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Grübeln und Sorgen bei verschiedenen psychischen Störungen
by de’ignis
Von Ligia Pleschka
• Kennen Sie das? Sie legen sich abends ins Bett und möchten zur Ruhe kommen, doch dann springt Ihr Gedankenkarussell an. Und das lässt sich nicht so einfach abstellen. Dabei beschäftigen Sie vielleicht aktuelle, besorgniserregende Themen wie die politische oder wirtschaftliche Lage. Doch meistens sind es vielmehr Geschehnisse aus unserem Alltag, unsere vermeintliche Unvollkommenheit oder Konflikte mit unseren Mitmenschen, die uns den Schlaf rauben. Doch so lange Sie auch darüber nachdenken, Sie scheinen nicht zu einer Lösung zu kommen. Sie sitzen in der Grübelfalle fest.
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Grübeln ist ein alltägliches Phänomen und deutet nicht auf eine Krankheit, Schwäche oder Unzulänglichkeit der eigenen Person hin. Es ist eine natürliche Reaktionsform auf Probleme oder unerreichte Ziele. Grübeln löst jedoch bei vielen Menschen auch Leidensdruck aus. Doch wann wird Grübeln zum Problem?
Anfang der neunziger Jahre regte Susan Nolen-Hoeksema (1991) die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Phänomen des Grübelns an. Zahlreiche Studien konnten bisher belegen, dass habituelles (d. h. gewohnheitsmäßiges) oder anhaltendes Grübeln nicht bloß eine Begleiterscheinung negativer Stimmung ist, sondern ein zentraler Vulnerabilitätsfaktor für die Entstehung, Intensivierung und Aufrechterhaltung depressiver Stimmungen und Störungen (Nolen-Hoeksema et al., 2008). Diese Erkenntnis stieß weitere Forschungen zum Einfluss habituellen Grübelns im Kontext anderer psychischer Störungen an. Dabei ließ sich die aggravierende, sprich verschlechternde Wirkung habituellen Grübelns bei Angststörungen (dabei insbesondere bei der sozialen Phobie), bei der posttraumatischen Belastungsstörung, Schlaf-, Schmerz-, sowie Ess- und Substanzstörungen beobachten. Dazu später noch mehr.
Doch was macht einen normalen Denkprozess zu depressivem Grübeln aus?
Eine der bekanntesten Definitionen stammt von der erwähnten Wissenschaftlerin NolenHoeksema (1991), die depressives Grübeln bzw. Rumination (d. h. Wiederkauen von Gedanken über Unglück, Pech oder
Missgeschicke) als „Verhalten oder Gedanken, die die Aufmerksamkeit einer Person auf ihre depressiven Symptome und auf die möglichen Ursachen, Implikationen und Konsequenzen dieser Symptome lenken“ 1 beschreibt. Diese ruminative Beschäftigung mit der eigenen depressiven Stimmung äußert sich in Gedanken wie „Warum bin ich so traurig?“ oder „Was ist bloß los mit mir, dass ich mich so fühle?“, und führt zu einer Verstärkung der depressiven Stimmung. Diese verstärkende Wirkung ist dabei weniger auf den Inhalt der Gedanken, sondern auf den Denkstil zurückzuführen.
Wie sieht es aus mit Sich-Sorgen? Sich-Sorgen ist mit dem Grübeln verwandt, beide Konstrukte hängen stark miteinander zusammen und beide sind charakterisiert durch repetitive (sich wiederholende) und perseverative (ständig wiederkehrende) Gedankenschleifen, die einen starken Bezug zur eigenen Person aufweisen und einen negativen Inhalt haben. Borkovec und Kollegen (1998) definieren Sorgen als „eine Kette von Gedanken und Vorstellungen, die mit negativem Affekt einhergehen und als unkontrollierbar erlebt werden“ 2 Sorgen beschäftigen sich mit bedrohlichen zukünftigen Ereignissen und werden vom Gefühl der Angst begleitet und als belastend erlebt (Becker, 1995). Sorgen stellen eine Art „mentale Problemlösung“ dar. Untersuchungen zu Sich-Sorgen liegen vor allem zur generalisierten Angststörung vor, bei der Betroffene Katastrophen in ihrer Vorstellung durchspielen, ohne je zu einer Problemlösung zu kommen. Sie springen von einem Thema zum anderen, keines wird dabei je zu Ende gedacht, was letztlich in einem Gefühl der Hilflosigkeit resultiert. Inhaltlich unterscheiden sich die Sorgen nicht von den Sorgen anderer Menschen. Der Unterschied zwischen Sich-Sorgen und Grübeln liegt also im Denkinhalt: Sorgen drehen sich um Ereignisse, die in der Zukunft liegen bzw. geschehen könnten („Was wäre, wenn …?“), Grübelgedanken beziehen sich auf vergangene (oder bereits eingetretene) Ereignisse („Warum fühle ich mich so?“, „Warum passiert immer mir so etwas?“).
Ehring und Kollegen (2011) haben mit Blick auf die Gemeinsamkeit von Sorgenund Grübelprozessen im Kontext diverser Störungsbilder das oben sehr eng umfasste Verständnis von Rumination erweitert. Sie bieten folgende Definition für repetitives negatives Denken an3 :
„ Repetitives negatives Denken (…) meint eine Art des Nachdenkens über persönliche Probleme (aktuelle, vergangene oder zukünftige) oder negative Erfahrungen (vergangene oder erwartete), welche drei Kernmerkmale aufweist:
[1a] Das Denken wiederholt sich.
[1b] Es ist zumindest gelegentlich intrusiv (aufdringlich).
[1c] Es ist schwierig, sich davon zu lösen. Zwei zusätzliche Merkmale repetitiven negativen Denkens sind, dass [2] Betroffene es als unproduktiv empfinden und es [3] mentale Kapazität beansprucht. Während die Kernmerkmale den tatsächlichen Denkprozess darstellen, beziehen sich die beiden zusätzlichen Merkmale auf die wahrgenommene dysfunktionale Wirkung des repetitiven negativen Denkens.“
Wie unterscheiden wir nun, ob es sich bei unserem Denken um adaptive, funktionale (problemlösende) Prozesse oder um maladaptive, dysfunktionale Prozesse wie beim depressiven Grübeln handelt? Laut Watkins (2008) ist das problemlösende Denken charakterisiert durch eine hohe Flexibilität, einen klaren Zielbezug und einen unvoreingenommenen, wenig wertenden und konkret-situationsbezogenen Denkstil. Hier setzen sich Betroffene eher mit WieFragen auseinander („Wie kann ich mein Ziel erreichen?“, „Wie komme ich jetzt zu einer Entscheidung oder einem Plan?“). Dysfunktionales, depressives Grübeln zeichnet sich eher durch einen kritisch-selbstabwertenden, abstrakt-situationsübergreifenden Denkstil mit negativen Inhalten aus („Warum muss es mir immer schlecht gehen?“).
Sorgen und Grübeln im Kontext diverser psychischer Störungen Repetitives Grübeln hat, wie bereits erwähnt, einen bedeutsamen Einfluss auf die Entstehung, Intensivierung und Aufrechterhaltung diverser psychischer Störungen. Forschungen liegen vor allem im Kontext unipolarer Depressionen, posttraumatischer Belastungsstörungen, sozialer Phobien und bei Schlafstörungen vor.
Unipolare Depression
Die unipolare Depression, die häufigste Form der Depression, gehört zu den sogenannten affektiven Störungen und ist dadurch charakterisiert, dass Betroffene über einen längeren Zeitraum unter einer Beeinträchtigung der Stimmung, Niedergeschlagenheit, Verlust der Freude und des Antriebs, Desinteresse und diversen körperlichen Beschwerden leiden (nach ICD-10 4). Da bei einer Depression auch unser Denken, unsere Konzentrationsfähigkeit und unsere Entscheidungsfähigkeit beeinträchtigt sind, kommt Grübeln in einer depressiven Episode besonders häufig vor, vor allem auch weil ruminatives Grübeln eine häufige Reaktion auf eine niedergedrückte Stimmung ist (wie zuvor beschrieben).
Laut Teismann und Ehring (2019) kann Grübeln zu schlechter Stimmung führen und ein Baustein auf dem Weg in die Depression bzw. oftmals eines der ersten Symptome einer Depression sein. Anhaltendes Grübeln ist jedoch nicht bloß eine Begleiterscheinung der Depression. Zahlreiche Studien konnten einen prädiktiven (d. h. vorhersagenden) Einfluss auf Depressionssymptome und auch das Auftreten einer depressiven Episode nachweisen. Zudem scheinen anhaltendes Grübeln und depressive Stimmung in einem „bidirektionalen“ (d. h. sich gegenseitig verstärkenden) Verhältnis zueinander zu stehen: Grübeln führt zu einer Verstärkung der negativen Stimmung und negative Stimmung verstärkt Grübeln. Wir geraten in einen ungesunden Teufelskreis. Da depressive Menschen, die stark zu anhaltendem Grübeln neigen, weniger und/oder verzögert auf das therapeutische Angebot einer kognitiv-verhaltenstherapeutischen Behandlung einer Depression ansprechen, ist eine gezielte Veränderung der Ruminationsneigung von großem therapeutischem Nutzen, da sie den Rückgang depressiver Symptome bedingt.
Generalisierte Angststörung
Patient:innen mit einer generalisierten Angststörung (GAS) leiden darunter, unter ständiger Anspannung („immer auf dem Sprung“) und nervös zu sein, so dass es u. a. zu Schlafstörungen kommen kann. Obwohl es sich bei der Diagnose um eine Angststörung handelt, klagen Betroffene oft nicht darüber, Angst zu haben. Die Beschwerden sind vielmehr auf eine körperliche Anspannung fokussiert. Wenn man jedoch genauer nachfragt, wird deutlich, dass sich Betroffene viele Sorgen machen, worunter sie jedoch nicht unbedingt leiden, da Sorgen eher „vertraute Begleiter“ sind (Becker, 1995). In Behandlung begeben sie sich deswegen eher aufgrund der körperlichen Beschwerden, was somit den Hausarzt zur ersten Anlaufstelle macht, der etwas gegen die Anspannung bzw. die Schlafstörung unternehmen soll. Auslöser der Beschwerden sind jedoch die Sorgen. Die Sorgen beziehen sich inhaltlich auf viele verschiedene Lebensbereiche (Arbeit, Beziehungen, Finanzen, etc.). Der Prozess des Sich-Sorgens wird von den Betroffenen als sehr ausgeprägt, jedoch nicht als unrealistisch empfunden (Becker, 1995), auch wenn der Denkstil einem Katastrophisieren entspricht (der Schritt von der Verspätung der Freundin hin zu dem Horrorszenario, dass sie wegen eines schweren Autounfalls im Krankenhaus liegt, ist dabei klein). Leidensdruck erzeugt eher die Tatsache, dass die Sorgen sich ihrer Kontrolle entziehen und einen Großteil des Tages einnehmen. Eine weitere Besonderheit liegt in dem Springen von einer Sorge zur anderen (Sorgenketten), was zu einer sehr zeitaufwendigen Beschäftigung mit Sorgen führt. Da Sorgen in Form von Gedanken vorkommen und sich nicht in Bildern äußern, liegt darin eine kognitive Strategie, Probleme und Ängste mit emotionalem Abstand zu behandeln, was dazu führt, dass eine emotionale Verarbeitung von Ängsten verhindert wird.
Aufgrund der oben erwähnten Ähnlichkeit zu Grübelgedanken ist die Abgrenzung zu depressivem Grübeln etwas schwierig, jedoch mit Hinblick auf den Inhalt (auf Zukünftiges ausgerichtet oder Hadern mit dem Status quo?) und dem begleitenden Affekt (eher ängstlich oder eher depressivniedergeschlagen?) möglich. Nun können Betroffene jedoch unter beiden Affekten gleichzeitig leiden bzw. zu beiden kognitiven Mustern neigen, was die Differenzialdiagnose dann nicht unbedingt erleichtert. Für die Behandlung muss deswegen eine genaue Diagnostik erfolgen, um sorgfältig die Therapie, die aus mehreren Bausteinen besteht, planen zu können. Eine sog. Konfrontationsbehandlung ist Mittel der Wahl, wenn Sorgen im Vordergrund stehen. Dabei sollen sich Patient:innen unter therapeutischer Begleitung systematisch mit Vorstellungsbildern ihrer Sorgen auseinandersetzen, wodurch eine emotionale Verarbeitung möglich wird (sog. „Konfrontation in sensu“). Klagen Betroffene jedoch eher über körperliche Beschwerden und haben sie insgesamt wenig Zugang zu Sorgeninhalten, ist die angewandte Entspannung indiziert, bei der Patient:innen lernen, sich in Sekundenschnelle zu entspannen, sobald erste Anzeichen von Angst verspürt werden.
Grübeln kann zu schlechter Stimmung führen und ein Baustein auf dem Weg in die Depression bzw. oftmals eines der ersten Symptome einer Depression sein.
Posttraumatische Belastungsstörung
Die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) entsteht laut ICD-10 als eine verzögerte psychische Reaktion auf ein belastendes Ereignis, eine Situation außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigen Ausmaßes (von kürzerer oder längerer Dauer). Die zeitliche Verzögerung kann dabei Wochen bis Monate dauern. Zu den typischen Merkmalen dieser Störung gehören das wiederholte Erleben des Traumas in Erinnerungen, die sich den Betroffenen aufdrängen, oder auch in Träumen und Alpträumen, sowie ein permanentes Gefühl eines emotionalen Betäubtseins, Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit der Umgebung gegenüber, Freudlosigkeit und Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die an das Trauma erinnern könnten. Meist kommt auch ein Zustand einer erhöhten vegetativen Übererregtheit hinzu (Schlafstörung, Reizbarkeit, Schreckhaftigkeit, etc.).
Ein langanhaltendes/mehrmaliges, interpersonelles (d. h. zwischenmenschliches)
Trauma (z. B. jahrelanger Missbrauch in der Kindheit) geht mit dem höchsten Risiko für die Entstehung einer PTBS einher im Vergleich zu einem akzidentellen (d. h. zufälligen), kurzdauernden/einmaligen Trauma (z. B. ein Arbeitsunfall).
Da die ungewollten Erinnerungen an das Trauma das Kernsymptom der PTBS darstellen, berichten viele Betroffene, dass sie häufig über das Erlebte und/oder seine Konsequenzen grübeln. Empirische Befunde weisen darauf hin, dass Grübeln ein wichtiger Faktor ist, der zu einer Aufrechterhaltung der PTBS führt. Patient:innen mit einer PTBS grübeln also häufiger und länger als Menschen ohne diese psychische Erkrankung.
Wie auch bei der Depression konnte mittels Längsschnittstudien gezeigt werden, dass das Ruminationsausmaß kurz nach einem Trauma prädiktiv für die Entstehung und Aufrechterhaltung einer PTBS ist. Sogar das Ausmaß habituellen Grübelns vor einem Trauma stellt einen Risikofaktor für die Entwicklung einer PTBS dar.
Soziale Phobie Angst davor, in Leistungssituationen zu versagen oder sich vor anderen zu blamieren, nicht gemocht oder abgelehnt zu werden, kennen viele Menschen und sie kann eine normale Reaktion auf interpersonelle Situationen sein. Im Zentrum der sozialen Phobie steht gemäß ICD-10 eine dauerhafte oder häufig wiederkehrende intensive bzw. übertriebene Angst, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen oder sich peinlich zu verhalten, was zu einem deutlichen Vermeidungsverhalten und zu erheblichen Einschränkungen hinsichtlich ihrer Lebensführung und Genussfähigkeit führt. Dass Grübeln ein wichtiger Faktor ist in der Aufrechterhaltung sozialer Ängste, besagen verschiedene theoretische Modelle, insbesondere das des „Post-Event-Processing“ oder „Post-Mortem-Processing“: Betroffene beschäftigen sich dabei mit ungünstigen Rückblicken und nachträglichen negativen Bewertungen einer zurückliegenden sozialen Situation. In ihren sich wiederholenden Gedanken darüber interpretieren sie ihr eigenes Verhalten als ungeschickt oder peinlich und grübeln darüber, wie sie sich hätten besser verhalten sollen. Sie rufen sich auch die erlebten Gefühle von Angst und Anspannung in Erinnerung und interpretieren diese Gefühle als Hinweis auf ihr Versagen. Dies wirkt wie eine Strafe für das empfundene „Versagen“ und wird als Misserfolg kategorisiert. Dieser Gedankenprozess führt jedoch zu einer verstärkten negativen Antizipation (d. h. Vorwegnahme) bezüglich ähnlicher zukünftiger Situationen. Diese Form des Grübelns trägt vermutlich dazu bei, dass Betroffene „nicht an soziale Situationen habituieren“, d. h. dass die Reaktionsbereitschaft bzw. die Angst bei wiederholtem Erleben von sozialen Situationen nicht abnimmt, obwohl Betroffene diesen regelmäßig ausgesetzt sind.
Diese Annahme konnte durch diverse Studien belegt werden. Außerdem konnte gezeigt werden, dass ein wechselseitiger Aufschaukelungsprozess zwischen der negativen Sicht auf das eigene Verhalten in einer sozialen Interaktion und dem Post-EventProcessing besteht: eine negativ-verzerrte Interpretation des eigenen Verhaltens führt zu mehr Grübeln und mehr Grübeln verstärkt eine verzerrte Sicht auf das eigene Verhalten.
Wie auch bei der Depression konnte bei der sozialen Phobie ein Zusammenhang zwischen einer verstärkten Neigung zu Grübeln in Form des Post-Event-Processing und einem reduzierten Therapieerfolg nachgewiesen werden, was wieder für grübelspezifische Therapiemodule spricht.
Insomnie
Eine Schlafstörung bzw. Insomnie bezieht sich nach ICD-10 auf Beschwerden der Schlafquantität bzw. -qualität im Kontext von einem oder mehreren Symptomen: Einschlafschwierigkeiten, Durchschlafstörung und/oder Früherwachen. Die Insomnie bzw. die damit verbundene Tagesmüdigkeit bewirkt eine bedeutsame Beeinträchtigung oder Leiden am Tage, das Betroffene in ihrer psychosozialen Funktionsfähigkeit einschränkt. Doch wie hängt die Schlafstörung mit Grübeln zusammen?
Inzwischen ist auf der Grundlage zahlreicher Studien bekannt, dass eine intensive kognitive Aktivität vor dem Schlafen zu einer Verminderung der Schlafqualität führt. Zum Zusammenhang zwischen Sorgen und Schlafstörungen besteht dabei eine deutlichere Forschungsgrundlage als zu Grübeln und Schlafstörungen. Vielleicht haben Sie selbst die Erfahrung gemacht, dass sorgenvolle Gedanken zu einer verzögerten Einschlafzeit führen („Wenn ich jetzt nicht einschlafen kann, werde ich morgen in der Arbeit nicht abliefern können“ ). Es gibt jedoch Studien, die zeigen, dass Betroffene insgesamt mehr Grübeln als gesunde Menschen. Außerdem gibt es Befunde zu Zusammenhängen zwischen habituellem Grübeln, geringer Schlafeffizienz und Schlafqualität sowie verlängerter Wachzeit (Takano, Sakamoto und Tanno, 2014). Es gibt sogar Studienergebnisse, die besagen, dass der Zusammenhang zwischen anhaltendem Grübeln und verminderter Schlafqualität stärker ist als bei Sorgen. Besonders problematisch wird es, wenn Sorgen und Grübeln in Kombination auftreten. Aus diesem Grund besteht ein großer Nutzen in der Integration von grübelorientierten
Therapiemaßnahmen bei Patient:innen mit Schlafstörungen.
Dies stellt einen kurzen Überblick über den Zusammenhang zwischen Sorgen bzw. Grübeln und diversen psychischen Erkrankungen dar. Der Umgang mit sowie die Behandlung von Grübeln wird an weiterer Stelle in diesem Magazin behandelt.
Zu guter Letzt lade ich Sie zu einem kleinen Selbsttest zum Verständnis des Themas ein, mit dem Sie nun prüfen können, ob Sie zu habituellem Grübeln neigen.
Um unterscheiden zu können, ob Sie grübeln (dysfunktionales depressives Grübeln) oder nachdenken (funktionales repetitives Denken), probieren Sie folgende Übung, die Addis und Martell (2004) „Zwei-MinutenRegel“ nennen.
Fahren Sie für zwei Minuten mit dem Denkprozess fort und stellen Sie sich danach drei Fragen:
1. Bin ich mit meiner Problemlösung vorangekommen?
2. Habe ich etwas verstanden, was mir vorher nicht klar war?
3. Bin ich in der Zeit weniger selbstkritisch und/oder weniger depressiv geworden?
Wenn Sie keine der Fragen klar bejahen können, grübeln Sie wahrscheinlich.
Autorin
Ligia Pleschka ist Diplom-Psychologin und ausgebildete Psychotherapeutin für Verhaltenstherapie. Sie arbeitet als Psychologische Psychotherapeutin in der de’ignis Tagesklinik in Egenhausen.
Literatur
Der Artikel basiert auf folgenden Quellen. Wenn nicht anders markiert, stammen Zitate aus dem Werk von Teismann und Ehring (2019).
• Becker, E. S. (1995): Ätiologie und Therapie des generalisierten Angstsyndroms. Verhaltenstherapie, 5, S. 207–215.
• Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (Hrsg.) (2020): Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD) (10. Revision), German Modification, Version 2021.
Abgerufen am 20.02.2023 unter https://www.dimdi.de/ static/de/klassifikationen/icd/icd-10-gm/kode-suche/ htmlgm2021/index.htm.
• Teismann, T. & Ehring, T. (2019): Pathologisches Grübeln (1. Aufl.). Hogrefe.
Fußnoten
1 Übersetzung durch Teismann und Ehring, 2019.
2 Übersetzung durch Teismann und Ehring, 2019.
3 Übersetzung durch Teismann und Ehring, 2019.
4 Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme