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Wildbret – Dry Aged
BEGRIFFSERKÄRUNG: Abschnitte
Reste, die nach dem Zuputzen übrig bleiben, je nach Beschaffenheit können diese auch verkocht werden. Maillard-Reaktion Beschreibt eine Bräunungsreaktion die beim Frittieren und Braten zu beobachten ist. Durch diese Reaktion entsteht das typische Aroma und die typische Farbe von Gerösteten oder Gebratenem. Die dafür verantwortliche Viehlzahl an Reaktionen, die bei diesem Prozess ablaufen, sind bis heute nicht exakt definiert.
Sous vide
Bezeichnet das Garen unter Vakuum (Vakuumverpackung) von Fleisch, Fisch oder Gemüse bei niedrigen Temperaturen unter 100 °C.
Dry Aged Beef“ – frei übersetzt mit „trocken gealtertes Fleisch“ – ist ein Trend, der nicht nur unter Steak Kennern immer größere Beliebtheit erlangt. Dabei ist das eine jahrhundertalte Technik der Fleischreifung. Veterinär Referent Bernhard Takacs und Haubenkoch Georg Gossi haben den Selbstversuch gewagt: Zwei Rehböcke wurden für den Versuch verwendet. Wichtig für die Vorbereitung ist ein sauberer, hygienischer Schuss. Dennoch wurde kein Risiko eingegangen und die vorderen Hälften wurden - wie gewohnt - innerhalb weniger Tage verarbeitet. Eine mögliche Kontaminierung des Fleisches durch den Schusskanal kann bereits die Reifung negativ beeinträchtigen. Ein weiterer Vorteil bei der Verwendung der hinteren Wild-Hälfte sind die grundsätzlich größeren Wildbret-Stücke. Nach dem entsprechend sorgfältigen Aufbrechen (keine Kontamination durch Pansen- oder Darminhalt), blieb das Schloss ungeöffnet, die Decke verblieb am Wildkörper (natürliche „Verpackung“) und die Wirbelsäule wurde nach der letzten Rippe durchtrennt. Achtung: Bauchlappen entfernen!! Dieses Paket blieb dann offen mehrere Wochen in der Kühlkammer bei 4 °C hängen. Aufgrund von unterschiedlichen Erlegungszeitpunkten kamen je ein Rehbock mit eine Hängezeit von 3 Wochen (Bock 1) bzw. 4 Wochen (Bock 2) zum Verkochen bzw. Verkosten durch Haubenkoch Georg Gossi. Dabei wurden die hinteren Hälften inkl. Rücken verarbeitet.
Karkassen:
Die Karkassen wurden zu zwei Fonds, hell und dunkel verarbeitet, wobei die
03/2020 Ein Selbstversuch
Reifung der Knochen kein geschmacklicher Nachteil war. Beide Fonds waren im Geschmack kaum vom Ergebnis mit herkömmlichen Ausgangsmaterial zu unterscheiden. Etwas intensiver, leicht „nussige“ Noten. Allgemein sehr gute Geschmacksentwicklung. Nachteilig war die Notwendigkeit etwas mehr aussortieren zu müssen, da einige der außenliegenden Knochenenden aufgrund der offenen Lagerung nicht mehr sicher verwendet werden konnten. Rehkrone
Abschnitte
Die Abschnitte wurden faschiert und zu Ragout „Bolognaise“ verarbeitet. Das Fleisch nahm die Bräunung sehr gut an, ohne Wasser zu lassen. Im Geschmack intensiv und sauber. Verträgt intensive Gewürze und behält klaren Rehgeschmack
Unterschenkel
Wurden im Ganzen als Curry geschmort – im Bräter, nach dem Garen abgelöst
Bei sorgsamen Aufbrechen bleibt die hintere Reh-Hälfte von Kontamination verschont.
und geschnitten. Mit rund 4,5 Stunden bei 120° C war die notwendige Garzeit länger als erwartet. Der Garverlust kleiner als erwartet. Im Ergebnis schöner Biss und feste, aber leicht zu kauende Konsistenz. Das Fleisch hielt den verwendeten Gewürzen (Zimt, Ingwer, Sternanis, Pfeffer, Fenchel, Nelken, Kreuzkümmel und Koriander) sehr gut stand. Eigengeschmack sehr gut erhalten. Saft deutlich nach Reh trotz vieler Aromaten. Abschnitte vom Schlögel und Rücken
WAS IST TROCKENREIFUNG?
Beim „Dry Aging“ oder „Trockenreifen“ hängt das Fleisch mehrere Wochen an der Luft. Essentiell ist dabei die einwandfreie hygienische Verarbeitung bzw. Vorbereitung der Wildbret-Teile, die in dieser Form reifen sollen. Dafür eignen sich nur die hinteren Bereiche des Wildes die weder durch Schusskanal oder einem Pansenschuss durch Keime belastet sind. Bei der Trockenreifung bildet sich eine trockene Schicht, die das Muskelfleisch schützt und gleichzeitig die Aromen Keule, sauber zugeputzt und bereit zum weiteren Zerlegen
wurden zu Tatar verarbeitet. Tatar mit sehr schöner Farbe (saftiges Rot mit leicht violettem Einschlag). Intensiv und angenehm im Eigengeschmack. Zusätzlich wurde das Tatar mit verschieden intensiven Würzungen und Zutaten probiert. Die Konsistenz war erstaunlich „buttrig“ trotz eigentlich keinem Fettanteil. Der Favorit war mit nur leichter Würze (Zitronenabrieb, Zitronensaft, Olivenöl, Salz, Pfeffer) wobei sich auch intensivere Varianten als sehr gute Option erwiesen, da der Eigengeschmack besser stand hielt als bei konventionellem Ausgangsmaterial.
Rücken: Kurz gebraten
Die Rücken wurden von Bock 1 und Bock 2 jeweils zum Vergleich parallel zubereitet. Jeweils sous vide bei 54°C und 45min, danach mit Butter und Rosmarin und Thymian gebräunt und jeweils auch ganz ohne Aromaten. Bock 1 und 2 lieferten sehr schöne Ergebnisse. Beide nahmen die Maillard Reaktion beim Braten ausnehmend gut an. Im Anschnitt sehr gleichmäßig von Tatar - sehr cremig, buttrig; fantastischer Eigengeschmack und auffällige Farbe
außen nach innen rosa, wobei Bock 1 (3 Wochen) etwas heller und rosiger war, Bock 2 (4 Wochen) etwas dunkler und eher rötlich. Nach kurzem Rasten auch kaum auslaufendes Fleischwasser. Im Geschmack war Bock 1 sehr rund und harmonisch, Bock 2 etwas „reifer“ und leicht nach Leber. Auffällig war das sich im sous vide Beutel kein Saft gebildet hat und der typische Nebengeschmack bei sous vide garen gar nicht vorhanden war. Vom Biss her wiesen beide Stücke eine erstaunlich schöne Konsistenz auf. Deutlicher Biss und Festigkeit ohne hart oder zäh zu sein. Die Versuche mit Butter, Rosmarin und Thymian ergaben das erwartete „bessere“ Ergebnis, wobei auffällig war, dass sich vor allem auch der Eigengeschmack schöner entwickelte.
Keule
Kurz gebraten nach selbem Muster wie der Rücken Die Keule wurde ausgelöst und in Unterschale, Oberschale, Hüfte und Nuss zerlegt. Alle diese Teile wurden als Bock 1 und Bock 2 im Vergleich parallel zubereitet. © Fotos: Ch. Toth, G. Gossi (2)
03/2020
Das Curry aus der Keule nach dem Auslösen Auffällig, dass nach kurzem Rasten kaum Fleischsaft ausläuft.
Sous vide bei 54°C für 90 Minuten und dann wieder natur und mit Butter und Rosmarin und Thymian gebraten. Im Ergebnis zusammengefasst waren alle Ergebnisse außergewöhnlich gut. Bock 2 (4 Wochen) bei allen Stücken als etwas „besser“, jedenfalls intensiver und spannender, bewertet. Alle Teile waren bestens als Stücke zum rosa braten geeignet – Auffällig war, dass die Unterschale von Bock 2 von allen Anwesenden als das Beste Stück beurteilt wurde. Die Kategorien Konsistenz, Optik und Geschmack wurden dabei jeweils als das beste des Tages bewertet.
Gulasch
Alle beim Zerteilen und Zuputzen anfallenden Abschnitte, vor allem aus der Unterkeule, die nicht für Faschiertes benützt wurden, wurden zu Gulasch verarbeitet. Auffällig war hier, ebenso wie beim Curry, das die benötigte Garzeit die Erwartung weit überstieg. Dafür war auch der Garverlust kleiner als erwartet und die Konsistenz überragend. Die Fleischstücke wiesen schönen Biss auf waren aber kein bisschen zäh. Keine zu Fasern zerkochten Stücke. Aus der Perspektive Geschmack wurde das Gulasch als klassische Version zubereitet und dann verkostet mit sehr positiven Eindrücken. Als Vergleich wurde die Hälfte aber auch mit Schokolade und Orange gewürzt und abgeschmeckt, wobei sich bei dieser Version der Rehgeschmack erstaunlich gut halten konnte und so ein außergewöhnliches Geschmackserlebnis erzielt wurde.
Dünsten
Einzelne Stücke, die nicht für die Vergleiche benötigt wurden, wurden klassisch im Rohr gedünstet. Das Ergebnis war aber unaufgeregt – kein Vor- oder Nachteil zu konventionellem Ausgangsmaterial mit Ausnahme wieder der längeren notwendigen Garzeit und dem auffällig kleinen Garverlust.
Fazit
Bei entsprechend hygienischer Behandlung eignet sich Rehwild hervorragend auch für die Trockenreifung. Die Ergebnisse zeigen keinerlei Qualitäts-
ZUR PERSON
Georg Gossi, Jahrgang 1983, wusste schon früh das Essen seine große Leidenschaft sein muss. Als Kind verwöhnt von Großmutters bodenständigen Kochkünsten mit Gemüse aus ihrem Garten und Fleisch das der Großvater als gelernter, und sehr passionierter, Fleischer beisteuerte, begann seine kulinarische Prägung schon von klein auf. Qualität, Frische und hochwertiges Handwerk sind die Eckpunkte seiner Arbeit die sich bis Heute durch seine Laufbahn ziehen. Mit 15 begann er seine Lehre bei Walter Eselböck im legendären Taubenkobel, wo er in den Techniken und Fertigkeiten unterwiesen wurde die aus erstklassigen Produkten auch erstklassige Gerichte werden lassen. Nach Jahren in verschiedenen Winkeln der Welt kam er zurück ins Südburgenland, absolvierte mit 26 Jahren erfolgreich die Ausbildungen zum Küchenmeister und zum diätetisch geschulten Koch. Im Jahr darauf erkochte er sich die erste Haube des Restaurantführers Gault Millau. Um noch einmal etwas mehr von der Welt zu sehen und zu lernen heuerte er in der Kreuzfahrt an und besuchte so die lokalen Märkte zwischen Bergen und Bari und zwischen Marseilles und Sochi. Heute findet man ihn neben seiner Tätigkeit als Küchenchef im Parkhotel Hirschwang in Reichenau an der Rax noch im KochTheater, wo er sich zum Wohle seiner Gäste immer nach Saison und Marktlage hinter dem Herd austobt und Gerichte produziert, die Geschichten von Frische, Handwerk und Herkunft erzählen und als Koch des Vertrauens des burgenländischen Landesjagdverbandes wo er sein Wissen um die Zubereitung von Wildbret an die Jägerschaft und an Wildbretenthusiasten weitergibt.
verlust des Wildbrets – im Gegenteil: Geschmack und Konsistenz profitieren durch diesen Reifeprozess. Damit kann auch Rehwild in dieser – dem Zeitgeist entsprechenden Art und Weise – verkocht und serviert werden und zeigt wieder einmal die Vielseitigkeit von Wildbret auf. •