Edition ∂
Baustoff Atlas HEGGER AUCH-SCHWELK FUCHS ROSENKRANZ
Das Buch wurde erarbeitet am Fachgebiet Entwerfen und Energieeffizientes Bauen Prof. Manfred Hegger Fachbereich Architektur, Technische Universität Darmstadt www.architektur.tu-darmstadt.de/ee in Verbindung mit Institut für internationale Architektur-Dokumentation GmbH & Co. KG, München www.detail.de
Autoren
Fachbeiträge:
Manfred Hegger Prof. Dipl.-Ing. M. Econ Architekt Fachgebiet Entwerfen und Energieeffizientes Bauen, TU Darmstadt
Christian Schittich, Dipl.-Ing. Architekt Institut für internationale Architektur-Dokumentation, München
Volker Auch-Schwelk Dipl.-Ing. Architekt Fachgebiet Entwerfen und Gebäudelehre, TU Darmstadt Matthias Fuchs Dipl.-Ing. Architekt Fachgebiet Entwerfen und Energieeffizientes Bauen, TU Darmstadt Thorsten Rosenkranz Dipl.-Ing. Fachgebiet Entwerfen und Energieeffizientes Bauen, TU Darmstadt Wissenschaftliche Mitarbeiter: Jürgen Volkwein, Dipl.-Ing. Architekt (Installationen) Martin Zeumer, Dipl.-Ing. (Glas, Kennwerte, Ökobilanzierung) Studentische Mitarbeiter: Christoph Drebes, Andreas Gottschling, Cornelia Herhaus, Viola John, Yi Zhang
Christiane Sauer, Dipl.-Ing. Architektin Formade / Architektur + Material, Berlin Peter Steiger, Prof. Architekt intep AG, Zürich Alexander Rudolphi, Dipl.-Ing. GFÖB Berlin mbH, Berlin Dirk Funhoff, Dr. rer. nat. BASF, Ludwigshafen Marc Esslinger, frog design gmbh, Herrenberg Karsten Tichelmann, Prof. Dipl.-Ing. Patrik Jakob, Dipl.-Ing. VHT – Versuchsanstalt für Holz- und Trockenbau am Institut für Trocken- und Leichtbau, Darmstadt
Redaktion Redaktion und Lektorat: Steffi Lenzen, Dipl.-Ing. Architektin (Projektleitung) Julia Liese, Dipl.-Ing. Redaktionelle Mitarbeit: Carola Jacob-Ritz, M. A.; Sabine Schmid, Dipl.-Ing.; Manuel Zoller, Dipl.-Ing.
Druck und Bindung: KONKORDIA GmbH, Bühl Herausgeber: Institut für internationale Architektur-Dokumentation GmbH & Co. KG, München © 2005, erste Auflage
Zeichnungen: Marion Griese, Dipl.-Ing. Mitarbeit Zeichnungen: Kathrin Draeger, Dipl.-Ing.; Norbert Graeser, Dipl.-Ing.; Emese Köszegi, Dipl.-Ing.; Nicola Kollmann, Dipl.-Ing.; Elisabeth Krammer, Dipl.-Ing.; Andrea Saiko, Dipl.-Ing. Herstellung / DTP: Roswitha Siegler Repro: Martin Härtel OHG, Martinsried
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Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts.
Inhalt
Impressum Vorwort
4 6
Teil A
8
1
2 3
4
5
6
Die Oberfläche in der zeitgenössischen Architektur Christian Schittich Der Architekt als Baustoffscout Christiane Sauer Der kritische Weg zur nachhaltigen Bauweise Peter Steiger Kriterien für die Auswahl von Baustoffen Alexander Rudolphi Die Entwicklung innovativer Materialien Dirk Funhoff Gefühlte Optik – Material und Haptik im Gestaltungsprozess Marc Esslinger
5 6 7 8 9 10
10
14 18
Teil C 1 2 3 4 5 6 7
Baustoffanwendungen
102
Gebäudehülle Dämmen und Dichten Installationen Wände Decken Fußböden Oberflächen und Beschichtungen
104 132 146 152 162 170 186
22
28
Teil D
202
Gebaute Beispiele im Detail
Projektbeispiele 1 bis 25
204–263
32
Baustoffeigenschaften
36
Teil E
Naturstein Lehmbaustoffe Keramische Baustoffe Baustoffe mit mineralischen Bindemitteln Bitumenhaltige Baustoffe Holz und Holzwerkstoffe Metall Glas Kunststoff Ökobilanzierung
38 44 48 54
Glossar: Physikalische Stoffkenngrößen Karsten Tichelmann, Patrik Jakob Glossar: Schadstoffe Alexander Rudolphi
264
62 66 76 84 90 98
Verordnungen, Richtlinien, Normen Literatur Abbildungsnachweis Sachregister Personenregister
270 272 275 277 279
Teil B 1 2 3 4
Material und Architektur
Anhang
268
5
Teil A
Material und Architektur
1 Die Oberfläche in der zeitgenössischen Architektur Christian Schittich 2 Der Architekt als Baustoffscout Christiane Sauer 3 Kriterien für die Auswahl von Baustoffen Alexander Rudolphi 4 Der kritische Weg zur nachhaltigen Bauweise Peter Steiger 5 Die Entwicklung innovativer Materialien Dirk Funhoff 6 Gefühlte Optik – Material und Haptik im Gestaltungsprozess Marc Esslinger
Abb. A
über mehrere Jahrhunderte ausgetretene Kalksteintreppe zum Chapter House, Wells Cathedral (GB) ab 1200, Adam Lock u.a.
Die Oberfläche in der zeitgenössischen Architektur Christian Schittich
Die zunehmende Überflutung mit Reizen, Sinneseindrücken und bunten Bildern macht vor der Architektur nicht Halt, wenn auch die Reaktionen darauf unterschiedlich ausfallen. Ein Teil der Architekten passt sich den Gegebenheiten an und reagiert mit ebenfalls bunten, serigraphierten Bildern auf sprödem Glas. Oder mit großflächigen farbigen Mustern, flimmernden Medienfassaden und erleuchteten Screens. Andere dagegen besinnen sich auf die Qualität bewährter Baustoffe – auf massiv gefügten Naturstein oder Sichtbeton, unbehandeltes Holz oder Ziegelmauerwerk, um in einer zusehends virtuellen Welt die physische Präsenz eines Bauwerks zu demonstrieren oder in bewussten Kontrast zur lauten Umgebung zu treten. Für welche Herangehensweise man sich auch entscheidet: Die Oberfläche spielt stets eine dominierende Rolle. Über die Oberflächen, die wir sehen und fühlen, nehmen wir Architektur im Wesentlichen wahr. Mit ihrer Farbe, Struktur und Ausstrahlung prägen sie den Charakter von Innenraum und Fassade. Seit Urzeiten und in allen Kulturen lassen die Menschen den Oberflächen ihrer Häuser und Räume eine besondere Aufmerksamkeit zukommen, gestalten und verzieren sie. Das zeigen die Wandteppiche in den Zelten der Nomaden, die bunte Bemalung in alten Kirchen und Schlössern oder die Fliesen und Stuckverzierungen islamischer Architektur (Abb. A 1.1). In der zeitgenössischen Architektur wechseln sich Strömungen, die die Form in den Mittelpunkt stellen, mit anderen ab, welche die Hülle thematisieren. Zurzeit ist die Betonung der Oberfläche hochaktuell. Das hängt mit der zunehmenden Trennung von Tragwerk und Hülle zusammen, aber auch mit neuen technischen Möglichkeiten wie dem Bedrucken von Glas und Kunststoff oder der Vervielfältigung von Mustern mittels Computertechnologie. Und natürlich hat dieser Trend auch mit der wachsenden Bedeutung der Medien zu tun, in deren Folge das Abbild eines Gebäudes manchmal wichtiger erscheint als das Gebäude selbst. Mit der Oberfläche aber rückt auch das Material ins Zentrum der Betrachtung und wird immer öfter regelrecht inszeniert. An der Oberfläche tritt es in Erscheinung und prägt mit seinen spezifischen Eigenschaften ihre Ausstrahlung, die ganz entscheidend davon abhängt, ob es sich um tradierte oder industriell gefertigte Baustoffe handelt, ob das Material naturbelassen eingesetzt oder (zum Korrosionsschutz) beschichtet wurde, ob es glänzend oder matt, strukturiert oder gleichmäßig ist oder ob es im Laufe der Zeit (gewollt oder ungewollt) sein Aussehen und seine Eigenschaften ändert. Wie etwa Holz, das einen silbergrauen Ton annimmt, Metalle, die patinieren und stumpf werden, oder der unbehandelte Sandstein, der sich mit der Zeit schwarz verfärbt. Im Gegensatz zu früher, als für die üblichen Bauaufgaben meist nur auf die vor Ort verfüg-
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A 1.1
baren Materialien zurückgegriffen werden konnte, steht uns heute eine bis dato nicht gekannte Vielfalt an Baustoffen aus aller Welt zur Verfügung, die sich stetig durch Neuentwicklungen aus der Industrie vergrößert. Das bringt ungeahnte Möglichkeiten, aber auch Gefahren mit sich, zumindest aber die Qual der Wahl. Darüber hinaus führt die zunehmende Inszenierung des Materials, die sich nicht auf überlieferte Baustoffe beschränkt, dazu, dass immer häufiger Produkte aus anderen Bereichen der Industrie, die beim Bauen bisher keine Verwendung fanden, in der Architektur zum Einsatz kommen. »Authentische« Materialien
Der bewusste Umgang mit dem Material in der gegenwärtigen Architektur ist nicht neu. Tadao Ando etwa nutzt seit mehr als 20 Jahren »authentische Baustoffe mit Substanz«, wie unbehandeltes Holz oder (anknüpfend an Le Corbusier oder Louis Kahn) Sichtbeton in seiner rohen Kraft, um Räume zu schaffen und Stimmungen zu erzeugen. In seinen besten Bauten sind die Oberflächen nicht absolut eben, sondern innerhalb der einzelnen Schalungsfelder leicht gewellt, was durch das Spiel des Lichts und die entsprechenden Schatten zu einer raffinierten Lebendigkeit der Oberfläche führt (Abb. A 1.4). Ando verhalf mit seinen Bauten dem Sichtbeton zu einer Renaissance. Meist sind es allerdings die vollkommen glatten, streng im Raster der Schaltafeln gegliederten und von einem gleichmäßigen Muster echter und manchmal auch vorgetäuschter Ankerlöcher perforierten Oberflächen seiner immer größeren Werke, die weltweit Nachahmer finden. Heute tritt Beton zunehmend in der ganzen Vielfalt seiner Erscheinungsformen ans Licht: Durch die Verwendung grober Schalbretter, durch nachträgliches Kannelieren oder Stocken erhält er einen effektvollen, rauen Charme, die Beimischung von Farbpigmenten oder bestimmten Zuschlagstoffen verleihen ihm eine besondere Materialqualität. Jacques Herzog & Pierre de Meuron etwa ließen die Außenwände des Schaulagers in Basel (2003) nachträglich mit dem Hammer abklopfen, um einen lehmähnlichen Charakter zu erhalten
Die Oberfläche in der zeitgenössischen Architektur
A 1.1 A 1.2 A 1.3 A 1.4
glasierte Fliesen und Stuckverzierungen, Alhambra, Granada (E) 14. Jh. französische Nationalbibliothek, Paris (F) 1996, Dominique Perrault mit Gaëlle Lauriot Prévost Thermalbad, Vals (CH) 1996, Peter Zumthor Sonntagsschule, Ibaraki (J) 1999, Tadao Ando
A 1.2
(siehe S. 112, Abb. C 1.27 c), während die Baseler Architekten Morger Degelo Kerez dem Beton am Kunstmuseum Liechtenstein (2000) durch Beimischung von gebrochenem grünem und schwarzem Basalt, Flusskies und schwarzem Pigment sowie durch aufwändiges Schleifen der Oberflächen die Ausstrahlung von Marmor verleihen (siehe S. 112, Abb. C 1.27 d). »Echter« Naturstein wird dagegen heute fast ausschließlich an der Oberfläche eingesetzt, in Form von dünn geschnittenen Platten oder gar nur wenige Millimeter dick auf Alu-Paneele aufgeklebt, wie es unzählige Fassaden und Foyers von Bankgebäuden und Versicherungen zeigen. Damit gibt sich Peter Zumthor – wie Tadao Ando ein Virtuose im Umgang mit dem Material – nicht zufrieden. Seine Bauten beziehen ihre eindrückliche Kraft aus dem bewussten Einsatz weniger, überwiegend unbehandelter Baustoffe wie Stein, Holz oder Beton. Zumthor möchte das »eigentliche Wesen dieser Materialien, das bar jeglicher kulturell vermittelter Bedeutung ist«, freilegen, die »Materialien in der Architektur zum Klingen und Strahlen« bringen [1]. Bei Werken wie dem steinernen Thermalbad in Vals (1996) oder der mit Lärchenholzschindeln bekleideten Kapelle in Sumvitg (1988) knüpft er mit der Wahl der Baustoffe an lokale Traditionen an und verwurzelt so die Bauwerke in ihrer Umgebung: Wie ein aus dem Berg gewachsener Monolith steht beispielsweise das Valser Bad in der Landschaft, wobei der Stein – in Form von massiven Wänden aus örtlichem Quarzit oder als Bodenbelag und Innenbekleidung der Wasserbecken aus demselben Material – außen wie innen zu einer Vielzahl ästhetischer und haptischer Erfahrungen führt.
perforierten Metallen, durch Bedrucken, durch Ätzen oder durch den gezielten Einsatz von Spiegeleffekten und Reflexen geschehen. Eigenart und Gegensätzlichkeit von zwei unterschiedlichen Materialien – Beton und Glas – thematisiert Peter Zumthor eindrucksvoll am Kunsthaus in Bregenz (1997). Den monolithischen Kern aus gegossenem, unbeschichtetem Beton von Wänden und Böden umhüllt er mit einem geschuppten Mantel aus geätztem Glas (siehe S. 86, Abb. B 8.8) und visualisiert dabei eindrucksvoll die stofflichen Qualitäten des an sich »unsichtbaren« Materials. Durchscheinend, aber nicht transparent, ändert die baulich gleichförmige Hülle je nach Blickwinkel,
A 1.3
Tageszeit und Lichtverhältnissen ihr Aussehen. Bei der Spitalpharmazie in Basel (1999) erreichen Jacques Herzog & Pierre de Meuron die Entmaterialisierung des Baukörpers, indem sie serigraphierte Gläser verwenden (siehe S. 117, Abb. C 1.36 c). Hier ist ein vollkommen gleichmäßiges grünes Punktraster auf die Fassadenbekleidung aus Glasplatten aufgebracht, die das gesamte Gebäude bis in die Fensterlaibungen hinein umhüllen. Sie erreichen damit eine sich entsprechend der Distanz des Betrachters ändernde Erscheinung. Von Weitem wirkt der Baukörper homogen grün, aus nächster Nähe werden die einzelnen Punkte erkennbar. Der Raster ist so grob, dass die dahinter liegenden Dämmplatten und Befesti-
Industriell gefertigte Materialien
Glas und transparente Kunststoffe, aber auch Metallgewebe ermöglichen es in besonderem Maße, mit der Oberfläche zu spielen, die physische und die optische Grenze zu trennen. Besonders reizvoll ist es dabei, den vielschichtigen Bereich zwischen Transparenz und Transluzenz auszuloten. Das kann durch Überlagerung der Gläser mit Lamellen oder A 1.4
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Gefühlte Optik – Material und Haptik im Gestaltungsprozess Marc Esslinger
Die Haptik, die Lehre vom Tastsinn (von griechisch »Haptikos« = berühren können), hält seit einigen Jahren verstärkt Einzug in die Forschung und Entwicklung vieler Unternehmen, in Marketing, Architektur und Design. Welche Rolle der haptische Aspekt bei der Gestaltung von Produkten spielt und wie er mit anderen Gestaltungskriterien wie Ästhetik, Material, Markenbezug und Wettbewerbsumfeld interagiert, soll dieser Exkurs veranschaulichen. Design hat grundsätzlich einen generalistischen Ansatz, und der Entscheidungsprozess unterliegt zahlreichen Einflüssen, vergleichbar mit der Arbeit in einem Architekturbüro. Daher sollen an dieser Stelle Aspekte und Erfahrungen aus dem Industriedesign aufgezeigt werden, die für die Denkweise von Architekten interessant sind und den Diskurs zwischen den artverwandten Disziplinen anregen. Sinnliche Reize und gezielte Ansprache neuer Kommunikationskanäle
Die Werbung spielt bewusst mit den Sinnen. Nach der klassischen Reklame kamen die bewegten Bilder, heute werden zusätzlich akustische Signale benutzt. Den Aufenthalt in Flughäfen und Bahnhöfen z.B. prägen immer öfter wiederkehrende Dreiklänge, die sich in unsere Gehirne einbrennen und die wir mit bestimmten Marken und Dienstleistungen in Verbindung bringen – ob wir wollen oder nicht. Der Konsument kann nicht einfach weghören und die Ohren schließen, wie man etwa Werbe-
A 6.1
A 6.2
A 6.3 A 6.4
anzeigen bewusst überblättern kann. Bei dieser Methode, der so genannten Penetration, geht es häufig eher um die Aufmerksamkeit als solche, als darum, ein positives Gefühl beim Adressaten zu erzeugen. Das liegt nicht nur an der Kurzlebigkeit vieler Kampagnen, sondern auch daran, dass vieles ohnehin auf Illusion aufbaut und nicht auf den eigentlichen Nutzen eines Produkts oder einer Dienstleistung. Architekten behaupten von sich, langfristig zu denken – das zu Erschaffende soll schließlich nicht nur für den Bruchteil eines Augenblicks relevant sein. Bei Designern erstreckt sich die Palette der zu gestaltenden Produkte von schnelllebigen Konsumgütern bis hin zu beständigen Produkten für Medizintechnik oder die Sanitärbranche, die ein halbes Leben modern-zeitlos sein sollen und vor allem nicht kaputtgehen dürfen. Vielen Kreativen sagt man nach, privat eher konservativ zu sein. Ob daraus das Verlangen resultiert, sich an Dingen festhalten zu wollen und nicht nur an Illusionen? In der begründeten Annahme, dass dies vielen Menschen so geht, gestalten Designer Produkte, die man nicht nur benutzt, sondern dies auch mit immer wiederkehrender Freude tut. Die Arbeit von Designagenturen wird immer komplexer, aber auch spannender. Design ist schon lange mehr als bloße Bildchenmalerei, mehr als das reine Verschönern. »Design ist strategisches Mittel in der Umsetzung von
»Fühlprobe«: Um das haptische Erlebnis zu testen, arbeitet die Agentur »frog design« mit unterschiedlichen Materialproben. für die Firma Vistalab entwickelte Pipette: Die ergonomische Formgebung orientiert sich an der Anwendung im Labor. Schuh »Prana« mit integrierter Massagefunktion Orangina-Flasche: Form und Oberfläche erinnern an eine Zitrusfrucht. A 6.1
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Gefühlte Optik – Material und Haptik im Gestaltungsprozess
unternehmerischen Zielen« ist die phrasierte Beschreibung der beruflichen Tätigkeit in den legendären 10-Sekunden-Gesprächen in den Aufzügen der Hochhäuser in Hamburg, Paris oder New York. Dies bedeutet einerseits Eingrenzung: Kosten, Zielpreise, immer kürzer werdende Produktlebenszyklen. Es bedeutet aber auch mehr Freiheit, weil dem Design innerhalb der Unternehmen mehr Gewicht gegeben wird. Zum einen gilt es für Produktdesigner, die Denkweise des Marketings stärker zu verinnerlichen, zum anderen müssen sie die technische Realisierbarkeit beurteilen können und die Herstellungsprozesse verstehen. Aus diesen Gründen wird innerhalb des kreativen Arbeitens immer facettenreicher agiert. Neben ergonomischen, funktionalen und technischen Aspekten – dem kleinen Einmaleins des Produktgestalters – geht es immer mehr darum, Emotionen zu vermitteln und die Bedürfnisse des Nutzers zu erkennen oder auch oftmals zu erahnen. Deshalb gewinnen Faktoren an Wichtigkeit, die der Gestaltung weitere Würze verleihen und Produkte erlebbarer, im Markt differenzierter und für den Nutzer noch zugänglicher machen. Dies geschieht, wie auch in der Werbung, durch das Spiel mit den Sinnen. Hightech und Hightouch
Am Anfang jedes Designprozesses steht das »Agentur-Briefing«, bei dem der Kunde die gewünschten Leistungen beschreibt – neben technischen Aspekten wie Maßen, Funktionalität und Zielkosten auch zahlreiche weiche Faktoren. Darüber hinaus enthält fast jeder Auftrag eine so genannte CMF-Studie (Color, Material, Finish) sowie Vorgaben über die Anmutung einer Marke. So gesund wie »Hohes C« oder medizinisch-rein wie »morgens Aronal, abends Elmex«? Für was steht die Marke? »Vertrauensvoll, zuverlässig, innovativ, speziell, technisch, kundenorientiert, führend« gibt es z.B. im Agentur-Briefing zu lesen. Welches Material ist diesen Attributen zuzuordnen und welche sind davon in einem industrialisierten Prozess umsetzbar im Sinne von Herstellung und Kosten? Medizintechnische Produkte retten Leben und müssen dies auch ausstrahlen (Abb. A 6.2). Handys hingegen sind mittlerweile, nicht nur durch ihre kurzen Lebenszyklen, zum Modeaccessoire geworden. Es ist also stark anzunehmen, dass die Materialwahl bei diesen Produkten sehr verschieden ausfallen wird. Aber es geht auch um Nuancen wie Oberflächenbeschaffenheit und die exakte Abstimmung mit der Ästhetik im Detail. Materialien wie Glas vermitteln eine gewisse Wertigkeit gegenüber Kunststoff – visuell, aber ganz besonders in der täglichen Handhabe. Durch das Material kann sich eine Marke gut, anders anfühlen. In der frühen Kreationsphase wird viel mit Materialien experimentiert, gefühlt, gebogen und geklebt – als Inspiration für neue Ideen (Abb. A 6.1). Natürlich ist ein DVD-Player aus Seide Utopie; durch eine freie Herangehensweise gelingt es jedoch, Elemente verschiedener
Materialien ästhetisch in die Formensprache oder in einzelne Elemente zu adaptieren. Selbst in der Entwicklung von Software werden Analogien zur physikalischen Welt benutzt, um Emotionen zu vermitteln und virtuelle Produkte visuell-haptisch erlebbar zu machen. Um Produkte, die morgen erfolgreich sein sollen, gestalten zu können, muss man nicht nur ein ausgeprägtes »Bauchgefühl« besitzen, sondern auch über den Tellerrand hinausschauen. Stifte, CAD-Software und Computer sind nur Werkzeuge, Kreativität aber entsteht im Kopf. Dort befinden sich auch die Augen, und die muss man immer geöffnet halten. Beim Thema Material heißt das: Was sind die Trends in der Herstellung? Was gibt es Neues in artverwandten Disziplinen wie Mode, Architektur oder Trendforschung? Welche Materialien werden zurzeit entwickelt und welche sind momentan noch Nischenspieler? Ein Spaceshuttle kann hier genauso inspirieren wie die Mailänder Modemesse. Bei dem von der Agentur »frog design« entwickelten Luxuskoffer »Henk« beispielsweise wurde das Material – Kohlefaser – den Cockpits der Formel 1 entliehen (Abb. A 6.7). Für den Gestalter steht im Vordergrund, was diese Trends und Entwicklungen für seine Projekte bedeuten – z.B. für einen Handyhersteller, einen Uhrenfabrikanten oder einen Kunden aus dem Lifestylesektor, der völlig neue Produktkonzeptionen erfragt und dessen Markenversprechen zukünftig dreidimensional zum Ausdruck gebracht werden soll. Das expressive Manifest in Form der richtigen Materialwahl eines Lifestyleprodukts wird wichtiger, je höher das Preissegment ist, welches besetzt werden soll. Massenmarkt differenziert sich vornehmlich durch Farbe; es gibt aber auch hier dutzende Nuancen. Wer Nischen besetzt oder »hochsegmentig« ist, bringt dies durch den bewussten Einsatz von Materialien und deren Oberflächenbeschaffenheit zum Ausdruck. Der Verkauf von Produkten aus hochwertig anmutendem Material bietet grundsätzlich die Möglichkeit, größere Margen zu erwirtschaften; gleichzeitig haben diese Zielgruppen auch gesteigerte Anforderungen an Qualität, Individualität und Produktnutzen.
A 6.2
A 6.3
Trend der Differenzierung
Globalisierte Märkte und somit ein (über)großes Sortiment sich ähnelnder und austauschbarer Produkte führen dazu, dass jede Möglichkeit der Differenzierung genutzt wird. Getrieben durch diesen Sachverhalt, aber auch durch die aufklärerische Arbeit der Medien, sind die Verbraucher – eigentlich sollte man sagen »Gebraucher« – in den letzten zehn Jahren wesentlich wissender und selbstbewusster geworden in der persönlichen Auswahl und der Einschätzung ihrer Kaufentscheidung. »Geizist-geil«-Kampagnen mögen ein Trend im unteren Preissegment in Zeiten der Rezession sein. Der eigentliche Treiber für den harten Kampf
A 6.4
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Teil B
Baustoffeigenschaften
1
Naturstein
2
Lehmbaustoffe
3 Keramische Baustoffe 4
Baustoffe mit mineralischen Bindemitteln
5 Bitumenhaltige Baustoffe 6 Holz und Holzwerkstoffe 7
Metall
8
Glas
9
Kunststoff
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Abb. B
Ă–kobilanzierung
Eisen-Glas-Konstruktion der Zentralkuppel, Galleria Vittorio Emmanuele II, Mailand (I) 1867, Guiseppe Megnoni
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Baustoffe mit mineralischen Bindemitteln
B 4.1
Baustoffe mit mineralischen Bindemitteln sind seit Jahrtausenden bekannt. Bereits Phönizier, Ägypter, Trojaner und Griechen kannten Mörtel aus Gips und Kalk für Mauerwerk und als schützende Putzschicht. Nachweislich verwendeten griechische Baumeister im 2. Jh. v. Chr. Kalkmörtel für Mauerwerksfüllungen aus Bruchsteinen. Die Römer verfeinerten diese Technik für die Errichtung von großen Gebäuden wie z.B. des Kolosseums: »Opus Caementitium« – ein Gemisch aus abbindefähigem Kalk, Puzzolanerde und Tuff mit Zuschlägen aus Kies und Steinen – wurde als Füllung hinter Ziegeln und Natursteinmauerwerk durch Stampfen verdichtet. Die Außenflächen erhielten eine Putz- oder Natursteinverkleidung. Bei Zweckbauten und Fundamenten diente Holz als Schalung. Vitruv beschreibt 13 v. Chr. die Zusammensetzung des hydraulischen Mörtels, der bereits Festigkeiten heute üblicher Betone erreichte (Abb. B 4.2). Das 27 v. Chr. erbaute Pantheon mit 43 m Spannweite ist bis heute das eindrucksvollste Beispiel dieser Bauweise. Das Wissen über das »Opus Caementitium« der Römer geriet nach dem Untergang des Römischen Reichs jedoch in Vergessenheit und wurde erst im 19. Jh. wiederentdeckt. Ab dem Mittelalter wird Gips vielfach als Bindemittel für Estriche, Mörtel und später für Stuckmarmor verwendet. Fachwerke erhalten eine Ausfachung mit bewehrtem Gipsmörtel, dem man Strohfasern oder Rosshaar beimischt.
B 4.1 B 4.2 B 4.3 B 4.4
Mineralische Bindemittel Bindemittel halten die körnigen Bestandteile (Zuschläge wie Sand oder Kies) von Mörtel und Beton zusammen. Über den chemischen Abbindevorgang werden die unterschiedlichsten Eigenschaften gesteuert, z.B. Festigkeit, Dampfdurchlässigkeit, Druckfestigkeit und Elastizität (Abb. B 4.6). Gips
Der natürlich vorkommende Gipsstein ist eine
Stahlbetongewölbe, Weinkeller, Pamplona (E) 1999, Jaime Gaztelu, Ana Fernandez Opus Caementitium, Caracalla-Therme, Rom (I) 217 n. Chr. Stahlbetontragwerk, ehemalige Fiat-Fabrik Lingotto, Turin (I) 1927, Giacomo Matteo Trucco Zusammensetzung mineralischer Bindemittel B 4.2
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Der französische Ingenieur Bernard Forest Belidor (1698–1761) beschrieb die Zusammensetzung von Mörtel und verwendete erstmals den Begriff »Beton« für eine Mischung aus wasserbeständigem Mörtel und Zuschlägen. 1824 erhielt Joseph Aspdin ein Patent für Portlandzement, ein Gemisch aus gebranntem, pulverfömigen Kalk und Ton. Auguste Perret (1874–1954) verwendete als einer der Ersten Beton im Wohnungsbau und zeigte die Möglichkeiten dieses Materials konsequent an Industriebauten. Bauten des Expressionismus und Architekten wie Frank Lloyd Wright machten die Formbarkeit des Beton deutlich sichtbar. In den 1950erJahren wurden hauchdünne, effiziente Schalenkonstruktionen realisiert. Le Corbusier und Louis Kahn setzten sichtbare Betonoberflächen gezielt als Gestaltungsmittel ein.
B 4.3
Baustoffe mit mineralischen Bindemitteln
Magmatite (Naturstein)
Quarz
Sand
Glimmer
Feldspat
Lehm
Ton
Zement
CO2
SO2H2O
Mergel
Kalkstein
Gipsstein
Brennen
Brennen
Brennen
hydr. Kalk
Branntkalk
Löschen
Löschen
hydr. Kalkhydrate
Kalkhydrate
Gips-Anhydrit B 4.4
Verbindung aus Kalziumsulfat (Kalk) und Wasser: CaSO4 ≈ 2H2O (Kalziumsulfat-Dihydrat). Um abbindefähigen Gips zu erhalten, wird der Gipsstein gebrochen, gemahlen und anschließend in Drehrohröfen bei Temperaturen zwischen 300 und 1000 °C gebrannt. Dadurch treibt man das gebundene Kristallwasser je nach Temperatur unterschiedlich stark aus und erhält so einzelne Baugipsarten, die in Hydratstufen des Kalziumsulfats gegliedert sind. Die Anteile von kristallwasserfreiem Anhydrit (CaSO4) und Halbhydrat im Gips bestimmen die Eigenschaften und das Abbindeverhalten. Stuckgips z.B. entsteht durch Brennen bei niedrigen, Putzgips bei hohen Temperaturen. Durch Zugabe von Wasser erhärtet Gips an der Luft unter Wärmeentwicklung wieder zu Gipsstein, d.h. der Brennprozess wird bei der Erhärtungsreaktion durch Einlagerung des Anmachwassers als Kristallwasser umgekehrt. Die Verarbeitung von Gips mit Brennen, Anmachen und Abbinden stellt somit einen geschlossenen Kreislauf dar. Kalziumsulfat entsteht auch bei technischen Prozessen als Nebenprodukt, z.B. bei Rauchgasentschwefelungsanlagen von Kraftwerken, die mit fossilen Brennstoffen befeuert werden. Der feucht anfallende REA-Gips muss zunächst getrocknet werden. Wie Naturgips eignet er sich für eine Vielzahl von Gipsprodukten. Eigenschaften und Verwendung Beigegebene Zusätze und das Wasser-GipsVerhältnis beeinflussen Festigkeit, Verarbeitbarkeit und Porosität des gehärteten Baustoffs. Gips schwindet bei der Verarbeitung nicht und wirkt sich durch Feuchtigkeitsaufnahme und -abgabe positiv auf das Raumklima aus. Weil eine ständige Wassereinwirkung den Gips löst, ist er für Nassräume nicht geeignet. Gips wird als Putz für Oberflächen mit verschiedenen Zuschlagstoffen eingesetzt. Aus dem Rohstoff wird auch eine Vielzahl an Produkten hergestellt, insbesondere Platten, Steine und Formteile. Sie sind feuerbeständig, da sie unter Wärme das in den Kristallen eingelagerte Wasser wieder abgeben. In Betonmischungen verzögert der Zusatz von Gips die Abbindegeschwindigkeit. Zu den wichtigsten Produkten gehören:
• Stuckgips, Stuckmarmor • Putzgips, Fertigputzgips, Haftputzgips, Maschinenputzgips • Ansetzgips, Fugengips, Spachtelgips • Anhydritbinder • Gipsfertigprodukte Anhydritbinder Anhydritbinder werden aus natürlich vorkommendem Anhydrit oder bei chemischen Prozessen anfallendem synthetischen Anhydrit hergestellt. Sie erhärten auf die gleiche Art wie Baugipse. Aufgrund ihrer geringeren Löslichkeit müssen werkseitig Anreger in Form von basischen Stoffen (z.B. Kalk oder Zement) oder salzartige Stoffe (z.B. Sulfate) beigemischt werden, um eine der Verarbeitung angemessene Hydratationsdauer zu bewirken. Anhydritbinder werden für Innenputzmörtel (siehe Oberflächen und Beschichtungen, S. 190), Estriche, Wandbausteine und Wandbauplatten verwendet. Kalk
Die im Bauwesen verwendeten Kalke sind Gemische aus den Oxiden und Hydroxiden von Kalzium, Magnesium, Silizium und Eisen. In der Natur findet man Kalk in Form von Kalkstein (CaCO3) und Dolomit. Baukalke werden aufgrund unterschiedlicher Härtungsvorgänge in Luftkalke und hydraulisch härtende Kalke unterschieden. Luftkalk Luftkalk wird durch Brennen von Kalkstein bei ca. 900 °C hergestellt. Danach wird der gebrannte Kalk (CaCO) durch Zugabe von Wasser »gelöscht«. Unter starker Wärmeentwicklung und Volumenvergrößerung entsteht gelöschter Kalk (Ca(OH)2), der für Mörtel und Beschichtungen als Bindemittel dient. Zur Erhärtung benötigt der Mörtel Wasser und CO2 aus der Luft, damit Kohlensäure den Kalk karbonisieren kann. Die Verarbeitung von Kalk bildet einen geschlossenen Kreislauf, am Ende liegt wieder Kalkstein vor. Hydraulischer Kalk Natürliche hydraulische Kalke werden durch Brennen von mergelhaltigem Kalkstein bei Temperaturen bis ca. 1250 °C hergestellt.
Dabei entstehen gebrannter Kalk und Klinkermineralien, die auch in Zement vorkommen. Beim Löschprozess reagiert der enthaltene gebrannte Kalk mit Wasser zu Kalkhydrat (Ca(OH)2), während die entstandenen Klinkermineralien erhalten bleiben. Hydraulische Kalke bestehen aus Mischungen von Kalkhydrat, das durch Karbonisation an der Luft erhärtet, sowie hydraulisch erhärtenden Puzzolanen, die in vulkanischen oder technischen Schlacken vorkommen. Mit steigendem Anteil an Puzzolanen im Gemisch erhöht sich die Festigkeit des hydraulisch erhärtenden Kalks und das Vermögen, nach geringer Vorerhärtungszeit an der Luft auch unter Wasser zu erhärten. Gleichzeitig verringert sich die Erhärtungszeit. Deshalb unterscheidet man nach DIN EN 459 hydraulischen Kalk 2, hydraulischen Kalk 3,5 und hydraulischen Kalk 5. Der letztere wird auch als hochhydraulischer Kalk bezeichnet. Kalke werden für Mörtel, aber auch in Reinform für dünne Beschichtungen verwendet. Die Güteanforderungen sind in DIN EN 459 zusammengestellt. Zu den Luftkalken gehören: • Weißfeinkalk, Weißkalkhydrat • Dolomitfeinkalk, Dolomitkalkhydrat Zu den hydraulischen Kalken gehören: • Wasserfeinkalk, Wasserkalkhydrat • hydraulischer Kalk, hochhydraulischer Kalk Magnesiabinder
Zur Herstellung von Magnesiabinder benötigt man Magnesit (Mg CO3) oder Dolomit (CaMg(CO3)2). Beim Brennen zwischen 800 und 900 °C entsteht Magnesiumoxid. Dieses so genannte kaustische Magnesia reagiert mit Wasser. Bei Brenntemperaturen über 1600 °C erhält man aus Magnesit gesintertes Magnesiumoxid für hochfeuerfeste Steine. Es reagiert nicht mehr mit Wasser. Kaustisches Magnesia dient bei der Herstellung von Estrichen und Holzwolleplatten als Bindemittel. Durch Zugabe von Salzlösungen bildet sich innerhalb weniger Stunden eine polierfähige Masse. Dem Magnesiabinder kann
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Baustoffe mit mineralischen Bindemitteln
gestellt. Filigranplatten sind vorgefertigte Platten mit Zugbewehrung, die durch einen vor Ort aufgebrachten Aufbeton zu einer Deckenkonstruktion vergossen werden. Hinterlüftete Fassadenkonstruktionen können mit Vorsatzschalen aus Betonfertigteilen erstellt werden. a
Mineralisch gebundene Bausteine Mineralisch gebundene Bausteine weisen eine hohe Maßgenauigkeit auf, da sie durch das Herstellungsverfahren mit Dampfdruck bei 160–220 °C kaum schwinden. Sie können mit verschiedenen Maßen, Lochungen, Rohdichten und Druckfestigkeiten hergestellt werden (Abb. B 4.20)
b
Leichtbetonsteine
Durch Zuschläge wie Bims oder Blähton stellen Betonwerke ein breites Angebot an Bausteinen für Innen- und Außenwände her, die sich durch eine geringe Wärmeleitfähigkeit auszeichnen. c Porenbetonsteine
d
B 4.18
Porenbeton besteht aus Zement mit feinkörnigen Stoffen wie Quarzsand, Flugasche und einem Treibmittel. Die Herstellung mit hohem Dampfdruck bei Temperaturen von etwa 200 C ist nur in Betonwerken möglich. Der so produzierte Beton hat bis zu 80 % Porenanteil, also eine geringere Rohdichte bei noch guter Festigkeit, und besitzt gute Schall- und Brandschutzeigenschaften. Aus Porenbeton werden Steine und großformatige Platten für tragende und nicht tragende Wände hergestellt. Hüttensteine
Hüttensteine bestehen aus granulierter Hochofenschlacke sowie Zement oder Baukalk als Bindemittel. Nach der Formgebung erfolgt das Härten durch Dampf oder kohlensäurehaltige Gase. Hüttensteine besitzen ähnliche Eigenschaften und Anwendungsmöglichkeiten wie Kalksandsteine, jedoch bei gleicher Dichte eine geringere Wärmeleitfähigkeit.
B 4.18 mineralisch gebundene Platten a Gipsplatte Typ A b Trockenestrich-Verlegeplatte c Gipsfaserplatte d Faserzementplatte B 4.19 Typenbezeichnung von Gipsplatten: Gegenüberstellung von EN 520 und DIN 18 180 B 4.20 physikalische Kennwerte von mineralisch gebundenen Steinen B 4.21 Innenraumgestaltung mit Gipsplatten, Bürogebäude, Stockholm (S) 1997, Claessen Koivisto Rune B 4.22 Fassade aus Faserzementplatten, Lagerhaus, Laufen (CH) 1991, Jacques Herzog & Pierre de Meuron
60
Als Alternative zu Betonsteinen, deren Aushärtung zeit- und kostenintensiv ist, hat die Bauindustrie Verfahren entwickelt, bei denen mineralische Bindemittel durch Dampf gehärtet werden. Mit automatischem Formpressen werden so z.B. Steine in wirtschaftlichen Formaten und höherer Maßhaltigkeit produziert.
Mineralisch gebundene Platten Gipsplatten
Die rasche Abbindezeit von Gips erlaubt die kostengünstige Herstellung von Produkten, insbesondere von großformatigen Platten für Wand- und Deckenbekleidungen. Gipsplatten (alte Bezeichnung: Gipskartonplatten) werden als endloses Band gefertigt und sind beidseitig mit Karton kaschiert, der auch die Längskanten umschließt. Die Kaschierung dient der Bewehrung, sie nimmt Zugkräfte auf und ermöglicht größere Spannweiten. Gipsplatten lassen sich leicht und mit einfachen Werkzeugen verarbeiten, z.B. durch Sägen, Schneiden, Bohren oder Fräsen. Ihre Befestigung auf Unterkonstruktionen aus Metall oder Holz ist durch Schrauben, Nageln und auf mineralischem Untergrund durch Kleben mit Mörtel möglich. Hauptvorteile der Gipsplatten sind geringes Gewicht, gute Festigkeit und geringe Wärmeleitfähigkeit. Der Baustoff besitzt einen hohen Anteil an Makroporen, aus dem die feuchteregulierenden Eigenschaften resultieren. Bei hoher Luftfeuchtigkeit nimmt sie Feuchtigkeit auf und gibt sie bei trockener Umgebungsluft wieder ab. Darüber hinaus beeinflussen Zuschläge und Füllstoffe die Materialeigenschaften. Unbehandelte Gipsplatten reagieren empfindlich auf die Einwirkung von Wasser. Entsprechenden Schutz bieten zusätzliche Bekleidungen, Beschichtungen oder Putze. Als Bekleidungen werden Gipsplatten auch im Brandschutz eingesetzt. Die Feuerwiderstandsdauer hängt von den Zusatzstoffen und der Schichtdicke der Bekleidung ab. Plattentypen Gipsplatten eignen sich gut für den Einsatz an vertikalen und horizontalen Flächen im Innenausbau. Die Typenbezeichnung der Gipsplattenarten erfolgt nach DIN EN 520, welche die noch bis August 2006 parallel anwendbare DIN 18 180 abgelöst hat. Großbuchstaben charakterisieren die Leistungsmerkmale, die auch kombiniert werden können. Die folgenden Beispiele werden von Abb. B 4.19 ergänzt: • Typ A bezeichnet die Standardplatte, deren Ansichtsseite Untergrund für Gipsputz oder Beschichtungen darstellt. • Typ F kennzeichnet Platten mit Anforderung an die Feuerwiderstandsdauer. Der Gipskern enthält in der Regel mineralische Fasern. • Typ H weist eine geringere Wasseraufnahmefähigkeit auf. Die Platte ist für den Einbau in Feuchträumen geeignet.
Kalksandsteine
Kalksandstein ist ein Gemisch aus Kalk und Sand, das beim Ablöschen mit Wasser erstarrt. Zunächst ist Kalk das Bindemittel der gewonnenen Masse, durch weiteres Erhitzen unter Dampf reagiert das Kalkhydrat mit den Sandkörnern zu Kalziumsilikathydrat. Die Steine können mit sehr geringen Maßtoleranzen gefertigt werden und erreichen eine hohe Druckfestigkeit. Kalksandsteine sind frostbeständig und für Sichtmauerwerk innen und außen geeignet.
Die Platten werden in Dicken von 9,5 bis 25 mm angeboten. Die Regelbreite der Platten beträgt fertigungsbedingt 1250 mm, bei 25 mm Dicke 600 mm. Die Länge der Platten beträgt maximal 4000 mm. Gipsplatten müssen mit den Informationen über EN, Hersteller, Datum und Typenbezeichnung gekennzeichnet sein. Für bestimmte Anwendungszwecke können Gipsplatten im Werk weiterverarbeitet und mit Löchern oder Schlitzen versehen werden.
Baustoffe mit mineralischen Bindemitteln
Wandbauplatten Wandbauplatten bestehen aus Gips, dem anorganische Füllstoffe oder Fasern zugegeben werden können. Sie besitzen glatte, ebene Flächen. Zur Erhöhung der Standsicherheit sind Stoß- und Lagerflächen meist mit Nut- und Federverbindungen ausgebildet. Aus Wandbauplatten werden leichte, nicht tragende Wände hergestellt (siehe Wände, S. 156). Die Dicke liegt zwischen 50 und 150 mm. Diese Platten eignen sich gut für feuerbeständige Wände.
Gipsplatten nach DIN EN 520
Gipsplatte
Typ A
Gipsplatte mit definierter Dichte
Typ D
GKB
Gipskarton-Bauplatte
Gipsplatte für Beplankungen
Typ E
Gipsplatte mit verbesserten Gefügezusammenhalt des Kerns bei hohen Temperaturen
Typ F
GKF GKFi
Gipskarton-Feuerschutzplatte Gipskarton-Feuerschutzplatte, imprägniert
Gipsplatte mit reduzierter Wasseraufnahmefähigkeit Typ H
GKBi
Gipskarton-Bauplatte, imprägniert
GKP
Gipskarton-Putzträgerplatte
Gipsplatte mit erhöhter Öberflächenhärte
Typ I
Putzträgerplatte
Typ P
Gipsplatte mit erhöhter Festigkeit
Typ R
Deckenplatten Die meist quadratischen Deckenplatten gibt es für Anforderungen des Brandschutzes, zur Raumschalldämmung und als dekorative Elemente. Die Vielfalt verfügbarer Lochmuster eröffSteinart net ein breites Spektrum von Oberflächen- und Gestaltungsoptionen mit unterschiedlicher akustischer Wirkung. Verbund-Bauelemente Trockenestriche sowie Wand- und Deckenbekleidungen werden auch mit Oberflächen aus Gipsplatten angeboten, die bereits mit einem Dämmstoff wie Polystyrolplatten oder Mineralfaserplatten verbunden sind (siehe Fußböden, S. 174).
Gipskarton-Platten nach DIN 18 180 (Anwendung bis August 2006)
Kalksandsteine Voll- und Blockstein (Planstein) Loch- und Hohlblockstein (Planstein) Nut-Feder-System
B 4.19
Kurzzeichen
Vormauerstein Verblender
KS, KS (P) KS L, KS L(P) KS-R, KS-R (P), KS L-R, KS L-R (P) KS Vm, KS VmL KSVb, KSVb L
Porenbetonsteine Blockstein, Planstein
PB, PP
Bauplatte, Planbauplatte
Ppl, PPpl
Mineralisch gebundene Spanplatten Mineralisch gebundene Spanplatten bestehen aus ca. 25 Masseprozent Holzspänen und 65 % anorganischen Bindemitteln (Portlandzement, Gips, Magnesiabinder) und Zusatzstoffen. Die Komponenten werden bei der Herstellung mit Wasser vermischt, gestreut und unter hohem Druck verdichtet. Je nach Bindemittel eignen sich mineralisch gebundene Flachpressplatten für Verkleidungen von Böden, Wänden und Decken im Innen- oder Außenbereich.
verfügbare Druckfestigkeitsklassen [N / mm2]
1,6 –2,2 0,6 –1,6 0,6 –1,6
4–60 4–60 4–60
1,0 –2,2 1,0 –2,2
12–60 20–60
0,35 –0,5 0,5 –0,8 0,65 –0,8 0,8 –1,0 0,35 –1,0
2 4 6 8 –
Hbl V, Vbl, Vbl S
0,5 –1,4 0,5 –2,0
2 –8 2 –12
Vbl S-W
0,5 –0,8
2 –12
Betonsteine Hohlblöcke Vollblöcke, Vollsteine Vormauersteine / Blöcke
Hbn Vbn, Vn Vm, Vmb
0,9 –2,0 1,4 –2,4 1,6 –2,4
2 –12 4 –28 6 –48
Hüttensteine Hüttenvollsteine Hüttenlochsteine Hüttenhohlblocksteine
HSV HSL HHbl
1,6 –2,0 1,2 –1,6 1,0 –1,6
12 –28 6 –12 6 –12
Gipsfaserplatten
Gipsfaserplatten bestehen aus einem Gemisch aus Gips und Zellulosefasern. Die Fasern erhöhen wie eine Bewehrung die Festigkeit der Platte. Gipsfaserplatten erhält man mit größeren Querschnitten als Gipskartonplatten und in den Baustoffklassen B1 und A 2 nach DIN 4102-1. Trockenestriche werden durch Verkleben von zwei bis drei Lagen Gipsfaserplatten erstellt.
verfügbare Rohdichteklassen [kg / dm3]
Leichtbetonsteine Hohlwandplatte Vollsteine, Vollblöcke, Vollblöcke mit Schlitzen Vollblöcke mit Schlitzen mit besonderen Wärmedämmeigenschaften
B 4.20
Faserzementplatten
Faserzementplatten werden aus Kunststoff- und Zellulosefasern, Zement und Wasser hergestellt (Abb. B 4.18 d und B 4.22). Sie sind wetterfest, wasserundurchlässig und nicht brennbar. Man erhält sie in den maximalen Maßen 1500 ≈ 3100 mm und in Dicken von 8 bis 20 mm. Perlite-Bauplatten
Perlite-Bauplatten besitzen einen Kern aus zementgebundenen Leichtzuschlägen aus Perlite. Beidseitig schützen ein Glasgewebe und eine aufgetragene Zementschicht den etwa 11 mm dicken Kern. Diese nicht brennbaren (Baustoffklasse A1), äußerst robusten Platten eignen sich als Putzträger an Fassaden. B 4.21
B 4.22
61
Holz und Holzwerkstoffe
B 6.1
Holz ist universell verfügbar und kann mit einfachen Werkzeugen leicht bearbeitet werden. Seit Beginn der Zivilisation wird es als Baustoff, Gebrauchsgegenstand oder für Möbel verwendet. Als nachgewiesen gilt der Einsatz von bearbeiteten Holzstämmen bei Grubenbauten (auch Zweipfostenhäuser genannt) um 20 000 v. Chr.: An den Stirnseiten einer etwa 2 ≈ 4 m breiten Grube bildeten eingegrabene Firstsäulen das Gerüst für ein bis zum Erdboden reichendes Sparrendach. In den waldreichen Gebieten Europas, wo gleichmäßig geformte Nadelhölzer wachsen, entwickelte sich um 9000 v. Chr. die noch heute verbreitete Blockbauweise (Abb. B 6.3). Die Ausdehnung der Besiedlung auf waldärmere Gebiete führte zu einer materialsparenderen Bauweise – dem Fachwerk. Die Kenntnis von Holzschutz hatte zwar bereits bei den Römern zu dauerhaften Holzbauten mit einem Sockel aus Stein geführt, diese Lösung war jedoch nicht allen Bauhandwerkern geläufig. Die Holzhäuser im mittelalterlichen Danzig beispielsweise mussten alle 20–25 Jahre neu errichtet werden, da das Holz durch Berührung mit dem feuchten Boden zu faulen begann. Die Stabkirchen in Norwegen aus dem 11. bis 13. Jh. verdeutlichen dagegen die Dauerhaftigkeit von Holzbauten durch konstruktive Holzschutzmaßnahmen (Abb. B 6.2). Im Vergleich zum Bauen mit Stein erfordern
die einzelnen Bestandteile des Holzbaus eine vorausschauendere Planung, um die Einzelteile durch sinnvolle Holzverbindungen zu einer stabilen Gesamtkonstruktion zu fügen. Wohl auch deshalb galten die Zimmerleute bis ins 19. Jh. hinein als führende Zunft im Bauhandwerk. Eindrucksvolle Zimmermannsleistungen wie die Sichtbalkendecke der Westminster Hall bezeugen ihre hohen Fertigkeiten (Abb. B 6.6). Industrialisierung
Der zunehmenden Verdrängung durch die neuen Baustoffe Stahl und Beton versuchte man durch die Rationalisierung von Herstellungsprozessen und die Entwicklung zeitgemäßer Holzbauweisen (z.B. Holztafel- und Holzrahmenbau) entgegenzuwirken. Im Amerika der 1940er-Jahre entwickelte Konrad Wachsmann zusammen mit Walter Gropius das »General-Panel-System«, bei dem eine Modulordnung die Grundlage bildet, um Wände, Decken und Böden auf immer gleiche Weise zusammenzufügen. Innerhalb von neun Stunden können fünf ungelernte Arbeiter ein Wohnhaus bezugsfertig errichten. Trotz rückläufigem Marktanteil hat der Konstruktionsbaustoff Holz durch das Aufkommen von leistungsfähigen Holzwerkstoffen und ein erweitertes technisches Know-how seine Bedeutung auf dem Gebiet des Ingenieur-Holzbaus bewahren können (Abb. B 6.7). Unabhängig vom Material des Tragwerks erfahren seit Mitte der 1980er-Jahre verschiedene Arten von
B 6.1 Trabocco – autochthone Architektur für den Fischfang, Fossacesia (I) B 6.2 Stabkirche, Heddal (N) 12. Jh. B 6.3 Almhütten am Matterhorn, Wallis (CH) B 6.4 Aufbau eines Baumstamms B 6.5 Verformung von Vollholzquerschnitten in Abhängigkeit vom Verlauf der Jahresringe B 6.6 Westminster Hall, London (GB) 1399 B 6.7 Eissporthalle, München (D) 1984, Ackermann + Partner B 6.8 Versicherungsgebäude, München (D) 2002, Baumschlager & Eberle B 6.2
66
B 6.3
Holz und Holzwerkstoffe
Holzstrahlen
Markröhre
Jahrring
Rinde
Kambium
Frühholz
Splintholz
Spätholz
Kernholz
B 6.4
hölzernen Außenverschalungen ein Comeback. Die österreichische Region Vorarlberg nimmt dabei eine Vorreiterrolle im zeitgenössischen Holzbau ein – bereits über 20 % aller Neubauten werden dort in Holz ausgeführt.
Holz als Baustoff Jeder Baum ist ein individueller Organismus mit spezifischen Eigenschaften. Kein Stück Holz gleicht dem anderen. Verschiedene Kriterien beeinflussen Qualität, Erscheinungsbild und Verwendungszweck: • Baumart • Standort, Makro- und Mikroklima • Baumalter • Herkunft aus dem Baumgefüge (Stamm-, Ast-, Wurzelholz; Kern-, Splintholz) Weltweit sind etwa 30 000 Holzarten bekannt, rund 500 im internationalen Handel erhältlich. Das Spektrum der Baumarten reicht von Eukalyptusbäumen in Australien mit bis zu 135 m Höhe über Zypressen mit 12 m Stammdurchmesser bis zu Bristlecone-Pines in den USA, die ein Alter von 5000 Jahren erreichen können. Im Verhältnis zu der breiten Vielfalt werden in Mitteleuropa nur wenige Holzarten im Bauwesen verwendet; Abb. B 6.9 und 10 zeigen die geläufigsten. Als wichtigste Materialeigenschaften gelten:
B 6.6
• nachwachsender Rohstoff • Kohlenstoffspeicher (Reduktion der CO2Konzentration) • gute Ökobilanz • Anisotropie (Abhängigkeit der meisten Holzeigenschaften von der Wuchsrichtung) • Hygroskopie (der Feuchtegehalt wird vom umgebenden Klima bedingt) • geringe Wärmeleitfähigkeit bei gleichzeitig guter Wärmespeicherfähigkeit • hohe Festigkeit bei geringem Gewicht (Tragfähigkeit) • Vielzahl an Holzarten mit vielschichtigem Erscheinungsbild (Farbe, Textur, Geruch) • großes Angebot an Holz und Holzwerkstoffen bei weit entwickelter Bearbeitungstechnik Biologischer Aufbau von Holz
Den Grundbaustein des Holzes bilden Zellen, die auch als Fasern bezeichnet werden. Sie haben die Aufgabe, Nährstoffe zu transportieren, Wasser zu leiten und das Holz zu festigen. Die meisten Zellen haben eine langgestreckte Form und liegen größtenteils längs zum Stammquerschnitt. Ausnahmen bilden die Holzstrahlen, die radial im Stamm verlaufen. Diese dienen der Speicherung von Nährstoffen (Abb. B 6.4). Das evolutionsgeschichtlich ältere Nadelholz verfügt über den einfacheren Aufbau, der überwiegend aus einem Zelltyp (den so genannten Tracheiden) besteht. Beim Laubholz hat sich eine weitgehende Spezialisierung der Zellen
B 6.7
B 6.5
und ihrer Aufgaben herausgebildet. So genannte Leitzellen übernehmen die Stoffleitung, Stützzellen bilden das tragende Gerüst von Laubbäumen. Abb. B 6.4 zeigt den typischen Aufbau von Holz. Der Querschnitt des Stamms baut sich bei den meisten Bäumen von innen nach außen wie folgt auf: Die mittlere Markröhre übernimmt die Wasserleitung und Speicherung beim jungen Spross, sie stirbt relativ früh ab. In Regionen mit ausgeprägten Jahreszeiten bilden die angrenzenden Jahresringe den Holzzuwachs eines Jahres ab. Ein Jahresring besteht jeweils aus dem hellen, großporigen Frühholz (entwickelt sich im Frühjahr zum Stofftransport) und dem dunklen, dichteren Spätholz (bestimmt die Festigkeit des Holzes). Das Kambium ist für das Dickenwachstum verantwortlich. Es erzeugt nach innen Holzzellen und nach außen Bast. Die Bastzellen bilden den inneren, lebenden Teil der Rinde, die von den abgestorbenen Schichten der äußeren Borke umschlossen ist. Die Rinde schützt den Stamm vor Austrocknung und mechanischer Beschädigung. Splint-, Kern- und Reifholzarten Entsprechend der unterschiedlichen Färbung des Stamms im Querschnitt gliedern sich die Hölzer in Splint-, Kern- und Reifholzarten. Bei Splintholzarten erfolgt der Stofftransport in den Zellen über den gesamten Querschnitt. Birke, Erle und Pappel weisen keinen Farb-
B 6.8
67
Kunststoff
B 9.1
Die Herstellung von Kunststoffen begann Mitte des 19. Jahrhunderts mit der chemischen Umwandlung natürlicher organischer Rohstoffe. Nach einer Experimentierphase gelang es, die Stoffeigenschaften gezielt zu verbessern, sodass traditionelle Produkte nach und nach ersetzt werden konnten. Die chemische Vernetzung (Vulkanisation) von Kautschuk-Latex des Kautschukbaums zu gummielastischem Naturkautschuk markierte den Beginn der Gummiindustrie. Zelluloid, ein Umwandlungsprodukt aus Nitratzellulose und Kampfer, gilt als erster thermoplastischer Kunststoff. Er wurde als transparenter Träger lichtempfindlicher Schichten für fotografische Zwecke verwendet. Die Erzeugung dieser Kunststoffprodukte erforderte bis Ende des 19. Jahrhunderts nachwachsende Rohstoffe. Deren chemische Analyse zeigt das Kohlenstoffatom in den Molekülen als zentrales gemeinsames Element, das addiert lange Ketten bildet, die grundlegend für den Aufbau organischer Produkte sind. Die Anwendung dieser Erkenntnis führte 1898 zur Herstellung des ersten vollsynthetischen Kunststoffs durch die Verbindung von Phenol (aus Steinkohlenteer) und Formaldehyd. Ohne Füllstoffe ist das Phenolharz glasklar. Mit Füllstoffen gemischt und unter Druck und Hitzeeinwirkung in Formen gepresst, stand der Elektrotechnik ab 1909 ein hitzebeständiger, nicht schmelzbarer, nicht leitender
B 9.1
B 9.2
B 9.3
B 9.4
Zeltdachkonstruktion, belegt mit Tafeln aus PMMA, Olympiastadion, München (D) 1972, Günter Benisch + Partner, Frei Otto u.a. hochfrequenzgeschweißter PVC-Sessel »Blow«, (I) 1967, Carla Scolari, Donato D’Urbino, Paolo Lomazzi, Gionatan de Pas »connexion skin«, pneumatischer Ballon aus hochfrequenzverschweißten PVC-Folien, (A) 1968, Haus-Rucker-Co Jugendzentrum, Gironde (F) 1994, Lacaton & Vassal B 9.2
90
Werkstoff für Gehäuse und Isolierungen zur Verfügung. Dieser erste duroplastische Kunststoff ist unter dem Begriff Bakelit bekannt. Grundlegend für die Verfahren zur Herstellung von Kunststoffen ist, dass sich einzelne niedermolekulare Bausteine (Monomere) unter geeigneten Bedingungen durch chemische Reaktion zu Makromolekülen (Polymere) verbinden (Synthese). Bis 1940 entwickelte die Kunststoffindustrie großtechnische Verfahren für die meisten der heute bekannten Kunststoffe. Aus der Vielfalt der Kombinationsmöglichkeiten verschiedener Bausteine und der formgebenden Weiterverarbeitung resultieren maßgeschneiderte Werkstoffe wie Schaumkunststoffe, synthetische Fasern oder Verbundwerkstoffe. Die Kunststoffe wurden zunächst in der Elektrotechnik und im Automobilbau eingesetzt, ab den 1960er-Jahren auch in großem Maßstab im Bauwesen. In dieser Zeit demonstrierten Architekten die Leistungsfähigkeit von Kunststoffen bei Schalentragwerken, Fassadenbekleidungen oder beispielsweise bei den transluzenten Tafeln für das Dach des Olympiastadions in München (Abb. B 9.1). Heute sind Kunststoffprodukte in allen Bereichen des Bauwesens vertreten – sichtbar z.B. als Bodenbelag oder Fassadenelement, unsichtbar als Dichtungsbahn, Dämmung oder bei Installationen.
B 9.3
Kunststoff
Chemischer Aufbau von Kunststoffen Die fossilen Rohstoffe Erdöl, Erdgas und Kohle entstanden durch Zersetzung organischer Substanzen. Über Millionen von Jahren reicherte sich unter hohen Temperaturen und hohem Druck auf dem Meeresgrund Kohlenstoff (C) und Wasserstoff (H) an. Erdöl besteht aus Kohlenwasserstoffmolekülen, deren Siedepunkt mit zunehmender Kettenlänge steigt. Die Destillation von Rohöl in der Raffinerie trennt die unterschiedlich langen Molekülketten in einzelne Fraktionen wie Gas, Benzin, Diesel und Schweröl. Aus dem so gewonnenen leichten Benzin (Naphta) werden durch »Cracken« ungesättigte und somit reaktionsfreudige Kohlenwasserstoffe erzeugt. Unter ihnen sind Ethen und Propen, beide niedermolekular und gasförmig, die wichtigsten Ausgangsstoffe für die synthetische Kunststofferzeugung. Sie können heute auch unter hohem Aufwand aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen werden. Neben Kohlenstoff und Wasserstoff enthalten Kunststoffe je nach Typ häufig noch weitere chemische Elemente wie Sauerstoff (O), Chlor (Cl), Fluor (F), Schwefel (S), Silizium (Si) und Stickstoff (N). Merkmale
Folgende Merkmale charakterisieren die meisten Kunststoffe, auch wenn ihre Eigenschaften sehr spezifisch sein können: geringe Rohdichte, geringe Wärmeleitfähigkeit, großer Wärmeausdehnungskoeffizient, hohe Zugfestigkeit, niedriger E-Modul, eng begrenzte Dauergebrauchstemperatur, gutes elektrisches Isolationsvermögen, Beständigkeit gegenüber Wasser und vielen Chemikalien, Entflammbarkeit, ohne Zusätze Alterung durch UV-Strahlen, Versprödung bei tiefen Temperaturen. Die Vielfalt der Kunststoffprodukte kann nach dem Syntheseverfahren oder nach der molekularen Struktur gegliedert werden. Beide Einteilungen lassen auf die Art der verwendeten Ausgangsstoffe und die mechanisch-thermischen Eigenschaften des Produkts schließen. Gliederung nach Syntheseverfahren
Monomeren, z.B. Polyethylen (PE), Polystyrol (PS) oder Polyvinylchlorid (PVC). Bei der Copolymerisation werden unterschiedliche monomere Bausteine zur Reaktion gebracht, um die Eigenschaften der Kunststoffe noch breiter variieren zu können. Copolymerisate mit linearen Makromolekülen sind z.B. Styrol-Acrylnitril (SAN) oder Styrol-Butadien-Styrol (SBS). Polykondensation Die Polykondensation erfolgt durch die Reaktion von Monomeren mit reaktionsfähigen Gruppen – meistens Hydroxyl- (-OH) oder Aminogruppen (-NH2) – zu Makromolekülen. Dabei werden niedermolekulare Moleküle, meist Wasser (H2O), abgespalten. Der Reaktion liegt ein Gleichgewicht zugrunde, über das sie gesteuert werden kann. Polykondensate mit linearer Makromolekülstruktur sind z.B. Polyamid (PA), Polycarbonat (PC) oder Polyester (PET), eine vernetzte Struktur weisen z.B. PhenolformaldehydHarze (PF) auf. Polyaddition Die Grundprinzipien der Polyaddition sind denen der Polykondensation sehr ähnlich: Unterschiedliche Monomere bilden durch reaktionsfähige Gruppen Makromoleküle, jedoch ohne Abspaltung von niedermolekularen Nebenprodukten. Die entstehenden Produkte werden nach ihrem chemischen Aufbau gegliedert, z.B. in die Gruppe der Polyurethane (PUR) oder der Epoxidharze (EP). Eine Sonderstellung nehmen so genannte Polymerblends (Polymerlegierungen) ein. Dabei handelt es sich um ein Gemisch mindestens zweier fertiger Thermoplaste mit dem Ziel, die Eigenschaften beider Polymere zu nutzen, z.B. ABS + PC. Gliederung nach Makromolekülstruktur
Unabhängig vom Syntheseverfahren unterscheiden sich drei Kunststoffgruppen nach der Struktur der einzelnen Makromoleküle und der damit möglichen Anordung im Polymergefüge (Abb. B 9.7). Der Vernetzungsgrad der Makromoleküle, der die grundsätzlichen
Eigenschaften des Kunststoffs beeinflusst, ist hierbei das entscheidende Zuordnungskriterium. Thermoplaste Die Makromoleküle der amorphen Thermoplaste, z.B. Polymethylmethacrylat (PMMA), bestehen aus linearen Molekülketten, die sich ineinander verknäulen, aber keine chemische Bindung miteinander eingehen. Amorphe Thermoplaste sind glasklar und bei Zimmertemperatur hart und spröde. Teilkristalline Thermoplaste wie z.B. Polyamid (PA) weisen neben den verknäulten Bereichen auch geordnete, so genannte kristalline Bereiche auf, die zur erhöhten Festigkeit des Kunststoffs beitragen. Mit Zunahme des Kristallisationsgrades nimmt die Transparenz ab. Physikalische Bindungskräfte halten die Makromoleküle zusammen. Bei Temperaturerhöhung nehmen die Bindungskräfte ab und die Beweglichkeit der einzelnen Ketten vergrößert sich, sodass sich die Eigenschaften der Thermoplaste fließend von hart über thermoelastisch zu thermoplastisch verändern. Der Vorgang (z.B. Schmelzen) ist reversibel und lässt sich auch mit spezifischen Lösemitteln erreichen. Dieses Charakteristikum von Thermoplasten ermöglicht vielfältige Formgebungs-, Verarbeitungs- und Wiederverwertungsverfahren. Elastomere Elastomere bestehen aus weitmaschig vernetzten Molekülketten. Bei der Formgebung chemisch miteinander verbunden (Vulkanisation) lassen sie sich durch Temperatureinwirkung nicht mehr lösen und sind deshalb nicht schmelzbar. Lösemittel quellen sie auf. Elastomere verhalten sich bei Gebrauchstemperatur gummielastisch und zersetzen sich irreversibel bei entsprechenden Temperaturen, z.B. Elastomere auf Basis von Styrol-ButadienKautschuk (SBR). Thermoplastische Elastomere (TPE) wie z.B. PUR- oder SBS-Blockcopolymere besitzen wesentliche Eigenschaften von Elastomeren. Da sie jedoch eine physikalische Vernetzung aufweisen und keine chemische, sind sie wie Thermoplaste zu verarbeiten.
Man unterscheidet drei Verfahren zur Herstellung von Kunststoffen; dabei werden reaktionsfähige Monomere durch chemische Reaktion zu kettenförmigen, verzweigten oder vernetzten Makromolekülen verbunden: Polymerisation Druck, Temperatur, Licht, Initiatoren und Katalysatoren leiten die Polymerisation ein. Die Doppelbindungen der Monomere brechen auf und die Einzelbausteine fügen sich ohne Abspaltung von Nebenprodukten zu linearen Molekülketten zusammen. Die äußeren Bedingungen beeinflussen die Länge der Kette und den Verfilzungsgrad der Molekülketten untereinander. Homopolimerisate bestehen aus gleichen B 9.4
91
Kunststoff
B 9.14 B 9.14 Glasklebung, Prototyp einer rahmenlosen, selbsttragenden Glasschale aus 44 Elementen, Stuttgart (D) 2004, Lucio Blandini, Werner Sobek B 9.15 a–d biologisch abbaubarer Kunststoff B 9.16 physikalische Kennwerte ausgewählter Kunststoffe B 9.17 a–b selbsttragende Elemente aus glasfaserverstärktem Kunststoff gedämmt mit Polyurethanschaum, Futuro-Haus, (FIN) 1968, Matti Suuronen
a
Komponenten, die Faserrichtung, die maximale Bruchdehnung der Matrix und die Haftung der Faser an die Matrix bestimmen dabei die Eigenschaften des Verbunds. Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen
Aufgrund des hohen unverrottbaren Abfallaufkommens, der Endlichkeit fossiler Ressourcen und der hohen CO2-Belastung der Umwelt geht die Entwicklung hin zu Kunststoffen auf der Basis von nachwachsenden Rohstoffen. Aus stärkehaltigen Pflanzen wie Mais, Getreide, Zuckerrüben oder Kartoffeln wird Glukose gewonnen, aus der durch Fermentation Milchsäure hergestellt wird. In einem zweiten Schritt können durch eine Polykondensationsreaktion der Milchsäure Polymere erzeugt werden, z.B. Polylactid (PLA) oder Polyhydroxybuterat (PHB). Diese »Bio«-Kunststoffe sind mit Zusatzstoffen und Additiven vielfältig einstellbar: zäh, viskos, biologisch abbaubar oder über Jahre dauerhaft. Das durchsichtige PLA ähnelt in seinen Eigenschaften und Anwendungen konventionellen thermoplastischen Kunststoffen wie Polystyrol (PS), Polypropylen (PP) oder Polyethylen (PE). Es wird bisher u.a. für Verpackungen von Lebensmitteln, für Folien und Töpfe im Agrarbereich sowie für Beschichtungen von Papierund Kartonverbunden verwendet. Mit der weiteren Entwicklung dieser Kunststoffe ist auch mit einer deutlichen Ausweitung der Anwendungsgebiete zu rechnen.
b
Kunststoffanwendungen Die Hersteller von Kunststoffprodukten bedienen sich, ähnlich eines Baukastensystems, der spezifischen Eigenschaften eines Kunststoffs, der Formgebungsverfahren und der Verarbeitungsmöglichkeiten, um den maßgeschneiderten Werkstoff für einen entsprechenden Anwendungsbereich zu produzieren. Oft bietet der Markt das gleiche Produkt aus unterschiedlichen Kunststoffen an. Der Nutzer wägt dann zwischen dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis ab. Dies spiegelt sich in den für das Bauwesen relevanten Anwendungsbereichen wider (Abb. B 9.13):
c
d
96
B 9.15
• tragende Bauteile: Schalenkonstruktionen, Profile • Innenausbau, Möbelbau: Boden- und Wandbeläge, Trennwände • Gebäudehülle: Fassadenelemente, Lichtkuppeln, Lichtbänder, Dachabdichtungen, Membrane • technischer Ausbau: Trinkwasserrohre, Abwasserrohre • Klebstoffe • Bindemittel für organische und anorganische Stoffe, Beschichtungen • Wärmeschutz, Schallschutz • Bautenschutz • Solarkollektoren
Klebstoffe Nach DIN 16 920 sind Klebstoffe nichtmetallische Stoffe, die Fügeteile durch Flächenhaftung (Adhäsion) und innere Festigkeit (Kohäsion) verbinden. Wenn zwei Oberflächen vollkommen eben und glatt wären – atomar perfekt –, dann würde die gegenseitige Anziehungskraft der einzelnen Moleküle ausreichen, beide Flächen aneinander zu binden. Klebstoffe simulieren dieses Prinzip. Sie stellen den Kontakt zweier nicht ganz ebener Flächen mit Hilfe der oben beschriebenen Anziehungskräfte her. Bei glatten Fügeteilen ist es notwendig, diese mechanisch oder chemisch aufzurauen, um die Oberfläche zu vergrößern, an der die Moleküle angreifen können. Grundsätzlich nimmt mit größerer Schichtdicke die Elastizität der Klebung zu und die Festigkeit ab. Die Materialeigenschaften der zu verbindenden Baustoffe fordern jeweils dazu passende Klebstoffe. Poröse Materialien wie Holz, Papier oder Textilien saugen den Klebstoff auf, was zu Fehlstellen führen kann, aber auch ein schnelleres Abbinden zur Folge hat. Dichte Baustoffe benötigen meist Klebstoffe mit reaktiven Abbindevorgängen, die in der Regel mit höherer Haftkraft verbunden sind. Klebstoffe unterscheiden sich im allgemeinen Sprachgebrauch nach Merkmalen der Anwendung: z.B. nach Gebrauchsform (flüssig, fest), Verwendungszweck (Holz-, Kunststoff-, Glas-, Metallklebstoff) oder nach Verarbeitungstemperatur.
Kunststoff
Kunststoffe
Rohdichte
Zugfestigkeit
E- Modul
Reißdehnung
Wärmeleitfähigkeit
Wärmedehnung
[kg / m³]
[N / mm²]
[N / mm²]
[%]
[W / mK]
[mm / mK]
Gebrauchsund Grenztemperatur [°C]
Thermoplaste Polyethylen
Polypropylen Polyvinylchlorid
Polystyrol Polymethylmetacrylat (Acrylglas) Polycarbonat Polytetrafluorethylen (Teflon) Polyurethan
PE PE-LD PE-HD PP PVC PVC-P PVC-U PS PMMA PC PTFE PUR
910–930 940–960 900–910
8–23 18–35 21–37
200–500 700–1400 1100–1300
300–1000 100–1000 20 – 800
0,32 0,4 0,22
200 –250 150 –180 110 –170
75 / 90 80 / 110 100 / 140
1160–1350 1380–1550 1050 1170–1200 1200 2150–2200 1050
20–25 50–75 45–65 50–77 56–67 25–36 70–80
25–1600 1000–3500 3200 2700–3200 2100–2400 410 4000
170–400 10 –50 3 –4 2 –10 100–130 350– 550 3– 6
0,15 0,16 0,16 0,18 0,18 0,23 0,58
150 –210 70 –80 70 70 –80 60 –70 100 –200 10 –20
55 / 65 85 / 100 70 / 80 90 / 100 135 / 160 150 / 200 100 / 130
EP UP
1300 1200
40–80 35–75
4000 4000
2–10 1– 6
0,23 0,6
75 140
1400 1500 1700
90 130 320
7000 9000 19 000
≤1 ≤1 ≤1
n.b. n.b. n.b.
50 70 110
n.b. n.b. n.b.
Duroplaste Epoxidharz Polyesterharze glasfaserverstärkte Polyesterharze Polyesterharz; Glasfaservlies (GF) 30 % Masse Polyesterharz; Glasfasergewebe 40 % Masse Polyesterharz; Glasfasergewebe 60 % Masse
80 / 130 bis 200 80 / 120
Elastomer Styrol-Butadien-Kautschuk Chlor-Butadien-Kautschuk (Neopren) Ethylen-Propylen-Dien-Kautschuk
SBR CR EPDM
900–1200 1420 930–980
5–30 5–25 7–20
– – –
300 – 800 400 – 900 300 – 600
n.b. n.b. n.b.
n.b. n.b. n.b.
bis 100 100 / 120 120 / 150
SI
1250–1900
4–10
–
100 – 500
0,3–0,4
20–50
180 / 230
Silikone Silikon
B 9.16 Klebstoffarten
Obwohl fast alle Werkstoffe miteinander verklebt werden können, besteht ein komplexer Zusammenhang zwischen Klebstoffart, Fugengeometrie, zu verklebenden Werkstoffen und Beanspruchung. Die Hersteller bieten entsprechend formulierte Klebstoffe an, die durch folgende Abbindemechanismen ihre Klebewirkung entfalten: Ohne chemische Reaktion verdunstet das Lösemittel oder das Klebemittel erkaltet in den festen Zustand. Mit chemischer Reaktion bilden sich nach dem Aufbringen aus niedermolekularen Klebstoffbestandteilen hochmolekulare klebende Stoffe. Schmelzklebstoffe Bei Schmelzklebstoffen erkaltet oder härtet die Klebeschicht nach dem Auftragen. Schmelzen aus Polyvinylacetat (PVAC) oder Polyisobutylen (PIB) erkalten physikalisch, Epoxidharze (EP), Melaminharze (MF) und Phenolharze (PF) härten chemisch.
Lösemittelklebstoffe Sie bestehen aus organischen Lösemitteln, welche die Klebstoffe und auch die Fügeteile anlösen und somit den Verbund erhöhen. Das Quellschweißen mit Lösemittel nutzt gelöste Oberflächenschichten aus Kunststoff als immanenten Klebstoff, z.B. bei Dachabdichtungsbahnen. Kontaktklebstoffe Kontaktklebstoff wird auf die zu verklebenden Flächen aufgetragen. Nach dem Abtrocken der beiden Klebstoffschichten hängt die Klebewirkung von der Stärke des einmaligen Andrückens ab. Der Klebefilm auf Basis von Polyisobutylen (PIB) oder Chlor-Butadien-Kautschuk (CR) bleibt gummielastisch.
a
Reaktionsharzklebstoffe Die Reaktionsharzklebstoffe teilen sich in drei Gruppen:
• Polykondensationsharze auf Formaldeydbasis härten unter Druck und Hitze aus. • Einkomponentenklebstoffe (1K) enthalten einen Bestandteil, der erst bei hohen Temperaturen eine chemische Reaktion auslöst. • Zweikomponentenklebstoffe (2K), z.B. auf Basis von Polyurethan- oder Epoxidharzen, Dispersionsklebstoffe Acrylate oder Copolymerisate wie z.B. Polyvinylbestehen grundsätzlich aus einem Reaktionsharz; diesem muss vor Gebrauch ein acetat (PVAC) sind in Wasser fein verteilt und bilden nach dem Verdunsten des DispersionsHärter beigemischt werden, der die Vernetmittels einen homogenen Klebefilm. zung herstellt. Leime Wässrige, organische Leimlösungen z.B. auf PVAC-Basis und Leime auf Eiweiß- oder Kohlehydratbasis härten physikalisch durch Wasserverdunstung.
b
B 9.17
97
Ökobilanzierung
»Für das nachhaltige Bauen kommt der Frage des effizienten Einsatzes vorhandener Ressourcen eine Schlüsselrolle zu. Während vielfältige Maßnahmen zur Reduzierung des Heizenergieverbrauchs von Gebäuden bereits Einzug in das alltägliche Planungsgeschehen gefunden haben, werden die Potenziale, die eine intelligente Materialwahl eröffnen, derzeit noch wenig in die Entwurfspraxis einbezogen. Neben ästhetischen, funktionalen und ökonomischen Entscheidungskriterien werden die ökologischen Auswirkungen von Material und Konstruktion außer Acht gelassen oder unterschätzt. Dies ist auch in der Komplexität des Themas und dem daraus resultierenden Informationsdefizit begründet. Da jedoch die entscheidenden Weichen für die Umweltauswirkungen eines Bauwerks in frühen Planungsphasen gestellt werden, sind Informationen über die Nachhaltigkeitsdaten eines Baustoffs oder einer Konstruktion in einer leicht zu erschließenden und praxisnah aufbereiteten Form Voraussetzung. Wie zahlreiche Demonstrationsvorhaben belegen, macht sich die nachhaltige Lösung auch ökonomisch bezahlt. Der gesamte Lebensweg, also die Erstellung des Bauwerks, der Betrieb einschließlich Sanierungszyklen und Reparaturen bis hin zu Abriss und Entsorgung sind relevant für die erzeugten Stoffströme. Dem Planer fehlen jedoch oft Fakten und damit auch Argumente zur Beurteilung. Das Instrument der Ökobilanzierung bietet hier ein Hilfsmittel, welches vergleichbare Daten zur Verfügung stellt. Nicht zuletzt liefert die Ökobilanzierung auch den Herstellern Anhaltspunkte, ihr Produkt zu verbessern.«[1]
Was ist eine Ökobilanz? Eine Ökobilanz analysiert den gesamten Lebensweg eines Bauelements. Dazu betrachtet man die Lebensstadien Rohstoffgewinnung, Herstellung, Verarbeitung und Transport, ggf. auch Gebrauch, Nachnutzung und Entsorgung. Gemäß ISO 14 040–14 043 umfasst sie drei Teile: Sachbilanz, Wirkungsbilanz und Auswertung. Sachbilanz In der Sachbilanz wird ermittelt, welche Stoffund Energieumwandlungsprozesse für das Produkt maßgeblich sind. Die Grenzen für die Bilanzierung – die so genannten Abschneidekriterien – setzt man üblicherweise bei mindestens 1 % Stoffmasse und Primärenergieverbrauch. Für ökologisch bedenkliche Stoffe (z.B. Weichmacher in Kunststoffen) müssen diese Abschneidekriterien im Einzelfall überprüft und ggf. außer Kraft gesetzt werden. Wirkungsbilanz Die Wirkungsbilanz erfasst die Emissionen aller Stoff- und Energieumwandlungsschritte. Sind keine herstellerspezifischen Daten verfügbar, greift man über Datenbanken auf vergleichbare Prozesse zurück. Solche Austauschprozesse sind vom Bilanzierenden auszuweisen. Jede
98
Ökobilanz enthält daher eine Bewertung der Datengrundlagen, aus der man ihre Belastbarkeit ableiten kann. Zur Auswertung werden die verschiedenen Emissionen zu Gruppen mit gleicher Umweltwirkung (z.B. Beitrag zum Treibhauseffekt) zusammengefasst. Es gibt keine genormten Vorgaben zu den darzustellenden Kennwerten. Deshalb müssen die für die Umweltauswirkungen des Produkts maßgeblichen Kategorien im Einzelfall definiert werden. Auswertung Auf Basis der Ergebnisse der Wirkungsbilanz erfolgt die Auswertung. Nach ISO 14 043 gliedert sich die Auswertung in drei Schritte: Ermittlung der Kernaussagen, Bewertung und Ergebnisdarstellung. Nicht bilanzierte, aber dennoch relevante Daten (z.B. Dauerhaftigkeit oder Ausgasungen in der Nutzungsphase) müssen zusätzlich dargestellt werden. Aus den Ergebnissen leiten sich Schlussfolgerungen und Empfehlungen für die Produktnutzung ab. Entwicklungen im Bereich Ökobilanzierung
Einige Länder in Europa haben Standards entwickelt, welche die Auswertung in einem aggregierten Kennwert ermöglicht. Die Gewichtung der Kenngrößen ist allerdings subjektiv und nicht naturwissenschaftlich belegbar. In Deutschland hat das Umweltbundesamt eine Methodik zur Einordnung und Rangbildung der Wirkungskategorien entwickelt. Dabei werden die Dimension der Wirkung (global – lokal; dauerhaft – temporär), der derzeitige Umweltzustand im Bereich der Wirkungskategorie (bedrohlich – unbedenklich) sowie der Beitrag der Wirkungskategorie an der Gesamtbelastung in Deutschland (groß – klein) zur Wertung herangezogen. Die im Atlas dargestellten Ökobilanzen sind gemäß dieser Sortierung (von links nach rechts) abgebildet. In Zukunft werden die für die Gebäudebewertung notwendigen Kennwerte in Form von standardisierten Umweltdeklarationen (EPD) von den Herstellern zur Verfügung gestellt. Sie müssen von unabhängigen Dritten überprüft werden. Damit bis dahin gleichwertige Berechnungsgrundlagen zur Verfügung stehen, haben sich die Bauprodukthersteller verpflichtet, eine Übergangsdatenbank zu erstellen. Kennwerte einer Ökobilanz
Am »Runden Tisch nachhaltiges Bauen«, der vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (BMVBW) koordiniert wird, hat man sich darauf geeinigt, die im Folgenden erläuterten Indikatoren zu verwenden. Primärenergieinhalt PEI [MJ] Der Primärenergieinhalt eines Baustoffs beschreibt den zur Herstellung und Nutzung des Materials notwendigen Aufwand an Energieträgern (Ressourcen). Dabei wird zwischen nicht erneuerbarer und erneuerbarer Primärenergie unterschieden. 100 MJ entsprechen dem Heizwert von 2,8 l Heizöl.
Ökobilanzierung
Treibhauspotenzial GWP 100 [kg CO2-Äquivalent] Durch den Treibhauseffekt wird von der Erde abgestrahlte Infrarotstrahlung reflektiert und teilweise wieder zur Erde zurückgestrahlt. Die Anreicherung von Treibhausgasen in der Troposphäre führt zu erhöhter Reflexion und somit zur Erderwärmung. Das Treibhauspotenzial fasst Gase im Verhältnis zur Wirksamkeit von CO2 zusammen. Da die Verweildauer von Gasen in der Atmosphäre in die Berechnung einfließt, muss der betrachtete Zeithorizont (üblicherweise 100 Jahre) angegeben werden. 10 kg CO2-Ausstoß entsprechen dabei etwa der Aufbereitung und Verbrennung von 3 l Heizöl. Ozonzerstörungspotenzial ODP [kg CCl3F-Äquivalent] Ozon entsteht in der Stratosphäre durch die Bestrahlung von Sauerstoff (O2) mit UV-Licht, die es dabei teilweise absorbiert. Nur ein Teil der aggressiven UV-Strahlung gelangt so zur Erdoberfläche. Das Ozonzerstörungspotenzial fasst die Wirkung verschiedener ozonzerstörender Gase zusammen. Als Bezugsgröße wird FCKW 11 (Trichlorfluormethan, CCl3F) genutzt. Versauerungspotenzial AP [kg SO2-Äquivalent] Versauerung entsteht überwiegend durch die Umwandlung von Luftschadstoffen in Säuren. Daraus resultiert eine Verringerung des pHWerts von Niederschlag. Das Versauerungspotenzial fasst alle zur Versauerung beitragenden Substanzen im Verhältnis zur Wirksamkeit von SO2 zusammen. Sichtbare, sekundäre Effekte der Versauerung an Gebäuden sind z.B. erhöhte Korrosion von Metallen und die Zersetzung von Naturstein. Überdüngungspotenzial EP [kg PO43--Äquivalent] Unter Überdüngung bzw. Eutrophierung versteht man die Anreicherung von Nährstoffen. In überdüngten Gewässern kann es zu Fischsterben bis hin zum »Umkippen«, d.h. zum biologischen Tod des Gewässers kommen. Pflanzen auf eutrophierten Böden weisen eine Schwächung des Gewebes und eine geringere Resistenz gegen Umwelteinflüsse auf. Ein hoher Nährstoffeintrag führt weiterhin zur Nitratanreicherung im Grund- und Trinkwasser, wo es zu humantoxischem Nitrit reagieren kann. Das Überdüngungspotenzial fasst Substanzen im Vergleich zur Wirkung von PO43zusammen. Photochemisches Oxidanzienbildungspotenzial POCP [kg C2H4-Äquivalent] Unter Einwirkung von Sonnenstrahlung entstehen aus Stickoxid und Kohlenwasserstoff aggressive Reaktionsprodukte, insbesondere Ozon. Photochemische Ozonbildung (so genannter Sommersmog) steht im Verdacht Vegetations- und Materialschäden hervorzurufen. Höhere Konzentrationen von Ozon sind humantoxisch. Das Ozonbildungspotenzial wird auf die Wirkung von Ethen (C2H4) bezogen.
Dauerhaftigkeit [a] Die Dauerhaftigkeit beschreibt als Potenzial den Zeitraum, in dem ein Baustoff in der zugeordneten Nutzung seine Funktion aufrechterhalten kann. Sie muss (z.B. betriebsbedingt) nicht zwangsläufig genutzt werden. Entsprechend der vielfältigen Nutzungseinflüsse ist meistens eine Zeitspanne angegeben. Der kleinere Wert beschreibt die Dauerhaftigkeit bei einer üblichen Nutzung, der größere Wert bezieht sich auf optimierte Planungen. Heizwert [MJ] Der Heizwert beschreibt die Energie, die beim thermischen Recycling (Verbrennen) des Stoffs frei wird. Durch Latentspeicher in der Luft gebundene Energie wird nicht berücksichtigt. 1 m3 Holz hat einen Heizwert von 8000 – 13 000 MJ (= 225 – 365 l Heizöl). Recyclingpotenzial Das Recyclingpotenzial beschreibt den ökologischen Wert der »Anreicherung« eines Materials in der »Technosphäre«. Es stellt dar, wie viele Umweltlasten dadurch im Verhältnis zur Neuerzeugung des Materials eingespart werden können. Es wird dazu von einer maximalen Sammelquote von 95 % ausgegangen. Da es sich beim Recyclingpotenzial um eine Einsparung in der Herstellung handelt, besteht es aus einem kompletten Datensatz mit mehreren Kennwerten. Würde das komplette noch bestehende Recyclingpotenzial genutzt, müssten die Werte zur Herstellung um die Werte für das Recyclingpotenzial gesenkt werden. Im Baustoff Atlas ist das Recyclingpotenzial nur für Metalle angegeben, da diese zurzeit als einzige Baustoffe einen Recyclingkreislauf mit hohem Wiederverwertungsanteil durchlaufen.
Umgang mit Ökobilanzdaten Aus Sicht des Planers interessiert zunächst der Vergleich von Baustoffen im Kontext des Gebäudes, um den Beitrag eines Baustoffs an der Gesamtbelastung der Umwelt durch das Gebäude abzuschätzen. Diese stoffbezogenen Kennwerte sind für einen Großteil üblicher Baustoffe auf Seite 100f. zusammengefasst. Die Kennwerte beziehen sich je nach herstellertypischer Deklaration entweder auf 1 m3 oder 1 kg des jeweiligen Materials. Sie lassen damit die Bewertung von Produkten unter allgemeinen Umweltgesichtspunkten zu, sind aber untereinander durch unterschiedliche Bezugsgrößen und bauphysikalische Eigenschaften nicht direkt vergleichbar. Lebenszyklusbetrachtung Für die Bewertung des Baustoffs über den gesamten Lebenszyklus müssen weiterhin die Recyclingmöglichkeiten des Baustoffs sowie seine Dauerhaftigkeit berücksichtigt werden. Da nicht jedem Material eine festgelegte Nutzung zugeordnet werden kann, gibt erst die anwendungsbezogene Betrachtung in Teil C
Kennwerte für die Dauerhaftigkeit an. Ein einfaches Beispiel stellt eine Bohle aus Lärchenholz dar, die als Dielenboden eingesetzt bis zu 50 Jahre, als Fassadenbekleidung aber bis zu 70 Jahre lang nutzbar sein kann. Für das Lebensende (EOL – End Of Life) eines Baustoffs sind in Teil B Heizwert (Holz und Kunststoff) oder Recyclingpotenzial (Metall) angegeben. Für Baustoffe ohne EOL-Angaben ist das Recyclingpotenzial im Vergleich zum Herstellungsaufwand gering (Beton wird beispielsweise zwar als Zuschlag für Beton recycelt, der Hauptaufwand liegt jedoch in der Zementherstellung). Weiter muss die »Nutzbarkeit« für das Recycling beurteilt werden, d.h. die Möglichkeit Baustoffe überhaupt sortenrein dem Recycling zuführen zu können. Daher liegt ein besonderes Augenmerk auf Verbundbaustoffen. Über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes betrachtet kann so z.B. ein Bodenbelag mit geringer Dauerhaftigkeit (kurze Austauschzyklen) höhere Umweltbelastungen verursachen als die Tragkonstruktion. Vergleiche von Ökobilanzen Von besonderem Interesse für Architekten und Ingenieure dürfte der Vergleich bauphysikalisch weitgehend identischer Konstruktionen sein. Aus ökologischer Sicht können solche »gleichwertigen« Konstruktionen äußerst unterschiedlich bewertet werden. Entgegen »landläufiger« Meinung müssen beim Einsatz umweltfreundlicher Alternativen keine Abstriche in Funktionalität, Ästhetik oder Wirtschaftlichkeit gemacht werden – im Gegenteil: diese Form der Betrachtung bereichert u.U. den Planungsprozess und setzt zusätzliche Kreativität frei. Beispiele für die funktionale Gegenüberstellung von Materialanwendungen finden sich in Teil C. Zum leichteren Vergleich der einzelnen Aufbauten liegen grafisch aufbereitete Daten vor. Die besonders bedeutenden Kennwerte des nicht erneuerbaren Primärenergieinhalts und des Treibhauspotenzials sind in Länge und Grauwert hervorgehoben, generell positiv bewertbare negative Potenziale durch fehlende Flächenfüllung gekennzeichnet, Werte unter 1 ≈ 10-8 in den Tabellen gleich null gesetzt. Die Kennwerte werden für jeden Anwendungsbereich prozentual verglichen, wobei der jeweils höchste Wert in der Umweltkategorie eines Anwendungsgebiets 100 % definiert. Daher sind Vergleiche von Aufbauten unterschiedlicher Anwendungsbereiche nur auf Basis der Kennwerte möglich. Erstellung eigener Vergleiche Für den eigenen Vergleich von Konstruktionen müssen zunächst geeignete Materialschichten bestimmt werden (Funktionsäquivalent). Dabei sollte – um die Aussagen nicht zu verfälschen – der ganze Lebenszyklus betrachtet werden, d.h. inklusive Dauerhaftigkeit und Recyclingmöglichkeiten. Zusätzlich sollte, wenn möglich, der Aufwand für den Erhalt des Bauteils in die Betrachtung einbezogen werden.
99
Teil C
Baustoffanwendungen
1 Gebäudehülle 2 Dämmen und Dichten 3 Installationen 4 Wände 5
Decken
6 Fußböden 7 Oberflächen und Beschichtungen
Abb. C
Holz-Glas-Fassade in Structural Sealant Glazing Konstruktion, Fortbildungsakademie Mont Cenis, Herne (D) 1999, Jourda et Perraudin / Hegger Hegger Schleiff
103
Gebäudehülle
C 1.1
»Das Haus des Nordens ist eine dickwandige Klimaburg mit eingeschnittenen, eher kleinen Fenstern. Das förderte das Bewusstsein einer zweiteiligen Welt: das Klima ist draußen, der häusliche Herd, die menschliche Wärme ist drinnen. Isoliertechnisch ist dies eine gelungene Lösung, aber wahrscheinlich nur unter diesem Aspekt. War es gut, die Welt in fremd und eigen, in Objekt und Subjekt, in draußen und drinnen zu teilen?« Otl Aicher Das Bedürfnis nach Schutz vor der feindlichen Außenwelt und extremer Witterung liefert, historisch betrachtet, den primären Anlass jeder Bauaktivität – der Schaffung einer wirksamen Abtrennung zum Außenraum. Mit dem technischen Fortschritt haben sich die Anforderungen an die Gebäudehülle vervielfältigt (Abb. C 1.6). Als Schwelle zwischen innen und außen – zum Gebäude sowie zum Stadtraum gehörend – kommt der Gebäudehülle eine besondere Bedeutung zu. Nach außen präsentiert die Fassade als Visitenkarte des Hauses der Öffentlichkeit das Selbstverständnis des Bauherrn. Im Kontext prägt sie das Bild einer Stadt. Neben den primären Schutzfunktionen kommen weitere Anforderungen, um die Komfortansprüche der Nutzer zu erfüllen (z.B. Sonnen- und Blendschutz). Gleichzeitig bestimmt die Qualität von Außenwänden und Dächern maßgeblich die Energiebilanz von Gebäuden.
Fassade, Haut und Hülle
C 1.1 C 1.2 C 1.3 C 1.4 C 1.5 C 1.6
104
Kuhprojekt, Vogelsberg / Hessen (D) 1986, Formalhaut systematische Darstellung funktionaler Kriterien systematische Darstellung konstruktiver Kriterien Kirche San Giorgio Maggiore, Venedig (I) 1566, Andrea Palladio Kuhstall, Gut Garkau bei Lübeck (D) 1925, Hugo Häring Anforderungen und Aufgaben von Gebäudehüllen (links: Außenseite)
Die Fassade – vom lateinischen »facies« abgeleitet – ist traditionell das »Gesicht« eines Hauses. Früher bezeichnete sie nur die der Öffentlichkeit zugewandte Hauptseite eines Baus, die gleichzeitig auch die Eingangsseite war. Gebäude wurden als Teil von Platz- oder Straßenwänden wahrgenommen und nicht in ihrer dreidimensionalen Gestalt (Abb. C 1.4). Zur Zeit der klassischen Moderne wurde der Begriff »Fassade« aufgrund seiner tradierten Bedeutung aus dem Wortschatz gestrichen. Die oftmals frei im Raum stehenden Körper
der Moderne verlangten nach einer allseitigen Behandlung ihrer Oberflächen. Dabei sollte die äußere Erscheinung mit den Funktionen und der inneren Nutzung im Einklang stehen (Abb. C 1.5). Die Terminologie von »Haut und Skelett« verdeutlicht den als untrennbar interpretierten Zusammenhang von innerem Gefüge und äußerer Gestalt. Durch die Befreiung der Fassadenebene von tragenden Funktionen löste sich die Außenhaut vollends vom Baukörper und wurde zum Vorhang (Curtain Wall). In der Folge entstanden in den 1960er- und 70erJahren weltweit zahlreiche gläserne Bürogebäude mit glatten Vorhangfassaden. Im zeitgenössischen Bauen geht es bei der Materialwahl nicht mehr um pragmatische oder ideologische Fragen der »ehrlichen« Materialverwendung, sondern meist um konzeptionelle und stoffliche Qualitäten von Oberflächen und um deren gewünschte Wirkung. Die wahrnehmbare Oberfläche der vom Baukörper losgelösten »Hülle« rückt ins Zentrum der Betrachtung. Vielfältige Ansätze bestimmen heute den Umgang mit Gebäudehüllen. Neben der Rückbesinnung auf traditionelle Baustoffe wie Naturstein, Holz und Ziegel wird vermehrt die Oberflächenqualität von industriellen Bauprodukten wie Kunststoff-Stegplatten, Sperrholz und wetterfestem Baustahl inszeniert (Abb. C 1.9). Neue Herstellungsverfahren von Beschichtungen auf Glas und die Möglichkeit, Oberflächen zu bedrucken, fördern die Renaissance von Ornament und Dekor. Die Materialität der Gebäudehülle rückt zugunsten der transportierten Bilder in den Hintergrund (Abb. C 1.8). Die Themen des nachhaltigen Bauens liefern einen weiteren Ansatz: Die Gebäudehülle wird als vielschichtige Haut ausgebildet, die auf äußere und innere Rahmenbedingungen sowie sich ständig verändernde Anforderungen reagiert (Abb. C 1.10), d.h. verschiedene Funktionsschichten regeln den Sonnen- und Blendschutz, die Lichtlenkung sowie die Energiegewinnung.
Gebäudehülle
Permeabilität – Luft
geschlossen teildurchlässig offen
Permeabilität – Licht
opak transluzent semitransparent transparent
Energiegewinn
Veränderbarkeit
Regelung
Teil des Tragwerks
nicht tragend tragend
Aufbau in Schichten
einschichtig mehrschichtig
Aufbau in Schalen
keiner Wärme Strom nicht veränderbar mechanisch phys. strukturell chem. substanziell
Hinterlüftung
nicht hinterlüftet hinterlüftet
Vorfertigung
niedrig hoch
manuell direkt / indirekt »selbstregelnd« mit Regelkreistechnik C 1.2
Grundlagen Die Kenntnis über die spezifischen Außenbedingungen, die inneren Nutzungsanforderungen sowie das Zusammenspiel der Einzelaspekte bildet die Grundlage für die Entwicklung von Gebäudehüllen. Darüber hinaus gelten für Fassadenkonstruktionen unabhängig von der Materialwahl zahlreiche allgemeingültige Kriterien. Funktionale Kriterien
Der Bewusstseinswandel im Umgang mit fossilen Energieträgern hat in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass zeitgemäße Klimakonzepte die Gebäudehülle in den Mittelpunkt der Betrachtung stellen, um zunächst die passiven Möglichkeiten der Fassade als Schnittstelle zwischen innen und außen auszuschöpfen (Abb. C 1.2). Die Anlagentechnik stellt die erforderliche Restenergie bereit und deckt Spitzenlasten ab. Nachdem die Kontroll- und Einflussmöglichkeiten der Nutzer auf die Fassade bis in die 1970er-Jahre immer weiter abgenommen haben (vor allem im Büro- und Verwaltungsbau), gibt es nach der rasanten Entwicklung im Bereich der Gebäudeleittechnik in den vergangenen Jahren vermehrt Bestrebungen zu »selbstregelnden« Systemen einerseits (z.B. thermotrope Gläser) sowie zu »Lowtech-Lösungen« mit manueller Bedienung andererseits (z.B. Klapp- und Schiebeläden). Darüber hinaus wird die Gebäudehülle vermehrt zur akti-
einschalig mehrschalig
C 1.3
ven Energiegewinnung genutzt. Dabei bietet die Integration von Solartechnik in die Gebäudehülle (z.B. Photovoltaikelemente und Sonnenkollektoren) vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten, die über aufgeständerte, adaptive Systeme – wie man sie häufig auf Dächern findet – hinausgehen. Konstruktive Kriterien
Wärmedämmung
Wärmespeicherung Energiegewinnung
Windschutz
Konstruktive Kriterien bestimmen die Planung von Fassaden maßgeblich (Abb. C 1.3). Mit der Entscheidung, ob die Außenwand tragen soll oder nicht, sind immer auch gestalterische Fragen verbunden. Tragende Elemente wie Wände und Stützen können durch den Rhythmus der statisch erforderlichen Lastabtragungen den Baukörper prägen und strukturieren. Eine weitere grundlegende Entscheidung ist zwischen ein- und mehrschichtigen Konstruktionen zu treffen. Während im traditionellen Mauerwerksbau und im massiven Holzbau sämtliche Anforderungen an die Hülle durch einen einschichtigen, so genannten monolithischen Aufbau erfüllt wurden, bestehen heutige Außenwandkonstruktionen meistens aus mehreren Schichten, welche die jeweiligen Teilaufgaben (z.B. Tragen, Dämmen, Dichten) in bestimmter Reihenfolge und aufeinander abgestimmt übernehmen. Als »Schichten« werden beispielsweise Putzlagen oder Wärmedämmverbundsysteme bezeichnet, die selbst nicht tragfähig oder Teile einer übergeordneten Konstruktion sind (Abb. C 1.7).
natürliche Belichtung kontrollierter Durchlass diffusen Tageslichts
kontrollierter Durchlass direkten Sonnenlichts (Sonnenschutz, Blendschutz) Durchsicht, visuelle Verbindung
natürliche Belüftung
Abhalten von Niederschlägen
Regulierung der Luftfeuchte, Dampfdiffusion
Schutz der Wand gegen Durchfeuchtung
Schallschutz
Schutz vor mechanischer Beschädigung
Feuerschutz, Brandschutz
Einbruchschutz
C 1.4
C 1.5
C 1.6
105
Gebäudehülle
Naturstein Bei der Verwendung von Naturstein als Außenwandbekleidung ist zu berücksichtigen, dass die sehr unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften der Steinarten (siehe Naturstein, S. 43) den Anforderungen der Witterungseinflüsse entsprechen: • thermische Längendehnung • Formänderungen durch Schwankungen des Feuchtegehalts (Quellen und Schwinden) • Frost- und Tausalzbeständigkeit (besonders im Bereich der Sockelzone) • chemische Stabilität (SO2 und CO2) C 1.18
Vorgehängte Naturwerksteinplatten
rung bestehen. Ihr Gewicht ist im Vergleich zu massiven Natursteinplatten deutlich geringer. Die Dauerhaftigkeit der Verbundplatten muss sich jedoch in der Praxis noch bewähren Vormauerschalen
Die Wanddicke von Vormauerschalen aus Naturwerksteinen beträgt mindestens 90 mm. Im Vergleich zu vorgehängten Plattenfassaden unterliegen sie im Sockelbereich keiner Bruchgefahr durch die Einwirkung von horizontalen Kräften (z.B. durch Fahrzeuge oder mutwillige Beschädigung). Die Lastabtragung über den Mauerwerksverband sowie die Verankerung der Außenschale mit der Primärkonstruktion erfolgt analog zu Klinkerfassaden. Bei massiven Vormauerschalen kann das volle Spektrum an Oberflächenbearbeitungen (siehe Naturstein, S. 42) genutzt werden.
C 1.18 Trag- und Halteanker von vorgehängten Natursteinplatten C 1.19 Verblendformate und Fugenanteil bei angemörtelten Wandbekleidungen aus kleinformatigen Naturstein-, Betonwerksteinplatten und keramischen Materialien C 1.20 Außenwandbekleidungen aus Naturwerksteinen (Auswahl) a vorgehängte, hinterlüftete Naturwerksteinplatten aus Eifelbasalt b geschosshohe Naturstein-Verbundplatte c Vormauerschale aus Sandstein d Gabionen mit einer Füllung aus Altmühltaler Dolomit e Formgussmauer f Riemchen aus brasilianischem Ölschiefer
Natursteinfassaden werden heute aufgrund der wirtschaftlichen und bauphysikalischen Vorteile meist als vorgehängte, hinterlüftete Konstruktionen ausgeführt. Das Verankern von Natursteinplatten an einer Unterkonstruktion ist material- und arbeitsintensiv. Zur Vermeidung von Korrosionsschäden an der Fassadenoberfläche müssen sämtliche Befestigungsmittel (Ankerdorne, Schraubanker und Profilstege) nach DIN 17 440 aus nichtrostendem Stahl bestehen. Im Regelfall wird jede Platte von drei bis vier Ankerpunkten gehalten, wobei eine zwängungsfreie Lagerung zu gewährleisten ist (Abb. C 1.18). Die Plattenstärke beträgt je nach Steinart (Hart- bzw. Weichgestein) und statischer Bemessung in der Regel 30 – 50 mm. Fugen nehmen Bewegungen auf und tragen zur Hinterlüftung bei; je nach Plattengröße sind sie 8 –10 mm breit. Bei offenen Fugen entfallen Trenn- und Dehnfugen; sie schwächen allerdings das steinerne Erscheinungsbild. Alternativ können Fugen vermörtelt werden, Dehnfugen lassen sich mit besandetem Silikon verschließen. Eine Hinterlüftung muss dennoch gewährleistet bleiben. Der hohe Anteil an Konstruktionselementen verschlechtert die für Natursteine ansonsten vergleichsweise günstige Ökobilanz. Um den konstruktiven Aufwand zu verringern, haben einige Hersteller Naturstein-Verbundplatten entwickelt, die aus einer Aluminium- oder Blähtonträgerplatte mit 6 mm Steinkaschie-
Platten mit einer Fläche < 0,1 m2 und einer Dicke ≤ 30 mm können auf dem Untergrund angemörtelt werden. Zum Ausgleich von Unebenheiten beträgt die Mörtelschicht mindestens 10 mm, besser jedoch 20 mm. Die thermischen und hygrischen Dehnungen des vollflächig mit dem Untergrund verbundenen Belags müssen durch 10 mm breite Dehnfugen in Abständen von maximal 6 m aufge-
a
c
e
Spaltplatten
Riemchen
Mittel- Kleinmosaik mosaik 750
500
250
12
18
20
30
Fugenanteile [%]
110
33
36
Schichthöhe [mm]
0
C 1.19
b
d
Gabionen
Gabionen sind Maschendrahtkörbe, die mit unterschiedlich großen Steinen – vorzugsweise aus lokal verfügbarem Material – gefüllt sind (Abb. C 1.21 d). Sie werden seit Jahrhunderten im Ingenieur- und Landschaftsbau eingesetzt. 1994 verwendete Ian Ritchie beim Bau für das Kulturzentrum in Terrasson (F) erstmals Gabionen als Baumaterial für den Hochbau. Formgussmauern
Zur Herstellung von Formgussmauern werden meist recycelte Steine zwischen einer vorderen Schalung und z.B. einer hinteren druckfesten Dämmung aufgeschichtet und mit Beton vergossen (Abb. C 1.20 e). Durch das Wechselspiel von Naturstein und Beton entsteht eine reizvolle Oberfläche. Kleinformatige, angemörtelte Natursteinplatten
f
C 1.21
Gebäudehülle
a
b
nommen werden. Mit einer Plattenverkleidung beabsichtigt man in der Regel nicht, tragendes Mauerwerk nachzuahmen. Daher versetzt man die Platten mit kreuzenden, 4– 6 mm breiten Fugen oder verwendet kleine Formate im Verband (Abb. C 1.19).
Ziegel und keramische Baustoffe Wie kaum ein anderer Baustoff erfordert Mauerwerk beim Entwerfen und Konstruieren große Disziplin und Kenntnis über die materialgerechte Ausbildung von Details. »Der Backstein ist ein anderer Lehrmeister. Wie geistvoll ist schon das kleine, handliche, für jeden Zweck brauchbare Format. Welche Logik zeigt sein Verbandsgefüge. Welche Lebendigkeit sein Fugenspiel. Welchen Reichtum besitzt noch die einfachste Wandfläche. Aber welche Zucht verlangt dieses Material.« Ludwig Mies van der Rohe Zweischaliges Verblendmauerwerk
DIN 1053 unterscheidet grundsätzlich zwischen zweischaligem Mauerwerk mit und ohne Luftschicht. Die Mindestdicke der Vormauerschale beträgt zur Gewährleistung der Standsicherheit 90 mm, in der Regel jedoch 115 mm. Für diese Anwendung kommen nur wasserabweisende, frostfeste und ausblühungsfreie Vormauerziegel oder Klinker, möglichst als Vollsteine, infrage. Für Außenschalen werden meist kleinformatige Steine als Dünnformat (DF) mit 240 × 115 × 52 mm oder Normalformat (NF) 240 × 115 × 71 mm verwendet. Bereits bei mittelformatigen Steinen (2-DF etc.) gerät das Verhältnis von Fuge und Stein aus dem Gleichgewicht und kann zu ästhetisch unbefriedigenden Ergebnissen führen.
c
Zweischaliges Mauerwerk mit Luftschicht und Wärmedämmung Der maximal zulässige Abstand zwischen Innen- und Außenschale beträgt 150 mm. Die Luftschichtdicke darf 40 mm nicht unterschreiten. Somit verbleiben bei Ausnutzung des Höchstabstands nur 110 mm für die Wärmedämmung. Am so genannten Wandfuß und Wandkopf sind ausreichend dimensionierte Zuund Abluftöffnungen (7500 mm2 je 20 m2 Fassade) durch offene Stoßfugen oder Lüftungssteine vorzusehen, um die Entwässerung sowie die erforderliche Luftzirkulation zu gewährleisten. Dieser sehr dauerhafte Wandaufbau erfordert allerdings durch die großen Wanddicken von etwa 500 mm (bei 240 mm Tragschale) einen erhöhten Konstruktionsflächenbedarf und vermindert somit die Nutzfläche spürbar. Zweischaliges Mauerwerk mit Kerndämmung Wenn die Luftschicht entfällt und der Schalenzwischenraum vollständig mit Wärmedämmstoffen gefüllt ist, ergeben sich gänzlich andere bauphysikalischen Rahmenbedingungen. Für diese Konstruktionsart eignen sich nur wasserabweisende Kerndämmstoffe. Das Eindringen von Wasser ist durch eine sorgfältige Ausführung der Außenschale dauerhaft zu vermeiden.
C 1.21
d
3 – 7 Drahtankern pro Quadratmeter (in Abhängigkeit vom Ankerdurchmesser, Abstand der Mauerwerksschalen und der Höhe der Außenwand über Gelände) verbunden. Neben der Farbe und Oberflächenbeschaffenheit der Steine sowie der Breite, Tiefe und Farbe der Fugen beeinflusst vor allem die Wahl des Mauerwerkverbands den Charakter einer Fassade. Läuferverbände mit halbsteiniger Überdeckung können bei großen Flächen schnell eintönig wirken. Bei der Verwendung von historischen »Zierverbänden« werden die Köpfe als Halbsteine vermauert (Abb. C 1.21). Angemörtelte Riemchen, Spaltplatten und keramische Wandfliesen
Bei keramischen Außenwandbekleidungen gelten die Planungshinweise für kleinformatige, angemörtelte Natursteinplatten (siehe S. 110). Vorgehängte, hinterlüftete Keramikplattenfassade
Stranggepresste keramische Platten mit offenen Fugen sind erst seit einigen Jahren als vorgehängte, hinterlüftete Regenschutzverkleidung erhältlich. Im Vergleich zu zweischaligem Mauerwerk verfügen gebrannte Keramikplatten aufgrund ihres geringen Gewichts über konstruktive und bauphysikalische Vorteile. Sie bestehen in der Regel aus zwei profilierten Einzelplatten Bei Vormauerschalen sind in Abhängigkeit von (mit Kopf-, Fuß- und Tropffalz), die werkseitig der Himmelsrichtung bzw. der Sonneneinstrah- über Stege zu einem Doppelwandprofil verbunlung, der Farbe und Oberflächenbeschaffenheit den werden. Bei einer Plattendicke von 30 mm der Steine senkrechte Dehnfugen im Abstand beträgt die Höhe der Platten ca. 150−250 mm, von 5 bis 12 m vorzusehen. Horizontale Bewedie Breite ca. 300−450 mm. Die gebrannten gungsfugen sind bis zu einer Gebäudehöhe Keramikplatten bleiben meist naturfarben, von 12 m nicht erforderlich. Bei höheren Gebäu- glasierte Platten sind wenig verbreitet. den muss die Außenschale mittels Konsolen Die Unterkonstruktion besteht in der Regel aus abgefangen werden, unterhalb der Konsolen Aluminium, gelegentlich auch aus Holz, und hat sind Dehnungsfugen auszubilden. Wie bei allen die Aufgabe, Eigengewicht, Windkräfte sowie zweischaligen Wandkonstruktionen werden die thermische Masseänderungen zwängungsfrei Mauerwerksschalen gemäß DIN 1053-1 mit an das Tragwerk weiterzuleiten. Zur Wasserab-
C 1.21 Zierverbände a holländischer Verband b gotischer Verband c märkischer Verband d schlesischer Verband C 1.22 keramische Außenwandbekleidungen a Recyclingziegel b glasierte Klinker c Keramik-Rillen-Platten d keramische Steinzeugfliesen a
b
c
d
C 1.22
111
Teil D
Abb. D
ETFE-Kissen auf leichter Stahlkonstruktion, Eden Project, St. Austell (GB) 2001, Nicholas Grimshaw & Partners
Gebaute Beispiele im Detail
01
Marte.Marte; Aussegnungshalle in Batschuns
(A)
Lehm
02
Hans-Jörg Ruch; Erweiterung einer Berghütte in Pontresina
(CH)
Holz
03
Perraudin Architectes; Weinlager in Vauvert
(F)
Naturstein
04
Simon Ungers mit Matthias Altwicker; Ferienhaus in Ithaca
(USA) Leichtbetonstein
05
MADA s.p.a.m.; Wohnhaus in Lantian Xian
(VRC) Naturstein
06
Future Systems; Wohnaus in Pembrokeshire
(GB)
Gründach
07
Lacaton Vassal; Wohnhaus in Floirac
(F)
Kunststoff
08
Ruben Anderegg; Wohnhaus in Meiringen
(CH)
Putz
09
Snozzi + Vacchini; Wohnbebauung in Maastricht
(NL)
Ziegel
10
Arte Charpentier & Abbès Tahir; Metrostation in Paris
(F)
Glas
11
NIO architecten; Bushaltestelle in Hoofddorp
(NL)
Kunststoff
12
Edward Cullinan; Werkhalle für ein Freilichtmuseum in Sussex
(GB)
Holz
13
Kengo Kuma; Museum Hiroshige Ando in Batoh
(J)
Holz
14
Tezuka; Naturwissenschaftliches Museum in Matsunoyama
(J)
Metall
15
NOX / Lars Spuybroek; Kulturzentrum in Lille
(F)
Membranen
16
Hascher Jehle Architektur; Kunstmuseum in Stuttgart
(D)
Glas
17
Allmann Sattler Wappner; Dienstleistungszentrum in Ludwigshafen (D)
18
Riegler Riewe; Institutsgebäude der TU Graz
(A)
Beton
19
Tectône; Hotelfachschule in Nivilliers
(F)
Ziegelelemente
20
Jean-Marc Ibos et Myrto Vitart; Feuerwache in Nanterre
(F)
Metall
21
Dietz Joppien; Dienstleistungsgebäude in Frankfurt am Main
(D)
Leichtbeton
22
MVRDV; Erweiterung eines Krankenhauses in Veldhoven
(NL)
Glas
23
Assmann Salomon und Scheidt; 110 kV Schaltanlage in Berlin
(D)
Naturstein
24
Sauerbruch Hutton; Polizei- und Feuerwache in Berlin
(D)
Glas
25
Schweger + Partner; Tribünenüberdachung in Hamburg
(D)
Membranen
Glasfliesen
203
Holz
Erweiterung einer Berghütte Pontresina, CH 2003
Architekt: Hans-Jörg Ruch, St. Moritz Mitarbeiter: Sacha Michael Fahrni, Stefan Lauener, Alan Abrecht, Velia Jochum Tragwerksplanung: Beat Birchler, Silvaplana
Die Tschiervahütte ist eine von rund 150 Berghütten des Schweizer Alpen-Clubs und liegt inmitten imposanter Gipfel auf 2583 m Höhe. Die geplante Erweiterung erwies sich als schwierige Aufgabe, weil neben dem Bauherrn auch diverse Behörden wie die Natur- und Heimatschutzkommission ein Mitspracherecht hatten. Von ihrem Konzept der bewussten Gegenüberstellung von Alt und Neu konnten die Architekten jedoch alle Beteiligten überzeugen. Sie beließen die bestehende Hütte weitgehend in ihrem Zustand und ergänzten sie um einen Anbau, der sich mit seiner klaren kubischen Form und seiner hölzernen Fassade selbstbewusst von dem steinernen Altbau absetzt. Wie um den grandiosen Ausblick einzufangen, kragt er neugierig über die vorgelagerte Stützmauer aus und begrenzt eine windgeschützte Terrasse. Durch das neue Treppenhaus konnten die feuerpolizeilichen Anforderungen erfüllt und die Eingriffe in den Bestand auf ein Minimum reduziert werden. Zwar kann die Tschiervahütte nach wie vor nur 100 Gäste beherbergen, der Komfort hat sich jedoch wesentlich verbessert: Die Schlafstellen sind breiter, die Küche ist geräumiger, und der Essraum im Anbau bietet zusätzliche Sitzplätze. Nicht nur aus gestalterischen Gründen fiel die Wahl für das Konstruktionsmaterial auf Holz. Die abgeschiedene Lage in den Bergen erforderte es, möglichst viele Teile vorzufertigen und in kurzer Zeit vor Ort zu montieren, um die Kosten für den aufwändigen Transport per Hubschrauber sowie für die Energie- und Wasserversorgung auf der Baustelle gering zu halten. Der Anbau wurde zweischalig konstruiert; die äußere Schale aus Stahlstützen und eingeschobenen Lärchenholzbohlen schützt das Haus vor Lawinen. Vorfabrizierte Wandelemente in Holztafelbauweise und Brettstapeldecken bilden die innen liegende Tragstruktur. Durch die teilweise sichtbare Konstruktion und die eigens entworfenen Massivholzmöbel dominiert das Material Holz auch im Innenraum. º Hochparterre 01– 02 / 2004 Wallpaper 06 / 2004
206
aa
a b b
c
a
c
bb
Beispiel 02
1
2
Grundrisse • Schnitte Maßstab 1:500 Horizontalschnitt • Vertikalschnitt Maßstab 1:20
3
3
4
4
5
6
dd
1 d
2
d
3 4
5
7
5
6
7
8
cc
8
Attikaabschluss Flachstahl ¡ 240/10 mm Stahlprofil fi 120 Abdichtung Polymerbitumenbahn beschiefert, zweilagig Gefälledämmung Polystyrol-Hartschaum 240 –120 mm Dampfsperre Brettstapeldecke 260 mm Holzfenster mit Isolierverglasung VSG Stahlstützen HEA 160 feuerverzinkt, im UG verdübelt mit Betonwand, Zwischenlage EPDM 20 mm Holzbekleidung Lärchenbohlen 80/160 mm sägerau Holzlattung Lärche 50/60 mm sägerau Luft- und Entwässerungsschicht 80 mm Abdichtung OSB-Platten 18 mm Wärmedämmung Mineralwolle 180 mm zwischen Holzrahmen 80/180 mm Dampfsperre Gipsfaserplatten 2x 15 mm, gespachtelt und gestrichen Linoleum mit Trittschallhinterlegung Holz-Beton Verbunddecke F 60 gespachtelt, aus Überbeton 75/95 mm und Brettstapelelementen 125/145 mm Holzriemenparkett Lärche 27 mm, Nut und Feder, gehobelt und geölt, Ausgleichsschicht Holzfaserdämmplatte 30 mm Mineralfaserdämmung 10 mm Trennlage PE-Folie Stahlbeton 160 mm keramische Platten 15 mm Heizestrich 55 mm Trennlage PE-Folie Wärmedämmung Polystyrolhartschaum 100 mm Bitumenanstrich Stahlbeton 120 mm
207
Glossar: Physikalische Stoffkenngrößen
Physikalische Stoffkenngrößen Karsten Tichelmann, Patrik Jakob
Mechanische Kenngrößen Rohdichte ρ [kg / m3, kg / dm3] Die Rohdichte ist das volumenbezogene Gewicht eines trockenen Baustoffs einschließlich Poren und Zwischenräumen (Masse pro Volumen). Bei bestimmten Baustoffgruppen, z.B. Beton und Mauerwerk, werden Rohdichteklassen zur Definition der Materialeigenschaften wie Festigkeit oder Wärmeleitfähigkeit verwendet. Die Abhängigkeit der Wärmeleitfähigkeit von der Rohdichte verschiedener Baustoffe ist in DIN 4108-4 und DIN EN 12524 tabellarisch zusammengefasst. Wichte γ (spezifisches Gewicht) [kN / m3] Das spezifische Gewicht eines Körpers bezeichnet das Verhältnis von Gewichtskraft zu Volumen. Im Unterschied zur Dichte bezieht sich die Wichte auf die Gewichtskraft, nicht auf die Masse, d.h. Dichte und spezifisches Gewicht unterscheiden sich um den Faktor der Fallbeschleunigung g = 9,81 N / kg. Druckfestigkeit fc [N / mm2] Die Druckfestigkeit definiert die maximal aufnehmbare Spannung eines Werkstoffs bei einer Druckbeanspruchung. Sie wird aus dem Quotienten der maximal aufnehmbaren Druckkraft und dem Ausgangsquerschnitt der Werkstoffprobe bestimmt.
Widerstandsmoment des Querschnitts der Werkstoffprobe bestimmt. Die Normung sieht je nach Werkstoff verschiedene Prüfungen zur Ermittlung der Biegezugfestigkeit vor. Spaltzugfestigkeit βSZ [N / mm2] Das Spaltzugverfahren ist eine Methode zur indirekten Bestimmung der Zugfestigkeit von Gesteinen und Baustoffen mit hydraulischen Bindemitteln. Im Gegensatz zur direkten Zugfestigkeit wird ein zylindrischer Körper einer zunehmenden Druckbeanspruchung ausgesetzt, welche Zugspannungen senkrecht zur Druckspannung erzeugt. Überschreiten diese die Kohäsion (Zusammenhangskräfte zwischen Atomen bzw. Molekülen), tritt der Bruch ein. . Elastizitätsmodul E (Young’s Modulus) [N / mm2] Der Elastizitätsmodul ist ein Materialkennwert, der den Zusammenhang zwischen Spannung und Verformung (meist Dehnung) bei mechanischer Beanspruchung eines festen Körpers beschreibt. Er ist als Steigung des Spannungs-Dehnungs-Verhaltens innerhalb des elastischen Bereichs definiert. Der Zahlenwert des Elastizitätsmoduls ist um so größer, je mehr Widerstand ein Material seiner Verformung entgegensetzt. Ein Material mit hohem EModul ist also steif, ein Material mit niedrigem E-Modul weich.
Zugfestigkeit ft [N / mm2] Unter Zugfestigkeit versteht man die maximal aufnehmbare Spannung eines Werkstoffs bei einer Zugbeanspruchung. Sie wird aus dem Quotienten der maximal aufnehmbaren Zugkraft und dem Ausgangsquerschnitt der Werkstoffprobe bestimmt.
Bruchdehnung εB [-] Die Bruchdehnung ist ein Werkstoffkennwert, der angibt, um wie viel Prozent sich ein Material plastisch verformen lässt, bevor es zum Bruch des Festkörpers kommt. D.h. der Zusammenhalt eines Festkörpers wird unter der Wirkung von äußeren Kräften aufgehoben, z.B. durch Zerstörung des inneren Gefüges oder durch Aufhebung des molekularen Verbunds.
Biegezugfestigkeit fm [N / mm2] Die Biegezugfestigkeit ist die maximal aufnehmbare Spannung eines Prüfkörpers bei einer Biegebeanspruchung im Zustand des Versagens. Sie wird aus dem Quotienten des maximalen Biegemoments und dem
Mohs-Härte HM [-] die Mohs’sche Härteskala ist eine relative, zehnstufige Härteskala (Ritzhärte), bei der das nächst härtere Mineral das vorhergehende weichere Mineral ritzt (Abb. E 1.1). Die Skala reicht von 1 (Talk) bis 10 (Diamant).
Mohs-Härte
Referenzmineral
absolute Härte
Bemerkungen
1
Talk
0,03
mit Fingernagel schabbar
2
Halit
1,25
mit Fingernagel ritzbar
3
Kalzit
4,5
mit Kupfermünze ritzbar
4
Fluorit
5
mit Messer leicht ritzbar
5
Apatit
6,5
mit Messer noch ritzbar
6
Orthoklas
7
Quarz
120
8
Topas
175
9
Korund
10
Diamant
37
mit Stahlfeile ritzbar ritzt Fensterglas
härtestes natürlich vorkommendes Mineral; nur von sich selbst ritzbar E 1.1
264
Vickers-Härte HV [N / mm2] Beim Verfahren nach Vickers wird eine vierseitige, regelmäßige Diamantpyramide mit einem Winkel von 136 ° zwischen den gegenüberliegenden Flächen in die Oberfläche des Werkstoffs gedrückt. Wie die Brinell-Härte ergibt sich die Vickers-Härte aus dem Quotient der Prüfkraft und der Eindruckfläche. Druck p [Pa] Der Druck p ist eine physikalische Zustandsgröße und wird in Pascal angegeben. Der Luftdruck ist der hydrostatische Druck der Luft. Er bezeichnet die Gewichtskraft der Luftsäule, die über einer Fläche oder einem Körper steht. In einem Vakuum ist diese Gewichtskraft nicht vorhanden.
Thermodynamische Größen Schmelzpunkt TSM [°C] Unter Schmelzpunkt oder Schmelztemperatur versteht man die Temperatur, bei der ein Stoff schmilzt, d.h. vom festen in den flüssigen Aggregatzustand übergeht. Siedepunkt TS [°C] Als Siedepunkt bzw. Siedetemperatur oder Kochpunkt bezeichnet man die Temperatur, bei der ein Stoff siedet, d.h. sein Dampfdruck gleich dem äußeren Druck ist und er vom flüssigen in den gasförmigen Aggregatzustand übergeht. Wärmeleitfähigkeit λ [W / mK] Die Wärmeleitfähigkeit ist eine spezifische Stoffeigenschaft. Sie gibt den Wärmestrom an, der bei einem Temperaturunterschied von 1 K durch eine 1 m2 große und 1 m dicke Schicht eines Stoffs geht. Je kleiner die Wärmeleitfähigkeit, umso besser ist das Dämmvermögen. Der λ-Wert bezieht sich als Laborwert auf trockene Baustoffe.
1000 140 000
Brinell-Härte HB [N / mm2] Die Härteprüfung nach Brinell wird bei weichen bis mittelharten Metallen wie unlegiertem Baustahl oder Aluminiumlegierungen, bei Holz und bei Werkstoffen mit ungleichmäßigem Gefüge, z.B. Gusseisen, angewendet. Dabei wird eine Stahl- oder Hartmetallkugel mit einer festgelegten Prüfkraft in die Oberfläche des Werkstoffs gedrückt. Nach Brinell misst man die bleibende Eindruckfläche, die durch eine vorgegebene Belastung erzeugt wird. Die Brinell-Härte ergibt sich aus dem Quotient der Prüfkraft und der Eindruckfläche.
Spezifische Wärmekapazität c [J / kgK] Die spezifische Wärmekapazität gibt die benötigte Wärmemenge an, um 1 kg eines Stoffes um 1 K zu erwärmen. Mithilfe der spezifischen Wärmekapazität lassen sich Aussagen treffen, ob sich ein Stoff besser oder schlechter als Wärmespeicher eignet. Je größer der Zahlenwert für c, desto größere Wärmebeträge lassen sich in der gleichen Stoffmasse speichern.
Glossar: Physikalische Stoffkenngrößen
Wärmespeicherfähigkeit QSP [Wh / m2K] Die Wärmespeicherfähigkeit gibt Auskunft über die Fähigkeit von Baustoffen Wärme zu speichern. Sie errechnet sich aus dem Produkt der spezifischen Wärmekapazität c, der Rohdichte ρ und der Dicke d des betrachteten Baustoffs (QSP= c ≈ ρ ≈ d). In der Regel haben Materialien mit hohem Dämmwert eine geringere Speicherfähigkeit als Materialien mit schlechtem Dämmwert. Eine hohe Speicherfähigkeit wirkt sich positiv auf das Raumklima aus, da sie Temperaturspitzen ausgleichen kann und damit zu hohe Temperaturschwankungen vermeiden hilft. Thermischer Längenausdehnungskoeffizient α [K-1] Der thermische Längenausdehnungskoeffizient gibt an, um welchen Betrag sich ein fester Körper im Verhältnis zur gesamten Länge bei einer Temperaturänderung im baupraktischen Bereich (in der Regel - 50 °C bis + 80 °C) von 1 K vergrößert oder verkleinert. Wärmedurchgangskoeffizient U (U-Wert) [W / m2K] Der U-Wert definiert jene Wärmemenge, welche durch 1 m2 eines Bauteils hindurchgeht, wenn der Temperaturunterschied der beiderseits angrenzenden Luftschichten 1 K beträgt und dabei die Wärmeübergangswiderstände zwischen Luftschichten und Bauteilmaterial berücksichtigt werden. Der U-Wert ist zur Ermittlung der Transmissionswärmeverluste erforderlich. Wärmedurchgangswiderstand R [m2K / W] Der Wärmedurchgangswiderstand setzt sich aus dem Wärmedurchlasswiderstand eines Bauteils und den Wärmeübergangswiderständen innen und außen zusammen. Er ist der Kehrwert des Wärmedurchgangskoeffizienten.
Hygrische Stoffeigenschaften Wasserdampfdiffusionswiderstandszahl µ [-] Das Maß für die Dampfdichtheit eines Baustoffs ist die Wasserdampfdiffusionswiderstandszahl. Sie ist eine Vergleichszahl, die angibt, um wie viel der Widerstand gegen Wasserdampfdiffusion einer Schicht größer ist als in einer gleich dicken Luftschicht. Der Wasserdampfdiffusionswiderstand vieler Baustoffe variiert mit der Änderung von Temperatur und Feuchte. Hieraus resultiert ein unterer und oberer Grenzwert der Wasserdampfdiffusionswiderstandszahl (z.B. Vollziegel: μ = 5 / 10). Wasserdampfdiffusionsäquivalente Luftschichtdicke sd (sd-Wert) [m] Die Wasserdampfdiffusionswiderstandszahl berücksichtigt – ähnlich wie die Wärmeleitfähigkeit – als reine Materialkenngröße noch keine Schichtdicken des Baustoffs. Erst die Multiplikation mit der Dicke des Bauteils stellt den Bezug zum Diffusionswiderstand des Bauteils her, der als diffusionsäquivalente Luftschichtdicke bezeichnet wird (sd = d ≈ μ).
Wasseraufnahmekoeffizient w [kg / m2 h0,5] Der Wasseraufnahmekoeffizient ist eine Maßzahl zur Beschreibung des Wasseraufnahmevermögens von Baustoffen und Beschichtungen, die mit flüssigem Wasser in Kontakt stehen. Durch regelmäßiges Wiegen der betreffenden Proben erhält man eine Kurve für die Wasseraufnahme in Abhängigkeit von der Eintauchzeit. Alternativ wird oft der w24-Wert angegeben, d.h. die ermittelte Wasseraufnahme nach 24-stündigem Eintauchen. Volumenbezogener Feuchtegehalt Ψ [-] Der volumenbezogene Feuchtegehalt ist die prozentuale Angabe des Quotienten aus dem Volumen des verdampfbaren Wassers und dem Volumen des betrachteten Stoffs. Letzteres kann entweder auf den feuchten oder trockenen Zustand bezogen werden. Daher muss der Bezug bei der Angabe des jeweiligen Feuchtegehalts mit aufgeführt werden. Massebezogener Feuchtegehalt u [-] Der massebezogene Feuchtegehalt ist die prozentuale Angabe des Quotienten aus der Masse des verdampfbaren Wassers und der Masse des betrachteten Stoffs. Letztere kann entweder auf den feuchten oder trockenen Zustand bezogen werden. Daher muss der Bezug bei der Angabe des jeweiligen Feuchtegehalts mit aufgeführt werden. Ausgleichsfeuchte [-] (bei 20 °C und 65 % relativer Luftfeuchte) Die gemessene Materialfeuchte zeigt an, wie viel Wasser in Prozent in einem Material vorhanden ist. Ändert sich das umgebende Klima, ändert sich auch der Wassergehalt. Die Materialfeuchte bei 20 °C und 65 % relativer Luftfeuchte, die sich nach einer gewissen Zeit einstellt, wird als Ausgleichsfeuchte bezeichnet. Quell- und Schwindmaß ε [-] Das Quell- und Schwindmaß gibt die prozentuale Volumenänderung des unbelasteten Materials während der Wasseraufnahme bzw. der Austrocknung an. Dabei wird angenommen, dass der Quell- bzw. der Schwindvorgang durch eventuell im Material wirkende Spannungen nicht beeinflusst wird. Bei inhomogenen Werkstoffen wie Holz ist eine Unterscheidung in die drei Hauptrichtungen zu berücksichtigen: tangential, radial zu den Jahresringen und parallel zur Holzfaser.
Die Klasse B der brennbaren Baustoffe gliedert sich in schwer entflammbare (B1), normal entflammbare (B2) und leicht entflammbare (B3) Baustoffe. Die europäische Normung (DIN EN 13 501-1) unterscheidet für nicht brennbare Baustoffe die Brennbarkeitsklassen A1 und A2. Die brennbaren Baustoffe sind in die Klassen B bis F gegliedert. Das europäische Klassifizierungssystem regelt zusätzlich zum Brandverhalten die Brandnebenerscheinungen. Jeweils drei Klassen mit Angaben zur Rauchentwicklung (smoke release rate: s1, s2, s3) und zur brennenden Abtropfbarkeit (d0, d1, d2) sind festgelegt. Die Klassifizierung kann nach nationaler bzw. europäischer Norm erfolgen (Abb. E 1.2). Im Buch wird wegen noch nicht vollständiger Harmonisierung auf DIN 4102 zurückgegriffen.
Akustische Stoffkenngrößen Längenbezogener Strömungswiderstand r [kPa s / m2] Der längenbezogene Strömungswiderstand ist eine von der Schichtdicke unabhängige Materialeigenschaft für einen schallabsorbierenden Baustoff. Speziell für die Hohlraumdämmung darf der längenbezogene Strömungswiderstand nicht zu gering sein (> 5 kPa s / m2), damit Schallwellen gut absorbiert werden. Schallabsorptionsgrad αs [-] Bei Schwingungen in Gasen, Flüssigkeiten und Festkörpern wird ein Teil der Bewegungsenergie irreversibel in Wärme umgewandelt. Diesen Vorgang nennt man Absorption. Der Schallabsorptionsgrad bezeichnet das Verhältnis aus nicht reflektierender und auftreffender Schallenergie. Bei vollständiger Absorption ist αs = 1, bei vollständiger Reflexion ist αs = 0. Der Schallabsorptionsgrad eines Schallabsorbers ist frequenzabhängig und wird mit Terzbandfiltern im Frequenzbereich von 100– 5000 Hz bestimmt. Dynamische Steifigkeit s [MN / m2] Als dynamische Steifigkeit wird der Widerstand einer Feder gegen eine Wechselkrafteinwirkung bezeichnet. Im Allgemeinen ist die dynamische Steifigkeit größer als die Steifigkeit unter statischer Krafteinwirkung. Bei schalldämmenden Systemen wird die Feder z.B. aus dem eingeschlossenen Luftpolster zwischen zwei abdeckenden Schalen oder der elastischen Dämmschicht unter einer Estrichplatte gebildet.
Brandschutztechnische Eigenschaften Baustoffklasse [A–B], Brennbarkeitsklasse [A–F] Für die Entstehung und Ausbreitung von Feuer spielt die Brennbarkeit eines Baustoffes eine wesentliche Rolle. DIN 4102-1 teilt Baustoffe entsprechend ihrem Brandverhalten in Baustoffklassen ein. Zur Baustoffklasse A gehören die nicht brennbaren Baustoffe. Baustoffe der Klasse A1 müssen in ihrer Zusammensetzung vollständig unbrennbar sein, während Baustoffe der Klasse A2 in geringem Maße brennbare Bestandteile enthalten dürfen.
Chemische Stoffeigenschaften pH-Wert [-] Der pH-Wert ist ein Maß für den »Säuregrad« eines Baustoffs. Er entspricht dem negativen dekadischen Logarithmus der Konzentration der H3O+-Ionen. Der neutrale pH-Wert liegt bei 7, Säuren und alkalische Stoffe befinden sich dann im Gleichgewicht. Je niedriger der pHWert, umso größer ist der Säuregehalt eines Baustoffs.
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