MAGAZYN
POLONIA KWARTALNIK POLAKÓW W NIEMCZECH
1922
2017
WYDANIE SPECJALNE z okazji 95-tej rocznicy powstania Związku Polaków w Niemczech SONDERAUSGABE anlässlich des 95-jährigen Jubiläums des Bundes der Polen in Deutschland
Berlin – 2017 – 10/11
Sfinansowany przez: Gefördert von:
Gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien
Współpraca: In Zusammenarbeit mit:
MAGAZYN
POLONIA KWARTALNIK POLAKÓW W NIEMCZECH
1922
2017
WYDANIE SPECJALNE z okazji 95-tej rocznicy powstania Związku Polaków w Niemczech SONDERAUSGABE anlässlich des 95-jährigen Jubiläums des Bundes der Polen in Deutschland
Berlin – 2017 – 10/11
Inhalt Einleitung
4
Rede der Leiterin der Kanzlei des Präsidenten der Republik Polen, Frau Ministerin Halina Szymańska
6
Grußwort des Botschafters der Republik Polen in Deutschland Professor Andrzej Przyłębski Bund der Polen in Deutschland e.V. GESCHICHTE
8 12
• Vor 95 Jahren • Das “Rodło” Zeichen • Der Verband der Polnischen Pfadfinder in Deutschland • Die Bildungsaktivitäten • I Kongress des Bundes der Polen in Deutschland • Die Nachkriegszeit • Persönlichkeiten des Bundes der Polen in Deutschland • Gegenwart Sejm würdigte den 95. Jahrestag der Entstehung des Bundes der Polen in Deutschland
36
Jubiläum des Bundes der Polen “Rodło“
38
Halina – Spurensuche, ein kritischer Diskurs
44
Edmund Osmańczyk – Mitglied von “Rodło“, Journalist, Publizist, Politiker...
58
Weiße Juden mit Nummern statt Namen – ein Interview mit Bolko Klimek
64
Helena Bohle-Szacki – die letzte Ikone der berliner Polonia
70
Tag der polnischen Unabhängigkeit in Berlin
78
München. Der 99. Jahrestag der Wiedererlangung der polnischen Unabhängigkeit
80
Stuttgart. Am Vortag des 100. Jahrestages
82
Ein doppeltes Jubiläum der Deutsch-Polnischen Kulturgesellschaft “Polonica“ e.V.
84
Festival “Zusammen im gemeinsamen Europa”
88
“Klänge, die verbinden“ – zum sechsten Mal in Hannover
96
5. Jubiläum des Ensembles “Polnische Folkloregruppe POLONEZ“ in Darmstadt
98
Brygida oder Brigitta? Helbig-Mischewski
100
Ela Dębska über sich und ihr neues Album
108
Beyond Words Zwischen den Worten ... zwischen den Ländern
112
Spiel ohne Grenzen
116
“Licht der Hoffnung“ aus Berlin
120
Das IV Europäische Forum der Medien der Polonia
122
“Die fortwährende Welt” – ein Spektakel aus dem Anlass des 95. Jubiläums
2
des Bundes der Polen in Deutschland
126
Ausstellung “Herr, ich bin fröhlich“
130
Polen in Berlin vor 100 Jahren
134
Das Heldentum des Alltags – über Polen, die Juden retteten
142
XXVII Wirtschaftsforum in Krynica
150
35. Jahrestag der “Solidarność Walcząca“
154
Impressum
161
Einleitung Sehr geehrte Damen und Herren, Wir geben Ihnen heute in die Hände eine Sonderausgabe des “Magazyn Polonia“. Ihre Besonderheit besteht darin, dass sie dem ältesten polnischen Verein in Deutschland, dem 1922 gegründeten und in diesem Jahr den 95. Jahrestag seiner Entstehung feiernden Bund der Polen in Deutschland “Rodło“, gewidmet ist. Der Konvent der Polnischen Organisationen in Deutschland organisierte gemeinsam mit seinen Mitgliedsorganisationen, dem Christlichen Zentrum und dem Bundesverband Polnischer Rat in Deutschland, Feierlichkeiten aus diesem Anlass. Zu den Höhepunkten dieser Veranstaltungsreihe gehörten ein Konzert der polnischen Musik im Französischen Dom am Gendarmenmarkt in Berlin und heilige Messen für den Bund am 19. November und 3. Dezember in der Johannes-Basilika in Berlin, die gemeinsam mit der Polnischen Katholischen Mission in Berlin veranstaltet wurden. Diese Events sind ein Beispiel für die gute Zusammenarbeit der führenden polnischen Organisationen mit der Polnischen Katholischen Mission in Deutschland. Während des feierlichen Konzerts in Berlin hat das Kammerorchester “Academia“ unter der Leitung von Bohdan Boguszewski “Dwie chatki“ von Karol Kurpiński, “Suita Staropolska“ von Andrzej Panufik und das Klavierkonzert E-Moll op. 11 von Frederic Chopin mit dem Solisten Sławomir Wilk am Klavier gespielt. Der Auftritt der stettiner Künstler war ein großer Erfolg. Das Publikum hat das Konzert enthusiastisch aufgenommen, der kein Ende nehmender Beifall führte zu einer Zugabe, die der Solist bravourös gemeistert hat. An der Feier in Berlin nahmen Vertreter des Bundes der Polen “Rodło“ aus dem gesamten Bundesgebiet sowie Gäste aus Polen und Deutschland teil. In der aktuellen Ausgabe des “Magazyn Polonia“ greifen wir auf die Thematik der herausragenden Persönlichkeiten, die die Entwicklung der Polonia in Deutschland beeinflussten, zurück und erinnern an Halina Rometzki, Helena Bohle-Szacki, Edmund Osmańczyk und Bolko Klimek. Im historischen Teil erinnern wir an die Geschichte der “Solidarność Walcząca“. Traditionell besuchten wir gemeinsam mit “Magazyn Polonia“ die 2 Millionen zählende Polonia in ganz Deutschland, um zu zeigen, wie unsere Landsleute in Berlin, München, Köln, Hannover, Darmstadt oder Stuttgart interessante polnische Veranstaltungen durchführen. Interessant ist die Tatsache, dass in zahlreichen deutschen Städten die Feierlichkeiten anlässlich des 100-jährigen Jahrestages der Wiedererlangung der Unabhängigkeit durch Polen, die eigentlich erst 2018 begangen wird, bereits angefangen haben. Auch in dieser Ausgabe fehlen nicht die Berichte unserer Auslandskorrespondenten, diesmal ist es ein Artikel über die Geschichte der Polen in Berlin aus der Perspektive der schwedischen Hauptstadt – Stockholm. Die Artikel – “Spiel ohne Grenzen“ und “Licht der Hoffnung aus Berlin“ betonen, wie wichtig es ist, die im Ausland geborenen Kinder für die gemeinsamen Aktivitäten der Polonia zu gewinnen. Wir beschränken uns nicht auf die Themen innerhalb der Grenzen Deutschlands, wir gehen gern darüber hinaus und veröffentlichen auch Reportagen über das IV Europäische Forum der Medien der Polonia, das in Warszawa und Pułtusk stattgefunden hat, sowie über das XXVII Wirtschaftsforum in Krynica.
4
Rede der Leiterin der Kanzlei des Präsidenten der Republik Polen, Frau Ministerin Halina Szymańska während der Festveranstaltung aus dem Anlass des 95. Jahrestages der Gründung des Bundes der Polen in Deutschland “Rodło“ am 18.11.2017 Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Landsleute, Im Namen des Präsidenten der Republik Polen, Herrn Andrzej Duda, heiße ich alle Teilnehmer der heutigen Festveranstaltung willkommen. Ich bin gerührt durch das Treffen mit Ihnen an einem so wichtigen Tag, wie die heute stattfindende Feier aus dem Anlass der 95. jährigen Gründung des Bundes der Polen in Deutschland. Einer Organisation, die stets die Hochburg des Polentums Ministerin Halina Szymańska (Foto: prezydent.pl)
in Deutschland war und ist.
Die heutige Veranstaltung dient als Anlass, die Verdienste Ihrer Organisation hervorzuheben. Sie bestehen darin, dass Sie seit 95 Jahren ein wichtiger Partner in dem Prozess des Aufbaus der Verständigung zwischen Polen und Deutschland, vor allem ein Beispiel für eine moderne, gut organisierte Gemeinschaft, die aus der in Deutschland lebenden Polen bestand und besteht, sind. Die Fünf Wahrheiten der Polen: 1) Wir sind Polen; 2) Der Glaube unserer Väter ist der Glaube unserer Kinder; 3) Ein Pole ist dem anderen Polen ein Bruder; 4) Der Pole dient jeden Tag seinem Volk! 5) Polen ist unsere Mutter – über die Mutter darf man nichts Schlechtes sagen, die Sie seit der Verkündung während des I. Kongresses der Polen in Deutschland begleiten, bilden eine theoretische Grundlage für die Arbeit des Bundes und können auch heute wegen ihrer Universalität als ein Beispiel für jeden einzelnen Menschen, unabhängig von seinem Glauben, Kultur oder Abstammung, gelten. Ich bin dafür dankbar, dass Sie auf der Grundlage dieser Werte ein positives Bild unseres Landes im Westen Europas gestalten, vor allem aber bauen Sie eine starke Gemeinschaft der Landsleute. Man soll auch die Rolle des Bundes bei der Verbreitung des Unterrichts der polnischen Sprache in den Schulen der Zentrale für Schul – und Bildungswesen – einer Institution, die zum Bund der Polen in Deutschland gehört – erfüllte und erfüllt, hervorheben. Es ist wichtig, dass die junge polnische Generation den Unterricht der Muttersprache ohne Hindernisse besucht. Es ist eine Sprache, die die nationale Identität stärkt, in diesem Fall die Identität der polnischen nationalen Minderheit. Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte mich bei allen, die dazu beigetragen haben, dass der Bund der Polen seine Kontinuität bewahrt hat, bedanken. Ich weiß, dass es besonders in der letzten Zeit nicht leicht war, gegen das verfälschte und häufig negative Bild des Bundes der Polen in Deutschland anzukämpfen. Ich bin sicher, dass Ihre Tätigkeit auf vielen Feldern für die zukünftigen Generationen der Polen in Deutschland als Ansporn zur weiteren Arbeit für Polen wahrgenommen wird. An die Hände des Vorsitzenden des Bundes der Polen in Deutschland, Herrn Józef Malinowski richte ich den Dank für das attraktive Bild der polnischen Kultur, Tradition, Bildung und Werks. Sie können darauf stolz sein, dass dank Ihrem Patriotismus und vieljährigem Engagement in den Augen der deutschen vertrauter geworden ist.Ich bedanke mich im Namen der Republik Polen. Ich wünsche einen erfolgreichen Verlauf der von Ihnen organisierten Veranstaltung sowie viel Erfolg bei Ihrer Arbeit für die Polonia in Deutschland und für die Stärkung der deutsch-polnischen Beziehungen. Ich wünsche Ihnen einen gelungenen Abend und viele schöne, künstlerisch wertvolle Erlebnisse.
6
Grußwort des polnischen Botschafters aus dem Anlass des 95. Jahrestages der Entstehung des Bundes der Polen in Deutschland Sehr geehrter Herr Vorsitzender des Bundes der Polen in Deutschland, sehr geehrte Frau stellvertretende Vorsitzende, sehr geehrte Frau Ministerin,
an die Verbreitung der polnischen Tradition, an die Pflege des katholischen Glaubens, Aktivitäten im Bereich der Medien und Arbeit zugunsten der künstlerischen und körperlichen Betätigung.
Leiterin der Kanzlei des Präsidenten der Republik
Man darf dabei die Unterstützung des polnischen
Polen, Damen und Herren Abgeordnete zum Sejm der
Unternehmertums durch ein Banksystem, das eine
Republik Polen,
gleichwertige, daher ehrliche Konkurrenz zu den
die so zahlreich zu der heutigen Veranstaltung ge-
deutschen Banken bildete, nicht außer Acht lassen. Es
kommen sind, liebe Vertreter der katholischen Kirche,
geht um die Bank Słowiański, eine Institution, die als
in erster Reihe Pfarrer Prorok, Vertreter und Mitglieder
Finanzzentrale für alle polnischen Genossen-schafts-
weiterer Organisationen der Polonia, liebe deutschen
kassen in Deutschland galt. Eine Zentrale, die nach
Gäste!
der Machtergreifung der Nazis auf eine brutale Weise aufgelöst wurde.
Als Botschafter der Republik Polen in Deutschland
Das Jahr 1933, die Machtergreifung durch Hitler
möchte ich meine große Freude über die Tatsache, dass
und als Konsequenz das Jahr 1939 bedeuteten für den
wir heute Gelegenheit haben, den 95. Jahrestag der
Bund den Horror: während einer gesamtdeutschen
Entstehung des Bundes der Polen in Deutschland – ei-
Versammlung des Bundes hat die Gestapo die Identifi-
ner Organisation, deren Verdienste auf dem Feld der
zierung und das Verzeichnis der wichtigsten Mitglieder
Pflege des Polentums in Deutschland unschätzbar
vorgenommen, um kurz nach dem Überfall auf Polen
sind – feiern, zum Ausdruck bringen. Diese Organisati-
mit ihrer Massenausrottung anzufangen .
on entstand vier Jahre nach der Wiedererlangung der
Der Bund hat dennoch überlebt, bereits 1951 nahm
Unabhängigkeit durch Polen, nachdem das Land für
er seine Tätigkeit unter der Leitung seines Vorkriegs-
123 von der Landkarte Europas verschwunden war.
Vorsitzenden, Herrn Stanisław Szczepaniak, wieder
Diese Organisation stellte sich zum Ziel, die “polnische
auf. Er setzt trotz seltsamer Aktivitäten, die auf ver-
Urgewalt” durch eine Reihe von Aktivitäten zu verteidi-
schiedene Arten seine Legitimierung in Frage stellen
gen, die auch heute unsere grenzenlose Bewunderung
wollten, seine Tätigkeit bis heute fort.
wecken.
8
Der Umbruch des Jahres 1989, der ohne den Bei-
Ich meine dabei nicht nur die Durchführung des
trag des polnischen Papstes und des Mutes von Milli-
Unterrichts der polnischen Sprache, eines Fundaments
onen Polen nicht möglich geworden wäre, läutete für
des Polentums, da in jeder Muttersprache die histori-
unser Land eine weitere Entwicklungsetappe ein. Eine
schen Erfahrungen einer Nation und ihr geistiges Erbe
Etappe, in der unser Verhältnis zu den Deutschen revi-
versteckt sind. Es ist eine einzigartige Erfahrung, die
diert werden musste. Der Feind von früher wurde zum
ein Teil des Beitrags unseres Volkes zu der Geschichte
Verteidiger unseres Beitritts zur NATO und in die EU.
der Menschheit bildet. Im Fall Polens – ein besonders
Ein schwieriger, bewusst eigene nationale Interessen
schöner Beitrag. Ich denke dabei auch und vor allem
realisierender Verteidiger.
davon
Status durch einen Göring-Dekret verloren haben,
ist für die Polonia der Vertrag über die Gute Nach-
nicht, ist bedenklich. Es gibt einiges, was verbessert
barschaft von großer Bedeutung. Ein Vertrag, dessen
werden soll. Ich wünsche dem Bund, dass er in dieser
unpräzise Einträge Korrekturinterpretationen, viel-
Angelegenheit Erfolg hat. Ebenso in der Angelegenheit
leicht sogar etwas mehr, erfordern. Das polnische
der Restaurierung des Polnischen Hauses in Bochum,
Parlament hat kürzlich ein Gesetz mit dem Aufruf zu
der Stadt, in der der Bund seinen Sitz hat.
Es wurden zwei Verträge abgeschlossen,
Vertragskorrekturen verabschiedet.
Dem Bund verdanken wir die Formulierung der be-
Als der polnische Botschafter möchte ich mich bei
rühmten 5 Wahrheiten der Polen; angesichts der letz-
dem Bund der Polen in Deutschland, auch bei seinen
ten Ereignisse im Europäischen Parlament, wo einige
namenlosen oder vergessenen Mitgliedern, für den
Abgeordnete der Bürgerplattform für eine gegen ihr
Beitrag zum Bestehen des polnischen Geistes bedan-
eigenes Land gerichtete Resolution stimmten, scheint
ken. Weil Polen ein großer geistiger Wert ist! Es hat
die letzte dieser Wahrheiten besonders wichtig. Sie
nichts mit Chauvinismus oder Nationalismus zu tun,
lautet: “Polen ist unsere Mutter – über die Mutter darf
den unsere christliche Tradition, die das Polentums
man nichts Schlechtes sagen“
im Rahmen des römisch-katholischen Glaubens und
Als Motto für die Aktivitäten des Bundes als auch
der damit verbundenen gewissen Art des ethischen
für alle anderen Polonia-Organisationen in Deutsch-
Universalismus, nicht zulässt. In den historischen Un-
land kann die vorletzte Wahrheit dienen, die besagt:
ruhezeiten stellte sich Polen immer auf die Seite der
“Der Pole dient jeden Tag seinem Volk“. Ich möchte Sie
humanistischen Ideale, die im Laufe der schwierigen
alle um diesen Dienst bitten.
Geschichte Europas entstanden sind. Seinen Beitrag dazu hatte auch der Bund der Polen
Professor Andrzej Przyłębski
in Deutschland. Deswegen möchte ich dem aktuellen
Berlin, 18.11.2017
Vorstand viel Erfolg bei dem Wiederaufbau der alten Kraft dieser Organisation wünschen. Ich rechne dabei auf das Wohlwohlen der deutschen Behörden, da sich seit einiger Zeit die Philosophie der Behandlung von anderen nationalen und ethnischen Gruppen verändert hat. Man sieht in ihnen keine Bedrohung mehr, sondern eine Chance auf die Bereicherung der deutschen Kultur und die Erweiterung der beruflichen Kompetenzen der neuen Staatsbürger. In diesem Kontext soll erwähnt werden, dass der Bund der Polen in Deutschland Initiator des bis zum Ausbruch des Krieges tätigen Verbandes der nationalen Minderheiten in Deutschland war, der außer Polen von Sorben, Dänen und Friesen gegründet wurde. Die Tatsache, dass diese drei Minderheiten heute den Minderheitenstatus haben und die Polen, die diesen
10
Bund der Polen in Deutschland e.V. GESCHICHTE
Z
wiązek Polaków w Niemczech T.z. – Bund der
sen der damaligen Polonia repräsentierte der Bund
Polen in Deutschland e.V. – ist eine seit 1922
der Polen in Deutschland. Der Bund führte eine breit
tätige Organisation der Polonia in Deutschland. Ihr
angelegte politische, kulturelle und wirtschaftliche
ursprüngliches Ziel bestand in der Vertretung der
Arbeit und übernahm die Rolle des Führers der polni-
Rechte von Polen, deutschen Bürgern polnischer
schen nationalen Minderheit.
Nationalität oder Abstammung und polnischen Orga-
Die Bevölkerung Schlesiens bildete nur einen
nisationen vor den deutschen Staatsorganen. Seine
(allerdings größten) Teil der in der Weimarer Republik,
wichtigste Aufgabe sah der Bund in dem Erlangen des
überwiegend in Gebieten, die westlich der polnischen
Status einer nationalen Minderheit und der daraus
Grenze lagen, ansässigen Polen. Sie bildeten Migran-
resultierenden Rechte sowie in dem Schutz von Inter-
tenzentren in ganz Deutschland: in Berlin, Westfalen
essen polnistämmiger Bevölkerung auf allen Gebie-
und Nordrhein.
ten des öffentlichen Lebens.
Dachorganisation, die die gesamte, fast 1,5 Millionen
Vor 95 Jahren
Es bestand Notwendigkeit, eine
zählende polnische Minderheit in Deutschland repräsentieren würde, zu gründen. Diese Organisation wurde am 27. August 1922 ge-
Innerhalb der nach dem I Weltkrieg festgelegten
gründet, Ihr Sitz befand sich bis 1939 in Berlin, in der
Grenzen Deutschlands lebten viele Polen, die Interes-
Potsdamer Straße 118b. In dem neu entstandenen Bund spielten Jan Baczewski, Vertreter der polnischen Minderheit aus Ostpreußen und Jan Kaczmarek aus Westfalen die Hauptrolle.
Die Organisation des Bundes der Polen in Deutschland (ZPwN) Ursprünglich teilte man den Bund in vier Bezirke auf. Im Oktober 1923 gliederte man den V, die Grenzgebiete umfassenden Bezirk mit Sitz in Złotów/Flatow, aus. 1928 wurde Niederschlesien an den I Bezirk angeschlossen. Die Stärke der Organisation variierte, laut Schätzungen, die auf der Grundlage von Archivdaten aus der Jahreshälfte 1924 nach dem Krieg erfasst wurden, zählte die Organisation zu diesem Zeitpunkt ca. 32.000 Personen. Laut überlieferten Daten betrug die Mitgliederanzahl des Bundes in den einzelnen Bezirken: • Bezirk I mit Sitz in Oppeln (Gebiete des Oppelner Schlesiens) – 5.100 Mitglieder in 104 Kreisen (insgesamt 16,5 % der Gesamtzahl der Mitglieder) • Bezirk
II
(Berlin
und
Brandenburg,
Sachsen,
Hamburg, Niederschlesien, Pommern, Grenzmark Posen-Preußen) zählte 6.200 Mitglieder, insgesamt Erste Seite der Zeitschrift “Dziennik Berliński” vom 09-10.12.1922 mit einem Aufruf an die Polen in Deutschland und der Satzung des am 3.12.1922 gerichtlich eingetragenen Bundes der Polen in Deutschland | Pierwsza strona „Dziennika Berlińskiego” z dnia 9–10.1922, publikująca odezwę do Polaków w Niemczech oraz statut Związku zarejestrowany 3.12.1922 przez sąd
12
20 % der Gesamtzahl der Mitglieder)
Die Slawische Bank Aus der gemeinsamen Initiative des Bundes mit dem “Verein polnischer Genossenschaften in Deutschland” entstand 1933 die Zentralbank der Polnischen Genossenschaften, die sog. Slawische Bank mit Sitz in Berlin. Diese Bank galt als Finanzzentralle aller polnischen Genossenschaften in Berlin. Ihre Umsätze betrugen ein Jahr vor dem Kriegsausbruch 30.426.000 Reichsmarken. Während des III Reiches wurde die Bank von Franciszek Lemańczyk und J. Malewski geleitet. Dieses Geldinstitut spielte eine besonders wichtige Rolle bei dem Erhalt und der Stärkung des polnischen Kapitals in Deutschland sowie bei der Konsolidierung der deutschen Polonia. Dank ihren dynamischen Aktivitäten hatte die damalige Polonia eigene WirtschaftsstrukSlawische Bank in Berlin Bank Słowiański w Berlinie
Arbeiterbank in Bochum Bank Robotników w Bochum
• Bezirk III (Bochum, Westfalen, Nordrhein, Baden und Pfalz) – in 160 Kreisen, 13.000 Mitglieder (45 % der Gesamtzahl der Mitglieder) • Bezirk V (Allenstein, Ostpreußen, Ermland, Masuren
turen, Agrar- und Handelsgesellschaften, Genossenschaften, Berufsverbände, Druckereien, Zeitungen, Schulen, Internate, soziale Einrichtungen, Kulturvereine, Künstlergruppen und Sportklubs.
Verlagswesen
und Weichselniederung) – fast 4.000 Mitglieder- 12 % der Gesamtzahl)
Die erste durch den Bund der Polen in Deutschland
• Bezirk V (Grenzregion mit Sitz in Złotów/Flatow) –
herausgegebene Zeitschrift – die Monatszeitschrift
2.700 Mitglieder – 6 % der Gesamtzahl der Mitglieder)
„Biuletyn Związku Polaków w Niemczech T.z.” erschien
Die Tätigkeit
am 01. Juli 1924. Insgesamt sind 9 Ausgaben der Zeitschrift entstanden – die letzte am 01. März 1925. Am 1. April 1925 änderte man den Namen der Publikation
Seine Aktivitäten reichten von Kultur über Wirt-
in „Polak w Niemczech” (Der Pole in Deutschland). Der
schaft bis zu Politik, der Bund hatte eigene Reprä-
Bund gab auch eine Reihe von weiteren Zeitungen wie:
sentanten im Preußischen Landtag, den Landes- und
“Dziennik Berliński”, “Zdrój”, “Mały Polak w Niemczech”,
Stadtparlamenten. Die Organisation engagierte sich
“Gazeta Olsztyńska”, „Mazur”, “Głos Pogranicza”, “Kas-
für den Schutz der Interessen der polnischen Minder-
zub”, “Dziennik Raciborski”, “Ogniwo”, “Nowiny Codzi-
heit in Deutschland sowie für den Schutz des sich in
enne” und andere heraus.
den Grenzen Deutschland befindenden polnischen Kulturerbes. Dank einem scharfen Protest des oppel-
Das ”Rodło” Zeichen
ner Bürgertums und der Mitglieder des Bundes gelang
14
es beispielsweise einige Elemente des mittelalterlichen
“Rodło“ entstand nach der Machtübernahme durch
Piasten-Schlosses in Oppeln, den sg. Piastenturm vor
Adolf Hitler. Im Rahmen der Zerschlagung von Orga-
dem Abriss zu retten.
nisationsstrukturen der Weimarer Republik änderten
Die Organisation initiierte auch die Entstehung des
die Nazis auch die Symbolik aller deutschen Organisa-
bis 1939 tätigen Verbandes der Nationalen Minder-
tionen und Institutionen. Dadurch ersetzte das Haken-
heiten in Deutschland, der die Interessen von Polen,
kreuz das Staatswappen Deutschlands, zur Begrüßung
Sorben, Dänen, Friesen und Litauer vertrat. Vor dem
hob man von nun an die Hand hoch und rief: ”Heil Hit-
II Weltkrieg arbeiteten mit dem Bund u. a. Jan Skala
ler!“. Die Nazis forderten alle im III Reich tätigen poli-
und Měrćin Nowak-Njechorńsk, aktive Mitglieder der
tischen, kulturellen und sozialen Organisationen dazu
sorbischen Minderheit in Deutschland, zusammen.
auf, ihre äußerliche Symbolik zu verändern. Die bislang
benutzten Symbole wurden verboten, mit Ausnahme
auch wenn es keinesfalls eine Swastika war. Auf diese
der von den Machthabern vorgeschlagenen Symbole.
Art überlistete der Bund der Polen in Deutschland die
Das preußische Verbot der Verwendung des Zeichens
Vorgaben der Nazisymbolik. Tatsächlich verkörperte
des Weißen Adlers durch die Polen galt weiterhin. Der
dieses nur scheinbar der Swastika ähnelnde Zeichen
Bund der Polen in Deutschland musste sich gezwunge-
die Verbindung der Polen in Deutschland zu ihrem
nermaßen mit der Nazisymbolik auseinandersetzen.
Heimatland und negierte dadurch das Hakenkreuz.
Der damalige Vorstand der Organisation war sich
Als Folge der Aufdrängung der Nazi-Symbolik wurde
der Gefahr bewusst, dass die Zustimmung zur Ände-
der Beschluss des Hauptorgans des Bundes aus dem
rung der Symbolik die vollkommene Germanisierung
Jahr 1924 in die Tat umgesetzt und ein Abzeichen für
des Bundes und den Verlust seines polnischen Cha-
sämtliche Mitglieder der Organisation eingeführt. Die
rakters mit sich bringen könnte. Aus der Initiative von
grafische Gestaltung des Symbols übernahm Janina
Dr. Jan Kaczmarek beschlossen die Organisationsmit-
Kłopocka. Das weiße Zeichen auf rotem Hintergrund
glieder, ein neues Symbol des Bundes zu gestalten –
ist eine Assoziation mit dem polnischen Staatswap-
ein Symbol, das alle Verbote umgeht und gleichzeitig
pen. „Rodło“ symbolisierte den vereinfachten Verlauf
den Nationalcharakter der Organisation betont. Das
der Weichsel mit Kennzeichnung der Stadt Krakau als
Zeichen ”Rodło“
der Wiege der polnischer Kultur und des Symbols für
entstand dank Unterstützung und
Kooperation zahlreicher Mitglieder des Bundes.
Fortbestehen und Kontinuität des polnischen Staates.
Das Symbol stellte den Verlauf der Weichsel dar
Den Namen des Zeichens verlieh Edmund Osmańczyk,
und erinnerte äußerlich an eine modifizierte Swastika,
der das Ideogramm mit dem Familienwappen verband. Der Neologismus ”Rodło“ entstand aus der Zusammensetzung der Worte: ROdzina (der Stamm) und goDŁO (das Wappen). Im August 1932 beschloss der Vorstand des Bundes das ”Rodło“ Zeichen für ein Zeichen aller Polen in Deutschland zu erklären.
Der Verband der Polnischen Pfadfinder in Deutschland mit dem ”Rodło”– Symbol in der Pfadfinderrautenlillie Związek Harcerstwa Polskiego w Niemczech, ZHPwN (Verband der Polnischen Pfadfinder in Deutschland) – eine polnische Pfadfinderorganisation, die in Jahren 1925-1939 in Deutschland tätig war. In organisatorischer Hinsicht unterstand der Verband dem Bund der Polen in Deutschland. Die erhaltenen Daten der Organisation verzeichnen im Jahre 1928 ca. 400 aktive Mitglieder, 1939 zählte die polnische Pfadfinderbewegung bereits 2.700 Mitglieder. 1933 entwarf Paweł Gajdzik eine Zusammensetzung des ”Rodło”-Zeichens mit der Pfadfinderrautenlillie. Der Leiter der Berliner Einheit des Verbandes der Polnischen Pfadfinder Edmund Rydziński fertigte eine Zeichnung der Pfadfinderraute mit dem “Rodło“Zeichen. Das neu entstandene Symbol wurde zum neuen Wappen der polnischen Pfadfinderbewegung in Deutschland. Zuerst erschien es sporadisch auf den Fahnen der Pfadfindergruppen und –Meuten sowie
16
auf den Fahnen der Wölflinge Kurz darauf wurde es als
Die Bildungsaktivitäten
offizielles Symbol des Verbandes der Polnischen Pfadfinder in Deutschland angenommen und als Schild auf
Die Aufsicht über das polnische Bildungswesen
den Pfadfinderuniformen getragen und auf der Stan-
in Deutschland wurde dem Verband der Polnischen
darte der Organisation getragen.
Schulvereine, der gemeinsam mit dem Bund der Polen
Nach der Machtergreifung durch Adolf Hitler, Ende
am 27. August 1922 ins Leben gerufen wurde, über-
1933 bzw. Anfang 1934 traten die Führer der Hitler-
tragen. Sein erster Vorsitzender war Cezary Vogt, seit
jugend an den Verband der Polnischen Pfadfinder in
1923 leitete Jan Baczewski den Verband. In Deutsch-
Deutschland mit der Forderung, sich ihnen als “eine
land gab es vier Arten von polnischen Schulen bzw.
autonome Minderheitsgruppe“ anzuschließen, an.
vier Unterrichtsmodelle des Unterrichts auf Polnisch:
Im Falle einer Absage drohten sie mit der Auflösung
• Öffentliche Staatsschulen mit Polnisch als Unter-
der polnischen Pfadfinderbewegung in Deutschland.
richtssprache, die auf dem Gebiet des Oppelner
Der Verband der Polnischen Pfadfinder in Deutsch-
Schlesiens existierten und deren Tätigkeit sich auf die
land weigerte sich dreimal, diesen Aufforderungen
Genfer Konvention stützte
nachzukommen. Im September 1937 verbot die Gestapo den Mitgliedern des Verbandes der Polnischen Pfadfinder in Deutschland, Uniforme sowie die Pfadfinderrautenlillie mit dem “Rodło“-Zeichen und rot-weißen Farben zu tragen. Die Mitglieder der Pfadfinderbewegung
• Unterricht der polnischen Sprache und Religion an öffentlichen deutschen Schulen innerhalb der Bezirke IV und V • Polnische Privatschulen in den Bezirken IV und V • Kurse der polnischen Sprache, sog. Polnische Schulen innerhalb der Bezirke II und III
wurden in die Liste der “Feinde des Reiches“, das sog. “Sonderfahndungsbuch Polen“ eingetragen. Während
Durch den Beschluss des preußischen Bildungsmi-
des Krieges töteten die Nazis viele Mitglieder der pol-
nisters bezüglich des Unterrichts der polnischen Spra-
nischen Pfadfinderbewegung in Deutschland.
che und Religion an deutschen Schulen vom 31. De-
Am 07. September 2012, in Anlehnung an den
zember 1918 wurde eine Möglichkeit des Unterrichts
07.09.1939 – das Datum der gesetzwidrigen Auflösung
in Ermland, Masuren und der Grenzregion geschaffen.
des Verbandes – nahm der Verband der Polnischen
Es folgte Niederschlesien, wo ein Unterricht im Sinne
Pfadfinder in Deutschland während einer Restitutions-
der Genfer Konvention stattfand. Faktisch hat mit dem
sitzung in Hannover seine Tätigkeit mit Sitz in Hannover
Tag der Einführung dieses Beschlusses ein Kampf der
wieder auf.
deutschen Behörden gegen die polnischen Schulen angefangen. Es gab wirtschaftliche, gesellschaftliche,
Polnisches Gymnasium in Kwidzyń/Marienwerder • Polskie Gimnazjum w Kwidzyniu
18
psychische, häufig auch körperliche Schikanen. In ei-
ten den Unterricht der polnischen Sprache über 21
nigen Orten schloss man die Schulen bald nach ihrer
Tausend polnischer Kinder in Anspruch. Im Schuljahr
Eröffnung.
1934/35 gab es in allen Bezirken Deutschlands 149
Trotz Schikanen und Terrors eröffnete man am 04.
Schulen, wo 4.247 Kinder und Jugendliche an Polnisch-
April 1929 die ersten vier Schulen in der Region Allen-
unterricht teilnahmen, im Ruhrgebiet gab es 70 Kurse
stein, danach 3 Schulen in der Region Flatow. Bis Ende
für 2.540 Kinder, in Oppelner Schlesien 32 Kurse und
1929 arbeiteten in den Kreisen Bomst, Stuhm, Mese-
550 Schüler, in Berlin 10 Kurse und 257 Schüler, ein
ritz und Beuthen 33 Schulen sowie 18 Schulen in Kreis
oder zwei Kurse in Breslau, Hannover, Hamburg, Bre-
Flatow. Das Jahr 1932 war das beste Jahr für das priva-
men und Stettin. In Berlin bot der Polnische Schulver-
te polnische Schulwesen in Deutschland, in 66 Schulen
ein “Oświata“ den Polnischunterricht an.
wurden 1.906 polnische Kinder unterrichtet, bis 1939 haben leider nur 55 Schulen überdauert. Am 18. November 1932 wurde in Beuthen eine “Private Ober-
Der Polnische Schulverein ”Oświata”
schule mit Gymnasialunterrichtsplan und Polnisch
20
als Unterrichtssprache” eröffnet, die 1935 öffentliche
Einige Wissenschaftler, die sich mit den Anfängen
Rechte erhielt. Im Schuljahr 1936/37 besuchten sie 272
des Polnischunterrichts in Deutschland befassen,
Schüler, im Schuljahr 1938/39 – 181 Jungen.
sind der Meinung, dass die Aktivität des Polnischen
Nach dreijährigen Bemühungen eröffnete im No-
Schulvereins "Oświata" Ende des XIX Jahrhunderts
vember 1937 das zweite polnische Männergymnasium
aufgenommen wurde. 1881 entstand aus der Initiative
in Marienwerder, dessen Bau durch die Slawische Bank
von Dr. Antoni Chłapowski der Schulverein der Polen
finanziert wurde. Den Unterricht besuchten zuerst 94
(Towarzystwo Szkolne Polaków pod wezwaniem św.
Jungen, in den folgenden zwei Jahren wurden dort 162
Stanisława). Nach einigen organisatorischen Umwäl-
Schüler unterrichtet. Die dritte polnische weiterfüh-
zungen entstand daraus der bis heute tätige Polnische
rende Schule in Deutschland war das „Polskie Liceum
Schulverein “Oświata", der zu den ältesten Organisati-
Żeńskie" (Polnische Frauenoberschule) in Ratibor. Die
onen der deutschen Polonia zählt. Ende der achtziger
Bauarbeiten dort dauerten am längsten. Die Bemü-
Jahre fand eine große Migrationswelle aus Polen nach
hungen um diese Schule begannen 1924, der Bau fing
Deutschland statt. Sie trug dazu bei, dass es notwendig
1934 an, die diesbezügliche Korrespondenz mit den
wurde, Polnischunterricht im ähnlichen Umfang wie
deutschen Behörden dauerte bis 1939. Trotz des feh-
vor dem II. Weltkrieg anzubieten. Für dieses Problem
lenden Gebäudes nahm die Schule im November 1933
interessierte sich die Berliner Abteilung des Bundes
ihre Tätigkeit auf, da die Leitung des Bundes der Polen
der Polen in Deutschland mit ihrem damaligen Vor-
beschloss, die “Polnische Frauenoberschule“ bis zur
sitzenden Zygmunt Wesołowski, den Brüdern Stefan
Fertigstellung des Gebäudes in Rattibor in Tarnowskie
und Zbigniew Baczewski, Halina Rometzki, Edward
Góry/Tarnowitz zu unterbringen. Dort bereiteten sich
Dudkiewicz und Wojciech Soczówka. Die Mitglieder
135 Mädchen aus Deutschland für das Abitur in polni-
der Organisation nahmen einen schwierigen Kampf
scher Sprache nach dem Unterrichtsprogramm einer
um die Reaktivierung von “Oświata“ auf. Die Konsular-
deutschen Oberschule vor.
abteilung der Polnischen Militärmission in West Berlin
Ganz anders sah der Unterricht der polnischen Spra-
mit ihrem damaligen Chef mgr. Jerzy Zbitowski un-
che im Ruhrgebiet, Westfalen, Sachsen, Mecklenburg,
terstützte diese Bemühungen tatkräftig. Am 21. April
Westpommern, Berlin, Hamburg, Hannover, Stettin
1988 fand ein Treffen zwischen dem damaligen Volks-
oder Dresden aus. Dort gab es keine polnischen Schu-
bildungsrat des Bezirks Tempelhof und dem späteren
len, es gab zwar keine formellen Hindernisse, dennoch
Regierenden Bürgermeister von Berlin Klaus Wowereit
machte die Verstreuung der polnischen Bevölkerung
und den Vertretern der Berliner Abteilung des Bundes
das Gestalten des Polnischunterrichts schwierig, bei-
der Polen in Deutschland. Die polnische Delegation
nahe unmöglich. Der reguläre Schulunterricht wurde
beantragte kostenlose Klassenraumnutzung in einer
durch Schulen, d. h. Kurse der polnischen Sprache, die
der Schulen im Bezirk Tempelhof. In einem an die Ber-
ununterbrochen vom 1918 bis 1939 stattgefunden ha-
liner Abteilung des Bundes der Polen in Deutschland
ben, ersetzt. Im Ruhrgebiet nahmen in 122 Ortschaf-
gerichteten Schreiben vom 16. August 1988 genehmigt
Klaus Wowereit die kostenlose Klassenraumnutzung
aus der gesamten Welt. Vor allem jedoch war dieser
in der Paul-Simmel-Grundschule in der Felixstraße 26.
Kongress eine große Manifestation der Polen aus allen
“Oświata” nimmt am 11. Oktober 1988 seine bis heute
Gebieten des damaligen Deutschlands. Der Kongress
dauernden Tätigkeit auf.
hatte einen sehr feierlichen und festlichen Charakter,
Das Jahr 2017 fing mit dem Ende einer Etappe in dem
als ob er das Polentum angesichts der zukünftigen
Leben der berliner Polonia an. Die Reihen der Polonia
schweren Zeiten und des bevorstehenden Martyri-
verließen zwei ihrer ältesten Vertreter: am 07.01.2017
ums inspirieren und festigen wollte. In dem schön mit
starb im Alter von 90 Jahren Bolko Klimek, drei Wochen
polnischen Staatsfahnen und den Fahnen einzelner
darauf folgte ihm mit 91 Jahren Halina Rometzki. Beide
Bezirke geschmückten Saal waren feurige und patrioti-
gehörten zu den Nestoren der berliner Polonia und
sche Reden mit Chorgesang, Deklamationen und dem
waren aktive Mitglieder des Polnischen Schulvereins
Skandieren der Parolen des damals jungen Dichters
"Oświata" in Berlin. Beide gestalteten nach dem Krieg
und Journalisten Edmund Osmańczyk verflochten. Es
die Strukturen der Polonia mit. Sie trugen wesentlich
herrschte eine erhobene Atmosphäre, patriotische
zu der Wiederaufnahme der Tätigkeit durch “Oświata“
Stimmung und das Bewusstsein, an einem historisch
bei. Beide waren Fürsprecher der deutsch-polnischen
prägenden Ereignis teilzunehmen. Man skandierte:
Verständigung.
„Wir halten durch und werden gewinnen!” In dem (www.oswiataberlin.de)
I Kongress des Bundes der Polen in Deutschland – 6. März 1938 – Theater des Volkes in Berlin
bereits früher zitierten Artikel von Dr. Kramarek wird der zweite Teil des Kongresses beschrieben: „Nach der Pause und dem gemeinsamen Singen des zweiten Teils der „Hymne von Rodło” stand die lange und feurige Rede von Dr. Jan Kaczmarek, dem führenden aktiven Mitglied des Bundes der Polen in Deutschland,
Ursprünglich wollten die Polen den Kongress 1937,
im Mittelpunkt. In seiner Rede ging er auf die Tragik
anlässlich des fünfzehnten Jahrestages des Bundes
der polnischen Geschichte ein und hob gleichzeitig die
der Polen in Deutschland, durchführen. Als Tagungs-
Größe der polnischen Nation hervor. Er sprach davon,
ort war zuerst Oppeln, dann Breslau vorgesehen, in
dass Polen groß und stark werden kann, wenn jeder
beiden Fällen erteilten die deutschen Behörden keine
Pole nicht nur bereit wäre, sein Leben für es zu opfern,
Erlaubnis. Unsere Landsleute gaben nicht auf und
sondern wenn er auch bereit wäre, für Polen zu leben
führten Verhandlungen mit dem deutschen Innenmi-
und seine Größe und Macht schrittweise aufzubauen.
nister Wilhelm Frick. 1938 planten die deutschen Min-
Dieses Ziel werden wir erreichen, wenn wir immer mit
derheitsorganisationen in Polen Kongresse in Posen,
der Heimat und mit der Einheit der “Fünf Wahrheiten
Bromberg, Kattowitz, Litzmannstadt und Bielitz, aus
der Polen” verbunden bleiben“. Nach der Rede von Dr.
Furcht vor einer Absage der polnischen Organe geneh-
Kaczmarek folgte statt Anträgen der Höhepunkt des
migte der deutsche Minister den Kongress der Polonia. Diese Veranstaltung fand in Berlin am 06. März 1938 statt. In seiner Eröffnungsrede sprach der Vorsitzende des Bundes Pfarrer Dr. Bolesław Domański von ”dem Wunder unserer und gegenseitiger Liebe und Verbundenheit zum Polentum und unserem katholischen Glauben” (”Głos Rodła” Nr. 3, April 1938). In dem Artikel ”Die Wahrheiten der Polen“ („Biuletyn Stronnictwa Demokratycznego” Nr 5. (154), 11. März 1998r.) schrieb Dr.Janusz Kramarek, dessen Großvater an dem Kongress teilgenommen hatte: ”An diesem hervorragend organisatorisch und finanziell vorbereiteten Kongress nahmen 6.000 Delegierte (!) teil, darunter einige Dutzend aus Breslau. Anwesend waren zahlreiche Delegationen aus Polen sowie aus Zentren der Polonia
22
Kongresses – die Verkündung der “Fünf Wahrheiten
Die Kriegszeit – Repressalien
der Polen“, die, wie Dr. Jan Kaczmarek aus der Rednertribüne sagte: “Nicht dem Verstand der großen Wei-
Die Entwicklung des Bundes fand in einer für alle
sen, sondern den einfachen Herzen des polnischen
Minderheiten in Deutschland schwierigen Zeit des
Volkes entstammen“. Alle Teilnehmer stehen auf und
wachsenden Nationalsozialismus statt. Von Anfang
verfolgen die Verkündung der Wahrheiten mit tiefer
an wurden die Mitglieder der Organisation verfolgt,
Konzentration“.
auch wenn Hitler die Tätigkeit des Bundes im III Reich
Die Geschichte der Fünf Wahrheiten ist ungewöhn-
tolerierte aus Angst, dass Repressalien zur Einschrän-
lich. Ihre Ideen und Vorbilder kristallisierten sich aus
kung der Rechte der deutschen Minderheit auf dem
dem alltäglichen Leben der Polen in Deutschland he-
Gebiet der Zweiten Republik Polen führen würde.
raus, man veröffentlichte sie in Appellen, Aufrufen und
Vielen polnischen Aktivisten, die eine Einberufung
Parolen zahlreicher patriotischer Feierlichkeiten Der
zur Wehrmacht erhielten, verpasste die Gestapo den
Berliner Kongress verlieh ihnen den Rang des nationa-
Stempel “Achtung Pole!”. Im September 1937 verbot
len Dekalogs. Sie wurden in folgendem, bis heute nicht
die Gestapo den Mitgliedern des Verbandes der Polni-
verändertem Wortlaut übernommen:
schen Pfadfinder in Deutschland das Tragen der Pfadfinderuniforme und der Rautenlillie mit dem ”Rodło“
•
Wis sind Polen!
– Zeichen. Überdies wurde auch verboten, die Farben
•
Der Glaube unserer Väter ist der Glaube unserer
Weiß und Rot als Dekoration bei Versammlungen zu
Kinder!
verwenden.
•
Ein Pole ist dem anderen Polen ein Bruder!
•
Ein Pole dient jeden Tag seinem Volk!
wurden auf die Liste ”der Feinde des Reiches” – das
•
Polen ist unsere Mutter, über die Mutter darf man
von dem Sicherheitsdienst in Berlin erstellte ”Sonder-
nichts Schlechtes sagen!
fahndungsbuch Polen“ eingetragen. Das Buch diente
Alle Mitglieder des Bundes der Polen in Deutschland
als Grundlage für die Verhaftungen der polnischen intellektuellen Elite und die ethnischen Säuberungen im Rahmen der Aktionen: Operation Tannenberg und Intelligenzaktion. Die Machthaber haben bereits vor dem Krieg die Sonderaktionen gegen die polnische Minderheit auf deutschem Gebiet vorbereitet. Am Freitag, 25. August 1939 verhaftete die deutsche Polizei sämtliche Schüler des polnischen Gymnasiums in Marienwerder im Alter von 9 bis 17 Jahren, um sie gemeinsam mit den Lehrern der Schule in ein sog. ”Schutzlager“ zu bringen. Beim Kriegsausbruch lösten die Organe des III Reiches den Bund auf und beschlagnahmten sein Vermögen, ein Teil der Mitglieder wurde erschossen, ca. 1.200 Mitglieder brachte man in die Konzentrationslager, hauptsächlich nach Hohenbruch, Mauthausen-Gusen und Sachsenhausen. Die Gesamtzahl der Verfolgten des Bundes schätzt man auf ca. 2.000 Personen. Die materiellen Schäden der polnischen Minderheit, die als Folge der Beschlagnahme des Vermögens entstanden sind, schätzt man auf mindestens 8,45 Millionen Reichsmark.
24
Die Nachkriegszeit
Deutschland und der Republik Polen sind, die der Annäherung beider Bevölkerungen dienen, Bereitstellung
Nach dem Krieg, 1945 nahm der Bund seine Tätig-
materieller und logistischer Hilfe sowie technischer
keit in den westlichen Besatzungszonen Deutschlands
Mittel, die der Realisierung der Zwecke des Vereins in
wieder auf. 1950 wurde der Bund der Polen in Deutsch-
Anlehnung an die Verfassung, den Vertrag zwischen
land in der Bundesrepublik Deutschland eingetragen,
der Republik Polen und der Bundesrepublik Deutsch-
zuerst als ein Verein mit Sitz in Frankfurt/Main, seit
land über gute Nachbarschaft und freundschaftliche
1956 befindet sich der Hauptsitz des Bundes der Po-
Zusammenarbeit vom 17. Juni 1991, die Satzung und
len in Deutschland in Bochum. 1950 kam es wegen
die Beschlüsse der Generalorgane dienen“.
der Beziehungen zu der damaligen kommunistischen
Am 26 März 2014 entstand aufgrund eines Be-
Regierung zu einer Spaltung innerhalb des Bundes, es
schlusses des Generalvorstands des Bundes ein Eh-
entstand der Bund der Polen ”Zgoda”, der Kontakte zu
renausschuss des Zeichens „Rodło“, der die Rolle des
der Volksrepublik Polen unterhielt.
Depositärs des Zeichens „Rodło” übernahm. Der Eh-
1955 entstand eine weitere Organisation – die Ver-
renausschuss setzt sich für den Schutz und die Pflege
einigung der Polen in Berlin. Sie arbeitete mit der kom-
der Tradition des “Rodło“-Symbols sowie sein Funkti-
munistischen Regierung der Volksrepublik Polen mit
onieren und seine Bedeutung für die Verbreitung des
und wurde häufig mit den Berliner Abteilungen des
Einheitsgefühls innerhalb der unter dem Zeichen von
Bundes der Polen in Deutschland verwechselt. Der
“Rodło“ versammelten deutschen Polonia ein.
Bund hatte Abteilungen in den Bezirken Charlottenburg und Neukölln, jede von ihnen zählte einige Hundert Mitglieder. Unter den Mitgliedern gab es wichtige
Die Vorsitzenden des Bundes der Polen in Deutschland
Persönlichkeiten wie die Musiker Renata Rautenberg und Witold Szalonek, die von Halina Rometzki zum
• 3.12.1922 – 9.02.1933: Stanisław Sierakowski
Beitritt überredet wurden.
• 9.02.1933 – 21.04.1939: Pfarrer Bolesław Domański
2001 hat während einer außerordentlichen Mitgliederversammlung Józef Młynarczyk mit Zustimmung des Hauptrats Änderung der Satzung des Bundes der Polen in Deutschland herbeigeführt. Die Satzungs-
• 21.04.1939 – 09.1939: p.o. Stefan Szczepaniak • 3.06.1951 – 6.03.1964: Stefan Szczepaniak • 22.11.1964 – 23.08.1969: Pfarrer Józef Franciszek Styp-Rekowski
änderungen führten dazu, dass der Bund einen
• 15 März 1970 – 1988: Pfarrer Edmund Forycki
neuen Namen auf Deutsch erhielt „Bund der Polen
• 20.03.1988 – 18.03.1991: Teodor Wesołowski
in Deutschland e.V.” und auf die bisherigen Satzungs-
• 1991–1993: S. Jabłoński
ziele wie den Schutz der polnischen Bevölkerung in
• 1993–1997: Tadeusz Hyb
Deutschland als eine nationale Minderheit verzichtete.
• 1997 – 22.02.2004 : Józef Młynarczyk
Nach 2001 wurden die Satzungsziele wie folgt eingetragen: “Der Zweck des Vereins ist der Schutz und die Vertretung der Interessen der Personen, von de-
• 22.02.2004 – Mai 2009 : Zdzisław Duda • 07.2009 – 06.03.2010 kommissarisch Marek Wójcicki
nen im Vertrag über gute Nachbarschaft und freund-
• 06.03.2010 – 01.05.2013 Marek Wójcicki
schaftliche Zusammenarbeit die Rede ist, in allen Be-
• 01.05.2013 – Josef Hilarius Malinowski.
reichen vor Behörden der öffentlichen Verwaltung der
Zurzeit besteht der Generalvorstand aus:
Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen
• Vorsitzender – Josef Malinowski
sowie die Wahrung ihrer Interessen gemäß der Verfas-
• Stellvertretende Vorsitzende – Anna Wawrzyszko
sung des Landes des Wohnsitzes, Unterstützung von
• Sekretär – Marcin Budniewski
Aktivitäten, die die Toleranz, die gegenseitige Achtung und das Verständnis zwischen den Völkern anstreben
• Der Vorsitzende des Generalbeirats ist Dr. Edward Kieyne.
und die Bewahrung und Pflege der ethnischen und kulturellen Identität ermöglichen – insbesondere die Zusammenarbeit mit allen, deren Ziel gutnachbarschaftliche Beziehungen zwischen der Bundesrepublik
26
(www.zpwn.org)
Die Persönlichkeiten des Bundes der Polen in Deutschland
nach Rypin gebracht, wo er gefoltert und einige Tage später gemeinsam mit seiner Frau Helena, Tochter Teresa und ihrem Ehemann Tadeusz Gniazdowski er-
Stanisław
SIERAKOWSKI
(geboren
09.03.1881
schossen wurde.
in Posen, gestorben am 26.10.1939 in Rypin) – ein
28
verdienstvoller Vertreter der polnischen Minderheit
Pfarrer Bolesław DOMAŃSKI (geb. 14.01.1872 in
in der Weimarer Republik und im III Reich, der erste
Wildau bei Konitz, Westpreußen, gest. am 21.04.1939
Vorsitzende des Bundes der Polen in Deutschland
in Berlin) – polnischer katholischer Geistlicher, promo-
und des Verbandes der Nationalen Minderheiten in
vierter Philosoph, Pfarrer der Hlg. Maria Magdalena
Deutschland und preußischer Abgeordneter. Nachfah-
Pfarrei in Zakrzewo (Landkreis Flatow, Westpreußen),
re einer wohlhabenden Gutsbesitzerfamilie in Waplitz
aktives Mitglied des Bundes der Polen in Deutschland.
(Weichselniederung) und Osiek (Dobriner Land). Sein
Er wurde in einer kinderreichen Familie (er hatte 6
Vater war Adam Sierakowski.
Geschwister) mit patriotischen Traditionen geboren
Er besuchte das Katholische Gymnasium in Culm,
(sein Vater war Lehrer und Aktivist und unterrichtete
für seine Mitwirkung in der geheimen Organisation
Polnisch und Kaschubisch während der Teilung Po-
“Gesellschaft der Philomaten“ wurde er mit einer
lens). Pfarrer Domański war Schwager des Lehrers
Woche Haftaufenthalt bestraft. Er studierte an den
der polnischen Schule in Flatow Juliusz Zieliński. Er
Universitäten in Berlin und Brüssel. 1910 heiratete er
absolvierte das Collegium Marianum in Pelplin und
Helena, geborene Lubomirska, mit der er sieben Kin-
legte seine Abiturprüfung mit Auszeichnung in dem
der hatte. Am Ende des I Weltkriegs war er Mitglied im
Königlichen Klassischen Gymnasium in Culm 1890 ab.
Unterkommissariat des Obersten Volksrats für die Re-
Danach besuchte er das Priesterseminar in Pelplin, die
gionen Königlich Preußen, Ermland und Masuren mit
Subdiakonatsweihe fand 1893 statt, 1895 folgte die
Sitz in Danzig (Gdańsk). Nach der durch Polen verlore-
Priesterweihe. In den Jahren 1894-1897 studierte er
nen Volksabstimmung blieb er in Waplitz, das Preußen
an der Königlichen Preußischen Theologischen und
angeschlossen wurde. Nach dem Tod seines Bruders
Philosophischen Akademie in Münster, wo er 1987
Jan 1920 erbte er nach ihm ein Gut in Osiek (Dobriner
multa cum laude seine Doktorarbeit in Philosophie
Land). Nach 1919 beteiligte er sich aktiv an der Ent-
verteidigte (“Die Lehre des Nemesius über das Wesen
stehung des Bundes der Polen in Ostpreußen, später
der Seele”). Die Arbeit von Pfarrer Dr. Domański ist
(1922) des Bundes der Polen in Deutschland. Stanisław
eng mit seiner Heimat verbunden. Seine erste Stelle
Sierakowski wurde zum ersten Vorsitzenden des Bun-
war die Stelle eines Vikars in der Pfarrei in Lubawa. Es
des, er hatte auch die Funktion des Generalkonsuls
folgte pädagogische Arbeit (seit dem Schuljahr 1899)
der Republik Polen in Marienwerder (1920-1921) inne
in dem Priesterseminar in Pelplin. Danach (seit 1902),
und war preußischer Abgeordneter (1921-1928) aus
nach einem kurzen Dienst als Pfarrer in Flatow, über-
der Liste der Nationalminderheiten in Deutschland. Er
nahm er ab 16. September 1903 die Aufgabe des Pfar-
war auch Eigentümer und Herausgeber der Monats-
rers in Zakrzewo (4.100 Einwohner). Bereits damals äu-
zeitschrift „Kulturwehr“. Die Zeitschrift schrieb rote
ßerten die preußischen Behörden (deren Zustimmung
Zahlen, Sierakowski finanzierte zahlreiche mit seiner
zur Übernahme dieser Aufgabe unabdingbar war) ihre
politischen Tätigkeit verbundenen Reisen und die Zeit-
Bedenken angesichts der gegen die Germanisierung
schrift aus privaten Mitteln. Er nahm Kredite auf, die er
gerichteten Einstellung von Pfarrer Domański. Noch
wegen der Währungskrise der zwanziger und dreißi-
vor seiner Ankunft in Zakrzew war dieses Dorf als ein
ger Jahre nicht zurückzahlen konnte. Dies führte zum
pro-polnischer Ort, wo Messen auf Polnisch gehalten
Verlust eines großen Teils des Gutes Waplitz. Nach der
wurden, bekannt. Pfarrer Domański war ein guter
Machtübernahme durch die NSDAP forderten ihn die
Seelsorger. Die Katechese führte er auf Polnisch (er
Staatsorgane zum Verlassen Deutschlands auf. Siera-
vermittelte gleichzeitig den Patriotismus, die Geschich-
kowski siedelte nach Polen um und lebte auf seinem
te Polens usw.), da die örtliche deutschsprachige Be-
Gut in Osiek bei Strasburg.
völkerung den evangelischen Gemeinden angehörte.
Am 20. Oktober 1939 wurde er durch den Volks-
Er war ein hervorragender Organisator des Lebens
deutschen Selbstschutz verhaftet und in ein Gefängnis
der Gemeinde, man sprach von seinen nationalen
und kulturellen Aktivitäten, die er trotz Hindernisse
Vier Jahre darauf wurde er Vorsitzender der Berliner
seitens der deutschen Behörden durchführte. Pfarrer
Aktiengesellschaft Slawische Bank. Beide Institutio-
Domański befürwortete die “organische Arbeit“ und
nen ermöglichten die wirtschaftliche Unabhängigkeit
förderte den Wissensdrang seiner Gemeindemitglie-
der Polen in Deutschland. Domański war sich dessen
der. Sein Ansehen und organisatorische Fähigkeiten
bewusst, dass außer der Germanisierung der Verlust
führten zu seiner Wahl zum Vorsitzenden des Auf-
der nationalen Identität durch Konformismus und
sichtsrats der Volksbank in Flatow. In den Jahren 1918-
wirtschaftlichen Druck eine große Gefahr bildet. “Der
1920 war ein Mitglied einer zahlreicher Gruppe, die
Pfarrer Schirmherr“ hatte bald eine große Bedeutung
sich in den Kampf um den Anschluss des Gebietes um
für die Polen in Deutschland. Mit diesem Beinamen
Flatow zu Polen engagierte. Nach dem Misserfolg die-
wurde er am 09. 02.1933 zum Vorsitzenden des Bun-
ser Bemühungen protestierte er gegen den Aufruf der
des der Polen in Deutschland gewählt; diese Funktion
polnischen Regierung mit Appell um Massenrückkehr
hielt er bis zum Tod inne. Die Krönung der Aktivitäten
der im Ausland lebenden Polen nach Polen.
von Pfarrer Domański war die Organisation des I Kon-
Er schlug das Angebot des Umzugs nach Thorn und einer höhen gestellten Position in der Kirche aus. Er
gresses der Polen in Deutschland, der am 06. März 1938 im Theater des Volkes in Berlin stattfand.
war der Meinung, dass “der nationale Verrat darin Diesem
Stanisław SZCZEPANIAK (geboren 14.08.1892 in
Standpunkt folgten zahlreiche Vertreter der Bauer,
Helbra-Mansfeld, gest. 6.03.1964 in Biberach) – akti-
nicht nur in Pommern, sondern auch in Schlesien und
ves Mitglied der Polonia im Deutschen Reich und in der
in anderen Regionen des Deutschen Reiches. 1938
Bundesrepublik Deutschland, seit 1939 Vorsitzender
kämpfte er bei der deutschen Obrigkeit um den Erlass
des Bundes der Polen in Deutschland. In den Jahren
einer “Regulierungsverordnung für den Unterricht
1923 – 1930 war er Leiter des Bezirks Zentraldeutsch-
der polnischen Minderheit in Preußen”. 1929 wurde
land und Niederschlesien. In den dreißiger Jahren
er zum Schirmherr des Aufsichtsrates des Verbandes
hatte er den Vorsitz der Polnischen Genossenschaften
Polnischer Genossenschaften in Deutschland gewählt,
in Deutschland und war gleichzeitig Mitglied des Auf-
was zu seinem Beinamen “Pfarrer Schirmherr” führte.
sichtsrates der Slawischen Bank. Vom 12. September
besteht, dass man seine Heimat verlässt”.
1934 bis April 1939 war der der stellvertretende Vorsitzende des Bundes der Polen in Deutschland und nach dem Tod von Pfarrer Boleslaw Domański am 21. April 1939 übernahm er den Vorsitz der Organisation. Während des II Weltkriegs war er Insasse in Buchenwald. In den Jahren 1950-1964 hatte er den Vorsitz des Bundes der Polen in Deutschland. Jan BACZEWSKI (geb. am 13.12.1890 in Grieslienen im Landkreis Allenstein, gestorben am 20. Juni 1958 in Gdańsk) – ein aktives Mitglied der Polen in Deutschland, engagiert auf dem Gebiet der Politik und der Bildung, Abgeordneter des Preußischen Landtags. Jan Baczewski entstammte einer kinderreichen Familie polnischer Katholiken aus dem Ermland. Er besuchte ein Gymnasium in Braunsberg und anschließend eine landwirtschaftliche Schule in Allenstein. Im Januar 1919 führte Baczewski als Mitglied des Polnischen Volksrats die polnische Volksabstimmung in Ermland. Er sprach sich für einen Grenzverlauf zwischen Deutschland und Polen aus, der den geschichtlichen Begebenheiten Stanisław Szczepaniak
30
entsprach, d. h. der Wiedereinführung der polnischen
Grenzen aus der Zeit vor den Teilungen des Landes.
den polnischsprachigen deutschen Staatsbürgern in
1920 gehörte er zu den Mitbegründern des Bundes
Deutschland bekräftigt. Ein wichtiger Bestandteil des
der Polen in Ostpreußen und des Schulvereins in Al-
Vertrages ist die vertraglich geregelte Gleichberechti-
lenstein und dessen Abteilungen auf dem gesamten
gung bei der Behandlung der deutschen Minderheit
polnischen Gebiet. Die Funktion des Vorsitzenden
in Polen und aller Polen in Deutschland, d. h. der An-
des Schulvereins übte er bis 1932 aus. Dank seinen
gehörigen der polnischen Minderheit in Deutschland
Bemühungen verfassten die preußischen Behörden
und deren Nachkommen als auch nach Deutschland
eine Verordnung, die die Eröffnung von polnischen
zugewanderten Polen. Der Artikel 2, Absatz 3, sieht vor,
Privatschulen auf den von Autochthonen bewohnten
dass die deutschen und polnischen Minderheiten bei-
Gebieten erlaubte. Am 08. November 1932 eröffnete.
der Staaten als „natürliche Brücke zwischen dem deut-
man das seit 160 Jahren erste polnische Gymnasium
schen und dem polnischen Volk“ zu sehen sind. In den
in Beuthen.
Artikeln 20 bis 25 des Vertrages sind die Regelungen
1922 gehörte er zu den Gründern des Bundes der
über Gleichbehandlung der deutschen Minderheit in
Polen in Deutschland. In den Jahren 1922-1928 war
Polen und der polnischen Minderheit bzw. polnischer
er Abgeordneter des Preußischen Landtags aus der
Migranten in Deutschland festgeschrieben. Während
Liste des Verbandes der Nationalen Minderheiten in
die Republik Polen die Regelungen bezüglich des
Deutschland. Seit 1929 wohnte er ständig in Berlin,
Schutzes und Förderung der deutschen Minderheit in
1934 verzichtete er auf Teilnahme am politischen
Polen sowohl gesetzlich, finanziell und sozial-kulturell
Leben wegen Konflikte innerhalb der polnischen Min-
umgesetzt hat, gibt es von polnischer Seite Kritik da-
derheit. Am 1. September 1939 wurde er verhaftet
hingehend, dass die Bundesrepublik Deutschland
und nach Sachsenhausen gebracht. Nach dem Krieg
diese vertraglichen Vereinbarungen nicht ausreichend
1945 wurde er zum Bürgermeister von Dębno (Neu-
erfülle.
stadt) ernannt. In den Jahren 1947-1952 war er für
Heute, nach langwierigen Diskussionen, erkennt die
die Polnische Bauerpartei, später für die Vereinigte
Bundesregierung zumindest das vertraglich zugesi-
Polnische Bauernpartei Abgeordneter (aus der Region
cherte Recht aller Polen in Deutschland auf „gleichwer-
Stettin) zum gesetzgebenden Sejm. Er war Mitglied
tige Privilegien“, die die deutsche Minderheit in Polen
der Kommission für Auswärtige Angelegenheiten und
genießt. Auch Bundespräsident Christian Wulff sprach
der Kommission für Belange der wiedergewonnenen
in einer Veranstaltung im Herbst 2010 in Darmstadt
Gebiete und der Repatriierung. Er starb am 20. Juni
offen von der existierenden polnischen Minderheit in
1958 und wurde in der Allee der Verdienten auf dem
Deutschland.
Friedhof in Allenstein begraben. Er ist Schirmherr der
Aus der Sicht des Bundes der Polen in Deutschland
Grundschule SPSK in Grieslienen. Ausgezeichnet mit
stellt es zwar einen Fortschritt dar. Er kritisiert es je-
dem Offizierskreuz der Wiedergeburt Polens.
doch als unzureichend angesichts einer seiner Ansicht
Gegenwart
nach fast 20-jährigen Nichterfüllung des deutschpolnischen Vertrages, zumal dieser Feststellung keine Taten gefolgt seien. .
Fragmente des Referats von Josef Malinowski wäh-
Der Verein setzt sich für den Erhalt von polnischer
rend des Kongresses der Polnischen Organisationen in
Sprache, Kultur und Tradition in Deutschland ein als
Deutschland, Berlin, 10. Dezember 2016.
auch für die Anerkennung der in Deutschland lebenden Polen als nationale Minderheit.
32
Am 17. Juni 1991 unterzeichneten Bundeskanzler
Als Fortsetzung der Minderheitenpolitik des Bundes
Helmut Kohl und der polnische Ministerpräsident Jan
in Deutschland vor 1940 ist der Verein ein Gründungs-
Krzysztof Bielecki in Bonn einen bedeutenden Freund-
mitglied der Föderalistischen Union der Europäischen
schaftsvertrag, den Vertrag über gute Nachbarschaft
Volksgruppen, einer Organisation der autochthonen
und freundschaftliche Zusammenarbeit. In diesem
Minderheiten in Europa.
Vertrag werden auch die jeweiligen Verpflichtungen
Auf die Initiative des Vereins hat der Berliner Rechts-
der beiden Staaten gegenüber der deutschen Min-
anwalt Stefan Hambura im August 2009 einen Brief an
derheit in Polen und der polnischen Minderheit sowie
die Bundeskanzlerin Angela Merkel gerichtet, in dem
die Erfüllung des geltenden Status der polnischen Min-
• Polnische Organisationen in Deutschland erhalten
derheit in Deutschland gefordert wird. In einer offiziel-
keinerlei institutionelle Unterstützung seitens des
len Antwort des Bundesjustizministerium bestätigt die
Bundes, Länder oder Gemeinden. Wir fordern die
Bundesregierung, dass das Verbot der Organisationen
Sicherstellung der institutionellen Förderung aller
der polnischen Minderheit in Deutschland, repräsen-
polnischen Organisationen in Deutschland durch
tiert durch den Bund der Polen in Deutschland, ju-
die Bundesrepublik Deutschland, nach dem glei-
ristisch von Anfang an ungültig war und somit dieser
chen Muster wie die Organisationen der deutschen
Status weiterhin besteht.
Minderheit in Polen durch die Republik Polen geför-
• Auf der Basis des geltenden Status der polnischen
dert werden.
Minderheit in Deutschland sowie des deutsch-polni-
• Wir fordern die Förderung des Unterrichts der pol-
schen Vertrages über gute Nachbarschaft und freund-
nischen Sprache als Muttersprache in den öffentlichen
schaftliche Zusammenarbeit vom 17. Juni 1991 vertritt
und Vereinsschulen überall dort, wo der Bedarf be-
der Bund der Polen in Deutschland die Auffassung,
steht, nach den gleichen Kriterien wie der Unterricht
dass die vertraglich und verfassungsmäßig zugesi-
der deutschen Sprache für die deutsche Minderheit in
cherten Rechte der Polen in Deutschland durch die
Polen unterstützt wird.
Bundesrepublik Deutschland nicht respektiert werden.
• Wir fordern die Ratifizierung des Rahmenab-
• Der Verein hat in den Gesprächen zwischen der
kommens zum Schutz der nationalen Minderheiten
Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der
von 1995, der Europäischen Charta der Regional- und
Regierung der Republik Polen im Februar 2010 in
Minderheitensprachen von 1992 im Bezug auf die pol-
Berlin daher folgende Postulate vorgestellt:
nischen Minderheit in Deutschland sowie die Erfüllung
• Die Angehörigen der polnischen Minderheit in Deutschland sind bisher nicht als Opfer des national-
des deutsch-polnischen Freundschaftsvertrages von 1991 durch die Bundesrepublik Deutschland.
sozialistischen Unrechtsregimes anerkannt worden.
• Wir fordern die Förderung des ungehinderten
Der Bund der Polen in Deutschland fordert eine volle
Medienzugangs für die polnischen Organisationen in
Rehabilitierung dieses Personenkreises und deren
Deutschland.
Anerkennung als Opfer des Naziregimes in der Form,
• Wir fordern die Rückgabe oder eine Entschädigung
wie dies bereits mit anderen Opfergruppen gesche-
für das im Jahre 1940 beschlagnahmte Vermögen des
hen ist, d. h. durch eine Entschließung des Deutschen
Bundes der Polen in Deutschland.
Bundestages.
Der Verein fordert die “Symmetrie“ und “Proportionalität“ in der Behandlung der deutschen Minderheit in Polen und der polnischen Minderheit bzw. polnischsprachigen deutschen Staatsbürger/Anwohner in Deutschland im Sinne des deutsch-polnischen Vertrages, d. h. gleiche Förderung der Polen in Deutschland wie es die deutsche Minderheit in Polen genießt und entsprechend der Anzahl der Personen, die sich zu dem jeweiligen Kulturkreis bekennen. Auf das Betreiben des Vereins sowie der Vertreter des Konvents polnischer Organisationen in Deutschland entstand am 20. August 2010 in Dortmund die Ständige Konferenz der Polnischen Dachverbände in Deutschland, die seit Mai 1945 zum ersten Mal alle polnischen Dachverbände in Deutschland vereinigt. Die Aufgabe der Ständigen Konferenz ist es, gemeinsame Positionen und Postulate gegenüber der deutschen, polnischen und europäischen Organen und Behörden auszuarbeiten und zu vertreten. Redakion
34
Sejm würdigte den 95. Jahrestag der Entstehung des Bundes der Polen in Deutschland
I
m August 2017 feierte der Bund der Polen in
Deutschland durch eine freundschaftliche Nachbar-
Deutschland den 95. Jahrestag seines Entstehens.
schaft verbunden sind, richten sich die Aktivitäten des
Die Abgeordneten begingen diesen Jahrestag feierlich
Bundes darauf, Polen Hilfe seitens der Bundes- und
durch Verabschiedung eines Beschlusses, der die an
Landesbehörden zu sichern, die gleichwertig mit der
die Entstehung der ältesten polnischen Organisation
Unterstützung für die polnische Minderheit in Polen
in der Bundesrepublik Deutschland erinnerte.
ist“ – steht es in dem Beschluss.
In dem per Akklamation angenommenen Beschluss
Der Sejm brachte in dem angenommenen Beschluss
erinnerte der Sejm, dass der Bund der Polen in
seinen Respekt gegenüber den Mitgliedern des Bun-
Deutschland sich seit seiner Gründung 1922 für den
des, die zum Erhalt des Polentums beigebracht haben,
Schutz der Interessen der polnischen nationalen Min-
zum Ausdruck.
derheit und des polnischen Kultur- und Geschichtserbes innerhalb der deutschen Grenzen einsetzte. Er
Warschau, 27 Oktober 2017
engagierte sich in das politische Leben, in die Bildung
Quelle: Sejm RP
und Wirtschaft und wurde zu einer “Brücke“, die beide Völker verbindet. “Heute, in der Zeit, in der Polen und
Der Plenarsaal des 1. Kongresses der Polen in Deutschland (März 1938)
36
Jubiläum des Bundes der Polen in Deutschland – RODŁO
A
m 18. November 2017 fand in dem berühm-
zender
ten Französischen Dom am Gendarmenmarkt
gruppe, Pfarrer Dr. Adam Prorok – Vorsitzender des
in Berlin eine Festveranstaltung aus dem Anlass des
Christlichen Zentrums zur Förderung der Polnischen
95. Jahrestages der Gründung des Bundes der Polen
Sprache, Kultur und Tradition in Deutschland, Robert
in Deutschland Rodło” statt. Die mit einem “Konzert
Czyżewski – Vorsitzender der Stiftung “Freiheit und
der polnischen Musik” verbundenen Feierlichkeiten
Demokratie“, Tomasz Różniak – Vorstandsmitglied
würdigten mit ihrer Anwesenheit u. a. die Leiterin der
der Vereinigung “Wspólnota Polska”, Ewa Miżejewska
Kanzlei des Präsidenten der Republik Polen Halina
– Vorsitzende der Polnischen Zentrale für Schul-
Szymańska, die Präsidentin des Verfassungsgerichts-
und Bildungswesen in Deutschland, Pfarrer Marek
hofs Julia Przyłębska, der Botschafter der Republik
Kędzierski – Pfarrer der Polnischen Katholischen Mis-
Polen in Deutschland Andrzej Przyłębski, die Abgeord-
sion in Berlin sowie Ferdynand Domaradzki – Vorsit-
neten: Dorota Arciszewska-Mielewczyk, Małgorzata
zender des Polnischen Rates, Landesverband Berlin.
Gosiewska, Małgorzata Wypych – aus der Verbin-
Die
der
Deutsch-Polnischen
Organisatoren
der
Parlamentarier-
Jubiläumsveranstal-
dungskommission mit den Polen im Ausland, Michał
tung – Alexander Zając und Józef Malinowski erhiel-
Jach – Vorsitzender der nationalen Verteidigungs-
ten Gratulationswünsche für den Bund der Polen in
kommission und Szymon Szynkowski vel Sęk – Vorsit-
Deutschland von der Vorsitzenden der Kommission für Angelegenheiten der Emigration und der Verbindung mit den Polen im Ausland beim Polnischen Senat – Janina Sagatowska, dlem stellvertretenden Außenminister – Jan Dziedziczak sowie dem stellvertretenden Minister für Innere Angelegenheiten und Verwaltung – Sebastian Chwałek. Im offiziellen Teil kamen: die Leiterin der Kanzlei des Präsidenten der Republik Polen Halina Szymańska, die Abgeordnete Dorota Arciszewska-Mielewczyk und der Botschafter der Republik Polen in Deutschland Professor Andrzej Przyłębski zu Wort. Ferner las die Abgeordnete Malgorzata Wypych ein Gratulationsschreiben der Vorsitzenden der Verbindungskommission mit den Polen im Ausland bei Polnischem Sejm, Anna SchmidtRodziewicz vor. Tomasz Różniak las ein an die Teilnehmer der Veranstaltung gerichtetes Schreiben des Vorsitzenden der Vereinigung “Wspólnota Polska” – Dariusz Bonisławski vor. In seiner Begrüßungsrede stellte der Vorsitzende des Bundes der Polen in Deutschland Józef Malinowski die Geschichte des Bundes vor, er bedankte sich bei dem Sejm der Republik Polen für die Verabschiedung eines Beschlusses, der den 95. Jahrestag des Bundes der Polen in Deutschland per Akklamation würdigte. Józef Malinowski verlieh gemeinsam mit der stellvertretenden Vorsitzenden des Bundes Anna Wawrzyszko
38
die von dem Ehrenausschuss von “Rodlo” vergebenen
guszewski die Ouvertüre zu der Operette “Dwie chatki“
Medaillen des Bundes an Elżbieta und Gabriela Ba-
(Zwei Hütten) von Karol Kurpiński, “Suita Staropolska”
czewska, Professor Andrzej Przyłębski sowie Szymon
(Die altpolnische Suite) von Andrzej Panufnik und das
Szynkowski vel Sęk. Zum Schluss des offiziellen Teils
Klavierkonzert E-moll op. 11 von Frederic Chopin mit
trat der Historiker Robert Czyżewski, Vorsitzender der
dem Solisten Sławomir Wilk am Klavier. Der Auftritt
Stiftung “Freiheit und Demokratie“ mit einem der Ge-
der stettiner Musiker war ein großer Erfolg. Das Pub-
schichte der Organisation gewidmeten Referat auf.
likum nahm das Konzert enthusiastisch auf, es endete
Bei der Veranstaltung waren auch Vertreterinnen
40
mit einer bravourös gespielten Zugabe des Pianisten.
der Polnischen Post anwesend, die eine Sonderpost-
Das Jubiläumskonzert organisierte der Konvent der
karte aus dem Anlass des Jubiläums des Bundes vor-
Polnischen Organisationen in Deutschland, durch den
stellten. Auf dieser Postkarte sind die Fünf Wahrheiten
Abend führte die bekannte berliner Journalistin Joanna
der Polen, die während des I. Kongresses der Polen in
Ratajczak. Die Jubiläumsfeierlichkeiten wurden reali-
Deutschland am 06. März 1938 in Berlin verabschiedet
siert dank der finanziellen Unterstützung des Amtes
wurden, abgebildet.
der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien, des
Auf der Briefmarke ist eine Fotografie des Pfarrers
Außenministeriums der Republik Polen und des Kon-
Bolesław Domański – des Vorsitzenden des Bundes
vents der Polnischen Organisationen in Deutschland
der Polen in Deutschland in den Jahren 1933-1939,
EWIV.
oben auf der Postkarte steht der Anlass der Heraus-
Am Sontag, 19. November, fand um 12.00 Uhr in
gabe der Sonderedition auf Polnisch und Deutsch: 95.
der Berliner St.-Johannes-Basilika (dem Sitz der Polni-
Rocznica powstania Związku Polaków w Niemczech
schen Katholischen Mission in Berlin) eine feierliche
oraz 95. Jahrestag der Gründung des Bundes der Polen
Messe für den Bund der Polen in Deutschland statt, an
in Deutschland.
der geladene Gäste teilgenommen haben. Die Messe
Im künstlerischen Teil der Veranstaltung, dem
zelebrierte Pfarrer Dr. Adam Prorok unter Assistenz
“Konzert der polnischen Musik” spielte das Kammeror-
von Pfarrer Stanisław Świerczyński und Pfarrer Marek
chester “Academia” unter der Leitung von Bohdan Bo-
Kędzierski.
Nach der Messe eröffnete Pfarrer Stanisław Świer-
Die Geschichte des Bundes der Polen in Deutschland“,
czyński eine Ausstellung über das Leben des selig
die von der Stiftung “Freiheit und Demokratie” und
gesprochenen Pfarrers Stefan Wincenty Frelichowski,
dem Autor Robert Czyżewski vorbereitet wurde, aufge-
des Schutzpatrons der Polnischen Pfadfinder, der am
stellt. Die Veranstalter bedanken sich bei dem Pfarrer
23. Februar 1945 im Konzentrationslager Dachau ge-
der Polnischen Katholischen Mission in Berlin, Pfarrer
storben ist.
Marek Kędzierski für seine Hilfe und Engagement bei
Am 95. Jahrestag der Eintragung des Bundes der Po-
der Vorbereitung der Jubiläumsprojekte.
len in Deutschland ins Vereinsregister, am 3. Dezember fand in der St.-Johannes-Basilika in Berlin eine Messe
Joanna Trümner, Krystyna Koziewicz
für die ehemaligen und gegenwärtigen Mitglieder des Bundes statt. Unter den geladenen Gästen waren: die Vorsitzende des Verfassungsgerichts Julia Przyłębska, der Botschafter der Republik Polen Professor Andrzej Przyłębski, der Vorsitzende des Konvents der Polnischen Organisationen in Deutschland – Alexander Zając sowie Józef Malinowski – der Vorsitzende des Bundes der Polen in Deutschland und Anna Wawrzyszko – die stellvertretende Vorsitzende des Bundes. An der Messe nahmen außerdem zahlreiche Mitglieder und Sympathisanten des Bundes teil. Nach dem Gottesdienst fand das Jubiläumskonzert “Die fortwährende Welt“, das aus diesem Anlass von Piotr Kajetan Matczuk und der Gruppe “Piramidy“ vorbereitet wurde, statt. Eine junge polnische Schauspielerin aus Lemberg – Elżbieta Lewak rezitierte Gedichte. Vor der Kirche wurde die Ausstellung “Der Republik Polen immer treu sein.
Das Orchester “Academia“ – Professor Bohdan Boguszewski (Dirigent); Sławomir Wilk (Klavier) |Orkiestra „Academia“ – prof. Bohdan Boguszewski (dyrygent); Sławomir Wilk (fortepian)
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Halina – Spurensuche, ein kritischer Diskurs
H
alina Rometzki starb am 30. Januar 2017 im Alter
Rometzki taucht dort als Privatperson nicht auf.
von 90 Jahren. Eine Frau, von der jeder Pole in
Sie wurde mit drei wichtigen Auszeichnungen für
Berlin hörte, oder die man persönlich kannte. Die
Polen im Ausland und Polen in Deutschland ausge-
Tatsache, dass sie in Öffentlichkeit auftrat, veränder-
zeichnet: dem Ritterkreuz des Ordens der Wieder-
te ihre Persönlichkeit nicht. Ihre Meinung äußerte sie
geburt Polens (1996), der Goldenen Auszeichnung
stets mit viel Energie. Halina Rometzki behielten wir
des Bundes der Polen in Deutschland (1997) und der
in Erinnerung als eine ältere, lebhafte und energische
Medaille der Kommission für Nationale Bildung (2010).
Frau. Sie war Vorsitzende der Berliner Abteilung des
Am 22. Oktober 2010 hielt während der Verleihung
Bundes der Polen in Deutschland und Gründerin des
der Medaille der Kommission für Nationale Bildung
Polnischen Schulvereins “Oświata“.
durch den Polnischen Botschafter Ferdynand Doma-
Tatsächlich wissen wir relativ wenig über sie. Auch
radzki, Vorsitzender des Polnischen Rates, Landesver-
während der journalistischen Recherche ist nichts, was
band Berlin, ein Laudatio für Halina Rometzki. Er sagte:
man nicht bereits gewusst hätte, ans Licht gekommen.
Halina Rometzki ist eine allgemein bekannte Person in
Sie war eine Persönlichkeit der Polonia und ihr Bild
der Berliner Polonia, es gibt kaum ein wichtiges Tref-
bestand im Wesentlichen aus: Polin, Bund der Polen,
fen über die polnischen Angelegenheiten, an dem sie
Oświata, Konzert für die Opfer des Hochwassers.
nicht aktiv teilnehmen würde.
Diese Stichworte findet man im Internet, Halina
Krieg Sie musste schmerzhaft erleben, schrieb Domaradzki, was Krieg und Besatzung bedeuteten. Als 13-jähriges Mädchen war sie … bis zum Kriegsende Zwangsarbeiterin, zuerst in ihrer Heimatstadt, der von den Deutschen besetzten Stadt Łódź, in dortiger Telefunken-Betriebsstätte. 1944, als das Telefunken-Werk nach Ulm verlagert wurde, kam sie gemeinsam mit ihrer jüngeren Schwester und zwei Tausend Arbeitern nach Ulm an der Donau. Vor der Arbeit bei Telefunken arbeitete sie als Reinigungsfrau in einer deutschen Kneipe. Sie verließ das Haus im Morgengrauen, um schwere Mülleimer zu tragen und abzuwaschen. Sie stahl Brot für ihre Familie. Bei dieser Gelegenheit soll man der Frage nachgehen, ob es sich um Zwangsarbeit handelte? Wikipedia erklärt, dass Zwangsarbeit eine Arbeit, die gegen den Willen des Arbeitnehmers verrichtet wird, eine Arbeit, für die es keinen Lohn bzw. einen Lohn wesentlich unter den allgemein geltenden Sätze gibt, ist. Eine Arbeit, die häufig in einem Arbeitslager stattfindet. Während der deutschen Besatzung war eine angesichts der drohenden Deportation verrichtete ”freiwillige” Arbeit eines 13-jährigen Mädchens Zwangsarbeit.
44
wurde
Ausstellung: Die Ausstellung erinnert an die Verfol-
2010/2011 in einer Ausstellung über die Zwangsarbeit
Die
Geschichte
von
Halina
Rometzki
gung der polnischen Minderheit in Deutschland im
im Jüdischen Museum in Berlin gezeigt. Die Ausstellung
Dritten Reich. Ein Journalist der online erscheinenden
erzählte die Episode der Ankunft in Deutschland, als
“Gazeta Prawna“ stellt fest, dass die Ausstellung ein
die polnischen Zwangsarbeiter vor der Fertigstellung
neues Licht auf die Schicksäle von Einzelpersonen und
der Telefunken-Fabrik den ”Bauern” zugeteilt wurden:
Fakten wirft, Tatsachen, die bis heute nicht allgemein
“Wir saßen im Bahnhof, waren hungrig und erschro-
bekannt waren. Vom August 1939 bis zum Kriegsen-
cken, auf einmal erschien ein Engel” – erzählte Hali-
de 1945 verhaftete die Gestapo zwischen 1.200 und
na Rometzki. ”Wir wurden eingeladen, erhielten Brot
2.000 Mitglieder des Bundes der Polen in Deutschland.
und Suppe. Menschen, die uns aufgenommen haben,
Man brachte sie in Konzentrationslager, mindestens
weinten, weil man solche Kinder deportiert hat.” In der
120 gingen nach Sachsenhausen und 80 nach Ra-
damaligen Situation gehörte ein derartiges Behandeln
vensbrück. 1939 wurde die Tätigkeit der polnischen
von Deportierten zu Ausnahmen.
Organisationen verboten und ihr gesamtes Vermögen
Für Halina Rometzki war die Reise nach Ulm im Rah-
konfisziert.
men einer großen Aktion ”2. Reise nach Ulm“ – ”Druga
Jachymiak-Królikowska fügt hinzu, dass die Mitglie-
podróż do Ulm“ 1986 ein besonderes Erlebnis. Im Rah-
der der polnischen Organisationen zu den ersten Op-
men dieser Aktion wurden die ehemaligen Zwangsar-
fern des II Weltkriegs gehörten.
beiter nach Ulm eingeladen und dort mit allen Ehren empfangen. Halina ist es zu verdanken, dass die Initia-
Oświata
toren dieser Aktion 2009 hohe polnische Auszeichnungen erhielten.
Beim Laudatio für Halina Rometzki war Ferdynand
Erinnerung an böse Vergangenheit soll zum Ken-
Domaradzki noch nicht Vorsitzender des Polnischen
nenlernen der wahren Geschichte beitragen und Ver-
Rates, sondern ein bereits seit Jahren aktives Mitglied
söhnung und Verständigung herbeiführen.
der Polonia und Vorstandsmitglied des Polnischen
Domaradzki schreibt, dass Halina Rometzki die-
Schulvereins “Oświata” in Berlin. In seiner Rede er-
sen Satz in dem Gedenkbuch der Ausstellung über
innert er daran, dass es in den achtziger Jahren, als
das Martyrium der aktiven Mitglieder der polnischen
eine große Welle der Emigranten aus Polen nach
Minderheit geschrieben hat. Diese Ausstellung wurde
Berlin kam, notwendig wurde, polnische Sprache im
2009 im KZ-Lager Sachsenhausen gezeigt. Die Mit-
ähnlichen Ausmaß wie vor dem II Weltkrieg zu unter-
veranstalterin dieser Exposition, Lucyna Jachymiak-
richten. Damals hat die Berliner Abteilung des Bundes
Królikowska, Vorsitzende des Vereins NIKE Polnische
der Polen in Deutschland mit seinem damaligen Vor-
Unternehmerschaft schreibt in der Einleitung zu der
sitzenden Zygmunt Wesołowski, den Brüdern Stefan und Zbigniew Baczewski, Halina Rometzki, Edward Dudkiewicz und Wojciech Soczówka eine schwierige Kampagne um die Wiederaufnahme der Tätigkeit von “Oświata“ aufgenommen. Die feierliche Eröffnungsfeier des ersten Schuljahres des Vereins fand am 11. Oktober 1988 statt. Frau Rometzki begleitet die Lehrer und Schüler von “Oświata“ von nun an und unterstützt ihre Aktivitäten. Sie erhielt den Mitgliedsausweis des Vereins mit der Nummer 2 und blieb bis zu ihrem Tod Mitglied von “Oświata“. Es war rührend, schreibt Domaradzki, bei den Treffen von Halina Rometzki mit der jüngsten Generation der Polen in Berlin zuzuschauen. Bei den Treffen mit Schülern sprach sie von der Notwendigkeit des klugen Nationalstolzes sowie der Notwendigkeit, sich an die eigenen Wurzel zu erinnern und das Wissen über die
46
Geschichte zu vertiefen, da nur die Kenntnis der Ver-
Halina
gangenheit Völker vor Leiden in der Zukunft schützen kann. Aus dieser Überzeugung heraus unterstützte sie
Den Stoff für diesen Artikel über Halina Rometzki lie-
Bestrebungen der Polonia-Organisationen, in Berlin
ferten Gespräche, die Ewa Maria Slaska mit Bronisława
ein Gedenkzentrum des Martyriums der polnischen
Karkos, Ilona Kehler und der Familie von Halina Ro-
Bevölkerung zu errichten.
metzki, ihren beiden Söhnen, Marek und Paweł sowie
Dieses Thema war selbstverständlich kontrovers.
Bronisława Karkos war bis vor Kurzem Vorsitzen-
die neue Polonia hingegen möchte, dass ein Zen-
de der Berliner Abteilung des Bundes der Polen in
trum entsteht, welches an die Rolle der Polen in der
Deutschland, Nachfolgerin von Halina Rometzki. Ilona
Geschichte dieser Stadt erinnert. Sie ist der Meinung,
Kehler war ihre Stellvertreterin, ihr Vater kannte Halina
dass das Martyrium kein Motiv ist, auf das die Erinne-
Rometzki noch aus den Zeiten seiner aktiven Tätigkeit
rung an Polen eingeschränkt werden soll. Genauso wie
im Bund der Polen und im Polnischen Olympiaklub in
die Deutschen ihre Erinnerung an den Krieg nicht wie
den achtziger Jahren. Aus allen diesen Gesprächen ent-
Erika Steinbach ausschließlich auf die Erinnerung an
steht ein Bild von Halina als Mensch.
die Vertreibungen reduzieren sollen. Halina Rometzki engagierte sich in eine Protestaktion gegen Erika Steinbach.
48
ihren Ehefrauen geführt hat.
Manche wollten an das Martyrium der Polen erinnern,
Halina Józefiak wurde am 26. August 1926 in Łódz geboren, wo sie in bescheidenen aber glücklichen Verhältnissen aufgewachsen ist. Ihr Vater war ein
“…trotz zahlreicher Bemühungen“, schrieb Halina
Straßenarbeiter, ihre Mutter hat eine gewisse Zeit lang
Rometzki in einem offenen Brief “fehlt in Deutschland
einen Kiosk geleitet, aus Gesundheitsgründen hat sie
eine unabhängige Gedenk- und Dokumentationsstät-
dennoch die meiste Zeit vor dem Krieg als Hausfrau
te, die dem deutschen Publikum die schmerzhaften Er-
verbracht. Das Familienhaus war ärmlich aber glück-
fahrungen des polnischen Volkes präsentieren und ins
lich. Die überlieferten Fotos zeigen glückliche Eltern
Bewusstsein rufen würde. Dabei darf nicht vergessen
und drei fröhliche Kinder, zwei Schwester und einen
werden, dass Polen unter den durch das Dritte Reich
Bruder. Der Bruder, Cezary Józefiak war später Wirt-
besetzten Völkern am meisten gelitten hat. Errichtung
schaftsprofessor und eine prominente Person. Er war
so einer Stätte könnte zwangsweise zu einer größeren
Senator der I Kadenz und Mitglied des Rates für Geld-
Kenntnis von historischen Fakten durch die deutsche
angelegenheiten in Jahren 1998-2004.
Bevölkerung führen und einen Beitrag zu der von
Die Schulzeit endete für Halina mit dem Kriegsaus-
beiden Seiten verkündeten Verständigung zwischen
bruch. Halina gelang es glücklicherweise zwei Raz-
beiden Völkern leisten.
zien – einer in der Wohnung und einer weiteren auf
In Anlehnung daran bringe ich meinen Wunsch zum
der Straße zu entkommen. Sie und später ihre jüngere
Ausdruck, dass das Eingestehen der Notwendigkeit
Schwester Ewelina meldeten sich im Alter von 13-14
der Errichtung einer derartigen Stätte – eines Ortes der
Jahren freiwillig zur Arbeit, um so den Razzien und der
Erinnerung und der Dokumentation des polnischen
Deportation nach Deutschland zu entkommen. Halina
Martyriums in der Zeit des II Weltkriegs im Zentrum
arbeitete in einer deutschen Kneipe, danach haben
Berlins – in der nahen Zukunft zu der Erschaffung einer
beide Mädchen in der deutschen Firma Telefunken in
solchen Stätte führt.“
Łódź gearbeitet. Als absehbar war, dass der Krieg zu
Es wird kein Zentrum des Martyriums geben, im No-
Ende ging, verbrachte man die Fabrik samt Arbeitern
vember 2017 entstand ein Projekt der Errichtung eines
nach Ulm. Dort lebten sie in der Kaserne Wilhelms-
Denkmals der polnischen Kriegsopfer am Askanischen
burg. Die körperliche und verantwortliche Arbeit war
Platz im Zentrum Berlins, gegenüber dem Zentrum
schwer aber glücklicherweise nicht mörderisch. Die
der Vertreibungen. In der Hauptstadt Deutschlands,
Arbeiter hungerten und froren in nicht-beheizten Räu-
schrieb ein polnischer Historiker – “wird ein den aktu-
men. In der Kaserne waren die Toiletten häufig außer
ellen Anforderungen entsprechendes Denkmal errich-
Betrieb, die Arbeiter mussten ihre Notdurft im Winter
tet“. Das Projekt fand wichtige deutsche Befürworter
hinter der Kasernenmauer verrichten. Während Luft-
und Initiatoren, darunter die ehemalige Bundestagvor-
angriffe der Alliierten, die meistens nachts stattge-
sitzende Rita Süssmuth.
funden haben, mussten sich die Arbeiter in den eisig
kalten Kellern verstecken. Nach der Befreiung durch die
nach, erst vier Jahre darauf, 1970 kam Marek, der in Is-
Amerikaner beschloss ein Teil der Arbeiter im Westen
rael Schule und Abitur und danach einen dreijährigen
zu bleiben, Halina und ihre Schwester kamen zurück
Wehdienst absolvierte. Er kam nach Berlin, wohin die
nach Hause. Halina besuchte in Łódź die Abendschule
Eltern und sein Bruder 1967 umgezogen sind.
für Krankenschwester und arbeitete im Krankenhaus,
In Deutschland wurde der Name Romecki/Ro-
wo sie ihren zukünftigen Ehemann – Marian Rome-
mecka/Romeccy verdeutscht und durch die Beamten
cki aus einer berühmten jüdischen Familie aus Łódź
in Rometzki umgewandelt. Halina nahm Arbeit im Jüdi-
kennenlernte. Sein Großvater war Pädagoge und Mit-
schen Krankenhaus in Berlin auf.
gründer des Polnischen Instituts der Kinderstudien Abraham Szwajcer. Gemeinsam mit Stefan Kopciński
Der Bund
arbeitete er an der Einführung der Schulpflicht für alle Kinder, auch für Kinder aus ärmlichen Verhältnissen. Abrahams Sohn Maurycy war ebenfalls Pädagoge.
50
1970 traten Halina und Marian Rometzki in den Bund der Polen in Deutschland ein. In einer posthu-
Sein Sohn, Marian, der Ehemann von Halina setzte
men Erinnerung an seine Mutter schreibt Marek Ro-
die Familientradition nicht fort. Er verließ die Schule
metzki, dass Halina und Marian Kontakt zur polnischen
und ging nach Lille in Frankreich, um dort Textilkunde
Sprache suchten und hofften, durch die Zugehörigkeit
zu studieren. Vor dem Krieg kam er nach Polen zurück.
zum Bund Polen besuchen zu dürfen. Diese Hoffnung
Er überlebte dank Flucht in den Osten, nach Russland.
war leider ein Luftschloss. Marian starb 1981 und es
Im Uralgebirge, wo er beim Bau der Eisenbahn arbeite-
gelang ihm nie, sein Heimatland zu besuchen. Halina
te, wurde er schwer krank. Er kam mit der pro-kommu-
Rometzki hatte bis 1990 kein Recht, Polen auch nur für
nistischen Kościuszko-Armee zurück nach Polen. Infol-
einige Wochen zu besuchen. Während der gesamten
ge der Krankheiten, die er aus Sibirien mitbrachte, lag
Zeit ihrer Emigration – vom 1957 bis 1990 erhielt sie
er im Krankenhaus, wo er Halina kennenlernte. 1948
dreimal Erlaubnis, Polen für drei Tage zu besuchen –
heirateten Halina und Marian, 1949 kam ihr älterer
einmal, als sie ihre kranke Mutter nach Hause brachte
Sohn, Marek, der später Architekt wurde, 1952 Paweł,
und zweimal nach dem Tod beider Eltern. Dies änderte
der später Internist wurde, zur Welt.
sich als Folge der politischen Veränderungen.
1957 nutzten Halina und Marian das politische Tau-
Die Söhne sind von zuhause ausgezogen, Halina
wetter der Regierung Gomułka und gingen nach Israel.
war verwitwet. Als sie dem Bund beitrat hatte Jozef
Sie lebten in einem Flüchtlingslager. Angeblich hat man
Kulla den Vorsitz des Bundes der Polen in Deutsch-
sie gefragt, in welches Lager sie fahren wollten, worauf
land, Abteilung Berlin. Nach dem Tod des Ehemannes
Halina antwortete, dass sie als Krankenschwester dort-
engagierte sich Halina intensiv in die Arbeit des Ver-
hin gehen möchte, wo es ein Krankenhaus gebe. Man
eins. Sie wurde zuerst Sekretär, dann Vorsitzende der
schickte sie in ein Lager in der Nähe von Caesarea, bald
Berliner Abteilung.
stellte sich heraus, dass es dort kein Krankenhaus gibt,
Bis zu den politischen Veränderungen in Polen war
und dass Caesarea selbst seit hunderten von Jahren in
der Bund der Polen in Deutschland wie eine Art Hei-
Schutt und Asche liegt und ausschließlich ein archäo-
mat. Er war wichtig und vereinigte viele Polen. Seiner-
logisches Denkmal ist. Kurz darauf nahm Halina Arbeit
zeit gab es in Berlin zwei Abteilungen des Bundes – in
in dem größten Krankenhaus Israels – Tal Ha Shomer
Charlottenburg und in Neukölln, jede von ihnen zählte
in Ramat Gan in der Nähe von Tel Aviv auf. Die Fami-
einige hundert Mitglieder.
lie fand eine Wohnung neben dem Krankenhaus. Die
Mit Sicherheit ließ die Rolle des Bundes als Ersatz
Arbeit war sehr gut, die Atmosphäre im Krankenhaus
für Polen bzw. als eine Organisation, die Kontakte
herzlich und kollegial. Halina und die Jungs lernten
zu der Heimat erleichtert, seit 1989 nach. Der Bund
bald darauf Hebräisch. Allgemein kann man feststel-
musste sich neu orientieren. In dieser Umbruchszeit
len, dass Halina und die Söhne besser in das neue
war Halina tätig. Jetzt kam es vor allem darauf an, im
Leben einfügten al Marian Romecki, der Jude war. Er
Interesse der Polen in Deutschland zu handeln und
wollte nach Europa zurück.
die sich eröffnenden Möglichkeiten, die aus der politi-
1966 kam Halina mit dem jüngeren Sohn nach Plet-
schen Situation und den neu definierten deutsch-pol-
tenberg, wo sie eine Arbeit gefunden hat. Marian kam
nischen Beziehungen resultierten, zu nutzen. Halina
war gleichzeitig der Meinung, dass gewisse Regeln in
erhielt sie die Goldene Auszeichnung des Bundes. Lei-
Beziehungen zu polnischen Organisationen und Par-
der taucht ihr Name auf der Liste der Ausgezeichneten
teien, die damals versuchten die Tätigkeit des Bundes
nicht auf.
zu beeinflussen, eingehalten werden sollten. Halina hat stets wiederholt, dass sie Polin und gleichzeitig
kreuz des Ordens der Wiedergeburt Polens.
deutsche Staatsbürgerin ist. Sie betonte, dass wir un-
Nachdem Halina den Vorsitz der Berliner Abteilung
seren Pflichten als deutsche Staatsbürger nachgehen
des Bundes aufgegeben hatte, tauchten immer mehr
sollen, aber auch unsere Rechte in Anspruch nehmen
Konflikte innerhalb des Bundes auf. Die meisten Streit-
sollen. Sie selbst hatte als Polin nie Minderwertigkeits-
punkte betrafen Ziele der Tätigkeit und das Erbe des
komplexe gehabt und unterschied sich dadurch von
Bundes. Halina bedauerte, diese Diskussionen nicht
vielen Familien, die nach Deutschland kamen.
länger beeinflussen zu können.
Als Vorsitzende der Berliner Abteilung des Bundes
2010 organisierte Halina im Roten Rathaus ein gro-
nahm sie regen Anteil an dem gesellschaftlichen und
ßes Konzert für die Opfer der Überflutung unter der
kulturellen Leben der Berliner Polonia, unterhielt nahe
Schirmherrschaft des damaligen Regierenden Bürger-
Kontakte zu der polnischen Botschaft, zu den Vertre-
meisters – Klaus Wowereit. Unter den Teilnehmern
tern des Berliner Senats, zu den deutschen und pol-
waren u. a. die berühmten Berliner Philharmoniker.
nischen Politikern, beteiligte sich bei der Organisation
Das war ihre letzte Wohltätigkeitsaktion. Zu diesem
von Kulturveranstaltungen und stand im Kontakt zu
Zeitpunkt war sie bereits 83 Jahre alt!
Schulen, die Polnischunterricht angeboten haben. Als sie 1995 ihre Funktion aufgab, wurde sie lebenslänglich zur Ehrenvorsitzenden der Berliner Abteilung des Bundes der Polen in Deutschland ernannt. 1997
52
Im April 1996 erhielt Halina Rometzki das Ritter-
Glück mit Menschen
mit Freundinnen aus dem Bund der Polen, die sie regelmäßig besucht haben.
Halina sagte stets, dass sie in Kontakten mit Men-
Der Sorbe Dr Peter Kroh, Kenner der Problematik
schen viel Glück hatte. Es fing bereits während des
von Minderheiten, Autor des Buches: “Minderhei-
Krieges an. Bevor die Telefunkenfabrik ihre Arbeit
tenrecht ist Menschenrecht. Sorbische Denkanstöße
aufnehmen konnte, wurden die aus Łódź gebrachten
für die politische Kultur in Deutschland und Europa“
Arbeiter vorübergehend einer Arbeit bei den Bauern
schreibt einen Brief an Halina, in dem er sich an ihr
zugeteilt. Halina erzählte ihren Söhnen später, dass sie
Treffen in der Gedenkstätte Sachsenhausen erinnert.
und ihre Schwester zwei Familien zugeteilt wurden.
Dort hielt Halina eine Rede und sagte, dass die Erinne-
Halina kam zu einem älteren Ehepaar, dessen Söhne
rung an das Böse dem Aufbau von freundschaftlichen
an die Front gingen, Ewa kam zu einer Familie mit einer
Beziehungen in der Zukunft dienen soll“. “Sie sind mir
Tochter im Rollstuhl. Die “Bauern“ holten die Mädchen
in Erinnerung geblieben“, schreibt Kroh, “als eine kör-
vom Bahnhof ab, gaben ihnen einen Schubkarren, da-
perlich kleine aber politisch und geistig große Person.
mit sie ihre Koffer transportieren können. Unterwegs
Sie haben in Ihrer Rede mit großem Mut Angelegenhei-
bemitleideten sie die jungen Mädchen, die so weit weg
ten angesprochen, die in den deutsch-polnischen Be-
von ihrem Elternhaus weggebracht wurden, es gab
ziehungen nicht in Ordnung sind. Ich freue mich, dass
sogar Tränen. Begleitet wurden sie von einem älte-
ich Sie kennenlernen konnte. Ich hoffe, dass Sie trotz
ren Polizisten, der nach einiger Zeit den Schubkarren
des großen Leidens Ihren Optimismus bewahren”.
selbst schob. Und, sagte Halina, kurz darauf auch Tränen in den Augen hatte. Halina hat mit “ihren Bauern”
Ja, sie war zweifellos stark, kämpferisch und geistig
gemeinsam am Tisch gegessen, was damals verboten
groß. Die Familie betont auch, dass sie eine offene,
war. Es waren gute Menschen.
liebevolle Person mit großem Herz war. Die Familie,
Als die Mädchen endlich in die Fabrik nach Ulm ka-
Söhne, Enkelkinder, Urenkel – sie waren ihre Welt. Sie
men, kümmerte sich dort ein bekannter Meister, ein
liebte Menschen und Menschen liebten sie. Beson-
Deutscher aus Łódź, um sie. Er verteilte Arbeiten und
ders herzliche Gefühle empfand sie zu den jungen
schützte beide Mädchen, so gab er ihnen zum Beispiel
Menschen – sie schätzte ihre Ideen, ihre Energie, ihre
seine Socken zum Stopfen und belohnte sie dafür mit
Einzigartigkeit. Sie selbst hatte viel Energie. “Power-
Lebensmittelkarten. Als er einmal Halina beim Rau-
frau“ – sagen ihre Söhne. Eine der Schwiegertöchter ist
chen erwischte, zertrat er die Zigarette mit seiner Stie-
Deutsche und spricht kein Polnisch. Beide Schwieger-
fel und fragte sie auf Polnisch, was wohl ihre Eltern, die
töchter sagen auf Deutsch:
in Łódź auf die Rückkehr der Kinder warten, darüber sagen würden. Die Rollen änderten sich als die Amerikaner kamen. Jetzt waren es Halina und Ewa, die “ihren Meister“ beschützten und ihm Essen aus den UNRA-Paketen zukommen ließen. Als die Familie Rometzki nach Deutschland kam, fand Halina “ihren Meister“, beide Familien haben viele Jahre lang gegenseitig besucht.
Die letzten Jahre Halina und Marian wohnten in Wedding. 2004 ging sie, bereits seit mehreren Jahren verwitwet, in das Seniorenheim der Caritas am Winterfeldplatz. 2012 hatte sie einen schweren Schlaganfall und konnte nicht länger alleine wohnen, sie ging in das Pflegeheim St. Josef in Schöneberg. Sie war gelähmt, ihr Verstand war aber immer noch lebhaft und wach. Sie unterhielt Kontakte
54
Sie war eine energiegeladene, ganz herzliche Dame, eine Powerfrau. Ein Glück, so eine Schwiegermutter gehabt zu haben. Eine Dame war sie bis zum Schluss. Sie hatte so viel Ausstrahlung. Sie war gern im Mittelpunkt, aber nie auf Kosten von Anderen. Sie ist immer auf Leute zugegangen. Sie verfügte über so viel Humor. Die Sönhe fügen noch hinzu, dass sie arbeitsam und energisch war, selbstständig auch im hohen Alter. Inzwischen klingelt das Telefon, Paweł hebt sein Handy ab. Es ist eine Videokonferenz. Auf dem Bildschirm erscheint ein bärtiger, dunkelhaariger Mann mittleren Alters. Er ruft aus Israel an. Er lernte Halina als Kind
***
kennen.
Die Söhne von Halina endeten ihre Erinnerung an die Mutter, die sie während der Begräbnisfeier
Sag mal, sagt Paweł, wie war meine Mama?
vortrugen, mit dem Gedicht von Konstanty Ildefons
Sein Gesprächspartner strahlt: Eine liebvolle Frau,
Gałczyński: Vor dem Vergessen bewahren. Wieviel Male habe ich diesen Weg passiert
ein großes Herz. Es ist interessant, da viele Menschen in Berlin der
wieviel Pfade mit den Füßen getreten
Meinung sind, dass Halina sehr fordernd und streng
wieviel Regen, wieviel Schnee
in beruflichen Kontakten und ehrenamtlicher Tätigkeit
hingen über den Laternen
war.
wieviel Briefe, wieviel Abschiede
Die Familie stimmt zu. Ja, sie war Perfektionistin und
schwere Stunden, viele Städte
hatte stets große Ziele. Sie war bei der Realisierung
wieviel Hartnäckigkeit, nicht zu fallen
sehr energisch. Sie hat stets etwas gemacht, stets auf
und zu gehen, zu gelangen an das Ziel
der Suche nach neuen Projekten. Sie hatte Lust dazu.
wieviel Mühe unaufhörlich
Sie war dominant – das konnte manche Menschen ab-
geteilte Sorgen, vereintes Streben
schrecken, vielleicht sogar verletzen.
wieviel kleingeschnittene Brote Küsse? Treppenstufen? Bücher?
War sie eine Optimistin? – wie es Dr. Peter Kroh
deine Augen weit geöffnet seh ich dich und weiß noch heute
schrieb. Ja, antworten vier Personen gleichzeitig, auf Pol-
um deine Schultern hing ein Mantel
nisch und auf Deutsch. Sie war geladen mit positiver
leicht und du gingst langsam vor mir
Energie und Optimismus.
durch den langen Korridor
Anfang 2017 lebt Halina seit bereits vier Jahren im
durch den Hof, bis an den Stadtrand
Seniorenheim St. Josef. Sie stirbt nach dem zweiten
aber hoch bis zu den Wolken
Schlaganfall am 30. Januar. Sie hinterließ zwei Söhne,
sind es tausend Lot und mehr
vier Enkelkinder und acht Großenkelkinder. Sie wurde
und das blaue Himmelsleuchten
90 Jahre alt.
der Glanz des Wassers und des Steines und ich wollte deine Augen Ewa Maria Slaska Bilder aus dem Familienfotoalbum
deine Sanftmut wollte ich bewahren (Übersetzung Heike Schwarz)
56
Edmund Osmańczyk – Mitglied von ”Rodło”, Journalist, Publizist, Politiker... er aus der Wehrmacht und floh vor der Gestapo nach Polen. Im September arbeitete er unter dem Pseudonym Jan Gor als Sprecher des Polnischen Rundfunks. Bis zum Ausbruch des Warschauer Aufstands lebte er als Jan Krzemiński in dieser Stadt. Er war Mitglied der Heimatarmee und hatte eine tägliche Sendung (Dzień walki) im Radiosender der Aufständischen. Am 6. Januar 1945 verhaftete ihn in Krakau die Gestapo, er konnte durch die Flucht einem Transport zum Konzentrationslager entkommen.
Anfang 1945 schloss
er sich dem Bürgerkomitee der Polen im Oppelner Schlesien an. Das Komitee diente dem Zweck, polnische Verwaltung im Oppelner Schlesien einzurichten. Im März war er als Kriegskorrespondent der kommunistischen Polnischen Armee tätig. In den Jahren 19451946 berichtete Osmańczyk als offizieller Kriegskorrespondent u. a. bei Potsdamer Konferenz und den Nürnberger Prozessen. 1947 fing seine langjährige Tätigkeit als Auslandskorrespondent des Polnischen Rundfunks an. Seit 1948 bis November 1952 lebte er in Stettin, danach zog er nach Warschau. Er publizierte in der Zeitschrift “Świat”. Seit 1969 widmete er sich
E
58
verstärkt seiner
publizistischen und wissenschaftli-
r war in Niederschlesien in der Zeit des Deutschen
chen Arbeit. Er war Autor der mehrmals ausgezeich-
Kaiserreichs als Sohn von Ryszard Osmańczyk
neten, auch auf Spanisch und Englisch erschienenen
geboren. Seine Mutter legte großen Wert auf Erzie-
Publikation: Enzyklopädie der Vereinte Nationen und
hung im polnischen Geist, u. a. durch Abende der pol-
der internationalen Beziehungen (1982). 1974 erwarb
nischen Poesie. In der Schule redigierte Osmańczyk
er den Doktortitel. 1952–1961 und 1969–1985 hatte
die Zeitung “Wiadomości Bielańskie”, nach dem Abi-
er ein Abgeordnetenmandat im Sejm der Volksrepu-
tur (1932-1935) die Jugendzeitschrift “Młody Polak
blik Polen. In den Jahren 1979–1980 war er Mitglied
w Niemczech” (Der junge Pole in Deutschland). Er
des Staatsrats. In den Jahren 1983–1988 war er Vor-
befasste sich mit der Vervollständigung und Heraus-
sitzender der Autorenvereinigung ZAiKS. Als Vertreter
gabe des “Leksykon Polactwa w Niemczech” (Lexikon
der Pro-Solidarność-Fraktion nahm er an den Gesprä-
der Polen in Deutschland) – einer Veröffentlichung,
chen am Runden Tisch als Mitglied einer Arbeitsgrup-
die das Polentum im Dritten Reich festigen wollte. Er
pe für die politischen Reformen teil. 1989 wurde er im
vertrat den Chefredakteur von “Nowiny Codzienne“
Auftrag des Bürgerkomitees zum Mitglied des Polni-
(Tägliche Neuigkeiten) in Oppeln, leitete die Presse-
schen Senats gewählt. Dort übernahm er den Vorsitz
zentrale des Bundes der Polen in Deutschland bis
der Kommission für Angelegenheiten der Emigration
1934 und seit 1935, als Angestellter des Bundes, kont-
und der Polen im Ausland beim Polnischen Senat.
rollierte er seine Presse. Osmańczyk studierte an der
Osmańczyk starb einige Monate danach. 1975 erhielt
Warschauer Universität sowie an den Universitäten in
er den Ehrendoktortitel der Schlesischen Universität,
Bordeaux und in Berlin. Im August 1939 desertierte
1988 folgte der Titel der Universität Breslau.
1993 enthüllte man am Schlossplatz 8 in Warschau, in dem Haus, in dem er in den Jahren 1969-1989 gelebt hat, eine Gedenktafel aus dem Anlass seines 80-sten Geburtstags. In der Hauptstadt trägt eine Straße im Bezirk Bemowo seinen Namen.
Tätigkeit Das gesamte erwachsene Leben von Edmund Osmańczyk,
jede einzelne Etappe seiner journalisti-
schen und politischen Tätigkeit zeugten von seinem ideologischen Nachdenken und praktischem
Han-
deln zum Schutz der menschlichen Würde und der grundsätzlichen, allgemein geltenden menschlichen und bürgerlichen Rechte. Er setzte sich stets gegen die Missachtung dieser Rechte und den Missbrauch von Zwangsmitteln ein. Er verfolgte diese Ziele konsequent bereits vor dem zweiten Weltkrieg, als junger Journalist und Redakteur der polnischen Presse in Deutschland und ein aktives Mitglied des Bundes der Polen in Deutschland. Damals kämpfte er für die Rechte der polnischen Minderheit, um sie vor Germanisierung und dem Verlust der nationalen Identität zu
60
bewahren. In diesen Funktionen verteidigte er Rechte
souveränen polnischen Gesellschaft liegen. Einer Ge-
der polnischen und anderer nationalen Minderheiten
sellschaft, die sich aus ”Regierungskräften und einer
in Deutschland angesichts des nahenden Krieges. in
bürgerlichen Opposition“ zusammensetzen sollte. Er
Deutschland angesichts des nahenden Krieges im
verlangte eine proportional große Beteiligung im Sejm,
Sinne eines Beschlusses des Bundes. Er leitete dessen
den Nationalräten und der Justiz, um der Möglichkeit
Presszentrale und setzte seine Arbeit an dem “Lexikon
der Straflosigkeit,
der Polen in Deutschland“ fort. In diesem Werk doku-
tung der Kritik entgegen zu wirken. Er verlangte eine
mentierte er die Aktivitäten der polnischen Minder-
Verbesserung des parlamentarischen Wesens und der
heit, die kurz darauf äußerst brutal liquidiert wurde.
Justiz, darunter die möglichst zeitnahe Wiederherstel-
des Voluntarismus und Missach-
Um die Rechte des Menschen und der Nation
lung der traditionellen polnischen Institution – des Se-
kämpfte er als Soldat der Heimatarmee und Wider-
nats als einen Garanten der Kontrolle der legislativen
standskämpfer im Warschauer Aufstand. Er sah und
Arbeiten des Sejm.
erlebte menschliches Leiden, einen beispiellosen Hel-
Als Abgeordneter forderte er stets die Respektierung
dentum der Aufständischen und der Zivilbevölkerung,
der Bürgerrechte und – Pflichten in Polen. In den acht-
die tragische Ohnmacht und die Zerstörung der Stadt.
ziger Jahren war Osmańczyk für sein Engagement für
Während des Aufstands verlor er seinen erstgebore-
den Besitz eines langjährig gültigen Passes bekannt. Er
nen Sohn. In dieser Zeit verfasste Osmańczyk ”Den
verlangte nach einer Lösung ohne die Pflicht den Pass
Tagebuch aus dem Aufstand 1944”, der 5 Jahre nach
nach jeder einzelnen Reise an die Behörden auszu-
seinem Tod unter dem Titel: ”Trzeba to opowiedzieć
händigen, ohne Reiseanträge und Wartezeiten bei der
(Es muss gesagt werden) erschien.” 1987 forderte er
Entscheidung der zuständigen Behörde. Das Recht auf
eine Stabilitätsgarantie für die kommenden 20 Jahre
den Passbesitz hielt er für ein grundsätzliches Bürger-
und trat entschieden gegen die sich wiederholenden
recht. 1981 hat er in den Sitzungen des Sejm die Not-
Erschütterungen der “unbedarften” Wirtschaftspo-
wendigkeit der Erneuerung der Passpolitik verlangt. Er
litik auf. Laut Osmańczyk sollten die Garantien der
wies auf einen Streitfragenkatalog im Bereich Bürger –
stabilisierenden Entscheidungen in den Händen der
Amt und die veralteten Pass- und Staatsbürgerschafts-
gesetze hin. Seine Stellung zu den Menschenrechten
Denkmal
präsentierte Osmańczyk in seinem Referat: “Der Sieg der Idee des Universalismus von Menschenrechten
Das Denkmal von Edmund Osmańczyk – einem
und Nationen“, das er an der Katholischen Universität
Publizisten, Dichter, Politologen, Abgeordneten zum
in Lublin am 08.Dezember 1988, am 40. Jahrestag der
Sejm der Volksrepublik Polen und Senator der ers-
Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vorgestellt
ten Kadenz, Vertreter des Bürgerkomitees wurde in
hatte. Sein Standpunkt ist innovativ und gut überlegt.
Oppeln enthüllt. Die Skulptur von Professor Marian
Osmańczyk bediente sich dabei einer rückblickenden
Molenda nahm Platz im Zentrum der Stadt, auf dem
und detaillierten Betrachtung der Geschichte des XX
Universitätshügel. Der Bildhauer steht auf dem Stand-
Jahrhunderts, insbesondere dessen zweiten Hälfte.
punkt, dass: “ein Nachdenken über das Schicksal von
Unter dem Gesichtspunkt der in Polen vollzogenen
Polen und seiner Bürger, Schlesien und Schlesier stets
Änderungen des politischen Systems trug Osmańczyk
nötig ist.“
zu der Verbreitung des Respekts für die Grundrechte
Die enthüllte Bronzestatue stellt Osmańczyk mit
und die Freiheit des Menschen sowohl im Nachkriegs-
einem Buch in der Hand, der
Polen als auch auf der internationalen Ebene bei. Er
tischen Fliege
leistete einen großen Beitrag zu der Annäherung von
Kopf. Der Sockel enthält Angaben über den Namen,
Nationen und der Stärkung von guten Beziehungen,
Geburts- und Todesdatum und hat die Form des
einer engen Partnerschaft und Kooperation zwischen
“Rodło“-Abzeichens, des Symbols des Bundes der
Polen und seinen Nachbarn.
Polen in Deutschland. Professor Molenda sagte, dass
Ausstellung
für ihn charakteris-
und dem auf die Hände gestützten
Osmańczyk, der u. a. die Pressezentrale des Bundes der Polen in Deutschland leitete, der Ideengeber des Namens “Rodlo” war. Der Künstler betonte, dass er vor
Der Jahrestag der Geburt von Edmund Jan
seiner Arbeit an dem Denkmal die Person – das Le-
Osmańczyk bot eine ausgezeichnete Gelegenheit, um
benslauf, die politische und publizistische Tätigkeit von
an seine Person, die sowohl für die Region Oppeln als
Osmańczyk eingehend studiert hatte. Prof. Moldenda
auch für alle Polen große Verdienste hatte, zu erinnern.
sagte – “Für mich ist er ein Mensch von großer Kraft
Die Ausstellung “Edmund Jan Osmańczyk (1913-
und großer Kreativität, der auf zahlreichen Feldern
1989) – Rodłak, dziennikarz, publicysta, polityk. W setną
tätig war (…) ein großer Pole, Befürworter der Freiheit
rocznicę urodzin” (Edmund Osmańczyk – Miglied von
und des Guten für das Schlesische Oppeln und darü-
“Rodło”, Journalist, Publizist, Politiker. Aus dem Anlass
ber hinaus“.
des 100. Geburtstages) wurde durch das Museum des Oppelner Schlesiens vorbereitet.
Die Witwe, Journalistin und Publizistin Jolanta Klimowicz-Osmańczyk sagte, dass ihr Ehemann “der
In der Ausstellung wurden Fotos von den wich-
Sohn dieser Erde war, sie über alles liebte und sein
tigsten Etappen seines Lebens vorgestellt: die zum
ganzes Leben lang für sie kämpfte”. Er wollte hier
Großteil in Schlesien verbrachte Kindheit und Jugend,
begraben werden und sein Wunsch ging in Erfüllung.
Arbeit in der Pressezentrale des Bundes der Polen in
Die Freiheit, die sowohl Polen als auch das Oppelner
Deutschland, seine politische Tätigkeit nach dem Krieg,
Schlesien wiedererlangt hat, verdankt man auch sei-
u. a. in den Vereinten Nationen. Gezeigt wurden ferner
nen Verdiensten. “Dieses Denkmal soll für die zukünf-
seine beruflichen Verdienste, vor allem die imposante
tigen Generationen zu einem Symbol werden, einem
publizistische Leistung. Die Ausstellung wurde vorder-
Zeichen der Bemühungen von Edmund Osmańczyk
grundig in Anlehnung an die Sammlung des Museums
und zahlreicher Anderer. Menschen, für die die Idee
des Oppelner Schlesiens sowie Sammlung aus der
der Freiheit und der Demokratie die höchsten Werte
Universitätsbibliothek in Oppeln vorbereitet. Im Rah-
bilden“ – sagte Klimowicz-Osmańczyk.
men der Ausstellung zeigte man die wenig bekannten Vorkriegsfotos von Edmund Osmańczyk sowie Fotos der Polnischen Presseagentur, die sein feierliches Begräbnis am 10. Oktober 1989 in Oppeln zeigen.
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Fotos und Text: Krystyna Koziewicz
Weiße Juden mit Nummern statt Vornamen. Ein Interview mit Bolko Klimek – dem ältesten Schüler der berliner ”Oświata”
M
it Bolko Klimek treffen wir uns am Rande einer
mich manchmal mit einer Watsche – nur, wenn ich
Zusammenkunft der Vereinigung der Polen in
etwas angestellt habe.
Deutschland in der Bülowstraße. Während unseres Ge-
Sie sind der älteste Schüler der berliner “Oświata“
sprächs begrüßen uns die Gründer der Vereinigung- Bo-
Der Älteste noch lebende … lacht Klimek. “Oświata“
nifatius Stopa und Józef Dunst. Sie erlauben, dass ich unser Gespräch mit einer Grundsatzfrage beginne: Wie alt sind sie jetzt?
ist der älteste Verein der deutschen Polonia und wurde 1886 gegründet. Erst danach, 1922, entstand der Bund der Polen, mein Vater gehörte zu dessen Gründern. Ich
Bolko Klimek: 68, ab einem gewissen Zeitpunkt im
wurde zwar in Berlin geboren, aber zu Hause sprachen
Leben soll man nur Ziffer nennen, also – ich bin Jahr-
wir ausschließlich Polnisch, es sei denn wir hatten
gang 1927.
einen deutschen Besucher. Meine Eltern sprachen
Wie alt wären Sie gerne?
akzentfreies Deutsch. Sie waren praktisch preußische
Es ist unwichtig, Hauptsache, ich wäre gesund, da
Untertanen. Als sie geboren wurden gab es weder den
inzwischen einiges juckt und zwickt. Welche Jahre waren in Ihrem Leben die besten Jahre?
polnischen noch den deutschen Staat. Das Polentum konnte nur durch die Sprache gepflegt werden. Als ich schulpflichtig wurde, 1933, ging ich gleichzeitig
Mit Sicherheit die Kindheit. Ich hatte gute Eltern.
zu “Oświata“, mein Lehrer dort war Jan Boenigk. Je-
Mein Vater hat mich nie geschlagen, Mama strafte
ner Boenigk, der drei Söhne ohne Namen hatte. Das deutsche Standesamt hat die Eintragung der polnischen Vornamen, die er seinen Kindern geben wollte, nicht genehmigt. Boenigks Geschichte war allgemein bekannt – die Jungs erhielten in der Geburtsurkunde Nummer – bis 1946 hatten sie statt Vornamen römische Ziffer – I, II und III. Wie gelang es, Ihren Vornamen zu registrieren? Die Deutschen haben wohl nicht realisiert, wie alt und urslawisch der Name ist. Sie haben ihn nicht mit “Bolesław“, also meinem Namensgeber assoziiert. Dabei hätte es gereicht, die Endung “sław“ hinzuzufügen. Ihr Nachname ist auch typisch polnisch. Ja, mein Nachname kommt aus der Gegend von Poznań, seine Schreibweise änderte sich allerdings einige Male. Wenn ein ganz genauer preußischer Beamte die Geburt eines Kindes in unserer Familie eintrug, so schrieb er den Namen mit “e“, ein Deutscher, dem es ziemlich egal war, nahm das “e“ weg und es blieb “Klimek“. Ihrer Erzählung entnehme ich, dass Sie das Polentum in Berlin gelernt haben? Nicht nur, wir haben auch regelmäßig Polen besucht. Meine Großeltern kamen aus Großpolen. Dort gab es kaum eine Familie, die nicht wenigstens einen Verwandten in Deutschland hätte.
64
Einmal im Jahr fuhr ich in die Nähe von Pleszew (Pleschen), um dort Ferien zu verbringen. Alle Mitglieder des Bundes der Polen in Deutschland, die sich ausweisen konnten, hatten 50 % Ermäßigung für die Bahn. Als Schüler von “Oświata“ hatte ich auch einen entsprechenden Ausweis. Einige Tage vor dem Krieg wollte man meine Schwester verhaften. Als sie den Ausweis mit dem charakteristischen “Rodło“-Zeichen halbes Hakenkreuz … lacht Bolko. Meine Mutter nahm mich auch zu verschiedenen polnischen Nationalfeiern mit. Ich erinnere mich, dass unser Botschafter, Graf Lipski, im Gebäude der Botschaft in der Kurfürstenstraße eine Trauerfeier
Foto: Stefan Dybowski
zeigte, ließ man sie frei. Man dachte wohl, es sei ein
anlässlich des Todes von Józef Piłsudzki organisierte, an der ich als Junge mit meiner Mutter teilnahm. Hitler
Polen zurück – in dem Glauben, in ein demokratisches
hielt dort eine Trauerrede, in der er Piłsudzki sehr lob-
Land zurückzukehren. Die Staatssicherheit wollte mich
te. Danach nahm er Platz in der ersten Reihe. Gleich
anwerben. Als Antwort schrieb ich dem zuständigen
hinter ihm saß Jan Boenigk. Es war 1935. Während des
Beamten des Sicherheitsdienstes: “Der größte Schuft
Krieges war Boenigk in einem Konzentrationslager,
im ganzen Land ist und bleibt der Denunziant“. Als ich
nach dem Krieg besuchte er uns in Berlin. Damals
in Szczecin arbeitete, stellten wir einen Ausreiseantrag
habe ich ihm gesagt, dass er gewissermaßen für den
nach Deutschland. Meiner Frau und den beiden Kin-
Krieg mitverantwortlich war, da er Gelegenheit hatte,
dern wurde die Ausreise genehmigt – mir nicht. Erst
Hitler zu erschießen und es nicht tat.
nach einigen Anläufen und zahlreichen Widersprü-
Wie haben Sie den Krieg erlebt?
chen durfte ich nach Berlin zurück.
Vor allem soll man wissen, dass es unter den
66
Wie war die Polonia der Vorkriegszeit?
Berlinern nur ganz wenige Befürworter Hitlers gab.
Sie war sehr mit der deutschen Bevölkerung ver-
Dennoch hatten die Menschen Angst und unterwar-
mischt, insbesondere im Ruhrgebiet. In Bochum hat
fen sich. Für Berliner, die gegen das Regime waren,
über 50 % der Bevölkerung polnische Wurzel. Nur,
hat man in der Ortschaft Sonnenburg bei Köstrin
dass man sich vor dem Krieg nicht dazu bekannt hat,
ein Sonder-KZ eingerichtet. Nicht jedes Mitglied der
mit Kindern wurde ebenfalls kein Polnisch gesprochen.
Gestapo war ein Verbrecher – mit einem von ihnen
Ich habe Familie in Ruhrgebiet. Mein Onkel sprach ab
habe ich während des Krieges gemeinsam BBC gehört
und zu mit meiner Tante auf Polnisch und erklärte hin-
und dabei nicht glauben können, dass die Deutschen
terher seinen Kindern, dass es “Plattdeutsch“ sei. Als
Konzentrationslager errichtet haben. 1943 wurde ich
sie uns später besuchten, waren sie sehr überrascht,
einbezogen und einer Fallschirmjägereinheit zuge-
dass es Polnisch war. So war es vor dem II Weltkrieg,
teilt. Während der Ardennenoffensive, am 10. April
damals konnten die Polen Angst vor Repressalien
1945, geriet in Gefangenschaft.
Die Mehrheit der
wegen ihres Hintergrunds haben. Der größte Teil der
deutschen Soldaten dachte genauso wie ich, traute
Polen wanderte vor dem I Weltkrieg nach Nordrhein
sich allerdings nicht zu reden. Dreimal floh ich aus
aus Pommern, Großpolen ein, die Schlesier kamen
der Gefangenschaft, zweimal wurde ich eingefangen.
seltener, weil Schlesien industrialisiert war und es dort
Später, 1946, kam ich aus Gumieńce (Scheune) bei Sz-
Arbeit gab.
czecin mit einem Zug nach Berlin zurück. Wir, “Polen“
Die Polen, die nach Berlin kamen, siedelten sich in
in Deutschland wussten nicht, dass dieses neue Polen
der Gegend des Schlesischen Bahnhofs, des heutigen
kommunistisch ist. Der Bund der Polen in Deutschland
Ostbahnhofs. Damals gab es dort direkt neben dem In-
hieß in den ersten Nachkriegsjahren “Heimkehrer Ko-
nenministerium eine große Meierei – die Bolle Meierei,
mitee“ und überredete Polen, in ihre Heimat zurück-
die nur katholische Arbeiter einstellte. Die Mehrheit
zukehren. So ging auch meine gesamte Familie nach
der Berliner waren Protestanten und sie verhöhnten
die Polen als “weiße Juden“. In dem Gebäude von Bolle gab es einen Gebetsraum. Wenn man eine halbe Stunde vor dem Arbeitsbeginn eintraf und betete, erhielt man ein freies Frühstück. Das Gebäude steht heute immer noch da. Wir hatten noch eine weitere Firma in Berlin, die Katholiken beschäftigt hat – Brenninkmei-
Jahren sagen können, dass wir Europäer sind. Worin unterscheiden sich die Deutschen von den Polen? In gar nichts. Sowohl hier als da gibt es Kluge und Dumme. Was können wir voneinander lernen?
jer, nach dem Krieg C&A. Der letzte Besitzer war ein
Wir müssen tolerant sein – auch in politischer Hin-
Pfarrer. Er vermachte sein gesamtes Vermögen der
sicht, damit es keinen weiteren Krieg zwischen den
katholischen Kirche. Die Polen aus Großpolen kamen
Europäern gibt! Die Union ist für die Europäer die
nach Berlin so zahlreich, dass Friedrich II befahl, die
sicherste Sache, damit sie sich nicht umbringen, son-
Hedwigs Kathedrale zu bauen. Nach dem II Weltkrieg
dern einander helfen.
hat die Vereinigung der Polen, zu der ich gehöre, 50
Was denken Sie über den Status der nationalen
Mitglieder, seinerzeit waren es 1.600 und wir waren
Minderheit für die Polen in Deutschland, um den sich
die größte Organisation der Polonia in Berlin.
einige polnische Gruppierungen bemühen?
Worauf sind sie stolz als ein Pole? Wir
hatten
große
Dichter,
Polentum, Deutschtum, die anderen “NationaliSchriftsteller,
täten“ – das alles ist ein Hindernis auf dem Weg zum gemeinsamen Europa. Der Begriff des “Nationalen“
Nobelpreisträger… Worauf sind Sie stolz als ein Deutscher?
wird vom Jahr zu Jahr mehr an Bedeutung verlieren,
Wir
der Begriff “europäisch“ hingegen wird an Bedeutung
hatten
große
Dichter,
Schriftsteller,
Nobelpreisträger…
gewinnen. Es wird ein langjähriger Prozess.
Das heißt, dass Sie doppelt stolz sind? Ja, weil es hier und dort welche gab, ehrlicherweise
Beim Abschied fängt Bolko während der Fotoauf-
muss man zugeben, dass es bei den Polen nicht ge-
nahmen alte Schlager zu singen – sowohl auf Polnisch
nauso viele gab – lacht Bolko
als auch auf Deutsch, so z. B. “Ninon, ach uśmiechnij
Fühlen Sie sich dennoch ein bisschen Deutsch?
się”. Es stellt sich heraus, dass Singen immer seine gro-
Nach langer Überlegung … Ehrlich gesagt – nicht,
ße Leidenschaft war. Eine ältere Frau nähert sich uns
weil alle meine Vorfahren mütterlicher- und väterli-
schüchtern und hört aufmerksam zu. Sie sieht wie eine
cherseits Polen waren – wieso soll ich also ein Deut-
Deutsche aus, ich habe dennoch den Eindruck, dass sie
scher sein? Ich bin von Geburt an Pole. Ich hatte
die Worte polnischer Lieder versteht. Nach einer Weile
wegen meiner Herkunft niemals Probleme mit den
lobt sie mit Bewunderung das musikalische Talent des
deutschen Ämtern. Gleichzeitig bin ich ein deutscher
charmanten Herrn Bolko und gibt zu, diese Lieder das
Staatsbürger und ich hätte die polnische Staatsbürger-
erste Mal seit dem Krieg zu hören. Sie versteht alles
schaft niemals angenommen, selbst wenn man sie mir
auf Polnisch, kann es aber nicht länger sprechen. Sie
geben wollte. Es gibt dafür keinen Grund. Man kann
wurde in Warschau geboren. Ihre Eltern arbeiteten in
ein deutscher Pole und ein polnischer Deutscher sein.
der berühmten Schokoladenfabrik Wedel, sie erinnert
Problematisch kann es nur für Kinder aus gemischten
sich an die evangelische Gemeinde am Małachowski-
Ehen werden. Niemand hat mich in Polen gefragt: “Wie
Platz. Mit elf Jahren, beim Kriegsausbruch verließ sie
kannst du mit einem deutschen Pass ein Pole sein?“.
Warschau. Danach hat sie Polen nie wieder besucht,
Ebenso wie ich in Deutschland niemals nach dem Krieg
dennoch erinnert sie sich an Polnisch. Bevor sie weg-
eine antipolnische Haltung gespürt habe. Wir waren zu
geht bedankt sie sich bei Bolko für die nette, senti-
Hause Polen, aber ohne Nationalismus – meine Eltern
mentale Überraschung. Sie möchte ihren Namen nicht
waren dem Chauvinismus gegenüber feindlich einge-
nennen…
stellt. Ich bin ein Pole ohne den Nationalismus, weil jeglicher Nationalismus negativ ist. Die Nationalisten behandeln die “Nicht-Nationalisten“ stets von oben herab, als ob sie etwas Schlechteres wären. Ein Pass hat keine Bedeutung. Ich bin eigentlich mehr ein Europäer und mein größter Wunsch ist, dass wir in hundert
68
Agata Lewandowski
Helena BOHLE-SZACKI – die letzte Ikone der berliner Polonia
H
elena Bohle-Szacki – eigentlich Lilka, wie sie
zwangsweise brav,
genannt werden wollte – lernte ich 2008 kennen.
tes, natürliches Make-Up, die unzertrennlichen Klips,
Genau genommen habe ich sie bereits früher gekannt
die mit ihr verwachsen zu sein schienen, und … ein
– “jeder“ in Berlin kannte sie, man sah …und bewun-
Lächeln. Ihr Lächeln, die gute Energie und ein großer
derte sie auf Vernissagen und anderen kulturellen
Sinn für Humor trugen dazu bei, dass Menschen ihre
Veranstaltungen. Lilka war eine wirkliche Dame des
Nähe suchten.
gestylt, hinzu kam ein perfek-
XXI Jahrhunderts – eine schöne und alterslose Frau,
Unter den Mitgliedern der berliner Polonia genoss
die stets äußerlich attraktiv wirkte und innerlich inte-
sie großen Respekt, man behandelte sie bereits damals
ressant war. Helena war immer die am besten geklei-
wie eine lebende Legende. Es war allgemein bekannt,
dete Frau unter den Gästen. Ihre Eleganz war außer-
dass sie vom Beruf Grafikerin war, an der bekannten
gewöhnlich – ihr Kleiderstill zeichnete sich durch einen
Lette Schule unterrichtete und
bescheidenen Luxus mit extravaganten Elementen
organisierte. Man wusste auch, dass sie in ihrer Woh-
aus. Das Haar trug sie stets perfekt, allerdings nicht
nung am Kudamm eine Art Kultursalon führte und
Kunstausstellungen
Gäste empfing. Auch wenn sie sich keinesfalls von der jungen Generation der berliner Polonia abheben wollte, so bestand dennoch zwischen jungen Menschen wie ich damals und ihr eine große Distanz, die ich mir bis heute nicht erklären kann – vielleicht lag es daran, dass Legenden die Nullacht-Fünfzehnmenschen durch ihre Ungewöhnlichkeit einschüchtern? Ich lernte Lilka über meine Kontakte aus Łódź kennen, über meine Professorin in der Filmhochschule in Łódź – die beste Professorin der Filmkritik, Kennerin von Fellini und eigentlich allem, was mit Film zu tun hat – Maria Kornatowska. Während ihrer Vorlesungen ließen wir unsere Gedanken mithilfe der gesehenen Filme durch die Weltgeschichte der Kinematographie fliegen. Maria Kornatowska war keine Liebhaberin des deutschen Kinos, es gelang mir teilweise, sie von dessen Vorteilen zu überzeugen, was dazu führte, dass sie in New York Volker Schlöndorff interviewte. Bei ihrem ersten Besuch bei mir in Berlin ließ sie mich wissen, dass sie nach Erfüllung der Pflichtaufgaben wie Besuch im Filmmuseum auch Helena Bohle-Szacki treffen möchte. Auf einmal saß ich in zwischen zwei außergewöhnlichen Frauen einem griechischen Restaurant auf dem Kudamm und fühlte mich wie in einem Film. Sowohl Maria Kornatowska als auch Helena Bohle-Szacki waren wie bunte Vögel – schön, farbenfroh und frappierend. Ihr Feingefühl und persönliche Kultur war so groß, dass es klar war, dass man nach Sachen, die sie
70
nicht erklärten, nicht fragen sollte. Ich vermute, dass
von Marysia Kornatowska fühlte ich mich automatisch
sie sich bereits in Łódź kennengelernt haben.
Sie
warmherzig aufgenommen und akzeptiert von Lilka,
saßen sich gegenüber, lachten und unterhielten sich
eine gewisse Distanz und ein großer Respekt für sie
aufgeregt, sie schienen durch ein tiefes Geheimnis
blieben für immer.
verbunden zu sein, respektierten sich gegenseitig und waren sich so nah wie zwei Schwester.
72
Weder Maria Kornatowska noch Helena BohleSzacki haben über ihre traumatischen Kriegserlebnisse
Sie wirkten und verhielten sich wie die glücklichsten
erzählt. Erst nach ihrem Tod habe ich davon erfahren.
Frauen auf der Welt, wie Personen, die bis jetzt keine
Durch die von Tadeusz Szczepański geschriebene Bio-
Probleme gehabt hätten und deren Lebensweg mit
graphie von Marysia “Seismograph der Seele“ habe
Rosen geebnet wäre.
ich herausgefunden, dass sie jüdischer Abstammung
Ich habe niemals gehört, dass sie sich beschwer-
war und sich während der deutschen Besatzung in
ten oder jemanden kritisierten. Nach diesem Treffen
den Tierkäfigen des Warschauer Zoos versteckte. Das
besuchten wir auch den berühmten “Salon der polni-
Schicksal von Lilka lernte ich dank der Ausstellung in
schen Kultur“ von Helena Bohle-Szacki, d. h. ihre für
der Galeria Slendzinskich in Białystok und dem Buch
alle, die über die Kunst und andere Themen reden
von Marcin Róźyc kennen. Ich kam hinter das Geheim-
wollten, offene Wohnung. Als eine junge Freundin
nis, das die beiden Frauen verbunden hat. Sie lernten
Der Initiator der biographischen Ausstellung über Helena Bohle-Szacki war die Galerie Slendzinskich. Die Galerie nahm Kontakt zu Ewa Czerwiakowska, die über das Erbe der nach der 2011 verstorbenen Helena verfügt, auf. Als Ergebnis unserer Zusammenarbeit, meiner als Galerie-Vertreterin und Marcin Różyc, den ich zum Projekt eingeladen habe, hat uns Ewa das Archiv der Künstlerin übergeben. Im Juni 2017 eröffneten wir eine Ausstellung unter dem Titel: “Helena Bohle-Szacka. Mosty/Die Brücken“ und gaben ein Buch – “Lilka“ heraus. Ohne die Unterstützung der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft, der Künstlerstiftung “Die Reise“ von Hestia und des Klubs der Katholischen Intelligenz wären wir nicht imstande, das Projekt zu realisieren. Die Ausstellung war so konzipiert, dass außer dem Archiv auch Arbeiten der zeitgenössischen Künstler, die sich kreativ mit dem Leben und Werk von Helena auseinandersetzten, ausgestellt wurden. Die Exposition fand in zwei Sitzen der Galerie statt. Die Archivausstellung, die sich mit Biographie und Kunst von Helena befasste, fand in der Holzvilla in der ul. Wiktorii 4 statt. Diese Villa erinnerte an das Familienhaus von Helena. Dort fand man die Arbeiten von Janusz Noniewicz und Dominika Raczkowska – ein gemeinsam gestaltetes Malgemälde, Daria Mailcka stellte ihre Installation “Brüche“ in der Galerie Na Legionowej 2, Zuza Malicka schuf dort eine ortsbezogene Installation: “Butik“. Unter dieser Adresse gab es viele Jahre lang ein Geschäft der Firma “Telimena“, für die Helena Kleider designte. Die Installation von Zuza Malicka bezog sich auf diese Periode im Leben Helenas und provozierte dadurch, dass sie gleichzeitig die Zeiten der Bedrohung in Erinnerung rief. Die Ausstellung von Arsich als jüdische Überlebende des Holocausts in der
beiten und Erinnerungsstücken nach Helena Bohle-Szacki
“Stadt“ Łódź kennen. Maria gab ihr Wort einem im
“Mosty/Die Brücken“ ist ein Projekt, das daran erinnert,
Krieg verschollenen Verlobten und Lilka versuchte ei-
dass in Białystok vor dem Krieg Juden, Polen, Russen und
nige Male ihr Glück mit verschiedenen Partnern, was
Deutsche friedlich nebeneinander lebten.
jedes Mal tragisch endete. Beide hatten keine Kinder, ihre Studenten waren für sie wie die eigenen Kinder
Katarzyna Siwierska
und Freunde ersetzten die Familie. Beide waren große
Galeria im. Slendzinskich w Bialymstoku
Damen, ohne es zu wollen.
www.galeriaslendzinskich.pl
Die Idee der Galerie Slendziskich, eine Ausstellung über das Leben und Schaffen von Helena Bohle-Szacki zu machen liegt sicherlich im Interesse der Bewohner der Stadt Białystok, wo ihr erstes Zuhause war, sie hätte auch große Bedeutung für Polen in Polen und in Berlin, die ungeduldig auf Lilkas Rückkehr zu ihrem letzten Haus warten... Agata Lewandowski.
74
Tag der polnischen Unabhängigkeit in Berlin
D
er Botschafter der Republik Polen in Deutschland
Nachdem die Nationalhymne Polens und Deutsch-
Professor Andrzej Przyłębski hat gemeinsam mit
lands gespielt wurden, hielt der Botschafter der Repu-
seiner Ehefrau Julia Przyłębska die Vertreter der berli-
blik Polen in Berlin Professor Andrzej Przyłębski eine
ner Polonia zu einem Konzert aus dem Anlass des pol-
Rede.
nischen Unabhängigkeitstages zu einer Veranstaltung
Er erinnerte er an die historischen Fakten, die zu der
eingeladen. Dieser Nationalfeiertag wird jährlich am
Wiedererlangung der Unabhängigkeit durch Polen und
11. November begangen, um an die Wiedererlangung
der Rückkehr des Landes auf die Landkarte Europas
der Unabhängigkeit durch Polen nach 123 Jahren der
im Jahr 1918 führten. Das Jahr 2018 wurde von dem
Teilung des Landes (1772-1918) im Jahr 1918 zu erin-
Polnischen Sejm zum Jubiläumsjahr des 100. Jahres-
nern.
tages der Wiedererlangung der Unabhängigkeit durch
Die Polonia und die in Berlin lebenden Polen feierten
Polen erklärt.
diesen wichtigsten polnischen Nationalfeiertag am 12.
Das Konzert von Mietek Szcześniak bot brasili-
November 2017 im Ernst-Reuter-Saal im Bezirk Berlin-
anische Rhythmen und die Poesie von Pfarrer Jan
Reinickendorf. Zu dieser Feier wurden auch deutsche
Twardowski. Im Mittelpunkt seiner Dichtung stehen
Partner und polnische Journalisten eingeladen. Beglei-
moralische Werte, die das menschliche Leben bestim-
tet wurde die Veranstaltung durch eine Ausstellung
men, und seinen lebensbejahenden, positiven und
über den Marschall der Zweiten Polnischen Republik
dem Menschen nahe stehenden Glauben zum Aus-
Józef Piłsudski. Nach dem offiziellen Teil folgte ein Kon-
druck bringen. Jeder von uns kennt die Worte seines
zert von Mietek Szcześniak, einem der bekanntesten
Gedichts: „Beeilen wir uns die Menschen zu lieben, sie
polnischen Sänger, der in seiner Musik die Gedichte
gehen so schnell fort“.
von Pfarrer Jan Twardowski mit lateinamerikanischen Rhythmen verbindet.
78
Text und Foto: Krystyna Koziewicz
München: Der 99. Jahrestag der Wiedererlangung der polnischen Unabhängigkeit
D
er Generalkonsul der Republik Polen in München Andrzej Osiak hat gemeinsam mit seiner Ehefrau
Agnieszka Kościelniak-Osiak zu einer Veranstaltung aus dem Anlass des polnischen Unabhängigkeitstages eingeladen. Im Programm war das Konzert des polnischen Jazz-Pianisten Władysław Sendecki und des aus polnischen Musikern bestehenden Quartetts Atom String. Festreden aus dem Anlass des polnischen Nationalfeiertages hielten Generalkonsul Andrzej Osiak und ein Vertreter der Bayerischen Landesregierung. Nach dem Konzert im Münchener Künstlerhaus folgte ein Empfang. Władysław “Adzik” Sendecki ist einer der besten Jazz-Pianisten der Welt. Er wurde 1955 in Gorlice geboren. Im Alter von 4 Jahren fing er mit Klavierunterricht an, mit 11 Jahren folgte der Unterricht am FrédéricChopin-Konservatorium und schließlich Studium an der Musikakademie in Kraków. In den 80-er Jahren emigrierte er nach Westeuropa. Heute wird er mit den größten Jazzlegenden der Welt verglichen. In seiner Musik verbindet er Jazz-Elemente mit der klassischen Musik. Atom String Quartet gehört zu den spannendsten Geigenquartetts der Welt und zu den besten Jazzinterpreten Polens. Die Gruppe verbindet die Möglichkeiten der Streichinstrumente (d. h. zwei Geigen, eine Bratsche und ein Cello) mit einer breit verstandenen Improvisation. Das Quartett entstand 2010 in Warszawa und besteht aus: Dawid Lubowicz und Mateusz Smoczyński (Geigen), Michał Zaborski – Bratsche und Krzysztof Lenczowski – Cello. Die Mitglieder der Gruppe sind Absolventen der Fryderyk-Chopin-Musikuniversität in Warszawa. Text und Foto: Bogdan Żurek
80
Stuttgart: Am Vortag des 100. Jahrestages Christianisierung Polens im Jahr 966, den Anschluss an den europäischen Kulturkreis, die erste Krönung, den Bau und Entwicklung von Städten, die Entstehung der Jagiellonen-Universität, die Staatsunion mit Litauen, den ständigen Kampf um die Landesgrenzen, allerdings auch die ununterbrochene Entwicklung der polnischen Sprache, Wissenschaft, Kultur und Kunst, die Entstehung der Kommission für Nationale Bildung, die Verfassung vom 3. Mai und zahlreiche weitere Ereignisse zurück. Trotz der 123 Jahre dauernden Knechtschaft und die späteren dramatischen weltgeschichtlichen Ereignisse nach der Wiedererlangung der Unabhängigkeit, solche wie der II. Weltkrieg, die Tragödie des gesamten Volkes unter dem kommunistischen Regime und danach das Drama der verstoßenen Soldaten, das Drama des gesamten Volkes in der kommunistischen Realität, wo die Worte des großen Polen und Papstes Johannes Paul II – “Fürchtet euch nicht“ einen fruchtbaren Boden fanden, ist Polen stets heldenhaft geblieben. Die Persönlichkeiten der Schöpfer unserer Unabhängigkeit waren unterschiedlich,
11.
verbunden hat sie die selbstlose Liebe zu Polen. Das
November ist der wichtigste polnische Nati-
Jahr 2018 wird ein Jahr eines langen Dialogs sein und
onalfeiertag. Er ist dennoch nicht nur eine
eine Brücke zwischen den vergangenen Jahren, dem
Gelegenheit zu Festveranstaltungen und Treffen, vor
Alltag und dem, was uns noch erwartet. Es soll mit
allem bedeutet er die Zeit des Nachdenkens und der
Treffen, Ausstellungen, Seminaren, Filmvorführungen
Erinnerungen, eine Zeit der Analyse der historischen
und langen Gesprächen über unsere Heimat ausge-
Ereignisse, eine Zeit der Auseinandersetzung mit der
füllt werden, die zur Stärkung unseres Vaterlandes
heutigen Realität, eine Zeit des mutigen Nach-Vorne-
beitragen werden.
Schauens und der Prognosen. Die Fragen, die wir uns
Die Veranstaltung aus dem Anlass des 99.jährigen
am Vortag des 100. Jahrestages der Wiedergeburt des
Jahrestages der polnischen Unabhängigkeit, die in
polnischen Staates stellen sollen, betreffen sämtliche
Stuttgart stattfand, wurde von dem Generalkonsul
Aspekte des gegenwärtigen Patriotismus – des Patri-
der Republik Polen in München Marcin Król besucht.
otismus im modernen Polen, außerhalb der Landes-
Nach Reden aus diesem Anlass folgten die Auftritte
grenzen, des Patriotismus unseres Gewissens, des
der Schülerin der Polnischen Schule in Remseck Mi-
Engagements in die Angelegenheiten unserer Heimat,
schel Kawaletz und des Klavierduos Piotr Różański
die Fragen des Einflusses auf die zukünftigen Genera-
und Grzegorz Mania, die meisterhaft Werke von
tionen, der Gestaltung des positiven Bildes Polens in
A.Dworzak, Z.Noskowski J.Brahms, J.Zarębski, E.Grieg
der Europäischen Union und auf der Welt – eines Bil-
und I.Paderewski vorführten. Die Unabhängigkeitsfeier
des des modernen Polens, das durch die jahrhunder-
hat der Polnische Kulturverein in Stuttgart organisiert.
telange Tradition stark geworden ist. Diese Tradition geht auf die Anfänge des polnischen Staatswesens, die
82
Małgorzata Piegsa (Foto: A. Kawaletz)
Ein doppeltes Jubiläum der Deutsch-Polnischen Kulturgesellschaft ”Polonica“ e.V.
D
ie Feierlichkeiten zum doppelten Jubiläum – 25.
Diesen erhielt Vanina de Franco aus Frankreich. Der
Rock&Chanson Festival und 30 Jahre “Polonica“
Publikumspreis ging ebenfalls an die Leipziger Gruppe
e.V. – wurden am 17. November, am ersten Festival-
“byebye”. Die jungen Männer freuten sich sehr über
tag in Köln eröffnet. An den Feiern nahmen zahlreiche
den doppelten Preis.
Persönlichkeiten aus der Politik, Musik und dem kul-
Wir sind sehr überwältigt. Als wir nach Köln gefah-
turellen Leben teil. Darunter u.a. der Generalkonsul
ren sind, haben wir nicht einmal davon geträumt zu
der Republik Polen in Köln Herr Jan Sobczak, der Kon-
den Gewinnern zu gehören, denn die Konkurrenz war
sul Andrzej Dudzinski, der Generalkonsul Frankreichs
sehr groß. Jetzt halten wir zwei Auszeichnungen in der
in Düsseldorf Herr Vincet Muller, der CDU Politiker
Hand. Das können wir noch nicht realisieren – sagt
Werner Jostmeier und ein Vertreter des PPA (ältester
Oliver Haas und fügt hinzu – wir sind nicht nur von
Chanson Festival in Polen) Herr Boguslaw Sobczuk.
unserem Gewinn schwer beeindruckt, aber auch von
Das Jubiläumsfestival wurde traditionell mit der
dem ganzen Festival und vor allem über die Profes-
polnischen Melodie “Polskie Drogi“ eröffnet. Das Stück
sionalität und Gastfreundlichkeit der Organisatoren.
wurde am Klavier vom Jury Vorsitzenden Herrn Tomasz
Wir wünschen der “Polonica“ e.V. mindestens weitere
Glanc gespielt. Kurz danach präsentierten im Rahmen
erfolgreiche 30 Jahre.
des “Junge Talente“ Wettbewerbs junge Künstler,
Nach der Siegerehrung kam auf die Bühne die
jeweils zwei aus Deutschland, Polen und Frankreich
polnische Sängerin Kasia Moś. Sie vertrat Polen beim
ihre musikalischen Fähigkeiten. Das in Rathaussaal
diesjährigen Eurovision Song Contest und präsentierte
Köln-Porz versammelte Publikum lauschte mit großer
in Köln ihre größten Hits.
Begeisterung der Musik der Debütanten.
84
Star des Konzerts am Freitag war Maciej Malen-
Nach dem Wettbewerb mit anschließender Pause
czuk. Der Sänger hatte das Publikum ab der ersten
wurden die Sieger durch die internationale Jury geehrt.
Minute in seinen Bann gezogen. Damit endeten je-
Der erste Platz ging an das deutsche Duo “byebye“ –
doch die musikalischen Attraktionen während des
Oliver Haas und Tim Ludwig. Den zweiten Platz vergab
25. Roch&Chanson Festivals nicht.
das Jury an die junge polnischen Chansonsängerin
Am Samstag fand das Galakonzert mit sehr be-
Julita Wawreszuk. Ganz spontan entschieden die Mit-
kannten und beliebten Musikern statt. Es traten auf:
glieder der Jury die Vergabe eines dritten Preises im
aus Frankreich die populäre Sängerin und Komödi-
Jubiläumsfestival.
antin Lou Volt, aus Deutschland die Swing Gruppe
“The Airlettes“ und aus Polen die Diva der polnischen Musikszene Justyna Steczkowska. Am 19. November dem letzten Tag der Feierlichkeiten, lud die Deutsch-Polnische Kulturgesellschaft “Polonica“ e.V. in die Räume der ehemaligen Abteilung für Handel und Investitionen des Generalskonsulats in Köln ein. Rund 100 geladene Gäste, Sponsoren und Mitglieder der “Polonica“ e.V. kamen zu der Feierlichkeit. Der Festakt begann mit Ansprachen, Vorstellung der 30-jährigen Geschichte der Kulturgesellschaft und Glückwünschen. In der Dankesrede dankte der Generalkonsul dem Organisationsstab für die tollen Festivals und vor allem für die Verbreitung der polnischen Musikkultur mit Einbezug der Künstler aus Deutschland und Frankreich. Boguslaw Sobczuk betonte in seiner Ansprache die
rung für uns. Unser Projekt kann nur durch größten
Bedeutung des Festivals und der Zusammenarbeit mit
ehrenamtlichen Engagement stattfinden – erklärt der
dem ältesten Chanson Festival, dem ältestn Chanson
Vorstand.
Festival, dem Przegląd Piosenki Aktorskiej in Breslau.
Die Führungsgruppe schaut mit Stolz auf ihr
Er beglückwünschte alle Beteiligten der vergangenen
Rock&Chanson Festival, welches längst über die
30 Jahre zu einer tollen Leistung und forderte sie dazu
Grenzen Deutschland bekannt wurde. Davon zeu-
auf, sich weiterhin so engagiert einzusetzen.
gen die internationalen Pressevertreter währen des
Im weiteren Verlauf des Abends standen vor allem
Festivals.
musikalische Beiträge im Mittelpunkt. Zuerst traten
Die Bedeutung der Veranstaltung wird auch durch
die Teilnehmer des “Junge Talente“ Wettbewerbs auf.
die Schirmherrschaften hervorgehoben. Seit Jahren
Gebührend gewürdigt wurde die Jubiläumsfeier durch
findet das Festival unter der Schirmherrschaft der Köl-
den Auftritt von Magda Umer, der bekannten polni-
ner Oberbürgermeisterin Frau Henriette Reker, dem
schen Sängerin. Sie sang ihre schönsten und unverges-
französischen Generalkonsul Vincent Muller und dem
senen Lieder.
Generalkonsul der Republik Polen in Köln, Jan Sobczak,
Das
in
den
Kulturkalendern
fest
etablierte
Rock&Chanson Festival ist ein einmaliges Ereignis in
veranstaltet. Ein
Vierteljahrhundert
Rock&Chanosn
Festival
ganz Deutschland, wo junge (im Rahmen eines Wett-
“Köln-Breslau-Paris“ war Grund genug, um die Bedeu-
bewerbs “Junge Talente“) und erfahrene Künstler
tung der Veranstaltung zum Vorschein zu bringen.
aus Polen, Deutschland und Frankreich im Sinne des
Der erste Starsänger der von der Deutsch-Polnischen
Weimarer Dreiecks durch gemeinsame musikalische
Kulturgesellschaft an den Rhein eingeladen wurde war
Auftritte zu Annäherung und Stärkung der drei Länder
Marek Grechuta. Danach folgten u.a.: Dorota Stalińska,
führen.
Czesław Niemen, Maryla Rodowicz, Ewa Demarczyk,
Der kulturelle Austausch auf höchstem Niveau ge-
Edyta Geppert, Jacek Wójcicki, Grzegorz Turnau, Justy-
lingt den Organisatoren zweifelslos seit vielen Jahren.
na Steczkowska, Katarzyna Groniec, Renata Przemyk,
Jedes Mal zieht das Festival ein internationales Publi-
Katarzyna Skrzynecka, Kayah, Mariusz Lubomski, Joan-
kum nach Köln.
na Liszowska, Stan Borys, Hanna Banaszak, Anna Ma-
Den Vorstand der “Polonica” e.V. bilden seit einigen
ria Jopek, Zakopower, Raz Dwa Trzy, Urszula, Patrycja
Jahren der erste Vorsitzende Zbigniew Kossak von
Markowska, Michał Szpak, Stanisław Soyka, Rosenstolz,
Glowczewski, die Vizevorsitzende Monika Moj und die
Götz Alsmann und Ute Lemper.
Schatzmeisterin Maria Chmielarz. Obwohl das Festival bereits seit 25 Jahren veranstaltet wird, ist es immer noch eine große Herausforde-
86
Monika Moj
Festival ”Zusammen im gemeinsamen Europa” Die kulturelle Visitenkarte der Polonia in München – Reflexionen Folkloregesellschaft Polonia in München, Ethnographin und Pädagogin, Preisträgerin zahlreicher Auszeichnungen für ihr Engagement für die Kinder, darunter des renommierten “Ordens des Lächelns“ und des Preises “Zaczarowany Ptaszek“ (Verzaubertes Vögelchen) der Stiftung von Anna Dymna sowie zahlreicher weiterer Auszeichnungen. Elżbieta Zawadzka ist seit 25 Jahren eine unermüdliche Verbreiterin der polnischen Kultur und Folklore in Deutschland. Sie ist Initiatorin, alleinige Organisatorin und Leiterin des deutsch-polnischen Kinder- und Jugendkulturfestivals “Zusammen im gemeinsamen Europa“ sowie Gründerin und Leiterin der in Bayern bekannten Gruppe “Polonia“. Sie erweist ein besonderes Gespür bei der
V
88
Suche nach jungen Talenten in Polen und in Deutschom 15. bis 19. September 2017 fanden Treffen
land. Aus ihrer Initiative entstand die Möglichkeit der
und Konzerte im Rahmen der XXII Auflage des
gemeinsamen Präsentation dieser Künstler. Elżbieta
Deutsch-Polnischen Kulturfestivals “Zusammen im
Zawadzka wurde für diese Idee mit Applaus und Dank-
gemeinsamen Europa München 2017“ statt. Für die
sagungen überschüttet.
Teilnahme am Festival qualifizierten sich Kindergrup-
Ich wollte Dr. Zawadzka nach ihren Eindrücken von
pen und Solisten, die ein großes künstlerisches Werk
dem letzten Festival fragen und mit ihr meine eigenen
aufweisen, darunter Preisträger von renommierten
Reflexionen darüber teilen.
Wettbewerben, Teilnehmer von Tanz-, Gesangs- und
Glücklicherweise nahm ich bereits zweimal am Fes-
Musikfestivals und Fernsehsendungen, usw. Die Rolle
tival teil – zuerst 2014 und drei Jahre später – 2017. Ich
des Spezialgastes übernahm der Generalkonsul der
durfte die Konzerte im Rahmen des Festivals sowie das
Republik Polen in München Andrzej Osiak, der gleich-
Galakonzert sehen und bewundern, es waren außer-
zeitig die Schirmherrschaft für das Festival übernahm.
gewöhnliche Events, die sowohl Entschlossenheit als
Das Festival “Zusammen im gemeinsamen Euro-
auch ein großes logistisches Talent und künstlerische
pa” ist von Anfang an der Verdienst von Dr. Elżbieta
Intuition erfordern. Die von Dr. Zawadzka vorgeschla-
Zawadzka, der Vorsitzenden der Deutsch-Polnischen
gene Vision hat sich seit über 20 Jahren bewährt.
Die
Bewertung
der
Teilnehmer
wurde
einer
deutsch-polnischen Jury, die sich aus hervorragenden Pädagogen und Gesangstrainern zusammensetzte, übertragen. Sie bestand aus: Prof. Leszek Żądło – in Deutschland lebender Saxophonspieler und Komponist polnischer Herkunft, Preisträger des “Jazz Oscars” 2017 Marek Zborowski-Weychman – Leiter einer Grundschule und des Songstudios “Beciaki” in Suwałki, Gesangscoach und Komponist zahlreicher Kinderlieder Karol Janiszyk – Absolvent der Musikwissenschaft an der Katholischen Universität in Lublin, Musiklehrer an der Johannes-Paul-II Schule für Heimatsprache in München Dr. Elżbieta Zawadzka – künstlerische und organisatoGeneralkonsul und die Moderatoren: K. Wolanin und Kasper Zborowski-Weychman Konsul Generalny i Moderatorzy: K. Wolanin i Kasper Zborowski-Weychman
rische Leiterin des Festivals “Zusammen im gemeinsamen Europa”
Ich habe die Autorin des Vorhabens, gleichzeitig
Die Jury vergab den Grand Prix an Alicja Szemplińska
die künstlerische Leiterin des Festivals gefragt, wie die
aus Ciechanów, die ersten Plätze belegten: Wiktoria
Idee der deutsch-polnischen Begegnungen von Künst-
Pałasz aus Choszczno und Krystian Kubowicz aus Krakow.
lern entstanden ist? Vor zwanzig Jahren, als ich die Grundlagen für das Festival schuf, war ich tief davon überzeugt, dass der gemeinsame Tanz, Gesang und Spiel deutscher und
Zweiter Teil des Festivals. Galakonzert ”Zusammen im gemeinsamen Europa”
polnischer Kinder einem besseren gegenseitigen Kennenlernen der Geschichte, Sprache, Kultur und
Das Konzert fand am Samstag, 16.09.2017 statt. Alle
Tradition beider Länder dienen wird, ungeachtet der
Teilnehmer des Festivals aus Polen und Deutschland
historischen und sprachlichen Barrieren. Ich glaube,
sowie eingeladenen Gäste, insgesamt 150 Personen,
dieses Ziel gewissermaßen realisiert zu haben. Den
nahmen daran teil.
Beweis liefert die große Anzahl deutscher Gruppen
Während des Konzerts konnten wir u. a. Alicja
und Solisten, die sich jährlich zum Festival anmelden
Szemplińska – Gewinnerin des Grand Prix und der
möchten.
Fernsehsendung “HIT HIT, HURRA!” 2016, die an Work-
Das Festival “Zusammen im gemeinsamen Euro-
shops unter der Leitung von Seth Riggs, Lehrer solcher
pa” ist eine viertägige Veranstaltung, die aus einigen
Stars wie Michael Jackson, Prince i Madonna in Los
wesentlichen,
Angeles teilgenommen hatte, hören.
untereinander
verbundenen
Teilen
besteht. Nach jahrelangen Erfahrungen weiß ich, dass
Die münchener Polonia war der Meinung, dass zu
jeder dieser Teile an sich ein eigenes Projekt ist und
den Stars des Galakonzerts 2017 die talentierte Sänge-
auch als Einzelveranstaltung eine kaum zu bewältigen-
rin aus Choszczno Wiktoria Pałasz sowie die Formation
de Aufgabe wäre.
des modernen Tanzes LUZ aus Siedlce gehörten.
Der erste Teil des Festivals – Wettbewerb des Europäischen Liedes München 2017
Wiktoria Pałasz – Schülerin der Musikschule in Szczecin in der Klasse des Jazzgesangs verzauberte das Publikum mit einem Lied aus dem Repertoire von Helene Fischer. Dieses Lied hat sie auf die Bitte der Veranstalterin des Konzerts vorbereitet und Hartmut Tan-
90
Der Liederwettbewerb wird ein halbes Jahr vor dem
ski, Mitglied des Vorstands von Festring München e.
eigentlichen Event vorbereitet (Casting, Ausschlussver-
V. gewidmet. Hartmut Tanski, ein langjähriger Freund
fahren). Das Finale des letzten Wettbewerbs fand wäh-
der Gruppe “Polonia“ erhielt aus den Händen von Dr.
rend des Eröffnungskonzerts des Festivals, am Freitag,
Elżbieta Zawadzka und dem Bürgermeister der Stadt
15. September 2017, statt.
München Dieter Reiter das Diplom “München Dankt“.
Auftritt der Formation LUZ wurde mit Standing Ovations empfangen. Die Polonia (gleichzeitig auch die Folkloregruppe “Polonia”) repräsentierte u. a. die elfjährige Karina Wolanin, Schülerin des Gymnasiums an der polnischen Schule bei dem Generalkonsulat der Republik Polen in München. Während des Galakonzerts gehörte sie zu den Moderatoren der Veranstaltung. Diese schwierige Aufgabe meisterte sie mit Bravour und zauberte dem Publikum durch ihren jugendlichen Charme und Humor ein Lächeln auf die Lippen. Der Hauptmoderator des Konzerts war Kasper Zborowski aus Warszawa – Sänger, Pädagoge, Radiound Fernsehsprecher, Schauspieler des Musiktheaters ROMA und (seit 2012) Lehrbeauftragter an der MaciejPawlowski-Musical-Schule in Warszawa. In Erinnerung ist den Zuschauern die von ihm geführte Gesangsgruppe ASMki, die aus den Gewinnerinnen der Hauptpreise des Internationalen Gesangs- und Tanzfestivals in Konin und des Internationalen Festivals in Suwałki besteht, geblieben. Eine Woche nach ihrem Auftritt in München erreichte die Gruppe ASMki das Finale des Alicja Szemplinska – Gewinnerin des Grand Prix | Laureatka nagrody Grand Prix
92
polnischen Vorentscheides des Junior Eurovision Song Contests mit ihrem Lied “Bis ans Ende der Welt“.
Die Übergagabe des Diploms war sehr rührend, weil
Krystian Kubowicz aus Kraków sorgte für ein beson-
Wiktoria Pałasz aus Choszczno kommt – aus dem Ort,
deres Erlebnis während des Konzerts. Der 18-jährige
wo Hartmut Tanski geboren wurde und die Kindheit
Sänger, der für die Hoffnung der polnischen Gesangs-
verbrachte.
kunst gehalten wird, hat bereits mehrere imponieren-
Die Formation des modernen Tanzes LUZ aus Siedl-
de Erfolge auf seinem Konto – er stand im Halbfinale
ce trat zum wiederholten Mal in München auf, sie bot
der Fernsehsendung “Must be The Music“ und ist
Tanz auf Weltniveau dar. Die jungen Tänzer gewannen
Preisträger zahlreicher Grand Prix.
bereits mehrere Meisterschaften im modernen Tanz in
Deutschland repräsentierten Annika Elsässer und
Polen und Europa, sie sind Weltmeister und Gewinner
Nicole Ostmann aus Nürnberg. Die talentierten Gei-
einiger hundert Meister- und Vizemeistertitel in Polen
gerinnen wurden zur Teilnahme am Konzert von Pro-
und Europa. Die Gründerin und Leiterin dieser Gruppe
fessor Szykulski aus Würzburg nominiert, sie erhielten
ist Joanna Woszczyńska, hervorragende Pädagogin
den ersten Preis im Wettbewerb “Jugend musiziert“
und Choreographin, Jurorin der Polnischen Tanzföde-
und im Internationalen Geigerwettbewerb “Schloss
ration (PFT) und internationale Jurorin der Internati-
Zell an der Pram“ 2017.
onal Dance Organization (IDO). Das Tanztheater LUZ
Die Favoriten des Publikums waren die auf Deutsch
inszenierte einen Zyklus von Autorenvorführungen mit
singenden Kinder aus der Gruppe “Małe Beciaki” aus
patriotischen Inhalten, darunter das im Museum des
Suwałki. Die Gruppe ist dem polnischen Publikum aus
Warschauer Aufstands aufgeführte Spektakel “Kinder
Fernsehsendungen wie “Szansa na sukces”, “Talent
des Aufstands 44“.
za Talent”, “X-Factor”, “Must be The Music”, “5-10-15”
Das Ensemble begeisterte die münchener Polonia
und weiteren bekannt. “Studio Beciaki“ wird von dem
mit Fragmenten des Spektakels “Nasza klasa w PRLu“
hervorragenden Komponisten und Gesangstrainer –
(Unsere Klasse in der Volksrepublik Polen), in dem
Marek Zborowski-Weychman geleitet und hat einige
Kamil Janiszewski – Tänzer und Sänger, Leader der
junge polnische Künster, darunter die Hauptdarstelle-
Gruppe Słodkokwaśni – einen Gastauftritt hatte. Der
rin des Films “Wołyń“, hervorgebracht.
Die Volkstanzgruppe “Neptun” aus der Sporthoch-
das trug dazu bei, dass es ein einmaliges Erlebnis war.
schule in Gdańsk präsentiert seit 34 Jahren Volks- und
Eine heitere und bunte polnische Gruppe in Trachten
Nationaltänze in Polen und im Ausland. Während des
aus Kraków, Rzeszów und Krzczon präsentierte sich
Galakonzerts präsentierten die Studenten Fragment
tanzend auf den Straßen von München. Die Schönheit
einer Tanzsuite aus der Region Kaschubei. Die Gruppe
polnischer Mädchen hat zum wiederholten Mal die
wird musikalisch betreut von Józef Stachnik, die künst-
Herzen des deutschen Publikums erobert. Beim An-
lerische Leitung hat Dr. Dorota Dancewicz-Nosko. Die
blick der Bilder von der Parade (die Mehrheit machte
Gruppe erntete viel Beifall- besonders der typische,
deutscher Reporter polnischer Herkunft Henryk Bilski)
nur von Männern getanzte kaschubische “Dzek“ hin-
wundert man sich nicht darüber.
terließ einen großen Eindruck.
Konzerte junger Talente und die Teilnahme pol-
Die Pfadfindergesangs- und Tanzgruppe “Grześ“
nischer Jugend an der Folkloreparade im Rahmen
aus Puławy tanzte auf der Bühne Tänze aus der Re-
des Münchener Oktoberfests bieten eine besondere
gion Masowien und Rzeszów. Der Auftritt der Jugend
Gelegenheit zur Vorstellung meines Heimatlandes
aus Puławy wurde durch das münchener Publikum gut
in Deutschland. 2017 war ich sehr gerührt, als ich
aufgenommen.
im Fernsehsender ZDF viele nette Worte über meine
Der dritte Teil des Festivals. Teilnahme an der Großen Folkloreparade – Oktoberfest 2017
Arbeit und meine Person hörte. An diesem Tag hörte das Telefon nicht auf zu klingeln – man wollte mir gratulieren, mein E-Mail-Fach war voll mit liebevollen Nachrichten! Ich möchte mich sehr herzlich bei Joanna Woszczyńska und Dorota Dancewicz-Nosko für ihre Hilfe bei der Organisation der gemeinsamen Gruppe
Am Sontag, 17. September 2017 konnten die Teilnehmer des Festivals an der Folkloreparade, die das
aus Polen und aus der Polonia auf der Strecke der Folkloreparade bedanken.
Oktoberfest in München einläutet, teilnehmen. Dank
Das Festival wurde realisiert dank der Hilfe der
des persönlichen Engagements von Dr. Elżbieta Za-
Bundesbeauftragten der Bundesregierung für Kultur
wadzka wurde dieses Ereignis durch den Fernseh-
und Medien und der Vereinigung “Wspólnota Polska“
sender ZDF gezeigt, zudem konnten die polnischen
in Warszawa (aus den Mitteln des Senats der Republik
Künstler an der weltweit größten Folkloreparade
Polen). Auf Wiedersehen in nächstem Jahr.
teilnehmen. Die Vielfalt der Farben, Kostüme, Inst-
94
rumente und Blumen, große Menge von lächelnden
Dr. Dorota Dancewicz-Nosko
und fröhlichen Zuschauern entlang der Parade – all
Sporthochschule in Gdansk
Trebunie Tutki i przyjaciele|Trebunie Tutki und Freunde – Foto: D. Migalski
„Klänge, die verbinden“ – zum sechsten Mal in Hannover
S
Auch Liebhaber der traditionellen Folklore kamen auf ihre Kosten. Die wunderschönen polnischen Regionaltänze, die von den Gruppen “Polskie Kwiaty” aus Wuppertal, “Maki” aus Zwickau und “Polonia” aus Hannover getanzt wurden, ernteten viel Beifall. Viel Applaus erhielten auch die diesjährigen Preisträger des Preises Pro Vita Polonia: Edward Dewucki, Regina Swiatlak und Helena Adamowicz-Zimnoch. Die Temperatur stieg an, als auf der Bühne die Gruppe “Trebunie-Tutki i przyjaciele” erschien. Im Programm der Veranstaltung schrieb man: “Der in Europa einmalige Still der Gruppe hat seinen Ursprung einerseits in der Familientradition und der Leibe zu
echs Solistinnen, drei Folkloregruppen und als
der Region des Tatra-Gebirges, andererseits zeichnet
Krönung “Trebunie Tutki und Freunde”
er sich durch eine innovative und avantgardistische
Während
des
diesjährigen
Kulturfestivals
der
Betrachtungsweise dieses Erbes aus.“
Sowohl die
Polonia ist auf der Bühne des Stadtteilzentrums in
Musik aus der Region Podhale als auch die Art ihrer
Hannover-Döhren viel passiert.
Eingeladen zu der
Präsentation begeisterte das Publikum. Ein Zuschauer
Veranstaltung am 16.12.2017 hat das Verbindungs-
sagte nach dem Konzert: “Die Einführung von neuen
büro der Polnischen Organisationen in Hannover in
Instrumenten zerstört nicht den traditionellen Sound,
Niedersachsen e.V. und dessen langjährige Leiterin
im Gegenteil – sie fügen der Musik eine frische Note
Aldona Głowacka-Silberner. Für sie war dieses Festival
hinzu“.
besonders wichtig, da die von ihr geführte Folklore-
Das Kulturfestival der Polonia in Hannover bietet
gruppe “Polonia“ ihr 30. jähriges Jubiläum feierte. Auf
zwar vor allem Gelegenheit zu einem Treffen der lo-
der Bühne fand aus diesem Anlass ein kleines Famili-
kalen Polonia, dennoch fehlten auch nicht die Gäste
entreffen statt. Die Teilnehmer des Festivals gratulier-
aus den entferntesten Ecken Niedersachsens. Viele
ten den Mitgliedern der Folkloregruppe, übergaben
von ihnen bleiben dem Festival von seiner ersten
ihnen zahlreiche Geschenke und Danksagungen und
Auflage an treu, insbesondere da es eine der weni-
luden sie zur Teilnahme an einem Folklorefestival in
gen kostenlosen Veranstaltungen ist. Das diesjährige
Polen ein.
Kulturfestival der Polonia “Klänge, die verbinden“ in
Das diesjährige Programm des Kulturfestivals “Klän-
Hannover konnte dank der finanziellen Unterstützung
ge, die verbinden” war sehr vielfältig. Im Konzert der
der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und
jungen Talente präsentierten sich sechs interessante
Medien (BKM), Konvents der Polnischen Organisatio-
Solistinnen im Alter 11-19, Preisträgerinnen von pol-
nen in Deutschland, Generalkonsulats der Republik
nischen und ausländischen Gesangswettbewerben.
Polen in Hamburg und des Ministeriums für Wissen-
Die Arbeit des Moderators Marcin Antosiewicz wurde
schaft und Kultur des Landes Niedersachsen sowie der
durch die Tatsache erleichtert, dass vier der Sängerin-
ehrenamtlichen Arbeit der Veranstalter durchgeführt
nen den Vornamen Victoria trugen. Wiktoria Polska
werden. Zu Ehrengästen der Veranstaltung gehörten
und Wiktoria Chmielewska, Wiktoria Pałasz und Wik-
der Bürgermeister der Stadt Hannover Thomas Her-
toria Grudniok sowie Alicja Szemplińska kamen aus
mann und der Generalkonsul der Republik Polen in
Polen, Katarzyna Dallak repräsentierte München. Die
Hamburg Piotr Golema.
Palette der Lieder reichte von Pop über Rock und Soul
96
bis Jazz, jeder Zuhörer konnte etwas für sich finden.
Grażyna Kamień-Söffker
5. Jubiläum des Ensembles ”Polnische Folkloregruppe POLONEZ“ in Darmstadt Die erwachsenen Ensemblemitglieder tanzten auch die beiden polnischen Nationaltänze und sangen anschließend das Lied “Marsch Polonia“ und “Ode an die Freude“. Zu seinem Jubiläum hat POLONEZ befreundete Ensembles aus Deutschland und Polen eingeladen. Als Gast trat das Ensemble POLSKIE KWIATY (Polnische Blumen) aus Wuppertal sowie das Waclaw-Milke- Pfadfinder- Tanz- und Gesangensemble DZIECI PŁOCKA aus der polnischen Partnerstadt von Darmstadt auf. Die Ensembles POLONEZ und DZIECI PŁOCKA arbeiten seit 2 Jahren intensiv zusammen, indem sie Begegnungen und Tanzwerkstätte für Kinder, Jugendliche und Erwachsene sowie gemeinsame Konzerte in den beiden Partnerstädten Płock und Darmstadt veranstalten. Das Jubiläumskonzert war eine gute Gelegenheit, die Ergebnisse dieser Zusammenarbeit zu präsentieren: Die beiden Ensembles tanzten zum ersten Mal zusammen auf der Bühne eine während der Tanzwerkstatt in Płock einstudierten Suite von Rzeszower Tänzen (eine Region um die Stadt Rzeszów im Karpatenvorland) in einer Choreografie für vier Paare, jeweils zwei aus jedem Ensemble. Die Feierlichkeiten anlässlich des 5. Jubiläums der künstlerischen, bildungs- und integrationsorientierten Tätigkeit des Ensembles POLONEZ begann mit der Eröffnung der Fotoausstellung mit den Fotografien von Jan Waćkowski, eines Fotografen aus Płock. Die Ausstellung, die in den Räumen des Deutschen PolenInstituts in Darmstadt stattfand, zeigte Fotos zum Thema Weichsel und fügte sich somit in die Feierlichkeiten anlässlich des “Jahres der Weichsel“. Die Schirmherr-
D
schaft übernahm das Generalkonsulats der Republik ie Polnische Folkloregruppe POLONEZ e.V. mit
Polen in Köln.
dem Sitz in Darmstadt feierte ihren 5. Geburts-
Die Jubiläumsfeierlichkeiten endeten mit einem
tag. Während des Jubiläumskonzerts am 24. Novem-
Gottesdienst in der Polnischen Katholischen Mission
ber 2017 präsentierten die Tanz-und Gesangkinder-
in Offenbach am Main, wo die Polnische Folklore-
sowie Erwachsenengruppe und die ensembleeigene
gruppe POLONEZ wöchentlich Proben für Kinder und
Kapelle Ausschnitte aus ihrem bisherigen Programm.
Jugendliche abhält. Am Sonntag in den Proberäumen
Die Kinder tanzten in den Krakauer Trachten die Po-
im Jugendklub in Darmstadt-Kranichstein, verbrachten
lonaise und den Krakauer Tanz in einer Choreografie
die Kinder und Jugendlichen aus beiden Ensembles
für 8 Paare.
gemeinsamen Nachmittag bei Integrationsspielen. Dominik Karaś
98
Brygida oder Brigitta? Helbig-Mischewski Autorin führen zu lassen. Ihr Werk – das Werk einer Migrantin, die als junges Mädchen ihre Heimat verließ, wird am besten von Menschen verstanden, die selbst ausgewandert sind, besonders wenn sie sich mental zwischen Polen und Deutschland bewegen. Vermutlich war es auch der Grund dafür, dass ihr für den NIKEPreis nominierter Roman Himmelchen diese Auszeichnung nicht erhielt. Die in ihrem Heimatland lebenden Polen können die polnischen Emigranten häufig nicht verstehen und versuchen es nicht einmal. Landsleute, die ihre polnische Heimat verlassen haben, geraten häufig in den Hintergrund und hören auf zu existieren. “Engel und Schweine“ ist ein ist ein hinterlistiger, satirischer Roman über die Emigration, in dem sich jeder, der im Rahmen eines Stipendiums ins Ausland ging, wiedererkennen wird. 2014 hat die Regisseurin, Schauspielerin und Leiterin des Berliner Theaters am Salzufer Janina Szarek den Roman für die Bühne adaptiert und mit großem Erfolg unter dem Titel “Pfannkuchen, Schweine, Heiligenscheine“ aufgeführt. Die Berliner warten ungeduldig auf die Wiederaufführung des Stücks. In “Ossis und andere Leute“ setzt Brygida ihre humoristisch bitter-süße Beobachtungen der Emigranten fort, diesmal betreffen sie die innere Migration, d. h. den Versuch zweier jahrzehntelang geteilter Nationen
W
enn ich einen Film über Brygida Helbig-Mischew-
sich als ein Volk zu assimilieren. Wir – Polen, die damals
ski drehen würde, so hätte ich sicherlich diesen
aus dem kommunistischen Polen nach Westdeutsch-
Titel verwendet. Warum? Weil das gesamte Werk von
land gekommen sind, können sowohl die Wessis als
Brygida eine Suche nach der Identität bedeutet. Gen-
auch Ossis besser verstehen sowie die zwischen ih-
augenommen handelt es sich um einen Versuch der
nen herrschenden Missverständnisse. Dieses Buch ist
Suche, da Brygida als erfahrene Autorin nicht probiert,
wegen der besonderen Sichtweise der Autorin – einer
Fragen selbst zu beantworten, sondern sich gemein-
Ausländerin, die den großen Prozess der Vereinigung
sam mit den Lesern
der durch die Politik anders denkenden Deutschen
während verschiedener Etap-
pen der Reise, die wir “Leben“ nennen, auf die Suche
100
beobachtet – lesenswert.
nach einer Antwort begibt. In ihrem Werk gibt es viele
“Das Himmelchen“ erzählt von einer weiteren Etap-
autobiographische Elemente, was sie offen in ihrem
pe auf der Suche nach der Identität. Während die
Buch “Anioły i świnie. W Berlinie!” (Engel und Schwei-
vorangehenden Bücher vor allem eine Suche nach pol-
ne) zugibt. Ihre Autobiographie vermittelt sie auf eine
nischen und nach ausländischen Elementen bedeute-
unaufdringliche Art – eine Art, die es uns, Nullachtfünf-
ten, so versucht Das Himmelchen die Frage zu beant-
zehn-Menschen erlaubt, uns leicht mit ihren Figuren
worten, was wir von unseren Eltern geerbt haben und
zu identifizieren, ihnen zu vertrauen und sich von der
in wie weit ihr Lebensweg uns beeinflusste.
“Das Himmelchen“ ist ein wunderschöner Neologis-
ner – die Eltern der Heldin von Das Himmelchen, deren
mus – für die meisten Leser bedeutet er einen kleinen
Vater ein Deutscher aus Galizien war und die Mutter
Himmel – einen Himmel, der uns durch die gesamte
aus den ehemaligen Ostgebieten Polens stammte. Ich
Kindheit begleitet hat. Ich werde nicht verraten “was
schenkte Das Himmelchen einer befreundeten Per-
uns die Autorin mit dem Titel sagen wollte“, man
son, die ihr Berufsleben hinter dem Schreibtisch des
soll sie selbst danach während einer Autorenlesung
Verlags “Czytelnik” verbrachte. Sie rief mich kurz dar-
fragen. Ich bin mir sicher, dass die Antwort eine nette
auf an und erzählte mir, dass sie sehr viel Freude beim
Überraschung mit sich bringen wird.
Lesen von Niebko (Das Himmelchen) hatte, “es ist ein
Die Suche nach den eigenen Wurzeln ist nicht nur
sehr intelligenter Roman, ich genoss es, mich darin zu
interessant, sondern auch innovativ. Brygida Helbig
verlieren und zu finden“ – sagte sie ferner. Niebko äh-
hat dank “Das Himmelchen“ an das fast vergessene
nelt einem Krimi – einem Krimi, der von komplizierten
Schicksal der Deutschen aus Galizien erinnert. Wäh-
menschlichen Schicksalsfügungen erzählt. Helbig ge-
rend der langen Jahre, die ich, ähnlich der Autorin von
lang es in Niebko eine neue literarische Form zu entwi-
“Das Himmelchen“, in Berlin verbrachte, besuchte ich
ckeln, genauso wie es Angnieszka Holland durch Pokot
gelegentlich Szczecin – eine Stadt, die mir mit ihrer
(Die Spur) gelang, ein neues Filmformat zu schaffen.
deutschen Vorkriegsarchitektur und – Sehenswürdig-
Der letzte Roman von Helbig ist eine weitere Reise
keiten stets merkwürdig vorkam. Genauso wie ihre
in ihr Inneres. Inna od siebie ist ein Buch (und gleich-
Bewohner, die sich mit der Geschichte dieser Stadt
zeitig Thema der Habilitationsschrift von Mischewski)
nicht identifizieren können. Das Himmelchen hat mir
über das Leben der extravaganten Schriftstellerin Ma-
geholfen, Szczecin zu verstehen und empfänglich für
ria Komornicka. Das Werk erschien unter zwei Titeln
die komplizierte Seele dieser Stadt zu werden. Genius
Inna od siebie (Eine Andere als sie selbst) und Inny od
loci Szczecins ist genauso kompliziert wie seine Bewoh-
siebie samego (Ein Anderer als er selbst) und erzählt von der geheimnisvollen Maria Komornicka, die in einem gewissen Moment ihres Lebens beschloss, Piotr Wlast zu werden. Diese Umwandlung führte in der damaligen Zeit zwangsweise zum Aufenthalt in einer psychiatrischen Anstalt; heute würde sie höchstens mit einem Besuch beim plastischen Chirurgen und einem Psychologen enden, um die Suche nach der neuen Identität zu erleichtern. Ist die Transformation von Komornicka nicht einfach eine Antwort auf die Frage nach der Anzahl der männlichen und der weiblichen Elemente, die wir – Frauen – in uns tragen? Inny od siebie motiviert zum Nachdenken darüber, in wie weit die Frauen heute gezwungen sind, männlich zu sein, ohne dabei ihre verführerische, “süße“ Weiblichkeit zu verlieren. Eine Weiblichkeit, die die Männer unbewusst erwarten und fordern Brygida Helbig-Mischewski ist eine außergewöhnliche Autorin. Sie ist eine interessante, wenn auch nicht fehlerfreie, Persönlichkeit – ihr Fehler besteht darin, dass sie die Publicity scheut. Sie gehört zu der Generation von Menschen und Künstlern, die der Meinung sind, dass eine wertvolle Kunst, in diesem Fall Literatur, ihren Weg von alleine macht. Da man entschieden besser Bücher als Rezensionen liest sollten wir einen ihrer Romane lesen, um ihr und uns zu beweisen, dass wirkliche Kunst ohne Publicity auskommt. Agata Lewandowski
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Das Himmelchen “Neewswek“ – Piotr Gajdowski: Brygida Helbig, die vor einigen Jahren für den NIKE-Preis für Das Himmelchen nominiert war, beschäftigt sich seit Jahren mit der Biographie der jungpolnischen Dichterin Maria Komornicka. Mischewski schrieb ihre Doktorarbeit über dieses Thema, jetzt erschien die belletristische Version dieser Arbeit. Das Buch trägt zwei Titel: Inna od siebie sowie Inny od siebie (ein Teil der Auflage erschien unter dem ersten, ein weiterer Teil unter dem zweiten Namen). Das Leben von Maria Komornicka vel Piotr Odmieniec Wlast ist legendär. Ihre Umwandlung von einer Frau zu einem Mann wurde mehrfach interpretiert. Die Einlieferung Komornickas in eine psychiatrische Anstalt begründete man mit ihrer Trans- bzw. Homosexualität. Helbig ist der Meinung, dass der Hauptgrund dafür in der Überschreitung der gesellschaftlichen Rolle in der Welt des Patriarchats zu finden ist. Das Geschlecht spielt für Komornicka lediglich die Rolle eines Kokons, den man loswerden soll. Ihre Entscheidung, die männliche Identität loszuwerden, unterbricht die erfolgreiche literarische Kariere von Komornicka. Bis zum Schluss stellt sie sich als zwar als Piotr vor, sie wird dennoch in einem Kleid begraben.
Engel und Schweine Manfred Marck:
Inna od siebie
Wer sich heute im Jahr 2016 mit offenen Augen in der deutsch-polnischen “Community“ bewegt, wird dieses kleine, große Buch jednym tchem (in einem Atemzug)
“Tygodnik Powszechny“ – Inga Iwasow:
schmunzelnd verschlingen.
Ich nenne Inna od siebie einen Roman. Es liegt mir viel daran, dass man dieses Werk als Fiktion wahrnimmt, auch wenn die dort erwähnten historischen Personen
Ossis und andere Leute
und der Geist der Epoche, die Stimmen der in der Zeit Maria Komornickas lebenden Menschen sowie derer, die ihr Leben nach Jahren kommentierten, wichtig sind. Die
Ich bin im westlichen Sachsen aufgewachsen und ken-
kritische Familientragödie lässt sich heute, angesichts der
ne die Selbstbilder der Menschen in dieser Gegend ganz
Tatsache, dass alle Betroffenen auf den Friedhöfen liegen,
gut, und für mich war die Lektüre ein Fest. Es war herr-
schwer beschreiben. Helbig gibt uns einen hervorragende-
lich mitzuverfolgen, wie Helbig sie zerlegte, einfach durch
nen, tiefgründigen Roman. Nach der Lektüre des Buches
ihren fremden Blick, der sich an keiner Stelle als klüger
reflektiert man darüber, dass die Kunst sowohl auf Appel-
ausgibt.
le reagiert als auch um Antworten appelliert.
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Fixpoetry “Der Fremde Blick” – Jan Kuhlbrodt:
Von Ossis und anderen Menschen “Culture.pl“ – Janusz R. Kowalczyk: Am kürzesten kann man den Roman “Von Ossis und anderen Menschen” von Brygida Helbig als einen Roman über den Verlust von Wurzeln bezeichnen. Dabei geht es nicht nur um die Ossis, die Bewohner Ostdeutschlands, die von ihren satten westlichen Landleuten wie arme Verwandte behandelt werden. Es geht auch um die Autorin – eine Polin, Bewohnerin von Stettin, eines weiblichen Nachkommens der Heimkehrer aus Kasachstan, die in Deutschland lebt und auch in Prag arbeitet.
Das Himmelchen “Krytyka Polityczna“ – Kinga Dunin: Verworrene Identitäten, ausgelaugte Menschen, die Kompliziertheit der familiären Bindungen, der gesellschaftliche Aufstieg in der Zeit der Volksrepublik Polen. Sowie Probleme, die von einer Generation auf die andere weitergegeben werden und die um Anwendung von Hellingers-Therapiemethoden bitten. All das reicht, um das Buch zu loben. Wir sollten dabei die Sprache und den Aufbau nicht außer Acht lassen.
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Brygida HELBIG (Brigitta Helbig-Mischewski) ist 1963 in Szczecin geboren, sie lebt und arbeitet seit den achtziger Jahren in Berlin. Sie ist Literaturwissenschaftlerin, Hochschu-llehrerin, Schriftstellerin und Übersetzerin. Ihre Leidenschaft ist die Literatur. Authentizität und Freiheit sind dabei die wichtigsten Aspekte. Sie beschäftigt sich mit Themen wie: Familienbeziehungen, Geistigkeit, geschlechtliche Gleichberechtigung sowie Biografismen und Biografien. Durch ihre literarische, publizistische und wissenschaftliche Arbeit, versucht sie Deutsche und Polen einander näher zu bringen. Dabei verzichte sie auf die leeren Phrasen des Brückenbauens und setze auf gemeinsame Kulturarbeit.
Ela Dębska über sich und ihr neues Album Ich bin weder Joplin noch Cohen – endlich bin ich ich selbst!
E
la Dębska – Dichterin, Schauspielerin, Sängerin.
glaubst du, dass du jemanden triffst, der dein Bedürfnis
Spielte in einigen Filmen in der Regie von u. a. Jan
nach Liebe, Verständnis und Nähe erfüllt und zu einer
Jakub Kolski, Janusz Kondratiuk, Krzysztof Zanussi. Sie trat
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Quelle der positiven Inspiration wird?
auch im „Teatr Kwadrat“ in Warszawa auf. Vor allem aber
Die Liebe bringt nicht immer positive Emotionen mit
singt sie und spielt Gitarre. Viele Jahre lang gab sie gemein-
sich, manchmal sind die Gefühle sehr negativ, sie sind
same Konzerte mit Maciej Zembaty. Vor fünf Jahren nahm
trotzdem ein Teil der Liebe – man soll sich nicht vorma-
sie ein Album mit Songs von Janis Joplin und Leonhard
chen, dass es sie nicht gibt. Die Entfernung zwischen
Cohen auf. Jetzt, Anfang Dezember 2017, erschien ein wei-
Liebe und Hass ist sehr klein. Davon erzählt mein Lied
teres Album mit ihren eigenen, sehr persönlichen Liedern.
„Liebe und Hass”. Wenn ich nicht geliebt hätte, würde es
Ela, dein lang gehegter Traum ist gerade Wirklichkeit
dieses Lied nicht geben, Liebe ist das stärkste unserer
geworden, du hast dein eigenes Album herausgebracht.
Gefühle. Sie bringt häufig Schmerz mit sich, wovon die
Fühlst du dich jetzt glücklich, erfüllt? Hast du dir diesen
Texte, die aus meinem Innersten kamen, sprechen. Ich
Augenblick genauso vorgestellt?
glaube, dass mir das Schreiben leichter fällt, wenn ich
Ich bin glücklich, dass meine Lieder nicht länger in
Schmerz empfinde. Ich glaube, dass mir das Schreiben
den Schubladen liegen, das Tageslicht gesehen haben
leichter fällt, wenn ich Schmerz empfinde – so bin so
und angefangen haben, ihr eigenes Leben zu führen.
beschaffen. Wenn ich Glück empfinde, dann habe ich
Ich bin angenehm überrascht, dass so viele Menschen
kein Bedürfnis nach Schreiben, ich genieße einfach mein
sie mögen. Früher bewegte ich mich in Bluesmusik und
Glück. Ich glaube, ich hätte Angst es zu beschreiben,
der Poesie von Leonhard Cohen. Ich hatte Angst, dass
Angst alles zu verderben. Selbstverständlich möchte
mein Album schlecht aufgenommen wird, es kam an-
ich ein einer tollen Beziehung sein, ich warte auf die
ders – meine Fans sind mir treu geblieben. Das Album
erträumte Liebe und glaube daran, dass ich ihr begeg-
ist gerade erschienen, es kann also noch viel passieren.
ne. Sonst wäre ich frustriert. Ich bin eine Idealistin und
Schade, dass du deine Gedichte – die Songtexts –
gebe nicht auf. Es gibt in meinem Album allerdings nur
nicht mit Daten versehen hast. So könnte man den
vier Lieder über die Liebe, der Rest erzählt von anderen
Verlauf der Geschichte deines emotionalen Lebens
Gefühlen: von der Einsamkeit, dem Verlangen, der Ver-
nachzeichnen …
gänglichkeit und dem Glück.
In der Tat, die Texte wurden nicht mit Daten
Musik war in deinem Leben von klein auf da. Du
versehen, auch wenn ich anfangs daran dachte, sie
warst noch ein Kind als dein Vater dir eine Gitarre
zu datieren. Es ist so, dass fast alle dieser Texte aus
schenkte. Es folgte die Musikschule – in der Klasse des
derselben Zeit stammen und vor einem Dutzend Jahren
Operngesangs, die Schauspielhochschule in Wrocław,
geschrieben wurden. In dieser Zeit habe ich sehr viel
das Theater “Kwadrat“ in Warszawa, später allerdings
geschrieben. Ich kam mit meinen Emotionen nicht
die Rückkehr zum Singen und schwierige Suche nach
zurecht und habe sie aufs Papier gebracht. Zwischen
dem eigenen musikalischen Weg. Einen Weg, auf dem
dem ältesten und den jüngsten Text liegen ca. sieben
am Anfang der Meister selbst – Maciej Zembaty stand...
Jahre, was angesichts meines Alter wenig ist. Mit dem
Ich denke, dass mein Leben sich im Kreis dreht. Es
Schreiben habe ich relativ spät angefangen. Ich wusste
ist wie mit dem Leben an verschiedenen Orten, ich war
nicht, wie ein Schreibprozess abläuft. Ich dachte daran,
viel unterwegs, überall auf der Welt, um schließlich nach
etwas Interessantes zu schaffen und suchte nach eine
Wrocław zurückzukommen. Ich habe einige Fähigkeiten,
Inspiration draußen. Damals wusste ich nicht, dass alles
in der Grundschule mochte ich Zeichnen, meine Por-
wonach ich suchte in mir selbst steckt und Folge meiner
traits waren ansehnlich. Die Musik ist häufig mit Schau-
Erlebnisse, Erfahrungen und Gedanken ist.
spielerei verbunden, daher auch die Theaterschule.
Du singst viel über Liebe, es sind fröhliche Lieder.
Noch während des Studiums fing ich an, in Filmen
Ist dieses Gefühl trotz Erfahrungen wichtig für dich,
von Jan Jakub Kolski zu spielen. Der erste Film war
“Pograbek“. Dort spielte ich eine Frau, die ihr eigenes
mal beinahe weinte, weil ich keine eigenen Lieder hatte,
Kind verkaufen will. Es war eine sehr schwierige Rolle,
obwohl alles in meinem Heft aufgeschrieben stand, war
die Kritik ist dennoch positiv ausgefallen. Ich erinnere
es ausgerechnet er, der mir geradeaus sagte: “Hier ist
mich zwar gerne an diese Zeit aber mir wurde relativ
Material für ein ganzes Album“. Er bekam die Lieder,
schnell klar, dass die Schauspielerei nicht annähernd
die vor einem Dutzend Jahren geschrieben wurden, zum
so viel Freude bringt wie die Musik. Außerdem hatte sie
Lesen.Er veränderte nichts in meinen Texten, manchmal
einen schlechten Einfluss auf meine Psyche und reizte
nur die Wortstellung. Ich habe Lieder markiert, die ihm
mich. Es gab keinen Grund, mich zu quälen, wenn ich
am besten gefallen haben und machte daraus ein Al-
das, was ich liebe, machen konnte. Außerdem glaube
bum. Es ist so gesehen fast seine Songauswahl.
ich, dass ich mit der Musik geboren wurde, angeblich
In deinem Schaffen versuchst du dir selbst treu zu
habe ich bereits als Kind meine Schlaflieder selbst
sein, deinem inneren ”Ich”. Du hast keine Abkürzung
gesungen.
genommen, bietest dem Publikum keine billige Unter-
Maciej Zembaty ist für dich eine große Autorität. Ich
haltung an und deine Konzerte richtest du an eine klei-
weiß, dass er der erste Kritiker deiner Gedichte war.
ne Gruppe der Empfänger, die deine Musik und deine
Wie ist es jetzt wenn er nicht mehr da ist, dastellst du
Gefühle verstehen wollen und können, und über sich
dir manchmal die Frage: ”Was würde Maciek zu deinem
selbst und die Umgebung nachdenken. Mit deinem Sin-
neuen Gedicht, neuem Lied oder Bühnenauftritt beur-
gen forderst du sie zur Reflexion auf...
teilen? Fehlt dir nicht so ein wohlwollender Seelenfüh-
Meine Musik kommt aus meinen inneren Erlebnissen.
rer – Freund, jemand der ehrlich beurteilt und Rat gibt?
Sie richtet sich an Menschen, die etwas erleben möchten
Jemanden, der dich lobt und dir das für jeden Künstler
und ihre Gefühle nicht stets verdrängen. In Wirklichkeit
so wichtiges Selbstvertrauen und das Gefühl, dass das,
haben wir alle ähnliche Erlebnisse mit dem Unterschied,
was du machst, wichtig und wertvoll ist, gibt?
dass manche sie beschreiben können, andere wieder-
Immer wenn ich einen Text schreibe überlege ich,
um nicht. Für mich ist es am wichtigsten, dass Menschen
was Maciek dazu wohl gesagt hätte. Er fehlt mir sehr als
beim Hören meiner Musik etwas erleben, dass es sie
mein Seelenführer. Früher bin ich häufig zu ihm gekom-
auf irgendeine Weise berührt. Ich mag es, Emotionen
men und ihn gebeten, mir die Texte der englischen Lie-
auszulösen.
der und ihren Sinn zu übersetzen. Was das angeht, war
Was glaubst du, auf welcher Etappe deines Lebens
er genial Ich habe aus seinen Übersetzungen sehr viel
befindest du dich jetzt? Sind die Worte des Liedes „Mein
gelernt. Er brachte mir immer sehr gute Bücher vorbei,
morgen” heute aktueller als damals, als du nach Paris
immer etwas Neues, er war ein Mensch, der nie stehen
gegangen bist? Hast du eine Vorahnung, dass eine neue
geblieben ist. Und es fehlt mir. Maciek hat mich sehr
Etappe anfängt, dass etwas Ungewöhnliches passiert?
gelobt, ich glaube sogar zu sehr. Ich kann mich nicht
Du bist doch ein ganz anderer Mensch als beispielswei-
daran erinnern, dass er etwas kritisiert hätte – weder
se vor zwei Jahren…
mein Singen noch meinen Bühnenauftritt. Als ich ein-
Ich glaube, dass ich in einem sehr guten Moment meines Lebens bin. Die Reife, die ich erreichte, gibt mir Kraft. Ich mache keinen Blödsinn mehr keine Angst vor mir selbst. Früher wusste ich nicht, was mir in den Sinn kommt. Ich führte ein verrücktes Leben – ein echtes Hippie-Leben. So etwas ist gefährlich – du unterhältst Andere, alle um dich herum haben Spaß, währenddessen hast du in Wirklichkeit weder einen Menschen noch einen Ort, zu dem zu zurückkehren könntest. Erst jetzt finde ich zu mir selbst zurück, zu mir wie ich wirklich bin. Ich bin weder Janis Joplin noch Leonard Cohen – ich bin Ela Debska.
Mein “morgen” wird immer mein unbe-
kanntes „morgen” sein, aber ich schaue heute mit mehr Mut in die Zukunft und warte neugierig, was sie bringt. Mit Ela Debska sprach Beata Sobocińska
110
Beyond Words Zwischen den Worten ... zwischen den Ländern Jakub Gierszał – zwischen Hamburg und Toruń
Filmen – den Maximilian in “Finsterworld“ von Frauke Finsterwalder und den Felix in der Produktion “Der Teufel mit den drei goldenen Haaren“ von Maria von
2017 spielte der außergewöhnlich talentierte jun-
Heland. Auf dem letzten Filmfestivals in Gdynia konn-
ge Schauspieler Jakub Gierszał Hauptrollen in drei
te man das Gesicht von Gierszał immer wieder in den
Filmen, die an Filmwettbewerb in Gdynia teilgenom-
neusten Kinoproduktionen, so z. B. in Pokot (Die Sput)
men haben – in Najlepszy (Der Beste) in Regie von
von Angieszka Holland auf der Leinwand sehen. Die-
Łukasz Pałkowski, Zgoda (Frieden) in Regie von Ma-
se Tatsache änderte nichts daran, dass er keine Aus-
ciej Sobieszczański und Pomiędzy słowami (Beyond
zeichnung erhielt, was höchstwahrscheinlich mit der
Words) in Regie von Urszula Antoniak. In dem Letztge-
Spezifik der polnischen Filmbranche zusammenhängt,
nannten wurde die Rolle eines jungen Rechtsanwalts
in der ein junger Schauspieler sich einige Jahre lang
polnischer Herkunft für ihn umgeschrieben. Es war
behaupten muss. Zwar spricht Jakub Gierszał ein ak-
kein Zufall, da Gierszał mit seinen Eltern fast von der
zentfreies Deutsch, dennoch fühlt er sich als ein Pole.
Geburt an in Hamburg lebte. Nach elf Jahren kam er
Er betont wiederholt, dass der Klang des Wortes “Patri-
mit seiner Mutter nach Toruń zurück, sein Vater Ma-
otismus“ bei ihm automatisch eine Assoziation mit der
rek Gierszał blieb in Deutschland, wo er bis heute als
“Politik“ hervorruft und ihn misstrauisch macht.
Film- und Theaterregisseur und Schauspieler arbeitet.
ihn steht der Mensch sowie Respekt für seine Herkunft
Zuletzt konnte man Marek Gierszał auf den Brettern
und Freiheit im Mittelpunkt. Er glaubt, dass der Begriff
des Theaters Komödie am Kurfürstendamm in dem
“Patriotismus“ auch die Sorge um die Zukunft und Zu-
Stück Jacobowsky und der Oberst sehen. Er sagt, dass
sammenarbeit beinhaltet. Wahrscheinlich aus diesem
er sich gleichzeitig als Pole und als Deutscher fühlt,
Grund ließ er sich gern auf die Zusammenarbeit mit
er liebt beide Völker und identifiziert sich mit ihnen.
Urszula Antoniak, die vor 25 Jahren nach Holland emig-
Allerdings schämt er sich auch für beide Völker, die
rierte und genauso wie er dank seinen Eltern erfahren
Emigration ermöglicht ihm eine gewisse Distanz bei
hat, was es bedeutet, in der Fremde zu leben, ein.
der Betrachtung sowohl der polnischen als auch der deutschen Heimat und trägt dadurch zu seiner künstlerischen Vielfältigkeit bei. Jakub Gierszał absolvierte
Für
Urszula Antoniak – zwischen Amsterdam und Warszawa
genauso wie sein Vater die Staatliche Theaterhochschule in Kraków. Er debütierte als Schauspieler 2009
112
Urszula
Antoniak
absolvierte
die
Krzysztof-
in der Rolle des Rebellen und Rockers Kazik im Film
Kieślowski-Fakultät für Radio und Fernsehen an der
Wszystko, co kocham (Alles, was ich liebe) in Regie von
Uniwersytet Sląski (Schlesische Universität in Katto-
Jacek Borcuch. W 2011 verkörperte er Dominik – ei-
witz) und die holländische Nederlandse Film en Televi-
nen Oberschüler, der im Film Sala samobójców (Saal
sie Academie (NFTA) in Amsterdam. Interessant ist die
der Selbstmörder) in eine tragische Abhängigkeit von
Tatsache, dass sie in den polnischen Medien als eine
der virtuellen Welt gerät. Für diese Rolle erhielt er
holländische Regisseurin und im Ausland als polnische
den Zbyszek Cybulski Preis für junge Schauspieler. Ein
Regisseurin fungiert. 2006 realisierte sie in Holland
Jahr darauf erhielt er während des 62. Internationalen
eine Komödie über das Emigrantenmilieu Holländisch
Filmfestivals in Berlin die als Fenster zur Welt für junge,
für Anfänger. Ihr Kunstfilm Nude Area erzählt auf eine
talentierte europäische Schauspieler geltende Aus-
sehr emotionale Art und Weise von den Problemen
zeichnung “Shooting Star European Film Promotion“.
der (kaum stattfindenden) Integration zwischen Hol-
2013 spielte er zwei Hauptrollen in deutschsprachigen
ländern und den dunkelhäutigen Migranten.
Ein weiterer Film in Regie von Antoniak – Nothing
Deutscher wahrgenommen und akzeptiert wird. In den
Personal gewann fünf Preise in dem Internationalen
lyrischen Filmsequenzen versucht er herauszufinden,
Filmfestival in Locarno. Antoniak fühlt sich nach lan-
ob er von den dunkelhäutigen Emigranten akzeptiert
gen Jahren der Emigration in Amsterdam zu Hause. In
wird. Michael befindet sich inmitten von Migranten
Interviews erklärt sie dem polnischen Publikum, dass
und findet gleichzeitig keinen Weg, um dieses Milieu
man in der Fremde einfach lebt und versucht, sich zu
zu verlassen – er ist in der Schwebe.
integrieren, um normal leben zu können. Der Prozess,
Beim Betrachten der schwarz-weißen Aufnahmen
den jeder Migrant durchläuft, bedeutet eine langjähri-
Berlins weiß man sofort, dass der mit dem Goldenen
ge Konfrontation mit der Umgebung. Polen ist für die
Löwen des Filmfestivals in Gdynia ausgezeichnete Ka-
ein besonderes Land, in dem alles fiktiv ist. Antoniak
meramann Lennert Hillege dieser Stadt und ihrer frü-
betont, dass ihre Filme von Sachen erzählen, die sie
heren Vision aus Der Sinfonie der Großstadt von Rutt-
kennt. Deswegen wollte sie Beyond Words realisie-
mann verfallen ist. Die letzte Szene liefert die Antwort
ren – ein Werk, in dem sie auf ihr polnisches Element
auf Michaels Suche nach dem Zugehörigkeitsgefühl.
zurückkam.
Ich glaube, dass die Mehrheit der Migranten ihren Platz
Beyond Words Zwischen den Worten – zwischen Berlin und irgendwo in Polen
in der Fremde auf dieselbe Art findet wie er. Der Film von Antoniak wird von den Zuschauern in Polen nicht ganz verstanden – diese Problematik ist ihnen fremd. Leider passiert es häufig, dass die polnischen Künstler aus dem Ausland das polnische Publikum nicht errei-
Der 28-jährige Michael arbeitet als Anwalt in Ber-
chen und Anerkennung ihrer polnischen Filmkollegen
lin und ist mit seinem Chef, dem 34-jährigen Franz
nicht genießen können, solange sie in der Welt nicht
befreundet. Der beauftragt Michael mit der auslän-
anerkannt werden. Währenddessen wurde der Film
derrechtlichen Angelegenheit eines dunkelhäutigen
von Antoniak bereits auf einem anderen Kontinent
Poeten aus Afrika. Ganz unerwartet bekommt Michael
ausgezeichnet, er erhielt das Goldene Känguru, den
einen Besuch seines Vaters aus Polen, zu dem er kaum
Preis des australischen Filmvertriebs. Beyond Words
Kontakt hatte. Michael verwandelt sich durch diese Be-
ist ein Autorenfilm, ein sehr persönlicher Film von
gegnung in einen Polen – er wird zu Michał und fängt
Urszula Antoniak als Regisseurin und Drehbuchauto-
an, Polnisch zu sprechen. Während des gemeinsamen
rin. Während der Presskonferenz des Filmfestivals in
Wochenendes versucht er, seinem Vater näher zu kom-
Gdynia betonte Antoniak, dass der Film keinesfalls po-
men sowie die eigene Identität und eine Antwort auf
litisch ist. Die Hauptfiguren des Films – Sohn und Vater
die Frage, wer er ist, zu finden. Das Resultat dieser Su-
– Jakub Gierszał und Andrzej Chyra werden von der
che ist ein verstärkt empfundenes Gefühl der Entfrem-
originellen und charakteristischen Persönlichkeit von
dung. Beyond Words spielt sich auf mehreren Ebenen
Justyna Wasilewska und dem deutschen Schauspieler
ab, die Hauptfigur wird mit dem Land seiner Herkunft
Christian Löber begleitet
– Polen konfrontiert. Darüber hinaus versucht Michael herauszufinden, in wie weit er in Deutschland als ein
Der Opus Film, eine Firma, die u. a. durch die Produktion von
“Ida“ von Paweł Pawlikowski bekannt
wurde, hat den Film produziert. Als jemand, der aus Warschau vor 30 Jahren nach Berlin kam, empfehle ich allen deutschen, insbesondere berliner Zuschauern den Film Beyond Words – ohne Rücksicht darauf, wie man sich selbst bezeichnet. Den deutschsprachingen Zuschauern empfehle ich den Film wegen seines berliner Charakters. Durch Beyond Words wird sichtbar, wie tief wir, Migranten, die in Deutschland leben, uns mit den Städten unseres Aufenthalts verbunden fühlen. Agata Lewandowski
114
Spiel ohne Grenzen
F
este im Freien gehören zum festen Bestandteil des Zeitplans der Events der Polonia in Berlin. Während
dieser Veranstaltungen finden zahlreiche Spiele und Wettbewerbe für Kinder und Erwachsene und Auftritte der Musikbands statt. Es fehlt auch nicht an Gelegenheit zu Gesprächen beim guten Essen und Trinken. Am sonnigen Sontag, 17. September 2017 fand auf den reizvollen Wiesen und Feldern von Lübars in Berlin-Reinickendorf ein Herbstfest der Polonia statt. Die Veranstaltung wurde durch den Polnischen Rat, Landesverband Berlin und die Botschaft der Republik Polen organisiert. Das bereits seit einigen Jahren durchgeführte Herbstfest lädt Menschen aus verschiedenen Altersgruppen, insbesondere aus mehreren Generationen bestehende Familien zu gemeinsamen Aktivitäten ein. Auf vorbereiteten Ständen präsentierten sich zahlreiche polnische Vereine, die während der Veranstaltung Workshops, Spiele und Bastelangebote für die Jüngsten anboten. Die Bands der Polonia “New System“ und “Stan Zawieszenia“ begleiteten das Fest musikalisch.
Mitglied des Bundestages Frank Steffel (CDU), Konsulin der Polnischen Botschaft in Berlin, Magdalena
Die jüngsten Teilnehmer der Veranstaltung hatten
Zacharska-Pietras, Burkard Dregger, Mitglied des
in diesem Jahr Gelegenheit, Fußball, Tischtennis und
Abgeordnetenhauses Berlin sowie die Bezirksstadträ-
Badminton zu spielen oder selbst gebastelte Drachen
tin und stellvertretende Bürgermeisterin von Berlin-
steigen zu lassen. “Akademia Cyrkowa“ (Zirkusaka-
Reinickendorf Katrin Schultze-Berndt, besuchten die
demie) bot Kindern spielerische Übungen aus dem
Veranstaltung. In den Reden der deutschen Politiker
Bereich Zirkus an, zahlreiche Bastelstände waren
wurde stets die Anerkennung für die Aktivitäten der
ununterbrochen belagert. Eine besonders lebhaft auf-
Polonia und ihre Integration in multikulturellem Berlin
gesuchte Attraktion war ein aufblasbares Luftschloss.
zum Ausdruck gebracht.
Die Anfahrt zum Fest mit einem Traktor erfreute sich großer Beliebtheit bei den Gästen.
Das positive Bild der Polonia und unsere immer stärker sichtbare Integration in Berlin ist vor allem
Das Fest hatte viele Freizeitangebote, die von
der Verdienst jedes einzelnen Polen, der in dieser
den Vereinen der Polonia (Polnischer Schulverein
Stadt vorübergehend bzw. ständig wohnt. Unsere
“Oświata”, Sportklub Polonia Berlin, Polnischer Tou-
persönlichen Bemühungen werden durch die aktiven
ristischer Verein, Abt. Gorzów Wielkopolski u. a.) vor-
Mitglieder der Organisationen der Polonia unterstützt.
bereitet und angeboten wurden, das Programm war
Eine besondere Rolle spielt dabei der charismatische
sowohl in kultureller als auch in sportlicher Hinsicht
Veranstalter des Herbstfests, Ferdynand Domaradzki.
sehr ansprechend. Die Teilnehmer und Gewinner von
Auch weitere Veranstaltungen des Polnischen Rates
jeweiligen Wettbewerben und Spielen erhielten aus
– Neujahrskonzert, Frauentag, Tag der Polonia u. a.
den Händen der Vertreter des Bezirks Pokale, Diplome
beweisen die Integration der Polonia in Berlin.
und Sachpreise.
116
Auch deutsche und polnische Politiker, darunter
Unseren Dank für die gute Organisation und inte-
Das Projekt “Spielen ohne Grenzen“ wurde aus den
ressantes Programm richten wir an viele Personen,
Mitteln des Polnischen Außenministeriums und den
Institutionen, Firmen und Sponsoren. Kornelia und
Mitteln der Bundesbeauftragten für Kultur und Medi-
Ferdynand Domaradzki stellen seit Jahren ihre Felder
en realisiert.
und Reiterhalle für Veranstaltungen der Polonia zur Verfügung.
118
Text und Foto: Krystyna Koziewicz
“Licht der Hoffnung“ aus Berlin
W
eihnachten sind das Fest der Liebe und der
oder im Park zu finden sind, erfahren. Sie wurden auch
Hoffnung. Es gibt wohl niemanden, der noch
mit Backen und Schmücken von Lebkuchen und lecke-
ungeduldiger auf dieses Fest wartet als die Kinder.
rem polnischen Weihnachtsgebäck vertraut gemacht.
Am dritten Adventwochenende haben Kinder aus
Frau Sylwia Gromodzka-Staśko und Herr Jacek Ci-
der deutsch-polnischen Katharina-Heinroth-Europa-
pora führten Kinder in die Geheimnisse der Holzver-
schule in Berlin “Ein Licht der Hoffnung und Liebe“
arbeitung ein. Sylwia Gromodzka-Staśko malt Bilder
für Menschen, die in dieser Zeit auf unsere Unter-
und Werke der Volkskunst in Droszkowo bei Zielona
stützung, Mitleid und Anteilnahme angewiesen sind,
Gora, Jacek Cipora widmet sich in seiner Werkstatt
angezündet.
“Pod hebelkiem“ der Fertigung von Gebrauchskunst.
Die Kinder haben beschlossen, dieses Licht in ein
Sie kamen nach Berlin, um den Kindern zu zeigen,
Kinderheim in Swiebodzin (Schwiebus), in Polen, zu
wieviel Geduld beim Basteln und Bemalen eines Vo-
bringen und auf diese Art die seit Jahren durch den
gels bzw. eines Adventkerzenständers nötig ist. Frau
Polnischen Rat, Landesverband Berlin, durchgeführte
Joanna Łebek aus Przytoka zeigte, wie man aus Stroh,
Weihnachtshilfsaktion zu unterstützen. Eifrig bereite-
Heu oder Zapfen Kunstwerke bastelt und dabei die
ten die Kinder Weihnachtschmuck vor, um es später
Schönheit der Natur beobachtet. Frau Elżbieta Cipora
an Erwachsene zu verkaufen und Spenden für die
erzählte über die Kunst des Backens von Lebkuchen
Weihnachtshiltfsaktion zu sammeln. Der Vorstand des
und polnischen Weihnachtskuchen, sie erklärte auch
Polnischen Rates, Landesverband Berlin, half bei der
die Geheimnisse des Zuckergusses. Alles schmeckte
Durchführung des Workshops “Entdecke die Schönheit
wunderbar! Die im Rahmen des Workshops entstan-
der polnischen Bräuche und Volkstraditionen“ in der
denen Werke brachten den Teilnehmern viel Freude.
Deutsch-Polnischen-Europaschule. An dem von der
Das Projekt wurde von der Botschaft der Republik
stellvertretenden Vorsitzenden des Rates Małgorzata
Polen finanziell unterstützt, die Workshopvorberei-
Tuszyńska vorbereiteten Projekt nahmen Schüler der
tung und – Durchführung konnte dank dem Einsatz
Klassen 4-6 teil. Unter sachkundiger Anleitung der aus
der Lehrer und der Erzieher der Europa-Schule reali-
der Nähe von Zielona Góra angereisten Volkskünst-
siert werden. Wir danken für das Engagement!
ler bereiteten Kinder verschiedene weihnachtliche
Die im Workshop entstandenen Werke waren ein
Schmuckstücke vor. Die Bastelarbeiten begleitete eine
Beitrag zu der Weihnachtshilfsaktion des Polnischen
Erzählung über die Geschichte der Entstehung von ein-
Rates, sie wurden zu dem Weihnachtstreffen der Or-
zelnen Stücken, Vögeln, Flechtwerken, Scherenschnit-
ganisation gebracht. Während dieser Veranstaltung
ten und Weihnachtskugeln. Bei dieser Gelegenheit
haben die Schülerinnen der Europa-Schule – Ania und
konnten die Kinder Näheres über polnische Volksbräu-
Marta “das Licht der Hoffnung“ in die Hände des Ge-
che, Holzarbeiten und Materialien, die auf einem Feld
neralkonsuls der Republik Polen Marcin Jakubowski und des Vorsitzenden des Polnischen Rates Ferdynand Domaradzki übergeben. Die Gäste des Weihnachtstreffens wurden zum Spenden für die Weihnachtsaktion aufgefordert: “Wir möchten, dass Sie unsere Werke mit nach Hause nehmen. Wir hoffen, dass sie Ihnen gefallen und dass Sie unsere Sammelbüchse großzügig unterstützen“. Die berliner Polonia leitete das “Licht der Hoffnung“ weiter. Am Donnerstag vor Weihnachten fuhr ein Auto mit Spenden nach Swiebodzin und brachte “das Licht der Hoffnung“ nach Polen. Malgorzata Tuszyńska
120
Das IV Europäische Forum der Medien der Polonia Warszawa – Pułtusk 2017
S
Warszawa
eng verbunden mit den Prioritäten der Politik der pol-
Die Gemeinschaften der Emigranten versammeln
nischen Regierung in Bezug auf die Polonia, da sie die
sich um die Medien der Polonia, daher üben die Ver-
polnische Sprache fördern, der Integration der Polonia
mittler von Informationen einen großen Einfluss auf
dienen und eine Brücke zu dem Heimatland schlagen.
die Integration der außerhalb der Landesgrenzen
owohl im Osten als auch im Westen spielen die Medien der Polonia eine wichtige Rolle. Sie sind
Vom 26.10.2017 bis 29.10.2017 fand das IV Europäi-
lebenden polnischen Gemeinschaft aus. Dank ehren-
sche Forum der Medien der Polonia Warszawa – Pułtusk
amtlicher Tätigkeit von Polonia Journalisten wird die
statt. Die Veranstaltung wurde von dem Verband der
sprachliche, geistige und kulturelle Bindung an das Va-
Polonia Organisationen in Schweden und der Vereini-
terland aufrechterhalten sowie die polnische Tradition
gung “Wspólnota Polska“ veranstalter und stand unter
und nationale Identität gepflegt und gestärkt.
der Schirmherrschaft des Marschalls des Polnischen
Die Eröffnung des IV Forum fand im Senat der Re-
Senats Stanisław Karczewski. Der warschauer Teil des
publik Polen statt. Unter den Gästen waren u. a. der
Forums bestand aus der Eröffnung der Ausstellung
Marschall des Senats der Republik Polen Stanisław Kar-
“Die Presse der Polonia auf der Welt“ mit Teilnahme
czewski sowie die stellvertretende Marschallin des Se-
der Senatorin Janina Sagatowska im Haus der Polonia.
nats Maria Koc, die die Eröffnung einläutete, Senatorin
Im Senat der Republik Polen kam es zu einem Tref-
Janina Sagatowska, Vorsitzende der Kommission für
fen zwischen den Journalisten der Polonia und den
Emigration und Verbindung mit Polen im Ausland so-
Regierungsvertreten. Bei diesen Gesprächen gehörte
wie der stellvertretende Außenminister Jan Dziedzicz-
die Präsentation der Vorhaben anlässlich des 100. jäh-
ak. Zu der Eröffnung des Forums kamen auch die Sena-
rigen Jahrestages der Wiedererlangung der polnischen
toren – Anna Maria Anders, Barbara Borys-Damięcka,
Unabhängigkeit zu den Hauptthemen. In weiteren Ver-
Małgorzata Kopiczko, Stanisław Gogacz, Maciej Łuczak,
anstaltungen im Rahmen des Forums, die in Pułtusk
Artur Warzocha und Jan Żaryn, Grzegorz Seroczyński ,
stattgefunden haben, gab es Schulungen und Work-
Leiter des Polonia-Büros in der Kanzlei des Senats, Ma-
shops unter der Leitung von Medienexperten aus der
teusz Stasiek, Leiter der Abteilung für Zusammenarbeit
Presse, dem Internet, Radio und Fernsehen.
mit Polonia und Polen im Ausland im Außenministerium.
Uczestnicy Forum Foto: Katarzyna Cterwinska Senat RP
122
Die Veranstalter vertrat Teresa Sygnarek – Vorsit-
gut, dass der Verband der Organisationen der Polonia
zende des Verbandes der Polonia-Organisationen
in Schweden gemeinsam mit der Vereinigung Wspól-
in Schweden, Dariusz Bonisławski, Vorsitzender der
nota Polska den Erwartungen der Vertreter der Me-
Vereinigung “Wspólnota Polska” sowie Tadeusz Adam
dien der Polonia entgegenkamen und professionelle,
Pilat –Präsident der Europäischen Union polnischer
journalistische Workshops für die Redakteure in sol-
Gemeinschaften.
chen Bereichen wie: Grundlagen der journalistischen
Während der Rede im Senat wurde betont, dass
Ethik, Organisation der Arbeit des Redaktionsteams,
die Vorstellung der aktuellen Politik des polnisches
Satz und Seitenumbruch und Word Press – ein System
Staates zu den wichtigsten Aufgaben der Medien der
der Verwaltung von Inhalten angeboten haben.
Polonia im Land der Emigration gehört. Ferner wurde
Der dreitägige Schulungszyklus hatte folgende
davon gesprochen, wie wichtig die Mission der Medien
Schwerpunkte: die Arbeit eines Redaktionsteams, Ent-
der Polonia bei der Pflege und Aufrechterhaltung der
wurf von Zeitungsseiten, Redigieren von Texten und
nationalen Identität sowie Verbreitung der polnischen
Verbesserung von Fertigkeiten im Bereich Redaktion
Kultur, Sprache und Tradition ist.
und Herausgabe. Als Ergebnis sind drei Werke zum
An der Konferenz nahmen 50 Vertreter der Medien
Thema Forum herausgegeben worden: EuroPułtusk,
der Polonia (Presse, Porteilseiten, Blogs, Fernsehen
Gazeta For(u)Malna, Express Forum. Unsere deutsche
und Radio) aus 21 europäischen Staaten teil. Die deut-
Gruppe arbeitete unter der Leitung von Marianna Klon
schen Medien wurden durch Marianna Klon, Izabella
(Chefredakteurin) bei der Herausgabe der Zeitschrift
Klon-Dziagwa, Krystyna Koziewicz und Alexander Zając
“EuroPułtusk“.
vertreten.
Pułtusk
Die Veranstaltung endete mit der Annahme eines Abschlussdokuments durch die Teilnehmer des IV Europäischen Forums der Medien der Polonia. In dem Dokument wurden die wichtigsten Schlussfolgerungen
In der modernen Kommunikation erfüllen die zeit-
und Anträge der Konferenz formuliert. Man bedankte
gemäßen Medien eine äußerst wichtige Aufgabe. Die-
sich bei den Veranstaltern und äußerte den Willen,
se Aufgabe erfordert eine ständige Weiterentwicklung
derartige Treffen in der Zukunft fortzusetzen.
von journalistischen Fähigkeiten. Deswegen ist es auch Krystyna Koziewicz
124
“Die fortwährende Welt” – ein Spektakel aus dem Anlass des 95. Jubiläums des Bundes der Polen in Deutschland 3.12.2017, Sankt-Johannes-Basilika in Berlin
A
m ersten Adventsonntag fand in der Polnischen
im Ausland lebenden Menschen. Ferner gratulierte er
Katholischen Mission in der Lilienthalstraße 5 in
den Mitgliedern des Bundes der Polen in Deutschland
Berlin eine feierliche Messe aus dem Anlass des 95.
zu ihrem Jubiläum und forderte die Messeteilnehmer
Jahrestages der Entstehung des Bundes der Polen in
zum Nachdenken über ihr Verständnis des Polentums
Deutschland. Außer der zahlreich erschienenen Ver-
fern der Heimat auf. Er lud alle Gläubigen zu der vor
treter der Polonia in Berlin nahmen an der Messe
dem Kirchengebäude errichteten Sonderausstellung
der polnische Botschafter in Berlin Professor Andrzej
über die langjährige Geschichte des Bundes der Polen
Przyłębski mit Ehefrau und die derzeitigen Vorstands-
in Deutschland ein.
mitglieder des Bundes – der Vorsitzende Józef Mali-
Die Polnische Katholische Seelsorge in Berlin ist seit
nowski und die stellvertretende Vorsitzende – Anna
35 Jahren tätig. Gegründet hat sie der Salesianerorden,
Wawrzyszko teil. In seiner Predigt richtete der Pfarrer
der sich in seiner Arbeit insbesondere der Jugendseel-
der Polnischen Gemeinde in der Sankt-Johannes-Basi-
sorge und der Missionsarbeit widmet.
lika Marek Kędzierski ein besonderes Gebet an alle
126
mit den Pyramiden“ tragen. Im März 2011 nahm die Gruppe im Konzertstudio des Radio Gdańsk ihre erste Platte auf. Piramidy bestehen aus Piotr Augustynowicz – Gitarren, Dawid Lipka – Trompete, Tomasz Imienowski – Kontrabass und Tomasz Paszko – Schlagzeug. Der Bandleader und gleichzeitig Pianist, Arrangeur und Liederautor ist Piotr Kajetan Matczuk. Er absolvierte das Musikstudium in der Klavierklasse von Elżbieta Lickiewicz sowie die Polnische Philologie an der Danziger Universität. Er promovierte an dem Institut für Polnische Literatur der Warschauer Universität. Matczuk verbindet seine musikalischen Interessen mit der wissenschaftlichen Arbeit im Bereich Literatur und schafft dabei eine neue Art von Musik der jungen Generation, die zu Gedichten der großen polnischen Dichter entsteht. “Die fortwährende Welt“ ist ein als Freilichtspektakel aus dem Anlass des 95. Jahrestages der Entstehung des Bundes der Polen in Deutschland konzipiertes Werk. Der Ideengeber und Autor der Musik zu der Lyrik von Mickiewicz und Słowacki ist Piotr Kajetan Matczuk. Am Dezembersonntag erklangen in der Polnischen Katholischen Mission in Berlin zum ersten Mal die Worte der beiden großen polnischen Emigranten. Die Werke präsentierte Ela Lewak – eine junge polnischen Schauspielerin aus Lemberg, Schülerin des Meisters Zbigniew Chrzanowski, der seit über 60 Jahren das Polnische Theater in Lemberg leitet. Das Publikum konnte sich gedanklich in ein Land “nach dem ich mich sehne, Herr“ versetzen und “in die Unendlichkeit des trockenen Ozeans“ der akermanischen Steppe (*Anm. des Die Sankt-Johannes-Basilika wurde 1894 erbaut,
Übersetzers: eine Steppenlandschaft in der Nähe von
bei ihrer feierlichen Eröffnung im selben Jahr waren
Odessa) eintauchen. Matczuk betont, dass das, was
Kaiser Wilhelm II und Kaiserin Augusta anwesend.
wir in der Sankt-Johannes-Basilika hörten, lediglich ein
Die Basilika gehört zu den größten und schönsten ka-
Anfang eines groß angelegten Spektakels war. Zahlrei-
tholischen Kirchen in Berlin und wurde im Krieg nicht
che Berliner hörten diesem einmaligen Konzert zu und
zerstört. In dieser ungewöhnlich schönen Kulisse trat
äußerten in späteren Gesprächen mit den Mitgliedern
nach der Messe die Gruppe Piramidy mit einem Kon-
der Gruppe Piramidy ihre Bewunderung für dieses in-
zert anlässlich des 95. Jahrestages des Bundes der
teressante musikalisch-poetische Projekt. Wir warten
Polen in Deutschland auf. Die Anfänge von Piramidy
auf die Fortsetzung.
gehen auf das Jahr 2009 zurück. Der aus der Dreistatt (Danzig-Zoppot-Gdingen) stammende Musiker Piotr Kajetan Matczuk war der Gründer der Gruppe. Von ihm stammte die Idee eines Musikprojekts zu den Werken der besten polnischen Dichter: Adam Mickiewicz, Juliusz Słowacki und Cyprian Kamil Norwid. Die Arbeitsversion dieses Programms sollte in Anlehnung an ein Gedicht von Słowacki den Namen “Ein Gespräch
128
Agata Lewandowski
Ausstellung “Herr, ich bin fröhlich“
BOŻE über das Leben desRADOSNYM seliggesprochenen Bł o g os ł aw i o ny S te fan W i nce nty Fre l i c hows k i Pfarrers Stefan Wincenty Frelichowski do kapłaństwa Katholischen Mission Der Weg zum Priestertum in Droga der Polnischen in Berlin
Kiedy Wicek zdecydował się na wstąpienie do seminarium, zrobił to ze szczerej miłości do Boga. Pragnął kochać całym swoim młodzieńczym sercem. Chciał służyć swoim życiem, być pośrednikiem miłości i prawdy, Bóg objawił Swoim Synu wobec ludzi.um Przeżywał powołanie mktórą Sontag, 19.wNovember, fand 12.00 Uhr in jako dar, ale równocześnie miał świadomość, że odpowiedź na ten dar der Berliner (dem Sitz der będzie niosła ze sobąSt.-Johannes-Basilika konieczność wyrzeczenia i ofiary. W tamtych czasach, jeszcze przed reformą, której dokonano na SoPolnischen Katholischen Mission in Berlin) eine feierborze Watykańskim II, kandydat do kapłaństwa stawał się uczestnikiem stanu duchownego w chwili otrzymania tzw. tonsury, czyli wyliche Messe für den Bund der Polen in Deutschland golonego miejsca z tyłu głowy. Wicek otrzymał ją 11 kwietnia 1932. Kolejne posługi otrzymywane podczas formacji znaczyłyhaben. jego drogę statt, an der geladene Gäste teilgenommen Die do kapłaństwa. Im bliżej ono było tym większe było w jego sercu praMesse zelebrierte Pfarrer Dr.doAdam unter Asgnienie całkowitej przynależności Mistrza Prorok i mistycznego z Nim zjednoczenia.
A
sistenz von Pfarrer Stanisław Świerczyński und Pfarrer Coraz prawdziwsze stawały się w jego życiu słowa, które powierzył
Marek Kędzierski. kartom swego pamiętnika: „Być kapłanem, tym homo Dei, to znaczy zupełnie przejąć ideę Jezusa. Trzeba Jego ideę uznać za swoją. To mój cel. Wtedy dopiero jestem kapłanem!”
Pamiętnik, 3 październik 1932
Seine Entscheidung, ins Priesterseminar einzutreten, traf Wicek aus aufrichtiger Liebe zu Gott. Er wollte mit seinem ganzen jungendlichen Herzen lieben. Er wollte mit seinem Leben dienen, Vermittler der Liebe und der Wahrheit die Gotteröff den Menschen Seinen Stanisław Sohn Nach der sein, Messe nete durch Pfarrer offenbarte. Er erfuhr seine Berufung als eine Gabe, gleichzeitig war er Świerczyński Ausstellung des selig sich dessen bewusst,eine dass die Beantwortungüber dieser das GabeLeben Aufopferung und Verzicht mitbringen wird.
gesprochenen Pfarrers Stefan Wincenty Frelichowski,
Damals, noch vor der Reform, die sich mit dem Zweiten Vatikanischen des Schutzpatrons der Polnischen Pfadfi nder, der Konzil vollzog, wurden die Kandidaten für Priester in den Priesterstand mit dem Erhalt der sog. Tonsur aufgenommen, also einer geschore23. Februar 1945 im Konzentrationslager Dachau nen Stelle auf dem Scheitel. Wicek erhielt die Tonsur am 11. April 1932. Die weiteren Dienste, die er während der Ausbildung erhielt, prägten storben ist. seinen Weg zum Priestertum. Je näher es war, desto größer war auch der Wunsch in seinem Herzen, dem Meister völlig anzugehören und mit Ihm eine mystische Vereinigung zu erleben. Immer wahrer wurden in seinem Leben die Worte, die er seinem Tagebuch anvertraute: „Priester Homo Dei zu sein, bedeutet, die Idee Jesus voll zu übernehmen. Man muss Seine Idee für seine eigene annehmen. Das ist mein Ziel. Erst dann bin ich Priester!” Tagebuch, 3. Oktober 1932
Świadectwo święceń kapłańskich
Kleriker-Ausweis
130
Wicek im Seminar
Legitymacja klerycka
Wicek w seminarium
Bescheinigung der Ordination
am ge-
RADOSNYM RADOSNYM BOŻE BOŻE Bł o g o s ł aw i o ny S te fa n W i n ce n ty Fre l i c h ows k i Bł o g o s ł aw i o ny S te fa n W i n ce n ty Fre l i c h ows k i
Dachau - Ojciec duchowny Dachau Ojciec duchowny Pomimo, że był-bardzo młodym kapłanem, wśród innych więźniów
Dachau - Seelsorger Dachau - Seelsorger Obwohl er ein junger Priester war, erfreute Wicek sich großer Ach-
ną kleryków i kapłanów: Ta grupę grupa, zrzeszającą była stowarzyszeniem w którym „Porozumienie”. urządzano lekcje, pogadanki, modlitwy dla tych, którzy pragnęli nawet w warunkach Ta grupa, była stowarzyszeniem w którym urządzano lekcje,obozopogawych odpowiedzieć na powołanie. Było to niejako obozowe danki, modlitwy dla tych, którzy pragnęli nawet w warunkachseminaobozorium, kontynuowano formacjęByło do kapłaństwa i podtrzymywano wych gdzie odpowiedzieć na powołanie. to niejako obozowe seminaducha bycia uczniem Chrystusa. rium, gdzie kontynuowano formację do kapłaństwa i podtrzymywano
ganisierte eine wurden geheimeStunden, Gruppe Gespräche, für Kleriker Gebete und Priester: “Einigung”. In der Gruppe für alle diese organisiert, die auch im Lager ihrer Berufung ja sagen wollten. war orein In der Gruppe wurden Stunden, Gespräche, Gebete für alleEs diese quasi Lagerseminar, in dem die Bildung zum Priester fortgesetzt und ganisiert, die auch im Lager ihrer Berufung ja sagen wollten. Es war ein der Christi Jüngling zudie sein, beibehalten wurde. fortgesetzt und quasiGeist, Lagerseminar, in dem Bildung zum Priester
Wicek cieszył siębardzo ogromnym szacunkiem i uznaniem. Pomimo, że był młodym kapłanem, wśród innych więźniów Wicek cieszył się ogromnym szacunkiem i uznaniem. Był kapłanem. Żyjąc obok młodych kleryków potrzebą jego serca było dzielenie się tym co otrzymał w seminarium. Zorganizował tajBył kapłanem. Żyjąc obok młodych kleryków potrzebą jego serca ną grupę zrzeszającą kleryków i kapłanów: „Porozumienie”. było dzielenie się tym co otrzymał w seminarium. Zorganizował taj-
ducha uczniem Chrystusa. Klerycybycia chętnie poddawali się jego kierownictwu duchowemu. Widzieli w nim ojca ale i bratasię i przyjaciela, który dzielił się z nimi WienKlerycy chętnie poddawali jego kierownictwu duchowemu. tuzjazmem swego kapłaństwa. Patrzyli na jego życie i był dla nich dzieli w nim ojca ale i brata i przyjaciela, który dzielił się z nimi eninspiracją zachowania czystości serca, z własnego tuzjazmemdoswego kapłaństwa. Patrzyli na do jegoczynienia życie i był dla nich życia darudo dlazachowania innych i radowania bardziej tym co mogli dać niż inspiracją czystościsięserca, do czynienia z własnego tym co mogli otrzymać. Członkowie stowarzyszenia zobowiązywali życia daru dla innych i radowania się bardziej tym co mogli dać niż się ducha powołania i dążenia do doskonałości duchotympielęgnować co mogli otrzymać. Członkowie stowarzyszenia zobowiązywali wej. Wicek pośród mroków zwątpienia wszechobecnego w warunsię pielęgnować ducha powołania i dążenia do doskonałości duchokach obozowych, w nichwszechobecnego płomień nadziei. w Mieli być wej. Wicek pośródpodtrzymywał mroków zwątpienia warunkapłanami w nowej rzeczywistości, w Kościele, który, jak wierzył niekach obozowych, podtrzymywał w nich płomień nadziei. Mieli być ugięcie miał spełnienia misję w świecie po wojnie. kapłanami w do nowej rzeczywistości, w Kościele, który, jak wierzył nieugięcie do spełnienia misję w obozowymi, świecie po wojnie. Chociażmiał byli zamknięci za drutami pomagał swoim młodym współbraciom myśleć o wolności i doświadczać duchowo. Chociaż byli zamknięci za drutami obozowymi, pomagałjejswoim młoTo w tej nowej rzeczywistości mieli być posłańcami ewangelii miłodym współbraciom myśleć o wolności i doświadczać jej duchowo. ści Zainicjował wśródmieli kleryków modlitwę żywego różańca, To i nadziei. w tej nowej rzeczywistości być posłańcami ewangelii miłoa sam będąc głęboko związany z duchowością Najświętszego Serca ści i nadziei. Zainicjował wśród kleryków modlitwę żywego różańca, Pana do zkonsekracji osobistej. a samJezusa, będączachęcał głęboko innych związany duchowością Najświętszego Serca Pana Jezusa, zachęcał innych do konsekracji osobistej.
tung underAnerkennung bei denwar, anderen Gefangenen. Obwohl ein junger Priester erfreute Wicek sich großer Achtung Anerkennung beineben den anderen Gefangenen. Er warund Seelsorger. Er lebte jungen Klerikern und sein Herz wollte das alles, was er im Seminar erhalten hatte, mit ihnen teilen. orEr war Seelsorger. Er lebte neben jungen Klerikern und sein HerzEr wollganisierte eine geheime Gruppe für Kleriker und Priester: “Einigung”. te das alles, was er im Seminar erhalten hatte, mit ihnen teilen. Er or-
der Christi Jüngling zu gern sein, beibehalten wurde. Führung einDie Geist, Kleriker erklärten sich mit seiner geistigen verstanden. Er war für sie nicht nur Vater, sondern auchFührung Bruder einund Die Kleriker erklärten sich gern mit seiner geistigen Freund, der Er mitwar ihnen Begeisterung fürsondern ihr Priestertum teilte.und Sie verstanden. für die sie nicht nur Vater, auch Bruder beobachteten sein Leben und er war für sie eine Inspiration, sein Herz Freund, der mit ihnen die Begeisterung für ihr Priestertum teilte. Sie rein zu halten, sein aus dem Gabe für die anderen zu beobachteten Lebeneigenen und er Leben war füreine sie eine Inspiration, sein Herz machen und sich zu freuen, waseine sie geben unddie nicht bekomrein zu halten, ausdarüber dem eigenen Leben Gabe für anderen zu men konnten. Diedarüber Gruppenmitglieder den Geist machen und sich zu freuen, wasverpflichteten sie geben undsich, nicht bekomder des Strebens nach verpflichteten geistiger Vollkommenheit zu menBerufung konnten. und Die Gruppenmitglieder sich, den Geist pflegen. In der Dämmerung des im Lager allgegenwärtigen Zweifels der Berufung und des Strebens nach geistiger Vollkommenheit zu erhielt Flamme derdes Hoffnung in ihnen. Sie sollten Priester in pflegen.Wicek In derdie Dämmerung im Lager allgegenwärtigen Zweifels der neuen Wirklichkeit sein, in der Kirche, die, wie er selbst glaubte, in erhielt Wicek die Flamme der Hoffnung in ihnen. Sie sollten Priester in der Welt nach dem Krieg eine Mission zu die, erfüllen hatte. der neuen Wirklichkeit sein, in der Kirche, wie er selbst glaubte, in
der Weltsie nach demdem KriegStacheldraht eine Missioneingesperrt zu erfüllen hatte. Obwohl hinter waren, half er seinen jungen Mitbrüdern, an Freiheit zu denken und diese geistlich zu Obwohl sie hinter dem Stacheldraht eingesperrt waren, half er seierfahren. In dieser neuen Wirklichkeit sollten sie Boten des Evangelinen jungen Mitbrüdern, an Freiheit zu denken und diese geistlich zu ums der Liebe und Hoffnung sein. Untersollten den Klerikern er das erfahren. In dieser neuen Wirklichkeit sie Boteninitiierte des EvangeliRosenkranzgebet, und selbst war er tief mit der Spiritualität des Alums der Liebe und Hoffnung sein. Unter den Klerikern initiierte er das lerheiligsten Herzens verbunden undmit ermutigte die anderen Rosenkranzgebet, undJesu selbst war er tief der Spiritualität des zur Alpersönlichen Konsekration. lerheiligsten Herzens Jesu verbunden und ermutigte die anderen zur persönlichen Konsekration.
Kaplica w muzeum obozu Dachau Kaplica w muzeum Kapelle in der obozu Dachau KZ-Gedenkstätte Kapelle Dachau in der KZ-Gedenkstätte Dachau
Relikwiarz Reliquiar Relikwiarz Reliquiar
RADOSNYM BOŻE RADOSNYM BOŻE Bł o g o s ł aw i o ny S te fa n W i n ce n ty Fre l i c h ows k i Bł o g o s ł aw i o ny S te fa n W i n ce n ty Fre l i c h ows k i
Dachau - Caritas bloku n. 28 Dachau - Caritas n. 28 Zmysł społecznikowski Stefana bloku podpowiedział mu, że tak jak w cza-
Dachau - Caritas im Block Nr. 28 Dachauvon- Stefan Caritas im Nr. 28 Der Gemeinschaftssinn sagte ihm vor, Block dass er auch im Lager,
pomocy”, takdobrym mógł tomomentem robić i w obozie! Szczególnie dla zrealizowania takich idei był okres między rokiem 1943 i 1944. Sytuacja nieco się poprawiła. NiemSzczególnie dobrym momentem dla zrealizowania takich idei był cy pozwolili, aby rodziny internowanych przysyłały do obozu paczki okres między rokiem 1943 i 1944. Sytuacja nieco się poprawiła. Niemżywnościowe. Wicek skorzystał z tej okazji, aby poprosić o przesłacy pozwolili, aby rodziny internowanych przysyłały do obozu paczki nie hostii i wina. Bożym zrządzeniem przesyłka dotarła. Mógł więc żywnościowe. Wicek skorzystał z tej okazji, aby poprosić o przesłaczęściej potajemnie Eucharystię i rozdawać ponie hostiisprawować i wina. Bożym zrządzeniem przesyłka dotarła.komunię Mógł więc trzebującym. częściej sprawować potajemnie Eucharystię i rozdawać komunię po-
deln kann! Ein besonders guter Moment für die Umsetzung solcher Ideen war der Zeitraum zwischen und 1944. DieUmsetzung Situation verbesserte sichwar etwas. Ein besonders guter1943 Moment für die solcher Ideen der Die Deutschen erlaubten den Familien der Internierten, LebensmittelZeitraum zwischen 1943 und 1944. Die Situation verbesserte sich etwas. pakete ins Lagererlaubten zu schicken. nutzte GelegenheitLebensmittelund bat um Die Deutschen denWicek Familien derdie Internierten, Hostien und Wein. Mit Gottes Hilfe kam die Sendung an. Er konnte pakete ins Lager zu schicken. Wicek nutzte die Gelegenheit und bat also um heimlichund Eucharistie feiern und Hilfe den Bedürftigen Kommunion erteilen. Hostien Wein. Mit Gottes kam die Sendung an. Er konnte also
sach seminaryjnych działał jako członek i aktywista Zmysłstudiów społecznikowski Stefana podpowiedział mu, że tak jak„Bratniej w czapomocy”, tak seminaryjnych mógł to robić działał i w obozie! sach studiów jako członek i aktywista „Bratniej
trzebującym. Ten moment poluźnienia reżimu obozowego był także dobrą okazją aby moment wspomócpoluźnienia więźniów reżimu najbardziej potrzebujących, Ten obozowego był także nieposiadajądobrą okazją cych nikogo, ktowięźniów mógłby znajbardziej zewnątrz zapewnić im jakiekolwiek wsparaby wspomóc potrzebujących, nieposiadającie. Dotyczyło to zwłaszcza Rosjan. Ich los był szczególnie trudny cych nikogo, kto mógłby z zewnątrz zapewnić im jakiekolwiek wspara represje Niemców szczególnie dotkliwe. cie. Dotyczyło to zwłaszcza Rosjan. Ich los był szczególnie trudny a represje Niemców szczególnie dotkliwe. Wicek zaproponował polskim księżom, aby ci, którzy otrzymywali paczki oddawali ich zawartość do dyspozycji wszystkich współwięźWicek zaproponował polskim księżom, aby ci, którzy otrzymywali niów. oddawali ich zawartość do dyspozycji wszystkich współwięźpaczki
niów. W następnych tygodniach Wicek wraz z kolegami w listach pisanych do rodzin prosili aby zorganizować wysyłkę paczekwz wiejskich parafii W następnych tygodniach Wicek wraz z kolegami listach pisanych na nazwiska więźniów nieotrzymujących pomocy I rzeczywido rodzin prosili aby zorganizować wysyłkę paczekz zkraju. wiejskich parafii ście, takie paczki zaczęły nadchodzić. na nazwiska więźniów nieotrzymujących pomocy z kraju. I rzeczywi-
ście, takiewpaczki zaczęły nadchodzić. Na bloku którym mieszkali polscy księża powstała z inicjatywy Wicka organizacja zwana „caritas bloku 28” gromadziła do Na bloku w którym mieszkali polscy księża powstała przychodzące z inicjatywy Wickapłanów paczki. Całą „caritas żywnośćbloku i inne28” przydatne rzeczy dzielono i rozka organizacja zwana gromadziła przychodzące do dawano tym, którzy mieli niczego. Dzięki teji akcji kapłanówwedług paczki.potrzeb Całą żywność i inne nie przydatne rzeczy dzielono rozwielu przeżyło jeszcze więcej nie straciło nadziei. W tej swojej dawano wedługa potrzeb tym, którzy nie mieli niczego. Dzięki tejpracy akcji nie narzucał swego kierownictwa, pracował w cichości i bezpracy rozwielu przeżyło a jeszcze więcej nie ale straciło nadziei. W tej swojej głosu. nie narzucał swego kierownictwa, ale pracował w cichości i bez rozgłosu.
so im Seminar, als Mitglied undsagte Aktivist hanDerwie Gemeinschaftssinn von Stefan ihmvon vor,“Brüderlicher dass er auchHilfe” im Lager, deln kann! so wie im Seminar, als Mitglied und Aktivist von “Brüderlicher Hilfe” han-
heimlich Eucharistie und den Dieser Moment, als feiern das Regime im Bedürftigen Lager etwasKommunion lockerer war,erteilen. war auch eine gute Gelegenheit, den meist bedürftigen Gefangenen Dieser Moment, als das Regime im Lager etwas lockerer war, zu warhelfen, auch die niemanden hatten, der desGefangenen Lagers Unterstützung eine gute Gelegenheit, den ihnen meist außerhalb bedürftigen zu helfen, anbieten könnte.hatten, Dies bezog sich vor allen auf dieLagers Russen. Ihr Schicksal die niemanden der ihnen außerhalb des Unterstützung war besonders schwierig und die Repressionen der Deutschen anbieten könnte. Dies bezog sich vor allen auf die Russen. Ihrbesonders Schicksal schmerzhaft. war besonders schwierig und die Repressionen der Deutschen besonders schmerzhaft. Wicek schlug den polnischen Priestern vor, ihre Pakete zur Verfügung aller Mitgefangener zu stellen. Priestern vor, ihre Pakete zur Verfügung alWicek schlug den polnischen
ler Mitgefangener zu stellen.schrieb Wicek und seine Kollegen Briefe an In den folgenden Wochen ihre Familien, in denen sie baten, in ländlichen Gemeinden Pakete für GeIn den folgenden Wochen schrieb Wicek und seine Kollegen Briefe an fangene zu organisieren, die ausinihren Ländern niemals Hilfe bekamen. ihre Familien, in denen sie baten, ländlichen Gemeinden Pakete für GeUnd in der solche Pakete konnten werden. fangene zuTat, organisieren, die aus ihrenempfangen Ländern niemals Hilfe bekamen.
Und in der Pakete konnten werden. Im Block, in Tat, demsolche die polnischen Priesterempfangen lebten, wurde aus Wiceks Initiative die Organisation “Caritas im Block 28” gegründet, dieaus dieWiceks an die Priester Im Block, in dem die polnischen Priester lebten, wurde Initiatikommenden Pakete sammelte. Alle Lebensmittel und andere nützliche ve die Organisation “Caritas im Block 28” gegründet, die die an die Priester Sachen wurden an Personen verteilt, die gar nichtsund hatten, je nach ihren kommenden Pakete sammelte. Alle Lebensmittel andere nützliche Bedürfnissen. Dank dieser Aktion überlebten viele Personen und noch Sachen wurden an Personen verteilt, die gar nichts hatten, je nach ihren mehr verlorenDank ihre Hoffnung nicht.überlebten In seiner Arbeit er seine FühBedürfnissen. dieser Aktion viele zwang Personen und noch rung erHoffnung arbeitete nicht. still und Aufmerksamkeit. mehrniemals verlorenauf, ihre In ohne seineröffentliche Arbeit zwang er seine Führung niemals auf, er arbeitete still und ohne öffentliche Aufmerksamkeit.
Tortury wobec więźniów Tortury wobec Folter więźniów an Gefangenen Folter an Gefangenen
Paczka Czerwonego Krzyża Paket Roten Kreuz Paczkavom Czerwonego Krzyża Paket vom Roten Kreuz
Aresztowanie polskich księży
Polen in Berlin vor 100 Jahren
I
134
n der 1860 in Warschau herausgegebenen Orgel-
Gegend“. Man soll noch hinzufügen, dass Berlin 1860
brand-Enzyklopädie liest man: “Berlin, die Haupt-
fast eine halbe Million Einwohner zählte. Die Orgel-
stadt des preußischen Staates, die Hauptresidenz des
brand-Enzyklopädie verliert kein Wort über die Polen
Königs, der Sitz der höchsten Staatsorgane…liegt in
in Berlin.
der brandenburgischen Provinz, an der Spree, die die
Als das Deutsche Reich 1871 gegründet wurde,
Stadt mit ihren zwei Armen und einigen Kanälen teilt,
zählte Berlin bereits über 800.000 Einwohner. Der
auf einer großen sandigen, armen und reizlosen Ebe-
preußische König Wilhelm I (1861-1888) wurde zum
ne, die im Osten und Süden durch kärgliche Hügel, im
deutschen Kaiser gekrönt. Berlin wurde zur Haupt-
Westen durch einen in Park umgewandelten Wald und
stadt des Deutschen Reiches und die Stadt zählte1895
sumpfigen Wiesen umgeben ist. Das Klima ist gemä-
bereits 1,5 Millionen Bewohner.
ßigt und trotz des wechselndes Wetters gesund, mit
Vor über einem Jahrhundert hat niemand in Europa
einem langen, dennoch milden Winter, einem kurzen
vermutet, dass der seit 1888 herrschende Kaiser Wil-
Frühling, einem abwechselnd trockenen und feuch-
helm II im Jahr 1918 gezwungen wird, seine Herrschaft
ten Sommer und einem wunderschönen Herbst, die
zu beenden und ins Exil zu gehen. Man wusste auch
Luft ist sehr wechselhaft… hat einen Reichtum von
nicht, was die kommenden Jahre bringen werden,
gutem, sauberem und gut schmeckendem Wasser,
ebenso wenig, dass der I Weltkrieg, der als der Große
welches überall, nur einige Füße tief unter der Erde,
Krieg in die Geschichte einging, bald anfängt. Man ahn-
auffindbar ist. Es ist eine der Hauptbedingungen für
te nichts von seinen Folgen, man wusste nicht, womit
den Wachstum der Stadt in einer so eingeschränkten
die Unruhen im zaristischen Russland enden werden
Mit Sicherheit gab es auch Organisationen, die lediglich einige Mitglieder zählten, dennoch weiß man, dass es insgesamt 100 Organisationen gab!
Die
größte davon war der Verein “Sokół”, von dem ich nur wenig weiß, die zweitgrößte war die Gesellschaft der Polnischen Unternehmer, der die Mehrheit der gebildeten Polen in Berlin angehörte. An der Technischen Universität in Berlin gab es polnische Studentenvereinigungen. Die Mehrheit der polnischen kleinen Organisationen war im Polnischen Verband (Związek) unter dem Vorsitz von Władysław Berkan vereinigt. Berkan, vom Beruf Schneider, hatte seine Schneiderei in der Leipziger Straße 103. Es ist denkbar, dass man dort nicht nur Maß nehmen sondern auch alle nötigen Informationen über die polnische Kolonie in Berlin hörte und polnische Zeitungen oder Bücher erhalten bzw. käuflich erwerben konnte. Unter einigen auf Polnisch erscheinenden Zeitungen war “Niedziela“ (Der Sonntag) mit Redaktion am Stuttgarter Platz 3 in Charlottenburg die größte. In-
136
und wie unvorhersehbar die Absichten der Sowjets
formationen über die polnischen Organisationen und
gegenüber Berlin und Europa 1920 sein werden. Nie-
Anzeigen veröffentlichte auch der “Dziennik Berliński“
mand hat damals vorhersehen können, dass in zwei-
(Berliner Tageszeitung) in der Raupachstraße 6. Wahr-
einhalb Dekaden eine noch größere Katastrophe als
scheinlich waren polnische Ärzte und Zahnärzte für die
der Große Krieg durch Europa und die Welt rollen wird.
Herausgabe des “Przewodnik Zdrowia“ (Gesundheits-
Ich halte in den Händen den 1914 in Krakau her-
führers) zuständig. Die Redaktion des Führers befand
ausgegebenen “Führer durch Europa“ von Mieczysław
sich in der Zahnarztpraxis A. Czarnowski, der sowohl
Orłowicz. Der in der Nähe von Lemberg 1881 geborene
die Leitung und die Herausgabe übernahm als auch
Autor war ein erfahrener Reisender, es wird behauptet,
Bücher- und Zeitungsvertrieb in der Weißenburger
dass er insgesamt 130.000 Kilometer Touristenpfade
Straße 27 betrieb. Ein weiterer Zahnarzt, J. Malalski,
in Europa zu Fuß durchwanderte. Er starb 1959 in War-
empfing seine Patienten in der Frankfurter Straße 120.
schau und hinterließ einige Reiseführer (die nicht nur
Es gab in Berlin fünf Buchläden, was für die dama-
Reisen durch Polen betrafen). In der Einleitung zu sei-
lige Zeit viel war. Außer der bereits erwähnten Buch-
nem “Reiseführer durch Europa“ schrieb er: “Falls wir
handlung des Zahnarztes Czarnowski gab es die Buch-
respektiert werden möchten, dann sollen wir vor allem
läden: Tyrakowski in Charlottenburg, Sophie in der
uns selbst respektieren und unser Polentum nicht ver-
Charlottenstraße 27, Budajewicz, Moritzstraße 22 und
gessen, nur damit sich Andere nicht ausgeschlossen
Przybyszewski in der Feldstraße 4. Es ist nicht bekannt,
fühlen. Wir sollen vielmehr im Ausland stets daran den-
ob es sich bei dem Letztgenannten um den berühm-
ken und jedes polnische Zeichen vor Ort unterstützen.
ten polnischen Schriftsteller Stanisław Przybyszewski
Sollten wir keine polnische Spur vorfinden und sind wir
handelte. Wir wissen lediglich, dass er nach der Heirat
dennoch der Meinung, dass sie dorthin gehört, dann
mit Jadwiga Kasprowicz nach Deutschland kam und
sollen wir dazu beitragen, sie zu erschaffen“.
zuerst in Berlin und dann, bis 1919, in München lebte.
Im Jahr 1914 zählte das kaiserliche Berlin bereits 3
Es erschien auch die Zeitung “Straż”/”Die Wa-
Millionen Bewohner, darunter 100 Tausend Polen. Die-
che” – ein vermutlich nicht regelmäßig erscheinendes
se relativ kleine Gemeinschaft bestand in der Mehrzahl
Bulletin der Gesellschaft der Polnischen Katholiken.
aus Arbeitern und Handwerkern, war beachtlich orga-
Die Zeitung kooperierte mit dem “Dziennik Berliński”,
nisiert und besaß eine gute Struktur und Zugang zu
den man im Informationspunkt des Sitzes der Polni-
eigenen polnischen Institutionen und Organisationen.
schen Bank (“Skarbona“) in der Kochstraße 19 erhal-
ten (bzw. kaufen) konnte.
ganteste Lokal der Stadt in Unter den Linden 26 und
Diözese in Breslau und durften dank Intervention von
Café Victoria (in einer Straße mit demselben Namen).
Kardinal Kopp Gottesdienste auf Polnisch zelebrieren.
In der Nähe der Friedrichstraße befand sich das Café
Diese traditionellen Gottesdienste fanden in der Kir-
Monopol. Außer diesen eleganten, deutschen Loka-
che der Heiligen Hedwig (gebaut 1743) am Opernplatz,
len gab es auch polnische Gastronomieangebote für
der St. Pius Kirche in der Palisadenstraße 73, der Kirche
Gäste, die weniger wohlhabend waren: Jan Zak – Kaiser
des Heiligen Paulus in der Turmstraße 42 und der Kir-
Friedrich Straße 86, Antoni Miedzinski – Strassmann-
che des Heiligen Sebastians am Gartenplatz statt. Der
straße 39, J. Telsmann – Löwenstraße 8, Stanisław Za-
Autor des Reiseführers fügt hinzu, dass die deutschen
jcher – Holzmannstraße 11. Des Weiteren gab es eine
Pfarrer während der Messen ein “schlechtes Polnisch
polnische Bäckerei W. Starosta in der Koppenstraße
sprachen”. Vereinzelt kam es zu unangenehmen Vor-
49, eine Konditorei von K. Malski unter dem stolzen
kommnissen wie die aus dem Jahr 1914, als die preu-
Namen “Grand Café-Restaurant“ in der Friedrichstraße
ßische Polizei mit Einverständnis der kirchlichen Obrig-
105. Populär war auch der Kolonialladen von Stanisław
keit polnische Kinder aus der Johanniskirche im Bezirk
Kaczmarek in der Stallschreiberstraße 41.
Moabit entfernte, weil sie polnische Lieder gesungen haben.
138
spielenden Orchester, Café Bauer – das angeblich ele-
Die katholischen Kirchen in Berlin unterstanden der
Über das größte und eleganteste, deutsche Restaurant der Stadt – “Kempinski“ in der Leipziger Straße
In der drei Millionen Menschen zählenden Stadt gab
25, wo eine Mahlzeit 25 Pfennig kostete, spreche ich
es selbstverständlich auch viele Bars und Cafés. Beson-
aus einem anderen Anlass. Im heutigen Berlin gibt es
ders populär waren damals die insgesamt 47 (!) neu-
ein Fünfsterne-Hotel – “Kempinski Hotel Bristol“ in
entstandenen, billigen Selbstbedienungsrestaurants
Kurfürstendamm 27 – ist es in Zufall? bzw. handelt es
von Aschinger. Weitere Läden boten Zugang zu polni-
sich bei dem heutigen Netz von Kempinski-Hotels um
schen Zeitschriften, darunter Piccadylli – ein elegantes
dieselbe Familie, die Anfang des XX Jahrtausends mit
Restaurant mit einem eigenen, bis spät in die Nacht
einem Restaurant anfing?
Unter den zahlreichen Hotels nenne ich hier nur
von Katarzyna Krenz weckten meine Aufmerksamkeit
die mit polnischem Personal: Metropol in Unter der
und das historisch-wissenschaftliche Interesse. Ich
Linden 20 sowie Johannishof in der Johannistrasse
habe mir vage vorgestellt, dass jemand meinen heu-
22. In der Köpenicker Straße 43 befand sich die Polni-
tigen Spuren folgen wird und mithilfe des Telefonbu-
sche Herberge, in der Zimmerstrasse 97, in der Nähe
ches oder eines anderen Adressenkatalogs die verges-
des Bahnhofs Friedrichstraße, gab es eine von Maria
senen Schicksäle aufspürt und eine Brücke zwischen
Skrzetuska geführte polnische Pension.
der Vergangenheit aus dem vergangenen Jahrhundert
Die hunderttausend Menschen zählende polnische
und heute baut. Die Grabaufschriften erzählen viel,
Bevölkerung war im Jahr 1914 ihren Bedürfnissen
dennoch könnten auch die lebenden Nachkommen
entsprechend organisiert. Nicht alle Siedler waren
helfen, die Lebensläufe der hier erwähnten Mitglieder
der deutschen Sprache im ausreichenden Maße
von Organisationen, Ingenieure, Ärzte, die in meinem
mächtig, um die Dienstleistungen der berliner Läden
Reiseführer durch Europa aus dem Jahr 1914 nur als
und Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Aus
alte Adressen verzeichnet sind,
dieser Not heraus entstand ein kleines polnisches
Fraglich ist hierbei auch, ob die Stadt dieselben alten
Dienstleistungssystem.
Adressen behalten hat.
vervollständigen.
Ärzte: Dr. A Tempski – Bülowstrasse 80, Dr. Pio-
1914 hatten es die Polen in Berlin schwer, insbe-
trowski (Neurologe) – Joachimsthalerstrasse 10, Dr.
sondere dadurch, dass Polen nicht auf der Landkarte
Dybizbański – Kastanienallee 50.51, Dr Starkowski
Europas nicht eingetragen war. Dennoch hat ausge-
– Große Frankfurter Strasse 141, Dr. Wolfheim – Nol-
rechnet dann ein Zahnarzt eine polnische Buchhand-
lendorfstrasse 26, Dr. Holtzer – Charlottenburg, Kant-
lung geführt und ein Schneider war der Führer der
strasse 51, Dr. Łaszewski – Rixdorf, Bergstrasse 11, Dr.
100.000 Personen zählenden Polonia in Berlin.
Jankowski (private Frauenklinik)– Martin Luther Straße 60. Apotheken: H. Smyczyński (Görlitzer Apotheke) – Görlitzer Straße 48, Grabkowski (Balten Apotheke) – Theaterstrasse 14a, Pawel – Aleksandrinenstrasse 44. Rechtsanwälte: Dr. Zborowski – Markgrafenstrasse 59, Dr. Sikorski (auch Notar) Maaßenstraße 20, W. Stobiecki – Königstrasse 64, Kujot – Friedrichstrasse 247. Ingenieure (mit Sitz des Patentbüros): K. Ossowski – Potsdamer Straße 3, M. Kryzan – Großberenstraße 11, Zoch – Gitschinerstraße 1 und Ing. Stanisław Kosiński in Charlottenburg, Kaiser Friedrich Straße 55. Polnische Firmen: HALBAN – eine Autowerkstatt (Autos und Reifen) in der Prinzenstrasse 68, NOBLESSE – Tabakwaren, Zigarren und Zigaretten aus Warschau – Alexanderstraße 35, Übersetzungsbüro und Handelsschule – P. Rutkowski– Invalidenstraße 112, F. Kierich – Aquarium und Zucht von Zierfischen– Elbinger Straße 14 IV. In Charlottenburg gab es viele polnische Firmen und Vereine, die Polen trafen sich dort im Haus des Volkes in der Rosinenstraße 3. Die im Magazyn POLONIA Nr. 7/2016 erschienenen Texte von Ewa Maria Slaska und Roman Brodowski über die polnischen Gräber in Berlin sowie ein Essay
140
Tadeusz Urbański (Stockholm)
Das Heldentum des Alltags – über Polen, die Juden retteten
I
m Rathaus von Berlin-Kreuzberg wurde am 21.
der und Geschichten über die
November 2017 eine Ausstellung über Polen, die
vorgestellt. Die Vorsitzende des Vereins Städtepartner
während der deutschen Besatzung Juden retteten,
Stettin-Berlin-Kreuzberg/Friedrichshain e. V. Ewa Ma-
eröffnet. Polen war das einzige Land auf der Welt, wo
ria Slaska eröffnete die Ausstellung. In ihrer Rede be-
Unterstützung von Juden mit der Todesstrafe bestraft
tonte sie, dass das Thema der Rettung der Juden durch
wurde. Trotz dieser tödlichen Bedrohung retteten in
die Polen kontrovers ist. Neben solcher heldenhaften
den Kriegsjahren sowohl die Organe des Polnischen
Haltung wie die des Ehepaars Wiktoria und Józef Ulm,
Untergrundstaates als auch polnische Familien min-
die für das Verstecken von Juden den höchsten Preis
destens zigtausend von Juden. Der 1942 entstandene
zahlten, gab es auch Fälle von Denunziation und Hilfe
Rat für die Unterstützung von Juden rettete tausen-
für die Juden, die nur gegen Geld geleistet wurde.
heldenhaften Taten
de Juden vor dem Tod, die Mitgründerin des Rates
Die Teilnehmer der Diskussion nach der offiziellen
(gemeinsam mit Władysław Bartoszewski) Irena Send-
Eröffnung waren sich einig, dass die Zeit des Krieges
ler brachte 2.500 jüdische Kinder in Sicherheit vor dem
eine Zeit der großen Herausforderung war. Eine Zeit,
sicheren Tod im Warschauer Ghetto. Die von der Ver-
in der die Menschlichkeit auf eine schwere Probe ge-
einigung “Wspólnota Polska“ vorbereitete Ausstellung
stellt wurde. Deswegen dürfen die furchtfreien Taten
wurde durch den Verein Städtepartner Stettin-Berlin-
der Helden der Ausstellung nicht in Vergessenheit
Kreuzberg/Friedrichshain e. V. im Kreuzberger Rat-
geraten.
haus gezeigt. Auf einigen Duzend Schautafeln wurden Archivbil-
142
Joanna Trümner
Wiktoria i Jรณzef Ulmowie Wiktoria und Jรณzef Ulm
Die Geschwister Maliszewski
Rodzina Gawlaków Die Gawlak Familie
Rodzina Ulmów Die Ulm Familie
Rodzeństwo Maliszewskich
Die Geschwister Maliszewski
Rodzeństwo Maliszewskich
II
n den durch Deutsche besetzten Gebieten haben die Polen einen n den durchUntergrundstaat Deutsche besetzten Gebieten haben Podziemne, die Polen einen Polnischen (Polskie Państwo PPP) Polnischender Untergrundstaat (Polskie Państwo Podziemne, PPP) geschaffen, über eigene zentrale und regionale Strukturen geschaffen, der überauch eigene zentrale und regionale Strukturen verfügte, darunter über Streitkr äfte (Armia Kr ajowa, d.i. verfügte, darunter auch über(RStreitkr äfte (Armia Kr ajowa, d.i. Landesarmee), das Parlament ada Jedności Narodowej, d.i. das Landesarmee), das Parlament (R ada Jedności Narodowej, d.i. das R at der Nationalen Einheit) sowie über eine Regierungsvertretung R at der Nationalen Einheit) sowie über eine Regierungsvertretung im Lande (Delegatura Rządu na Kraj), die sich aus mehr als zehn im Lande (Delegatura Rządu na Kraj), die sich aus mehr als zehn Abteilungen zusammensetzte und im Untergrund die Regierung Abteilungen zusammensetzte und die im Untergrund Regierung der Republik Polen repräsentierte, sich (seit 1940 die in London) in der Republik Polen repräsentierte, die sich (seit 1940 in London) in Emigration befand. Das Hauptziel der Aktivisten und Soldaten des Emigration befand. Das K Hauptziel derUnabhängigkeit. Aktivisten und Soldaten des Untergrundes war der ampf um die Untergrundes war derVernichtung K ampf um dieder Unabhängigkeit. Nach dem Beginn der Juden durch Deutsche ist Nach dem Beginn der Vernichtung der Juden durch Deutsche ist in einer der Abteilungen der Regierungsvertretung der R at für in einer der Abteilungen der Regierungsvertretung der sich R at für die Unterstützung der Juden „Żegota” entstanden, der aus die Unterstützung der Juden „Żegota”des entstanden, der sich aus polnischen und jüdischen Aktivisten Untergrundes zusampolnischen und jüdischen AktivistenZiel des–Untergrundes zusammensetzte und dessen ausschließliches die Rettung der Juden mensetzte undwurde dessenaus ausschließliches Ziel – die Rettung der Juden war. „Żegota” den Mitteln des Budgets von PPP und der war. „Żegota” wurde aus den Mitteln des Budgets von PPP und der internationalen jüdischen Gemeinschaft, die die Hilfe mit Unterinternationalen jüdischen Gemeinschaft, die die Polen Hilfe mit stützung der emigrierten Regierung der Republik undUnterderen stützung der emigrierten Regierung der Republik Polen und deren Kontakte im Land schickte, finanziert. Kontakte im Land schickte, finanziert. Obóz zagłady Auschwitz-Birkenau Obóz zagłady Auschwitz-Birkenau Das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau Das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau
Odezwy „Żegoty” Odezwy „Żegoty” Die Aufrufe von „Żegota” Die Aufrufe von „Żegota”
Transport Żydów do obozu Auschwitz-Birkenau. 1944 r. Transport do obozu 1944 r. 1944 Transport Żydów der Juden in dasAuschwitz-Birkenau. Lager Auschwitz-Birkenau,
S
ie wohnte mit der Mutter Janina und der Großmutter in Warschau. Während des Krieges führte Janina die Hausverwaltung auch auf dem Ghetto-Gelände. Anna hat mit ihrer Mutter die Nahrung für die Hungernden geschmuggelt. Im Winter hat sie ihren M antel mit Liliana Alter ausgetauscht und sie gingen aus dem Ghetto mit Janinas Passierschein hinaus. Anna erinnert sich, als der Vater von Lila beim Abschied von der Tochter weinte: sie haben sich nicht wieder getroffen. Liliana wohnte mit ihnen als Cousine 4 Jahre lang zusamLiliana Alter-Wójcik men. Ryszard Grynberg und i Anna Stupnicka, 1943 r. Mikołaj Borenstein wurden auch dort verLiliana Alter-Wójcik steckt. Sie alle haben den Krieg überlebt. und Anna Stupnicka, 1943 Lila ist aus Frankreich anflogen und hat zusammen mit Anna an der Eröffnung des Museums der Polnischen Juden im Jahr 2014 teilgenommen. Anna und ihre Mutter haben im Jahr 1984 die Medaille von Yad Vashem erhalten.
Liliana Alter-Riedler i Anna Stupnicka Liliana Alter-Riedler und Anna Stupnicka
Anna Stupnicka i Liliana Alter-Riedler z mężem Jerzym, Paryż 1989 r. Anna Stupnicka und Liliana Alter-Riedler
XXVII Wirtschaftsforum in Krynica
“W
ir möchten die Vertreter der Polonia in die
es mit einer Stimme sprechen?“ bot Gelegenheit zu
wichtigen Ereignisse in Polen einbeziehen. das.
einem Treffen zwischen den Führern der Visagrad-
Die Polen im Ausland sind unser Reichtum, es handelt
Gruppe – der Ministerpräsidentin der Republik Polen
sich um fast 20 Millionen Menschen und ein Riesenpo-
Beata Szydło, dem ungarischen Ministerpräsidenten
tential” – Marschall des Senats der Republik Polen
Viktor Orban, dem tschechischen Ministerpräsidenten
Stanisław Karczewski.
Bohuslav Sobotka und dem Ministerpräsidenten der Slowakei Robert Fico. Gemeinsam mit dem Minister-
Das Wirtschaftsforum mit über 3,5 Tausend Gästen
präsidenten der Ukraine Wolodymyr Hrojsman über-
ist die größte Konferenz in Mittel- und Osteuropa. Es
legten sie währen der Debatte, wie die soziale und
wird von dem Intytut Studiów Wschodnich (Institut für
wirtschaftliche Politik zu gestalten ist, damit sie den
Osteuropastudien) organisiert. Während des Forums
Interessen aller Bürger gerecht wird.
tauschen die Chefs von Regierungen und Parlamen-
Zu den Preisträgern der traditionell vergebenen
ten, Minister und Parlamentarier aus den Ländern
Preise des Forums gehörten: die Ministerpräsidentin
der gesamten Region, Vertreter der Wissenschaft, der
Beata Szydło als “Mensch des Jahres“ und die Alior
Wirtschaft, Kultur und Medien ihre Ansichten aus. Das
Bank als “Firma des Jahres“.
diesjährige Forum begleiteten über 600 Journalisten aus über 60 Ländern der Welt. An
der
Eröffnungspodiumsdiskussion:
zum wiederholten Mal ein durch den Senat der Re„Projekt
publik Polen organisiertes Forum der Polonia statt.
Europa – wie lautet das Rezept für die kommenden
Politiker und Unternehmer diskutierten dort über die
Dekaden?” nahmen Staatspräsident von Makedonien
Politik des polnischen Staates gegenüber der Polonia
– George Ivanov, Staatspräsident von Georgien – Gior-
und Polen im Ausland sowie über die Gestaltung ihrer
gi Margwelaszwili sowie der polnische Staatspräsident
Identität. Auf der Agenda standen folgende Themen:
Andrzej Duda teil. Er betonte, dass die Mitgliedschaft
1. "Neue und traditionelle Medien in der Gestaltung
in der Europäischen Union für die Mehrheit der Polen
der polnischen Identität der Polonia und der Polen im
einen großen Wert hat.
Ausland”, zu den Teilnehmern gehörten der Staatsmi-
Foto: Forum Ekonomiczne
Die Plenarsitzung „Mittel- und Osteuropa – kann
150
Im Rahmen des Wirtschaftsforums fand bereits
nister in der Kanzlei des Polnischen Staatspräsidenten
Adam Kwiatkowski, die Leiterin des Fernsehsenders TVP Polonia Magdalena Tadeusiak-Mikołajczyk,
die
Vorsitzende der Verbindungskommission mit den Polen im Ausland bei Polnischem Sejm Anna SchmidtRodziewicz, Leiter der Caritas in Polen Pfarrer Marcin Ilżycki und Tomasz Machura aus der Polnischen Vereinigung in Großbritannien. Das Treffen wurde moderiert von dem stellvertretenden Vorsitzenden der Kommission für Angelegenheiten der Emigration und der Verbindung mit den Polen im Ausland bei polnischem Sejm Artur Warzocha. 2. "Die berufliche Aktivierung der Heimkehrer und Polen aus dem Osten – Angleichung von Chancen” – mit der Ministerin für die Nationale Bildung Anna Zalewska, Minister Henryk Kowalczyk –Leiter des ständigen Ausschusses des Ministerrates, dem stellvertretenden Minister für Wissenschaft und Hochschulbildung Aleksander Bobko und Pfarrer Zdzisław Klafka – Rektor
– Jacek Karnowski.
der Hochschule für Sozial- und Medienkultur in Toruń.
5."Die Rolle des positiven Bildes Polens in der Welt
Moderiert hat die Veranstaltung die Vorsitzende des
bei dem individuellen Erfolg der im Ausland lebenden
Bundes des Bundes der Heimkehrer in der Republik
Polen” mit Marschall des Polnischen Senats Stanisław
Polen – Aleksandra Ślusarek.
Karczewski, dem stellvertretenden Außenminister Jan
3. "Erfahrungen und Herausforderungen der Wirt-
Dziedziczak, dem Leiter des Instituts für Innovation
mit Marschall des Senats der
und Kreativität – Prof. Andrzej Pawlak, Professor der
Republik Polen Stanisław Karczewski, dem stellver-
Mayo Clinic in den USA – Zbigniew Wszołek, Publizisten
tretenden Außenminister Marek Magierowski, dem
Dr. Adam Sandauer. Moderiert wurde die Veranstal-
stellvertretenden Minister für wirtschaftliche Entwick-
tung von dem Redakteur der Wochenzeitschrift “Sieci”
lung Jerzy Kwieciński, dem Vorstandsvorsitzenden der
Michał Karnowski.
schaftsdiplomatie”
Agentur für Handel und Investition SA – Tomasz Pisula,
Das Wirtschaftsforum war für die Organisatoren
dem Vorstandsvorsitzenden des KGHM Polska Miedź
ein großer Erfolg. Alle Podiumsdiskussionen waren
Radosław Domagalski-Łabędzki, dem Vorstandsmit-
gut besucht, viele Personen mussten stehen, um an
glied der Polnischen Fluglinie LOT – Michał Fijoł. Die
interessanten Debatten teilnehmen zu können. Auch
Podiumsdiskussion moderierte der Leiter des Portals
ausländische Gäste fehlten nicht – aus Deutschland
Polskie Radio.pl – Piotr Chęciński.
nahmen Markus Meckel, der ehemalige Außenminister
4. "Die polnische Marke – ein großes Potenial der
der DDR und Vorsitzender des Volksbundes Deutsche
Polonia bei den Auslandsinvestitionen der polnischen
Kriegsgräberfürsorge und Thorsten Klute – stellvertre-
Unternehmen” mit Marschall des Polnischen Senats
tender Minister für Arbeit, Soziales und Integration in
Stanisław Karczewski, dem stellfertretenden Außen-
Nordrhein-Westfalen teil.
minister Konrad Szymański, dem Vorstandsvorsit-
Wir hoffen, dass zu dem nächsten Wirtschaftsforum
zenden des Polnischen Versicherungsbetriebes PZU
mehr Vertreter von Polonia-Organisationen einge-
SA – Paweł Surówka, dem Vorstandsvorsitzenden des
laden werden, um ihren Beitrag zur Erörterung der
KGHM Polska Miedź Radosław Domagalski-Łabędzki,
Polonia-Problematik zu leisten.
dem stellvertretenden Vorsitzenden des Polnischen Mineralölkonzerns
152
Orlen SA – Mirosław Kochalski,
Aus Krynica
dem stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden des
Alexander Zając
Polnischen Unternehmens für Mineralöl und Erdgas
Vorsitzender des Konvents
SA Maciej Woźniak. Moderiert wurde die Diskussion
der Polnischen Organisationen in Deutschland
von dem Chefredakteur der Wochenzeitschrift „Sieci“
Leiter der Geschäftsstelle der Polonia in Berlin
Der 35. Jahrestag der Entstehung von “Solidarność Walcząca“ (Kämpfende “Solidarność“)
S
olidarność Walcząca ist aus der “Solidarność“-
wegung weiter zu entwickeln, keinen Verrat zu bege-
Bewegung entstanden. Diese Organisation widme-
hen und gewissenhaft die mir übertragenen Aufgaben
te sich dem Kampf um ein freies und unabhängiges Polen, ihre Aktivitäten waren gegen die Kommunisten
Die Organisation wurde im Juni 1982 durch Kornel
gerichtet. Es war eine kämpferische, konspirativ täti-
Morawiecki in Wroclaw gegründet und war eine Ant-
ge und äußerst wirksame Gruppe, die den damaligen
wort auf den Vorschlag eines Teils des polnischen
Machthabern viele Probleme bereitete.
Episkopats und einiger Mitglieder der im Untergrund
Sie knüpfte an die Tradition der polnischen Heimat-
tätigen “Solidarność”, den Kampf aufzugeben und eine
armee an und hatte denselben Eid, eine eigene Fahne,
Einigung mit der damaligen Regierung der Volksrepu-
Untergrundpost sowie Spionageabwehr. Das Logo der
blik Polen zu unterschreiben. “Solidarność Walcząca“
“Solidarność Walcząca“ stellte die Buchstaben SW in
hingegen strebte nach dem Verlust der Macht durch
Form eines Ankers – des Symbols der Hoffnung und
die Kommunisten, der Wiedereinführung der vollkom-
der Treue zu der Tradition des “Kämpfenden Polens“
menen Unabhängigkeit und dem Rückzug der sowjeti-
dar. Ihre Mitglieder leisteten beim Beitritt einen Eid:
schen Armee aus Polen. Sie unterschied sich von den
“Vor Gott und der Heimat gelobe ich, um eine freie
anderen
und unabhängige Solidaritätsrepublik zu kämpfen,
dass sie aktiven Widerstand zuließ und ihn vorberei-
meine Kräfte, Zeit – und falls notwendig – mein Leben
tete. Sie besaß Abteilungen im gesamten Land, u. a. in
für das Entstehen eines derartigen Polens zu opfern.
Wrocław, Poznań, Gdańsk, Rzeszów und in Oberschle-
Ich gelobe, um Solidarität zwischen den Menschen und
sien. Sie hatte ihre Vertreter im Westen. In der Bun-
Völkern zu kämpfen. Ich gelobe, die Ideen unserer Be-
desrepublik Deutschland repräsentierte sie Andrzej
Konferecja na Zamku Królewskim w Warszawie
154
zu erfüllen”.
Unabhängigkeitsorganisationen
dadurch,
Wirga, Vorsitzender des Hilfskomitees ”Solidarność”
kommen freies, unabhängiges, souveränes und von
in Mainz, der von der Solidarność-Gesellschaft in West
sämtlichen Überbleibsel der Volksrepublik befreites
Berlin und der Arbeitsgruppe ”Solidarność” Eschwei-
Polen (…) ”– ich stehe hier als der Staatspräsident und
ler-Aachen unterstützt wurde. Zu der ”Solidarność
bin tief gerührt, weil ich im Namen der Republik den
Walcząca“ gehörten dort neben ihren Leitern Edward
großen Respekt und den Dank meiner, jüngeren Ge-
Klimczak und Aleksander Zajac u. a. Jola Wirga und
neration sowie der zukünftigen Generationen
Kazimierz Michalczyk, der auch mit der Ostabteilung
Ausdruck bringen darf. Wir danken für die Freiheit, die
der ”Solidarność Walcząca” mitgearbeitet hat und die
wir heute haben, und die Sie durch Ihre Unerschütter-
Ideen der Solidarität und Unabhängigkeit in weiteren,
lichkeit erkämpft haben”
von der Sowjetunion besetzten, Ländern verbreitete.
Die einige Tage lang dauernden Feierlichkeiten aus
“Solidarność
dem Anlass des 35. Jahrestages der Entstehung der
Walcząca“ zu der Wiedererlangung der Unabhängig-
”Solidarność Walcząca” begannen am 2. Juni mit ei-
keit durch Polen, wurde die Organisation von dem
nem Historischen Picknick im Zentrum der Geschichte
unabhängigen polnischen Staat jahrelang nicht aner-
”Zajezdnia” in Wrocław, danach fand in Szczecin eine
kannt bzw. sogar missachtet.
durch das Institut des Nationalen Gedenkens ver-
Trotz
des
großen
Beitrags
der
Erst nach siebzehn Jahren, zum 25. Jahrestag der
anstaltete wissenschaftliche Konferenz ”Solidarność
Gründung der Organisation lud der Präsident Lech
Walcząca 1982-1990” statt. Der Höhepunkt der Fei-
Kaczyński die aktiven Mitglieder der Bewegung ein
erlichkeiten war eine Veranstaltung im Museum des
und verlieh ihnen Staatsauszeichnungen. Es bedurf-
Warschauer Aufstands, wo neben einem Konzert der
te weiterer 10 Jahre, bis Präsident Andrzej Duda die
durch das Quartett ”Pro Forma“ vorgetragenen Lieder
“Solidarność Walcząca“ anlässlich des 35. Jahrestages
von Jacek Kaczmarski der erste Teil der Konferenz
ehrt und u. a. sagt: ”Es ist paradox, dass das freie Po-
unter dem Titel ”Frei und solidarisch“ stattgefunden
len diese Auszeichnungen für Euren Kampf übergeben
hat. Die Konferenz wurde am darauffolgenden Tag im
darf. Ohne Euren Kampf hätte es dieses freie Polen,
Königsschloss in Warszawa unter dem Titel ”Das Erbe
das Euch heute auszeichnet, nicht gegeben. Ein voll-
der “Solidarność Walcząca“ fortgesetzt. Ein weiterer
Uroczystości w Muzeum Powstania Warszawskiego
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zum
Höhepunkt der Feierlichkeiten war der Empfang beim Polnischen Staatspräsidenten Andrzej Duda und die Auszeichnung der aktiven Mitglieder der Bewegung mit Staatsauszeichnungen. Die Feier wurden von der am 20. Juni durch den Marschall des Polnischen Sejm Marek Kuchciński im Gebäude des Polnischen Sejm eröffneten Ausstellung “Solidarność Walcząca in der Dreistadt“ sowie einer Ausstellung über “Solidarność Walcząca“ im Hof des Königsschlosses in Warszawa begleitet. An den Feierlichkeiten nahmen neben den Mitgliedern der Solidarność Walcząca“ geladene Gäste aus dem In- und Ausland sowie zahlreiche Politiker mit dem stellvertretenden Staatsminister Mateusz Morawiecki teil. Warszawa, 21. Juni 2017 Alexander Zajac
Alexander Zając, Kornel Morawiecki (lider Solidarności Walczącej), Wojciech Borowik
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MAGAZYN POLONIA Kwartalnik, rok założenia – 2013 www.magazyn-polonia.de Wydawca / Herausgeber: Konwent Organizacji Polskich w Niemczech Tel. +49 30 505 780 96; E-mail: kwartalnik.polonia@gmail.com www.konwent.de Redaktor odpowiedzialny / Verantwortlicher Redakteur: Alexander Zając Redaktor wydania / Redakteur der Ausgabe: Agata Lewandowski Redaguje zespół / Redaktionsteam: Arkadiusz B. Kulaszewski, Agata Lewandowski, Wiesław Lewicki, Bogdan Żurek Współpraca / Zusammenarbeit: Krystyna Koziewicz (Berlin), Barbara Małoszewska (Monachium), Romuald Mieczkowski (Wilno), Sława Ratajczak (Hamburg), Sławomir Sobczak (Chicago), Andrzej Szulczyński (Berlin), Joanna Trümner (Berlin), Tadeusz Urbański (Sztokholm) i inni Projekt graficzny i skład / Grafikprojekt und Satz: Alina Potemska Tłumaczenia / Übersetzung: Joanna Trümner Kwerenda i opracowanie zdjęć / Recherche und Bildredaktion: Alexander Zając Druk / Druck: Drukarnia „DESIGNER” – Marcin Czajkowski ul. Lubieszyńska 33, 72-006 Mierzyn, www.printhub.pl Nakład / Auflage: 1000 egzemplarzy Kwartalnik powstaje we współpracy ze Związkiem Dziennikarzy Polskich w Niemczech T.z.; In Zusammenarbeit mit dem Verband der Polnischen Journalisten in Deutschland e.V. www.zdpn.wordpress.com Na okładce / Titelseite: Symbol Związku Polaków w Niemczech ZPwN Das Symbol des Bundes der Polen in Deutschland e.V. ISSN 2197-9324 © Konwent Organizacji Polskich w Niemczech, 2013
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