Elster-Luppe-Aue im Leipziger Westen

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BÖHLITZER HEFTE

E lster-Luppe-Aue im Leipziger Westen Der Auenwald und seine Bedeutung für die umliegenden Orte

W ERBEAGENTUR K OLB in Zusammenarbeit mit dem Förderverein Ortsgeschichte Böhlitz-Ehrenberg e.V.



Vorwort Der sechste Band der »Böhlitzer Hefte« beschäftigt sich mit der Geschichte des Leipziger Auenwaldes. Lesen Sie Interessantes über die Entstehung des idyllischen Waldgebietes, das sich wie ein Streifen durch die Stadt Leipzig zieht. Bei der Entstehung des Auenwaldes spielen die Wasserverhältnisse im Leipziger Gebiet eine große Rolle. Erfahren Sie Wissenswertes über die Leipziger Flüsse und deren Wirkung auf die Tieflandsbucht. Neben der Entstehung des Auenwaldes wird auch auf die Probleme mit den Wasserläufen und die damit verbundenen Regulierungsmaßnahmen eingegangen. Zudem werfen wir einen Blick auf die Nutzung der Wasserkraft durch Mühlen entlang der »Weißen Elster« und der »Luppe« sowie auf die damit eng ver-

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bundene Industrialisierung von BöhlitzEhrenberg. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an die aktiven Mitglieder des »Fördervereins Ortsgeschichte Böhlitz-Ehrenberg e. V.« für ihre tatkräftige Hilfe bei der Beschaffung historischer Bilder und der intensiven Durchsicht des Textes. Ein besonderer Dank gilt allen Firmen und Gewerbetreibenden, die mit ihrer finanziellen Förderung zur Realisation des Bandes wesentlich beigetragen haben.

Ulrich Kolb Herausgeber, Werbeagentur Kolb

Denis Achtner Bild- und Textautor


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Inhalt Der nordwestliche Auenwald und sein verzweigtes Fluss-System .............

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Die Entstehung des Leipziger Auenwaldes ............................................. 10 Die Leipziger Flüsse .............................................................................. 14 Die Weiße Elster 14 Die Nahle 18 Die Pleiße und die Parthe 16 Weitere Flüsse 22 Die Luppe 17 Probleme und Regulierungsmaßnahmen ............................................... 26 Die Ehrenberger Spukbrücke 34 Hochwasser in Das Palmengartenwehr 44 der nordwestlichen Aue 47 Mühlen entlang der Luppe und der Weißen Elster .................................. Böhlitzer Mühle 52 Lützschenaer Mühle Geschichte der Wassermühlen 54 Die Wasserkraft Gundorfer Mühle 64 Hähnicher Mühle Stahmelner Mühle 66

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Vom Lehmabbau und der Ziegelproduktion ........................................... 74 Chronik des Auenwaldes ....................................................................... 82


ELSTER-LUPPE-AUE

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Die Entstehung

des Leipziger Auenwaldes

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er Leipziger Auenwald erstreckt sich in Form eines Ypsilons, von Süden her kommend in Richtung Nordwesten, entlang der »Weißen Elster« und der »Pleiße«, durch die Stadt Leipzig. Entstanden sind die Auen durch das Wirken von drei Eiszeiten. In der Elster-Eiszeit stieß das Eis zweimal in den Leipziger Raum vor, in der Saale-Eiszeit sogar dreimal. Dabei kam es zu Ablagerungen von Schutt und Schotter aus den Mittelgebirgen.

Somit ist die Entstehung der Aue unabdingbar mit den Flussläufen der Stadt Leipzig verbunden. Nachdem sich das Inlandeis völlig zurückgezogen hatte, entstanden im Alluvium (Holozän) die Flüsse »Elster«, »Pleiße« und »Parthe«. Sie schafften sich Platz in den eiszeitlichen Geschieben und erzeugten tiefe Flussbetten. An Stellen, wo die Fließgeschwindigkeit stark herabgesetzt war, lagerten sich die Schwebstoffe im Wasser ab. Die Sedimentablagerungen führten zur Mäanderbildung bei den

Ablaufschema der nacheiszeitlichen Auenentwicklung Präboreal 1 bis älteres Atlantikum 2 (vor etwa 7000 Jahren )

Jüngeres Atlantikum3 (vor etwa 5000 bis 6000 Jahren )

Übergang Subboreal4 /Subatlantikum5 (1350 bis 900 v. Chr.)

Jüngeres Subatlantikum6 (bis 400 n. Chr.)

Rezent 7

Kiefern Laubbäume Erlen Nasswiese Frischwiese

Weiden Sträucher Hölzer Kiese und Sande Auenlehm

Getreideanbau Moor (Torf)

Im jüngsten erdgeschichtlichen System (Quartär), erfolgten im Nacheiszeitalter (Holozän), die Zeitabschnitte 1 Frühwärmezeit, 2+3 Wärmezeit, 4 späte Wärmezeit, 5+6 Beginn letzter Zeitabschnitt, 7 Jetztzeit


Entstehung des Auenwaldes

Auenwald-Panorama von Böhlitz-Ehrenberg

Flüssen. Dadurch veränderten sich die Flussläufe ständig. Die verzweigten Flussläufe waren die Grundlage für das Entstehen der Auenwälder in und um Leipzig. Denn durch die herabgesetzte Wasserableitung kam es im Leipziger Raum häufig zu Überflutungen. Diese ständigen Überflutungen ließen die Auenlehmschicht Jahr um Jahr wachsen, bis sie schließlich mehrere Meter mächtig war. Diese Ablagerung wird unter anderem auch dem Einfluss des

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Menschen auf die Natur zugeschrieben. Vor etwa 5 000–6 000 Jahren fanden großflächige Rodungen statt. Dies führte zu verstärkter Bodenerosion. Die Flüsse nahmen die Sedimente auf und lagerten diese im Leipziger Tiefland ab. Auch der zunehmende Ackerbau führte zu verstärkten Ablagerungen und Bildung von Auenlehm. Auf dieser Auenlehmschicht entwickelte sich dann vor etwa 4 000–5 000 Jahren zuEin Juwel der Natur und Anziehungspunkt für Jung und Alt: der Leipziger Auenwald, einer der schönsten Laubwälder Deutschlands

Vom Turm des Rosentalhügels blickt man über den nordwestlichen Auenwald auf das Stadtzentrum von Leipzig


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Die Leipziger Flüsse

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eipzig wird von zahlreichen Flussläufen durchzogen. Einst war die »Pleiße« der bedeutendste Fluss der Stadt. Durch die Regulierungsmaßnahmen des 20. Jahrhunderts sind es heute die »Weiße Elster« und die »Luppe«. Hier eine Übersicht der wichtigsten Flussläufe.

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HALLE

Die »Weiße Elster« LEIPZIG

Die Leipziger gaben den Flüssen auf Greiz Grund ihrer BePlauen TS C H E - obachtung treffende Asˇ CHIEN Namen. So erhielt die »Weiße Elster« den slawischen Namen »Alstrawa«, das »Die Eilende« bedeutet. Der Name ist auf die große Menge an Wasser zurückzuführen, die das Flussbett mit zirka 8–10 m3/s durchfließt. Die »Weiße Elster« entspringt im Elstergebirge auf einer Höhe von 724 m über NN in der Nähe des tschechischen Ortes Asˇ Zeitz

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Die »Weiße Elster« bei Lützschena

Alte Holzbrücke über die »Weiße Elster« bei Lützschena


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Am Wasserwerk Lützschena

und mündet nach 257 km bei Halle in die »Saale«. Auf ihrem Weg nimmt sie zirka 40 Bäche sowie die Nebenflüsse »Trieb«, »Weida«, »Göltzsch« und die »Pleiße« auf. In Leipzig teilt sich die »Weiße Elster«. Der nördliche Arm behält seinen Namen, während der südliche Arm den Namen »Luppe« führt. Durch die Tagebauentwicklung im Leipziger Umfeld musste der Flusslauf mehrfach verlegt werden. Bei Zwenkau entstand zum Beispiel ein künstliches, zwölf Kilometer langes Betonflussbett. Dieser Abschnitt wird »Betonelster« genannt. Hinter dem Wasserwerk Lützschena


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ELSTER-LUPPE-AUE Probleme und

Regulierungsmaßnahmen

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n Abhängigkeit des herrschenden Klimas kam es zu mehreren oder nur zu vereinzelten Überflutungen. So gab es zum Beispiel im 13. Jahrhundert insgesamt acht Überflutungen. Im 16. Jahrhundert dagegen stieg das Wasser 45 Mal über die Ufer.

Zunächst fanden für die seit dem 11. Jahrhundert errichteten Mühlen Schutzmaßnahmen statt, die durch die dafür angelegten Mühlengräben mit Wasser versorgt wurden. Es entstanden Abwurfgräben, die um die Mühlen führten und den Obergraben mit dem Untergraben verbanden. Somit konnte das Hochwasser durch das Öffnen der Schützenwehre über die Abwurfgräben an den Mühlen vorbeigeführt werden, ohne diese zu beschädigen. Trotz dieser Maßnahmen konnten weitere Überflutungen nicht abgewehrt werden. Die eigenständigen Müller konnten nicht gezwungen werden, ihre Wehre zu öffnen. Deshalb erwarb die Stadt Leipzig nach 1500 zahlreiche Mühlen, unter anderem auch die Lindenauer Mühle, die Barfußmühle am Fleischerplatz (1898 abgerissen) und die Angermühle (auch Jakobsmühle genannt, 1879 abgerissen). Diese Ankäufe geschahen auch unter der Hinsicht, den zunehmenden Verunreinigungen der Flüsse Herr zu werden. Da an der Menge der eingeleiteten Ab-

wässer der aufstrebenden Stadt Leipzig nichts geändert werden konnte, versuchte man, mit dem Erwerb der Mühlen für einen schnellen Abfluss zu sorgen. Über die damaligen Zustände berichtet Emil Clemens Bartsch in seiner Chronik wie folgt: »So lange die Stadt Leipzig mit der Zahl ihrer Bevölkerung einer Mittelstadt glich, spürte man in den unterhalb Leipzigs gelegenen Ortschaften so gut wie nichts von einer schlimmen Wirkung der Abwässer.


Regulierungsmaßnahmen

Alte Böhlitz-Ehrenberger Pläne des 19. Jahrhunderts: Beschleusungsplan der »Luppe« aus dem Jahr 1880 (oben) und der Zusammenlegungsplan von Grundstücken im Bereich der »Luppe« im Jahr 1862 (unten)

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ELSTER-LUPPE-AUE

»Luppe« nach der Regulierung. Blick von der »Spukbrücke« in Böhlitz-Ehrenberg in Richtung der ehemaligen Schlobachwerke

Blättergrau. Vereinzelte Büsche in der Flutrinne halten ebenfalls dürres Gras und Holz fest. Am Holzschlag über dem Hochwasser drüben steht ein Gerätekarren in der Flut, den Weg nach Lützschena hat sie an einigen Stellen überschritten, Schlamm, Laub und Holz zurücklassend. Hinter der Einmündung des

Böhlitzer Weges rauscht es noch heute hell und klar über Kiesel in Terrassen hinab auf den Waldboden, unbekümmert sein fröhliches Lied trällernd. Haselkätzchen sonnen sich, eine Klasse Schulkinder bewundert die Flut, zwei Knaben schleppen einen mittelgroßen Baumstamm, ein Mann hat ein Brett aus der Flut gefischt. Die Holzbrücke nach der am ›Hundewasser‹ gelegenen Kolonie ›Brasilien‹ hat die Hochflut schräg in der Stromrichtung

Ausbau der »Alten Luppe« 1935 am Böhlitzer Wehr


Regulierungsmaßnahmen

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Der ›Luppe‹ entgegen umgekippt, ein komisches nach der Großen Eiche Bild. Nun senkt sich der [hier ist ein Baum und liebgewonnene Weg, um nicht das Gasthaus in das Flutbett zu durchBöhlitz-Ehrenberg geschneiden. Aber heute meint – A. d. R.]. Hier ruft uns die Flut ein gebievon der Eisenbahnbrücke terisches ›Halt!‹ zu. Nur ein umfassendes Bild. Im unsere Augen wandern Norden die hellen Häustromabwärts, über die serreihen von Möckern weiße, im Sonnenschein und von da bis zu uns die glänzende Fläche zwiüberschwemmte Aue mit schen hohen, ernsten, etwas Gebüsch und junalten Bäumen, in der sich Ausbau des Gundorfer »Mühlwassers«, gen Anpflanzungen. Von acht Birken spiegeln. Auf Düker hinter dem Rittergutspark der Brücke, die an der Grodem Rückwege kommt ßen Eiche über die ›Lupeine zweite Klasse uns entgegen, eine Frau mit Handwagen, Radler – sie pe‹ führte, stehen nur noch die Stämme und müssen wieder umkehren. Der Weg nach auf ihnen lagern – als letzter Gruß (die andedem ›Lunapark‹ war weit überschwemmt, wie ren sind gestohlen) – sechs dünne Balken. Vom ›Wilden Mann‹ wandern wir ostwärts Pfützen und ein Wasserlauf, der Inseln und Sandbänke bildete, beweisen. Der Tanzpalast nach Möckern zu. Von der Brücke über die strahlt in Rosa durch den grauen Wald auf die Nahle-Luppenmündung eine breite Wasserfläche, mündet doch hier der große Arm aus gurgelnde Flut. Arbeiten am alten Luppebett nach dem Bau der »Neuen Luppe« an der alten »Spukbrücke« an der Waldstraße in Böhlitz-Ehrenberg


ELSTER-LUPPE-AUE

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Das »Palmengartenwehr« as »Palmengartenwehr« wird auch Oberes Elsterwehr genannt. Es befindet sich am Anfang des Elsterflutbeckens und ist nach dem ehemaligen Vergnügungspark benannt, der sich hier bis 1939 befand. Heute ist der Palmengarten eine 22 ha große Parkanlage. Das Wehr wurde von 1913 bis 1917 errichtet. Es reduziert den Wasserspiegel von 106,9 m über NN auf 104,4 m über NN. Durch das Wehr könnte sogar die südlich abzweigende »Weiße Elster« und der »Elstermühlgraben« trocken gelegt werden.

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Das »Palmengartenwehr« besteht aus einer 50 m langen und 5 m breiten Wehrbrücke. Es besitzt zwei Walzenwehre, die in den beiden je 17 m breiten Brückenbögen eingebracht sind. Hinzu kommen zwei Schützenwehre, die sich links und rechts in den kleinen Brückenbögen befinden. Auf der Wehrbrücke sind drei kleine Gebäude aufgesetzt, im mittleren befinden sich die Steuerungsanlagen. Ein Defekt an einer der Walzen führte am 10.07.1954 nach starkem Regen zur Überflutung des Stadtgebietes und der Umgebung.

Erbaut 1913 –1917 – das »Palmengartenwehr«


Regulierungsmaßnahmen

3 000 bis 4 000 Jahre alte Mooreichen erschwerten die Arbeiten an der Flutrinne

Auch das »Schkeuditzer Tageblatt« informierte im Jahr 1936 über die Regulierungsmaßnahmen: »Im Laufe des Jahres hat sich das Landschaftsbild in der Elster-Luppe-Aue durch den fortschreitenden Bau des Flutkanals stark gewandelt. An die Stellen der verwilderten ›Luppe‹ und des undurchdringlichen Waldes ist ein neuer tiefer und breiter Wasserlauf getreten, der auf jeder Seite eine rund 50 Meter breite, durch hohe und starke Deiche begrenzte Freifläche erhalten hat.

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Über den Kanal mit seinen beiden Vorläufern führt eine weit gespannte Straßenbrücke aus Eisenbeton, die die Schkeuditz-Dölziger Landstraße trägt. In weitem Bogen ausholend schwingt sich der neue Flutkanal von der ›Elster‹ quer durch die Aue bis zum alten Luppelauf, um dann im Landkreise Merseburg wieder mit einer ganz flachen Gegenkurve in die Mitte der Aue zurückzukehren und den 15 km langen Weg bis zum Fürstendamm bei Burgliebenau mit wenigen sanften Krümmungen zurückzulegen. In dem neuentstandenen Kanal in der Gemarkung Schkeuditz fließt in Zukunft ständig das Wasser der ›Luppe‹. In Hoch-

Der idyllische Palmengarten liegt in unmittelbarer Nähe des Elsterflutbeckens


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ELSTER-LUPPE-AUE Mühlen entlang der »Luppe« und der »Weißen Elster«

S

o zerstörerisch das Wasser sein konnte, so wussten die Menschen aber auch die Wasserkraft für sich zu nutzen. Entlang von »Luppe« und »Weißer Elster« entstanden viele Mühlen. Einige sollen an dieser Stelle vorgestellt werden.

Neben der Wasserversorgung der Ortschaft wurde die »Luppe« zunächst als Energielieferant für die Mühlen von Böhlitz und Gundorf genutzt. Erste Zeugnisse der Mühlen gibt es aus der Zeit des Merseburger Abtes Werner (1263 –1288).

»Böhlitzer Mühle«

In der Orts-Chronik von Bartsch wird über die damalige Zeit wie folgt berichtet: »Die Mühle war dem Abte des Klosters lehnpflichtig. Der Müller hatte alljährlich Zinsen an Geld und Korn dahin zu liefern. Starb der Lehensträger, so mussten 15 Gulden zum Lehngeld gezahlt werden. Beim

Die »Luppe«, jener Fluss, der im Nordwesten in einem künstlich angelegten Flussbett fließt, floss einst unmittelbar an den nördlichen Ortsgrenzen von Böhlitz und Ehrenberg entlang.

Der Luppeübergang der »Böhlitzer Mühle«, vom Fabrikhof aus gesehen


Böhlitzer Mühle Wechsel des Abtes war kein Lehngeld zu entrichten. Damit der Müller sein Gewerbe auch ungestört ausüben konnte, hatte der Lehnsherr eine feste Ordnung über Stauung des Wassers aufgestellt, nach der sich ein jeder zu richten hatte.« Im Jahre 1536 gehörten zum Mühlenanwesen die Mühle selbst, eine Mahlmühle, eine Mühlwiese, 71/2 Acker Mühlholz und die Benutzung des Bächleins »Biela«, dem damaligen Grenzfluss zwischen Böhlitz und Ehrenberg. Zwei Jahre später wurde die Mühle von Benedict Wiedemann für 1 200 Gulden an den Leipziger Rat verkauft. Im Zuge des Schmalkaldischen Krieges fiel die »Behlitzer Mühle« 1547 den Flammen von brandschatzenden Landsknechten zum Opfer. Nach dem Krieg wurden die Güter nach und nach wieder aufgebaut. Die »Böhlitzer Mühle« um 1860

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Während des Dreißigjährigen Krieges brannten bei einem feindlichen Angriff im Jahre 1631 das Wohnhaus des Müllers, die Scheune mit allen Vorräten sowie die Stallanlagen nieder. Aus finanziellen Gründen konnte der Müller die Gebäude nicht wieder aufbauen. Bis ins 19. Jahrhundert war die »Böhlitzer Mühle« eine Öl- und Mahlmühle. Im Jahre 1846 kaufte Heinrich Wilhelm Kotrade das Mühlengut von Marie Wilhelmine Eisenschmidt: »a) mit sämtlichen Wohn- und Wirtschaftsgebäuden b) mit Mahl-, Schneide- und Oelmühle und der Brennerei c) mit sämtlichen dazu gehörigen Feldern, Wiesen, Gärten und Holz d) mit dem lt. Lehnschein vom 12.11.1837 zwischen dem Bertram’schen Nachbar– Fortsetzung auf Seite 56 –


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ELSTER-LUPPE-AUE »Stahmelner Mühle«

Die »Stahmelner Mühle« wurde bereits im Jahre 1486 erstmalig in einem Zinsregister urkundlich erwähnt und ist eines der Wahrzeichen des Ortes. Andere Quellen sprechen von 1463 als Jahr der Ersterwähnung. 1647 brannte die Mühle völlig nieder. Da der Erbmüller Nicolaus Staffelbein die Mühle nicht aus eigenen Mitteln wieder aufbauen konnte, bat er den Rat der Stadt Leipzig um Hilfe. 1875 brannte die Mühle bei einer verheerenden Brandkatastrophe erneut vollständig nieder. Karl Heinrich Naumann baute sie wieder auf und ersetzte das Wasserrad durch zwei Turbinen. An die Stelle der Mühlensteine traten nun Walzenstühle. Im Jahr 1885 lässt Franz Lucke (1857– 1929), der bereits die Thomasmühle in der Stadt Leipzig bewirtschaftete, an Stelle der alten Wassermühle eine elektrisch

betriebene Mühle bauen. Die Silotürme dieser Mühle sind 35 m hoch. Durch diese technischen Voraussetzungen konnte er den Mahlvertrag mit der Heeresverwaltung absichern. Er belieferte bis 1905 hauptsächlich die Garnison auf der Leipziger Pleißenburg. Die im Jahre 1875 eingebauten Turbinen wurden erneuert. Der Erwerb einer Dampfmaschine sicherte den Mahlbetrieb bei Niedrig- oder Hochwasser. Ab 1905 wurde innerhalb von 30 Jahren die Mühle sukzessiv zur Industriemühle umgestaltet. Dazu wurde 1912 die gesamte Mühle abgerissen. Die Projektierung für den Neubau der Mühle übernahm die Leipziger Firma Max Waldemar Vogel. Die Braunschweiger Firma Amme, Giesecke & Konegen AG lieferte die technische Ausrüstung, so unter anderem moderne Walzenstühle, Putzmaschinen, Elevatoren und Plansichter.

In den »Mühlenwerken Stahmeln« wird auch heute noch Mehl gemahlen


Stahmelner Mühle

Zudem erweiterte man die Siloanlagen sowie den Mehlspeicher und stellte auf Elektrobetrieb um. In den Jahren 1916 / 1917 fand ein Anbau eines achtstöckigen Getreidesilos statt. Dies war notwendig geworden, da die Reichsgetreidestelle während des Ersten Weltkrieges die Lagerung größerer Mengen von Getreide verlangte. 1934 /35 wurden ein weiteres Silo mit 1 500 Tonnen FassungsvermöHauptgebäude der »Mühlenwerke Stahmeln«

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gen sowie eine Trocknungs- und Areginal-Vergasungsanlage angebaut. Bis 1945 war die »Lucke-Mühle« ein Familienbetrieb. 1946 wurde sie, wie fast alle Unternehmen in privater Hand, enteignet und in das Volkseigentum überführt. Zuletzt gehörten die »Mühlenwerke Stahmeln« zum VEB Kombinat Getreidewirtschaft Leipzig. Die letzte Grundinstandsetzung der Mühle fand 1986 statt. Ab 1990 begann die Reprivatisierung. Unter der Führung der Treuhand wurde die Mühle in eine GmbH umgewandelt. Schließlich erwarb die Vereinigte Kunstmühlen AG aus Hamburg die Mühle zu recht günstigen Konditionen. Das Vorhaben, mit zwei weiteren Mühlen in den neuen Bundesländern eine neue Produktionslinie aufzubauen, misslang. Aus finanziellen Gründen zog sich die Vereinigte Kunstmühlen AG aus dem Osten


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Die Wasserkraft – Energie mit langer Geschichte n Wasser steckt sehr viel Kraft, die wir mit Wasserkraftwerken gewinnen können. Energie, die durch den Kreislauf des Wassers aus Verdunstung von Weltmeeren und Gewässern auf Kontinenten gespeist wird. Schon im antiken Griechenland und Rom nutzte man die Wasserkraft durch Wasserräder, die allerdings durch die billige Arbeitskraft von Sklaven und Tieren wenig Verbreitung fanden. Durch die Entwicklung großer Wasserräder wurden im Mittelalter immer häufiger Wassermühlen betrieben, bis die leistungsschwachen Holzräder aufgrund der fortschreitenden Industrialisierung Anfang des 20. Jahrhunderts durch Wasserturbinen ersetzt wurden. Diese können bei unterschiedlichem Wasserstand die Energie besser nutzen, folglich entstanden auch an der »Elster« im Nordwesten von Leipzig mehrere Kleinwasserkraftanlagen. Sie gaben dem wirtschaftlichen Wachstum entscheidende Impulse.

I

Schema einer modernen Wasserkraftanlage

Der Kreislauf des Wassers

Verdunstung vom Meer ca.400 000 ca.400.000

Niederschlag

ca. 40 000

ca. 390 000

Verdunstung vom Land 70 000 ca. 70.000

ca. 70 000

Werte in km3/ a

Heute gehört die Wasserkraft zu den wichtigsten Formen der Energieerzeugung, die durch Umweltschutzmaßnahmen mit erneuerbaren Energien genutzt wird. So wurden in den neuen Bundesländern viele in der Nachkriegszeit stillgelegte Wasserkraftwerke wieder in Betrieb genommen.

Generator

Stator

Rotor Automatische Rechenreinigungsanlage

Welle

Wasserzulauf Maschinenhaus

Leitradgruppe Turbinenschaufeln

Turbine

Oberwasser Generator Fallhöhe Turbine

Unterwasser


Hänicher Mühle »Hänicher Mühle« Die Wasserrechte der »Hänicher Mühle« lassen sich bis ins 15. Jahrhundert zurückverfolgen. Nach einem verheerenden Brand wird die »Hänicher Mühle« im Jahre 1921 wieder aufgebaut. Die 1922 eingebau-

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ten Francis-Turbinen erbrachten bei einer Stauhöhe von 1,20 m eine Leistung von etwa 60 kW. 1926 verkaufte der Müller Mielke die Mühle an die Stern-Brotfabrik in Leipzig-Eutritzsch. Zirka 1980 bis 1991 wird das Mühlengebäude als Wohnheim für Ausländer genutzt. Der momentane Zustand des Mühlengebäudes ist auf dem kleinem Bild zu erkennen. Es soll allerdings Bestrebungen geben, das Gebäude zu sanieren. Neben den hier aufgeführten Mühlen gab es noch je eine Mühle in Altscherbitz und in Schkeuditz sowie die Mühle in Wahren.

Die »Hänicher Mühle« in heutigem Zustand

Hinter der »Hänicher Mühle« fließt die »Weiße Elster«


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ELSTER-LUPPE-AUE

Der Ziegelrohstoff des Wasserturms von Bรถhlitz-Ehrenberg wurde aus dem Auenlehm gewonnen


Vom Lehmabbau Die Ziegelei Schlobachs befand sich in Sichtweite der alten Leisebein’schen Ziegelei an der »Lützschenaer Straße« im Gundorfer Waldwinkel. Diese Ziegelei wurde von dem Gutsbesitzer Platzmann aus Barneck gegründet und später von Schlobach gekauft. Der Besitzer der benachbarten Ziegelei, Franz Leisebein, kaufte Schlobach die an dessen Ziegelei grenzenden, lehmträchtigen Wiesen vor der Nase weg. Daher musste Schlobach weiter entferntes Land erwerben und den Lehm zum Teil auf Kähnen auf der »Luppe« und mittels einer Drahtseilbahn von den Wiesen am Bienitz herantransportieren. Diese Drahtseilbahn war 1 400 m lang und ermöglichte die Steigerung der Transportleistung für die wöchentliche Herstellung von 80 000 Ziegeln. Um die Herstellung dieser Anzahl von Ziegeln zu ermöglichen, wurden wöchentlich 230 m3 Lehm benötigt. 1910 war das Gelände des bereits gerodeten Rückmarsdorfer

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Stiftungswaldes von Franz Schlobach gekauft worden, um den darunterliegenden Lehm gewinnen zu können. Die Ziegeleien profitierten seinerzeit von der regen Bautätigkeit der Gründerjahre. Der Preis je 1000 Steine stieg nach 1871 rasch von 18 auf 40 (Gold-) Mark. Während vor dem Ersten Weltkrieg noch ganz gut verdient wurde, verblieb ab 1921 bei 400 Mark pro Tausend Ziegel wegen gestiegener Kohlepreise dann nur noch ein ganz geringer Nutzen. 1919 kam deswegen Schlobachs Unternehmen nach etwa 30-jährigem Bestehen zum Erliegen. Die Ziegelei wurde bis 1924 abgebrochen. Auf dem Gelände des ehemaligen Stiftungswaldes errichtete man die Gutshofanlage Schlobachshof, in der später Geflügelzucht und -haltung betrieben wurde (Vertrag mit der Universität Leipzig, Institut für Kleintierzucht, Leiter Prof. Dr. H. Müller). Heute lädt hier das »Waldcafé« des Schlobachshofes zur Einkehr ein.

Die »Gundorfer Ziegelei« kaufte Franz Schlobach 1863 von Henri Platzmann


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ELSTER-LUPPE-AUE DER AUTOR DENIS ACHTNER

Denis Achtner, geboren 1976, lebt in Böhlitz-Ehrenberg, studierte ab 1996 an der Universität Leipzig Journalistik, Germanistik und Politikwissenschaften und schloss dieses Studium 2001 erfolgreich ab. Er arbeitet als Redakteur bei der Creativ Werbeagentur Kolb GmbH. Aus seiner Feder stammen unter anderem die Bände »Rund um BöhlitzEhrenberg«, »Elster-Saale-Kanal«, »Das Waldbad Böhlitz-Ehrenberg« sowie »Streifzüge durch BöhlitzEhrenberg«. Für die Jahreskalender von BöhlitzEhrenberg und Bienitz sowie für die Postkarten für Böhlitz-Ehrenberg, Rückmarsdorf, Burghausen und Lützschena steuerte er zahlreiche Fotografien bei.

DER GESTALTER RALF KRISCHOK Ralf Krischok, geboren 1961, lebt in Stuttgart und absolvierte 1980 den staatlichen Abschluss zum Grafik-Designer. Seine beruflichen Ziele konnte er bisher als Grafiker, Illustrator, Produktdesigner und Konzeptioner im Trickfilm, in der Werbung, im Verlagswesen und in der Industrie verwirklichen. Heute arbeitet er für die Creativ Werbeagentur Kolb GmbH. Er ist für die grafische Konzeption, den Satz und die Reproduktion dieses Bandes verantwortlich. Unter anderem erstellte er auch Karten sowie Grafiken und lieferte einige redaktionelle Beiträge. Ralf Krischok gestaltete bereits die vorangegangenen Bände der Reihe »Böhlitzer Hefte«.

LITERATUR-VERZEICHNIS Literatur: Clemens Bartsch: Böhlitz-Ehrenberg in alter und neuer Zeit, Druck und Verlag Gustav Kühn, Böhlitz-Ehrenberg, 1936. Peter Guth, Bernd Sikora, Norbert Vogel: Leipziger Landschaften, Greifenverlag zu Rudolstadt, 2. Auflage 1990. Agnes Berkemeier: In der Elster-Luppe-Aue, 1. Aufl., Sax-Verlag, Beucha 1997. PRO LEIPZIG: An Leipzigs Ufern, Bootstouren – Radpartien – Wanderungen, 3. Aufl., Leipzig 2006. PRO LEIPZIG: Quer durch Leipzig mit dem Rad, 1. Auflage 2001. Rehm, Axel: Leipzigs Wälder. Städtisches Grün in der Geschichte und Gegenwart, 1. Auflage, Sax-Verlag, Beucha 1996. Dagmar Haase: Paper zu einer geographischen Exkursion in die Flussauen der Weißen Elster, Pleiße und Luppe sowie ihrer Wälder in Leipzig, Gerd K. Müller und Uta Zäumer (Hrsg.): Der Leipziger Auwald: ein verkanntes Juwel der Natur, 1. Auflage, Urania-Verlag, Jena, Berlin 1992. Broschüren: Ortschaftsrat B.-Ehrenberg/Förderverein Ortsgeschichte B.-Ehrenberg /Werbeatelier Kolb: »910 Jahre Böhlitz-Ehrenberg«, 2001. Siegfried Schumann/Helge Schmidt: Gundorf 974–2004, Förderverein Ortsgeschichte Böhlitz-Ehrenberg e.V. , Leipzig 2004.

Hannelore Voigt: Aus der Geschichte der Gemeinde Böhlitz-Ehrenberg, Böhlitz-Ehrenberg 1998. Förderverein Neue Ufer Leipzig e. V.: Neue Ufer, Bd. 3, 2. Aufl. 1998. PRO LEIPZIG: Böhlitz-Ehrenberg – Eine historische und städtebauliche Studie, Leipzig 2000. PRO LEIPZIG: Lützschena – Eine historische und städtebauliche Studie, Leipzig1999. PRO LEIPZIG: Stahmeln – Eine historische und städtebauliche Studie, Leipzig 2000. Stadt Leipzig – Dezernat Umwelt/Ordnung/Sport – Amt für Umweltschutz: 4. Leipziger Auwaldsymposium – Der Leipziger Auwald und das Wasser. Leipzig 2005. Zeitungen / Zeitschriften: Leipziger Volkszeitung, 16.10.2001. BILD Leipzig, 17.05.1999. Leipziger Neueste Nachrichten, 07.02.1923. Sonderdruck »Leipziger Beobachter«, 1936. Sonstiges: Abschrift der Gerichtsakten »Die Besichtigung der Mühle zu Böhlitz-Ehrenberg samt was dem anhängig betreffend«, Gerichtsamt Leipzig II, 1858. Stadt Leipzig – Dezernat Umwelt, Ordnung, Sportgrünflächenamt: Landschaftsplan der Stadt Leipzig, Passage-Verlag, Leipzig 2001.


SPONSOR DIESES BANDES

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Websites: www.muehle-stahmeln.de www.luetzschena-stahmeln.de/gesicht/geschichte_luetzschena.htm www.luetzschena-stahmeln.de/gesicht/elstermuehlen/index.html www.luetzschena-stahmeln.de/gesicht/luppe/index.html www.lizzy-online.de/print.php?sid=2959&POSTNUKESID=a252f7ca470a63ca2c0c5514502099e6 www.ufz.de/data/108-1193087.pdf www.ufz.de/index.php?de=2218 www.ufz.de/data/haase_exkursion_geotag011687.pdf www.grin.com/e-book/105401/der-leipziger-auwald www.lehmstedt.de/pdf/07_kalender04_leseprobe.pdf www.mwiedemann.net/themen/natur/auwald_leipzig.php www.leipzig.de/imperia/md/content/67_gruenflaechenamt/leutzsch.pdf http://solaratlas.htwk-leipzig.de/beispielseite_01.php?id=g2 http://de.wikipedia.org/wiki/Burgaue

BILDQUELLEN-VERZEICHNIS Alle Fotos von Denis Achtner, außer der folgenden Abbildungen: Ulrich Kolb: Titel (unten rechts), S. 9 (unten rechts); Flussmeister Arthur Ludwig (aus dem Archiv des Fördervereins Ortsgeschichte BöhlitzEhrenberg e. V.: Titel (unten Mitte), Rückseite (links, rechts), S. 14/15 (Mitte), S. 22, S. 24/25, S. 30–33, S. 35, S. 36 (unten), S. 37–41, S. 47 (unten), S. 48–51, S. 65 (unten);

Ralf Krischok: S. 21 (Mitte rechts); Gustav Moritz: S. 23; Förderverein Ortsgeschichte Böhlitz-Ehrenberg e. V.: S. 26/27, S. 29, S. 34 (oben), S. 36 (oben), S. 52/53, S. 57–65, S. 74–79, S. 81; B. Faulstich/Flussmeister Arthur Ludwig: S. 46 (o.). Karten & Illustrationen: © Creativ Werbeagentur Kolb GmbH, erstellt von Ralf Krischok: S. 8–10, S. 14, S. 16–18, S. 29, S. 54–55, S. 72, S. 77, S. 79.


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