ELW3_Kriegsende2_RMD_Umschlag_Layout 1 03.04.13 12:00 Seite 1
4,50 EURO
EDITION LEIPZIGER WESTEN
Zeitzeugen berichten, wie sie das Ende des Zweiten Weltkrieges in Rückmarsdorf und Miltitz erlebt haben: Jochen Deweß
Das Kriegsende in Rückmarsdorf Die »Flugwache« auf dem Wachberg im 2. Weltkrieg
EDITION LEIPZIGER WESTEN
Kriegsende 1945 in Rückmarsdorf und Miltitz
Soldaten aus England und der Sowjetunion in Rückmarsdorf Meta Schiwek · Dieter Schiwek
Flucht von Schlesien nach Sachsen Helge Schmidt
Erinnerungen an das Kriegsende in Miltitz
WERBEAGENTUR KOLB FÖRDERVEREIN ORTSGESCHICHTE BÖHLITZ-EHRENBERG
· HEIMATVEREIN RÜCKMARSDORF
WERBEAGENTUR KOLB FÖRDERVEREIN ORTSGESCHICHTE BÖHLITZ-EHRENBERG
· HEIMATVEREIN RÜCKMARSDORF
ELW3_kriegsende RMD Inhalt_Layout 1 03.04.13 11:54 Seite 6
6
RĂœCKMARSDORF
Flugbeobachtung auf dem Wachberg bei eisigem Wind.
ELW3_kriegsende RMD Inhalt_Layout 1 03.04.13 11:54 Seite 7
7
J OCHEN D EWESS
Das Kriegsende in Rückmarsdorf
A
uch für die Rückmarsdorfer da mancher Sorgen als großes ging im April 1945 mit dem Glück anzusehen ist, dass sie von Einzug amerikanischer Truppen Waffengewalt und Todesangst der 2. Weltkrieg mit seinen Schreverschont bleiben. Besonders cken und Leiden zu Ende. Für entlang der Fernstraße von Wesmehrere Jahre brach eine Zeit ten her nach Leipzig sind unsere des Hungers und der Not an, aber Orte mehrfach von Kriegshandes hatte auch eine friedliche Entlungen betroffen oder in MitleiJochen Deweß wicklung begonnen, die sich bis denschaft gezogen worden: in die heutige Zeit fortsetzte und aus Rückmarsdorf, • 1645/46, als im DreißigjähFachlehrer nun weitgehend gesichert zu rigen Krieg die Schweden im sowie ehemals sein scheint. Das ist umso bemer- Vorsitzender und Kampf gegen die anderen FeuOrtschronist dalmächte mehrfach plündernd kenswerter, als unsere Gemeindes Heimatvereins hier durchziehen und in Rückden am Rande der Stadt Leipzig Rückmarsdorf marsdorf zeitweilig sogar ein auch in der Vergangenheit immer wieder von kriegerischen Ereignissen in Hauptquartier unterhalten (Belagerung Mitleidenschaft gezogen worden waren. von Leipzig durch General Wrangel); • 1706/07, als im Nordischen Krieg der Schwedenkönig Karl XII. in Altranstädt UNSERE ORTE WAREN MEHRFACH Quartier nimmt und am Bienitz und Zschampert Stellungen errichtet (SchweVON KRIEGEN BETROFFEN denschanze am Bienitz-Südhang); n der Folge soll an einige Begebenheiten • 1745, als sich im II. Schlesischen Krieg des April 1945 erinnert werden. Zuvor das sächsische Lager unter General Rujedoch sei darauf verwiesen, dass unsere towsky am Wachberg befindet und die Bürger und Bauern hier seit Jahrhunderten preußischen Tuppen von Dölzig her gegen von Zeit zu Zeit unter der Geißel von Krieg die Sachsen vorrücken; und Machtkämpfen haben leiden müssen • 1806 (18. Oktober), als Napoleon von und dass es für die jetzt lebenden Bewoh- Westen her mit 42 000 Mann nach Leipzig ner trotz einiger Ärgernisse oder hier und zieht;
I
ELW3_kriegsende RMD Inhalt_Layout 1 03.04.13 11:54 Seite 10
10
RÜCKMARSDORF
Kriegsverpflichtete der Rückmarsdorfer »Flugwache« bei Schießübungen auf dem Bienitz (links).
Die Liste der »Flugwache« auf dem Wachberg vom 20.10.1940.
Die Unterkunft war ein weitgehend aus Holz bestehender Flachbau mit einem auf der Nordseite angebauten, etwa 10 Meter hohen Turm (rechts).
ELW3_kriegsende RMD Inhalt_Layout 1 03.04.13 11:54 Seite 11
DIE »FLUGWACHE« AUF DEM WACHBERG
11
Die »Flugwache« auf dem Wachberg stand mit einer Flakeinheit in Leipzig-Schönau in Verbindung, die anfliegende Bomberverbände der westlichen Alliierten mit Fliegerabwehrgranaten bekämpfen sollte.
Major von Weißbach leitete die Flugabwehr West von Böhlitz-Ehrenberg aus (links). Auf der »Flugwache« hatten vorwiegend etwas ältere Angehörige der Freiwilligen Feuerwehr Rückmarsdorf Dienst, die als »Flaksoldaten« dorthin abkommandiert waren (rechts).
ELW3_kriegsende RMD Inhalt_Layout 1 03.04.13 11:54 Seite 26
RÜCKMARSDORF
26
SOLDATEN AUS ENGLAND UND DER SOWJETUNION IN RÜCKMARSDORF QUARTIER IM GASTHOF »SANDBERG AN DER LINDE« Soldaten aus England und der Sowjetunion, die durch Rückmarsdorf zogen und Quartier im früheren Gasthof »Sandberg an der Linde« nahmen, hinterließen im Gästebuch folgende Einträge:
8. MAI 1945 Hier weilten 10 russische Kriegsgefangene, wo sie mit gutem Nachtlager, Bekleidung und Nahrung versorgt wurden. Für die Behandlung des Kameraden Creutzmann danken… (unleserlich)
14. MAI 1945 Am 14. Mai zogen 2 Kriegsgefangene von Nürnberg durch Rückmarsdorf der Roten Armee entgegen. Beim Bürger Creutzmann erhielten sie Nachtlager, ihnen schlug Wärme entgegen, sie wurden sehr gut verpflegt und mit Kaffee versorgt. Für die guten Einstellun-
gen bringen wir Kamerad Creutzmann Dank dar und bitten nach Einrücken der Roten Armee diesem Bürger mit Recht seine Hilfe zu vergelten. …Hier sind 4 Mann aus dem KZ Buchenwald, die ihrer Armee entgegen gehen. Wir 4 legten im Haus bei dem Bürger Creutzmann eine Ruhepause ein. Er war zu uns Marschierenden sehr gut, die den langen Weg vom KZ Buchenwald hinter sich hatten. Daraus wird daher ersichtlich, dass dieser Mensch alle russischen Menschen achtet. Wir 4 Marschierenden waren ihm sehr dankbar: Timotejew, Poljakow, Iwanow,... (unleserlich)
10. NOVEMBER 1945 Wir unterzeichnenden Kämpfer der Roten Arbeiter- und Bauern-Armee machten zur Übernachtung beim Bürger Creutzmann Rast, wo wir Unterkunft und unsere Wäsche gewa-
Ehemaliger Rückmarsdorfer Gasthof »Sandberg an der Linde«
ELW3_kriegsende RMD Inhalt_Layout 1 03.04.13 11:54 Seite 27
DAS KRIEGSENDE IN RÜCKMARSDORF
Auszug aus dem Gästebuch des Gasthofes »Sandberg an der Linde« schen erhielten. Die Wirtsleute nahmen uns gut auf und verpflegten uns gut – sie waren sehr gut zu uns. Wir sind den Wirtsleuten dieses Gasthauses sehr dankbar. Gardeleutnant (unleserlich)
wie dieser Tag in guter Erinnerung an Deutschland im Gedächtnis bleibt.
22. JUNI 1948
In Gegenwart meiner Mitarbeiter vom Militärhandel wurde ich von den Wirtsleuten sehr herzWilhelm lich als Vertreter der Roten Armee Hier weilten Soldaten der Roten ArCreutzmann aufgenommen und von der Wirbeiter- und Bauern-Armee und danken mit großem Vergnügen diesem Mann, tin sehr gastfreundlich bewirtet. Sie haben der in diesem Gasthof arbeitet, und sind ihm eine Tochter, die uns allen sehr gefallen hat von ganzem Herzen dankbar für die Fürsor- und so haben wir uns dort sehr wohl gefühlt. ge für die Kämpfer und Offiziere der Roten Meine Freunde sind sehr dankbar für die GastArbeiter- und Bauernarmee. Die folgenden freundschaft und ich persönlich bin sehr dankbar, dies zu bestätigen. Ich wünsche, dass Unterschriften: (unleserlich – siehe oben) oft man zu diesen Menschen so ist, wie sich …Ich verlebte hier den XXIX. Jahrestag der diese Deutschen zu uns verhielten und mir Großen Sozialistischen Oktoberrevolution, ein gutes Gedenken an deutsche Menschen weil ich wünschte, dass das ganze Jahr 1946 verliehen. Ich bestätige dies: (unleserlich)
10. DEZEMBER 1945
27
ELW3_kriegsende RMD Inhalt_Layout 1 03.04.13 11:54 Seite 38
MILTITZ
38
Heutige Ansicht des ehemaligen Verwaltungsgeb채udes von Schimmel & Co.
Werksgeb채ude der ehemaligen chemischen Fabrik Schimmel & Co. heute.
ELW3_kriegsende RMD Inhalt_Layout 1 03.04.13 11:54 Seite 39
39
H ELGE S CHMIDT
Erinnerungen an das Kriegsende in Miltitz
A
aber der Lärm durch Flieger und ls der Zweite Weltkrieg zu die Bombeneinschläge in der Ende ging, war ich 7 Jahre alt. Stadt Leipzig führten zu Angst Meine Erinnerung an einzelne und Schre cken. Am nächsten Ereignisse aus der letzten KriegsMorgen, als der Spuk zu Ende zeit gehen etwa auf das Alter von war, war es draußen nach neun 4 bis 5 Jahren zurück. So kann ich Uhr noch durch Rauchschwaden mich noch ziemlich genau an den recht dunkel. Verbrannte Papiergroßen Luftangriff am 4. DezemHelge Schmidt, teile und Ruß zogen über die Ortber 1943 erinnern. Wir – das sind in Miltitz aufgeschaft hinweg und es roch auch meine zwei jüngeren Geschwiswachsen, lebt seit sehr brenzlig. ter und ich – wurden nachts per vielen Jahren in Im Herbst 1944 kam ich in die Sirenenalarm aus den Betten ge- Böhlitz-Ehrenberg Schule. Mein Schulweg betrug holt, von unseren Eltern angezogenau einen Kilometer. Des öfteren gab es gen und in den Luftschutzkeller gebracht. Wir wohnten in Miltitz in der Werks- Fliegeralarm und wir wurden nach Hause siedlung der chemischen Fabrik Schim- geschickt. Ich beeilte mich damals sehr, mel & Co. in einer Doppelhaushälfte, in nach Hause zu kommen, denn ich hatte der die Waschküche als Luftschutzraum doch gehörige Angst vor den Bombengeumfunktioniert wurde. Vor den beiden Kel- schwadern. Der Unterricht im ersten Halblerfenstern waren große Betonblöcke als jahr fand noch einigermaßen im geregelten Schutzmaßnahme aufgestellt worden. Die Turnus statt und die Halbjahreszensuren Kellerdecke war eine Gewölbedecke, die fielen recht gut aus. Eine Attraktion war eines Tages ein grozusätzlich noch mit einem runden Holzstamm abgesichert wurde. Hier wurde das ßer Bombentrichter in der Schulstraße, etwa Sofa aus dem Wohnzimmer sowie Stühle 100 m von der Schule entfernt. Es war wahrund ein Tisch als Einrichtung aufgestellt, scheinlich ein Fehlabwurf. Dieses große um längere Zeit hier ausharren zu können. Loch beeindruckte uns Kinder sehr. Die Miltitz blieb bei diesem Angriff von Bom- große Gewalt der Detonation beschädigte benabwürfen im wesentlichen verschont, auch ein Wohnhaus ziemlich stark.
ELW3_kriegsende RMD Inhalt_Layout 1 03.04.13 11:54 Seite 42
42
MILTITZ
Deutschstämmige Rumäninden sie nicht mehr unter strenBei unserem Nachnen, es waren siebenbürgenger Aufsicht und holten sich barn fehlte eines deutsche Mädchen und junge nun zurück, was sie gebrauchen Frauen, arbeiteten in der Land- Morgens die ganze konnten. Bei unserem Nachbarn Hühnerschar. wirtschaft bei den Bauern oder fehlte eines Morgens die ganze als Haushaltgehilfen. Die meis- Sie wurden alle nachts Hühnerschar. Sie wurden alle unbemerkt von ten hatten dabei das weitaus nachts unbemerkt von Polen Polen weggeholt. bessere Los gezogen gegenüber weggeholt. In einem anderen den Daheimgebliebenen, wie Falle klingelten sie nachts in eimir später von den Frauen erzählt wurde. ner Wohnung, verschafften sich gewaltsam Wir hatten als große Familie ein solches Eintritt, bedrohten mit Waffen die BewohMädchen bei uns wohnen und es bestand ner und leerten die Kleiderschränke und zeitlebens Briefkontakt mit meiner Mut- nahmen Kleidung und Schmuck mit. ter. Das Schicksal bestand darin, dass sie Ein Bauer verlor sein Leben, weil er den nach Kriegsende wieder zurück in ihre Forderungen der Polen nicht nachgab – Heimat gingen, um anschließend von dort er wurde erstochen. Die Bauersfrau mit als Deutsche vertrieben zu werden. ihren drei Töchtern musste den Hof und Die Polen waren meist in der Landwirt- die dazugehörige Kohlenhandlung jetzt schaft eingesetzt und wurden wohl am allein bewirtschaften. meisten ausgebeutet. Nach Kriegsende stanAn eine Situation kann ich mich noch gut erinnern. An einem SonnabendnachNach Kriegsende musste gegen Plündemittag, meine Eltern hatten sich gerade zum rungen hart durchgegriffen werden. Mittagsschläfchen hingelegt, klingelte es (Album von Dieter Fröhlich entnommen)
ELW3_kriegsende RMD Inhalt_Layout 1 03.04.13 11:54 Seite 43
ERINNERUNGEN AN DAS KRIEGSENDE IN MILTITZ
43
Nach der Besetzung erhielten alle Bürger ab 14 Jahren diese Registrierungskarte. Das Office of Military Government for Germany war die höchste Verwaltungseinrichtung der US-amerikanischen Besatzungszone Deutschlands und des US-amerikanischen Sektors von Berlin in den ersten vier Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg.
bei uns. Am Gartentor standen zwei Män- fonisch (Gott sei Dank hatten wir Werksanner mit einem großen Auto und verlangten schluss) den Pförtner und dieser die Amerivon meinem Vater, er solle ihnen Schnaps kaner. Um Zeit zu gewinnen und auch aus besorgen. Sie nahmen an, dass so etwas im Sicherheitsgründen, stieg er nicht in das chemischen Werk, wo er als technischer Auto ein, sondern lief zu Fuß zum Betrieb, Betriebsleiter tätig war, zu holen sei. Er das Auto mit den beiden Polen im Schrittmöge in den Pkw einsteigen und mit ihnen tempo daneben her. Als sie auf die Hauptin die Fabrik fahren. Das Eingangstor war straße bogen, stand schon ein amerikanietwa 200 m von unserem Haus entfernt. scher Jeep vor dem Werkseingang. Da gaben Gegenüber lag die amerikanidie Polen Gas, fuhren in Richsche Kommandantur. Der Betung Autobahn. Die hinterherRuhe kehrte erst trieb stand unter Aufsicht der ein, als man alle Polen fahrenden Amerikaner konnten Amerikaner. Da mein Vater sich einsammelte und mit die Fliehenden nicht erreichen. erst anziehen musste, blieb ge- einem LKW bis nach Ruhe kehrte erst ein, als man ringe Zeit zum Überlegen, was alle Polen einsammelte und mit Görlitz an die zu tun ist. Meine Mutter inforeinem LKW bis nach Görlitz an Grenze brachte. mierte in der Zwischenzeit teledie Grenze brachte.
ELW3_Kriegsende2_RMD_Umschlag_Layout 1 03.04.13 12:00 Seite 1
4,50 EURO
EDITION LEIPZIGER WESTEN
Zeitzeugen berichten, wie sie das Ende des Zweiten Weltkrieges in Rückmarsdorf und Miltitz erlebt haben: Jochen Deweß
Das Kriegsende in Rückmarsdorf Die »Flugwache« auf dem Wachberg im 2. Weltkrieg
EDITION LEIPZIGER WESTEN
Kriegsende 1945 in Rückmarsdorf und Miltitz
Soldaten aus England und der Sowjetunion in Rückmarsdorf Meta Schiwek · Dieter Schiwek
Flucht von Schlesien nach Sachsen Helge Schmidt
Erinnerungen an das Kriegsende in Miltitz
WERBEAGENTUR KOLB FÖRDERVEREIN ORTSGESCHICHTE BÖHLITZ-EHRENBERG
· HEIMATVEREIN RÜCKMARSDORF
WERBEAGENTUR KOLB FÖRDERVEREIN ORTSGESCHICHTE BÖHLITZ-EHRENBERG
· HEIMATVEREIN RÜCKMARSDORF