Elster-Saale-Kanal

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BÖHLITZER HEFTE

E lster-Saale-Kanal

Vom Karl-Heine-Kanal über den Lindenauer Hafen bis zur Schleuse des Elster-Saale-Kanals in Wüsteneutzsch



VORWORT Diese Ausgabe der »Böhlitzer Hefte« befasst sich mit dem »Elster-Saale-Kanal« – von den ersten Plänen im 18. Jahrhundert, dem Bau des »Karl-Heine-Kanals«, den jahrelangen Arbeiten am »ElsterSaale-Kanal« bis zur Einstellung des Baus während des Zweiten Weltkrieges. Den Bau des »Elster-Saale-Kanals« dokumentieren zahlreiche historische Aufnahmen, die dem Fotoalbum des am Kanalbau beteiligten Bauingenieurs A. Dockhorn entstammen und hier erstmals veröffentlicht werden. Diese Fotos zeigen anschaulich die Größe des Projektes, den Fortschritt der Arbeiten und den zunehmenden Einsatz von Maschinen in den Kriegsjahren, als die anfangs zahlreich eingesetzten Bauarbeiter großteils zum Militär eingezogen wurden. Diese historischen Bilder stellten uns Jutta und Helge Schmidt zur Verfügung, wofür wir uns sehr bedanken. Zu DDR-Zeiten wurde der »ElsterSaale-Kanal« eher stiefmütterlich behandelt. Nach der politschen Wende fand er – wie auch der »Karl-Heine-

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Kanal« – wieder großes Interesse, nicht zuletzt bedingt durch die Bewerbung Leipzigs für Olympia 2012. Ganz aktuell möchte die Stadt Leipzig den »ElsterSaale-Kanal« in das Konzept »Wasserstadt Leipzig« bzw. »Neuseenland« einbinden und so wird der Kanal zunehmend aus seinem langen »Dornröschenschlaf« erweckt. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an die aktiven Mitglieder des Fördervereins für Ortsgeschichte BöhlitzEhrenberg e.V. für ihre tatkräftige Mithilfe bei der Durchsicht des Textes. Und ein besonderer Dank gilt allen Sponsoren, die mit ihrer finanziellen Förderung zum Druck dieses Bandes wesentlich beigetragen haben.

Ulrich Kolb Herausgeber, Werbeagentur Kolb

Denis Achtner Bild- und Textautor


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ELSTER-SAALE-KANAL

Der »Elster-Saale-Kanal« ist ohne die Pionierarbeit des Leipziger Industriellen Dr. Karl Heine nicht vorstellbar, der mit dem Bau des nach ihm benannten Kanals die Grundlage für den erst später entstandenen »Elster-Saale-Kanal« schuf.

Heine sein Kanal Karlund Leipzig galt aufgrund des fehlenden Wasserstraßen-Anschlusses als teurer Wirtschaftsstandort. Schon der sächsische Kurfürst Johann Georg III. befürwortete 1706 den Bau einer Wasserstraßen-Verbindung zum Meer. Kurfürst Friedrich August I., genannt »August der Starke« (1670–1733) und Friedrich August III. (1763–1827) waren

Bau des »Karl-Heine-Kanals« 1864

ebenfalls Befürworter eines Kanalbaus. Zum Bau kam es allerdings aus verschiedenen Gründen (Napoleonische Kriege, Teilung Sachsens…) nicht. In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden erneut Pläne erstellt, Dr. Karl Erdmann Heine Leipzig an die norddeutschen Wasserstraßen anzubinden, genauer gesagt, die »Weiße Elster« mit der »Saale« zu verbinden. Der Unternehmer Dr. Karl Heine (1819–1888) begann 1856 auf eigene Kosten an der »Weißen Elster«, in der Nähe der »Nonnenstraße« und parallel zur »Industriestraße«, mit dem Bau des später nach ihm benannten Kanals. Der Erdaushub diente zur Trockenlegung der Sümpfe der Elsteraue zwischen Leipzig und Plagwitz und schuf die Grundlage für den Bau von Industrieanlagen auf diesem Gebiet. Am 25. Juni 1864 wurde der erste Abschnitt des »Karl-Heine-Kanals« eingeweiht. Dieser bis zur Zeitzer Eisenbahnlinie fertiggestellte Kanalabschnitt gestaltete sich als Kraftakt, da Grauwacke (bergmännische Bezeichnung für festes Sedimentgestein des Paläozoikums) den Aushub erschwerte und bis zu 14 Meter tief gegraben werden musste. Damit verbunden waren unerwartet

Hier zweigt der »Karl-Heine-Kanal« (Bildmitte) von der »Weißen Elster« ab


Karl Heine und sein Kanal

Der »Karl-Heine-Kanal« – im Hintergrund das Stelzenhaus

Das »Riverboat« – hier produziert der MDR die gleichnamige Talkshow

Wohnen am Wasser – Lofts am Ufer der »Weißen Elster« in früheren Fabrikgebäuden

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Der Kanalbau

Vom Territorium des zukünftigen Lindenauer Hafens aus sollte der »Elster-Saale-Kanal« bis zur »Saale« bei Kreypau entstehen und später mit dem »Karl-HeiArbeiten nahe des Bahnhofes Rückmarsdorf ne-Kanal« verbunden werden. Konzipiert wurde er so, dass auch 1000-tSchiffe mit 2 m Tiefgang den Kanal hätten passieren können. Das Kanalbett hatte eine Sohlenbreite von 16 m und eine Aushub des Kanalbettes bei Burghausen Spiegelbreite von 23 m. Bei Mittelwasser betrug die Wassertiefe 2,50 m. Die damals hauptsächlich eingesetzten 500-tSchiffe waren etwa 6,50 m breit. Somit konnte der Schiffsverkehr in beide RichKiesgewinnung beim Kanalaushub tungen zur gleichen Zeit erfolgen. Der Bau des Kanals begann im Rahmen der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen am 11. Juli 1933. Der Fertigstellungszeitpunkt Brücke der Reichsstraße Leipzig–Merseburg war für das Jahr 1942 geplant. Rund 87 Millionen Reichsmark sollte der Kanalbau kosten. Bis zu 1800 Arbeiter hoben zunächst in Handschachtung das neue Kanalbett aus. Später erleichterten u.a. Eimerkettenbagger und Kratzbänder die schwere Arbeit.


Der Kanalbau

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Einsatz von Förderbändern beim Aushub des Kanalbettes

Die »Miltitzer Brücke« vor...

... und nach der Flutung des Kanals


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verhindern sollten. Diese beiden Sperrtore befinden sich in der Nähe des Bienitzwaldes bei Burghausen und bei Zschöchergen. An beiden Ufern stehen sich zwei kleine Brückentürme gegenüber, die eine Stahlkonstruktion hielten, an der das Tor herabgelassen werden konnte. Das Stahltor vom Bienitz wurde allerdings in den 50er Jahren abgebaut und in ein Bauwerk des »Oder-Havel-Kanals« eingesetzt. Heute sind nur noch die Türme und die in den Turmfundamenten eingelassenen Führungsschienen der Tore zu sehen. Um den Wasserstand des Kanals kontrollieren und ggf. regulieren zu können, entstand 1937 eine Entlastungsanlage unmittelbar neben dem Durchlass des Baches »Zscham-

pert«. Sie hat zwei große Stahlheber, die je 10 m3 Wasser pro Sekunde aus dem Kanal abfließen lassen konnten. Bei Reparaturarbeiten oder Hochwasser hätte der Kanal zwischen den beiden Sperrtoren binnen 14 Stunden abgelassen werden können. In Richtung Autobahn gibt es noch zwei weitere erwähnenswerte Bauwerke: Eine Straßenunterführung zu Beginn der Ortschaft Dölzig und die Unterführung der Bundesstraße 186 am Ende von Dölzig, die den Kanal in einer Länge von rund 110 m unterquert. Kurz hinter der Autobahn befindet sich das besagte zweite Sperrtor und unweit davon endet der Kanal. Blickt man entlang des bereits zum Teil schon ausgehobenen Kanalbettes in Richtung Kreypau, so ist in einiger Entfernung – mitten auf dem Feld – eine Brücke zu erkennen, unter der der Kanal einmal verlaufen sollte.

Der Torträger, an dem später das Sperrtor befestigt wurde


Der Kanalbau

Das fertige Sperrtor mit Blick in Richtung Dรถlzig

Bau des Sperrtores bei Burghausen

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Der obere Laufsteg mit der Seilrollenlagerung


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direkt an der Hafeneinfahrt. Hier wurden Ölfrüchte, insbesondere Raps, eingelagert und sogenannte Presskuchen aus der Speiseölherstellung verarbeitet, welche mittels Benzin extrahiert wurden. 1964 wurde die Hälfte des Gebäudes durch eine Explosion zerstört. Über die Ursache gibt es verschiedene Aussagen. Angeblich sei trotz Rauchverbotes geraucht worden. In einem Artikel der LVZ hingegen war zu lesen, dass der verantwortliche Mitarbeiter anstatt auf den Kessel zu achten, im Keller schwarz geschlachtetes Fleisch an seine Kollegen verkauft habe. Blick in Richtung Hafeneinfahrt

Das Firmengebäude der Leipziger Kraftfuttermittel GmbH


Die Hafenanlagen In den 70er Jahren wurde vor diesem zerstörten Speicher ein Stahlgebäude für die Hopfenverarbeitung errichtet, die bis 1989 betrieben wurde, ehe sie von der staatlichen Hygiene geschlossen wurde. Die Reste des Werkes wurden vor Jahren abgerissen. Möchte man an das westliche Ufer gelangen, muss man eine Brücke überqueren, unter der sich der Durchlass zum Kanal befindet. Dieser ist allerdings nur rund 1 m im Durchmesser und ist

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mit einem Gitter verschlossen und kann somit nicht durchquert werden. Die Westseite des Hafens hat im Gegensatz zum Ostufer einen natürlichen Charakter, ebenso die Halbinsel am Ende des Hafenbeckens, die bei Anglern sehr beliebt ist. Es gibt keine befestigte Kaimauer. Hier ist auch der Abbruch der Bauarbeiten gut zu erkennen.


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Die Schleusenkammer ist 85 m lang, 12 m breit und an der Einfahrt 3 m tief – bietet also ausreichend Platz für ein 1000-t-Schiff. Da der Wasserverlust gering zu halten war, wurde die Schleuse als »Sparschleuse« konzipiert. Hierbei wird das Wasser in der Schleuse bei der Talfahrt nicht in das Unterwasser abgelassen, sondern in den »Sparbecken« gespeichert, die sich rechts und links der Schleuse befinden. Bei der Bergfahrt wird dieses Wasser dann wieder in die Schleuse abgelassen und das Schiff nach oben befördert. Dieses Prinzip ist energiesparend und hat nur einen geringen Wasserverlust zur Folge. Da alle Arbeitskräfte und das Baumaterial in den Kriegsjahren für die Rüstungsindustrie

Auf der Schleusenmauer

Sicht auf die Schleusenanlage von Leipzig kommend – bis zur »Saale« sind es nur noch etwa 2 km!

Über 10 Meter hoch – die Schleusenkammer


Schleusenbau und Einstellung

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Die Schleusenausfahrt (Blick in Richtung Leipzig) liegt 10 m tiefer als die Einfahrt

Blick in die Schleusenanlage


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Der »Elster-Saale-Kanal« ist heute aus dem Landschaftsbild nicht mehr wegzudenken, jedoch hat er seine ursprüngliche Aufgabe nie erfüllen können


Nachwende- und Neuzeit

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sind sieben wassertouristiLeipzig-Mitte zwischen Zukünftiger Stadthafen sche Kurse mit unter»Marschnerstraße«, »Kätheschiedlichen Längen von Kollwitz-Straße« und »Fried7,5 km bis 41 km geplant. rich-Ebert-Straße« entsteRund um das Hafengelänhen. de werden Wohnungen, Der Stadthafen, der über Geschäfte, Gewerbe, Büros, eine Einfahrt vom »Elstergastronomische Einrichmühlgraben« aus erreichtungen und Herbergen entbar sein soll, wird eine stehen. Größe von rund 7000 m2 Die Realisierung des haben. Mit dem StadthaStadthafenbaus soll nach fen wird die Innenstadt aktuellem Kenntnisstand direkt mit den Wasserstrain den Jahren 2009 bis ßen im Leipziger Umland 2010 erfolgen. In wieweit dieser Zeitrahmen verbunden. Über 200 km Wasserwege könrealisierbar ist, wird die Zukunft zeigen. nen somit entwickelt werden. Momentan

Das Ende des »Elster-Saale-Kanals« hinter Zschöchergen – 1942 wurden die Bauarbeiten kriegsbedingt plötzlich eingestellt


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