BÖHLITZER HEFTE
S treifzüge durch
B öhlitz-Ehrenberg B BÖHLITZER HEFTE
Alter Ortskern Rund um den Wasserturm Gundorf
W ERBEAGENTUR K OLB in Zusammenarbeit mit dem Förderverein Ortsgeschichte Böhlitz-Ehrenberg e.V.
VORWORT Dieser Band der »B ÖHLITZER H EFTE « nimmt Sie mit auf drei Streifzüge durch Böhlitz-Ehrenberg. 1. Entdecken Sie mit uns die alten Ortskerne von Böhlitz und Ehrenberg. Wir zeigen Ihnen historische und aktuelle Abbildungen von Straßenzügen, Gebäuden und Plätzen. 2. Kommen Sie mit auf einen Streifzug rund um das Wahrzeichen des Ortes, den Böhlitzer Wasserturm, und erfahren Sie Wissenswertes über die Schulen, das neue Ortszentrum und natürlich über den Wasserturm selbst. 3. Der dritte Streifzug führt nach Gundorf, das im Jahre 1934 nach BöhlitzEhrenberg eingemeindet wurde. Auch hier gibt es interessante Fakten zur Schule, Kirche und natürlich zum Gundorfer Schloss.
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An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an die aktiven Mitglieder des Fördervereins für Ortsgeschichte BöhlitzEhrenberg für ihre tatkräftige Hilfe bei der Beschaffung historischer Bilder, der Bereitstellung von Texten und der intensiven Durchsicht des Textes. Und ein besonderer Dank gilt allen Firmen und Gewerbetreibenden, die mit ihrer finanziellen Förderung zur Realisation des Bandes wesentlich beigetragen haben.
Ulrich Kolb Werbeagentur Kolb GmbH
Denis Achtner Bild- und Textautor
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FÖRDERVEREIN ORTSGESCHICHTE ENGAGEMENT FÜR DIE GESCHICHTE BÖHLITZ-EHRENBERGS
Förderverein
Ortsgeschichte Böhlitz-Ehrenberg e.V. Dieser Band entstand in enger Zusammenarbeit mit dem Förderverein Ortsgeschichte Böhlitz-Ehrenberg e. V., der gemeinnützig tätig ist und sich mit der Pflege und Förderung des Heimatgutes, der Ortsgeschichte und der historischen Forschung beschäftigt. Thematisch vielseitige Sammlungen werden in Dauer- und Sonderausstellungen der Öffentlichkeit präsentiert. Dazu geben die Mitglieder fachbezogene Erläuterungen und verfassen ortsgeschichtliche Zusammenstellungen. Die Räumlichkeiten des Vereinshauses in der Südstraße 10 in Böhlitz-Ehrenberg bieten aber auch Platz für interessante Gastausstellungen – sprechen Sie uns bitte an! Die Ausstellungen sind jeden Dienstag von 15.00 bis 18.00 Uhr für
die Öffentlichkeit zugänglich. Außerhalb dieser Zeiten können natürlich auch Termine vereinbart werden (Tel. 03 41/ 4 42 26 52). Wenn Sie sich für die Böhlitz-Ehrenberger Ortsgeschichte interessieren, würden wir uns freuen, Sie in unserem Verein begrüßen zu können! Mehr Informationen zum Verein und zur Geschichte Böhlitz-Ehrenbergs gibt es auch im Internet auf unserer Homepage: www.ortsgeschichte-b-e.de.
Wolfgang Germanus Förderverein Ortsgeschichte Böhlitz-Ehrenberg e.V.
INHALT
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Böhlitz-Ehrenberg liegt im Westen Leipzigs und wird im Norden durch den Auenwald, im Westen von Dölzig, im Osten durch Leutzsch und im Süden durch Rückmarsdorf sowie durch die Bundesstraße B 181 begrenzt. Der Ortsteil des Stadtbezirkes Altwest ist rund 9 km2 groß und umfasst die Gemarkungen Böhlitz-Ehrenberg – zu dem die ehemaligen Ortslagen Böhlitz, Ehrenberg und Barneck gehören – und Gundorf. 1999 wurde die eigenständige Gemeinde auf Grund des Stadt-Umland-Gesetzes Teil der Stadt Leipzig. DER ALTE ORTSKERN 10 Die »Biela« 13 Die Schlobach’sche Villa 15 Das Forsthaus 16 Die »Laterne« und die »Grüne Aue« 18 Die Ehrenberger »Spukbrücke« 20 Das Etablissement »Waldmeister« 21 Die »Erbschenke« und die »Gute Quelle« 24 Von der »Alten Luppe« bis zum Schlobach’schen Werk 26 Das Hirtenhaus 28 Die »Große Eiche« 29 Die Druckerei Kühn 33 Das erste Schulhaus Böhlitz-Ehrenbergs 34 Die Obstweinschänke »Schloss Ehrenberg« 36 Das Postgebäude und der »Johannes-Weyrauch-Platz« 38 Die »Leipziger Straße« im Jahre 1940 42
RUND UM DEN WASSERTURM Die Villa Bartsch Die Katholische Kirche »St. Hedwig« und das »Wettiner Schloss« Das Geschäft Fugmann Die »Heinrich-Pestalozzi-Schule« Das Neue Ortszentrum Der Wasserturm Die alte Wache der Feuerwehr HISTORISCHES GUNDORF Die Gundorfer Schule Das Restaurant »Warteburg« Die Straßenbahnlinie nach Gundorf Das ehemalige Gemeindeamt und die Kirche zu Gundorf Der Marienhof Die Gundorfer Mühle und das Gundorfer Schloss Der Gundorfer Teich
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BÖHLITZ-EHRENBERG Streifzug 1
DER ALTE ORTSKERN Der erste Streifzug führt uns durch den alten Ortskern von Böhlitz-Ehrenberg, genauer gesagt durch die beiden Ortskerne der ehemaligen Dörfer Böhlitz und Ehrenberg. Bevor wir aber unseren Streifzug starten, ein kurzer Blick in die Geschichte des Ortes. »Belitza«, so der frühere Name des Dorfes Böhlitz, wurde erstmalig in einer Urkunde des Petersklosters zu Merseburg erwähnt, die aus dem Jahr 1091 stammt. »Irrenberg« dagegen wurde erst 1285 genannt. Böhlitz bestand ebenso wie Ehrenberg hauptsächlich aus Bauerngütern. Häufigste Bauform der Güter war der Dreiseitenhof. Dabei stan-
den sich Wohnhaus und Stallgebäude gegenüber und die zugehörige Scheune stand quer zu ihnen. Eine meist steinerne Mauer schloss das Gehöft zur Straße hin ab. Bei der Vereinigung der beiden Dörfer im Jahre 1839 war Böhlitz größer, hatte mehr Häuser und Einwohner als Ehrenberg. Außerdem war es bedeutender, was auch auf den Standort der Mühle in Böhlitz zurückzuführen ist. Die Mühle gilt gleichzeitig als Ausgangspunkt für die Industrialisierung. Die alte dörfliche Struktur zeigt sich auch heute noch in der »Auenstraße«.
Blick in die heutige »Pestalozzistraße« von Böhlitz-Ehrenberg auf einer historischen Postkarte von 1913
DER ALTE ORTSKERN
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Villa Schlobach
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BÖHLITZ-EHRENBERG Streifzug 1
Die Schlobach´sche Villa wurde
Heute ist die Verbundnetz Gas AG Eigentümerin des Schlobach´schen Anwesens. Im Nebenhaus der prächtigen Villa wohnt allerdings noch eine Nachfahrin von Franz Schlobach, die Urenkelin Angelika Kriehmig. Hinzuweisen ist auf das schöne Tor in der Natursteinmauer, genau an der Kurve der »Auenstraße« gen Westen. Noch heute weist die »Auenstraße« aufgrund der erhaltenen alten Häuser einen dörflichen Charakter auf. Folgt man der Straße an der Kurve nach Westen, sieht man auf der linken Straßenseite das alte »Forsthaus« 2 . Dieses wurde 1787 erbaut und im Jahre 1923
1849 von Franz Schlobach erbaut
renoviert sowie mit einem Anbau versehen. Die Försterei befand sich noch 1589 in Gundorf, wurde später aber nach Ehrenberg verlegt. Das Jagdrevier erstreckte sich bis nach Knauthain, Altranstädt, Lindenthal, Schkeuditz und Günthersdorf. Mit der Zusammenführung des Ehrenberger und Zwenkauer Forstamtes war das Ehrenberger Forstgut nur noch Außenstelle. Später verlor es seine Funktion vollständig. Rechtsseitig in Richtung des ehemaligen Böhlitzer Dorfplatzes stand seinerzeit ein Häuschen im barocken Stil,
DER ALTE ORTSKERN
Die Schlobach´sche Villa in der »Auenstraße« Das Tor zur Schlobach’schen Villa (rechts) gehörte ursprünglich zum Leipziger Johannishospital, welches 1910 abgerissen wurde
Blick in die Sackgasse »Zum Forstgut«
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BÖHLITZ-EHRENBERG
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Streifzug 1
Von der »Alten Luppe« bis zum Schlobach´schen Werk
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ie »Luppe«, jener Fluss, der im Norden in einem künstlich angelegten Flussbett fließt, floss einst unmittelbar an den nördlichen Ortsgrenzen von Böhlitz und Ehrenberg entlang. Noch heute sind die tiefen Rinnen und Mulden des ehemaligen
Alte Aufnahme der ehemaligen »Böhlitzer Sägemühle«
Flusslaufes zu erkennen. Allerdings schlängelt sich jetzt nur noch ein kleines Rinnsal namens »Alte Luppe« zwischen den viel zu mächtigen Uferböschungen entlang. Bis weit in das 19. Jahrhundert war die »Alte Luppe« sehr fischreich. So gab es neben Weißfischen, Gründlingen und Barschen auch Hechte, Aalraupen, Aale und sogar leckere Krebse in nicht zu verachtender Menge. Oft gab es auch Streitigkeiten um die Fischrechte. Wenn man heute die behend dahinplätschernde »Neue Luppe« zwischen BöhlitzEhrenberg und Lützschena sieht, vermutet man nicht, dass der Fluss in früheren Zeiten
Der Luppenübergang der »Böhlitzer Mühle«, vom Fabrikhof aus gesehen (um 1890)
Der Eingang zum »Schlobach´schen Furnierwerk« nach der Enteignung
DER ALTE ORTSKERN
oft große Kräfte entwickelte. Öfters trat die »Luppe« über ihre Ufer und überflutete das Umland. Die »Luppe« war auch Ausgangspunkt für verschiedene Spukgeschichten. Oft lagen über ihr dichte Nebelschwaden. Die nächtliche Geräuschkulisse aus dem naheliegenden Auenwald trug ihren Teil dazu bei ( siehe Info-Box »Spukbrücke« Seite 20 ). Man wusste aber auch die Wasserkraft der alten »Luppe« zu nutzen. In Böhlitz und Gundorf wurden schon vor mehreren hundert Jahren zwei Mühlen errichtet.
Erste Zeugnisse der Mühlen gibt es aus der Zeit des Merseburger Abtes Werner (1263–1288). Bis ins 19. Jahrhundert war die Böhlitzer Mühle eine Öl- und Mahlmühle. Im Jahre 1846 kaufte Franz Schlobach von seinem Schwager Heinrich Wilhelm Kotrade das Mühlengut für 50.000 Taler. Nach kurzzeitiger Beibehaltung des Müllereibetriebes wurde die Mühle nach und nach in ein Furnierschneidewerk umgewandelt. Das Unternehmen wuchs schnell, ebenso die Anforderungen an das Mühlrad. Dieses wurde schlussendlich durch Turbinen ersetzt, um den viel höheren Anforderungen gerecht zu werden. Die Was-
Das Werksgelände des Furnierwerkes
serkraft seiner Mühle verkaufte Schlobach für 120.000 Mark an die Stadt Leipzig, die großes Interesse daran hatte, da sie die Stauwehre in den Flüssen von Leipzig beseitigen wollte. Das Schlobach’sche Furnierwerk exportierte seine Furniere in die ganze Welt. Mehrere Zweigstellen des Unternehmens entstanden in Deutschland. Der Name Schlobach steht für die Industrialisierung des Ortes. Zahlreiche Unternehmen siedelten sich im Laufe der Zeit an und verhalfen der Gemeinde zu Wohlstand und sogar zu dem Titel »Größte Industriegemeinde der DDR«. Der Ausgangspunkt dafür ist die »Luppe« und die Böhlitzer Mühle.
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BÖHLITZ-EHRENBERG Streifzug 1
Postkarte der ehemaligen Obstweinschänke, die früher auch »Schloss Ehrenberg« genannt wurde
DER ALTE ORTSKERN
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ursprünglichen Charme verloren. Von der »Obstweinschänke« ging eine große Anziehungskraft aus, sie war weit über die Ortsgrenzen bekannt. Insbesondere am ersten Pfingstfeiertag strömten zahlreiche Gäste in die Schänke, wenn jedes Jahr vom Wirt Otto Naumann
Die Obstweinschänke auf einer historischen Postkarte (oben) wirkt heute nicht mehr imposant (rechts)
Obstweinschänke »Schloss Ehrenberg« e beherbergte. Wenn man historische Bilder betrachtet, kann man verstehen, warum es als »Schloss« bezeichnet wurde. Heute wirkt das Gebäude nicht mehr so ansehnlich. Die Zinnen sind leider verschwunden und das Gebäude hat deshalb den Die Obstweinschänke »Schloss Ehrenberg« in den 1930er Jahren
Erinnerung an eine Straße
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Die »Leipziger Straße« im Jahre 1940
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er nachfolgende Text von Dieter Fröhlich nimmt Sie mit auf einen Spaziergang durch die »Leipziger Straße«, allerdings aus der Sicht des Jahres 1940. Dieter Fröhlich wurde 1931 geboren und wohnte bis zu seinem Umzug nach Sonneberg im Jahr 1954 in der heutigen »Entsbergerstraße 17«. »Oft wird eine Straße durchlaufen und das auch nur in Eile, ohne mit Bedacht Sehenswertes oder Interessantes zu erschauen. Wer nimmt sich dabei schon die Zeit, in aller Ruhe zu beobachten und vielleicht auch noch zu genießen? Doch es würde sich lohnen und Spaß machen, dies in unserem Heimatort zu tun. Selten ist wohl eine Straße in einer Gemeinde so schön, so abwechslungsreich und noch dazu so breit und übersichtlich, wie die Hauptstraße, die »Leipziger Straße«. Sie ist die direkte Verbindung und Zufahrtsstraße von der Stadt Leipzig in den Ort hinein und hat vom Viadukt bis nach Gundorf eine Länge von 2,5 Kilometern. Auf ihrem Weg erfasst sie die ehemaligen Ortsteile Barneck, Ehrenberg, Böhlitz und Gundorf. Das Viadukt Ich fühle mich zurückversetzt in die Zeit der ersten Kriegsjahre, und stehe auf der westlichen der beiden Eisenbahnbrücken, dem Viadukt. Es ist die Brücke, wo sich die Leutzscher und die Böhlitzer Kinder unterschiedlichen Alters, in fast »kämpferischer« Auseinandersetzung, einmal im Jahr, anlässlich des Tauch’schen, gegenüberstanden. Unter mir ist ein reger Eisenbahnverkehr, und immer
wieder ist es aufregend, wenn ein Zug darunter wegfährt und man urplötzlich im Dampf oder Qualm der Lokomotive steht. Mein Blick geht über das Ortseingangsschild »Böhlitz-Ehrenberg« hinweg, der Straße entlang. Schnurgerade verläuft sie, die Hauptstraße, mit den Schienen der Straßenbahn, auf denen die »Gundorfer« fährt. Erst in Höhe des Zuganges zum Wiesenweg ist sie scheinbar zu Ende. Rechts von meinem Standort ist das Ritterschlößchen, in früheren Jahren eine Gaststätte. Links ist, versteckt hinter einem langen Zaun, das Gut »Barneck« erkennbar. Dieses gab einst dem Ortsteil seinen Namen.
Gutshaus Barneck
Ich verlasse die Brücke und laufe der Straße entlang in Richtung des bebauten Ortseingangs. Links, nach der »Gutshofstraße«, stehen einige moderne Villen, sie sind fast neu. Die »Lindenstraße« überquerend, jetzt benannt nach dem Gauleiter von Sachsen (Martin Mutzschmann, d. R.), erscheint die herrschaftliche Villa von Janke. Sie befindet sich in einem großen Garten, umgeben von einem geschmiedeten, eisernen Zaun mit einem schönen Tor.
Leipziger Straße Gegenüber, in Anlehnung an die »Lindenstraße«, stehen einige prächtige Lindenbäume, wie alt mögen sie schon sein? Von den Schulkindern werden oft für die Schule zur Weiterverwendung, aber auch für den eigenen Bedarf, Lindenblüten gesammelt. Der Blick geht von dort hinüber zur Burgaue, dem »Tura-Platz« und dem sich anschließenden Leutzscher Holz. Der Kirchplatz Vorbei an zwei Häusern, in dem einen hat der Polsterer und Dekorateur Otto Riedrich sein Geschäft, ist jetzt der Kirchplatz erreicht. An ihm steht das Kirchgemeindehaus des Heimatortes. Am 29. August 1926 fand dessen feierliche Grundsteinlegung statt. Der Bau einer Kirche war wegen der hohen Kosten in der Inflationszeit nicht möglich und aus diesem Grunde fasste man im Gemeinderat den Beschluss, nur ein Kirchgemeindehaus mit einem danebenstehenden Glockenturm zu errichten. Der Kirchplatz, wie auch die Straße, ist nach einer Person benannt, die sich in dieser Zeit auch »Reichskanzler«, »Führer« und »Oberbefehlshaber der Wehrmacht« nennt. Nahe von diesem Platz beginnt an der Gärtnerei von Schneider der »Wiesenweg«. Auf dem Gärtnereigrundstück befindet sich auch eine große Erdbeerplantage. Eine seiner Züchtungen benannte Herr Schneider nach seiner Café zur Post Frau »Luise«. Der Weg führt von dort an einer Kleingartenanlage und dem TuraPlatz vorbei und dann zum Leutzscher Bahnhof mit dem Bahnübergang und der Endstelle der Linie 17. Am Kirchplatz macht die Hauptstraße einen leichten Bogen nach links und führt
am Hause des Zahnarztes Dr. Flammiger, dem folgenden neuen Wohnhaus mit der Sparkasse und mit dem Haus mit der Post vorbei. Die »Bismarckstraße«, ehemals »Goethestraße«, ist erreicht. Nicht zu vergessen die große Postwiese, ein beliebter Tummel-, Spiel- und Bolzplatz für uns Kinder.
Sparkasse
Die Postagentur Im Eckgebäude neben der Sparkasse ist noch der Eingang zum ehemaligen Restaurant »Café zur Post« sichtbar. Neben der großen Treppe steht im einstigen kleinen Biergarten eine große Linde und neben der Hofeinfahrt in der »Bismarckstraße« ein ebenso großer Kirschbaum. Bevor die Post im Jahre 1923 ihr eigenes Haus erwarb, diente dieses Haus auch als Verkaufsraum für Postsachen, verwaltet zunächst vom Postassistenten Eulitz. Da das Haus dem Glasermeister Endert gehörte, versah dieser danach selbst den Postdienst. Herr Endert zog, nach dem Verkauf des Hauses an Herrn Otto Oehme anfangs der zwanziger Jahre, in die »Mühlenstraße« Nummer 11 und baute dort einen neuen Glasereibetrieb auf. In dem Haus »Bismarckstraße 17« war zugleich eine Gaststätte etabliert, die sich in Erinnerung
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BÖHLITZ-EHRENBERG Streifzug 2
RUND UM DEN
WASSERTURM Der Wasserturm ist das weithin sichtbare Wahrzeichen von Böhlitz-Ehrenberg. Unser zweiter Streifzug führt durch die Straßenzüge rund um diesen 54,60 Meter hohen Ziegelsteinbau. Erfahren Sie Wissenswertes über die Böhlitz-Ehrenberger Schulhäuser, das neue Ortszentrum und natürlich über den Wasserturm selbst.
Bei dessen Renovierung im Jahre 2006, bei der unter anderem die Außenfassade gereinigt, neue Fenster eingesetzt und das Dach neu gedeckt wurden, entstanden vom Dachgerüst in rund 50 Meter Höhe schöne Fotos, die Böhlitz-Ehrenberg aus der Vogelperspektive zeigen. Eine Auswahl dieser Bilder, aber auch zahlreiche historische Fotografien von Straßenansichten und Gebäuden, finden Sie in diesem Kapitel.
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Alte Feuerwache
BÖHLITZ-EHRENBERG
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Streifzug 2
Die »Heinrich-Pestalozzi-Schule«
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as erste Schul1903 in der »Pestahaus von Böhlozzistraße« errichlitz-Ehrenberg, das tet und eingeweiht später viele Jahre wurde. als Gemeindeamt Die Grundsteingenutzt wurde und legung für das heute als Vereinsneue Schulgebäuhaus dient, wurde de in der »Pestalozbereits 1877 in zistraße« fand am der heutigen »Süd19. April 1903 statt. straße« gebaut. Die Weihe des Doch die stürGebäudes erfolgte mische Entwickbereits am 19. OkDas erste Schulhaus war rasch zu klein lung der Gemeintober des gleichen de um die Jahrhundertwende verlangte Jahres. Erster Schuldirektor war der bereits bald nach einem neuen Schulgebäude, das erwähnte Ortsschulinspektor Clemens Bartsch. Da die Schülerzahlen weiterhin rasch anstiegen, wurde in zwei Schritten Das neuerbaute Schulhaus in der »Pestalozzi(1908 und 1913/14) ein Gebäudeflügel straße« nach der Fertigstellung im Jahr 1903
RUND UM DEN WASSERTURM
Der Schulhof der »Pestalozzi-Schule« heute
an der Westseite mit insgesamt zwölf Klassenzimmern angebaut. Die Baukosten betrugen rund 43.000 Reichsmark. Zu Ostern 1914 wurde der neue Flügel in Benutzung genommen. Für den östlichen Teil des Gebäudes war ein weiterer Anbau
geplant, der allerdings nie verwirklicht worden ist. Während des Ersten Weltkrieges wurden Teile des Schulhauses vielfältig genutzt. Es war u. a. Lagerstätte für Lebensmittel, Kohle Das Schulgebäude mit dem rechtsseitig angebauten Gebäudeflügel
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BÖHLITZ-EHRENBERG Streifzug 2
Blick vom Wasserturm auf den nördlichen Teil der »Bielastraße« heute und in den 1980er Jahren
Der Wasserturm mit Hochbehälter erhielt seinen Platz in der Nähe der Pestalozzi-Schule neben der alten Wache der Freiwilligen Feuerwehr. Er wurde im Rahmen der Realisierung eines zentralen Wasserversorgungsnetzes 1911/12 gebaut und ist allein schon wegen seiner Bauhöhe von 54,60 Metern ein Wahrzeichen von Böhlitz-Ehrenberg. Schon nach kurzer Zeit waren die ersten zehn Meter geschafft. In den ersten Betriebsjahren belief sich der Böhlitz-Ehrenberg in den 1930er Jahren
gesamte Wasserverbrauch auf 121.500 m3 pro Jahr. 1932 waren es schon 308.200 m3. Die weithin sichtbare Turmuhr wurde vom damaligen Industriellen Carl Hinné gestiftet, wobei die Zifferblätter die runde Form von Schleifscheiben darstellen sollen. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Wasserturm in Mitleidenschaft gezogen.
RUND UM DEN WASSERTURM
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Der heutige südliche Teil der »Bielastraße« (oben) und in den 1980er Jahren (links) Der Bau der AWG-Wohnhäuser in der »Bielastraße« Anfang der 1960er Jahre (unten)
Er verlor seine ursprüngliche Turmspitze. Die Spuren von Granatsplittereinschlägen sind noch heute zu erkennen. Eine umfassende Renovierung des Turmes fand im Jahr 2006 statt. Hierbei wurde auch die gesamte Fassade gereinigt und hydrophobiert, so dass Regenwasser am Mauerwerk abperlt. Außerdem ersetzten Blick auf den Wasserturm mit seiner alten Turmspitze vor dem Zweiten Weltkrieg
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BĂ–HLITZ-EHRENBERG Streifzug 2
Abnahme der Turmspitze am 15. August 2006
Hortkinder an der abmontierten Turmspitze
Bei den Renovierungsarbeiten 2006 erhielt der Wasserturm auch eine neue Turmspitze
RUND UM DEN WASSERTURM der Wasserbehälter größere Schäden davon getragen hatte, als zuvor angenommen. Deshalb konzentrierte man sich auf die Außenfassade des Gebäudes und nahm den Wasserturm endgültig vom Netz, im Wissen, dass die Trinkwasserversorgung auch weiterhin über die Abgabestation Böhlitz-Ehrenberg abgesichert werden könne. Im Dezember 2006 waren die Arbeiten am Turm abgeschlossen. Rund 500.000 Euro sind in die Renovierung investiert worden. Direkt um die Ecke, in der »Bielastraße«, befindet sich die »alte Wache der Freiwilligen Feuerwehr« 8 von Böhlitz-Ehrenberg, die bis Ende 2007 hier untergebracht war. Eine neue Feuerwache wurde 2006/2007 in der »Schönauer Landstraße« gebaut. Hier an der alten Feuerwache endet unser Streifzug »Rund um den Wasserturm«.
Die alte Feuerwache in der »Bielastraße« war bis 2007 Domizil der Freiwilligen Feuerwehr
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BÖHLITZ-EHRENBERG Streifzug 3
Der Turm des Gundorfer Schlosses wurde nachträglich angebaut
GUNDORF
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Auf dem Areal des Gundorfer Schlosses wurde ein Reiterhof errichtet
Technik noch nicht ausgereift und der Versuch scheiterte. Heute existiert auf dem Gutsgelände eine funktionierende Biogasanlage. Nach der Wende ging das Lehr- und Versuchsgut Gundorf wieder in den Besitz der Stadt Leipzig über, die es dann an Herrn Montag-Girmes verkaufte. Montag-Girmes errichtete auf dem Gelände einen Reiterhof. Die früheren Kuh- und
Geflügelställe wurden zum Pferdeboxenstall umgebaut, in dem eigene Pferde sowie Pensionspferde ihr Zuhause fanden. Wir verlassen das Gundorfer Schloss über den Haupteingang und setzen unseren Weg in Richtung des nahe gelegenen »Gundorfer Teiches« fort. Sicht vom Haupteingang auf das Schloss und Pferdeställe