Nahrungsergänzungsmittel: Arznei oder Lebensmittel?

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Recht ¡ Nahrungsergänzungsmittel

Serie: Urteile, Teil 10

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NEM: Arznei- oder Lebensmittel?

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Nahrungsergänzungsmittel · Recht

Allein in Deutschland liegt der jährliche Umsatz von Nahrungsergänzungsmitteln (NEM) bei etwa 1 Mrd. €. Für manches Kosmetikinstitut lässt sich mit Nahrungsergänzungsmitteln eine sichere Einnahmequelle generieren. Worauf sie bei der Werbung mit Nahrungsergänzungsmitteln im Institut achten sollten, erklärt der Rechtsanwalt.

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ie als „NEMs“ bezeichneten Stoffe gelten genaugenommen als Lebensmittel, die dazu bestimmt sind, die normale Ernährung zu ergänzen. Sie bestehen aus Einfach- oder Mehrfachkonzentraten von Nährstoffen (Vitamine und Mineralstoffe) oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung und werden in dosierter Form in den Verkehr gebracht (z.B. Kapseln, Pastillen, Tabletten, Pillen, Pulverbeuteln, Flüssigampullen). Demgegenüber sollen Arzneimittel Krankheiten heilen, vorbeugen oder lindern. Deshalb ist hier in der Regel eine pharmakologisch, metabolisch oder auch immunologisch nachweisbare Wirkung erforderlich.

Vorsicht bei Werbeaussagen Vor diesem Hintergrund sind dem geltenden Recht entsprechende Werbeaussagen für Nahrungsergänzungsmittel immer noch eine große Herausforderung. Die Hersteller, aber auch weitere Akteure, wie z.B. Wiederverkäufer, müssen sich an Regeln halten. Oft wird mit dem Slogan „Wirkung vergleichbar mit …“ geworben. Dies kann erhebliche Folgen haben, wie der folgende Fall aufzeigt.

Das Urteil Das Verwaltungsgericht (VG) Oldenburg (Urteil v. 14.05.2003; Az.: 7A3023/01) hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, wie ein auf Basis der Macapflanze hergestelltes NEM, das mit dem Slogan „als Alternative zu Viagra“ beworben wurde, zu beurteilen ist. In der Sache hat das VG das Mittel zunächst als Arzneimittel eingestuft, und damit auch die eingangs erwähnte Werbung untersagt. Als Begründung wurde

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angeführt: Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung folge aus den Vorschriften, dass ein Erzeugnis nicht gleichzeitig Lebensmittel und Arzneimittel sein könne.

Zweckbestimmung maßgeblich Für die Abgrenzung sei die überwiegende Zweckbestimmung maßgeblich. Die Zweckbestimmung sei nach objektiven Merkmalen zu beurteilen, wie sie sich einem durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher darstellen. Die Verkehrsauffassung knüpfe dabei zunächst an bestehende Anschauungen über vergleichbare Mittel an. Weiter würden diese auch von der Auffassung der pharmazeutischen und medizinischen Wissenschaft beeinflusst.

Auf einen Blick | Nahrungsergänzungsmittel (NEM) gelten als Lebensmittel, die dazu bestimmt sind, die normale Ernährung zu ergänzen.

| Ein Erzeugnis könne nicht gleichzeitig Lebensmittel und Arzneimittel sein.

| Für die Abgrenzung seien die überwiegende Zweckbestimmung sowie die dem Mittel beigefügten oder in Werbeprospekten enthaltenen Indikationshin- und Gebrauchsanweisungen sowie die Aufmachung, in der das Mittel dem Verbraucher allgemein entgegentritt, maßgeblich.

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Außerdem seien etwa die dem Mittel beigefügten oder in Werbeprospekten enthaltenen Indikationshin- und Gebrauchsanweisungen sowie die Aufmachung, in der das Mittel dem Verbraucher allgemein entgegentritt, maßgeblich. Keine zwingende Voraussetzung des Arzneimittelbegriffs sei hiernach, dass das Produkt tatsächlich eine Wirkung habe. Die Vorschriften stellten auf die „Bestimmung“ eines Mittels ab. Für sog. Arzneimittel nach Bezeichnung sei nach der weiten Auslegung des Europäischen Gerichtshofs entscheidend, wie das Produkt dem Verbraucher gegenüber in Erscheinung trete. Tipps: Sollten auch Sie in Ihrem Institut Nahrungsergänzungsmittel verkaufen, dann sollten Sie die Produkte genau hinterfragen. Neben der allgemeinen Verkehrsauffassung ist entscheidend, wie die Werbung beim Kunden ankommt, und ob ggf. aus Sicht des Kunden ein Arzneimittel vorliegen „könnte“!

| Neben der allgemeinen Verkehrsauffassung ist entscheidend, wie die Werbung beim Kunden ankommt, und ob ggf. aus Sicht des Kunden ein Arzneimittel vorliegen „könnte“.

Stefan Engels ist seit 2002 zugelassener Rechtsanwalt und praktiziert in Mönchberg.

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