Italien Magazin 4 2021

Page 1

MAILAND

VOM DOM BIS SUPER HIP

UNTERWEGS IN ROM Mit Star-Schriftsteller Paolo Giordano NEAPEL Museum unter der Erde Peggy Guggenheim Exzentrische Rebellin in VENEDIG

4 197725 406500

Zeit für Stadtbummel

D: € 6,50 A: € 7,20 C H: CHF 1 1,50 LU: € 7,70 IT: € 8,10

04

CHIANTI CLASSICO Spazierfahrt zwischen SIENA und FLORENZ

75 Jahre VESPA So kam der flotte Flitzer zu seinem Ruhm Rezepte mit TRÜFFEL


NEU: DIE COOLERDAYS

MACH DICH BEREIT FÜR DAS KALTE WETTER Wenn der Herbst kommt, sind auch die kühleren Tage wieder da. Deshalb stellt MR MARVIS die Coolerdays vor: die perfekte Hose für Temperaturen von unter null bis zu fünfzehn Grad Celsius. Der bequeme, warme und dehnbare Stoff ist GOTS-zertifiziert und besteht aus 97% Bio-Baumwolle und 3% Elastan. Jetzt in 14

N

VE

BESTELLE JETZT DIE COOLERDAYS AUF MRMARVIS.DE

HLUSS

TA

EN

D

HE

RSC

AN

ER HOSE

SC

ND BU

UG

CH

ST

IS

KO

T

SS

R IN PO

REI

IGT

ST

FE

RT

ELA

GE

AL

Farben erhältlich.

LO S E R VER

S


MAILAND, ROM, VENEDIG!

Abo- und Kundenservice Mijntijdschrift.com, Daalakkersweg 2 – 72, 5641 JA EINDHOVEN, Niederlande, italien@mijntijdschrift.com Tel. +31 88 2266638 (Mo–Fr 10.00–16.00 Uhr) Probehefte und Nachbestellungen auf www.italienmagazin.com. Ein Abonnement kostet in Deutschland € 22,00 (inkl. Versand, europäisches Ausland zzgl. € 6,00). Das Abonnement gilt für vier Ausgaben und verlängert sich danach automatisch. Es ist nach der vierten Ausgaben jederzeit kündbar. Das Abonnement beginnt mit der Ausgabe, die als nächstes erscheint. Das Geschenkabonnement endet nach vier Ausgaben automatisch.

©MAARTEN ALBRECHT

IMPRESSUM

Umschlag Forum van Trajanus, Rome © Pietro Canali/SIME/ANP Foto Chefredakteur Paul van Eijndhoven Redaktion Anneke Wardenbach, Ralf Johnen Artdirection Suzy Benjamin Layout Sefanja Nods, Sander Buningh Mitarbeit Alessandro Avalli, Toenke Berkelbach, Marc Bresters, Serena Caruso, Pelle Couwenhoven, Paola van Dam, Marieke van Ditshuizen, Daniela Ditvoorst-Falsetta, Vivian de Gier, Jeroen Jansen, Ronald Kuipers, Stephanie Mantilla, Joris van der Meer, Pablo Pichel, Lola Ribbink, Matteo Rossi, Jesper Storgaard Jensen, Martin Zöller Herausgeber Daniëlle Wiersema Redaktion Tel. +31 20 5302598, redaktion@italienmagazin.com Anzeigenverkauf Chiara Dragone, Tel. +31 20 5302570, advertising@creditsmedia.nl Marketing Daniëlle Wiersema, Tel. +31 20 5302571, marketing@italienmagazin.com Vertrieb IPS Distribution GmbH, Meckenheim Italien Magazin Van Slingelandtstraat 63, 1051 CG Amsterdam, Niederlande, Tel. +31 20 5302570, www.italienmagazin.com, www.facebook.com/ItalienMagazin Italien Magazin Digital auf Readly.de Empfohlener Ladenpreis € 6,50 © Italien Magazin ist eine Ausgabe von Italië Magazine B.V., Teil der Verlagsgruppe Credits Media. Ohne die schriftliche Genehmigung des Herausgebers darf nichts aus dieser Ausgabe übernommen und/oder auf welche Weise auch immer reproduziert werden. Die Redaktion hat ihr Möglichstes getan, um Quellen und Rechteinhaber von verwendetem Bildmaterial zu erwähnen. Wenn dennoch Abbildungen ohne Angabe der Rechteinhaber gezeigt werden, können diese sich an die Redaktion wenden.

Als ich das Aufmacherbild für die Mailand-Geschichte gesehen habe, bin ich sofort neidisch geworden: Warum habe ich das nie gemacht? Natürlich habe ich den Mailänder Dom besucht, doch ich bin nie aufs Dach gestiegen. Also habe ich das meiner Wunschliste hinzugefügt. Überhaupt habe ich nach dem Lesen des Artikels über die neuen Hotspots von Mailand spontan Lust bekommen, mir alles selbst anzusehen und vor Ort zu erleben: Im Restaurant ein klassisches Risotto Milanese bestellen oder im Viertel Porta Nuova die Wohntürme des Bosco Verticale von Architekt Stefano Boeri bewundern. So gesehen kann es nicht mehr lange dauern, ehe ich selbst vom Dach des Domes auf Mailand herunterblicke. Der erfolgreiche Schriftsteller Paolo Giordano (Die Einsamkeit der Primzahlen, Den Himmel stürmen, Der menschliche Körper) ist hingegen vor einigen Jahren nach Rom gezogen, nachdem er 35 Jahre lang in Turin gewohnt hatte. Wir sind mit ihm durch sein neues Lebensumfeld gezogen. Weiterhin finden Sie in dieser Ausgabe ein Porträt der Amerikanerin Peggy Guggenheim, die in Venedig ein prächtiges Museum hinterlassen hat. Die steinreiche, exzentrische Dame hat jahrzehntelang in der Stadt gelebt, um eine weltberühmte Sammlung moderner Kunst im schon für sich sehenswerten Palazzo Venier dei Leoni am Canale Grande aufzubauen. Die männermordende Peggy war eine Erscheinung in La Serenissima – und das nicht nur wegen ihrer Hunde, von denen sie sich nicht trennen konnte, und ihrer auffälligen Brillen. Nicht zuletzt unternehmen wir in dieser Ausgabe eine Spazierfahrt durch den Chianti Classico, besuchen wir Schlösser im Oltrepò Pavese und feiern wir mit Vespa das 75-Jährige. Auch verwöhnen wir Sie mit Rezepten mit weißen Trüffeln, wofür es jetzt genau die richtige Zeit ist. Buon divertimento, Paul van Eijndhoven, Chefredakteur p.vaneijndhoven@italienmagazin.com

JUBILÄUM

TWENTY EXPERIENCE Twenty ist die Geschichte einer Familie, eines Territoriums, eines Weins. M I L A A N , N A V I G L I © M AT T E O R O S S I

Wir hatten den Wunsch, unsere Ursprünge mit unserer Gegenwart zu verbinden und so kreierten wir – anlässlich des 20-jährigen Bestehens unseres Unternehmens – ein Schmuckstück: Twenty. Twenty ist die Erinnerung, die wieder wach wird; die Philosophie und die Werte, die das Unternehmen geleitet haben; die Seele, die wir weitervererben möchten.

+39 045 6839 251 • info@scriani.it • www.scriani.it

ITALIEN MAGAZIN

3


60

27

7

74

INHALT 2021, 14. Jahrgang, Nummer 4

7

16

Reise

GRANTURISSIMO

Unterkünfte von fein bis angenehm schick, schöne Tipps und praktische Dinge für die Reise.

SPAZIERFAHRT IM CHIANTI

Unterwegs in der traumhaft schönen Weinregion zwischen Siena und Florenz.

30 MAGISCHE METROPOLE MAILAND

Eine feine Auslese neuer und altehrwürdiger Orte, um die Stadt kosmopolitisch zu genießen.

60 DIE SCHLÖSSER VON OLTREPÒ PAVESE

Wo Kultur und Schönheit von drei starken Regionen vorzüglich zusammenkommen.

4

ITALIEN MAGAZIN

52

Essen und Trinken

AROMAKÖNIG WEISSER TRÜFFEL

Delikate und doch einfache Rezepte mit dem kostbaren Edelpilz aus Alba.

86 ANFÄNGERFEHLER IM RESTAURANT

Fröhliche Food-Kolumne von Stephanie Mantilla.

88 MANGIARE

Kultur und Design

Italienische Ideen für die eigene Küche.

27

NUOVO

Aktuelle Modetrends aus La Bella Italia.


68

16 88 30 84 KULTURTIPPS

Veranstaltungen in Italien und Deutschland.

90 NEAPEL: MUSEUM UNTER DER ERDE

Berauschende Welten der modernen Kunst tief unter der Stadt.

43 KOLUMNE: ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT! Martin Zöller auf Zeitreise in Italien.

44 PEGGY GUGGENHEIM

96 LIBRI E MUSICA

Exzentrische Rebellin, notorische Femme fatale und Liebhaberin der modernen Kunst.

68 75 JAHRE STIL-IKONE VESPA

So kam der flotte Flitzer zu seinem Ruhm.

74

STAR-SCHRIFTSTELLER PAOLO GIORDANO

Ein ganz persönlicher Spaziergang durch „sein“ Rom.

Und außerdem…

Italienisches zum Lesen, Sehen und Hören.

3

3

VORWORT

Chefredakteur Paul van Eijndhoven hat Lust auf die neuen Hotspots in Mailand, Rom und Venedig.

IMPRESSUM

So erreichen Sie den Abonnenten-Service.

ITALIEN MAGAZIN

5


© M AT T E O B R I D A R O L L I

© M AT T E O B R I D A R O L L I

Traumhafter Rad- und Wanderweg in Limone sul Garda

www.visitlimonesulgarda.com - Tel. +39 0365 954720


GRANTURISSIMO

UNTer den Sternen

© S TA R S B O X : @ E L I S A C O L U S S O P H O T O G R A P H Y

Unter dem Sternenhimmel zu schlafen, ist nicht nur etwas für romantische Filme. Mit einer Übernachtung in einer StarsBOX können Sie funkelnde Nächte erleben. Dieses Minihaus aus Holz geht auf die italienischen Architekten Fabio Revetria und Lara Sappo vom Büro Officina82 zurück. Die temporären Behausungen der Schäfer in den Ligurischen Alpen hatten sie inspiriert. Türen und Dach können Sie aufklappen, um in den Genuss der Umgebung zu kommen. Die Buchstaben „Look UP“ an der Außenwand bringen den Wunsch der Designer zum Ausdruck, die Umgebung mit neuen Augen zu entdecken. Ab € 100 pro Zimmer und Nacht. Diverse Orte in Italien. starsbox.it

>

TEXT & ZUSAMENSTELLUNG LOLA RIBBINK

ITALIEN MAGAZIN

7


Natur, luxus & mehr

Ein Herz für den Regen

Mit Liebe schützt Sie dieser Schirm vor den Regentropfen, denn sogar in einem Land, wo die Sonne das Sagen hat, fallen schon mal ein paar Tropfen. Legami, Ombrello a Forma di Cuore, € 15,95. legami.com

Das Plätschern des Wassers und das Rascheln der Sträucher ist das einzige, was während eines Aufenthalts im Laghi Nabi bei Neapel zu hören ist. Die Naturoase ist durch Landgewinnung aus ehemaligen Sandgruben entstanden. Heute kommen hier Natur und Luxus zusammen. Die Unterkünfte fügen sich nahtlos in die Umgebung ein - egal, ob Sie sich für eine Suite, eine Lodge oder ein Zelt am See entscheiden. An Komfort mangelt es auch

in den Zelten nicht. So können Sie Zeltabenteuer erleben, ohne auf den Luxus eines Hotels zu verzichten. Dank des Zimmerservice können Sie am Wasser frühstücken, danach auf der eigenen Terrasse entspannen, im Restaurant dinieren und Abends die Augen im eigenen Kingsize-Bett schließen. Ab € 90 pro Zimmer und Nacht. Laghi Nabi, Via Occidentale, Castel Volturno, +39 0811 86 58 108. laghinabi.it

FlASCHENTASCHE Diese Wochenend-Reisetasche entstand aus einer Kooperation von Carpisa, dem Podcast Muschio Selvaggio des Rappers Fedez und des YouTubers Luis Sal. Die wasserabweisende Tasche besteht aus recycelten Flaschen. Carpisa, borsone - Muschio Selvaggio, € 59,95. carpisa.it

8

ITALIEN MAGAZIN


GRANTURISSIMO Geschichtsträchtiger Palazzo Als Hommage an die faszinierende Geschichte und Kultur der Stadt versteht sich das neueste Luxushotels Venedigs. Das Ca‘ di Dio befindet sich in einer Villa aus dem Jahr 1272 am Eingang zum Viertel Arsenale. Während seiner viele Jahrhunderte zurückreichenden Historie hat das Haus bereits Kreuzfahrer und Pilger beherbergt. Die aus Spanien stammende und in Mailand lebende Architektin Patricia Urquiola zeichnet dafür verantwortlich, den Bogen von der Vergangenheit in die Gegenwart zu schlagen. Dabei setzt sie vor allem auf italienisches Handwerk. Das Ca‘ di Dio verfügt über 57 Suiten und neun Luxus-Zimmer, die über drei Etagen verteilt sind. Kulinarisch setzt das Restaurant Vero Akzente mit typisch venezianischer Küche. Das Haus zählt zum illustren Kreis der „Small Luxury Hotels of the World“. Schon die Anreise ist ein Erlebnis: Sie erfolgt per Wassertaxi, das die Gäste bis zum Hoteleingang am „Riva Ca‘ die Dio“ bringt. Ab € 3 45 DZ/Nacht, Hotel Ca‘ di Dio, Riva Ca‘ di Dio, Venedig, Tel. +39 041 09 80 238. vretreats.com

ITALIEN MAGAZIN

>

9


Zimmer mit AUSSicht Weit über dem lebendigen Quartieri Spagnoli liegt ein ehemaliges Kloster mit atemberaubender Aussicht über den Golf von Neapel. Was einst die Gemächer von Mönchen waren, sind nun 45 Hotelzimmer. Die Spuren des Klosterlebens aber bleiben sichtbar. In der dritten Etage etwa befindet sich eine Kapelle. Als wäre

10

ITALIEN MAGAZIN

das noch nicht genug, lockt auf der siebten Etage eine spektakuläre 360-GradAussicht über die Stad Neapel, den Vesuv und die Insel Capri. Ab € 160 DZ/Nacht, Hotel San Francesco Al Monte, Corso Vittorio Emanuele 328, Neapel, +39 081 42 39 111. sanfrancescoalmonte.it

Eine Oase der Ruhe und Inspirationsquelle zugleich. So präsentiert sich das Hotel Icaro nach seiner Wiedereröffnung. Das Haus lädt dazu ein, auf andere Gedanken zu kommen. Einerseits lockt es mit der Aussicht auf die Dolomiten, andererseits überrascht es auch in überraschenden Ecken mit viel Gespür für Kunst. Schon seit drei Generationen führen Angelika Sattler und ihre Familie das Hotel. Sie kennen die Umgebung wie kaum jemand anders und dank ihrer Gastfreundschaft fühlt man sich schnell zuhause. Da das Icaro nur 22 Zimmer und Suiten hat, besitzt es eine persönliche Atmosphäre. Ab € 120 DZ/Nacht. Icaro Hotel, Piz 18/1, Seiser Alm, Tel. +39 047 17 29 900. hotelicaro.com

© I C A R O D O O R L U C I A N O P A S E L L I & M AT T E O S C A R P E L L I

GRANTURISSIMO

INSPIRIERT VON DEN BERGEN

Italienische Reise 2022

Goethes italienische Reise ist zeitlos. Das beweist einmal mehr der Fotograf Helmut Schlaiß, dem es gelingt das Italien der Gegenwart so einzufangen, dass man sich unweigerlich ins Zeitalter des unternehmenslustigen Nationaldichters versetzt fühlt. Es ist eine traumverlorene, schwärmerische Zeitreise in zwölf Monatsblättern geworden. Zwölf poetische Fotografien in Schwarzweiß, welche die Bonmots Goethes auf kongeniale Weise ergänzen. Das Format fällt mit 70x50 Zentimetern erfreulich groß aus. Italienische Reise, Wandkalender von Helmut Schlaiß und Johann Wolfgang von Goethe, € 29,90. Verlag Ars Vivendi

>


It’s great to be here. You’re in Versilia. You’re already on the stage. In the lands of Giacomo Puccini, as the protagonist you will experience relaxation and adventure. You will travel through spirituality, art and history, from the sea to the mountains; you will enjoy the culture with its fine wine and cuisine, its incredible events and concerts. Now, as the curtain opens onto new worlds waiting to be discovered, are you ready for the applause?



GRANTURISSIMO

Annas trulli Doch nicht nur das Design genießt viel Aufmerksamkeit, sondern auch die Zufriedenheit der Gäste. Anna hat immer eine gute Idee für Ausflüge in die Region, die den Aufenthalt wirklich unvergesslich machen. Ab € 75 DZ/Nacht, I Sette Coni, Contrada Difesa San Salvatore 172, Ostuni, +39 340 93 18 233. isetteconi.com

© W W W.V A L E R I O N A P O L E TA N O . C O M

Weingärten, Olivenbäume und eine prächtige Aussicht auf das Valle d’Itria. Mitten in Apulien betreibt Anna eine kleine Unterkunft mit drei Trulli, den typischen Behausungen, welche die Region prägen. So reizend sie von außen aussehen, so gemütlich sind die auch drinnen. Viele Originaldetails sind erhalten, andere Einrichtungsgegenstände sind recycelt.

>

ITALIEN MAGAZIN

13


Eine Albergo diffuso in einem mittelalterlichen Dorf auf mehr als 1.250 Metern Höhe. So kommt dieses Herberge daher, die wörtlich übersetzt als „verteiltes Hotel“ firmiert. Konkret versuchen die Verantwortlichen mit viel Aufwand dieses historische Dorf und seine Umgebung davor zu bewahren, zu einem Themenpark für Touristen zu mutieren. Auf Elemente aus der Gegenwart hat man verzichtet, wodurch die Wahl auf herkömmliche Traditionen und Materialien fällt: Handgemachte Kerzen, Seife aus Olivenöl und Wolldecken, die regionale Muster aufgreifen und die wie im 19. Jh. produziert werden, liegen in den Zimmern. Ab € 160 DZ/ Nacht. Sextantio Santo Stefano di Sessanio, Via Principe Umberto, Santo Stefano di Sessanio, +39 086 28 99 112. sextantio.it

Kurz mal laden Kein Theater mehr mit verknoteten Kabeln, denn für diese Powerbank sind sie schlicht verzichtbar. Stattdessen nur daheim an die Steckdose hängen und schon brauchen Sie keine Angst mehr vor einem leeren Handy zu haben. Tucano, Shake Wireless Charger, € 49,90. tucano.com

14

ITALIEN MAGAZIN

© S E X TA N T I O . I T

GRANTURISSIMO

Zeitreise

Riesige Aussichten Genießen Sie atemberaubende Aussichten von einer gigantischen Bank aus. Diese Idee, auf italienisch als „Panchine Giganti“ bezeichnet, geht auf den amerikanischen Designer und Künstler Chris Bangle zurück, der damit lokale Unternehmen unterstützen und den Tourismus stimulieren möchte. Die Mehrzahl der auffälligen Bänke steht im Piemont, doch bei mittlerweile 168 Exemplaren stehen immer mehr auch in

anderen Teilen Italiens. Auf der Webseite des Big Bench Community Project übrigens sind alle Bänke verortet. Die Suche nach den Riesenbänken führt Besucher zu Panoramaaussichten, die sie sonst nie entdeckt hätten. Wer die Entdeckungsreise ernst nimmt, kann sich einen Pass besorgen und jeden Besuch vor Ort mit einem Stempel dokumentieren lassen. bigbenchcommunityproject. org


SEHENSUCHT NACH ENTSPANNTEM LUXUS Im Herzen des Veneto wartet eine stilvolle Oase der Ruhe auf Sie. Das exklusive Hotel Esplanade Tergesteo in Montegrotto Terme am Fuße der Euganeischen Hügel liegt nicht weit von Padua und Venedig entfernt. Aber dennoch weit genug, um Kraft und Entspannung tanken zu können, an einem Ort, der Wellness und Design perfekt vereint. Das Hotel verzaubert durch einen außergewöhnlichen Stil und ist die ideale Destination für alle, die Wert auf eine individuelle Atmosphäre und Exklusivität legen. Durch die stilvolle Kombination von einzigartigen Designobjekten, Holz, Marmor und anderen Materialien wird hier das Wort „Luxus“ neu definiert. Das Herzstück des Hotels sind die Thermalbäder: Der Innenpool, der direkt in den einzigartigen White Pool im Außenbereich übergeht, und der H2O3 Pool mit Mikrobläschen aus Ozon, bieten die perfekte Kombination aus Natur, Harmonie und Entspannung.

„Adults only“: Das RoofTop54 ist ein absolut einzigartiger Ort mit Salzwasser-Pool, textilfreiem Sauna Bereich und verschiedenen Ruheräumen. Für die absolute Entspannung sorgt zudem der herrliche Panoramablick auf die Euganeischen Hügel. Lust, die Balance von Geist und Körper wiederherzustellen? Im Wellnessbereich Well54 warten verschiedene regenerierende Rituale auf Sie. Buchen Sie Ihr exklusives Retreat und tauchen Sie ab in tiefe Entspannung. Wir sagen: Gastronomie ist eine Form von Kunst – und das Pepita Restaurant ist der Ort, an dem sie auf eine besondere Weise zum Ausdruck kommt. Das Restaurant an sich ist dank des einzigartigen Designs bereits ein Kunstwerk und die ideale Symbiose aus Geschmackserlebnis und Wohlfühlmomenten. Erleben Sie exklusive Gaumenfreuden durch ein raffiniertes Zusammenspiel aus wahrer italienischer Kochkunst und moderner Raffinesse.

esplanadetergesteo.it Montegrotto Terme - Padova



Spazierfahrt im Chianti Classico Wo der Hahn zum Sieg krähte Einst Schlachtfeld zweier rivalisierender Städte, heute eine der schönsten Weinregionen der Welt - das sind die zwei Gesichter des Chianti. Beide lassen in dem grünen Paradies zwischen Siena und Florenz deutlich erkennen. Ein Roadtrip durch das Land des Hahns, das Chianti Classico. TEX T UND FOTOGR AFIE JEROEN JANSEN


TIPPS Essen & Weinverkostung • Im Ristoro di Lamole genießen Sie auf der schönsten Terrasse im Chianti köstliche Gerichte und feine Weine der Region. ristorodilamole.it • Von allen Weingütern im nördlichen Chianti-Gebiet ist Villa Le Corti vielleicht am eindrucksvollsten. Die stattliche weiße Villa unterhalb von Florenz gehört seit jeher der Corsini-Dynastie, einer Familie von Bischöfen, Päpsten, Bankiers, Politikern und Weinbauern. Das Haus ist für seine ausgezeichneten Bioweine bekannt und bietet auf Anfrage eine Besichtigung der alten Weinkeller mit anschließender Verkostung (von Wein und Olivenöl) an. Sie können auch Kochkurse besuchen und die toskanische Küche in der Osteria Le Corti verkosten. Via San Piero di Sotto 1, San Casciano Val di Pesa. principecorsini.com

18

ITALIEN MAGAZIN

N

ur wenige Straßen schlängeln sich so schön durch Italien wie die Chiantigiana (SR222), auch als Strada del vino bekannt. Hier, im Herzen des Chianti Classico, dominieren Weinberge die Landschaft, lediglich unterbrochen von den hoch aufragenden Borghi, den Städtchen mit ihren mittelalterlichen Kernen. Städte, deren Namen mit „in Chianti“ enden, damit wir nicht vergessen, wo wir sind: in Chianti, einer der schönsten Weinregionen Italiens und dem Land der Sangiovese-Traube. Das Blut des Jupiter (die wörtliche Bedeutung von sanguis jovis, oder „Sangiovese“) fließt von Florenz nach Süden bis Siena. Genau wie die Chiantigiana - Straße. Unsere Route folgt der Strada del vino mehrmals für eine Weile , um dann wieder einen Abzweig zu nehmen, der uns zu einem Burgdorf auf dem Gipfel eines Hügels führt, von wo aus wir einen herrlichen Blick auf Landschaft genießen.

Kunst, Essen und Wein

Nirgendwo rollt das Land so schön dem Horizont entgegen wie vor der Terrasse des Ristoro di Lamole. Lamole liegt auf

halber Strecke unserer Tagestour durch das nördliche Chianti. Hier teilt sich Kunst die Bühne mit Wein, Essen und der Natur. Alle Elemente tragen zu einem unvergesslichen Mittagessen bei. Unter einem Dach aus Weinblättern blicken wir durch den Rahmen einer sitzenden Figur auf einem Sockel auf die grüne Landschaft, während Samuele unser Glas mit einem Chianti Classico aus Lamole füllt. Das Mittagessen besteht außerdem aus Burrata fresca mit gegrilltem Gemüse und hausgemachten Gnocchi mit Ricotta, Burrata, Pistazien und Orangen. Unsere Tour beginnt in Greve und endet in Radda. Schon der Auftakt lohnt sich: Vor dem Ortseingang von Greve kommen wir am Castello di Montefioralle vorbei, einem Ort mit dem Prädikat Borghi più belli d’Italia (die schönsten Orte Italiens). Dieses mittelalterliche Labyrinth aus Häusern, Gassen, Türmen und Toren hatte seinen berühmtesten Bewohner mit Amerigo Vespucci. Der Seefahrer und Namensgeber Amerikas soll hier sogar geboren worden sein, obwohl Vespucci offiziell als Florentiner bekannt ist. Die Stadt Greve in Chianti, die unterhalb der Festung liegt, ist jüngeren Datums und war einst der Markt von Montefioralle.


SPAZIERFAHRT IM CHIANTI CLASSICO

Der dreieckige Platz von Greve unweit des alten Marktortes wurde nach dem Mittelalter angelegt und wird heute nur noch für den Samstagsmarkt genutzt. Die Piazza Matteotti, das pulsierende Herz von Greve, ist umgeben von Cafés, Weinstuben, Geschäften und dem Rathaus. Der Platz beginnt breit und läuft dann an der neoklassizistischen Kirche Santa Croce spitz zu. Auch Greve kann sich eines Entdeckers rühmen, obwohl er weniger bekannt ist als Vespucci. Giovanni da Verrazzano erkundete ab 1524 die Ostküste Nordamerikas. Heute blickt er von seinem Sockel aus auf das gesellige Treiben auf den Terrassen und unter den Galerien. Nach Greve folgen wir der Chiantigiana kurz in Richtung Süden. Schon nach 2

km nehmen wir die Ausfahrt Lamole, für einen Anstieg zu einem der Höhepunkte im Chianti Classico. Sowohl wörtlich als auch im übertragenen Sinne, denn Ristoro di Lamole liegt auf 600 m Höhe.

Der Wein des Hahns

Während wir auf der Terrasse sitzen und die Aussicht genießen, erzählt uns der charmante Samuele begeistert von seinen Lieblingsweinen des Chianti. Bis in die 1980er Jahre war das Chianti für seine säuerlichen Massenweine in Korbflaschen bekannt, doch unter der Führung der großen Kellereien gelang es dem ChiantiWein, sich aus der Mittelmäßigkeit zu befreien. Der Aufstieg wurde 1984 durch die DOCG-Ursprungsbezeichnung für den gesamten Chianti und 1996 für >

Eröffnungsseiten: Burrata fresca und gegrilltes Gemüse im Ristoro di Lamole; Weinschloss Castello di Brolio. Links: Piazza Matteotti in Greve. Unten: die Terrasse des Ristoro di Lamole, mit Aussicht auf Chianti.

ITALIEN MAGAZIN

19


TIPPS Essen & Weinprobe • Die Osteria di Passignano ist Teil der mittelalterlichen Abtei Passignano und hat einen Michelin-Stern. Das Restaurant serviert moderne und raffinierte Interpretationen toskanischer Gerichte mit überraschenden Geschmackskombinationen und passenden Weinen. Sie können auch eine Verkostung in der Weinhandlung buchen und den Chianto Classico der Familie Antinori kennenlernen, die die Weinberge rund um das Kloster bewirtschaftet. Via Passignano 33, Loc. Badia a Passignano, Tavarnelle Val di Pesa. osteriadipassignano.com • Abendessen in Volpaia? Auf der wunderbaren Terrasse des Ristorante La bottega genießen Sie im Schatten des Turmes beste regionale Küche der Toskana. ristorantichianti.it/bottega

den Chianti Classico beschleunigt. Letztgenannte Region umfasst neun Gemeinden zwischen Florenz und Siena und ist traditionell als das Feinste des gesamten Chianti bekannt. Von hier kommen die besten Weine, die zu 80 Prozent aus der Sangiovese-Traube hergestellt werden. Dunkelrot, weich, komplex, blumig, fruchtig und mit einem hohen Säuregehalt: ideal zu Pasta- und Fleisch. Die Weine des Chianti Classico sind an dem schwarzen Hahn auf dem Etikett zu erkennen. Der Gallo Nero ist heute oft zu sehen, an manchen Stellen ragt sein Abbild aus den Reben heraus. Der Hahn verkündete krähend den Sieg der Republik Florenz, die gegen Siena um das Chianti-Gebiet kämpfte. Um den Streit zu schlichten, sandten beide Städte einen Reiter aus. Ihr Treffpunkt sollte fortan die Grenze markieren. Den Startschuss gab jeweils ein Hahn; beim ersten Krähen des Tages durften beide Reiter ihre Pferde entfesseln. Während Siena einen fetten weißen Hahn wählte, verließ sich Florenz

auf einen mit schwarzem Federkleid, der seit Tagen nichts gegessen hatte. Il gallo nero krähte empört zuerst, so dass der Florentiner Reiter praktisch die gesamte Region durchqueren konnte, bevor er auf seinen Gegner traf

Castello di Volpaia

Nach dem Mittagessen fahren wir nach Volpaia, einer der Perlen des Chianti Classico. Das mittelalterliche Burgdorf ist von Weinbergen und Olivenhainen umgeben und offenbart sich erst nach der letzten Biegung auf der kurvenreichen Straße, die dorthin führt. Auch Volpaia - eine Terra murata (ummauertes Dorf) - ist das Ergebnis des Ringens zwischen Florenz und Siena. Die Verteidigungsmauer ist noch teilweise intakt. Als klar wurde, dass die Einwohner nichts mehr zu befürchten hatten, widmeten sie sich voll und ganz der Produktion von Wein und Olivenöl. Das Castello di Volpaia ist heute ein berühmtes Weinhaus, dessen Weinkeller sich bis unter die Kirchen des >

Der Hahn verkündete krähend den Sieg der Republik Florenz, die gegen Siena um das Chianti-Gebiet kämpfte

Lunch im Ristorante La Bottega.

20

ITALIEN MAGAZIN


Die Via Ferruccio in Castellina.


Das Castello di Brolio, vom Schlossgarten aus gesehen.

TIPPS Wandern, essen & trinken • Im südlichen Chianti sollten Sie das Castello di Brolio besichtigen und einen Spaziergang durch die Gärten und zu den Burgmauern unternehmen, von wo aus sich Ihnen ein unvergesslicher Blick auf die Weinberge bietet. Genießen Sie anschließend eine Verkostung im Laden des Weinguts oder lassen Sie sich in der Osteria di Brolio verwöhnen. Madonna a Brolio, Gaiole in Chianti. ricasoli.com • Trattoria Oltre il giardino serviert toskanische Spezialitäten, drinnen oder auf der Terrasse mit Blick auf die Weinberge. Piazza Bucciarelli 42, Panzano in Chianti. ristoranteoltreilgiardino.com

22

ITALIEN MAGAZIN

Unter den Bürgersteigen fließt der Wein durch den ausgeklügelten „Weinkanal“ des Dorfes Dorfes erstrecken. Ein Teil des Weins reift sogar in der Krypta der Kirche Commenda di Sant'Eufrosino (die Kirche ist im Gegenzug auf einem der Etiketten abgebildet). In Volpaia ist dies kein Sakrileg, sondern ein Beispiel von „Not macht erfinderisch“. Das Gleiche gilt für den ausgeklügelten „Weinkanal“ (Vinoduct), unter den Bürgersteigen des Dorfes: ein Rohrsystem, das den Wein durch das natürliche Gefälle zu den Kellern im unteren Teil von Volpaia bringt. Der Wein fließt auch auf der Piazza della Torre reichlich, einem angenehmen Platz im Schatten des Turms. Wir ziehen weiter, hinunter nach Radda in Chianti, das bereits zum Greifen nah ist. Innerhalb von zehn Minuten parken wir am Fuße der alten Stadtmauer. Von dort aus gehen wir in das Centro storico, einem Labyrinth aus schmalen Gassen und überdachten Durchgängen, den Camminamenti

medievale. Die einstige Hauptstadt des Chianti ist ein hübsches kleines Städtchen ohne nennenswerte Höhepunkte, aber reizvoll und mit vielen netten Restaurants und Weinlokalen.

Der Kamp� um Brolio

Am folgenden Morgen starten wir in Richtung Gaoile, einer seit je her bedeutenden Marktstadt in der ChiantiClassico-Region. Vor nicht allzu langer Zeit wurde Gaiole zum idyllischsten Ort der Welt gekürt. Das mag übertrieben klingen, aber idyllisch ist es allemal. Gaiole verdankt seinen Status als Marktstadt seiner strategischen Lage im Tal zwischen den hoch aufragenden Abteien und Schlössern. Das Dorf ist quasi um den Marktplatz herum gebaut, genau wie Greve. Auf der Piazza Ricasoli herrscht auch heute ein reges Treiben. Wenn es nicht vom Markt kommt, dann von >


Köstlich genießen unter dem Blätterdach auf der Terrasse des Ristoro di Lamole.


Die Gärten (mit Aussicht) des Weinguts Villa Le Corti bei San Casciano Val di Pesa.

TIPPS Authentische regionale Gerichte • Antica Trattoria la Torre (seit 1892) serviert authentische regionale Küche in einem mittelalterlichen Ambiente, auf dem (fast) höchsten Punkt von Castellina in Chianti, neben der Rocca. Von gegrilltem Fleisch bis zu handgemachter Pasta. Piazza del Comune 15, Castellina in Chianti. anticatrattorialatorre.com

24

ITALIEN MAGAZIN

einem Fest oder von den Terrassen unter den Palazzi. Der Platz mit dem ChiantiHahn ist nach der Familie Ricasoli benannt, seit 1141 Besitzer des Castello di Brolio, einem traumhaften Schloss auf den Hügeln bei Gaiole. Im Mittelalter war dies die südlichste Bastion von Florenz. Aus dieser Zeit stammt das Sprichwort: „Wenn Brolio knurrt, bebt Siena in seinen Grundfesten“. Außer 1478, als Siena vom Papst und dem König von Neapel Hilfe erhielt und die Burg fachgerecht geschliffen wurde. Sechs Jahre später waren die Rollen wieder vertauscht. Die Ricasoli schlugen in Brolio zurück und ließen unterhalb ihrer wiederaufgebauten Burg eine riesige Festungsmauer errichten, die 450 Meter lang und 14 Meter hoch ist. Sie steht noch heute

hoch über den Weinbergen, die sich in Richtung der Glockentürme von Siena erstrecken, die am Horizont sichtbar sind. Nach dem Frieden von 1555, als Siena endgültig besiegt war, verlor die Burg ihre Verteidigungsfunktion. Mehr als 300 Jahre später stand Bettino Ricasoli, auch bekannt als der „Eiserne Baron“, an der Basis des Chianti Classico. Das berühmteste Mitglied der Familie war bis 1867 Premierminister des Königreichs Italien und widmete sich später der Weinproduktion. Seine Chianti-Mischung, in der der Sangiovese die Hauptrolle spielt, wurde zum entscheidenden Faktor für die DOCG-Weine des Chianti Classico. Das Castello di Brolio organisiert verschiedene Besichtigungen, u.a. des Schlosses, der Gärten und der Weinberge und -keller am


SPAZIERFAHRT IM CHIANTI CLASSICO

„Wenn Brolio knurrt, bebt Siena in seinen Grundfesten“ Fuße der Festung. Wir entscheiden uns für einen Spaziergang durch die Renaissance-Gärten und die Festungsmauern, um das neugotische Schloss und die Kapelle San Jacopo, der letzten Ruhestätte von Baron Bettino. Danach geht es hinunter zum Weingut, zu einer Verkostung mit Mittagessen in der hauseigenen Osteria. Hier werden nicht nur der Wein, sondern auch das Olivenöl und das Gemüse selbst hergestellt. Das Essen (gebratener Oktopus mit Birne, Saubohnen und Primosal-Käse, gefolgt von Spaghetti mit Pecorino-Käse, Zucchiniblüten und Soße) steht dem Wein in nichts nach.

Verborgene Straße

Unsere Chianti-Reise endet in Castellina, einem weiteren Festungsdorf auf einem Hügel. Während der jahrhundertelangen Auseinandersetzungen zwischen Nord und Süd wurde die Stadt mehrmals zerstört und wieder aufgebaut. Mit Mauern rundherum und einer fast uneinnehmbaren Festung in ihrem Zentrum, der Rocca communale di Castellina. Auch wenn einige der Mauern den Zahn der Zeit nicht überstanden haben, steht die Rocca

noch immer stolz da. Vom Schlossturm aus haben wir einen schönen Blick auf das Dorf und die Weinberge. Mit Ausnahme der berühmten Via delle volte, die unter den Häusern auf der Stadtmauer versteckt ist. Mit ihren 201 m ist sie die längste überdachte Straße der Toskana. Die Via delle volte liegt an der östlichen Stadtmauer und fängt einen Teil des Lichts durch die alten Schießscharten ein. Jedes Loch ist nun ein Panoramafenster auf die Welt außerhalb des Dorfes. Das Licht fällt auf die Geschäfte in diesem „Tunnel“. Es gibt auch ein Restaurant mit Terrasse, aber da alle Tische besetzt sind, gehen wir weiter zur Piazza del comune. In der Trattoria la Torre finden wir einen Platz im Schatten des Schlossturms. Das Restaurant ist bekannt für seine toskanischen Fleischspezialitäten, darunter das gegrillte T-Bone-Steak aus Florenz. Das Bistecca alla fiorentina steht überall im Chianti auf der Speisekarte, aber im La Torre wird das „Fleisch der eigenen Rinder“ verwendet. Der Chianti Classico von Castello di Fonterutoli, dem Weingut von Castellina, ist das sprichwörtliche Sahnehäubchen auf dem Kuchen. •

Dario Cecchini von ‚Chef’s Table‘ • Das Hügeldorf Panzano ist eines der schönsten Dörfer des Chianti. Das öffentliche Leben spielt sich hauptsächlich zwischen der zentralen Piazza Gastone und den verfallenen Stadtmauern ab. Hier finden Sie die besten Restaurants, Cafés und Weinstuben, einige davon mit Aussicht auf das Chianti-Gebiet. Für Fleischliebhaber ist der Panzano fast schon eine Art Wallfahrtsort, dank der Macelleria Cecchini. Diese berühmte Metzgerei gehört Dario Cecchini, den Sie vielleicht aus der Netflix-Dokumentationsserie „Chef's Table“ kennen. Dario führt eine Reihe von Restaurants, natürlich mit Fleisch, darunter Solociccia und Officina della bistecca. Letzteres ist ganz den berühmtesten toskanischen Steaks gewidmet: der Fiorentina, der Constata und der Panzanese. dariocecchini.com

Weinprobe des Chianti Classico von Villa Le Corti.

ITALIEN MAGAZIN

25


ELEGANCE is our

ATTITUDE

Aurora lounge chair and ottoman, design Draga & Aurel operacontemporary.com


N UOVO

Warmer Regen Dieser originelle Regenschirm von Pasotti macht die Laune wetterfest! Das stilvolle Blütenmuster bildet ein schützendes Blätterdach und der Vogelschnabel erinnert irgendwie an Mary Poppins und ihre zauberhaften Abenteuer, nicht wahr? Pasotti, faltbarer Regenschirm mit Tukan, € 120. pasottiombrelli.com

Kuschelig

Lässig schick für unterwegs, aber dieser schöne Mantel aus Shetlandwolle ist so weich und bequem, dass Sie ihn auch zuhause nicht ablegen möchten. United Colors of Benetton, Mantel aus reiner Shetlandwolle, € 99,95. de.benetton.com

Mailands Licht Schön zeichnen sich Mailands Umrisse gegen den Nachthimmel ab. Mit dieser Lampe erhellt das Licht der Metropole auch zuhause die Reise-Erinnerungen. Erkennen Sie den Dom und den Torre Velasca? Terenzi, Skylight, Nuove luci su Milano, € 98,00. terenzisrl.it

>

VON SERENA CARUSO

ITALIEN MAGAZIN

27


N UOVO

Nicht für die katz'

Andiamo!

Für den perfekten Augenaufschlag mit „PantherBlick“ schafft dieses schwarze Mascara volle, wohldefinierte Wimpern. Nabla, Vicious Mascara, € 23,90. nablacosmetics.com

Elegant wo Sie gehen und stehen: Die glänzenden Damenstiefeletten mit dem komfortablen Absatz ziert ein wirkungsvoller, aber doch bescheidener „Bling-Bling“. Geox, Loisia Dame, Dame € 129,95. geox.com

Herbstleuchten Diese knallig-farbige Daunenjacke hält Sie warm und gut. Ganz egal ob in der Stadt, auf der Piste oder beim Après-ski - auffallen werden Sie damit immer. Napapijri, Steppjacke Ariel, € 299. napapijri.de

Sizilanisch schick

Seit 2006 beglückt uns Ortigia Sicilia mit einer großen Auswahl an luxuriösen Seifen und Düften. Wer sich nicht entscheiden kann, bekommt jetzt gleich vier Düfte in einem in Florenz handgemachten Samt-Täschchen. Ortigia Sicilia, Velvet Green Borsettina Discovery Set, € 60. ortigiasicilia.com

28

ITALIEN MAGAZIN




Mailand Magische Metropole

Wohin das Auge schaut ist der Wandel sichtbar, Mailand erschauert förmlich unter dem emsigen Treiben der Stadtplaner, Architekten, Handwerker und Bauarbeiter. Sie verzaubern alte Eisenbahndepots in grüne Oasen, erschaffen Parks und Spielplätze und schöpfen eine völlig neue Silhouette der Stadt. Das Italien Magazin präsentiert eine feine Auslese neuer und alter Orte, mit deren Hilfe Sie Stadt auf kosmopolitische Weise erleben. T E X T PA O L A VA N D A M F O TO S M AT T E O R O S S I

Der Dom Für schwindelfreie Besucher ist ein Besuch auf der Spitze des Doms seit einigen Monaten möglich - und ein absolutes Muss! Reservieren Sie auf jeden Fall vorab, da nur wenige Menschen gleichzeitig die „Terrassen“ dieses römisch-katholischen Kolosses besuchen können. Nicht unwichtig: Für all jene, die endlosen Treppen nicht mögen, gibt es einen schnellen Aufzug. duomomilano.it


Memphis Post Design Gallery Man muss wissen, dass es diese Galerie gibt, denn der Eingang liegt im Innenhof eines stattlichen Gebäudes im Stadtteil Brera und ist von der Straße aus nicht zu sehen. Drinnen bekommt man das Gefühl, durch das Haus eines begeisterten Memphis-Sammlers zu gehen, denn in jedem Raum stehen Werke dieses außergewöhnlichen Kollektivs. Es entstand vor etwa 40 Jahren im Wohnzimmer des „Archistars“ Ettore Sottsass. Mit einer Gruppe junger Künstler und Designer beschloss er, eine spielerische Möbel- und Gebrauchsgegenstände-Linie mit leuchtenden Farben, geometrischen Formen und unerwarteten Materialkombinationen auf den Markt zu bringen, die in den Folgejahren bei Designliebhabern großen Anklang fanden. Seither sind die Stücke zu echten Sammlerobjekten geworden, und der Inhaber von Post Design Memphis, Alberto Bianchi Albrici, verkauft viele dieser ersten Entwürfe, aber auch jüngere Arbeiten, sowohl von der ursprünglichen Gruppe als auch von „neuen“ Designern. die das spezielle Konzept näher erläutern memphis-milano.com


MAILAND

Scalo Lambrate Kaum vorstellbar, dass dieses ehemalige Eisenbahndepot vor nicht allzu langer Zeit ein berüchtigter Treffpunkt für Landstreicher und Junkies war. Nun hat sich diese Industriehalle mit ihrer riesigen Bar zu einem der beliebtesten Orte für hippe Mailänder entwickelt, um dem Trubel der Stadt zu entfliehen, um zusammenzuarbeiten, zu essen oder einfach nur etwas zu trinken. Sowohl draußen auf dem von Bäumen gesäumten Gelände als auch drinnen stehen nur Möbel von aufstrebenden Designern, die Scalo Lambrate als Schaufenster für ihre Arbeit nutzen dürfen. Alles wird aus wiederverwendeten oder nachhaltigen Materialien hergestellt, und ein angrenzender Gemüsegarten liefert das Obst und Gemüse für die schmackhaften Gerichte auf der Speisekarte des Restaurants The Sanctuary. Nicht weniger als 200 m2 stehen für Wechselausstellungen zur Verfügung, es gibt eine Ladestation für Elektroautos und wer sich im Freien sportlich betätigen will, findet einen Basketballplatz. Kurzum, eine wahre Oase im Herzen der Metropole. scalolambrate.com

>


Merù Gioielli

34

ITALIË MAGAZINE

Das Merù zu betreten ist eine kleine Zeitreise in längst verflossene Tage. In einer der schönsten Straßen Mailands, der Via Solferino Nr. 3, liegt das Juweliergeschäft, das der verstorbene Francesco Mereu vor 61 Jahren eröffnete. Hier reparierte er Uhren und entwarf exquisite Schmuckstücke, die sich dank ihrer ungewöhnlichen Formen und Materialkombinationen schnell großer Beliebtheit erfreuten. In den 1980er Jahren gab es nur wenige italienische Prominente, die nicht eine exzentrische Merù-Halskette, ein Armband oder einen Ring besaßen, zu Weihnachten bildeten sich lange Schlangen vor den Schaufenstern. Hunderte dieser Originalentwürfe sind heute in Vitrinen ausgestellt und werden von Sohn und Tochter Mereu liebevoll kommentiert. Übrigens: Der Nachname ist nicht falsch geschrieben: Der frühere Verwalter des Lokals hatte Schwierigkeiten, „Mereu“ richtig auszusprechen und machte daraus „Merù“, was zuerst von der Presse, dann von der Kundschaft und schließlich von Mereu selbst übernommen wurde. Heute gibt es eine neue Kollektion von niedlichen Anhängern zu kaufen, die im hinteren Teil des Ladens hergestellt werden. merugioielli.it


Gelateria Solferino

Das Navigli-Viertel Dieser Kanalkomplex im Südwesten der Stadt gilt als eine der trendigsten Gegenden Mailands für abendliche Drinks, Spaziergänge oder Mahlzeiten. Einst transportierten Frachtschiffe hier Lebensmittel, Kohle, Holz und sogar den Marmor für den Dom, aber seit der umfassenden Renovierung im Jahr 2015, dem Jahr der Expo, hat es sich zu einem Vergnügungsviertel mit hippen Underground-Läden und am letzten Sonntag jedes Monats einem schönen Flohmarkt für Möbel und Nippes entwickelt. Eine weitere Besonderheit sind die zahlreichen Werkstätten, in denen Meister wie Schmiede und Glasbläser ihr Handwerk noch authentisch ausüben. Am Hafenbecken, der Darsena, sind Kajaks und Bretter für Standup-Paddeling zu mieten; es gibt keine originellere Art, Navigli zu erkunden.

Die Mailänder machen gerne einen Abstecher zu diesem unscheinbaren Laden. Zurecht, denn seit 30 Jahren rühmt sich die Familie Zubelli des besten Speiseeises der Stadt . Alle Geschmacksrichtungen sind köstlich, aber in den Sommermonaten sollten Sie die Fruchtsorten probieren, die mit frischen Früchten auf traditionelle Weise hergestellt werden. Es ist amüsant zu beobachten, wie die Sciuras, die elegant gekleideten Damen der Stadt, ihren Anstand ablegen, um ihr Eis zu schlecken. (In Italien sollte eine Dame ihr Eis mit einem Löffel essen, nicht mit der Zunge.). Via Solferino 18

>



Die Dachterrasse DES Hotels Milan Il Duca & das Viertel Porta Nuova Nirgendwo lässt sich die Skyline von Mailand besser bewundern als auf der Dachterrasse des Hotel Milan il Duca. Während der Besucher seinen Drink schlürft, wird ihm unausweichlich bewusst, was in den letzten Jahren in dieser Stadt gebaut wurde. Fantastisch ist der Blick auf des Viertel Porta Nuova, dem Mailänder Geschäftsviertel und dem eigentlichen Hotspot der Stadt, mit seinen Türmen wie dem ovalen Torre Diamante, dem Aria Tower und dem Torre Unicredit, der mit 231 Metern der höchste Wolkenkratzer der Stadt ist. Gleich dahinter liegen die kürzlich errichtete Biblioteca degli Alberi, ein schöner, hügeliger Stadtpark und der Bosco Verticale, (der vertikale Wald) die beiden Wohntürme, die der Architekt Stefano Boeri mit Tausenden von Pflanzen und Bäumen bepflanzt hat. Auf der nahe gelegenen Piazza Gae Aulenti, einem weiteren guten Beispiel für die ehrgeizigen Stadterneuerungsprojekte, spritzt kühlendes Wasser aus dem Boden; und Kinder, Hunde und Skater vergnügen sich bis in den späten Abend. Die geräumige Buchhandlung RED Feltrinelli auf dem Platz bietet eine Auswahl von bis zu 5.000 Titeln und eine gute Bar, in der auch ein ausgezeichneter Espresso und Cocktails angeboten werden. („Red“ steht für Lesen, Essen, Träumen). melia.com/en/hotels/italy/milan/ me-milan-il-duca


Caffè Fernanda Die Pinacoteca di Brera, ein imposantes Museum im Herzen des gleichnamigen Viertels, ist an sich schon einen Besuch wert. Noch interessanter ist, dass dieser barocke Palazzo mit seinem schönen Innenhof auch eine schillernde Bar beherbergt. Natürlich werden Sie die Werke von Caravaggio bewundern, aber noch wichtiger ist das Caffè Fernanda im ersten Stock. Dieses vom Mailänder Architekturbüro Rgastudio entworfene Schmuckstück war ursprünglich von einem berühmten Architekten entworfen worden, Piero Portaluppi. Dieser zeichnete auch verantwortlich für die berühmte Villa Necchi Campiglio, die die wunderschöne Kulisse in dem Film „Io sono l’amore“ (Ich bin die Liebe - I am Love) des Regisseurs Luca Guadagnino bildet. Im Zweiten Weltkrieg wurde die heutige Pinacoteca stark beschädigt, und Portaluppi erhielt den Auftrag, in den zerstörten Räumen eine wunderschöne Bar zu errichten. Die hochglänzenden Marmorböden stammen vom Maestro persönlich; der Rest scheint aus den 1950er Jahren zu stammen, ist aber neu. Also der Tresen aus Nussbaum und Kupfer, die rosa Samtstühle und die grün-blauen Wände. Das riesige, kontrastreiche Werk über der Bar ist ein Werk des Malers Pietro Damini aus dem 17. Jh. caffefernanda.com

38

ITALIEN MAGAZIN

ADI Design Museum Dieses neue Museum liegt im aufstrebenden Viertel Paolo Sarpi - auch bekannt als Mailands Chinatown - und war früher der Hauptsitz des nationalen Stromversorgers ENEL. Die Architekten Giancarlo Perotta und Massimo Bodini haben das Industriegebäude von 1896 in eine atemberaubende Ausstellungsfläche von 5.000 m2 verwandelt, auf der eine fantastische Sammlung italienischen Designs zu sehen ist. 60 Jahre Design, von Kühlschränken bis zu Stühlen, von Kaffeemaschinen bis zu Autos und sogar die Beschriftung von Flughäfen und Bahnhöfen aus der Vergangenheit, sind hier zu sehen. Ein großer Teil der Ausstellung zeigt Objekte, die mit dem Compasso d’Oro, einem renommierten Preis für Industriedesign, ausgezeichnet wurden, den La Rinascente (das italienische Kaufhaus) 1964 erstmals auslobte. Kurz gesagt, ein Besuch im ADI nimmt viel Zeit in Anspruch, daher ist es eine gute Idee, in einem der vielen chinesischen Restaurants in der Umgebung einen Happen zu essen. Falls Sie das ADI nicht verlassen wollen, es gibt dort eine schöne Bar, um sich von all den Eindrücken zu erholen. adi-design.org


MAILAND

LùBar Es gibt keinen romantischeren Ort für ein Mittag- oder Abendessen in Mailand, denn das Bistro LùBar, auch bekannt als The Garden Restaurant, befindet sich in der traumhaft schönen Orangerie des Villa Reale, dem majestätischen Palazzo, in dem die Galleria d’Arte Moderna untergebracht ist. LùBar steht im sizilianischen Dialekt für Il Bar, ist aber auch eine Anspielung auf die Namen der drei jungen Eigentümer, Lucrezia, Lucilla und Ludovico. Falls Sie sich nun fragen, warum deren Namen alle mit „Lu“ beginnen: Das ist ein Verweis auf ihren alten Herrn, den sizilianischen Prinzen Lucio Bonaccorsi di Reburdone. Wie dem auch sei... In der LùBar mit ihren tropischen Pflanzen und hohen Bogenfenstern können Sie köstliche sizilianische Gerichte essen: Arancini (gefüllte und frittierte Reisbällchen) mit Garnelen und Pistazien, cremige Auberginenbällchen und gute Pasta mit Bottarga. Aber die LùBar ist auch die perfekte Adresse für ein leckeres Cornetto (Croissant, Anm. d. Red.) und eine starke Tasse Kaffee am Morgen. Es ist kein Wunder, dass das alles so stilvoll aussieht: Mutter der drei Unternehmer ist Luisa Beccaria, eine der stilvollsten Modedesignerinnen Italiens. Ihren Sinn für Ästhetik haben die drei also nicht von ungefähr. lubar.it

ITALIË MAGAZINE

39

>


Antica Trattoria della Pesa „Wenn man in Mailand ist, sollte man es den Mailändern gleichtun.“ Dazu gehört unbedingt, einen typischen Teller Risotto allo zafferano essen. Dieses Gericht, bei dem Reis in Brühe mit Safran gekocht (gerührt) wird, isst man am besten in einer klassischen Trattoria, wie der Antica Trattoria della Pesa. Hier empfiehlt es sich, zum Mittag- oder Abendessen an einem der einfachen, mit weißem Leinen gedeckten Tische Platz zu nehmen, nur ein Gericht zu bestellen (das oben erwähnte Risotto), dazu ein Glas guten Rot- oder Weißwein (darüber gehen die Meinungen auseinander). Dann genießen Sie das Beste, was die lombardische Küche zu bieten hat. Die altmodische Einrichtung dieses Lokals ist original und wurde seit 1880 nicht verändert. Wundern Sie sich also nicht über die Emailleschilder im Speisesaal, auf denen „vietato sputare in terra“ steht: Es ist verboten, auf den Boden zu spucken. anticatrattoriadellapesa.com


Mandarin Oriental Vier stattliche Gebäude in einer Reihe, deren einzige Gemeinsamkeit darin besteht, dass sie im 18. Jahrhundert erbaut wurden, vereinen und in ein Hotel der Spitzenklasse umwandeln: Das wollte die Hotelgruppe Mandarin Oriental und Architekt Antonio Citterio ist das hervorragend gelungen. Das ist schön für die internationalen Gäste, aber auch für die Einheimischen selbst. Denn das Mandarin, nur einen Steinwurf von der Scala und der Haupteinkaufsstraße der Stadt, der Via della Spiga, entfernt, hat sich zu einem der beliebtesten Orte für einen Drink in Mailand entwickelt. Vor allem mittwochabends ist der geräumige Innenhof des Hotels bevölkert mit gut gekleideten Stadtbewohnern bevölkert, die hier einen Drink und die Lounge-Musik von Alex Farolfi, einem bekannten DJ des italienischen Radiosenders Deejay, genießen. mandarinoriental.com

Officina Antiquaria Heutzutage sprechen alle von Vintage. Aber für diejenigen, die sich nur für das Echte interessieren - sozusagen die absolute Crème de la Crème - ist Officina Antiquaria ein Muss. Hier werden seltene Möbel von Giò Ponti, Magistretti und Ico Parisi ausgestellt, als wären sie die StockholmSerie eines schwedischen Möbelhauses. Auch die Glaswaren und Lampen sind von seltener Schönheit. Ein Besuch lohnt sich, auch wenn Sie nur schauen und nicht kaufen. officinaantiquaria.com


La Crucola, in Flavon in der Gemeinde Contà, ist ein gemütlicher Bauernhof in Panoramalage mit Blick auf das Val di Non (Trentino), Ausgangspunkt für Ausflüge und Wanderungen im

Adamello-Brenta-Naturpark. Der Hof liegt nur wenige Kilometer vom Tovelsee, der Wallfahrtskirche San Romedio und der Stadt Trient entfernt. In unserem Bauernhaus finden Sie ein

gemütliches und modernes Ambiente vor, Sie können die Infrarotkabine nutzen oder in den Whirlpool eintauchen. Das Gebäck zum Frühstück wird von uns selbst gebacken. Via G. Verdi, 5 38010 Contà fraz. Flavon (Tn) info@agriturlacrucola.it +39 350.1385688 lacrucola agriturlacrucola www.agriturlacrucola.it

DUIM2020_4_Agritur La Crucola.indd 1

11-10-2021 15:30

LUXUS ZWISCHEN OLIVENHAINEN

Ideal für einen erholsamen Urlaub, in der Ruhe der Natur, zwischen Olivenhainen und Weinbergen. Zwei alte Bauernhäuser vor kurzem in Wohnungen (Küche mit allem Komfort ausgestattet) umgebaut. Jedes Zimmer hat ein eigenes Bad, Klimaanlage, Satellitenfernsehen und drahtloses Internet. Den Gästen stehen ein gepflegter Garten mit Kinderspielplatz, Bouleplatz, Schwimmbad (7 x 17 m) mit Hydromassagebereich und Kinderbecken, 2 Grills, ein überdachter Parkplatz und ein Bio-Gemüsegarten zur Verfügung. In wenigen Autominuten erreicht man sanft abfallende Sandstrände oder die Sibillini-Berge sowie von alten Mauern umgebene Dörfer und die besonders faszinierende historische Stadt Ascoli Piceno.

Agriturismo Castrum di Maoloni Giuseppina Contrada Gaico n. 3 63081 Castorano (AP) Tel. (0039) 0736 87243 www.agriturismocastrum.it

DUIM2021_3_Agriturismo Castrum.indd 6

09-07-2021 12:22


Zurück in die Zukunft!

Alle bereit? Dann kurz einsteigen in die Zeitmaschine. Wir fliegen – das ist schon mal das Wichtigste – nach Italien, doch wir fliegen auch ins Jahr 2002. Vorsicht, Landung. Ahnen Sie schon, wo wir sind? Genau, in Padua im Veneto, jenes Padua, das zwischen Verona und Venedig liegt und für das deshalb die großen Touristenströme keine Zeit mehr haben. Zwei Sätze kurz zu Padua, sonst liegt es ja schon wieder im Schatten des großen Venedigs: Die Stadt beherbergt zum Beispiel den wunderschönen Dom mit dem Grab des Heiligen Antonius, ungefähr jeder Zweite studiert hier und vor allem, Trommel­ wirbel, hier wurde vor knapp über 100 Jahren der Aperol erfunden. Und hier habe ich im Jahr 2002 studiert. Jetzt stehen wir an der Kasse einer kleinen Bar an der Piazza delle Erbe: „2.000 Lire“ – zwei Mark, kostet der Aperol Spritz. Das wird ein fröhlicher Abend. Aber wir müssen leider zurück in die Gegenwart: 20 Jahre später gibt es an jeder zweiten Tankstelle und jedem Bahnhofskiosk zwischen Berchtesgaden und Flensburg, der etwas auf sich hält, Aperol Spritz, allerdings nicht mehr für einen Euro, sondern für mindestens fünf. Aperol Spritz ist so etwas wie die Apfel­ schorle für Erwachsene geworden, ein fast schon deutsches Getränk und kürzlich bekam ich aus Norddeutschland ein Mitbringsel, dass orange­rot war und sich selbst damit bewarb, so etwas wie der nordische Spritz zu sein. „Scandalo!“, würde man dazu in Italien sagen: Erst entziehen wir dem Spritz das Italien­Gefühl, weil es ihn an jeder Ecke gibt, und dann legen wir als Teutonen selber die Alternativen vor. Höchste Zeit also für etwas Neues, aber nicht aus Deutschland, sondern, genau, aus Italien. Für mich ist die Entdeckung des Sommers zum Beispiel ein Aperitif, den mir mein Lieblings­Strand­Barista Andrea am Adriastrand südlich

MARTI N

MARTIN ZÖLLER IST AUTOR VON „MADONNA, EIN BLONDER! GANZ UND GAR NICHT ALLTÄGLICHE GESCHICHTEN AUS ROM“

von Rimini empfahl ­ Sie wissen schon, der Andrea, der die üppigsten Snacks zum Aperitivo liefert, die man sich vorstellen kann: Statt Erdnüssen wie in Deutschland frisch in Wein gekochte Miesmuscheln, statt Holzspäne­Chips die besten Tramezzini Italiens. Dieser Andrea zwinkerte mir also an meinem letzten Urlaubstag an der Adria geheimnisvoll zu und sagte, er habe einen neuen Aperitif. Er war nicht so süß, nicht so klebrig, sondern erfrischend und orangig, mit Prosecco und natürlich „acqua gassata“. Es war die Rückkehr in mein Padua des Jahres 2002. Das Problem: Ich habe den Namen des Getränks vergessen. Es war kein Wort, irgendeine komische Kombination aus Zahlen als wäre eine Katze über die Tastatur gelaufen. Aber hieß er wirklich „20893rhu“? Oder „0923öxq“. Keine Ahnung. Und jetzt? Andrea sehe ich nur einmal im Jahr. Dramatisch. Deshalb muss ich mich in der Zwischenzeit der zweiten Spritz­ Alternative widmen: Limoncello­Spritz auf Basis, Sie ahnen es, von Limoncello. Eigentlich bin ich kein großer Freund davon, zu bitter, zu süß, aber als Aperitif mit viel Eiswürfeln ganz anders ­ großartig! Das beste: Die wichtigste Zutat, den Limoncello kann man selber herstellen. Ist eigentlich das Beste, was man außerhalb der Reisezeiten machen kann, schließlich muss man die Zitronen 70 Tage ziehen lassen. Kaum sind die Tage vergangen, ist schon wieder Frühling. Und die Moral von der Geschicht‘: Finden Sie einen Barista wie Andrea und bearbeiten Sie ihn so lange, bis er Ihnen unter der Theke diesen neuen Aperitif namens „89xcv9h“ heraus­ kramt. Und wenn er ihn nicht hat, soll er irgendetwas anderes erfinden. Hauptsache, auf dem Tablett steht am Ende kein Aperitif, den es auch in jedem deutschen Imbiss gibt. Kurzum: Holen wir uns Italien von 2002 zurück! •

ILLUSTRATION MARIEKE VAN DITSHUIZEN

ITALIEN MAGAZIN

43


© M A G N U M P H O TO S / A N P F O TO

Peggy Guggenheim in ihrem Palazzo am Canal Grande, 1950.

44

ITALIEN MAGAZIN


PEGGY GUGGENHEIM

Eine amerikanische Legende in Venedig „Ich war eine freigeistige Frau, lange bevor dieser Begriff erfunden wurde“, sagte Peggy Guggenheim, ihres Zeichens exzentrische Rebellin, notorische Femme fatale und vor allem Liebhaberin der modernen Kunst. Die reiche Amerikanerin (1898-1979) verbrachte Jahrzehnte ihres bewegten Lebens in Venedig, wo sie einen unauslöschlichen Eindruck hinterließ. TEXT RONALD KUIPERS

T

ouristen staunten nicht schlecht, wenn sie in den 1960er und 70er Jahren durch die Kanäle Venedigs schlenderten: In einer Gondel fuhr eine extra­ vagant gekleidete ältere Dame, umgeben von einem Rudel Miniaturhunde vorbei. Mit ihren kunstvoll gestalteten Gewändern, ihren Sonnenbrillen in Form eines Schmetterlings oder einer Fleder­ maus und ihren monumentalen Ohr­ ringen ist l'Americana con i cani (die Ame­ rikanerin mit den kleinen Hunden) eine beeindruckende Erscheinung. Für die Venezianer hingegen ist Peggy Guggen­ heim, die täglich von ihrem persönlichen Gondoliere Bruno gefahren wird, so vertraut wie die Piazza San Marco. Seit „La Peggy“ sich 1948 in der Stadt nieder­ ließ und ihren Palazzo am Canal Grande in ein international anerkanntes Museum für moderne Kunst verwandelte, wird sie respektvoll L'Ultima Dogaressa genannt, „die letzte Dogin“. Neben zahllosen

Künstlern hat auch der internationale Jet­ set, von Yoko Ono und John Lennon bis zu Truman Capote und Paul Newman, in Peggys Palazzo gewohnt ­ zum Ruhme Venedigs, das Peggy zur Ehrenbürgerin ernannt hat. Obwohl sie den Ruf hat, trotz ihres Reichtums sehr knauserig zu sein (bei Empfängen lässt sie billigen japanischen Whisky in leere Flaschen Single Malt Scotch füllen), ist Peggy eine Stütze für talentierte junge Künstler, die dank ihr ihren Lebensunterhalt verdienen. Die Förderung der Kunst ist Peggys Lebensaufgabe, ein Ziel, das sie in den Kanälen ihres geliebten Venedigs widergespiegelt sieht: „Wenn die Sonne langsam untergeht, sind die Spiegelungen der Paläste im Wasser schöner als die Gemälde der größten Meister.“

Untergang

So sehr Peggy die venezianischen Kanäle liebt, so sehr fürchtet sie offenes Wasser. Ihr geliebter Vater Benjamin Guggen­ heim starb 1912 an Bord der Titanic; >

ITALIEN MAGAZIN

45


Peggys Unsicherheit erreicht einen Tiefpunkt, als eine kosmetische Operation schrecklich schief geht und sie eine knubbelige „Kartoffelnase“ bekommt

Peggys Top-Sammlung Die Gemälde und Skulpturen, die Peggy Guggenheim in ihrem venezianischen Palazzo Venier dei Leoni zusammengetragen hat, bilden eine der weltweit bedeutendsten Sammlungen moderner Kunst. Nach Peggys Tod 1979 wurde ihre Sammlung der Guggenheim Stiftung übergeben, die auch die reiche Kunstsammlung von Peggys hochmütigem Onkel Solomon Guggenheim (er nannte die Kunstgalerie seiner rebellischen Nichte einmal „einen kleinen Laden“) in New York verwaltet. Informationen zu Öffnungszeiten und Ausstellungen unter: guggenheim-venice.it. Sind Sie auch interessiert an der Gondel, in der Peggy täglich mit ihren Hunden durch die Kanäle von Venedig fuhr? Sie ist im Museo Storico Navale (Riva S. Biasio) ausgestellt.

46

ITALIEN MAGAZIN

in tadelloser Abendgarderobe an Deck, überließ er seinen Platz in den Rettungsbooten Anderen: „Ich bin bereit, als Gentleman unterzugehen.“ Der Heldentod ihres Vaters macht die trauern­ de Peggy aufmüpfig und rebellisch. Sie weigert sich, den Weg zu gehen, der ihr als Tochter einer wohlhabenden deutsch­ jüdischen Bankiers­ und Minenbesitzer­ familie vorgezeichnet ist: heiraten, Kinder bekommen, Handarbeit und Wohltätig­ keit. Durch einen ehrenamtlichen Job in einer Buchhandlung in ihrer Heimatstadt New York entdeckt sie die Welt der Schriftsteller und Künstler, ungeschliffene Typen, die sich von niemandem Regeln vorschreiben lassen. Sie hört, wie sie von Paris, dem Mekka der modernen Kunst, sprechen.

Kartoffelnase

Mit 22 Jahren und mit einer dicken Erb­ schaft auf dem Konto beschließt sie, ihren Traum zu verwirklichen: Sie zieht nach Paris, um als Bohème unter Künstlern und Dichtern zu leben. Vielleicht trifft sie dort ihren Ritter auf dem weißen Pferd und entdeckt (oh la la) Dinge, über die ein anständiges New Yorker Mädchen nicht sprechen sollte. Später stellt Peggy fest: „In gewisser Weise bin ich nie über den Verlust von Benjamin Guggenheim hinweggekommen, ich war immer auf der Suche nach einem Vater.“ Das Exzentrische, für das Peggy in Venedig bekannt ist, von ihrem schrägen Brillenfetisch bis zu ihrer obsessiven Liebe zu kleinen Hunden, kommt nicht von ungefähr. „Meine ganze Familie ist verrückt“, sagt Peggy. Eine Tante leidet

unter extremer Zwangsneurose, ein neu­ rotischer Onkel kaut den ganzen Tag Eis­ würfel und Holzkohle, und Peggys Mutter verspürt den unbändigen Drang, Wörter zu wiederholen („Ich suche einen Hut mit Feder­Feder­Feder“). In ihrer Jugend hebt Peggy jedes glimmende Streichholz auf („Sonst bricht ein Feuer aus!“), es ist der Zwang eines sehr unsiche­ ren Mädchens, das versucht, eine schwer fassbare Welt in den Griff zu bekommen. Peggys Unsicherheit erreicht einen Tief­ punkt, als eine kosmetische Operation schrecklich schief geht und sie eine knubbelige „Kartoffelnase“ bekommt – die zwar nützlich als Barometer ist (wenn es zu regnen beginnt, wird die Nase schmerzhaft und rot), aber katastrophal für Peggys Selbstvertrauen. Sie kann es kaum glauben, als in Paris der französische Künstler Laurence Vail ihr seine Liebe erklärt (wohl schielend auf Peggys Bankkonto). Vail ist ein Lebe­ mann, der Peggy an ihren Vater erinnert: „Sein schönes goldenes Haar wehte in alle Richtungen. Ich war von seiner Unabhän­ gigkeit beeindruckt." Doch schon bald nach der Heirat entpuppt sich Vail als schlagender Wüterich, vor allem wenn König Alkohol zu Besuch ist. Er beschmiert Peggys Haare mit Marmelade, bewirft sie in Restaurants mit Besteck, wirft sie schwanger gegen eine Wand und ertränkt sie fast in der Badewanne. Peggy fühlte sich minderwertig und erträgt die Beschimpfungen und Demütigungen jahrelang, bis sie mit Anfang dreißig Vail hinauswirft. Nachdem auch andere Versuche, dauerhafte Beziehungen zu Männern aufzubauen, in einem Sumpf >


© B . O ’ K A N E / A L A M Y S TO C K P H OT O

EINE LEGENDE IN VENEDIG

Peggy Guggenheim beim Sonnenbaden auf dem Dach des Palazzo Venier dei Leoni, der seit 1951 als ihr Wohnhaus und Museum dient.

ITALIEN MAGAZIN

47


An christlichen Feiertagen legt Peggy den Phallus in eine Schublade, um vorbeigehende Nonnen nicht zu verstören aus Streit, Alkohol und Gewalt versinken, beschließt Peggy, dass es Zeit für eine neue Lebensaufgabe ist...

Abnehmbarer Phallus

Marino Marini, L'Angelo della Città, Peggy Guggenheim Sammlung

Peggys venezianischer Palazzo auf dem Canal Grande ist kaum zu übersehen, denn „L'Angelo della Città“, eine Reiter­ statue von Marino Marini, ist schon auf­ fällig. Das steife Glied des Reiters war anfangs abnehmbar. An christlichen Feiertagen legt Peggy es in eine Schub­ lade, um vorbeigehende Nonnen nicht zu verstören. Doch nachdem Besucher den Phallus mehrmals gestohlen hatten, lässt sie ihn anschweißen. Marinis Skulptur ist nur eines der Meisterwerke aus Peggys weltberühmter Sammlung moderner

Kunst. Ende der 1930er Jahre, als ihre x­te Beziehung beendet ist, entscheidet sie, ihr Kapital für einen edlen Zweck einzu­ setzen: junge Künstler („Viel schöner als Börsenmakler und Anwälte“) fördern und eine Museumssammlung aufbauen. An eine Freundin schreibt sie: „Ohne Liebe und ohne Mann zu leben und trotz­ dem glücklich zu sein, das ist fast zu schön, um wahr zu sein.“ Während der drohende Krieg seinen Schatten über Europa wirft, schließt Peggy ein Geschäft nach dem anderen ab: „An dem Tag, als Hitler in Norwegen einmarschierte, ging ich in Légers Atelier und kaufte ein wunderschönes Gemälde für nur 1000 Dollar.“ Als die Nazis Frankreich über­ rennen, gelingt es ihr, ihre Picassos, Mondrians und Kandinskys (die von den Nazis als „entartete Kunst“ verachtet wurden), versteckt zwischen Möbeln, Bettwäsche und anderem Hausrat in ihre Heimatstadt New York zu schmuggeln. Hier eröffnete Peggy die Kunstgalerie Art of This Century, die sich bald zu einem belebten Treffpunkt für geflüchtete europäische Künstler und aufstrebende amerikanische Talente wie Pollock und Rothko entwickelte, die beide von Peggy entdeckt wurden. Die Atmosphäre in der Galerie ist ungezwungen und entspannt. Die Böden sind türkis gestrichen, die ungerahmten Kunstwerke dürfen ange­ fasst werden.

© AT L A S P I X / A L A M Y S T O C K P H O TO

Sehnsucht nach Venedig

Doch nach dem Krieg zieht es Peggy bald nach Europa zurück: „Nichts in Amerika ist angenehm. Die einzige Möglichkeit, das Leben hier zu meistern, besteht darin, den ganzen Tag hart zu arbeiten und sich nach sechs Uhr zu betrinken.“ Peggy liebt den Zauber Venedigs: „Es wird oft gesagt, dass Venedig der ideale Ort zum Heiraten

48

ITALIEN MAGAZIN


© P I E R O O L I O S I / P O L A R I S / A N P F O TO

EINE LEGENDE IN VENEDIG

sei. Dies ist ein großer Irrtum. Wenn man in Venedig lebt oder es auch nur besucht, verliebt man sich in die Stadt selbst. In deinem Herzen ist kein Platz mehr für etwas anderes.“ Hier möchte sie leben und ihre Kunstsammlung, ihr Lebenswerk, der Welt zeigen. „Jede Stunde des Tages ist ein Wunder des Lichts“. Nach langer Suche findet sie 1948 die ideale Unter­ kunft: den Palazzo Venier dei Leoni aus dem 18. Jahrhundert am Canal Grande. Der Palazzo an der Uferpromenade mit seinen acht steinernen Löwenköpfen wurde wegen der napoleonischen Invasi­ on 1797 nie fertig gestellt. Einst wohnte hier die Familie Venier, die mehrere Dogen (Staatsoberhaupte) hervorbrachte. In dem (für venezianische Verhältnisse) großen Garten sollen Löwen gehalten worden sein, und Luisa Casati, die Geliebte des Dichterfürsten Gabriele d'Annunzio und stolze Besitzerin mehrerer Jagdleoparden, Schlangen und

Affen, soll dort legendäre Feste ver­ anstaltet haben. Nachdem im Palazzo während des Krieges italienische und deutsche Soldaten einquartiert waren, war er eine Ruine. Tiefgreifend renoviert öffnete der Palazzo Venier dei Leoni 1951 seine Türen der Öffentlichkeit, sowohl als Wohnsitz als auch als Museum.

Erotische Ausschweifungen

Die Doppelfunktion der Villa führt bis­ weilen zu unerquicklichen Situationen. Peggy: „Es ist sehr seltsam, in einem Museum zu leben, und ich mag es nicht immer. Wenn ich im Bademantel oder im Badeanzug durch den Flur gehen will, stört mich das immer.“ Sie hat Schnüre aufgehängt, um den wachsenden Besucherstrom aus den Schlafzimmern fernzuhalten. Doch sie hat ihr Ziel erreicht: Dank der Collezione Peggy Guggenheim ist Venedig, die Stadt des vergangenen Ruhms, zu einem Zentrum

Die Fassade des Guggenheim Collection Museum, am Canal Grande.

>

ITALIEN MAGAZIN

49


Die Empfänge und Partys, die Peggy in ihrem venezianischen Palazzo gibt, sind ein ideales erotisches Jagdgebiet.

TIPP

Eine Romanbiografie aus den Schicksalsjahren Venedigs: Ein armes Zeitungsmädchen verliebt sich in einen Conte, führt fortan ein glamouröses Leben und erfindet das älteste Filmfestival der Welt. Jana Revedin erzählt die Geschichte der Großmutter ihres Mannes. Margherita verstand es, sich durch ihre unvoreingenommene Art zum Mittelpunkt einer sich neu erfindenden Stadt zu machen. Peggy Guggenheim wird ihre beste Freundin, und die Künstlerfeste auf der Terrasse des Hotel Excelsior, auf die Greta Garbo, Coco Chanel, Clark Gable oder Pablo Picasso kommen, werden legendär. Jana Revedin, “Margherita” Aufbau Verlag, ISBN 9783351038304, € 22

50

ITALIEN MAGAZIN

der modernen Kunst geworden. Peggy ist auch in ihrem Lebensstil für eine Frau ihre Zeit sehr modern. Wenn die Beamten der Prefettura di Venezia (der Regional­ regierung), die gegenüber von Peggys Palazzo arbeiten, sie nackt auf ihrem Dach sonnenbaden sehen, wissen sie, dass der Frühling gekommen ist. Peggy ist für ihren offenen Umgang mit Nacktheit und allem, was damit zusammenhängt, berüchtigt. Als prüde erzogenes Mädchen beschließt sie nach ihrem Umzug nach Europa, die entlegensten Winkel des erotischen Universums zu erkunden. Mit ihrem ersten Mann möchte sie alle Stellungen ausprobieren, die sie auf den antiken Fresken in Pompeji sieht. Als Peggy ihre längeren (und oft unglücklichen) Beziehungen aufgibt und Mäzenin wird, ist es eine ungeschriebene Regel, ein Geschäft mit einem Besuch im Schlafzimmer zu besiegeln. Einem Freund schreibt Peggy begeistert: „Ich kaufe Kunst und ich habe Sex“. Der Bildhauer Constantin Brancusi, der Schriftsteller Samuel Beckett, der Maler Yves Tanguy und zahllose andere Künstler kamen in den Genuss einer oft kurzen, aber intensiven intimen Beziehung zu Peggy. Ein Freund beschreibt sie als „sexuelles Raubtier“: „Männer sind für Peggy eine kontinentale Annehmlichkeit, die man ganz selbstverständlich genießt, neben Wein und Oliven, starkem Kaffee und knusprigem Brot.“ Peggy unterzieht sich mehreren illegalen Abtreibungen, die sie „Popoffs“ nennt (nach dem russischen Arzt Popoff, der 1930 in einem Berliner Nonnenkloster die erste Abtreibung an ihr vornahm). Jahre später schrieb sie: „Ich stehe offenbar kurz vor meinem sechsten Popoff. Ich tue auch nie etwas für das Bevölkerungswachstum“.

Die Empfänge und Partys, die Peggy in ihrem venezianischen Palazzo gibt, sind ein ideales erotisches Jagdgebiet. Sie macht sogar Bekanntschaft mit einem amerikanischen Admiral und einem jungen italienischen Lustknaben (der leider mit einem von Peggy gestifteten Sportwagen verunglückt). Doch mit den Jahren wird es ruhiger im Palazzo Venier dei Leoni. Die Besucher beschweren sich über die Kälte (Peggy hasst die hohen Heizkosten) und den Schimmel, der den Gemälden zusetzt. In den 1970er Jahren verschlechtert sich Peggys Sehkraft aufgrund von grauem Star, Arteriosklerose und Bluthochdruck machen die steilen Brücken und die vielen Treppen in Venedig unüberwindbar.

Schoßhündchen

Umso mehr glüht Peggy für ihre Gondel: „Ich liebe es so sehr, mich treiben zu lassen, dass ich an nichts Schönes mehr denken kann, seit ich den Sex aufgegeben habe, oder besser gesagt, seit der Sex mich aufgegeben hat.“ Immer mit dabei sind ihre „geliebten Babys“, die umhätschelten Lhasa Apsos ­ Hunde, mit Namen wie Cappuccino, Madame Butterfly und Pegeen. Sehr zum Leidwesen von Peggys depressiver Tochter Pegeen, die behaup­ tet, ihre Mutter liebe ihre Hunde und ihre Kunst mehr als ihre Kinder. Als die 80­jährige Peggy einen Herzinfarkt erleidet, schreibt sie an einen Freund: „Ich glaube, das Leben dauert zu lange an“. Kurze Zeit später stürzt Peggy beim Aus­ steigen aus der Gondel. Sie bricht sich einen Fuß und muss ins Krankenhaus in Padua. Kaum eingeliefert erliegt sie einem Schlaganfall. Peggys Asche wird im Garten ihres Palazzos neben den vierzehn Gräbern ihrer Hunde beigesetzt. •


ABONNIEREN SIE DAS ITALIEN MAGAZIN ZUM SONDERPREIS

AZIN I TA L I E N M A G NR . 4

S VOM DOM BI SUPER HIP

4

IN ROM UNTERWEGSriftsteller ch Mit Star-S ano Paolo Giord

AUSGABEN FÜR NUR € 22

NEAPEL r der Erde Museum unte nheim Peggy Gugge Rebellin he sc Exzentri in VENEDIG

(anstatt € 26)

mel m u b t d a t S r ü f Zeit

CH: CHF 11,50 D: € 6,50 A: € € 78,20 ,10 LU: € 7,70 IT: 04

SSICO CHIANTI CLAzwischen rt ah Spazierf ORENZ SIENA und FL

A 75 Jahre V E SP r ze lit F e ott fl So kam der em Ruhm zu sein Rezepte mit T RÜ F F E L

500 4 197 725 406

2021

MAILAND

19-10-2021

11:58

.indd 1

01Cover EAN

DUIM2021_4_0

Der genannte Abonnementspreis ist inklusiv Versandkosten innerhalb Deutschlands. Im EU-Ausland kommen € 6 Versandkosten hinzu. Weitere Abonnement-Angebote mit tollen Willkommensgeschenken und Infos zu den Abonnements finden Sie auf unserer Website.

BESUCHEN SIE ITALIENMAGAZIN.COM RUFEN SIE UNS AN 0031 88 2266638 (Montag bis Freitag, 10.00 – 16.00 Uhr)


Kartoffelsuppe mit Frühstücksspeck und weißem Trüffel 52

ITALIË MAGAZINE


Aromakönig Aromakönig weißer weißer Trüffel Trüffel

Der Herbst ist die Saison des weißen Trüffels aus Alba (Tuber Magnatum Pico). Weltweit ist dieser kostbare Edelpilz aus dem Piemont als Delikatesse begehrt. Er ist so schmackhaft, dass er auch ganz schlichte Gerichte in kulinarische Erlebnisse verzaubert. Das Italien Magazin hat vier Rezeptideen für Sie ausgesucht. F OTO S U N D R E Z E P T E B E E L D I G B E E L D / S T O C K F O O D

>


Rotschalige Bratkartoffeln mit weißem Alba-Trüffel

54

ITALIË MAGAZINE


RECEPTEN AROMAKÖNIG VAN WEISSER SERGIO HERMAN TRÜFFEL

Rührei mit weißem Alba-Trüffel

ITALIË MAGAZINE

55


Risotto mit weißem Alba-Trüffel und Parmesan

56

ITALIË MAGAZINE


AROMAKÖNIG WEISSER TRÜFFEL

Kartoffelsuppe mit Frühstücksspeck und weißem Trüffel Vorbereitungszeit: 25 min • Zubereitungszeit: 25 min • Schwierigkeitsgrad: einfach Zutaten (4 Portionen) • 3 Schalotten • 1/2 Möhre • 60 g Knollensellerie • 500 g Kartoffeln • 1 EL Trüffelbutter • 150 ml Weißwein • 1 Lorbeerblatt • 1 Stängel Thymian • Salz • Pfeffer, aus der Mühle • 1 l Gemüsebrühe • Muskatnuss, frisch gerieben • 150 g Sahne • 100 g Frühstücksspeck, in Scheiben • 20 g Trüffel, weiß • Kerbel, zum Garnieren

Zubereitung Schalotten, Möhre, Sellerie und Kartoffeln schälen und grob klein schneiden. In der Trüffelbutter in einem Topf 3-4 Minuten andünsten. Mit dem Weißwein ablöschen, Lorbeerblatt und Thymian zugeben und den Wein etwas verkochen lassen. Mit Salz und Pfeffer würzen und die Brühe angießen. Etwa 20 Minuten bei milder Hitze köcheln lassen. Die Kräuter entfernen, mit Muskat würzen, Sahne angießen und die Suppe

cremig pürieren. Dabei nicht zu lange mixen. Warm halten. Den Frühstücksspeck in einer Pfanne knusprig auslassen, auf Küchenpapier abtupfen und in Stücke brechen. Die Suppe in Schüsseln füllen, den Frühstücksspeck darauf verteilen und den Trüffel mit dem Trüffelhobel in feinen Scheiben darüber hobeln. Mit Kerbel garnieren und servieren.

Rotschalige Bratkartoffeln mit weißem Alba-Trüffel Vorbereitungszeit: 15 min • Zubereitungszeit: 25 min • Schwierigkeitsgrad: einfach Zutaten (4 Portionen) • 1 kg Kartoffeln, rotschalig • Salz • 1 EL Butterschmalz • Pfeffer, aus der Mühle • 1 TL Butter • 20 g Trüffel, weiß • Kerbel, zum Garnieren

Zubereitung Kartoffeln waschen und in kochendem Salzwasser ca. 15 Minuten vorkochen. Abgießen, abtropfen und ausdampfen lassen. Anschließend in Scheiben schneiden und in einer Pfanne im Butterschmalz unter Wenden in ca. 10

Minuten knusprig braten. Dabei mit Salz und Pfeffer würzen. Zum Schluss die Butter dazugeben. Zum Servieren den Trüffel fein darüber hobeln und die Bratkartoffeln mit Kerbel garnieren.

ITALIEN MAGAZIN

>

57


Rührei mit weißem Alba-Trüffel Vorbereitungszeit: 10 min • Zubereitungszeit: 5 min • Schwierigkeitsgrad: einfach Zutaten (4 Portionen) • 8 Eier • Salz • Pfeffer, aus der Mühle • 2 EL Butter • 20 g Trüffel, weiß • 20 g Kresse, für die Garnitur

Zubereitung Die Eier verquirlen, mit Salz und Pfeffer würzen. In einer beschichteten Pfanne die Butter erhitzen und die Eier darin 4-5 Minuten unter Rühren cremig stocken lassen. Zum Servieren auf Teller

verteilen und den Trüffel mit einem Trüffelhobel darüber reiben. Mit Kresse garnieren, mit Pfeffer bestreuen und sofort servieren.

Risotto mit weißem Alba-Trüffel und Parmesan Vorbereitungszeit: 10 min • Zubereitungszeit: 30 min • Schwierigkeitsgrad: mittel Zutaten (4 Portionen) • 2 Schalotten • 1 Knoblauchzehe • 2 EL Olivenöl • 2 EL Butter • 300 g Risottoreis, z. B. Carnaroli • 125 ml Weißwein, trocken • 1 l Gemüsebrühe, heiß • 75 ml Sahne • 75 g frisch geriebener Parmesan • Salz • Pfeffer, schwarz, aus der Mühle • 20 g Trüffel, weiß, frisch (Alba) • Kerbel, zum Garnieren

58

ITALIEN MAGAZIN

Zubereitung Schalotten und Knoblauch schälen und fein würfeln. Beides in einem Topf in Olivenöl und Butter glasig anschwitzen. Risottoreis auf einmal dazugeben, kurz mit anschwitzen, dann mit dem Weißwein ablöschen und diesen weitgehend verkochen lassen. Etwa 200 ml Brühe angießen, alles salzen und pfeffern und die Flüssigkeit unter Rühren einkochen lassen. Nach und nach die übrige Brühe angießen und den Reis unter Rühren in 20-25 Minuten mit noch leichtem Biss fertig garen. Die Sahne und etwa die Hälfte des Parmesans dazugeben und

unter Rühren aufkochen. Mit Salz und Pfeffer abschmecken. In tiefen Tellern anrichten und den Trüffel dünn darüber hobeln. Mit dem restlichen Parmesan bestreuen und nach Belieben mit etwas Kerbel garnieren. TIPP Weißen Trüffel immer ganz zuletzt über das Essen hobeln und auf keinen Fall mitkochen. Denn im Gegensatz zu schwarzem Trüffel, der auch mit erhitzt werden kann, verliert weißer Trüffel durch Kochen sehr schnell sein einzigartiges Aroma.




Die Schlösser von Oltrepò Pavese Oltrepò Pavese liegt in der Lombardei, umringt vom Piemont, Ligurien und der Emilia-Romagna. Kultur und Schönheit all der Regionen kommen in diesem Dreieck vorzüglich zusammen. Besucher sehen es an den herrlichen Schlössern und schmecken es im Wein und den köstlichen Delikatessen. T E X T A L E S S A N D R O AVA L L I T I T E L F OTO © M A S S I M O R I PA N I  /  A N P F O TO


‚O

Die Landschaft Oltrepò Pavese entspricht in etwas der Provinz Pavia in der Lombardei, ein weitläufiges Gebiet von über 1.000 km2, das an die Provinzen Alessandria (Piemont), Genua (Ligurien) und Piacenza (Emilia-Romagna) grenzt. Die ideale Route beginnt im Westen. Von der Ausfahrt Casei Gerola der Autobahn A7, 50 km von Mailand entfernt, erreicht man das Schloss Rivanazzano (1) mit dem Auto in 20 Minuten. Fahren Sie weiter in Richtung Osten, entlang der Poebene, erreichen Sie die Burg von Cigognola (2). Die nächsten Etappen verlaufen in südlicher über weniger befahrene Provinz- und Panoramastraßen. Sie führen zu den Schlössern von Montalto (3), Zavattarello (4) und Varzi (5).

62

ITALIEN MAGAZIN

ltrepo‘ bedeutet „auf der anderen Seite des Po“. Auf der Südseite des Flusses in diesem Fall. Nach einigen Kilometern geht die Po-Ebene in steile Hügel über, gefolgt von Tälern, die so schön sind, als wären sie gemalt. Flüsse und kurvenreiche Straßen, die bei Radund Motorradfahrern sehr beliebt sind, durchqueren Wälder und Weinberge, bis sie die spitz zulaufenden Reliefs des nördlichen Apennins erreichen. Einst hieß es hier Alt-Piemont, als es Teil des Herzogtums Savoyen war. Es war ein strategisch wichtiges Gebiet, denn man musste es durchqueren, wenn man zum Ligurischen Meer, nach Frankreich oder Mailand wollte. Ein Land, das umkämpft war von den mächtigen Familien jener Zeit, wie den Malaspinas. Also musste es verteidigt werden. Vor allem im Mittelalter wurden hier gut 50 Burgen, Festungen und Türme gebaut. Heute zeugen die Überreste einiger dieser Bauten von dieser Vergangenheit. Manche wurden fachmännisch restauriert und befinden sich in Privatbesitz, während andere für die Öffentlichkeit zugänglich geblieben sind. Hier kommen der Reichtum und die Vielfalt dieses Gebiets und

der Einfluss seiner Nachbarn wunderbar zum Tragen. Sie entfalten sich in den köstlichen Weinen und Delikatessen, wie den Fleischwaren, aber auch im Kunsthandwerk und sogar in den verschiedenen Akzenten des Italienischen und des hier gesprochenen lokalen Dialekts: ein Spiel mit den Vokalen, das auch diejenigen faszinieren kann, die diese Sprachen nicht sprechen.


DIE SCHLÖSSER VON OLTREPÒ PAVESE

TIPPS Das Schloss ist im Besitz der Familie Moratti, deren Weinberge in der Nähe wertvolle Barbera-, Nebbiolo- und Schaumweine erzeugen. • Das Schloss von Cigognola Das Castello der Familie Moratti, renommierte Weinerzeuger. Der Wein ist auch online erhältlich. Piazza Castello 1, Cigognola. castellodicigognola.com

1. CASTELLO DI CIGOGNOLA Der zinnenbewehrte Turm und die Mauern dieser Burg stechen feindselig in den Himmel. Die Burg liegt auf einem der ersten Hügel, auf die man von Norden her stößt, und bewacht den Übergang von der Po-Ebene zum Scuropasso-Tal. Auf den Feldern gedeihen viel Weizen, Gerste, Mais und Sonnenblumen. „Von meinem Boot aus hat man einen bezaubernden Blick auf diese Landschaft, mit dem Schloss im Hintergrund“, sagt Marco Destro. Er organisiert Flussfahrten auf dem Po und ist Chefkoch des Restaurants all' Avam Posto, in einem alten umgebauten Boot mitten im Grünen. Hier können Sie ein Mittag- oder Abendessen genießen, während der Fluss sanft plätschert und die Sonne untergeht. Von All' Avam Posto aus sind es nur noch wenige Kurven bis zur Burg, die etwa 300 Meter über dem Meeresspiegel liegt. Das Schloss ist

innen elegant ausgestattet und beherbergt fünf verschiedene Bibliotheken. Heute ist es im Besitz der Familie Moratti, deren Weinberge in der Nähe kostbare Barbera-, Nebbiolo- und Schaumweine erzeugen. „In diesem Gebiet lassen sich 56 verschiedene Weinsorten herstellen“, versichert Carlo Veronese, Direktor des Weinkonsortiums Oltrepò Pavese. „Darunter Sangue di Giuda und Buttafuoco, zwei der sieben hiesigen Weine mit dem Qualitätszeichen DOP. Diese Vielfalt verdanken wir den 13.500 Hektar Rebfläche.“ Wer exzellenten Pinot Nero und Chardonnay bevorzugt, landet automatisch bei Prime Alture, dem einzigen Wein-Resort in Oltrepò, das geschmackvoll eingerichtet ist und über sechs komfortable Zimmer, ein Spa und ein Schwimmbad verfügt.

• Ristorante all’AvamPosto Marco Destro ist ein erfahrener Koch mit Liebe und Leidenschaft für seine Kunst. Fragen Sie ihn nach Gerichten mit Trüffel, der in der Landschaft des Oltrepò wächst. Località San Pietro, Portalbera. allavampostosulfiume.it • Konsortium zum Schutz der Weine aus Oltrepò Pavese Diese Arbeitsgemeinschaft hat zum Ziel, die hiesigen Weine bekannter zu machen. Zum Beispiel mit der Veranstaltung Cantine Aperte (Tag des offenen Weinkellers). Via Riccagioia 48, Torrazza Coste. consorziovinioltrepo.it • Bauernhof Prime Alture Steht in punkto Qualität und Schönheit einem Ressort in der Toskana in nichts nach. Und das nur etwa eine Autostunde von Mailand entfernt. Strada Madonna Vicinale per Campone, Casteggio. primealture.it

ITALIEN MAGAZIN

63

>


TIPPS Es ist ein traumhaft schöner Anblick: Im Juni und Juli färbt der blühende Lavendel die Hügel violett. Oltrepò ist in dieser Gegend quasi die Provence Italiens. • Schloss von Nazzano in Rivanazzano Terme Das Schloss ist Privatbesitz und kann nicht besichtigt werden. Aber das umliegende Dorf mit seiner Pfarrkirche aus dem 13. Jahrhundert ist auf jeden Fall einen Besuch wert. comune.rivanazzanoterme.pv.it • Thermen von Rivanazzano Terme Das Thermalgebäude verfügt über 18 Gästezimmer. Die Thermalbäder sind das ganze Jahr über geöffnet. Corso della Repubblica 2, Rivanazzano Terme. termedirivanazzano.it • Cascina Costanza Der Hof liegt auf der Kuppe eines Hügels und der Weg dorthin führt durch Weinberge und Lavendelfelder: mit einem Wort, wunderschön. Strada Comunale Alta Collina 1, Godiasco Salice Terme. cascinacostanza.com

64

ITALIEN MAGAZIN

2. CASTELLO DI NAZZANO, RIVANAZZANO TERME Ursprünglich waren Riva und Nazzano zwei eigenständige Gemeinden je auf den gegenüberliegenden Seiten des Flusses Stàffora. Dort beginnt das gleichnamige Tal, das ans Piemont grenzt. Die Burg thront 350 Meter über dem alten Nazzano. Sie können dieses malerische Dorf mit seinem kleinen gepflasterten Platz und dem schönen Blick auf das Tal besuchen. Es lag an der alten lombardischen Via del Sale, die Salzstraße, die von der Festung geschützt wurde. „Noch älter sind die Quellen“, verrät Giorgio Matto, Leiter der Thermen von Rivanazzano. „In der Nähe von San Francesco wurden Mitte des 19. Jahrhunderts römische Thermalquellen entdeckt. Seit 1913 werden sie in diesem Jugendstilgebäude wieder genutzt.“ Das Thermalwasser stammt aus

zwei verschiedenen Quellen, was für Italien einzigartig ist. „Die Schwefelquelle wird aus Quellwasser gespeist, die Quelle mit Salz, Brom und Jod wird aus fossilem Meerwasser gespeist, da dieses Gebiet vor Millionen von Jahren noch Meer war. Die üblichen Wellness- und Wohlfühlangebote ergänzen das Spa, so dass auch jüngeres Publikum den Weg hierher findet.“ Auch die Aussicht in Richtung der Hügel ist wirklich spektakulär, besonders im Juni und Juli, wenn der Lavendel leuchtend violett blüht. Oltrepò ist hier sozusagen die Provence Italiens. Der Bauernhof Costanza im nahe gelegenen Godiasco ist von diesem Lavendel umgeben, der übrigens eine ideale Zutat für hochwertige Pflegeprodukte und sehr schmackhaften Honig ist.


DIE SCHLÖSSER VON OLTREPÒ PAVESE

3. CASTELLO DI MONTALTO Montalto ist eines der charakteristischsten Dörfer des Oltrepò. Die Gebäude liegen auf einem Bergrücken zwischen dem Coppa- und dem Scuropasso-Tal, von dem aus man eine einzigartige Aussicht genießen kann. Leider ist das imposante Schloss für Besucher nicht zugänglich. Touristen können sich jedoch bei Signora Assunta, die den landwirtschaftlichen Betrieb Cella di Montalto seit Jahren führt, informieren. Sie bietet ihren Gästen gerne ein gutes Glas Wein an, während Sie die schöne Aussicht auf das Coppa-Tal genießen. Dann holt sie alte Postkarten hervor, auf denen Bilder von heute unauffindbaren italienischen Schlossgärten zu sehen sind. „Der Bergrücken von Montalto ist ideal zum Gleitschirmfliegen“, versichert Graziano Maffi, Inhaber der auf diesen Sport

spezialisierten Schule Gioco del volo. „Jeder kann einen Freiflug machen. Von jungen Menschen zwischen 16 und 80 Jahren.“ Die sanften Hügel der Gegend sind ideal zum Üben. An welchem Hang man startet, hängt von der Windrichtung ab, die einfach über eine App überprüft werden kann. „Probeflüge sind auch für Kinder möglich. Selbst wenn der Fluglehrer mit den Füßen immer auf dem Boden bleibt, bekommen sie dennoch das Gefühl, zu fliegen. Einige Kilometer weiter südlich liegt ein SchmetterlingsGarten mit einem Ökosystem von hoher Qualität, sowohl mit sehr seltenen Exemplaren, als auch häufigeren Arten. Die Besucher können die Schmetterlinge hier aus allernächster Nähe beobachten, sie fotografieren und ihr Verhalten studieren.

TIPPS Signora Assunta zaubert alte Postkarten hervor mit Bildern von längst verschwundenen Schlossgärten • Schloss von Montalto Zurzeit ist das Schloss nicht für die Öffentlichkeit zugänglich. In der Nähe befindet sich die Santa Maria Cisterna aus dem 17. Jahrhundert. Eine einfache, aber schöne Kirche. Informationen erteilt man am Bauernhof Cella di Montalto. • Gioco del volo Graziano Maffi bietet Touristen kostenlose Paragliding-Probeflüge an, außerdem touristische Flüge mit einem Fluglehrer (Tandemflug). Costa Gallotti 2, Montalto Pavese. giocodelvolo.it • Agriturismo Cella di Montalto Der Hof produziert seine eigenen Weine, Fleischwaren und Marmeladen. Traditionell ist auch der Riso alla Parmigiana. Località Cella 17, Montalto Pavese. celladimontalto.it

>

ITALIEN MAGAZIN

65


4. CASTELLO DI ZAVATTARELLO

TIPPS Die Festung versetzt Besucher ins Mittelalter zurück. Tunnel und schmale Wege führen zur Küche oder gar zum Kerker. • Castello Zavattarello Für Touristen spricht man hier auch Englisch. Zavattarello gilt als eines der schönsten Dörfer Italiens. zavattarello.online • Musikgeschäft Beltrami Fisarmoniche Dieser Akkordeonhandel birgt auch ein kleines Museum über das Dallapè-Akkordeon. Es soll bald erweitert werden, so der Besitzer. Via Sandro Pertini 28, Stradella. beltrami-fisarmoniche.it

© F OTO S M A U R O T I R O N I

• Agriturismo La Valle In den Sommermonaten kann man schön auf der Veranda speisen. Auf dem Hof gibt es auch eine Reithalle. Frazione Valle Inferiore 7, Zavattarello. agriturismolavalle.it

66

ITALIEN MAGAZIN

Wo es Schlösser gibt, sind Gespenster nicht weit. „Der Geist von Zavattarello bewegt Stühle“, sagt Direktorin Virginia Guerra mit einem Lächeln. Sie organisiert hier Veranstaltungen und Führungen. „Es ist der Geist von Pietro Dal Verme, der einer Legende nach von seiner Frau vergiftet wurde.“ Die Familie Dal Verme besaß die Festung bis 1975, als sie der Gemeinde Zavattarello geschenkt wurde. Die Festung versetzt Besucher ins Mittelalter zurück. Tunnel und schmale Wege führen zur Küche oder gar zum Gefängnis. Ein gut organisiertes Museum informiert den Besucher über die Geschichte des Schlosses, die bis ins 10. Jahrhundert zurückgeht. Das Musikzimmer grenzt an die Schlafgemächer. Mehrere Instrumente sind zu sehen, darunter eine Fisarmonika, ein

Akkordeon. „La Fisa ist das Symbol des Oltrepò in der Welt“, sagt Claudio Beltrami, seit 46 Jahren Akkordeonhersteller in Stradella. „Das Akkordeon kam 1876 über Mariano Dallapè in die Stadt, der auf seinem Weg von Genua nach Trentino hier Halt machte, um eine Drehorgel reparieren zu lassen, auf der er gerne spielte. Durch diese Reparatur und einige Änderungen wurde sein Instrument zu dem, was wir heute als Akkordeon kennen. Der Charme des Instruments besteht darin, dass man es mühelos an verschiedene Musikrichtungen anpassen kann mit den Klaviertasten oder Knöpfen auf der rechten Seite und den Bass- und Akkordtasten auf der linken Seite.“ So können Sie damit populäre oder klassische Musik aus aller Welt spielen, von Oltrepò bis Neuseeland.


DIE SCHLÖSSER VON OLTREPÒ PAVESE

TIPPS

©GIANNI PORTINARI

„Die Varzi-Salami mit ihrer leuchtend roten Farbe und ihrem groben Schliff wird aus den besten Teilen des Schweins und anderen einfachen Zutaten hergestellt.“

5. CASTELLO MALASPINA DI VARZI Noch heute thront die Festung von Malaspina über dem Dorf, das mit seinen Gassen, Bögen und hölzernen Säulengängen wie verzaubert wirkt. Geballte Schönheit auf wenigen hundert Quadratmetern. „Die Malaspinas servierten ihren Gästen früher eine köstliche Wurst, die später als Varzi-Salami berühmt wurde. Seit den 1990er Jahren ist sie durch ein Konsortium und durch das DOP-Gütesiegel geschützt“, sagt Alberto Garabello von der Salamifabrik La Scaletta. „Die VarziSalami zeichnet sich durch ihre leuchtend rote Farbe und ihren groben Schliff aus. Sie wird aus den besten Teilen des Schweins und anderen einfachen Zutaten hergestellt.“ Auch die Luft macht einen Unterschied. „Hier treffen die kalten Strömungen der Po-Ebene und die milde-

ren Strömungen des Ligurischen Meeres aufeinander. Dieses Mikroklima ermöglicht es, weniger Salz zu verwenden.“ Von Varzi aus gelangt man über die Via del Sale und die Via del Mare schnell an die ligurische Küste. Giovanni Portinari, ein Liebhaber dieser Wanderroute, hat ihr eines seiner Bücher gewidmet. „Die Via del Sale ist historisch. Sie verband die Seehäfen über den ligurischen Apennin mit der dahinter liegenden Ebene. Es wurden Salz, Getreide und Felle per Maultier ausgetauscht. Naturliebhaber entdeckten die 90 Kilometer lange Route vor kurzem wieder. Abgesehen von einigen Höhenunterschieden ist der Weg gut zu meistern. Er gestattet den Blick auf die Berge des Apennin bis zum Meer.“

• Castello di Varzi Die Geschichte des Schlosses und des Dorfes ist faszinierend, da sie an der Kreuzung zwischen Nord- und Süditalien liegen. Ein Besuch lohnt sich. castellodivarzi.com • Feinkost La Scaletta Speck, Schmalz und Coppa aus eigener Herstellung. Auch Direktverkauf. Località Ponte dei Sospiri 10, Varzi. lascalettasalamedivarzi.it • Agriturismo La Sorgente Unsere Empfehlung: Ravioli mit geschmortem Wildschwein, oder auch die geschmorten Ravioli. Ebenfalls sehr gut sind die lokalen Käsesorten. Via Generale Maretti 6, Varzi. lasorgenteagriturismo.it • Le vie del Sale e del Mare Dieser Reiseführer von Giovanni Portinari beschreibt (auf Italienisch) die Geschichte der Route und bietet Mountainbike-Karten und -Routen. Nehmen Sie ruhig Kontakt zum Autor auf. oltresentieri.com • Allgemeine Informationen oltrepopavese.com

ITALIEN MAGAZIN

67


68

ITALIEN MAGAZIN


V

Die ewige Jugend der

espa

Der stilvolle Flitzer wird 75! Das Jubiläum ist aber kein Grund für den Ruhestand. Im Gegenteil: Der zweirädrige Mythos mit seinen Wurzeln in der Luftfahrt saust in einem neuen Gewand auf dem Weg in die Zukunft. Die Geschichte dieses Rollers ist die eines gut durchdachten Produkts, das zum richtigen Zeitpunkt auf den Markt kam.

I

T E X T J E S P E R S T O R G A A R D J E N S E N F OTO S P I A G G I O

Links oben im Uhrzeigersinn: aus dem Vespa-Kalender von 1953; Faltblatt von 1949, aus dem Kalender von 1954 und ein Poster von 1955.

n Rom, in jeder italienischen Stadt, man sieht sie ü - ber - all in einer unglaublichen Vielfalt an Farben und Modellen. Ebenso vielfältig sind ihre Fahrer, von Teenagern bis zu rüstigen Senioren aus allen sozialen Schichten. Gekonnt schlängeln sie sich zwischen Autos und Bussen hindurch. Die Vespa, der berühmteste Motorroller der Welt, ist immer noch ein fester Bestandteil des italienischen Straßenbildes. Trotz ihres fortgeschrittenen Alters von 75 Jahren gibt es immer noch keine Anzeichen von Faltenbildung im Lack, von nachlassender Fahrbarkeit oder Geschwindigkeit. Im

Gegenteil, das neueste Modell, die Vespa 946, hat ein schnittiges Design, einen hoch entwickelten Motor und das sportliche Design, für das die Marke bekannt ist.

Neustart

Der Motorroller hat seine Wurzeln in der Luftfahrt. Vor dem Zweiten Weltkrieg stellte das italienische Familien­ unternehmen Piaggio Teile für Hubschrauber und Flugzeuge her. Während des Krieges produzierte Piaggio in seinen beiden Werken in der Toskana vor wiegend Kolbenmotoren für die >

ITALIEN MAGAZIN

69


Als Enrico Piaggio das Brummen des Motors hörte, entfuhr ihm: „Das klingt wie eine Wespe“ – italienisch „vespa“. Der Roller wurde auf der Stelle getauft!

Von links nach rechts: die erste Vespa 98cc von 1946; die hybride LX50 HyS von 2006; der Retrolook der Vespa 946 von 2013; die GTS 250 von 2005. Rechts oben: Poster der Vespa Bologna von 1953.

70

ITALIEN MAGAZIN

italienische Luftwaffe. Die Fabriken standen daher ganz oben auf der Abschussliste der alliierten Bomber, die beide Fabriken 1943 in Schutt und Asche legten. Zwei Jahre später baute Enrico Piaggio beide Werke wieder auf, allerdings mit einem neuen Ansatz. Piaggio hatte die Vision, dass die Italiener in den Nach­ kriegsjahren einen günstigen, praktischen und individuellen fahrbaren Untersatz brauchen würden. Er legte seinen Traum dem genialen Piaggio­Ingenieur Corradino D'Asciano vor und bat ihn, das neue Projekt zu leiten. D'Asciano präsentierte innerhalb von nur drei Monaten seine Idee für einen Motorroller. Als Enrico Piaggio den Prototypen sah, war er sofort begeistert von dem stilvollen Design mit den runden, glatten Formen. Als er dann das Brummen des Motors hörte, entfuhr ihm: „Das klingt wie eine Wespe“ – italienisch „vespa“. Der Roller wurde auf der Stelle getauft! Das Patent kam 1946, die Produktion konnte

beginnen. Die erste Vespa hieß wegen ihres Motors Vespa 98cc und hatte eine Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h bei 3,2 PS. Der Erfolg war mäßig, in den ersten zwei Monaten wurden nur 50 Stück verkauft. Enrico Piaggio war alles andere als zufrieden. Doch die Vespa war praktisch und erschwinglich und ein ansprechendes Transportmittel nach den verzweifelten Jahren des Krieges. Und die Italiener entdeckten, dass die Vespa ihnen eine neue Mobilität und Freiheit gab.

1956 eine Million Flitzer

Bis 1953 wurden 500.000 Vespas zugelassen, nur drei Jahre später bereits eine Million. Enrico Piaggios vorausschauender Blick und seine intelligente Marketingstrategie bildeten die Grundlage für diesen Erfolg. Piaggio war ein Gentleman mit Klasse und hatte einen kleinen, exklusiven Kreis von Freunden und Vertrauten um sich, von denen viele wichtige und einflussreiche Positionen


DIE EWIGE JUGEND DER VESPA

innehatten. Er war als seriös und zuver­ lässig bekannt, was sich auch positiv auf das von ihm angepriesene Produkt auswirkte. Für die Werbung hat er einen neuen Weg eingeschlagen. Wann immer möglich, ließ er einen Prominenten, vorzugsweise einen Hollywood­Star, auf einer Vespa fotografieren. Dazu hatte er reichlich Gelegenheit, denn viele Filme wurden in Rom gedreht. Ein Hollywood­

Film machte die Vespa selbst zum Filmstar. In „Ein Herz und eine Krone“ (Roman Holiday, 1953) spielt die schöne Audrey Hepburn eine moderne Prinzessin, die gegen ihre königlichen Pflichten rebelliert und allein nach Rom reist. Sie trifft einen amerikanischen Journalisten (Gregory Peck), der auf der Suche nach einer guten Story ist, und gemeinsam fahren sie ­ natürlich auf >

ITALIEN MAGAZIN

71


Das Museum of Modern Art in New York präsentiert eine Vespa GS aus dem Jahr 1955 in seiner Sammlung als „Meisterwerk des Industriedesigns“ einer Vespa ­ durch die Ewige Stadt. Audrey Hepburn gewann einen Oscar und der Stil und Charme der Vespa eroberte die Welt.

Vespino und Vespone

Trotz dieses Erfolgs ruhte sich Enrico Piaggio nicht auf seinen Lorbeeren aus. In den 1950er und 1960er Jahren wurden neue Modelle entwickelt. Eines der Beliebtesten war die Vespa 150 Gran Sport aus dem Jahr 1954. Aufgrund ihrer hohen Leistung bekam sie den Namen „Il Vespone“, die große Vespa. Mit seinem leistungsstarken Antriebs brachte es dieses Modell auf eine Höchst­ geschwindigkeit von 100 km/h. Etwa ein Jahrzehnt später, brachte Piaggio 1963 ein weiteres sehr beliebtes Modell auf den Markt. Die Vespa 50 genannt. „Vespino“, kleine Vespa. Die Verkehrsregeln hatten sich gerade geändert und erlaubten das Fahren von Mopeds und Motorrollern bis zu 50 ccm Hubraum ohne Führerschein. Das machte die Vespino in Rekordzeit

72

ITALIEN MAGAZIN

unglaublich populär. Eine ganze Generation von jungen Menschen in Italien war nun motorisiert. Auch der Pkw­Absatz erlebte in den 1970er und 1980er Jahren ein stürmisches Wachstum, was dem Verkauf der Vespas jedoch keinen Abbruch tat. Der Verkehr in den Städten wurde immer unerträglicher. Autofahrer verfluchten die Staus und die ewige Parkplatzsuche. Piaggio hingegen betont dies Problem genüsslich in einem Werbeslogan unter dem Begriff „Sardomobili“, was in etwa bedeutete, dass die Autos im Verkehr wie Sardinen in der Büchse feststeckten. Die Lösung? Natürlich ein handlicher kleiner Roller, der sich im Zickzack durch den feststeckenden Verkehr schlängeln kann.

Kilometer voller Kuriositäten

Die Vespa ist heute viel mehr als nur ein Transportmittel. Sie war ein zuverlässiges Fahrzeug bei unglaublichen Abenteuern. 1952 überquerte der Franzose Georges Monneret den Ärmelkanal auf einem


DIE EWIGE JUGEND DER VESPA

speziell umgebauten Vespa­Boot. Der italienische Student Giancarlo Tironi tuckerte mit einer Vespa von Italien zum Nordpol. Der italienische Journalist Roberto Patrignani reiste damit von Mailand nach Tokio. Sein amerikanischer Kollege James P. Owen durchquerte im Sattel des Zweitakters Amerika von den USA aus bis nach Feuerland in Argentinien. Die Spanier Santiago Guillén und Antonio Veciana ließen sich von einer Vespa von Madrid bis Athen tragen. Ihr Roller wurde von keinem Geringeren als Salvador Dalí persönlich bemalt. Dieses Vespa­Kunstwerk steht heute im Piaggio­ Vespa-Museum in Pontedera in der Toskana. Die brandneue Vespa 946 gibt es sogar in einer auffälligen Christian­ Dior­Version. Ein Motorroller als Kult­ objekt, als eine Ikone des Stils und des Designs. Das Museum of Modern Art in New York präsentiert eine Vespa GS aus dem Jahr 1955 in seiner Sammlung als „ein Meisterwerk des Industriedesigns“. Die Verkaufszahlen sprechen Bände: Weltweit wurde bereits die 18­Millionen­ Marke überschritten, weit mehr als jedes andere motorisierte Zweirad. Vom ersten Prototyp im Jahr 1946 bis heute durchlief die Vespa rund 20.000 Änderungen. Es kamen in den vergangenen 75 Jahren etwa 150 verschiedene Modelle auf den Markt. Die Regentschaft als beliebtester Roller der Welt will sich die neue Vespa 946 sichern mit einem starken Viertaktmotor, 125 ccm, Automatikgetriebe, Scheibenbremsen, LED­Licht und vor allem Sparsamkeit: Mit einem Verbrauch von unter zwei Litern auf 100 Kilometern ist sie vergleichsweise energieeffizient. Das legendäre italienische Design bleibt natürlich. Es erinnert immer noch stark an die

geschmeidigen, runden Formen des Prototypen von 1946, aber natürlich aktualisiert in einer temperamentvollen Version für 2021. Der Mythos auf zwei Rädern mag zwar 75 Jahre alt sein, ist mit ihrer jugendlich­fröhlichen Ausstrahlung aber noch weit vom Ruhestand entfernt! • vespa.it

Aktuelle Zusammenarbeit von Christian Dior und Vespa mit der 946 (2021). Links: der Junge Luca auf einer Vespa in Italien in dem neuen Film „Luca“ von Disney und Pixar.

ITALIEN MAGAZIN

73


Die Taverna Madonna dei Monti ist das Lieblingslokal von Paolo Giordano.


Paolo Giordano DAS ROM VON Nach 35 Jahren in Turin hat der Schriftsteller und Naturwissenschaftler Paolo Giordano (38) das geometrisch angeordnete Turin gegen das unaufgeräumte, aber dafür bildschöne Rom eingetauscht. Die beiden Städte verkörpern zugleich die beiden Seiten seiner selbst: die des Naturwissenschaftlers und die des Autors. „In Rom zu wohnen, fühlt sich an, als wäre ich das ganze Jahr im Urlaub.“

T E X T & F O TO S V I V I A N D E G I E R & M A R C B R E S T E R / A Q U AT T R O M A N I


S TIPPS Aktivität • Spaziergang in Monti; die vielen Sheenswürdigkeiten reichen für mehrere Tage: Forum Romanum, Palatin, Kolosseum, Circus Maximus. In Monti locken zudem nette (Vintage-)boutiquen und kleine Schmuck- und Designläden.

76

ITALIEN MAGAZIN

chon seit zehn Jahren hatte er heimlich davon geträumt, nach Rom zu ziehen. Nach dem überwältigenden Erfolg seines Debütromans Die Einsamkeit der Primzahlen, mit dem er 2008 als jüngster Autor aller Zeiten mit dem renommierten Premio Strega den wichtigsten Literaturpreis Italiens gewann, musste er beinahe wöchentlich für Fernseh- oder Radioauftritte nach Rom. „Dabei habe ich mich in die Stadt verliebt“, erzählt er auf der Terrasse seines Lieblingscafés auf der Piazza della Madonna dei Monti, gleich um die Ecke von seiner neuen Wohnung. „Die ersten Tage, die ich hier verbracht habe, fühlten sich an, als sei ich betrunken. So sehr haben mich die Schönheit und die reiche Geschichte beeindruckt, die einem hier zu Füßen liegen. Das kommt öfter vor, ich bin nicht der einzige, den Rom dermaßen überwältigt.“ Doch an einen Umzug war damals nicht zu denken, er war gerade bei

seiner Frau eingezogen, die wie er in Turin wohnte. Sie hatte zwei Kinder aus einer früheren Beziehung, die dort zur Schule gingen und deren Vater in der Nähe lebte, also musste Rom warten. 2018 aber war es dann so weit. Die Kinder waren inzwischen groß genug und seiner Frau, die als Redakteurin arbeitet, kam ein Umzug auch gelegen. „Hier leben viele Schriftsteller, dementsprechend gibt es in Rom auch mehr literarische Aktivitäten.“ Also machte sich Giordano auf die Suche nach einer Wohnung oder einem Haus. „Ich habe zuerst im Viertel Prati gesucht, weil ich dort Leute kannte. Doch nach einer Weile wurde mir klar, dass das nicht der wahre Grund war. Dieser bestand nämlich darin, dass das Viertel von Architekten aus Turin entworfen wurde, wodurch auch der Grundriss an Turin erinnert, die Stadt, in der ich geboren wurde und wo ich 35 Jahre lange gelebt hatte. Es hat sich vertraut angefühlt – rational, rechtwinklig und ordentlich –


DAS ROM VON PAOLO GIORDANO

„Hier hat jede Straßenecke eine Geschichte“, sagt Paolo Giordano.

„Ohne dass ich mir darüber bewusst war, habe ich nach dem gesucht, was ich kannte. So stark können Instinkte sein.“ und damit hat es unbewusst auch an den Wissenschaftler in mir appelliert, denn ich bin studierter Physiker. Das habe ich erst verstanden, als Freunde von mir gesagt haben, dass ich ebenso gut in Turin hätte bleiben können, wenn ich in Prati wohne. Sie hatten Recht. Ohne dass es mir bewusst war, habe ich nach dem gesucht, was ich bereits kannte. So ausgeprägt können Instinkte sein.“ Als er anschließend die charmanten Sträßchen von Monti erkundete, die sich in der Nähe der touristischen Highlights

befinden, aber dennoch authentisch und zudem bezahlbar geblieben sind, wusste er, dass hier sein neues Zuhause sein würde. Eine Wohnung hatte er bald darauf gefunden: „Wenn es um große Entscheidungen geht, folge ich meinen Instinkten. Über die Kleinen kann ich endlos grübeln, aber bei wichtigen Fragen weiß ich ganz schnell, was ich wirklich will. Nicht essenzielle, vergängliche Dinge wie etwa die Pflanzen auf oder neben den Häusern hier, die können mich bewegen. Genau darum hat mich

dieses Viertel angesprochen. Als ich das Haus entdeckt habe, konnte ich uns direkt darin sehen.“ Neben dem Appartementhaus liegt eine Schule, von deren Mauern heute Vormittag während der Pause fröhliches Gelächter erschallt. Ein wunderbares Geräusch, meint der Schriftsteller und grinst: „Zumindest solange sie nicht singen.“

Zwei�elha�tes Privileg Dies alles liegt nun drei Jahre zurück. Eigentlich aber fängt Giordano erst jetzt an, die Stadt

>

ITALIEN MAGAZIN

77


TIPPS Essen & Trinken • La Taverna Madonna dei Monti Via della Madonna dei Monti 16 latavernamadonnadeimonti. business.site • Trattoria Valentino Via del Boschetto 37 FB @Trattoria-Valentino-viadel-Boshetto • La Barrique Via del Boschetto 41B labarriquevinoecucina. wordpress.com • Ai Tre Scalini Via Panisperna 251 aitrescalini.org

78

ITALIEN MAGAZIN

besser kennenzulernen, wie er kleinlaut einräumt. „Als wir hier hingezogen sind, war ich fast ein Jahr lang in Italien und dem Ausland für mein Buch Den Himmel stürmen unterwegs und daher kaum zuhause. Wenn meine Frau einkaufen geht, wird sie überall freudig begrüßt und hält ein Schwätzchen, aber ich bin nach drei Jahren noch immer ein Fremder. Ich habe mir Sorgen gemacht, ob sich die Kinder hier wohlfühlen würden, doch meine Familie ist schon viel mehr in der Stadt verwurzelt als ich. Inzwischen bin ich mit meiner Wahl sehr glücklich, doch nach sechs Monaten hatte ich Turin körperlich vermisst und mich permanent gefragt, warum ich all dies noch mal gewollt hatte?“ Nach der Tour hat Giordano, wie es das seit jeher tut, den Sommer in seinem Haus in Apulien verbracht. Bald darauf kam die CoronaPandemie, wodurch Rom in den Lockdown musste. „Nun war ich endlich in Rom, aber durfte monatelang das Haus nicht verlassen.“ Später gehörte Rom voll und ganz den Einheimischen. Ein zweifelhaftes Privileg, wie der Autor findet. „Es

schien so als würde ich ganz allein am schönsten Ort der Welt leben, aber es fühlte sich hinten und vorne falsch an. Großartig, aber auch bedrohlich.“ Während langer Spaziergänge hat er seine neue Heimat schließlich erkundet – aber auf seine eigene Art: „Ich gehe jeden Tag dieselbe Runde, wie ein Hamster in seinem Rädchen“, lacht er. Von seiner Straße aus laufen wir zur Villa Aldobrandini, ein Park, der über die Dächer hinausragt und der eine sehenswerte Aussicht bietet über den Altar des Vaterlandes auf der Piazza Venezia sowie auf den Palazzo del Quirinale an der Grenze des Viertels. Immer mal wieder flattert ein bunter Grassittich vorbei. „Ich bin in diesem Park gelandet, weil ich nach der nächstgelegenen Grünfläche gesucht hatte. Ein durchaus exotischer Flecken, mit all den Palmen. Wo ich herkomme, gibt es die nicht. In anderen Städten wäre ein Park wie dieser eine echter Blickfang, doch inmitten der Pracht Roms ist er eher unbeachtet geblieben. So fühlt es sich fast verschwenderisch an.“ Von der Ecke des Parks blickt man in die Via >


DAS ROM VON PAOLO GIORDANO

Eindrücke vom täglichen Spaziergang Giordanos, der unter anderem zum Circus Maximus und zum Kapitol führt.

ITALIEN MAGAZIN

79


TIPPS Schlafen • Monti Palace Hotel Via Cavour 185 montipalacehotel.com • Condominio Monti Via dei Serpenti 9 condominiomonti.it • Hotel Grifo Via del Boschetto 144 hotelgrifo.com In der Via Panisperna wurde Tom Cruise bei Aufnahmen zum Mission ImpossibleFilm gesichtet.

80

ITALIEN MAGAZIN

Panisperna, eine beeindruckende Straße mit hängenden Gärten, noch so etwas, woran Paolo Giordano sein Herz verloren hat. „Ende letzten Jahres wurden hier Szenen für den neuen ‚Mission Impossible‘ gedreht, plötzlich habe ich Tom Cruise vorbeirasen gesehen.“ Vermutlich ist auch diese Straße einer der (unbewussten) Gründe, warum er sich für dieses Viertel entschieden hat, erklärt er kurz darauf. Hier nämlich war in den 1930er Jahren das berühmte Physikalische Institut beheimatet, wo brillante Naturwissenschaftler wie Enrico Fermi und Ettore Majorana als „I ragazzi di Via Panisperna“ Furore gemacht hatten. „Der Film, den ich über die beiden gesehen hatte, war einer der Gründe, warum ich Naturwissenschaftler geworden bin. Sie hatten die Grundlagen für das Verständnis von Atomen und Nuklearenergie gelegt. Majorana, ein brillanter Physiker, verschwand 1938 spurlos, als er Anfang 30 war. Über das Wie und Warum kursieren verschiedene Theorien, die Leonardo Sciascia in einem grandiosen Buch zusammengefasst hat

(„La scomparsa di Majorana“). Diese Geschichte hatte mich von klein an gefesselt. Als ich kürzlich entdeckt habe, dass ich um die Ecke dieses legendären Ortes lebe, war ich ziemlich bewegt. Es hat sich wie eine logische Konsequenz angefühlt.“ Vorbei an der Rückseite der Trajansmärkte, des Torre del Grillo und des Mars-Ultor-Tempel laufen wir in Richtung der Römischen Kaiserforen. „Schau“, sagt er, während er zur Via Baccini zeigt, „diese hier finde ich eine der schönsten Straßen der Stadt. Ein Stückchen weiter liegt der Markt von Monti, wo ich Gemüse und Käse kaufe“. Wie zum Beweis hält er ein Schwätzchen mit Markthändler Filippo, der grade seine Pasta ausrollt.

Komplex und vielschichtig

Weiter geht die Hamsterroute vorbei an einem Lieblingsrestaurant La Taverne Madonna die Monti zum Nerva-Forum. „Hier ist mein Freiluftbüro“, lacht Giordano, während er auf die Reste des einst gigantischen Komplexes aus Tempeln und Palästen schaut. „Wenn ich


DAS ROM VON PAOLO GIORDANO

Der Brunnen auf der Piazza della Madonna dei Monti.

„In Rom zu leben fühlt sich an, wie das gesamte Jahr über im Urlaub zu sein.“ lange Telefongespräche führen muss, komme ich immer hierher.“ Mit den Kaiserforen rechts und dem beeindruckenden Forum Romanum links, handelt es sich um den wohl imposantesten Flecken ganz Roms – und einen der bekanntesten. „Dies ist der touristischste Ort meiner Runde“, sagt Giordano fast entschuldigend. „Mein Spaziergang führt vorbei an vielen touristischen Highlights, was keine Absicht war. Aber dieses Viertel ist nun mal sehr reich an archäologischen Fundstätten.“ Er lacht: „Wenn man in Rom lebt, ist das so, als wäre ich das ganze Jahr im Urlaub.“ Über Rom zu schreiben, kommt ihm jedoch vorläufig nicht in den Sinn. „Über

Apulien, wo mein Roman Den Himmel stürmen spielt, konnte ich erst nach zwölf Jahren schreiben. Erst danach habe ich die Menschen gut genug verstanden, um bedeutungsvoll darüber schreiben zu können. Ich denke, dass das bei Rom noch länger dauern wird; noch fühle ich mich eher als Tourist. Durch die jahrhundertelange Geschichte ist es eine sehr komplexe und vielschichtige Stadt mit einer gemischten Bevölkerung. Ich habe stets das Gefühl etwas zu verpassen.

Helleres Licht

Über eine Treppe gelangen wir zum wichtigsten Hügel der Stadt, dem Campidoglio oder auch Kapitols-

platz, dem Zentrum der politischen Macht. Orte wie dieser werden noch immer dafür genutzt, wofür sie einst angelegt wurden. Heute findet hier ein Gipfeltreffen der G20 statt, eine Zusammenkunft der wirtschaftlichen Großmächte. Ein Stückchen weiter im Circus Maximus an der Via die Cerchi, wo früher die Wagenrennen ausgetragen wurden, findet der Springreiter-Grandprix statt. Auch dient der Ort als Kulisse für Opern und Konzerte. Wir umrunden den Palatin, wo die Kaiser ihre Paläste hatten, und laufen zum Kolosseum. „An diesen Gedanken muss ich mich noch immer gewöhnen: Dass ich so nah am Kolosseum und den Kaiser>

ITALIEN MAGAZIN

81


TIPPS • Das jüngste Buch von Paolo Giordano, In Zeiten der Ansteckung, erschien 2020 bei Rowohlt (€ 8,00). In diesem Buch blickt er auf die Corona-Zeit zurück und wagt einen Ausblick in die Zukunft. In Italien ist bereits eine Fortsetzung dieser Abhandlung auf dem Markt.

82

ITALIEN MAGAZIN

palästen wohne. Schließlich bin ich in einer Mittelklasse-Gegend ohne sichtbare Identität aufgewachsen. Hier hingegen besitzt jeder Stein und jede Straßenecke eine eigene Identität. Das Kolosseum ist das meistbesuchte Monument der Welt, das ich selbst noch im vergangenen Jahr aufgesucht habe. Es gehörte einst zum Zentrum des politischen Lebens. Anderen mag das egal sein, doch mich bewegt das. Die Schichten aus Politik, Macht, Geschichte und Glaube, dazu die fantastische Architektur. All das macht das Leben hier sehr besonders, nicht nur weil ich ein Gespür für besondere Orte habe. Gleichzeitig macht es das Leben auch anstrengend. Anders als ich das vorab erwartet hatte, verbringe ich mehr Zeit alleine daheim, als ich das zuvor in Turin getan habe. Ich muss mich regelrecht erholen von den vielen Eindrücken und all der Schönheit. Kurzum: Nach 35 Jahren in Turin gehörte ihm diese Stadt. Hier ist es andersherum. „Ich kann mich

noch verirren. Das macht das Leben weniger vorhersehbar und abenteuerlicher.“ Müsste Giordano die Städte charakterisieren, würde er sagen, dass Turin verlegen, rational, introvertiert und ein bisschen snobistisch ist. Rom hingegen ist das Gegenteil: extrovertiert, warmherzig und sinnlich. Turin steht denn für seine wissenschaftliche Seite, Rom für das Gefühl, das in seiner Arbeit so schön zum Ausdruck kommt. „Wir alle werden viel stärker durch Heimat und Geburtsort geprägt, als uns bewusst ist. Für mich war es eine überraschende Erkenntnis, dass mein Charakter mehr auf meine Geburtsstadt kommt. Hier zu wohnen ist eine gute Übung für mich, die ausgelasseneren Seiten meiner Persönlichkeit zu entwickeln.“ Das Licht ist heller, die Menschen fröhlicher. Auch die Sonne scheint in Rom viel häufiger als in Turin, lacht Giordano. „Wer wie ich dafür empfänglich ist, spürt wie sich das Licht aufs Gemüt auswirkt. Mir hat es gut getan.“ •


DAS ROM VON PAOLO GIORDANO

Linke Seite: Kiosk in der Nähe des Kolosseums. Diese Seite: Paolo Giordano auf das E-Bike.

ITALIEN MAGAZIN

83


Daniele da Volterra gehörte zu Michelangelos sehr kleinem Kreis Vertrauter und wurde in Rom allgemein als Nachfolger von Il Divino betrachtet. Seine Kunst ist in ganz Rom und Florenz zu

Musikvirtuosen Jedes Jahr dürfen in Italien Musiker in einem Orchester unter Leitung einer Legende spielen: Riccardo Muti ist ein großer Name in der italienischen Musikwelt, als Dirigent und als musikalischer Leiter des legendären Teatro Alla Scala in Mailand. Während der jährlichen Opernakademie wählt er junge Dirigenten und Klaviertalente aus und bildet sie weiter. Proben und Aufführungen sind

Bücher-Paradies

Bücherwürmer aufgepasst: In Mailand gibt es diesen November viel Lesefutter! Italien ist ein Land mit einer reichen literarischen Geschichte, und es gibt nur wenige Orte, die sich besser eignen, um sich einer breiten Palette von Büchern und Lesungen hinzugeben. Das diesjährige Thema lautet: Was passiert nach der Pandemie? Auf der Suche nach der Antwort wird

84

öffentlich. Es ist ein nobles Unternehmen, das junge Künstler stärkt und in Kontakt mit dem Publikum bringt. Für Musikliebhaber ist es ein einzigartiges Erlebnis, einigen Schlüsselfiguren der klassischen Musikwelt nahe zu kommen, aber auch den kreativen Prozess, durch den ein Konzert entsteht, live mitzuerleben. (PC) Opera Academy, 4.-15. 12. 2021, Mailand. fondazioneprada.org

ITALIEN MAGAZIN

der Fokus auf dem Buch, dem Wort und dem Dialog liegen. Weitere Themen sind Poesie, Berufe in der Literatur, Kinder und Jugendliche, sowie Kunst und Bild. Eine großartige Veranstaltung für Jung und Alt, die das literarische Erbe verbreiten und verbinden will. (PC) Bookcity Milano, 17 - 21 November 2021, Mailand. bookcitymilano.it

VON PELLE COUWENHOVEN & ANNEKE WARDENBACH

© F A B R I Z I O Z A N I F O TO G R A F O

arte e cultura

Hosenmaler bewundern, aber am bekanntesten ist er als der Maler, der für Papst Pius IV. die nackten Figuren auf Michelangelos „unmoralischem“ Jüngsten Gericht einzukleiden, was ihm den Spitznamen Braghettone (Hosenmaler) einbrachte. Er schuf auch Bronzebüsten seines Mentors, die den betagten Michelangelo treffend darstellen und die jetzt in einer schönen Ausstellung zusammengefasst wurden. (PC) Michelangelo: L’effigie in bronzo di Daniele da Volterra. 13 .12.21 - 18.04.22, Galleria dell’Accademia, Florenz. galleriaaccademiafirenze.it

Fotof est in Siena Ein Besuch der mittelalterlichen Stadt Siena ist nie verkehrt, aber diese historische Stadt mit schönen modernen Fotos zu kombinieren, lässt den Besucher das Beste aus beiden Welten erleben. Die alten Gassen führen zu einem der renommiertesten Fotowettbewerbe Italiens, vielleicht sogar Europas: Bei den Siena Awards werden viele wunderbare Bilder in zehn Kategorien gezeigt, und auch Sie können

teilnehmen und Ihre fotografischen Fähigkeiten unter Beweis stellen! Einsendungen von Amateuren werden ernsthaft berücksichtigt. Wer weiß, vielleicht wird Ihnen demnächst auf der Bühne in Siena applaudiert, im wunderschönen Teatro dei Rinnovati aus dem 14. Jahrhundert auf dem Hauptplatz im historischen Zentrum! (PC) Siena Awards Festival, 23.10. - 05. 12. 2021. festival.sienawards.com


Abonnieren Sie das Frankreich Magazin zum Sonderpreis

Fellini-Museum

©ARCHIVIO COMUNE RIMINI

Im Sommer eröffnete das Fellini-Museum an drei stimmungsvollen Standorten in Riminis Altstadt: Castel Sismondo, Palazzo del Fulgor und Piazza Malatesta. Es ist Teil eines groß angelegten Plans, um die kulturelle und architektonische Infrastruktur der Stadt zu sanieren. Der weltberühmte Regisseur (1920-1993) kam in Rimini zur Welt und kehrte später immer wieder aus seiner Wahlheimat Rom

in seine Geburtsstadt zurück. Das neue Museum will nicht das filmische Werk Fellinis als Ganzes präsentieren, sondern die Stadt, die eine so wichtige Rolle in vielen seiner Filme spielt, zu einem räumlichen und konzeptuellen Rundgang verdichten. Rimini wird zum Ausgangspunkt einer imaginären Reise und zum Schlüssel zu Fellinis Welt, in der alles vorstellbar ist. fellinimuseum.it

4 AUSGABEN FÜR NUR € 22 (anstatt € 26)

Der genannte Abonnementspreis ist inklusiv Versandkosten innerhalb Deutschlands. Im EU-Ausland kommen € 6 Versandkosten hinzu. Weitere Abonnement-Angebote mit tollen Willkommensgeschenken und Infos zu den Abonnements finden Sie auf unserer Website.

Besuchen Sie frankreichmagazin.org Rufen Sie uns an 0031 88 2266638 (Montag bis Freitag, 10.00 – 16.00 Uhr)


Anfängerfehler

Das kann passieren: Der erste Italienischkurs ist mit Erfolg bestanden und beim Besuch im Restaurant in Bella Italia – lauter Verwirrung und schiefe Blicke. Wie alle Nationalitäten der Welt haben auch die Italiener ihre speziellen kulinarischen Eigenheiten, ein paar davon müssen Besucher einfach kennen. Dabei ist es gar nicht so schwer, italienisch „richtig“ zu genießen!

1. Cappuccino, Espresso… Cappuccino (& alle Kaffee-Varianten mit Milch darin) wird ausschließlich zum Frühstück getrunken, das gilt als sättigend! Ab 12 Uhr wird Espresso, also „richtiger“ Caffé) bestellt und zwar bis in die Nacht hinein. Filterkaffee ist selten zu finden und wird lustigerweise als „Caffé tedesco“ (deutscher Kaffee) ausgeschrieben – und den gibt es auch nur in touristischen Gegenden! Tipp: die Italiener trinken in der Eile auch gerne mal einen Caffé stehend an der Bar – da wird auch auf die teurere Servicepauschale, die als Ersatz für Trinkgeld gesehen werden kann, verzichtet.

2. Exotische Pizza? Bitte, bitte nicht bestellen: Ein stolzer, italienischer Koch, würde niemals Ananas und Schinken auf einer Pizza kombinieren und das dann exotisch als „Pizza-Hawaii“ betiteln. Das wäre genau so eine kulinarische Ohrfeige wie Ketchup zu Pasta.

3. Versteckter Risotto Es muss immer schneller gehen und das leider auch in der Küche: „Versteckter“ Risotto im Schnellkochtopf ist für Puristen verboten, sind es doch der liebevolle Blickkontakt zum köchelnden Reis, das stetige Abschmecken und der verführerische Duft in unseren Nasen, die einen guten Risotto hergeben und auf unnachahmliche Weise unseren Appetit anregen!

4. Die Spaghetti-Etikette Gibt es Spaghetti, sollten Löffel außer Sichtweite sein – es ist doch so einfach: Der Löffel ist für die Suppe! Spaghetti mit der Gabel auf dem Teller aufzurollen ist nun wirklich keine motorisch-anspruchsvolle Fingerakrobatik.

86

ITALIEN MAGAZIN

TEXT & FOTOS STEPHANIE MANTILLA

5. Brot ist keine Vorspeise Brot wird in Italien serviert, um die „Scarpetta zu machen“ – Das „Aufwischen“ der restlichen Sauce vom Teller. Vielleicht fühlst du dich nun ertappt, weil du es im Restaurant vorab mit Olivenöl und Balsamico genossen hast!

6. Der Magen knurrt Die Italiener essen spät, da muss sich der Tourist umgewöhnen. Deftiges Mittagessen gibt es zwischen 13 und 14 Uhr und das leichte Abendessen ab 19.30 Uhr. Tipp für Hungrige: abends wird gerne die Apericena (=vor dem Abendessen) bestellt: Ein Glas Wein oder Aperol, wozu Antipasti serviert werden. In manchen Bars darf man sich am Buffet bedienen, sobald man ein alkoholisches Getränk bestellt. •


Può succedere anche ai migliori: il primo corso d’Italiano è stato superato con successo, ma quando si va a cena al ristorante di Bella Italia... confusione assoluta dopo aver aperto il menù e sguardi storti dai camerieri. Come tutte le nazionalità del mondo, anche gli Italiani hanno le loro particolarità culinarie, alcune delle quali i visitatori devono assolutamente conoscere. Non è poi così difficile godersi “davvero” l’Italiano!

BUON ISSI MO

Errore da pr incipiante

STEPHANIE MANTILLA BESUCHT MIT VATER LORENZO IN JEDEM WINKEL ITALIENS BAUERN UND MANUFAKTUREN, PROBIERT UND ENTDECKT, WAS DIE SONNE, DIE ERDE UND DIE LUFT UNS BIETEN, UND BRINGT AUSERWÄHLTE SCHÄTZE ÜBER LORENZOS-GUSTO.COM NACH DEUTSCHLAND.

3. Risotto nascosto

1. Cappuccino, espresso...

Al giorno d’oggi tutto va più rapido, compresa la cucina. Ma per gustare un vero risotto, preparato secondo la tradizione italiana, il riso non va “nascosto” nella pentola a pressione per essere preparato in pochi minuti. È la lenta cottura senza coperchio in un’ampia pentola, l’amorevole contatto visivo con il riso in ebollizione, il gusto costante e l’odore seducente nei nostri nasi che ci guidano nel preparare un buon risotto che stuzzica il nostro appetito!

Il cappuccino (e tutti i tipi di caffè con dentro il latte) si bevono solo a colazione, oppure per merenda con un biscottino o

4. Il galateo degli spaghetti

Se ci sono gli spaghetti in tavola, i cucchiai dovrebbero essere nascosti - è così semplice: il cucchiaio è per la zuppa! Arrotolare gli spaghetti con una forchetta sul piatto, a differenza di quanto si pensa, non è una difficile acrobazia da fare con le dita.

5. Il pane non è un antipasto Il pane viene servito in Italia per “fare la scarpetta”, ovvero raccogliere la salsa rimanente nel piatto su cui si è mangiata la pasta. Forse ti sentirai irresistibilmente attratto da quel pane, se l’ultima volta l’hai assaggiato con olio extravergine d’oliva e aceto balsamico!

6. Lo stomaco brontola un pasticcino. L’espresso invece, ovvero il caffè “vero”, si ordina a qualunque ora del giorno, fino a notte fonda. Il caffè filtrato si trova raramente e, stranamente, è chiamato “caffé tedesco” - ed è disponibile solo nelle zone turistiche! Nota: agli Italiani, quando hanno fretta, piace bere un caffè in piedi al bar- fanno anche a meno del resto in spiccioli, che può essere visto come un sostituto di una mancia.

2. Pizza esotica? Per favore, e mi raccomando, ricordate che un orgoglioso chef italiano non unirebbe mai ananas e prosciutto su una pizza per poi chiamarla con un nome esotico come “Pizza Hawaii”. Sarebbe uno schiaffo culinario, come il ketchup sulla pasta!

Gli Italiani mangiano relativamente tardi, quindi il turista è costretto prima o poi ad abituarsi. Il pranzo, di solito abbondante abbondante, è disponibile dalle 13:00 alle 14:00 e la cena, in genere più leggera, dalle 19:30. Suggerimento per gli affamati: la sera viene spesso ordinato l’aperitivo (=prima di cena): un bicchiere di vino o di spritz aperol servito con alcuni antipasti. In alcuni bar si chiama apericena (=aperitivo+cena), perchè puoi anche servirti di un buffet di antipasti, degustazioni e finger-food non appena hai ordinato una bevanda alcolica. •

Leser erhalten 10% Rabatt mit dem Code: LORENZOS GUSTO!

ITALIEN MAGAZIN

87


mangiare

Jeder kennt und liebt Pasta, aber kaum einer kennt ihre Geschichte. Wie sah wohl Pasta Bolognese im späten 19. Jahrhundert aus? Wieso hatten es die heute beliebten Gnocci im 18. Jahrhundert so schwer? Und was hat Boccaccio mit all dem zu tun? Luca Cesari, passionierter Koch(historiker) erzählt unterhaltsam und alles andere als altbacken von den zehn bekanntesten Pastagerichten und räumt mit Fabeln auf: Es „reicht ein kurzer Blick in die Geschichte (…), um sich bewusst zu machen, dass all diese traditionellen Spezialitäten praktisch immer jünger sind, als man vermutet; und auch ihre Zubereitung ist alles andere als in Stein gemeißelt.“ Denn: Tradition ist, das Feuer weiter zu tragen, nicht die Asche zu bewahren. Luca Cesari, Die Geschichte der Pasta in zehn Gerichten, Verlag HarperCollins, € 20

© ST E FA N O O L I VA

Sonne im Glas

Es war Liebe auf den ersten Biss. Die Erinnerung an jenen Glücksmoment, als sie zum ersten Mal hausgemachte Tomatensoße in Neapel kostete, war auch viele Jahre später noch so stark, dass Hermina Deiana umsattelte. Jetzt leitet sie eine besondere Manufaktur für

88

Flechtkunst

Das Feuer weitertragen

ITALIEN MAGAZIN

Tomatensoße in Italien, wo nur einmal im Jahr, im August, gekocht wird. Ohne lange Transportwege, binnen 24 Stunden nach der Ernte, bei Niedrigtemperatur, ganz langsam, ohne künstliche Zusätze. Salsa Paradiso, mild oder pikant. hermina-tomatensauce.de

VON PABLO PICHEL & ANNEKE WARDENBACH

Seit 1880 flochten die Frauen von Aquarica del Capo Körbe zur Aufbewahrung von Oliven und Käse. 140 Jahre später droht dieses Handwerk zu verschwinden. Tre Gioie fand einen der letzten Korbflechter Apuliens und stellte ihn ein. Das Ergebnis ist dieser elegante Korb, der auch als Obstschale dient. Tre Gioie, Cestino Giulietta, € 59,95. Tregioie.com

Vielköpfiges küchengerät Mit seiner neuen Kollektion von Handmixern knüpft Smeg an die Blütezeit des italienischen Designs an. Die Küchengeräte haben die Eleganz der 1950er Jahre, sind in sieben Farben erhältlich und können auf neun Geschwindigkeiten

eingestellt werden. Der Mixer ist mit Flachrührer, Drahtrührer und Knethaken ausgestattet, so dass Sie für jede kulinarische Situation gerüstet sind vom Sahneschlagen bis zum Teigrühren Smeg, HMF01 Handmixer 50er Jahre Retro, ab € 127. Smeg.nl



Die Metrostation Toledo ist atemberaubend schön gestaltet.

90

ITALIEN MAGAZIN


Museum unter der Erde in

Neapel Kunst macht die neapolitanischen Metrostationen zu den schönsten der Welt. Besucher reisen wie ein Gulliver der Zukunft in berauschenden Welten tief unter der Stadt. TEX T TOENKE BERKELBACH

> ITALIEN MAGAZIN

91


E

ndlich nach langer Zeit wieder in Neapel! Die Stadt der Barockpaläste, der Kunstschätze aus dem Römischen Reich und der historischen Musiktheater. Und natürlich mit der mediterranen Geselligkeit beliebter Trattorien, wo ganze Familien um den Tisch sitzen und applaudieren, wenn Oma stolz die Pasta serviert. Eine Stadt, in der die Vergangenheit überall zu spüren ist. Die Vergangen­ heit des Barock und der archäo­ logischen Ausgrabungen. Doch wo die Vergangenheit in Neapel oft unter der Erde liegt, steckt auch die Zukunft unter der Erde. Kaufen Sie eine Metro-Tageskarte für 3,50 € und steigen Sie in die U­Bahn! Mit den 17 Kunst­Stationen reist man wie ein futuristischer Gulliver unter der barocken Stadt. Die U­Bahn­ Stationen mit zeitgenössischer Kunst und Architektur in Neapel sind ein

Die Metrostation Università ist auf die Zukunft ausgerichtet.

92

ITALIEN MAGAZIN

Megaprojekt, das in 20 Jahren buchstäblich aus dem Boden gestampft wurde. Internationale Architekten, zeitgenössische Foto­ grafen, Künstler und Filmemacher wurden zusammengebracht, um Neapel ein neues Gesicht als Kunst­ stadt zu geben. Bei jeder Station arbeiteten Architekten und Künstler von Anfang an zusammen. Die Architekten Massimiliano Fuksas, Gae Aulenti und Oscar Tusquets Blanca kombinierten ihre Talente mit Künstlern wie William Kentridge, Robert Wilson und Oliviero Toscani. Gemeinsam schufen sie eine neue Kunstform, die täglich von 400.000 Menschen „genutzt“ wird: Die U-Bahn führt

Reisende unterirdisch an einer großen Vielfalt internationaler zeitgenössischer Kunst und Architektur vorbei.

Kopie des Herkules

Alle Kunstbahnhöfe haben ihren eigenen Charakter, geprägt von der Interpretation des Ortes durch das Team aus Architekten und Künst­ lern. An der Haltestelle Università zum Beispiel ist alles auf die Zukunft ausgerichtet, denn die Universität ist schließlich eine Brutstätte der Zukunft. Mit hoch aufragenden schwarzen Profilen gab der Ägypter Karim Rashid seiner Vorstellung von „Kommunikation“ Gestalt. Und „Informationsübertragung“ ist die

Große Schwarz-Weiß-Fotos von überraschten Bronzegesichtern auf den Bahnsteigen machen neugierig


MUSEUM UNTER DER ERDE IN NEAPEL

Grundidee seiner Skulptur aus Chromkugeln namens „Synapsis“ in der Halle. Gleich zwei Säulen für die Zukunft also. Durch das Spiel der Formen und Farben scheint sich im Bahnhof Università alles zu bewegen, während man vorbeigeht. Der hochmoderne Bahnhof Museo des Architekten Gae Aulenti ist mit dem Museo Archeologico Nazionale verbunden. Die Kopie des Herkules in der Eingangshalle macht Lust, das Museum oben sofort zu besuchen. Große Schwarz­Weiß­Fotos von überraschten Bronzegesichtern auf den Bahnsteigen machen ebenfalls neugierig. Wie sehen die echten Statuen aus dem 1. Jahrhundert im Museum wohl aus? Ein Höhepunkt der Kunststationen ist die Haltestelle Toledo, die vom spanischen Architekten Oscar Tusquets Blanca entworfen und von der internationalen Presse zur schönsten U­Bahn­Station Europas gekürt wurde. Ein Spaziergang durch Toledo ist ein atemberaubendes Erlebnis. Die Gänge sind meterlange Mosaike und der „Krater des Lichts“ über den Rolltreppen erinnert daran, dass man sich hier weit unter des Meeresspiegels befindet. Über Ihnen erhebt sich ein blauer Mosaik­ krater aus Licht, der 40 Meter in den Himmel ragt und das Tageslicht in voller Pracht hereinströmen lässt. Die U­Bahn­Station Garibaldi sieht genauso aus wie der Hauptbahnhof. Aber nein, große Fotos von warten­ den Reisenden auf den Bahnsteigen geben Ihnen das Gefühl, genau das zu sein, was Sie sind: ein Reisender, der darauf wartet, dass die Metro ihre Fahrt durch die Kunst­Stationen fortsetzt. Das Schöne an diesem „unterirdischen Museum“ ist, dass man an jeder Station nach oben gehen kann, um dort, in der realen Welt, eine Sfogliatella, eine Pizza Napoletana oder einen kräftigen Caffè Ristretto zu genießen. •

Olympisches Stadion Im Sommer 2021 eröffnete die 17. Duomo Art Station. Mit Ingenieur Antonello De Risi, dem technischen Leiter des Projekts, steigen wir in den 40 Meter tiefen Steinbruch hinab, als die letzten Arbeiten an der Station durchgeführt werden. „Ja, das war eine Überraschung”, sagt De Risi, als wir absteigen. Ursprünglich war ein Bahnhof geplant, bei dem man sich wie Jules Verne fühlt, wenn man tief in die Erde eindringt. Mit der herrlichen ovalen Glaskuppel des Architekten Massimiliano Fuksas darüber. Aber sehen Sie, was wir hier gefunden haben: ein Olympiastadion aus dem 1. Jahrhundert, das von Kaiser Augustus erbaut wurde und fast vollständig erhalten ist. Vor rund 2.000 Jahren trainierten und wetteiferten hier Sportler. Es handelt sich um das vollständigste griechische Olympiastadion der Welt, das zufällig beim Ausheben der U-Bahn gefunden wurde. Der ursprüngliche Plan wurde geändert, um das Stadion in die Metrostation zu integrieren. Neapel war im 1. Jahrhundert die wichtigste Kulturstadt des griechisch-

römischen Reiches. Sowohl Männer als auch Frauen nahmen an den Spielen teil, und die Namen der Athleten sind noch immer in den Marmor eingraviert. Das Schöne an dem Stadion ist, dass es bis ins kleinste Detail zeigt, wie wichtig Neapel unter Kaiser Augustus für Sport und Kultur war. •

>

ITALIEN MAGAZIN

93


Im Uhrzeigersinn: Garibaldi, Università, Salvatore Rosa und Museo.

94

ITALIEN MAGAZIN


MUSEUM UNTER DER ERDE IN NEAPEL

TIPPS SCHLAFEN • B&B Carafa di Maddaloni Übernachten im Herzen von Neapel, im Palazzo der Herzöge Carafa di Maddaloni, einer der

mächtigsten neapolitanischen Familien des 17. und 18. Jahrhunderts. Der Palazzo von 1580 strahlt bis heute den Prunk der damaligen Zeit aus. Sogar das Mobiliar vom Anfang des 19. Jh. ist erhalten. Sie schlafen in einem Himmelbett und dürfen das Musikzimmer und die Bibliothek mit seiner reichen Auswahl an Büchern und klassischer Musik nutzen. Die herzliche Gastgeberin gibt Ihnen das Gefühl, ein Gast der Familie Carafa di Maddaloni zu sein. 3 Minuten von der U-Bahn-Station Dante entfernt, von wo aus die Stationen der Kunst zu erkunden sind.

Tel. +39 081 5513691. bb-carafa.com

ESSEN • Restaurant Caruso Roof Garden Hoch über der Stadt mit Blick auf den Golf von Neapel ist das Restaurant Caruso Roof Garden auf dem Dach des exklusiven Grand Hotel Vesuvio ein herrlicher Ort in Neapel. Das Hotel blickt auf eine reiche Geschichte zurück, denn der berühmte neapolitanische Tenor Enrico Caruso (1873-1921) war hier Ehrengast. Neben dem Singen liebte Caruso auch das Kochen. „Ihr dürft sagen, dass ich ein mittelmäßiger Tenor bin, aber sagt niemals, dass ich ein mittelmäßiger Koch bin“, pflegte Caruso zu sagen, wenn er seinen Freunden seine Bucatini alla Caruso servierte. Die Bucatini von Caruso stehen immer noch auf der Speisekarte des Restaurants.

Knoblauch, Tomaten, Paprika, Oregano und Basilikum ergeben eine scheinbar einfache Soße, aber in ihr schmeckt man die Wärme, die Sonne und die Raffinesse der Aromen, wie sie nur Neapolitaner zustande bringen. Eigentlich genau wie Carusos schöne Stimme selbst.

vesuvio.it/caruso

ITALIEN MAGAZIN

95


libri e musica

Wunderbarer Dante für Anfänger Dante Alighieris Göttliche Komödie gehört zu den bedeutendsten Werken der Weltliteratur. Doch während in Italien jedes Schulkind die ersten Verse auswendig kennt, hat hierzulande nur eine kleine Schar Bildungsbürger die Commedia wirklich gelesen. Dabei ließe sich aus über 50 deutschen Übersetzungen

Wo gehörst du hin?

Nach seinem Weltbestseller Acht Berge kehrt Paolo Cognetti (1978) in seinem neuen Roman Das Glück des Wolfes zurück in die atembe-

96

wählen – mehr als in jeder anderen Sprache. Zum 700. Todestag des Dichters nimmt Sibylle Lewitscharoff nun den Leser an die Hand und liefert eine sachkundige, reich bebilderte Einführung zu diesem von ihr so geliebten Werk. Sibylle Lewitscharoff, Warum Dante?, Suhrkamp Verlag, € 14

ITALIEN MAGAZIN

raubende Hochgebirgswelt Italiens. Der Premio StregaPreisträger nimmt uns mit auf eine Reise zu den höchsten Gletschern und konfrontiert uns mit wesentlichen Fragen unseres Lebens. Wer möchten wir sein? Wo gehören wir hin? Eine poetische Liebesgeschichte über das Suchen der Stille und das, was uns einander näherbringt. In deutscher Übersetzung von Christiane Burkhardt erschien der Roman am 4. Oktober noch vor dem italienischen Original. Auch als Hörbuch erhältlich. Paolo Cognetti, Das Glück des Wolfes, Penguin Verlag, € 22

VON ANNEKE WARDENBACH & JORIS VAN DER MEER

Himmlisches Talent Das Streaming von Popmusik verändert die italienische Musiklandschaft grundlegend. Früher machten Single-Auskopplungen auf ein neues Album aufmerksam, heute scheinen die Alben als Aufmerksamkeitsbringer für einzelne Songs zu dienen. Wie sonst liesse sich erklären, dass der Rocker Blanco Ende September mit gleich zehn Liedern die ersten zehn (!) Plätze der offiziellen italienischen Single-Charts belegte, gefolgt von Justin Bieber auf Platz 11. Aber zugegeben, das Album Blu Celeste (Himmelblau) ist eine grundsolide Sammlung von zwölf starken Songs. Der erst 18-jährige Blanco, eigentlich Riccardo Fabbriconi, ist kein Rapper, aber auch kein Rocker. Seine Art zu singen, wie in der Eröffnungsnummer Mezz'Ora di Sole (Eine halbe Stunde Sonnenschein), ist eine ganz eigene Mischung aus musikalischen Stilen und lässt sich vielleicht am ehesten mit Stromae vergleichen, dann aber schärfer und energischer. Dass es auch zarter und bescheidener geht, zeigt er dann in David, in dem er seiner Freundin verspricht, dass sie nie allein sein wird. Ebenso in der Schlussnummer Afrodite, einem mit Falsettstimme gesungenen Liebeslied, bei dem der akustische Gitarrensound eine willkommene Abwechslung darstellt. Blanco mag noch jung sein, aber musikalisch ist er mehr als reif. (JM) Blanco, Blu Celeste, Universal Music Italia


Versüßen Sie sich Ihren Alltag mit Dolce Vita.

Jetzt gratis testen!

A e Wunden und neue Lieben

Die Geschichte um die junge Parfümeurin Elena Rossini hat sich 2015 gut verkauft. Nun kommt mit Das Versprechen der Rosenfrauen die Fortsetzung des Erfolgsromans der sardischen Autorin: Elena lebt glücklich mit ihrem Mann in Paris, wo sie in einer kleinen Parfümerie die Emotionen ihrer Kunden in kostbaren Düften verewigt. Nun sieht sie sich mit dem Schlimmsten konfrontiert, was einer Parfmüreurin

geschehen kann: Sie scheint ihren Geruchssinn zu verlieren. Eine Reise nach Florenz soll nicht nur ihre berühmte Nase, sondern auch das schwierige Verhältnis zu ihrer Mutter wieder ins Gleichgewicht bringen. Was Elena nicht ahnt: Eine überraschende Entdeckung wird ihr Leben für immer verändern. Cristina Caboni, Das Versprechen der Rosenfrauen, Verlag Blanvalet, € 10

Mit Adesso mehr als nur eine Sprache entdecken. Tauchen Sie mit Adesso in das kulturelle, gesellschaftliche und kulinarische Leben Italiens ein. Mit den zahlreichen Übungen zu Vokabular, Grammatik und Wortschatz verbessern Sie Ihr Italienisch zielgerichtet und mit Leichtigkeit.

Jetzt einfach bestellen unter:

ADESSO - ONLINE .DE/ >

ITALIENMAGAZIN

>


LI BRI E M USICA

Vehemente Musik-liebe

Wiederentdeckung

Eigentlich sollte Valeria nur Zigaretten für ihren Mann besorgen – kauft dann aber verbotenerweise ein schwarzes Notizheft ohne die Konsequenzen zu erahnen. Es sind die Nachkriegsjahre in Rom, Valeria führt das unscheinbare Leben einer Frau der Mittelschicht als Mutter, Gattin und Büroangestellte. Mehr sieht niemand in ihr, seit Jahren hat sie ihren eigenen Namen nicht gehört, sogar ihr Mann nennt sie Mamma. Doch als sie beginnt, in das Notizheft zu schreiben, verändert sich allmählich etwas in Valeria. Sie sondiert ihr Inneres, geht auf die Suche nach ihren eigenen Sehnsüchten und Ängsten.

98

ITALIEN MAGAZIN

Irgendwann beginnt sie, sich kleiner Lügen zu bedienen, sich heimlich mit ihrem Chef zu treffen und die Forderungen ihrer Kinder zu übergehen. Alba de Céspedes (1911-1997) war eine kubanischitalienische Schriftstellerin, Journalistin und Widerstandskämpferin. Ihr erster Roman fiel wegen seiner zu selbstbestimmten Frauenfiguren der Zensur zum Opfer. In Italien wird ihr Gesamtwerk zurzeit neu aufgelegt. Der Insel Verlag veröffentlichte nun diese Neuübersetzung des 1952 erschienenen Romans. Alba de Céspedes, Das verbotene Notizbuch, Insel Verlag, € 24

Marco Marco Beasley und Guido Morini gründeten 1984 gemeinsam das Ensemble Accordone. Sie teilten eine leidenschaftliche Liebe für die italienische Vokalmusik von der Renaissance bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts. Marco singt die Sterne vom Himmel und Guido zaubert am Klavier. Die Konzerte sind bekannt für die leidenschaftliche Musik, aber auch für das geniale Sprachgefühl, das schauspielerische Talent und das Charisma der Männer auf der Bühne. Selbst Menschen, die nur die italienischen Wörter Antipasti, Buongiorno und Ti amo kennen, werden das Gefühl haben, das gesungene Leid zu verstehen. (SC) Accordone, O sole mio – A journey to the art of singing & love, Fra Bernardo, € 17,99

Schöner Perspektivwechsel Der italienische Erfolgsautor Fabio Geda (1972) lieh seine Feder einem jungen Mann, der als Zehnjähriger von seiner verzweifelten Mutter in einer fremden Stadt ausgesetzt wurde, um ihn vor den Taliban zu retten. Liebevoll, weise, knallhart und nüchtern erzählen die

beiden die jahrelange Reise des Kindes in dem Bestseller ‚Im Meer schwimmen Krokodile‘. Nun kommt die Fortsetzung über den jungen Afghanen in Italien und sein wachsendes Heimweh. Mit Leichtigkeit erzählen sie eine reine, zarte und wichtige Geschichte, in der der Schmerz des Verlustes sich mit dem arglosen Staunen eines Überlebenden mischt. Für alle, die das Wort „Flüchtling“ nicht mehr hören können, aber doch etwas über die Geschichte, die Erlebnisse und das Fühlen jener Menschen wissen möchten, die hinter diesem abgegriffenen Wort stecken. Fabio Geda, Im Winter Schnee, nachts Sterne, Verlag C. Bertelsmann, € 20


JUBILÄUM

TWENTY EXPERIENCE Twenty ist die Geschichte einer Familie, eines Territoriums, eines Weins. Wir hatten den Wunsch, unsere Ursprünge mit unserer Gegenwart zu verbinden und so kreierten wir – anlässlich des 20-jährigen Bestehens unseres Unternehmens – ein Schmuckstück: Twenty. Twenty ist die Erinnerung, die wieder wach wird; die Philosophie und die Werte, die das Unternehmen geleitet haben; die Seele, die wir weitervererben möchten.

+39 045 6839 251 • info@scriani.it • www.scriani.it



Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.