Sinne, konnte der GMD der Staatsoper Berlin hartnäckig sein. Doch das Ergebnis lohnte die Mühsal, wie seine Aufnahmen dokumentieren. deutschlandradio kultur

einzigartig beseelt

Kino: live-übertragung

Mutter zum Jahresausklang

A

m ersten Januar gilt die mediale Aufmerksamkeit der Klassikfans traditionell dem Neujahrskonzert aus Wien – tags zuvor indes ist da durchaus noch ein Plätzchen frei, um über den Konzertsaal hinaus aufzuspielen. Und so schicken die Berliner Philharmoniker ihr Silvesterkonert nun erstmals aus der heimischen Philharmonie auf zahlreiche Leinwände. Zwar nicht in alle Welt, sondern nur deutschlandweit, doch auch die Kollegen in Wien haben ja mal klein angefangen ... Französisches steht an diesem Nachmittag auf dem Programm, beschwingt geht es mit Chefdirigent Sir Simon Rattle

sowie Saint-Saens und Ravel in die letzte Nacht des Jahres. Und natürlich mit Solistenglanz: Anne-Sophie Mutter geigt für diese Gala auf. Soll ja schließlich kein einmaliges Medien-Ereignis bleiben.

Mi. 6.1., 20:03 Uhr Konzert Vergangenen Sommer starb Friedemann Weigle – seit 2007 hatte der Bratscher den ganz eigenen Ton des Artemis Quartetts mitgeprägt. Musikerfreunde und Tonaufnahmen erinnern an den leidenschaftlichen Streicher. deutschlandfunk

vergessene opern Mo. 11.1., 20:10 Uhr Musikszene Im Palazetto Bru Zane in Venedig kümmern sich Wissenschaftler und Manager um die Wiederentdeckung französischer Opern zwischen 1780 und 1920. deutschlandradio kultur

historische flügel Letzte Vorbereitungen für Rattles große Silvester-Gala im Kino Do. 31.12., 17:00 Uhr live im Kino Eine Übersicht der Kinos unter: www.berlinerphilharmoniker.de/kino

So. 17.1., 22:00 Uhr Musikfeuilleton Einst gabe es Hunderte von Klavierbauern und -firmen. Bettina Brand hat die damalige Klangvielfalt bei einem Besuch im Pianosalon Christophori erkundet.

Januar 2016 concerti   41


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