Das Waldbad Böhlitz-Ehrenberg

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BÖHLITZER HEFTE

Das Waldbad Böhlitz-Ehrenberg BÖHLITZER HEFTE

Bau, Badeleben und Niedergang des beliebten Freibades

W ERBEAGENTUR K OLB in Zusammenarbeit mit dem Förderverein Ortsgeschichte Böhlitz-Ehrenberg e.V.



VORWORT Seit 1993 gibt es das Waldbad von Böhlitz-Ehrenberg nicht mehr – doch bis heute ist es unvergessen. Viele Einwohner Böhlitz-Ehrenbergs, aber auch Badelustige der näheren Umgebung, vermissen das einst so herrlich direkt am Auenwald gelegene Freibad. Erbaut im Jahre 1937/38, entwickelte sich das »größte Betonbad Mitteldeutschlands« zum überaus beliebten Ausflugsziel für Groß und Klein. Zu DDR-Zeiten war es eine wichtige Freizeiteinrichtung für die zahlreichen Beschäftigten der »größten Industriegemeinde der DDR«. Doch leider sah man sich in jener Zeit nicht in der Lage, dem rapide voranschreitenden Verfall der Gebäude und Badeanlagen wirkungsvoll zu begegnen. Immer häufiger traten Schwierigkeiten auf, die den Betrieb des Waldbades behinderten und sogar mehrfach zur zeitweisen Schließung des Bades führten. Das letzte Jahr der DDR war sogleich das letzte Jahr des Böhlitz-Ehrenberger Waldbades. Verschiedene »Wiederbelebungsversuche« schlugen fehl, nicht zuletzt bedingt durch bürokratische

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Hindernisse und massive Bedenken von Umweltschützern. So wurden die baufälligen Gebäude des Waldbades 1993 abgetragen, die Schwimmbecken verfüllt und schließlich das Gelände renaturiert. Heute erinnert nur noch die Allee von Kastanienbäumen an das einst so beliebte Waldbad... Ein herzliches Dankeschön an die aktiven Mitglieder des Fördervereins Ortsgeschichte Böhlitz-Ehrenberg e.V. für die Überlassung historischer Fotos und die engagierte Unterstützung bei Textprüfung und Bildbeschaffung. Und ein besonderer Dank gilt allen Sponsoren – Firmen, Selbstständigen und Gewerbetreibenden – die mit ihrer finanziellen Förderung zum Druck dieses Bandes ganz wesentlich beigetragen haben!

Ulrich Kolb Werbeagentur Kolb GmbH

Denis Achtner Bild- und Textautor


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Einst größtes und schönstes Betonbad Mitteldeutschlands:

Das Waldbad Noch vor dem Zweiten Weltkrieg entstand in Böhlitz-Ehrenberg, unmittelbar am Rand des Auenwaldes, ein Freibad, das sich schon kurze Zeit später »größtes und schönstes Betonbad Mitteldeutschlands« nannte: das »Waldbad«. Von überall reisten die Badewilligen an, um sich in der idyllischen Umgebung des Auenwaldes zu entspannen. Leider ist heute vom einstigen Waldbad nichts mehr zu sehen, es wurde 1993 abgerissen. Einziges Überbleibsel ist eine Kastanienallee, die vom ehemaligen Badeingang Richtung Rollhockeystadion führt.

Die Natur hat sich das frühere Waldbad-Areal wieder zurück erobert


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DAS WALDBAD

Nachdem alle Bauarbeiten abgeschlossen waren, wurde das Bad unter großem Beifall der Bevölkerung eröffnet. In der Folgezeit, vor allem in den 40er und 50er Jahren des 20. Jahrhunderts, hatte das Bad sehr regen Zulauf. An einem normalen Tag besuchten rund 2500 Badelustige das Waldbad, an besonders heißen Tagen konnten es aber auch weitaus mehr Besucher werden.


Der Bau

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Errichtung der Gastronomieund UmkleideEinrichtungen

Der vordere Teil des Waldbades mit den neu errichteten Geb채uden


DAS WALDBAD

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Badespaß in BöhlitzEhrenberg

Im »Kulturspiegel« aus dem Jahre 1955 beschrieb der Schwimm-Meister Grünert das Badeleben: »Es ist sehr interessant, an schönen Sonntagen an der Straßenbahn-Haltestelle am Gemeindeamt Böhlitz-Ehrenberg zu verweilen, um dem bunten Treiben der Badefreudigen zuzusehen, die mit der Linie 13 aus dem weiten Stadtgebiet kommen, um unser schönes Waldbad zu besuchen. Aber noch viel bewegter und lebhafter ist das Bild vor dem Kassenhäuschen des Waldbades selbst. Da kommen sie von überall

zusammen, die Familien aus BöhlitzEhrenberg, den umliegenden Ortschaften und Dörfern, ja selbst von Schkeuditz kommen sie herüber. Zu Fuß, per Rad, mit Motorrad, Motorroller und mit Autos rollt die frohgestimmte Masse an. Und sie dürfen sich freuen, denn das Waldbad ist eine schöne, moderne Kulturstätte, durch die unsere Gemeinde weithin bekannt geworden ist. Nachdem der Badegast sein Fahrzeug in gute Obhut gegeben hat, begibt er sich, von freundlichen Kassiererinnen empfangen, in das gepflegte Gelände des Bades. Für die

Der Eingangsbereich mit Kassenhäuschen

Großer Andrang bei der Eröffnungsfeier des Waldbades im Jahr 1938


Badespaß in Böhlitz-Ehrenberg

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Mehrere hundert Badefreunde versammelten sich bei der Eröffnung um den festlich geschmückten Sprungturm


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DAS WALDBAD rettete den 10-jährigen Jürgen Merz aus Leutzsch, KarlSchurz-Straße 58, vor dem Ertrinken am 5. September 1954. Jürgen Merz, der nicht schwimmen kann, wurde von einem unbekannten Knaben vom

Das Waldbadareal in der Gesamtansicht, aufgenommen aus einem Flugzeug (rechts)

her bedürfen. (...) Sorgen wir alle mit dafür, dass im nächsten Jahr die Kreuze an den Rändern des Berichtsbuches verschwinden.« Unter »Sonstige Vorkommnisse« finden sich im Bericht des Personals des Waldbades aus dem Jahr 1954 folgende Zeilen: » Der Jugendliche Dieter Lauschke, Böhlitz-Ehrenberg, Rosa-Luxemburg-Str. 22,

Bruno Seyde, Bademeister des Waldbades Anfang der 1940er Jahre


Badespaß in Böhlitz-Ehrenberg Rand des tiefen Beckens ins Wasser gestoßen. Dieter Lauschke sprang kurz entschlossen ins Wasser und rettete ihn. Wir bitten, Dieter Lauschke eine öffentliche Belobigung auszusprechen. Etwa 20 Fälle von Diebstählen von Geld und Wertsachen wurden bekannt, die vermutlich von Kindern ausgeführt

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und auf den Liegewiesen getätigt wurden. Eine Bande von Kindern wurde kurz nach einem Diebstahl entdeckt und der Polizei gemeldet. Außerhalb des Bades wurden 2 Beobachtungen von Entblößern genannt. Wir verständigten die Polizei. Die Entblößer wurden jedoch nicht gestellt...«.


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DAS WALDBAD Bevor seiner Meinung nach das Gelände für eine symbolische Mark verkauft werden könne, solle der Investor erst einmal ein Konzept vorweisen, mit dem sich die Realisierbarkeit nachweisen lasse. Zudem wisse niemand, ob die eingeplanten Fördermittel fließen würden und wie hoch die Erschließungskosten im grundwasserreichen Gebiet des Bades seien. Aus diesen und weiteren Gründen wären übereilte Schritte nicht ratsam, gab Koj zu

Abbruch des Schwimmbeckens 1993

Schkeuditz und Lützschena/Stahmeln geschaffen werden. Vom Gesetzgeber werden ohnehin noch weitere Auflagen bzw. Forderungen und dergleichen erhoben, um den Eingriff in den Naturhaushalt an diesem Standort im Landschaftsschutzgebiet weitestgehend zu minimieren.« Nicht nur der Gesetzgeber, so zeigte es die Zukunft, sollte Einwände gegen den Bau des neuen Bades haben. Auch der Naturschutz-Aspekt würde in den nächsten Monaten eine große Rolle spielen. Doch der Reihe nach. Aufgrund der Brisanz des Themas wurde auch die Tagespresse aufmerksam. So ist einem Bericht der »Leipziger Volkszeitung« (LVZ) vom 29.5.1994 zu entnehmen, dass der damalige Bürgermeister von Böhlitz-Ehrenberg, Siegfried Manig, den Verkauf des Waldbades kurzfristig auf die Tagesordnung der Gemeinderatssitzung setzte. Zu diesem Zeitpunkt herrschte Wahlkampf und Kandidat Wolfgang Koj wollte sich bei dem für die Gemeinde sehr wichtigen Thema Waldbad nicht unter Zeitdruck setzen lassen.

Einsatz von schwerem Gerät beim Abriss

bedenken. Gegenüber diesen Argumenten zeigte sich Siegfried Manig einsichtig und war auch der Meinung, dass »der Investor vor der Überschreibung des Grund und Bodens etwas mehr als ein bloßes Versprechen auf den Tisch legen muss.« Die Planungen des Investors, Heribert Stork aus Paderborn, beinhalteten zu diesem Zeitpunkt den Bau eines Erlebnisbades mit mehreren Wasserbecken, einem Wellenbad und einer Großrutsche. Hinzu sollten ein Fitness- und ein Gymnastikbereich kommen und eine Großsaunaanlage mit japanischem Außengarten, Felsengrotten und Wasserspielen. Zudem sollte ein Schwimmbecken für das Schulschwimmen und für Vereine errichtet werden, das auf Storks Kosten betrieben werden sollte. Für dieses Becken waren


Umbruch. Abbruch! Aufbruch? gesonderte, volkstümliche Eintrittspreise vorgesehen. Veranschlagt wurde dieser Bau mit 40 Millionen Mark. Dieses Vorhaben stieß natürlich nicht überall auf Zustimmung. Insbesondere der Naturschutzbund (NABU) und der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND) hatten erhebliche Einwände. »Wer knabbert da am Auenwald« hieß eine Schlagzeile in der BILD-Zeitung vom

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Die Reste der Abbrucharbeiten

einziger Baum in Leipzigs Vorzeigestück Auenwald gefällt wird, daran denken: es wurden schon zu viele geopfert.« Die Naturschützer fürchteten den Ausverkauf des Auenwaldes. Wenn das Bad gebaut und dafür geschütztes Territorium freigegeben würde, könnte dies Schule machen und weitere Bauvorhaben im Auewald nach sich ziehen. Zudem seien viele Punkte der Planung nicht ausreichend geklärt. Als Beispiel wurde hier die unzureichende Verkehrsanbindung angegeben. Rund 2000 Besucher hätte das Bad im Durchschnitt täglich, die zumeist mit dem Auto anreisen würden. Das ergäbe ein großes Parkproblem. Weiterhin würden mit dem Bau in dieser Größe enorme Veränderungen im Grundwasserspiegel einhergehen. Das sich in der unmittelbaren Nachbarschaft befindliche Auenwaldgebiet würde »austrock-

24.11.1994. In dem Artikel wurden die Sichtweisen der beiden Fraktionen – Umweltschutz und Investor – aufgezeigt. Hierbei schlug sich die BILD-Zeitung auf die Seite der Naturschützer und beendete ihren Artikel mit den Worten: »Bevor ein

nen« und das zur gleichen Zeit begonnene Projekt zur Wiedervernässung des Auenwaldes ad absurdum führen. Dies waren nur einige Gründe, die angeführt wurden. Die Naturschützer unterstrichen ihren Protest mit der Forde-


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DAS WALDBAD

schwung in der Region, durch die Erhöhung des Erlebniswertes in ihr sowie eine positive Beeinflussung der Infrastruktur und die Schaffung von Arbeitsplätzen sowie Folgearbeitsplätzen und der Möglichkeit für Gesundheit, Sport und Erholung eine Stätte errichtet zu bekommen. Mit Ihrem persönlichen Einsatz für das Projekt führen Sie, verehrte Herren, einen Wählerauftrag der unterschriebe-

nen Bürger aus, wofür diese sich bereits für die positiven Einflüsse auf ihre Region bedanken möchten.« Zwei Monate nach dieser Willensbekundung sollte das Thema Neubau auf dem Territorium des ehemaligen Waldbades bereits gestorben sein. Aufgrund der Probleme mit den Umweltschützern, dem Regierungspräsidium und der damit verbundenen hohen Kosten und Zeitverzögerungen entschloss sich Heribert Stork am 5.9.1995 zum Kauf von 30 000 m2 Land am Paunsdorf-Center. Der Rest ist allseits bekannte Geschichte. Auf besagtem Areal in Paunsdorf entstand die »Sachsen-Therme«, auf dem Areal des Waldbades wurden hingegen junge Bäume gepflanzt und ein Weg errichtet, der vom ehemaligen Eingang des Bades hin zum Stadion des Rollhockeyclubs (RHC) Aufbau Böhlitz-Ehrenberg führt...


Umbruch. Abbruch! Aufbruch? lkszeitung Leipziger Vo

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