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Ganz spontan

Christine Cazon

Christine Cazon, alias Christiane Dreher, ist Krimiautorin und Wahlfranzösin. Zusammen mit ihrer Romanfigur Kommissar Duval erlebt sie Cannes sowohl vor als auch hinter den Kulissen der südfranzösischen Glitzerwelt.

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Ganz spontan

„Das neue Jahr fängt ja gut an!“, schnaube ich und knalle den Hörer auf. „Mir reicht es jetzt schon!“ „Was ist denn mit dir los?“ Wundert sich Monsieur. „Na, so geht das doch nicht! Seit Tagen haben wir kein warmes Wasser im Bad und dieser Installateur kommt einfach nicht! ‚Am Donnerstag kommt er‘, hieß es. Das war gestern, da ist er aber nicht gekommen, und glaub mal nicht hat, dass er abgesagt hätte. Als ich nachmittags anrief, um zu hören, wo er bleibt, sagte man mir, er käme heute. Oder am Montag. Ja, wann denn nun?“ ereifere ich mich. „Als hätte ich nichts anderes zu tun, als zu Hause zu sitzen und auf den Installateur zu warten! Jetzt ist es Freitagnachmittag und wer ist wieder nicht gekommen?“ Ich blitze Monsieur wütend an. „Und natürlich erreiche ich jetzt nur noch den Anrufbeantworter!“ „Dann kommt er am Montag, das sagte er doch“, wendet Monsieur versöhnlich ein. „Ja, am MONTAG! Noch ein Wochenende ohne warmes Wasser, dann sind es gleich zwei Wochen! Ich verstehe jetzt, warum Belmondo den Elektriker und den Installateur umgebracht hat!“ „Wie bitte?“ Fragt Monsieur irritiert. „In Ich bin der Größte (Le magnifique) spielt Belmondo einen verkrachten Krimischriftsteller, François Merlin, der wochenlang auf den Elektriker und den Installateur wartet“, erkläre ich Monsieur. „Als der Elektriker endlich kommt, besieht er sich den Schaden im Bad und schüttelt den Kopf: Er könne nichts machen, nicht bevor der Installateur da war! Achselzuckend verschwindet er wieder. Dann kommt der Installateur und rauscht ebenfalls unverrichteter Dinge ab, weil er nicht arbeiten kann, solange der Elektriker nichts repariert hat! Belmondo, alias François Merlin, baut daraufhin in seinem Kriminalroman einen dramatischen Schusswechsel ein, in dem der Held, der Geheimagent Bob Saint-Clair, ebenfalls gespielt von Belmondo, den Elektriker und den Installateur mit einem Maschinengewehr niedermäht.“ „Aha“, sagt Monsieur, „kann mich nicht erinnern.“ „Natürlich nicht!“ Ich bin gerade schön warmgelaufen und schimpfe weiter. „Weil du genauso bist! Alle seid ihr so! Mit Euch Franzosen kann man nichts planen!“ „Was willst du denn so Wichtiges planen?“ Fragt Monsieur nun seinerseits etwas angefressen. „Seit Monaten sind wir zu diesem runden Geburtstag in Deutschland eingeladen und jetzt muss ich definitiv zu- oder absagen und du sagst nur ‚Sehen wir mal‘. So kommen wir doch nicht weiter“, ereifere ich mich. „Na, aber, was ist das denn auch für eine Art, sechs Monate vorher eine Antwort

wissen zu wollen“, ereifert sich seinerseits Monsieur. „Was weiß denn ich, was in sechs Monaten ist? Ich weiß nicht mal, ob ich da noch lebe!“ „Drei Monate“, widerspreche ich. „Es sind nur drei Monate!“ „Drei, sechs, vollkommen egal. Ihr seid so unspontan, ihr Deutschen!“ „Wir Deutschen sind organisiert, wir planen, Herrgottnochmal. „Man muss das Lokal buchen, das Restaurant muss rechtzeitig die Anzahl der Gäste wissen, das ist doch normal! Und wir hier müssen rechtzeitig einen Flug buchen, sonst sind alle Flüge weg oder viel zu teuer. Und ich kann doch nicht drei Tage vergeblich auf einen Handwerker warten, der nicht mal absagt, ich habe doch auch etwas anderes zu tun!“ „Bring nicht alles durcheinander“, weist mich Monsieur zurecht. „Der Installateur kommt schon noch, und „Französischer zu dem Geburtstag fahren wir eben mit dem Auto, wenn die Flüge zu teuer sind.

Macho“, zische ich leise. „Heute Und kein Restaurant der Welt wird zwei spontane Gäste zusätzlich ablehnen.“ Ich schnappe nach Luft. „Spontan! Immer ist Abend gibt es kaltes alles spontan und improvisiert!“, zische Abendbrot und ich ich. „Können wir nicht wie erwachsene Menschen PLANEN!“ Zugegeben, ich rede gehe jetzt in die in Großbuchstaben. „Oh là là, Chérie, sei ein Stadt!“ bisschen locker!“ Monsieur verdreht die Augen. „Weißt du was“, räumt er dann ein. „Ich habe gar nichts gegen Planungen, ich wüsste zum Beispiel immer gerne morgens früh schon, was es mittags zu essen gibt. Oder was kochst du heute Abend, hast du da schon was geplant?“ „Französischer Macho“, zische ich leise. „Heute Abend gibt es kaltes Abendbrot und ich gehe jetzt in die Stadt!“ „Mach das“, brummt Monsieur und schaltet den Fernseher ein. Kaum bin ich stadtfein, klingelt es an der Tür. Ausgerechnet jetzt, wo ich weg wollte! Es ist der Installateur! Ich bin wütend und erleichtert gleichzeitig. Er repariert, was zu reparieren ist, und wir haben erneut warmes Wasser! Halleluja! Das Wochenende ist gerettet. Sonntagmorgen. „Hier, für dich!“ Monsieur hält mir einen fetten Strauß bunter Anemonen unter die Nase. „Lass uns Essen gehen“, sagt er. „Hab‘ ich was verpasst?“ Frage ich. Aber nein. Es gibt keinen Anlass. Die Blumen gibt’s, weil ihn die Anemonen auf dem Markt so angelacht haben und Essen am Strand ist eine gute Idee, weil überraschend so schönes Wetter ist. „Aber …“, wende ich ein und blicke auf das klein geschnippelte Gemüse und das Stück Fleisch, das ich schon ofenfertig vorbereitet habe. Ich seufze, aber dann schiebe ich alles kurzerhand in den Kühlschrank, das gibt es eben morgen. Wir essen köstlich am Strand, windgeschützt und in der Sonne; es ist wie Urlaub.

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