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ROBERT MÜLLER, COSIMA RAINER
from Schule Oberhuber
Schule Oberhuber erschließt die bedeutende Sammlung der Universität für angewandte Kunst Wien über die Tätigkeit ihres Initiators Oswald Oberhuber und dessen vielfältige Rollen: als Hochschulrektor und -Lehrer, Ausstellungsgestalter, Künstler, Kurator und kunstpolitischer Akteur prägte er die Hochschule für Jahrzehnte, richtete die Sammlung ein, und deren Ausstellungen maßgeblich aus.
Als erste umfassende Sammlungspräsentation ohne sein Mitwirken konzipiert, war Oberhubers Praxis dennoch stets zentraler Ausgangs- und Bezugspunkt der Ausstellung. Vor allem seine paradigmatische Installation Museum im Museum (1978) stand am Anfang unserer Überlegungen, die schnell die Form einer „Inversion“ annahm. In dieser „Schule in der Schule“ kreuzen sich multiperspektivisch Erzählstränge, Blicke und historische Konstellationen: Für uns als Kurator:innen galt es, sowohl Oberhubers Revision des Nachkriegs-Kanons und seine Perspektive auf eine erweiterte „österreichische“ Avantgarde als transnationale Bewegung aufzuzeigen, als auch dessen Engagement zur Aufarbeitung der Werke während des NS-Regimes vertriebener und ermordeter Künstler:innen herauszuarbeiten, und seine reformorientierten Aktivitäten als Hochschulrektor aus der Perspektive eines Künstlers nachzuvollziehen, der mit dem Konzept der ‚permanenten Veränderung‘ eine radikal kunst- und institutionskritische Position beschreibt. So verfolgte unsere Auswahl und Kontextualisierung von Arbeiten einerseits das Ziel, die Besonderheit einer aus der Produktion und für Produzent:innen als Rezipient:innen gedachten (Künstler-)Sammlung hervorzuheben, und andererseits, die jeweiligen Arbeiten weniger als (Meister-)Werke zu erschließen, sondern sie dem Paradigma der Veränderung entsprechend in ihrer Scharnier- und Weichenfunktion zu verstehen und deren transitorischen Charakter lesbar zu machen. Ihre reichhaltigen formalen, zeitlichen und konzeptuellen Bezüge sollten sich –wenn auch auf sehr unterschiedliche Weise – in der Ausstellungsgestaltung widerspiegeln, wobei einige der Motive hier im folgenden besondere Erwähnung finden sollen.
Die Ausstellung ist weder streng chronologisch noch gegenchronologisch strukturiert. Sie behauptet und verfolgt keine linearen Entwicklungen, sondern thematisiert die Widersprüchlichkeit der künstlerischen Moderne(n). Die Kunstgewerbeschule eignet sich hierfür angesichts ihrer progressiven Ausrichtung um 1900, ihrer aktiv gestaltenden Rolle im Dienste des Nationalsozialismus, und der in ihrem Kontext auftretenden formalen wie personalen Schnittmengen zwischen diesen politisch-ideologischen Tendenzen als gutes Beispiel.
So basieren die einzelnen Räume weniger auf Themen oder Motiven denn auf assoziativen Konstellationen, die anhand einer Auswahl aus über 60.000 Sammlungsobjekten und Archivalien nicht nur ein Bild der konzeptuellen Bewegungen Oberhubers als Sammler nachzuzeichnen versuchen, sondern auch Überlegungen zu Genese und Variation der Vor- und Zwischenkriegsavantgarden des 20. Jahrhunderts im Kontext der Kunstgewerbeschule anregen.
Zentrale Klammer zwischen den Räumen waren dabei die in ihnen präsenten und jeweils für sie ausgewählten Möbelskulpturen, die Oberhuber als Ausstattung für die Hochschule entwarf, und die in die Wegachsen der Ausstellung positioniert wurden, um Oberhubers Präsenz innerhalb der Sammlung auch physisch spürbar werden zu lassen. Bisweilen strahlen sie etwas Melancholisches aus, wie etwa der so betitelte Aktensarg, oder vermitteln den Eindruck gebrochener Dominanz, wie etwa ein für Festakte und Vorträge (auch von ihm) gebrauchtes Rednerpult. Zudem ergänzen Oberhubers selbstentworfene Ausstellungs- und Veranstaltungsposter die Klammerfunktion seiner Möbel, dokumentieren dessen bereits früh eingeforderte Programmatik und bilden wichtige Momente der Hochschulgeschichte ab.
Insgesamt wirft die Raumkonzeption mittels Brechungen und Spiegelungen zentrale Fragen auf: etwa die nach der im Begriff der ‚Stunde Null‘ mitschwingenden Fiktion des Bruchs und Neubeginns der Nachkriegszeit, sowie nach geschichtsprägenden Modellierungen von Tradition und Kontinuität am Beispiel von Architektur [ Raum 1 ]; oder Fragen nach der Genese ungegenständlicher und abstrakter Formationen [ Raum 2 ], nach der Rolle der Figuration innerhalb der Avantgarde
[ Raum 3 ], nach einer Reflexion auf die universitäre Ausstellungs- und Publikationspraxis innerhalb der Sammlung
[ Raum 5 ], nach der Fiktion einer „Schulausstellung“, die das Jahr 1925 als – ebenso fiktive – Zäsur nähme [ Raum 4 ], und nach dem Flächendekor als Relais zwischen Figuration und Abstraktion [ Raum 6 ].
Keine dieser verräumlichten Themensetzungen sollte explizit in den Vordergrund treten, sodass sie trennscharf formuliert auf einzelne Räume und Arbeiten begrenzt oder unbefragt appliziert werden könnten. Stattdessen sollten sie stets implizit durch eine auf einzelne Arbeiten fokussierte und über diese und ihren unmittelbaren Kontext hinausreichende Erfahrung vermittelt werden. Auch ging es in der Herstellung von Konstellationen weniger um Vollständigkeit oder gar „Reinheit“ im formalen wie inhaltlichen Sinne. Das Verfahren sollte
Karlinsky, Entwurf für
Oskar Strnad, Totenmaske und Hand von Rudolf von Larisch, 1934 (Fenster) / Otto Rudolf Schatz, CARE-PAKET , 1946 /
Stoffmuster, um 1925 (Panel rechts)
Raum 1 (Podest) Otto Prutscher, Figurenständer für den Salon der Villa von Theodor Flemmich, 1915 / Oskar Strnad, Armlehnstuhl, 1912–13 / Josef Hoffmann, Stuhl, 1927 / Oswald Oberhuber, Ablage für die Quästur, 1985 / Abteilung Robert Obsieger, Modell für einen Kachelofen, 1938–47 (Sockel)
(Panel) Elsa Engel-Mainfelden, Österreichischer Werkbund Neues Bauen. Int. Bauausstellung, 1929 / Margarete Schütte-Lihotzky, Toilettenschrank für
Raum 1
Säuglinge für eine Wohnung ohne Badezimmer , 1935–36 / Friedl Dicker-Brandeis, Franz Singer, Entwürfe für Raumgestaltungen, Arbeitsplatz, Sitzbänke, beide um
1930 / Maria Likarz-Strauss, Entwurf für eine Wandmalerei; Entwurf für eine Kaminecke, beide undatiert; Entwurf für Wandbemalung einer Bar, 1926 / Hilde
Schmid-Jesser, Aelita begrüßt das nächtliche Erscheinen der Erde , um 1927
Josef Hoffmann, Oswald Haerdtl, Entwurf für ein
Eisenbahnabteil der Österreichischen Bundesbahnen, Innenansicht, 1926–35 / Elisabeth Pfanhauser, Wir sparen Energie im Winterhalbjahr 1942 ; Wir sparen Energie im Winterhalbjahr 1943 , beide 1938–43 / Abteilung Robert Obersieger, Modell für einen Kachelofen, 1938–47 / Oswald Oberhuber, Vergessen gibt es nicht , 1989