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MÖGLICHKEITSRÄUME – UND DIE, DIE ES NOCH WERDEN WOLLEN.

OSWALD OBERHUBER IN VENEDIG UND GENT

JULIENNE LORZ

Betrachtet man Oswald Oberhubers Œuvre, so fällt auf, dass „Raum“ schon früh in seinen Werken, wie etwa seinen Skulpturen der 1950er-Jahre, auftaucht. Doch der Künstler verweilt nicht im Objekt, sondern dehnt „Raum“ auf das Bildliche und Konzeptuelle, wie auch das Architektonische aus. Dabei nimmt der Ausstellungsraum, sei es im Kontext der Galerie oder des Museums, in all seinen Möglichkeiten, Flexibilitäten und Deutungshoheiten, den Status eines eigenständigen Sujets an, das Oberhuber in buchstäblich hunderten von Ausstellungen herausfordert, ausprobiert und vor Augen führt.1 Sein scheinbar unstillbarer Ausstellungsdrang ist gut vereinbar mit seinem Text Die permanente Veränderung in der Kunst2 von 1958, wobei der Titel als Manifest zu verstehen ist; sowie mit der Idee, dass der Ausstellungsraum gewissermaßen der ultimative veränderliche Raum – und somit Möglichkeitsraum – ist oder potenziell werden kann. Letztere kommt auch in seinem Text zur Ausstellung Oberhuber. Räume (1978) zum Ausdruck: „Räume sollen nicht nur ausgenützt werden zum nützlichen Anfüllen, denn Räume sind mehr als Nutzflächen. Räume sind Hinweise und Möglichkeiten charakteristische Denkmale in der Zeit zu setzen. Diese Zeichen sind nicht Architektur, sondern selbständige Ergänzungen oder Unterstreichungen zum Erkennen räumlicher Volumen.“3

Oberhuber hebt hier die Eigenständigkeit des Raumes hervor, wobei es das Raumvolumen als ein ganz eigenes, unabhängiges Element wahrzunehmen gilt. Dabei kann Raum –oder Räume – über den physischen Raum hinaus verstanden werden bzw. nicht nur wörtlich (baulich oder architektonisch) sondern bildlich wie konzeptionell. Übertitelt mit Räume. Eine Auswahl ist dabei auch das Layout der obigen Aussage Oberhubers interessant [ Abb. 1 ]. Gesäumt von schwarz-weißen Kontaktabzügen, sieht man oberhalb des Texts vier aufeinanderfolgende Aufnahmen vom Kopf und den Schultern des Künstlers aus schrägem Winkel, während dieser ein Gespräch zu führen und zu denken scheint. Darunter platziert sind acht Aufnahmen, die aus verschiedenen Blickwinkeln einen kargen Raum dokumentieren, in dem eine große, fleckig wirkende Stoffbahn von der Decke herabhängt, die den Raum wie eine Wand teilt und vor der in gleichmäßigen Abständen einzelne, leuchtende Glühbirnen hängen. Der Text des Künstlers wird durch die Fotografien somit treffend gerahmt und kommentiert. Sie unterstreichen, dass Räume jenseits ihrer Nützlichkeit als architektonische Gefäße Möglichkeiten für eine autonome Wahrnehmung von Raumvolumen bieten, und dass im Gespräch sowie im Text formulierte Gedanken konzeptionelle

Abb. 1  Erste Seite des Ausstellungskatalogs Oberhuber Räume, Galerie Krinzinger, 1978

Abb. 2  Oswald Oberhuber, Ausstellungskonzept Die Galerie in Ruhe – Die leere Galerie, Galerie nächst St. Stephan, 1970

Möglichkeitsräume –und die, die es noch werden wollen.

Räume eröffnen. Dieser Eindruck wird weiter durch die Beispiele von Oberhubers räumlichen Arbeiten im Anschluss an diese Eingangsseite des Katalogs verstärkt: darunter das Konzept zu bzw. Dokumentationsfotos von der Ausstellung Die Galerie in Ruhe – Die leere Galerie (1970) in der Galerie Nächst St. Stephan in Wien, in der der kahle oder „nackte“ Raum der Galerie Rahmen und zugleich Protagonist ist [ Abb. 2 / 3 ].

Ähnliche Ansätze zur Sichtbarmachung der institutionellen Rahmung von Kunst verfolgten etwa auch Künstler wie Yves Klein oder Michael Asher. Ersterer mit seiner Ausstellung

Le Vide (1958) in der Pariser Galerie Iris Clert [ Abb. 4 ]. Klein stellte den leeren, weiß gestrichenen Galerieraum aus, der von der Straße aus aber als pure Farbe wahrgenommen werden sollte: die Fenster waren außen mit Kleins charakteristischem Blau bemalt und der Eingang von einem riesigen Theatervorhang in derselben Farbe gerahmt. Die Galerie wurde dabei selbst zum Träger von Kleins Malerei. 1974 entfernte Asher für seine Ausstellung in der Claire Copley Gallery, Los Angeles, eine Wand, die den Ausstellungsraum vom Büro und Lager trennte, um die meist verborgene Verbindung zwischen Kunst und Kommerz transparent zu machen [ Abb. 5 ]. Auch hier ist der Raum per se, mit all seinen Konnotationen im Kontext einer Galerie, der zentrale Akteur.4

Mit seinen künstlerischen Beiträgen zum österreichischen Pavillon bei der 36. Biennale von Venedig (1972) sowie zu Jan Hoets Ausstellungsprojekt Chambres d’Amis in Gent (1986) beschreitet Oswald Oberhuber allerdings eigene Wege in der Erkundung von „Möglichkeitsräumen“, die im Folgenden näher betrachtet werden sollen.

1972 war Wilfried Skreiner, damals Direktor der Neuen Galerie Graz im Landesmuseum Joanneaum, als Kommissar für die Auswahl der Künstlerbeiträge zum österreichischen Pavillon in Venedig zuständig. Skreiner lud Oswald Oberhuber, den er bereits von Ausstellungen in Graz kannte, und den Architekten und Künstler Hans Hollein ein. Oberhuber wie auch Hollein beschlossen, mehrere neue Werke zu schaffen, die sowohl im Inneren des Pavillons als auch im Außenbereich ausgestellt wurden, wobei sie unterschiedliche Ansätze darin verfolgten, beides – Innen und Außen – miteinander zu verbinden. Hollein tat dies im wörtlichen Sinne: Durch eine schmale, von weißen quadratischen Fliesen umrahmte, türähnliche Öffnung in einer der Gebäudewände konnten Betrachter:innen den Ausstellungsraum mit Holleins aus den gleichen Fließen bestehenden skulpturalen Objekten verlassen und über einen schmalen Holzsteg zu einer stoffüberdachten en sensibilité picturale stabilisée, Galerie Iris Clert, 1958 durch die Galerie zu den Büro- und Lagerräumen)

OSWALD OBERHUBER, MUSEUM IM MUSEUM , 1978, RAUMINSTALLATION, VERSCHIEDENE MEDIEN (SCHENKUNG OSWALD OBERHUBER, 1978/79), MUMOK, WIEN

Mit der Großskulptur Museum im Museum realisiert Oswald Oberhuber eine materielle Form seiner eigenen Kunstgeschichtsschreibung. Die wie ein begehbarer Ausstellungsraum gebaute hölzerne Installation zeigt über 40 Originalarbeiten, die für Oberhuber die zentralen Tendenzen der („österreichischen“) Moderne vermitteln. Mit der als Schenkung konzipierten Installation übergibt der Künstler dem Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien auch die meisten der darin gezeigten Werke.

Museum im Museum beinhaltet Arbeiten folgender Künstler:innen: Ferdinand Andri, Herbert Bayer, Camilla Birke, Uriel Birnbaum, Alfred Buchta, Friedl Dicker-Brandeis, Trude Fischl, Leopold Forstner, Carry Hauser, Raoul Hausmann, Josef Hoffmann, Adolf Hölzel, Lajos Kassák, Friedrich Kiesler, Erika Giovanna Klien, Anton Kolig, Carl Krenek, Berthold Löffler, Gertrude Neuwirth, Alexander Olbricht, Max Oppenheimer, Heinz Reichenfelser, Johanna Reismayer-Fritsche, Georg Adams Teltscher, Ernst Wagner, Julius Zimpel, Bruno Zuckermann, Franz von Zülow.

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