Nachhaltige Gebäudetechnik

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Nachhaltige Gebäudetechnik

Grundlagen Systeme Konzepte

Bernhard Lenz Jürgen Schreiber Thomas Stark

∂ Green Books


Impressum

Projektleitung: Jakob Schoof, Dipl.-Ing. Redaktion und Lektorat: Jana Rackwitz, Dipl.-Ing. Jakob Schoof, Dipl.-Ing. Redaktionelle Mitarbeit: Marion Dondelinger, Dipl.-Ing. Judith Faltermeier, Dipl.-Ing. Architektin Verena Schmidt Zeichnungen: Ralph Donhauser, Dipl.-Ing. Bettina Großhardt, Elisabeth Krammer, Dipl.-Ing. Gestaltung: Cornelia Hellstern, Dipl.-Ing.

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. DTP & Produktion: Roswitha Siegler, Simone Soesters Reproduktion: ludwig:media, Zell am See Druck: Kösel GmbH & Co. KG, Altusried-Krugzell 1. Auflage 2010 Institut für internationale Architektur-Dokumentation GmbH & Co. KG Hackerbrücke 6, D-80335 München Telefon: +49/89/38 16 20-0 Telefax: +49/89/39 86 70 www.detail.de © 2010 Institut für internationale Architektur-Dokumentation GmbH & Co. KG, München Ein Fachbuch aus der Redaktion DETAIL ISBN: 978-3-920034-34-8

Die für dieses Buch verwendeten FSC-zertifizierten Papiere werden aus Fasern hergestellt, die nachweislich aus umwelt- und sozialverträglicher Herkunft stammen


Inhalt

Vorwort

6

Architektur und Gebäudetechnik

8

Historische Entwicklung der Gebäudetechnik Behaglichkeit und Gebäudetechnik Künftige Entwicklungen und Strategien

8 9 11

Gebäudetechnik im Energiekonzept

12

Energiekonzepte und ihre Randbedingungen Konzeptentwicklung: Die 10 Bausteine Kosten und Wirtschaftlichkeit

12 14 18

Gebäudetechnische Systeme

22

Wärmeversorgung Kälteversorgung Luftversorgung Stromversorgung Wasserversorgung

22 38 52 66 78

Technikkonzepte

84

Gegenwärtiger Stand der Technik Mehrfamilienhaus, Liebefeld Passivhaus-Wohnanlage, Innsbruck Mehrfamilienhaus, Bennau

84 86 88 90

Altenwohn- und Pflegeheim, Steinfeld Landkreisverwaltung und Kreisrat, Eberswalde Bürogebäude, Köln Bürogebäude, Winterthur Europäische Investitionsbank, Luxemburg Bürogebäude, Wien Bürogebäude, Berlin Bürogebäude, Konstanz Instituts- und Verwaltungsgebäude, Aachen Produktionsgebäude, Kassel Gemeindehaus, Ludesch Militärcasino, Donaueschingen Bergrestaurant, Zermatt

92 94 96 98 100 102 104 106 108 110 112 114 116

Optimierung im Bestand

118

Bestandsschutz und Systemerneuerung Optimierung und Systemanpassung

118 121

Optimierung im Betrieb

128

Gebäudemanagement Energetische Einsparpotenziale im Betrieb Energiemonitoring

128 131 133

Zusammenfassung und Ausblick

134

Anhang

136


Gebäudetechnik im Energiekonzept

• Energiekonzepte und ihre Randbedingungen • Konzeptentwicklung: Die 10 Bausteine • Kosten und Wirtschaftlichkeit

Energiekonzepte und ihre Randbedingungen Das Ziel jedes Energiekonzepts lautet, die energierelevanten Dienstleistungen mit einem optimierten Zusammenspiel baulicher und technischer Maßnahmen zu befriedigen. Im Mittelpunkt steht dabei zunächst eine Analyse der Bedarfsstruktur. Der Energiebedarf von Gebäuden resultiert hauptsächlich aus spezifischen Randbedingungen und nutzerbedingten Anforderungen, die zunächst unabhängig von architektonischen Parametern mittelbar oder unmittelbar energierelevante Dienstleistungen auslösen (Abb. 2.3). In Mitteleuropa schwanken die Außenlufttemperaturen von -20 °C bis +40 °C. Die nutzerbedingten Behaglichkeitsanforderungen streben jedoch die Einhaltung bestimmter Temperaturbereiche an. Daraus ergeben sich entsprechend die Dienstleistungen »Heizen« und möglicherweise auch »Kühlen«. Ebenso variiert die Helligkeit von nahezu 0 Lux in der Nacht bis etwa 100 000 Lux an einem sonnenreichen Tag. Daraus leitet sich die Dienstleistung »Beleuchten« ab. Der Aufenthalt in geschlossenen Räumen bewirkt aufgrund entsprechender Emissionen einen gewissen »Luftverbrauch«. Gewünscht ist jedoch eine im Idealfall konstant hohe Luftqualität. Dies bedingt einen gezielten Luftaustausch durch »Beund Entlüften«. Sollen bestimmte Grenzwerte der Luftfeuchtigkeit nicht über- oder unterschritten werden, ist die Dienstleistung »Befeuchten und Entfeuchten« gefragt. Üblicherweise beträgt das Temperaturniveau der Frischwasserversorgung von Gebäuden etwa 10 °C. Um insbesondere für die Körperhygiene angenehme Bedingungen zu schaffen, ist das Trinkwasser entsprechend zu erwärmen. Nicht zuletzt sollen elektrische Geräte betrieben werden können. Diese reichen von Erschließungssystemen wie Rolltrep12

pen oder Aufzügen über Arbeitshilfen oder Telekommunikation bis zu Haushaltsgeräten wie Kühlschränken und Unterhaltungselektronik. Bei industrieller Nutzung werden diese Anforderungen ergänzt durch einen prozessbedingten Wärme- oder Kältebedarf. Während sich die standortspezifischen klimatischen Randbedingungen kaum beeinflussen lassen, besteht bei den nutzerbedingten Anforderungen ein erheblicher Spielraum. So hat z. B. die im Sommer zulässige maximale Lufttemperatur einen entscheidenden Einfluss auf den Umfang der Energiedienstleistung »Kühlen«. Ebenso beeinflusst das Nutzerverhalten im Hinblick auf Heizung, Lüftung, Beleuchtung oder Verwendung von Trinkwarmwasser maßgeblich die Inanspruchnahme energetisch relevanter Dienstleistungen. Hier ist in Abstimmung mit den Nutzern eine grundsätzliche Hinterfragung der Bedürfnisse sehr zu empfehlen. Abweichungen vom technisch machbaren Optimum sind sinnvoll, wenn der Nutzer Einschränkungen aufgrund ökonomischer und/oder ökologischer Argumente explizit zustimmt (z. B. freie Lüftung oder rein passive Kühlung). Die frühe Entwicklung eines Energiekonzepts ist ein zentraler Baustein einer zukunftsfähigen Entwurfsplanung von Gebäuden. Das Vorgehen lässt sich in einen analytischen Teil (Randbedingungen), einen prozessorientierten Teil (Konzeptentwicklung) und einen quantitativen Teil (Bewertung) gliedern (Abb. 2.1). Analog zur architektonischen Formfindung ist das Erarbeiten eines solchen Konzepts ein kreativer Prozess, der nicht standardisiert werden kann. Diese Fähigkeit stellt eine der Schlüsselqualifikationen für Planer dar. Grundlage für die Entwicklung eines Energiekonzepts ist die Ermittlung der Randbedingungen, die sich in vier Themengruppen unterteilen lassen:

Standortspezifische Randbedingungen Einen Überblick über die wichtigsten standortspezifischen Randbedingungen und deren Einflüsse auf das Energiekonzept gibt Abb. 2.2. Im Mittelpunkt stehen dabei Temperatur- und Witterungsbedingungen sowie das lokale Energiepotenzial. Nutzungsspezifische Randbedingungen Die erforderlichen Energiedienstleistungen ergeben sich aus einer Analyse der nutzerspezifischen Randbedingungen, die in vielen Fällen aus der Gebäudenutzung entstehen. Sie werden jedoch auch durch die individuellen Vorstellungen des Bauherrn bzw. Nutzers beeinflusst. So geben die Anforderungen an Raumtemperaturen (z. B. Wohn-, Schlaf-, Büroraum), an sommerlichen Wärmeschutz (z. B. maximal zulässige Temperaturen in Büroräumen) oder an die Luftqualität (z. B. Luftwechselrate in einem Klassenraum) wichtige Randbedingungen für die Entwicklung eines Energiekonzepts vor. Technische und rechtliche Randbedingungen Vorgaben des Bauplanungs- und Bauordnungsrechts (z. B. Bebauungsplan, Gestaltungssatzung etc.) sowie zur Energieeinsparung bilden ein immer dichter geflochtenes Regelwerk. Daraus leiten sich zum Teil Bebauungsdichte, Kubatur, Dachformen, Materialvorgaben etc. ab. Ergänzend bieten Informationen zur technischen Infrastruktur (z. B. Fernwärme, Gasanschluss, Anschlusszwang etc.) sowie sich aus der Nutzung ergebende rechtliche Forderungen (z. B. Lüftung bei Konzertsälen) weitere wichtige Einflussgrößen. Gestalterische Randbedingungen Bei der Entwicklung von Energiekonzepten bilden die lokal verfügbaren Umweltenergiepotenziale – und somit die vielfälti-


Energiekonzepte und ihre Rahmenbedingungen

gen Wechselbeziehungen zwischen dem Gebäude und seiner unmittelbaren Umgebung – wesentliche gestalterische Randbedingungen. Aus dem jeweiligen solaren Strahlungsangebot unterschiedlicher Himmelsrichtungen resultieren z. B. spezifische Anforderungen an transparente Außenwandflächen oder an Sonnenschutzvorrichtungen. Zudem sind geometrische Aspekte wie z. B. das Verhältnis von Grundstücksgröße zu Bauvolumen oder von Nutzfläche zu potenzieller Solarfläche, die Verschattung durch umgebende Bebauung oder besondere Anforderungen des Bauherrn wesentliche Entwurfsparameter. Beurteilung

Energiekonzepte machen schon in frühen Planungsphasen eine objektivierte Bewertung möglich. Energiebedarf, Behaglichkeit und Emissionen können über Kennwerte und Maßnahmenbeschreibungen mit vertretbarem Aufwand recht präzise ermittelt und bewertet werden. Im Sinne einer Gesamtbetrachtung sind vier Dimensionen – ökologische, ökonomische, soziale und architektonische Bewertung – von Bedeutung: Die ökologische Bewertung betrachtet mögliche negative Folgewirkungen der Energienutzung und -gewinnung auf die Umwelt. Die primäre Bewertungsgröße ist die Emission von CO2 bzw. äquivalenter Stoffe (Abb. 2.5, S. 14). Die Bilanzierung erfolgt nach allgemein anerkannten Methoden. Für den Gebäudebetrieb ist dies die Energieeinsparverordnung. Darüber hinaus können im Rahmen einer Ökobilanz auch alle Energieflüsse für die Herstellung und den Rückbau des Gebäudes betrachtet werden. Zu klären sind hier die Bilanzierungsgrenzen in Abstimmung mit dem Nutzer bzw. Auftraggeber. Außerdem ist die Gesamtwirtschaftlichkeit von Maßnahmen zur Optimierung der Energieeffizienz, zur Nutzung regenerativer Energiequellen und zur Ökoeffizienz von Projekten zu prüfen. In diesem Zusammenhang geht die immer noch weit verbreitete alleinige Betrachtung der Investitionskosten und ihrer Minimierung am Ziel vorbei. Nur in Verbindung mit einer Analyse der laufenden Kosten, von Fördermaßnahmen und ggf. zu erwirtschaftenden Einnahmen aus der Nutzung erneuerbarer Energien lässt sich ein Gesamtbild der Ökonomie einer Maßnahme erreichen. Ziel ist die Betrachtung der Kosten über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes. Bei der Beurteilung von Energiekonzepten müssen nicht zuletzt auch die Auswirkungen

Konzeptentwicklung

Randbedingungen

Bewertung

Ökologie (CO2-Belastung)

Minimierung des Energiebedarfs

Standort

Ökonomie (Lebenszykluskosten)

Nutzung

Recht

Gesellschaft (Akzeptanz)

Gestaltung

Optimierung der Energieversorgung

Architektur (Gestaltqualität) 2.1

Randbedingung

beeinflusste Parameter

Jahrestemperaturverlauf mit Extremwerten

thermische Qualität der Gebäudehülle

Lufttemperaturdifferenz Tag/Nacht

Möglichkeit der passiven, freien Kühlung (Kühlungspotenzial der Nachtluft)

Jahresdurchschnittstemperatur

Nutzung oberflächennaher Geothermie

Luftfeuchtigkeit

Möglichkeit adiabater Kühlung

Windgeschwindigkeiten Windrichtungen

natürliche Be- und Entlüftung Nutzung der Windkraft zur Energiegewinnung

Niederschlagsmengen und -verteilung

Verdunstungskühlung über RLT-Anlagen

Bodenbeschaffenheit, Grundwasser

Gebäudeheizung und -kühlung über Erdreich oder Grundwasser

Solare Strahlungsleistung Sonnenbahnen

passive Solarenergienutzung sommerlicher Wärmeschutz Energieertrag solarthermischer Systeme Energieertrag photovoltaischer Systeme 2.2

Anforderung

Randbedingung

Dienstleistung

Temperaturkomfort herstellen

Außentemperatur (-20 bis +40 °C)

Heizen und Kühlen

Helligkeitskomfort herstellen

Helligkeit (0 – 100 000 Lux)

Beleuchten

Luftqualität sichern

Luftverbrauch (15 – 130 m3 / h Pers)

Be- und Entlüften

Luftfeuchtekomfort herstellen

Luftfeuchtigkeit (0 – 100 %)

Be- und Entfeuchten

Trinkwarmwasser bereithalten

Trinkwasserversorgung (ca. 10 °C)

Trinkwasser erwärmen

Elektrische Geräte betreiben

Geräteeffizienz

mit Strom versorgen

Prozesswärme bereitstellen

Prozesseffizienz

Prozesswärme erzeugen

Prozesskälte bereitstellen

Prozesseffizienz

Prozesskälte erzeugen

Energiethemen

Wärme

Kälte

Luft

Licht

Strom 2.3 Energiethemen

Energiebedarf minimieren

Energieversorgung optimieren

Wärme erhalten

Wärme effizient gewinnen

Kälte

Überhitzung vermeiden

Wärme effizient abführen

Luft

natürlich lüften

effizient maschinell lüften

Licht

Tageslicht nutzen

Kunstlicht optimieren

Strom

Strom effizient nutzen

Strom dezentral gewinnen

Wärme

2.4 2.1 schematische Vorgehensweise bei der Erstellung eines Energiekonzepts 2.2 standortspezifische Randbedingungen und ihr Einfluss auf das Energiekonzept

2.3 Anforderungen, Randbedingungen und Dienstleistungen für die Gebäudetechnik 2.4 Handlungsfelder und Bausteine für die Erstellung von Energiekonzepten

13


Gebäudetechnische Systeme

Bedeutung

Aussage

Leistungszahl ε

Verhältnis von angegebener Wärmeleistung zu aufgenommener, elektrischer Antriebsleistung zu einem bestimmten Zeitpunkt und für bestimmte Temperaturverhältnisse

Effizienz der Wärmepumpe bei Prüfbedingungen

Jahresarbeitszahl β

Verhältnis der pro Jahr gelieferten Heizwärme (Q) zur benötigten Antriebsenergie (W). Dient u.a. zur Ermittlung betriebsbedingter Schwankungen.

Effizienz der gesamten Wärmepumpen-Heizungsanlage

Jahresaufwandszahl

Kehrwert der Jahresarbeitszahl; bezeichnet das Verhältnis der Antriebsenergie zur gelieferten Heizwärme.

Effizienz der gesamten Wärmepumpen-Anlage nach VDI 4650 3.11

2 t CO2 Erdgasheizung

10 MWh Heizwärme

10 MWh Primärenergie (Erdgas) a 1,65 t CO2 Kraftwerk 7,6 MWh Primärenergie (Kohle, Gas, Uran)

2,9 MWh Elektrizität

Kraftwerksabwärme 4,7 MWh

2,9 MWh Wärmepumpe Elektrizität 10 MWh Heizwärme 7,1 MWh Umgebungswärme

b

0 t CO2 Sonne / Wind etc. 2,9 MWh Elektrizität

3.12

2,9 MWh Wärmepumpe Elektrizität 10 MWh Heizwärme 7,1 MWh Umgebungswärme 3.13

150 135%

108% 100

Umweltwärme Kondensationswärme

93 %

CO 2 - Reduzierung (%)

Normnutzungsgrad (%)

c

100 90 80 70 60

50

30

30% 20%

20 10 0

0 Heizwertgerät

Brennwertgerät

Zeolith-WasserHeizgerät

verglichen mit Heizwert

verglichen mit Brennwert 3.14

3.11 Kennwerte für Wärmepumpen 3.12 Luft-Wasser-Wärmepumpe 3.13 beispielhafte Energie- und CO2-Bilanzen a Erdgasheizung mit Brennwerttechnik b Kompressionswärmepumpe, mit konventionellem Strom betrieben c Kompressionswärmepumpe, mit regenerativem Strom betrieben

26

Zeolith-Heizgerät Zeolith-Heizgeräte sind Adsorptionswärmepumpen, die auf Basis des Stoffsystems Zeolith und Wasser arbeiten. Der Unterschied zur Absorptionswärmepumpe besteht darin, dass das Kältemittel an der Oberfläche eines Feststoffes angelagert wird. Es handelt sich dabei um wasserhaltige Alkali- bzw. ErdalkaliAluminium-Silikate mit wechselndem Wassergehalt. Beim Erhitzen können die Zeolithe ohne Störung des Kristallgitterbaus das gebundene Wasser abgeben und dafür andere Verbindungen und Ionen aufnehmen. Im Umkehrfall kann die entstehende Wärme als Heizwärme genutzt werden. Wie Absorptionswärmepumpen werden diese Anlagen mit Wärme statt mit Strom angetrieben. Es kommen in diesem Fall jedoch zwei Wärmequellen zum Einsatz: eine Gasbrennwerttherme, die den Prozess antreibt, sowie eine Umweltwärmequelle. Wasser wird als völlig unbedenkliches Kältemittel eingesetzt. Es können Wirkungsgrade im Jahresdurchschnitt von bis zu 135 % erreicht werden (Abb. 3.14). Erste im Einsatz befindliche Heizgeräte weisen Heizleistungen von ca. 10 kW in modulierender Betriebsweise auf. Sie eignen sich damit zur Beheizung von Wohngebäuden.

50 40

sensible Wärme

sor (Verdichter), Kondensator (Verflüssiger) und ein Expansionsventil geleitet wird. Kompressionswärmepumpen werden überwiegend bei kleineren Wärmepumpenanlagen eingesetzt. Die Wärmeübertragung bei der Absorptionswärmepumpe beruht hier auf einem physikalisch-chemischen Prozess in einem Lösungsmittelkreislauf. Die notwendige Energiezufuhr zur Druck- und Temperaturerhöhung erfolgt hier jedoch durch eine Wärmequelle.

3.14 Normnutzungsgrade verschiedener Heizsysteme und CO2-Einsparung durch Zeolith-Heizgerät 3.15 Energieeffizienz dezentraler Kraft-Wärme-Kopplung und getrennter Energieerzeugung 3.16 Kombination mehrerer BHKW und eines Heizkessels zur Deckung von Spitzenlasten 3.17 schematischer Aufbau eines Mini-BHKW 3.18 Mikro-BHKW für den Betrieb mit Pflanzenöl

Effizienz Eine Wärmepumpenheizung ist nicht ohne weiteres deutlich günstiger und nicht unbedingt ökologisch sinnvoller als eine gut ausgelegte Heizkessel-Heizung. Nur wenn regenerative Energiequellen für den Kompressorantrieb verwendet werden, verbessert sich die CO2-Bilanz auf jeden Fall (Abb. 3.13). Überwiegend werden die Kompressoren von Wärmepumpen durch elektrische Energie angetrieben. Angesichts aktueller Wirkungsgrade von ca. 33 % bei der Stromerzeugung in konventionellen Kraftwerken ist beim Wärmepumpenprozess eine Jahresarbeitszahl von ca. 3 erforderlich, damit die Energie- und CO2-Bilanz nicht negativ


Wärmeversorgung

Diese Faktoren bewirken, dass Wärmepumpenanlagen den wirtschaftlichen und ökologischen Ansprüchen oft nicht gerecht werden. Die Installation einer Wärmepumpe muss daher stets projektspezifisch geplant und ausgeführt werden. Kraft-Wärme-Kopplung Die gleichzeitige Gewinnung von mechanischer Energie (Umwandlung in Strom) und Wärme in einer Anlage wird als KraftWärme-Kopplung (KWK) bezeichnet. Der Gesamtwirkungsgrad bei der KraftWärme-Kopplung (erzeugter Strom und nutzbare Wärmeenergie bezogen auf die eingesetzte Brennstoffenergie) liegt bei ca. 80 – 95 % und ist damit deutlich höher als der Wirkungsgrad eines konventionellen Kraftwerks (Abb. 3.15). Um die entsprechende Heizleistung und den Strom in konventionellen getrennten Kraftwerken zu erzeugen, müssen ca. 50 – 60 % mehr Brennstoff als bei KWK-Prozessen eingesetzt werden Der deutsche Kraftwerkspark erreicht bei der Stromerzeugung derzeit einen durchschnittlichen Wirkungsgrad von ca. 33 %. Neben der Wärmeauskopplung in Kraftwerken wird dieser Prozess auch bei dezentral angeordneten Blockheizkraftwerken oder Brennstoffzellen angewendet. Bei allen KWK-Anlagen sollte aus ökonomischen Gründen immer auf eine lange Laufzeit der Anlagen geachtet werden. Daher eignen sich solche Systeme hautsächlich zur Deckung von Wärme-

und Stromgrundlasten. Zusätzliche Versorgungssysteme zur Deckung von Spitzenlasten können erforderlich werden.

62 kWh Wärme 28 kWh Strom

BHKW ηth = 62 % ηel = 28 %

100 kWh

10 kWh Verluste

Kraftwerke Bei Kraftwerken erfolgt die Wärmeauskopplung der Heizwärme durch Kondensation von Wasserdampf aus dem industriellen Prozess. Dieser Wasserdampf treibt Turbinen an, welche über einen Generator für die Stromerzeugung sorgen. Die Heizwärme wird mit einer Fernwärmeleitung zu den Verbrauchern transportiert.

73 kWh

Heizkessel ηth = 85 %

62 kWh Wärme

153 kWh 11 kWh Verluste 80 kWh

Kraftwerk ηel = 35 %

28 kWh Strom

52 kWh Verluste 3.15

Blockheizkraftwerke Blockheizkraftwerke (BHKW) werden vorzugsweise am Ort des Wärmeverbrauchs eingesetzt. Der Generator wird in diesem Fall durch einen Verbrennungsmotor (Dieselmotor oder Gasturbine) angetrieben (Abb. 3.17). Die Abwärme des Motors wird als Heizwärme verwendet. Die Stromausbeute wird durch die Verwendung der Motorabwärme nicht beeinflusst, allerdings ist das Temperaturniveau der Abwärme dadurch auf ca. 70 – 90 °C festgelegt. In den letzten Jahren wurden häufig BHKWs eingesetzt, die mit Palmöl betrieben wurden. Für die Palmölgewinnung bzw. -produktion werden in den feuchten Tropenländern jedoch sehr oft Regenwälder abgeholzt und es muss daher darauf geachtet werden, dass dieser Brennstoff aus einem nachhaltigen Anbauprozess stammt. Bei der Palmölproduktion können darüber hinaus ungeheure Mengen Methan entstehen, die ein wesentlich größeres Ozonabbau-Potenzial besitzen als Kohlendioxid. In diesen Anbauregionen bewähren sich Kombinationen mit nachgeschalteten Biogasanlagen. Mikro-KWK-Anlagen Mikro-KWK-Anlagen sind kleine KraftWärme-Kopplungs-Anlagen, die in Wohngebäuden eingesetzt werden können (Abb. 3.18). Die Obergrenze der elektrischen Leistungsfähigkeit beträgt nach Definition des Bundesverbands KWK e.V. 15 kW. Neben Brennstoffzellen, Dampf- und Stirlingmotoren sowie Mikrogasturbinen werden vor allem Verbrennungsmotoren als Antriebstechnologien eingesetzt. Die meisten werden mit Erdgas betrieben. Durch die relativ hohen Investitionskosten beträgt der Marktanteil dieser Systeme im Wärmeerzeugermarkt für Wohngebäude noch deutlich unter 1 %. Wie bei allen KWK-Anlagen sollte auf eine hohe Laufleistung der Anlagen geachtet werden.

thermische Leistung (%)

ausfallen. Eine direkte Verfeuerung der Primärenergieträger wäre andernfalls ökologisch sinnvoller. Unterstellt man künftige Effizienzsteigerungen bei der Stromerzeugung im Kraftwerkspark, werden Wärmepumpen in wenigen Jahren bereits mit einer Jahresarbeitszahl von 2,5 besser abschneiden als ein mit fossilen Energieträgern befeuerter Brennwertheizkessel. Es gibt allerdings mehrere Ursachen dafür, dass die im Voraus berechneten Arbeitszahlen im Jahresmittel oft nicht erreicht werden: • überdimensionierte Hilfsantriebe (z. B. Umwälzpumpen für Solekreisläufe) • Auslegung des Wärmeverteilsystems mit zu hohen Vor- bzw. Rücklauftemperaturen • ungünstige hydraulische Einbindung in das Wärmeverteilsystem mit hohen Taktfrequenzen der Wärmepumpe • nicht angepasstes Regelungssystem bzw. eine falsche Anlagenprogrammierung

100

80 Spitzenlast-Wärmeerzeuger

60

40

20

BHKW 2

0

BHKW 1 2000

4000 6000 8000 Benutzungsstunden (h / a) 3.16

gedämmtes Gehäuse Schalldämpfer Abgaswärmetauscher

Kraftstoff

Heizungswärmetauscher Motor

Generator

= öffentliches Stromnetz

~

Vorlauf

Rücklauf

schallentkoppelte Aufstellung Hausnetz 3.17

3.18

27


Gebäudetechnische Systeme

Kälteversorgung

Personen Beleuchtung1 intern Arbeitshilfen Produktion Wärmelast Solarstrahlung1 Transmission1

extern 1

großes Einflusspotenzial über die Gebäudehülle

Außenluft

Temperatur (°C)

3.63

Kühlpotenzial der Nachtluft Außenlufttemperatur ta

35

30

25

Kühllasten

20

15 28. Juli

29. Juli

30.Juli

31.Juli

flächenbezogene Wärmeleistung (W/m2)

3.64

25

Personen Beleuchtung Arbeitshilfen

20

15

10

5

0

6:00

12:00

18:00

24:00 3.65

3.63 Wärmelasten eines Gebäudes 3.64 qualitatives Potenzial für eine Nachtlüftung 3.65 typisches Profil interner Wärmelasten eines Bürogebäudes im Tagesverlauf 3.66 Entscheidungsbaum für eine Kühlstrategie: Anhand einer systematischen Vorgehensweise kann eine Einschätzung vorgenommen werden, welche Kühlsysteme infrage kommen. 3.67 Möglichkeiten zur Gebäudekühlung 3.68 typische Eigenschaften von Kälteübergabesystemen

38

Zur Kühlung eines Gebäudes stehen unterschiedliche passive, hybride und aktive Techniken bereit. In vielen Fällen ist es sinnvoller ein Gebäude nicht nur über ein System zu kühlen, sondern passive mit hybriden oder aktiven Systemen zu kombinieren. Passive Systeme arbeiten ohne mechanische Antriebe und nutzen bauliche Gegebenheiten zur Gebäudekühlung, wie dies beispielsweise bei der natürlichen Lüftung der Fall ist. Hybride Systeme sind eine Kombination aus mechanischem Antrieb und natürlichen Wärmesenken, z. B. eine Bauteilaktivierung in Verbindung mit Energiepfählen. Zu den aktiven Systemen zählen Technologien wie konventionelle Kompressionskältemaschinen oder solar angetriebene Sorptionskältesysteme (siehe S. 45ff.). Abb. 3.66 zeigt beispielhaft die Vorgehensweise bei der Auswahl eines geeigneten Kühlsystems.

Die abzuführende Kühllast resultiert aus den thermischen Anforderungen, den internen Wärmelasten sowie den externen Wärmelasten, die sich wiederum aus den mikroklimatischen Standortbedingungen und der Bauweise (z. B. thermische Qualität der Gebäudehülle) ergeben (Abb. 3.63). Wärmelasten werden nach konvektiven und strahlungsgebundenen Wärmelasten unterschieden. Konvektive Lasten führen zu einer direkten Raumlufttemperaturerhöhung, strahlungsgebundene Lasten zu einer Erhöhung der Bauteiltemperatur. Bei internen Lasten wird im Allgemeinen ein Verhältnis von etwa 55 % konvektiver zu 45 % strahlungsgebundener Wärmelast vorausgesetzt. Im Idealfall müssen Wärmelasten nicht direkt abgeführt, sondern können zwischengespeichert werden. Bedingung für eine Zwischenspeicherung ist eine ausreichend hohe Speichermasse des Gebäudes. Um ein thermisches Aufschaukeln des Gebäudes zu verhindern, muss die Speichermasse im Zyklus eines Tages thermisch entladen werden. Dies kann beispielsweise während der Nachtstunden geschehen (Abb. 3.64). Da insbesondere die täglichen Wärmelasten von Interesse sind, werden Wärmelasten meist nicht in der Einheit Watt, sondern in Wattstunden pro Quadratmeter und Tag (Wh/m²d) angegeben. In Wohngebäuden beträgt die tägliche interne Wärmelast rund 120 Wh/m2d. Für Bürogebäude ist während der Nutzungs-

zeit mit einer internen Wärmelast von ca. 15 W/m² und außerhalb der Nutzungszeit von etwa 2 W/m² zu rechnen (Abb. 3.65). Bei der Berechnung der Wärmelasten werden meist nur die thermischen Lasten berücksichtigt. Latente Lasten, die über Verdunstung und Atmung entstehen, bleiben in der Regel unberücksichtigt. Bei Systemen, die auf Basis einer Verdunstungskühlung arbeiten, ist zu beachten, dass latente Lasten die Systemleistung entscheidend beeinflussen. Vor der Entscheidung über ein Kühlsystem sollte das Gebäude optimiert werden, um die anstehenden Kühllasten so weit wie möglich zu reduzieren. Des Weiteren sollte geklärt werden, welche verfügbaren Kältesenken bereitstehen, und darauf aufbauend eine optimale Kühlstrategie gewählt werden. Soll der thermische Komfort in Gebäudeinnenräumen an allen Tagen eines Jahres aufrechterhalten werden, fallen im mitteleuropäischen Wohnungsbau rund 50 bis 200 jährliche Kühlstunden an. Bei Verwaltungsbauten ist lastabhängig mit etwa 1000 Kühllaststunden pro Jahr zu rechnen. Kälteübergabesysteme

Zur Gebäudekühlung kann Luft oder Wasser bzw. Sole genutzt werden. Als Kälteübergabesysteme kommen neben Klimaanlagen z. B. Induktionsgeräte, Umluftkühler, Fallstromkühler, Kühldecken oder thermisch aktivierte Bauteile infrage (Abb. 3.68). • Bei der Nutzung von Induktionsgeräten muss ein Luftkanal- und ein Kaltwassernetz verlegt werden. Bei diesem System wird Zuluft zentral vorkonditioniert und über ein Kanalnetz bis zu einem dezentralen Kühlregister geführt. Das Kühlregister ist an ein Kaltwassernetz angeschlossen, sodass die Zuluft beim Einbringen in den Raum weiter abgekühlt wird. Durch den Induktionseffekt wird zusätzlich Raumluft angesaugt, sodass aus dem Induktionsgerät gekühlte Mischluft ausströmt. • Umluftkühler erfordern ebenfalls die Verlegung eines Kaltwassernetzes, ein Luftkanalsystem wird nicht benötigt. Diese Systeme bestehen in erster Linie aus einem kaltwasserdurchflossenen Ventilatorkonvektor. Raumluft wird mithilfe des Ventilators über den Konvektor geleitet und abgekühlt. Im Unterschied zu Induktionsgeräten erfolgt keine Zufuhr von Zuluft. • Fallstromkühler werden meist hinter einer Vorsatzschale angebracht. Bei diesem System wird ein kaltwasser-


Kälteversorgung

Start

peripher

Zone

bauliche Anforderungen

erfüllt

Berechnung interner Lasten

Modifikation des Gebäudes

nicht erfüllt

externe Lasten 50 Wh/m2d

zentral nein

Kühllast < 150 Wh/m2d

künstliche Beleuchtung

Kühllast < 250 Wh/m2d

Kühllast > 250 Wh/m2d

nein

ja

ja ja ja

Tage mit Δt = ti -ta ≥ 10 K nein

ja

Tage mit Δt = ti - ta ≥ 5 K

Querlüftung möglich

ja nein

nein nein ja

Lüftungssystem

Nähe zu See oder Fluss

ja

nein

Häufigkeit ta - tFK nein Luftqualität ausreichend

Lüftungssystem

ja

ja

Grundwasser nutzbar

ja

nein

nein

ja

Installation Klimaanlage

nein

ja ja

Pfahlfundament

nein

Kälte- und Wärmebedarf

nein

Schutz gegen Außenlärm ja natürliche Lüftung

ja

nein

Kühlsystem träge

nein mechanische adiabate Lüftung Verdunstung

Luftkühler

Wasserkühlung (direkt)

Luftansaugerdregister

nein

ja

Lüftungssystem

Energiesonde

Energiepfahl

Wärmepumpe

Sicherheitsproblem

ja

nächtliche Temperatur ta < 20 °C

nein

Trockenkühlturm

schnell Nasskühlturm

Wärmepumpe

Kältemaschine

ja

nein

nein

Fensterlüftung nur am Tag

Fensterlüftung Tag und Nacht

Mischlüftung

Quelllüftung

Bauteilkühlung

lokale Kühlung

Lüftung klimatisiert

Kühldecke (Medium Wasser) 3.66

Kühlleistung (W/m2)

Vorlauftemperatur (°C)

Regelbarkeit

Kälteabgabe

passive / regenerative Kälte

Hinweise

80 –120

10 –18

sehr gut

Strahlung

+

Taupunktregelung

~50

16 –20

gering

Strahlung

++

keine abgehängte Decke

Fußbodenkühlung

20 – 30

16 –20

gering

Strahlung

++

evtl. Unbehaglichkeit

Fallstromkühlung

60 –100

6 –10

gut

Konvektion

-

ggf. Kondensatableitung

Induktionsgeräte

60 –100

6 –10

gut

Konvektion

-

ggf. Kondensatableitung

Umluftkühlgeräte

80 –120

6 –10

sehr gut

Konvektion

--

ggf. Kondensatableitung

Klimaanlagen

80 –120

6 –10

gut

Konvektion

--

hoher Installationsaufwand

Außenluft natürliche Wärmesenken

Erdreich

Kühldecke

Wasser

Gebäudekühlung

Verdunstungskühlung

Kältemaschine

thermoaktive Decke

direkte adiabate Kühlung indirekte adiabate Kühlung Kompressionskälte Sorptionskälte 3.67

3.68

39


Gebäudetechnische Systeme

durchflossener Konvektor in Deckennähe angeordnet, sodass sich eine nach unten gerichtete Strömung einstellt. Ein zusätzlicher Ventilator kann die einsetzende Konvektion unterstützen und zu höheren Leistungen führen. Im Prinzip ist das System mit einem Umluftkühler vergleichbar. • Kühldecken sind wasserdurchflossene Systeme, die z. B. in Form von Kühlsegeln ausgebildet sein können. Kühlsegel werden meist unterhalb der Decke montiert, der Energieaustausch erfolgt über Strahlung. • Thermisch aktivierte Bauteile weisen in der Regel wasserdurchflossene Rohrleitungen auf (siehe S. 49f.). Diese sind entweder in der Rohdecke integriert oder nachträglich auf der Deckenunterseite aufgebracht. Energiepfähle und Erdsonden

Bei diesen Bauteilen handelt es sich um geschlossene Systeme, welche die Temperatur des Grundwassers bzw. des Erdreichs ausnutzen. Im Unterschied zu Erdkollektoren, die in einer Tiefe von zwei bis vier Metern verlegt werden, reichen Sondensysteme meist bis zu einer Tiefe von 100 Metern und mehr. Bei vertikalen Systemen muss zwischen Erdsonden und

ja

Wärmeentzug losgekoppelt von »Kälteentzug« (keine Saisonspeicherung von Wärme und Kälte)

Grundwasserströmung Fließgeschwindigkeit > 0,5 m/Tag

Energiepfählen unterschieden werden. Man spricht bei diesen Systemen auch von oberflächennaher Geothermie. Pfahlgründungen kommen meist zum Einsatz, wenn die oberen Schichten des Baugrundes nur eingeschränkt tragfähig sind. Sie sind somit bautechnisch notwendig und reichen in Tiefen von ca. 20 bis 25 m. Der Aufbau eines Energiepfahls unterscheidet sich von dem einer normalen Pfahlgründung lediglich dadurch, dass in die Bewehrungskörbe der Pfähle zusätzlich Schlauchleitungen eingelegt werden, in denen nach Fertigstellung des Gebäudes Wasser zirkuliert (Abb. 3.73). Der betonierte Pfahl wird hierdurch thermisch aktiviert. Im Sommer kann Wärme an das Erdreich abgegeben, im Winter Wärme aufgenommen werden. Erdsonden sind keine statisch erforderlichen Bauteile und können im Gegensatz zu Energiepfählen nachgerüstet werden. Sie werden meist verlegt, um im Winter Wärme für den Betrieb einer Wärmepumpe bereitzustellen oder um eine Wärmesenke für die Gebäudekühlung zur Verfügung zu stellen. Aufbau und Funktion Um Erdsonden zu verlegen, ist wie bei Energiepfählen eine Bohrung in das Erd-

reich erforderlich. Eine Erdsonde besteht aus einem am Tiefpunkt verbundenen Doppelrohr, das als Vor- und Rücklauf des Systems dient (Abb. 3.72). Zusätzlich weist eine Sonde ein drittes Rohr auf, das zum Verfüllen des Bohrlochs dient. Im Unterschied zu Energiepfählen wird das Bohrloch nicht mit Beton, sondern meist mit einem Bentonit-Wasser-ZementGemisch verfüllt. In Abhängigkeit von der angestrebten Nutzung werden für den primären Kühlbetrieb eines Gebäudes kürzere, für den Heizbetrieb längere Erdsonden gesetzt. Die Verlegetiefe einer Erdsonde beträgt ca. 75 bis 150 m. Wie bei einem Energiepfahl kann durch ein Sondensystem Wasser gepumpt werden, sodass Sonden und Energiepfähle effiziente Wärmeüberträger zwischen Erdreich und Gebäudetechnik darstellen. Im Gebäude werden die in den Erdsonden bzw. Energiepfählen eingelegten Rohrleitungen zu einem Sondenverteiler geführt, der wiederum an die Wärmetauscher der Lüftungsanlage, der Wärmepumpe oder der Bauteilkühlung angeschlossen ist. Planung und Betrieb Werden mehrere Energiepfähle oder Erdsonden in das Erdreich eingebracht, ist insbesondere auf die Fließrichtung des

nein

Wiederaufladung 80 – 90 % des Wärmeentzugs, darüber Erwärmungsgefahr für den Boden

nein

langsames Auskühlen des Bodens Gefrierprobleme

ja

Wärmeleitfähigkeit des Bodens: 1,3 – 2,3 W/(m ∙ K) (geringer Einfluss, Grundwasser)

Wärmeleitfähigkeit des Bodens: 1,3 W/(m ∙ K) (Sand trocken)

Wärmeleitfähigkeit des Bodens: 2,3 W/(m ∙ K) (Kalk, Ton, Splitt)

3.70 Zuluft Wasserglykolkreislauf

Wärmeentzug: > 50 W/m > 100 kWh/(m ∙ a)

Wärmeentzug: > 25 – 30 W/m > 50 kWh/(m ∙ a)

Wärmeentzug: > 30 – 35 W/m > 65 – 80 kWh/(m ∙ a) Bauteilkühlung

»Kälteentzug«: > 30 W/m > 80 kWh/(m ∙ a)

»Kälteentzug«: < 30 W/m im Mittel > 20 – 60 kWh/(m ∙ a)

Erdsonden

3.69

40

Wasserkreislauf

3.71


Kälteversorgung

Grundwassers und auf den Abstand der Systeme untereinander zu achten. Eine wechselseitige Beeinflussung der Pfähle oder Sonden muss vermieden werden. Der Mindestabstand der Sonden untereinander sollte ca. 10 % der Sondenlänge betragen. Die Temperatur des Erdreichs schwankt in Tiefen bis etwa 15 m in Abhängigkeit von der Lufttemperatur sowie aufgrund evtl. länger vorhandener Schneedecken. In größeren Tiefen ist die Temperatur weitgehend konstant. In einer Tiefe von etwa 10 m liegt die Erdreichtemperatur etwa 1 – 2 K über der durchschnittlichen Jahrestemperatur. Mit zunehmender Tiefe erhöht sich die Temperatur; der Anstieg liegt bei ca. 2,5 – 4 K pro 100 m Tiefe. Die Fließgeschwindigkeit des Grundwassers beträgt meist nur wenige Zentimeter am Tag, sodass das Erdreich als saisonaler Wärmespeicher genutzt werden kann, der im Laufe eines Jahres be- und entladen wird. Im Falle einer hohen Grundwasserfließgeschwindigkeit von mehr als etwa 0,5 m pro Tag regeneriert sich das Erdreich permanent. In diesem Fall kommt es nicht zu einer saisonalen Beund Entspeicherung des systemumgebenden Erdreichs. Idealerweise wird das System nicht mit Sole, sondern lediglich mit Wasser betrieben. Neben einem Vorteil bei eventuellen Leckagen bietet Wasser insbesondere die Vorteile eines höheren Wärmeübertrags sowie einer geringeren notwendigen Pumpenleistung bei gleichem Flüssigkeitsdurchfluss. Anlagen, die mit Wärmepumpen kombiniert werden sollen, müssen in der Regel mit einem WasserGlykol-Kreislauf betrieben werden. Anwendungsbereiche Für eine Kopplung mit Erdsonden und Energiepfählen eignen sich generell verschiedene Anwendungen. So können z. B. thermoaktive Bauteilsysteme oder Kühldecken angeschlossen werden. Auch eine Einspeisung von Abwärme aus Geräten in das Erdreich ist möglich. Idealerweise werden Lüftung und Bauteiltemperierung miteinander kombiniert (Abb. 3.71). Eine solche Kombination bietet den Vorteil, dass die Gebäudelüftung auf den hygienisch notwendigen Luftwechsel reduziert und thermische Lasten optimal über die Bauteiltemperierung abgeführt werden können. Systemleistung Im Winter dienen die Systeme zum Wärmeentzug der in der Kühlperiode eingespeicherten Energie. Um die Leistungsfä-

higkeit eines Systems zu erhalten, muss auf eine wechselzyklische Speicherung und Entspeicherung von Energie innerhalb eines Jahres geachtet werden. Eine jährlich ausgeglichene Energiebilanz ist notwendig, um einer kontinuierlichen Erwärmung oder Vereisung des Bodens vorzubeugen. Normalerweise wird das System auf den Kühlfall ausgelegt, sodass dem System im Sommer etwa 10 – 20 % weniger Wärme zugeführt als im Winter entnommen wird. Bei Energiepfählen wird der Wärmeentzug ebenfalls begrenzt, um eine Vereisung der als Gründung dienenden Bauteile zu vermeiden. Das Erdreich fungiert in der Regel als riesiger saisonaler Wärmespeicher, der im Jahresrhythmus be- und entladen wird, indem im Sommer Wärme zu- und im Winter abgeführt wird. Da nur das Erdreich mit seiner natürlichen Speicherkapazität genutzt wird, sind für den Speicher keinerlei bauliche Maßnahmen erforderlich. Eine Erwärmung des Erdreichs durch das darüber liegende Bauwerk muss so weit wie möglich vermieden werden, da die mögliche Kühlleistung sonst herabgesetzt wird. Die Leistungsfähigkeit der Erdsonden steht generell in Abhängigkeit zum Untergrund, weshalb die Quellentemperatur im Zuge der Wärmeeinspeisung bei schlechter Wärmeleitfähigkeit des Erdreichs im Unterschied zu gut leitenden Böden deutlich schneller ansteigt. In Abhängigkeit zum Wärmeeintrag kommt es jedoch auch bei einer ausgeglichenen Jahresbilanz zu einem saisonalen Anstieg der Quellentemperatur. Um auch andauernde Lastspitzen, wie sie durch kurze Hitzeperioden entstehen können, abdecken zu können, muss die Sondenlänge so dimensioniert werden, dass mit keinem zu hohen saisonalen Anstieg zu rechnen ist. Die »Kälteentzugsleistung« liegt im Mittel bei etwa 20 – 30 W/m Sondenlänge (Abb. 3.69).

3.72

3.73

3.74 Kühlung mit Grundwasser

Bei der Grundwasserkühlung wird die niedrige Temperatur des Grundwassers genutzt. Das System besteht aus einem Förder- und einem Sickerbrunnen (Abb. 3.74). In Deutschland ist die Nutzung von Grundwasser nach dem Wasserhaushaltsgesetz (WHG) genehmigungspflichtig. Aufbau und Funktion Um Grundwasser zu nutzen, wird dieses über einen Förderbrunnen aus dem Erdreich entnommen und anschließend über einen Wärmetauscher geleitet. Über den

3.69 angenäherte Dimensionierungshilfe für Energiepfähle und Erdsonden 3.70 Gebäudekühlung über Grund- oder Oberflächenwasser. Grundwasser kann über einen Saugbrunnen gefördert und an anderer Stelle über einen Sickerbrunnen wieder an das Erdreich abgegeben werden. 3.71 Integrationsschema von Erdsonden in das gebäudetechnische System. Innerhalb des frostgefährdeten Bereichs (lüftungsseitig) wird ein Wasser-Glykol-Gemisch verwendet. 3.72 Kopf einer Doppel-U-Erdsonde 3.73 Bewehrungskorb eines Energiepfahls mit längsseitig fixierten Kunststoffrohren zur Gebäudekühlung 3.74 Blick in einen Entnahmebrunnen

41


Gebäudetechnische Systeme

Bakterien oder Viren

Luftversorgung

Verbreitung durch Aerosole Milben akzeptable Zone Schimmelpilze Austrocknung Formaldehyd Ozon 0

10

20

30

40

50

60

70

80 90 100 relative Feuchtigkeit (%) 3.107

Kategorie

Beschreibung

IDA 1

hohe Raumluftqualität

IDA 2

mittlere Raumluftqualität

IDA 3

mäßige Raumluftqualität

IDA 4

niedrige Raumluftqualität 3.108

Kategorie

CO2-Gehalt über dem Gehalt in der Außenluft (ppm) üblicher Bereich Standardwert

IDA 1

≤ 400

350

IDA 2

400 – 600

500

IDA 3

600 –1000

800

IDA 4

> 1000

1200 3.109

Kategorie

Nichtraucher m3/(h · Person)

Raucher m3/(h · Person)

IDA 1

72

144

IDA 2

45

90

IDA 3

29

58

IDA 4

18

36 3.110 1

Monat

Stoßlüftung (Dauer in Min.)

Dezember bis Februar März und November April und Oktober Mai und September Juni bis August

4–6 8 –10 12 –15 16 –18 25 – 30

1

Häufigkeit: mindestens 3 bis 4-mal täglich

3.107 Behaglichkeitsfeld nach Lazzarin: Um eine optimale Raumluftqualität dauerhaft zu gewährleisten, sollte die relative Feuchte in einem Bereich von etwa 30–65 % liegen. 3.108 Kategorien für die Raumluftqualität (IDA) nach DIN EN 13 779 3.109 Richtwerte für den CO2-Gehalt der Innenraumluft nach DIN EN 13 779 3.110 Außenluftvolumenströme je Person nach DIN EN 13 779 3.111 Fensterlüftung zur Aufrechterhaltung des hygienisch notwendigen Luftwechsels

52

3.111

3.112 Luftqualität und CO2-Konzentration in einem Raum bei unterschiedlichem Luftaustausch (nach Pettenkofer) 3.113 Schadstoffbelastung im Innenraum bei natürlicher Lüftung ohne Filter sowie bei einer mechanischen Lüftung mit Filtern (Beispiel: Akropolis-Museum in Athen; exemplarische Darstellung für Schwefeldioxid) 3.114 Nutzung von Windenergie für die Gebäudelüftung 3.115 fassadenintegrierter Solarkamin für die Gebäudelüftung

Die Gebäudelüftung dient neben der Sauerstoffzufuhr insbesondere dem Abtransport von Schadstoffen und Gerüchen aus den Gebäudeinnenräumen. In diesem Zusammenhang sind vor allem CO2, Ozon, Formaldehyd, Emissionen aus Bauund Ausbaumaterialien oder Schweißabbauprodukte der Gebäudenutzer wie z. B. Propion-, Caprin- oder Buttersäure zu nennen. Eine Person stößt bei sitzender Tätigkeit ca. 0,0047 l/s CO2 aus. Aus physiologischen Gründen wird als maximale CO2-Konzentration meist die Pettenkoferzahl von 0,1 Vol. % bzw. 1000 ppm (parts per million) empfohlen (Abb. 3.112). Die CO2-Konzentration der Außenluft beträgt etwa 300 – 400 ppm. In Büroräumen liegen oftmals deutlich überhöhte Konzentrationen von etwa 600 – 800 ppm vor, in Schulräumen von über 1500 ppm. Eine zu hohe CO2-Konzentration führt zu Müdigkeit, einem trockenen Hals, Konzentrationsschwäche und Kopfschmerzen. Im Unterschied zu älteren Gebäuden muss bei neueren Immobilien auch auf eine Feuchtigkeitsabfuhr aus dem Gebäudeinnenraum geachtet werden. Bei älteren, undichten Gebäuden, die traditionellerweise über Öfen beheizt wurden, bildete sich im Innenraum ein Unterdruck aus, der dazu führte, dass kühle, relativ trockene Frischluft über Gebäudeundichtigkeiten nachströmte. Eine Kondensationsgefahr innerhalb der Konstruktion oder des Innenraums war so gut wie ausgeschlossen. Entstehende Luftfeuchte wurde permanent über das Rauchgas abgeführt. In neueren Gebäuden, die über eine besonders dichte Gebäudehülle verfügen und somit minimierte Lüftungswärmeverluste aufweisen, muss auch gelüftet werden, um überhöhte Luftfeuchtigkeitswerte innerhalb der Gebäudeinnenräume zu vermeiden. Überhöhte Werte können zu Schimmelpilzbefall und zu unbehaglicher Empfindung führen. Der Grenzwert, bei dem es bei unbekleideten Menschen zu einer Empfindung von Schwüle kommt, liegt nach VDI 2089 bei etwa 14,3 g Wasser pro Kilogramm Luft. Im Normalfall ist die absolute Feuchte aufgrund der Bekleidung deshalb unter 11,5 g Wasser pro Kilogramm Luft zu halten. Die relative Luftfeuchte sollte zwischen 30 und 65 % liegen. Neben den Behaglichkeitskriterien beeinflusst die relative Luftfeuchte ebenso die Ausscheidung von Schadstoffen aus Materialien und die Vermehrung von Bakterien und Pilzen. Besonders hohe Luftfeuchten fördern die Vermeh-


festgelegt werden. Zu beachten ist, dass die gewählte Filterklasse einen entscheidenden Einfluss auf den Druckverlust innerhalb des Kanalsystems hat. Ein hoher Druckverlust erfordert höhere Ventilatorleistungen und beeinflusst somit direkt die Energieeffizienz des Lüftungssystems. Nur wenn innerhalb eines Kanalsystems oder innerhalb des Gebäudes geringe Druckverluste vorliegen, kann ein mechanisch oder natürlich angetriebenes System effizient arbeiten.

0,5

MAK-Wert

t) spez. Raumvolumen: 30 m³/Pers. ch CO2 - Produktion: 18 l/h di ( . 0,4 rs Pe h ³/ m 0 0,3 s. Per ³/h Grenzwert nach m 5 Pettenkofer 0,2 rs. 15 m³/h Pe

25 m³/h Pers. 50 m³/h Pers.

0,1

0 Freie Lüftung − Thermik

Die freie oder natürliche Lüftung ist ein Lüftungsprinzip, das vielfach in der Natur vorkommt. So werden z. B. der unterirdische Bau des Präriehunds oder die über dem Erdboden stehenden Hügel der Termiten natürlich belüftet, um einer Überhitzung der Bauten vorzubeugen. Freie bzw. natürliche Lüftungssysteme benötigen Öffnungen innerhalb der Gebäudehülle, damit es zum Austausch von Druckdifferenzen kommen kann. Diese Differenzen können durch unterschiedliche Temperaturen zwischen dem Innen- und dem Außenraum oder aufgrund von Winddruck entstehen. Relevant sind insbesondere die Form und Größe der Öffnungsflächen sowie ihre Lage zueinander. Die Gebäudestruktur muss deshalb auf das Lüftungssystem abgestimmt werden. Systeme, die mit Winddruck arbeiten, benötigen prinzipiell geringere Dimensionen als auf Thermik basierende Anlagen (Abb. 3.114 – 115). Die einfachste Form der Lüftung ist die Fensterlüftung. Ihre Wirksamkeit wird insbesondere von der Höhe eines Fensters bzw. der Höhendifferenz zweier Lüftungsöffnungen und der freien Querschnittsfläche beeinflusst. Im Falle einer Fensterlüftung sollte die belüftete Raumtiefe nicht größer als die 2,5-fache Raumhöhe sein, da es im hinteren Bereich tieferer Räume nur noch zu einer eingeschränkten Durchlüftung kommt. Sofern eine Querlüftung angewendet wird, sollte die maximale Raumtiefe nicht oberhalb der fünffachen Raumhöhe liegen. Bei einer Fensterlüftung sollte das Fenster mit einer Schaltung ausgestattet werden, die den Wasserdurchfluss des Heizkörpers automatisch unterbricht. Nutzung von Thermik Für die Nutzung von Thermik kommen meist überhöhte Atrien oder Solarchimneys (Solarkamine) zum Einsatz. Ihre Wirkungsweise basiert darauf, dass der Luftdruck bei konstanter Temperatur mit zunehmender Höhe linear abnimmt und

0

1

2

3

4

5

6

8

7

Zeit (h) 3.112 Luftbelastung SO2 (μg)

rung von Erregern, relativ niedrige Feuchtigkeitswerte führen zu höheren Ozonkonzentrationen (Abb. 3.107). Mit einer Fensterlüftung lassen sich speziell in den Wintermonaten nur unbefriedigende Lüftungsergebnisse erzielen, da die notwendigen Lüftungszeiten so gut wie nicht einzuhalten sind und mit hohen Lüftungswärmeverlusten verbunden sind (Abb. 3.111). Des Weiteren steht die Intensität der Fensterlüftung in Abhängigkeit von physikalischen Antriebskräften, sodass unterschiedliche Wettersituationen einen entscheidenden Einfluss auf die Lüftungsquantität haben. Generell sollte der Luftvolumenstrom auf den hygienisch notwendigen Luftwechsel beschränkt werden. Thermische Lasten sollten idealerweise nicht über eine Erhöhung des Luftwechsels abgeführt werden. Um den Luftwechsel insbesondere während der Heizperiode auf sinnvolle 30 m3/h pro Person zu reduzieren, ist die Verwendung besonders emissionsarmer Produkte unumgänglich. Sofern innerhalb eines Gebäudes nicht nur geringe Aktivitäten wie Bürotätigkeiten, sondern auch Aktivitäten wie z. B. Kochen und daraus resultierende Feuchtigkeitswerte vorliegen, muss der Luftwechsel entsprechend häufiger erfolgen. Bei der Auslegung von Lüftungsanlagen ist insbesondere auf die erforderliche Raumluftqualität zu achten. Die Raumluftqualität wird nach DIN EN 13 779 in vier Klassen (IDA 1–4) unterteilt (Abb. 3.108). Die erforderliche Qualität kann direkt über die CO2-Konzentration und die Menge bestimmter Verunreinigungen oder indirekt über den Außenluftvolumenstrom pro Person oder pro Quadratmeter bestimmt werden (Abb. 3.109 – 110). Mit der Zufuhr von etwa 30 m3/h pro Person lässt sich bei Gebäuden mit normaler Raumluftbelastung laut DIN lediglich eine „mittlere“ Raumluftqualität erzielen. Eine hohe Raumluftqualität bedingt nach DIN eine Lüftungsrate von 36 – 54 m3/h. Aus Gründen der Energieeffizienz wird jedoch meist mit einer Lüftungsrate von nur 30 m3/h pro Person gearbeitet. Die Qualität der zugeführten Außenluft wird nach DIN EN 13 779 in drei Klassen (IDA 1 – 3) unterteilt. Da bei natürlichen Ventilationssystemen keine Filter zum Einsatz kommen können, setzt die Nutzung eines solchen Systems eine entsprechend gute Außenluftqualität voraus (Abb. 3.113). Sofern mechanische Lüftungssysteme zum Einsatz kommen, muss die Klasse der vorhandenen Filter in Relation von vorhandener Außenluftklasse zur geforderten Raumluftqualitätsklasse

CO2 -Gehalt (%)

Luftversorgung

200

180 160 140 120 100 80 60 Konzentration im Innenraum Klimaanlage mit Filter Konzentration im Innenraum natürliche Lüftung Konzentration im Außenraum

40 20 4

8

12

16

20

24 Zeit (h) 3.113

Wind

Unterdruck

Windlüftung 3.114

thermischer Auftrieb

Solarkamin

3.115

53


Gebäudetechnische Systeme

dass warme Luft eine geringere Dichte als kalte Luft aufweist. Bei ausreichenden Temperaturunterschieden entsteht ein thermischer Auftrieb, der zu Lüftungszwecken genutzt werden kann. Ein Solarkamin besteht in der Regel aus einem Schacht, der über oder neben den zu belüftenden Zonen angeordnet ist. Um die Leistung eines Solarkamins zu steigern, kann dieser komplett oder teilweise aus Glas bestehen (Abb. 3.116). Seltener werden im oberen Fassadenbereich aktive Beheizungen auf der Basis von Abwärme oder überschüssiger Solarenergie integriert (Abb. 3.117). Sie eignen sich insbesondere dort, wo bei Tag deutliche solarthermische Überschüsse vorhanden sind. Diese können eingespeichert und nachts durch das Heizsystem in den Solarkamin abgegeben werden, so dass dieser auch bei Nacht zu Lüftungszwecken bereitsteht. 3.116

3.117

3.116 Nutzung von Windenergie für die Gebäudelüftung, Bürogebäude des BRE in Hertfordshire (GB), Feilden Clegg Architects 3.117 Lüftungssystem eines Wohnungsbaus in Paris (F), Barthélémy & Griňo Architectes/Bernhard Lenz. Überschüssige, am Tag aus Kollektoren anfallende Wärme wird in einem Pufferspeicher eingespeichert und kontrolliert in den Solarkamin abgegeben, sodass dieser auch bei Nacht zu Lüftungszwecken genutzt werden kann. 3.118 Wohngebäude in Watford (GB) mit Windcatcher, Sheppard Robson Architects a Windcatcher und Photovoltaikanlage b Schnitt 3.119 Schule in Ladakh (IND), Arup Associates a solar betriebener Lüftungsschacht b Schnitt

54

Planung und Betrieb Um optimale Ergebnisse zu erzielen, sollte die Zuluftöffnung nach Möglichkeit an der tiefsten, die Abluftöffnung an der höchsten Stelle eines Gebäudes angeordnet werden. Die Temperaturdifferenz zwischen Ab- und Außenluft sollte möglichst hoch, der Strömungswiderstand, der zu Druckverlusten führt, möglichst gering sein. Da sich der thermische Auftrieb in Abhängigkeit von der Temperaturdifferenz und der Steighöhe ändert, bilden sich beim Anschluss mehrerer Geschosse an einen Auftriebsbereich unterschiedlich hohe Druckunterschiede in den einzelnen Geschossen. Um eine Mindestlüftung der obersten Geschossebene zu garantieren, muss diese deutlich unterhalb des höchsten Punkts eines Steigschachts oder einer Atriumüberdachung liegen. Um vorhandene Druckunterschiede auszugleichen, können die Abluftöffnungen in den unteren Zonen geringfügig kleiner dimensioniert werden. Bei der Betrachtung der notwendigen Druckdifferenzen sollte besonders auf die starken jahreszeitlichen Schwankungen geachtet werden. In Sommernächten und während der Wintermonate können aufgrund hoher Temperaturdifferenzen zwischen der Ab- und Außenluft meist ausreichend hohe Differenzen aufgebaut werden. Problematisch stellen sich die Übergangszeiten dar. Bei nur wenigen Kelvin Temperaturunterschied entstehen dann keine ausreichend hohen Druckdifferenzen, und theoretisch könnten nur sehr hohe Abluftschächte zu einer Verbesserung der Situation führen.

Um dennoch ausreichende Druckunterschiede zu erreichen, kann der Abluftvolumenstrom mit Abwärme so weit nacherhitzt werden, dass er deutlich wärmer ist als die Außenluft. Aus energetischen Gründen sollten dafür auf keinen Fall Energieträger verbrannt werden. Eine sinnvolle Nacherhitzung ist z.B. über eine nutzungsbedingte Kühllast möglich. Bei der Nacherhitzung sollten die nahebei liegenden Räume nicht thermisch beeinflusst werden. Besonders intensiv sollten bei der Planung auch witterungs- und temperaturgesteuerte Öffnungselemente betrachtet werden, da diese meist eine kostenintensive Mess-, Regel- und Steuerungstechnik benötigen. Während des Betriebs bietet sich insbesondere der Vorteil, dass keinerlei Antriebsenergie für den Transport der Luft benötigt wird und nur ein sehr geringer Wartungsaufwand vorliegt. Von Nachteil ist vor allem die Abhängigkeit von den mesoklimatischen Standortfaktoren. Anwendung Innerstädtische, sehr stark mit Schadstoffen belastete Standorte stellen sich als sehr kritisch dar. An diesen Standorten kann eine natürliche Lüftung besonders am Tag, im Unterschied zu einem Gebäude mit Klimaanlage, zu einer höheren Schadstoffbelastung (ohne CO2) im Innenraum führen. Filter, wie sie in Klimaanlagen vorhanden sind, können in natürlich belüfteten Gebäuden normalerweise nicht eingesetzt werden, da der von ihnen erzeugte Druckabfall höher ist als der vom System erzeugte Unterdruck. Im Unterschied zu Gebäuden mit einer mechanischen Klimatisierung kann in natürlich belüfteten Gebäuden keine Maximaltemperatur garantiert werden. Generell reagieren jedoch Nutzer mechanisch belüfteter Gebäude wesentlich sensibler auf Abweichungen von der optimalen Raumtemperatur als Nutzer natürlich belüfteter Gebäude. Ursache hierfür sind Adaptationsprozesse der Nutzer, die sich infolge von Lufttemperaturschwankungen einstellen. Leistung Der thermische Auftrieb ergibt sich aus dem Dichteunterschied zweier Luftvolumen und der möglichen Steighöhe der Luftmasse. Da warme Luft eine geringere Dichte besitzt als kalte Luft, ist sie leichter als diese. Die relative Feuchte der Luft hat nur untergeordneten Einfluss auf den thermischen Auftrieb, feuchte Luft gleicher Temperatur ist jedoch leichter als


Luftversorgung

trockene Luft. Bei extrem niedrigem Luftdruck reduziert sich bei gleichem Luftvolumenstrom zudem der Luftmassenstrom, weshalb in diesem Fall weniger Energie transportiert werden kann. Der thermische Auftrieb lässt sich über die mögliche Steighöhe der Luft und den Dichteunterschied zwischen der Außenluft und der Luft im Steigschacht ermitteln. Unter der Annahme, dass ein Solarkamin eine Höhe von h = 10 m aufweist, sich die Abluft infolge solarer Einstrahlung auf 60 °C erwärmt und eine Außenlufttemperatur von tAL = 30 °C vorliegt, stellt sich folgender Druckunterschied ein: ΔPTherm = h · g · (ρA - ρI) = 10 m · 9,81 m/s2 · (1,059 kg/m3 - 1,164 kg/m3) = -10,3 Pa ρA = Dichte der Außenluft (kg/m3) ρI = Dichte der Abluft (kg/m3) g = Erdbeschleunigung (m/s2) h = Steighöhe Abluft (m) Ein Auftrieb findet jedoch nur statt, wenn die Druckverluste der nachströmenden Luft unterhalb der Auftriebskräfte liegen, die durch den Abluftschacht erzeugt werden. Um einen wirksamen thermischen Auftrieb zu erzielen, müssen hohe Temperaturunterschiede oder Steighöhen vorhanden sein. Um diese Unterschiede zu generieren, ist es theoretisch möglich, überschüssige Wärme, die beispielsweise im Sommer nicht benötigt wird, zur Steigerung der Systemleistung zu nutzen, indem diese an den Abluftvolumenstrom abgegeben wird. Die Leistung lässt sich auch steigern, indem der Venturi-Effekt im Zusammenspiel mit anstehendem Winddruck genutzt wird. Der Venturi-Effekt besagt, dass die Fließgeschwindigkeit eines durch ein Rohr strömenden Fluids (z.B. Luft) ansteigt, wenn sich dessen Querschnitt verringert. Diese Tatsache kann zu Lüftungszwecken genutzt werden. Freie Lüftung − Wind

Sofern ein Gebäude senkrecht von Wind angeströmt wird, bildet sich auf der Luvseite eine Druckzone, auf der Leeseite sowie auf den Seitenwänden des Gebäudes eine Unterdruckzone aus. Dieser Effekt kann einerseits für eine Querlüftung, zum anderen auch für eine Überecklüftung genutzt werden. Der bei der Anströmung auftretende Widerstand wird als Druckbeiwert bezeichnet und kann nur in CFD-Simulationen (Computational Fluid Dynamics/strömungsmechanische

Simulation) oder Windtunneltests ermittelt werden. Gleiches gilt für die Ermittlung des Verlaufs der Druckfelder, die in Abhängigkeit von der Geometrie äußerst komplex ausfallen kann. Generell kommt es bei einer Gebäudeumströmung nicht zu gleichmäßig verteilten Druck- und Zugzonen, sodass eine gleich starke Be- und Entlüftung nur schwierig zu gewährleisten ist. So liegt z. B. bei einer orthogonalen Gebäudeanströmung auf der Luvseite im unteren Gebäudebereich eine Erhöhung des Drucks vor, auf der Leeseite eine Erhöhung des Unterdrucks im oberen Bereich. Um Winddruck gezielt nutzen zu können, sind spezifische Bauelemente wie die seit Langem im Mittleren Osten verbreiteten Windcatcher (Windturm) von Vorteil. Aufbau und Funktion Ein Windcatcher besteht im einfachsten Falle aus einem simplen Schaft, der im obersten Abschnitt über eine oder mehrere Öffnungen verfügt. Sofern der Windcatcher lediglich als Zuluftschacht dienen soll, muss er nur mit einer Öffnung ausgestattet werden, die auf der Seite der vorherrschenden Windrichtung liegen sollte. Sofern eine zusätzliche Abluftöffnung vorgesehen ist, wird diese auf der Leeseite des Turms angeordnet. Ein Windcatcher dient in erster Linie der Kühlung von Zuluft. Beim Durchgang durch den Windcatcher gibt die Zuluft, die im Vergleich zum Baustoff des Windcatchers nur über ein sehr geringes Wärmespeichervermögen verfügt, Energie an die kühlere Masse des Gebäudes ab und kühlt dadurch ab. Die Abkühlung der eintretenden Außenluft führt zu einer Luftdichteerhöhung, woraufhin diese absinkt und warme Außenluft nachzieht. Die im Windcatcher entstehende Konvektion ist insbesondere von der Höhe des Turms abhängig, da bei einem Vorüberstreifen an einer proportional größeren Masse entsprechend mehr Wärmeenergie an den Windcatcher abgegeben werden kann. Des Weiteren steht eine Luftmasse bei einem höheren Turm und gleicher Luftgeschwindigkeit länger in Kontakt mit der kühleren Oberfläche des Windcatchers. Der anstehende Winddruck unterstützt die entstehenden Fallwinde, woraus höhere Luftgeschwindigkeiten resultieren. Planung und Betrieb Generell sollte ein Windcatcher aus einem Material mit hohem Wärmespeichervermögen in ausreichender Dimensionierung bestehen, damit sichergestellt

a

b

3.118

a

b

3.119

55


Technikkonzepte

• • • • •

Gegenwärtiger Stand der Technik Zahlreiche Komponenten für eine nachhaltige Gebäudetechnik sind bereits seit längerer Zeit in der Praxis erprobt. Aufgrund ihrer hohen Relevanz für die Ressourcenschonung gewinnen vor allem Technologien zur Nutzung erneuerbarer Energie in Neubauten zunehmend an Bedeutung. Dabei zeigt sich, dass sich einige Komponenten wie Wärmepumpen bereits heute auch ohne finanzielle Förderung »rechnen«, während z.B. die Photovoltaik bislang nur dank der Subventionen aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) wirtschaftlich umzusetzen ist. Andere Technologien wie die solare Kühlung sind in Europa noch weitgehend unwirtschaftlich. Die Projekte in diesem Kapitel demonstrieren beispielhaft, wie nachhaltige Versorgungstechnik in Gebäuden unterschiedlicher Größen und Nutzungstypologien installiert werden kann. Bei der Dokumentation wurde der Fokus auf die energierelevanten Aspekte Wärme, Kälte, Luft und Strom gelegt. Wärmeversorgung

Bei der Wärmeversorgung von Gebäuden zeigen sich grundsätzliche Unterschiede in der vorhandenen Infrastruktur. Ist ein Wärmenetz (Fernwärme/Nahwärme) vorhanden, erweist sich ein Anschluss in der Regel als ökologisch sinnvoll. Denn auch wenn die Wärmeerzeugung zum Zeitpunkt des Anschlusses noch keinen ökologischen Vorteil gegenüber einer dezentralen Wärmeversorgung aufweist, können spätere Änderungen in der zentralen Wärmeerzeugung (z.B. Umstellung auf Biomasse) aufgrund der großen Zahl angeschlossener Gebäude einen großen Effekt erzielen. Auch bei vorhandenen Gasleitungsnetzen besteht die Möglichkeit einer »ökologischen« Nutzung. Bei der Werkshalle in Kassel (S. 110) 84

wurde die Baumaßnahme zum Anlass genommen, gemeinsam mit einem Landwirt aus der Region eine neue Biogasanlage zu realisieren. Ein erstrebenswertes Ziel ist insbesondere die Nutzung der lokalen Energieressourcen Grundwasser, Erdreich und Solarstrahlung. Sofern sich die Randbedingungen günstig darstellen, sollten diese Quellen mit höchster Priorität genutzt werden. Vor allem der Markt für Wärmepumpen, die in Kombination mit Grundwasserbrunnen, Erdsonden und Energiepfählen betrieben werden, zeigt gegenwärtig eine sehr hohe Dynamik, auch wenn diese Systeme aufgrund unsicherer geologischer Verhältnisse meist mit einem erhöhten Risiko verbunden sind. Die solarthermische Wärmenutzung ist vor allem bei Wohngebäuden verbreitet. Hier ist in Zukunft mit deutlich zunehmenden Anlagengrößen und Deckungsraten zu rechnen. Die stets sichtbare Solartechnik ist eine der wenigen Technologien aus der Gebäudetechnik, die auch für die Ästhetik eines Gebäudes maßgebliche Bedeutung hat, und muss daher in erhöhtem Maß unter gestalterischen Gesichtspunkten eingebunden werden. Das Mehrfamilienhaus in Bennau (S. 90) zeigt dies vorbildhaft. Sofern lokale und netzgebundene Energieträger nicht in ausreichendem Maß zur Verfügung stehen, sind Energieträger aus fester Biomasse (vor allem Holzhackschnitzel /Holzpellets) eine gute Möglichkeit zur CO2-neutralen Energieversorgung. Hier müssen künftig verstärkt die übergeordnete Verfügbarkeit der Ressourcen und die Logistik der Energieträger in die Planung eingebracht werden. Eine Besonderheit zeigt das Universitätsgebäude »Super C« in Aachen (S. 108): Hier konnte aufgrund günstiger geologischer Gegebenheiten erstmals ein Gebäude über eine geothermische Tiefensonde (2500 m) versorgt werden. Bei

Gegenwärtiger Stand der Technik Wohngebäude Bürogebäude Industriebau Sondernutzungen

dieser Technologie, die üblicherweise in Kraftwerken zur Stromerzeugung eingesetzt wird, sind die Temperaturen ohne den Einsatz einer Wärmepumpe direkt für die Gebäudeversorgung nutzbar. Kälteversorgung

Die Nutzkälte für Gebäude wird bislang meist über strombetriebene Kompressionskältemaschinen bereitgestellt. Im Sinn einer nachhaltigen Gebäudetechnik lassen sich diese grundsätzlich mit Photovoltaikanlagen kombinieren und als »solare Kühlung« betreiben. Eine Alternative oder Ergänzung zur Kompressionskälte bilden sogenannte natürliche Wärmesenken, also Kältepotenziale, die ohne Einsatz von Energie zur Verfügung stehen. Dies sind insbesondere das Erdreich, das Grundwasser und die kühle Nachtluft. Nahezu alle aufgeführten Projekte mit Wärmepumpen nutzen die Wärmequelle auch zur passiven Kühlung. Bei Erdreichsystemen erhöht sich durch die sommerliche Rückspeisung zugleich die Gesamteffizienz des Systems. Auch hybride Kühlsysteme mit Nutzung der Nachtluft sind weit verbreitet (z.B. Bürogebäude in Konstanz, S. 106). Andere interessante Konzepte nutzen den adiabaten Kühleffekt, der bei der Verdunstung von Wasser entsteht, in Verbindung mit einer Lüftungsanlage (z.B. Bürogebäude in Berlin, S. 104). Bei Konzepten mit sommerlicher Überschusswärme − wie zum Beispiel aus KraftWärme-Kopplung − ist eine Ergänzung durch wärmebetriebene Sorptionskältemaschinen zur Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung eine sinnvolle Maßnahme (z.B. Produktionsgebäude in Kassel, S. 110). Luftversorgung

Die Sicherstellung der Luftqualität hat im Hinblick auf die Behaglichkeit der Nutzer eine besonders große Bedeutung. Vor allem bei Nichtwohngebäuden ist eine


96

Bürogebäude, Winterthur

Bürogebäude

98

Europäische Investitionsbank, Luxemburg

Bürogebäude

100

Bürogebäude, Wien

Bürogebäude

102

Bürogebäude, Berlin

Bürogebäude

104

Bürogebäude, Konstanz

Bürogebäude

106

Instituts- und Verwaltungsgebäude, Aachen

Bürogebäude

108

Produktionsgebäude, Kassel

Industriebau

110

Gemeindehaus, Ludesch

Sondernutzung

112

Militärcasino, Donaueschingen

Sondernutzung

114

Bergrestaurant, Zermatt

Sondernutzung

116

Bauteilaktivierung

Bürogebäude

Tiefengeothermie

Bürogebäude, Köln

Wärmerückgewinnung

94

Erdkanal

Bürogebäude

4.1 Übersicht der dokumentierten Projekte

Solarkamin

Landkreisverwaltung und Kreisrat, Eberswalde

Im Zusammenspiel mit der Gebäudetechnik kommt energieeffizienten Gebäudehüllen eine zentrale Rolle zu. Sie sollten bei der Gebäudeplanung erste Priorität genießen. Zwar liegt der Schluss nahe, dass bei Gebäuden, die überwiegend oder vollständig mit regenerativer Energie versorgt werden, die Energieeffizienz eine untergeordnete Rolle spielt. Die Analysen solcher Gebäude bestätigen jedoch sehr deutlich, dass nachhaltige Gebäudetechnik schon aus ökonomischen Gründen fast immer mit einer entsprechend effizienten Gebäudehülle verknüpft wird.

Photovoltaik

92

Gebäudehülle

Solare Kühlung

Sondernutzung

Sorptionskälte

Altenwohn- und Pflegeheim, Steinfeld

Solare Wärmeerzeugung

90

Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung (KWKK)

88

Wohngebäude

Kraft-Wärme-Kopplung (KWK)

Wohngebäude

Mehrfamilienhaus, Bennau

Biomassenutzung

86

Passivhaus-Wohnanlage, Innsbruck

Wärmepumpe

Wohngebäude

Grundwassernutzung

Gebäudetyp Mehrfamilienhaus, Liebefeld

Erdwärmenutzung

Der Strombedarf spielt insbesondere bei Nichtwohngebäuden eine große Rolle. Durch Beleuchtung, Luftführung und nutzungsspezifische elektrische Geräte entstehen in der Regel hohe Verbrauchswerte, die durch strombetriebene Wärmeund Kälteerzeugung noch weiter gesteigert werden. Im Sinn einer ausgeglichenen energetischen Gesamtbilanz ist es daher erstrebenswert, künftig den gesamten Strombedarf dezentral über das Gebäude zu erzeugen. Eine lokale Speicherung ist durch die Einbindung ins Stromnetz in der Regel nicht erforderlich. Da Windenergieanlagen im Zusammenhang mit Gebäuden an den meisten Standorten nicht wirtschaftlich betrieben werden können, stehen hierfür nur zwei Systeme zur Verfügung: die dezentrale Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) und die Photovoltaik. Die Nutzung der KWK beschränkt sich bislang noch auf Einzelfälle, zum Beispiel bei der Europäischen

DEC-Kühlung

Stromversorgung

Investitionsbank in Luxemburg (S. 100). Photovoltaikanlagen wurden bei zahlreichen Projekten realisiert. Hier gilt analog zur Solarthermie, dass eine funktionale und gestalterische Einbindung in die Gebäudehülle von großer Bedeutung ist. Dies wurde in den dokumentierten Projekten meist vorbildhaft umgesetzt.

Adiabate Kühlung

Beispiel im Verwaltungsgebäude in Konstanz (S. 106) realisiert wurden.

Seite

technische Lösung meist unverzichtbar. Aber auch im Wohnungsbau werden – auch aufgrund der zunehmend dichteren Gebäudehüllen − Lüftungsanlagen realisiert. Alle in diesem Kapitel dokumentierten Projekte sind mit einem technischen System zur kontrollierten Luftführung ausgestattet. Es ermöglicht bei entsprechender Konzeption auch eine Wärmerückgewinnung aus der Abluft, was ebenfalls in jedem Projekt realisiert wurde. Zur Vortemperierung der Außenluft wird in einigen Projekten ein Erdkanal zur Nutzung des Erdreichs vorgeschaltet. Eine Besonderheit weist das Bergrestaurant am Kleinen Matterhorn auf (S. 116): Hier wird die Zuluft durch die Fassade geführt, die als solarer Luftkollektor ausgebildet ist. Die Solarenergie kann auch dazu genutzt werden, mittels Thermik gezielt die freie Lüftung zu unterstützen, so dass eine elektrische Ventilation entbehrlich wird. Dies ist z.B. im Militärcasino in Donaueschingen (S. 114) der Fall. Einspareffekte durch individuelle Anpassung seitens der Nutzer ermöglichen dezentrale Fassadenlüftungssysteme, wie sie zum

4.1

85


Technikkonzepte

Passivhaus-Wohnanlage Innsbruck, A 2009 Bauherr: Neue Heimat Tirol, Innsbruck Architekten: Architekturwerkstatt dina4, Innsbruck team k2 architects, Innsbruck Architekturhalle Wulz-König, Telfs Haustechnik: Klimatherm, Zirl Bauphysik: DI Fiby, Innsbruck, und Spektrum, Bregenz Energieberatung: Johannes Gstrein, Karrösten

Auf dem Lodenareal am Zusammenfluss der Sill und des Inn in Innsbruck ist die größte Passivhaus-Wohnsiedlung Österreichs entstanden. Drei Gebäudekomplexe mit je zwei L-förmigen Baukörpern bieten Platz für insgesamt 354 Wohnungen. Die kompakten Baukörper mit Dämmstärken bis 30 cm erreichen Werte für den Heizwärmebedarf unter 10 kWh/m2a. Die Wärmeenergie wird über eine zentral gelegene Heizzentrale bereitgestellt. Ein Holzpelletkessel mit einer Leistung von 300 kW erzeugt dort ca. 80 % des jährlichen Wärmebedarfs. Die restliche Heizwärme liefert ein Gasbrennwertkessel. In jedem der L-förmigen Baukörper befindet sich eine Unterzentrale mit großem Speicher. Neben der Nahwärme aus der Heizzentrale wird hier jeweils die Energie aus den auf den Dächern installierten solarthermischen Anlagen eingespeist. Fußbodenheizungen verteilen die Wärme in den Wohnungen. Alle an einem Treppenhaus gelegenen Wohnungen sind jeweils zu einer Lüftungseinheit zusammengefasst. Die Lüftungszentrale jedes Treppenhauses befindet sich im Keller, die Luftansaugung geschieht über drei Meter hohe Ansaugtürme in den Innenhöfen. Die kontrollierte Lüftung mit Wärmerückgewinnung lässt sich in zwei Stufen je Wohneinheit individuell steuern. Zur Vorerwärmung der Außenluft im Winter und Kühlung im Sommer wurde ein Grundwasserbrunnen mit vier Grundwasserpumpen gebohrt, die über Wärmetauscher zwischen Außenluftansaugung und Lüftungsgeräten eingebunden sind. Auskragende Balkone schützen die Wohnungen vor der sommerlichen Mittagssonne. In den kalten Monaten hingegen gelangt das Licht weit in den Raum hinein. Zusätzlich ist ein individuell einstellbarer Sonnenschutz vorhanden. º 88

Detail Green 01/2010

4.9

4.10


Passivhaus-Wohnanlage, Innsbruck

1

2

3

4

7

5

4.12

6

4

7

8 9

10

11

14

12

15

4.9 Ansicht 4.10 Grundriss Erdgeschoss, Maßstab 1:750 4.11 Schnitt mit Energie- und Lüftungskonzept Maßstab 1:250 1 Sommersonne 2 Solarthermie 3 Wintersonne 4 Abluft 5 Fußbodenheizung 6 Außenluft 7 Zuluft

Quelle

13

4.11 8 Fortluft 9 Lüftungsgerät mit Wärmerückgewinnung 10 Grundwasserpumpe 11 Brennwertkessel 12 Pelletkessel 13 Pufferspeicher 14 Bohrbrunnen 15 Pelletspeicher 4.12 Dachaufsicht mit thermischen Solarkollektoren 4.13 Lüftungstürme im Innenhof 4.14 Technikkonzept

Energietechnik

4.13

Übergabe und Verteilung

Netzstrom

Energiedienstleistung

Strom

Lüftungsgerät (WRG) max. 3500 m3/h

Außenluft

Grundwasser

Bohrbrunnen 18 m

Biomasse

Pelletkessel 300 kW

Sonne

Solarthermie 1000 m2

Erdgas

Brennwertkessel 326 kW

Luftkanal

Kühlung

Wärmetauscher

Pufferspeicher 4 x 15 000 l

Außenluftversorgung

Fußbodenheizung

Raumwärme

dezentrale Trinkwasserstation

Brauchwarmwasser

4.14

89


Technikkonzepte

Mehrfamilienhaus Bennau, CH 2009 Bauherr: Sanjo Immobilien, Altendorf Architekten: grab architekten, Altendorf Bauphysik: Intep, Zürich Energiekonzept: Amena, Winterthur Heizung, Lüftung, Sanitärplanung: Planforum, Winterthur

Das von seinen Architekten »Kraftwerk B« getaufte Mehrfamilienhaus mit sieben Wohneinheiten gewinnt im Jahresdurchschnitt mehr Energie aus der Sonne, als seine Bewohner verbrauchen. Fassaden und Dachflächen bestehen aus 40 cm stark gedämmten, vorgefertigten Holzelementen, die zusätzlich 6 – 8 cm gegen Wärmebrücken überdämmt sind. Die Fenster erhielten eine Dreifachverglasung. In die 40 Grad geneigte Südwestseite des Dachs wurden 260 m2 netzgekoppelte Photovoltaikmodule integriert, die den Strombedarf der Liegenschaft im Jahresdurchschnitt vollständig abdecken. Die Südwestfassade erhielt 150 m2 fassadenintegrierte Kollektoren. Diese speisen ihre Wärme in einen 25 m3 großen Heizwärmespeicher ein; überschüssige Solarenergie wird zur Warmwasservorwärmung des Nachbargebäudes verwendet. Die Wohnungen erhielten eine Fußbodenheizung mit Vorlauftemperaturen von 23 bis 28 °C. Für den hygienisch notwendigen Luftwechsel sorgt eine zentrale Lüftungsanlage im Untergeschoss. Ein Erdregister dient der Vorwärmung der Frischluft; ein Gegenstromwärmetauscher reduziert Wärmeverluste über die Abluft. Zusätzlich wird die Zuluft mit dem Rücklauf der Bodenheizung auf 20 °C temperiert. Eine Wärmepumpe dient als Backup-System. Sie entzieht der Fortluft zusätzlich Wärme und kann sowohl das Warmwasser nacherwärmen als auch direkt die Bodenheizung bedienen. Die Wohnungen sind mit holzbefeuerten Kleinspeicheröfen ausgestattet. Darin integrierte, wasserdurchflossene Wärmeabsorber koppeln ca. 50 % der Wärme aus und führen diese den Handtuchradiatoren in den Bädern sowie der zentralen Warmwasserbereitung im Untergeschoss zu. º

4.15

4.16

Detail Green 01/2010 4.17

90


Mehrfamilienhaus, Bennau

1 2

5

4 6

4.19

7 3 9

8

1 16

17

18 15 10

11

12

13

14 4.18

4.20 4.15 4.16 4.17 4.18

Ansicht von Süden Grundriss Dachgeschoss, Maßstab 1:400 Grundriss Erdgeschoss, Maßstab 1:400 Schnitt mit Energie- und Lüftungskonzept Maßstab 1:250 1 Photovoltaik 2 Sommersonne 3 Wintersonne 4 Abluft 5 Zuluft

Quelle

6 7 8 9 10

Heizofen mit Warmwasserabsorber Niedrigsttemperatur-Bodenheizung Handtuchradiator, Speisung durch Holzofen Fassadenkollektoren (Solarthermie) Fortluftwärmepumpe zur Wassernacherwärmung 11 Lüftung mit Wärmerückgewinnung und Zulufttemperierung 12 Warmwasser-Vorwärm-Speicher für Nachbargebäude

13 Hauptspeicher 14 Warmwasserspeicher 15 Erdregister für Außenluft 16 Außenluft 17 Fortluft 18 Warmwasserboiler Nachbargebäude 4.19 Installation der dachintegrierten Photovoltaikmodule 4.20 Südwestfassade mit Solarthermie 4.21 Technikkonzept

Übergabe und Verteilung

Energietechnik

Energiedienstleistung

Netzstrom Strom 32 000 kWh/a Sonne

Photovoltaik 261 m2 / 32 kWp

Solarthermie 147 m2

Biomasse

Hauptspeicher 25 m3

Fußbodenheizung

Holzöfen mit Warmwasserabsorber

Raumwärme

Warmwasserspeicher 4 m3

Außenluft

Erdregister

Lüftungszentrale mit Wärmepumpe (WRG)

Brauchwarmwasser

Nachwärmeregister

Außenluftversorgung 4.21

91


Technikkonzepte

Bergrestaurant Zermatt, CH 2007 Bauherr: Zermatt Bergbahnen, Zermatt Architekten: Peak Architekten, Zürich Energieplanung: Lauber IWISA, Naters

Auf dem Klein Matterhorn oberhalb von Zermatt auf 3883 Meter Höhe liegt das Touristenzentrum »Matterhorn glacier paradise«. Der Neubau schließt direkt an ein älteres Bergrestaurant an, das weiterhin als Garage und Werkstatt für den Bahnbetrieb dient. Im Erdgeschoss befinden sich ein Laden und ein Restaurant für 120 Personen, im Obergeschoss ein Saal mit 50 weiteren Plätzen sowie Übernachtungsmöglichkeiten für bis zu 40 Personen. Das Untergeschoss beherbergt die Technikräume. Aus statischen Gründen ist der Sockel aus Stahlbeton gefertigt, der restliche Bau besteht aus vorfabrizierten Holzelementen. Heizwärme bezieht das Gebäude überwiegend über die um 70 Grad geneigte Südfassade. Sie wird von Frischluft durchströmt, die sich dabei erwärmt und über zwei Lüftungsgeräte im Restaurant und in den Gästezimmern verteilt wird. Der warmen Fortluft entziehen Wärmepumpen einen Großteil der Energie und führen sie in den Wärmekreislauf zurück. Eine 190 m2 große, in die Südfassade integrierte Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 22,75 kWp deckt den Energiebedarf der Wärmepumpen und der Ventilatoren für die Lüftung. Durch die hinterlüftete Fassade wird die Photovoltaikanlage zusätzlich gekühlt. Dieser Effekt, die klare kalte Luft und die reflektierende Umgebungsstrahlung bewirken, dass die Module um bis zu 80 % effizienter sind als vergleichbare Anlagen im Flachland. Als Bau ohne äußere sanitäre Infrastruktur besitzt das Gebäude eine eigene mikrobiologische Kläranlage. Dort wird das Abwasser aus Küche und Nasszellen gereinigt und dem natürlichen Wasserkreislauf der Umgebung zugeführt. Für die Toilettenspülung wird Grauwasser genutzt. º

116

Detail Green 02/2009

4.100

B

4.101

4.102


Bergrestaurant, Zermatt

4.100 4.101 4.102 4.103

Ansicht Südwest Grundriss Erdgeschoss, Maßstab 1:500 Grundriss 1. Obergeschoss, Maßstab 1:500 Schnitt mit Energie- und Lüftungskonzept Maßstab 1:150 1 Fortluft 2 Wasserzisterne 3 Photovoltaik 4 Sommersonne 5 Wintersonne 6 Abluft 7 Zuluft 8 Wassererwärmung 9 Abluftwärmepumpe 10 Heizenergiespeicher 11 Außenluft 12 Lüftungsgerät mit Wärmerückgewinnung 13 Trinkwarmwasser 4.104 Technikkonzept 4.105 Ansicht Innenraum 4.106 Photovoltaik als Fassadenfläche

11 1

4

2 3

7

6

5

7

6

13

12 8

10

9

4.103

Quelle

Übergabe und Verteilung

Energietechnik

Netzstrom

Energiedienstleistung

Strom 38 000 kWh/a

Sonne

Photovoltaik 190 m2 / 22,75 kWp

2 Abluftwärmepumpen

Trinkwasserspeicher

Trinkwarmwasser

Außenluft

Zuluftfassade

2 Lüftungsgeräte mit WRG, 7650 m3/h

Weitwurfdüsen

Raumheizung

Außenluftversorgung

4.104

4.105

4.106

117


Optimierung im Bestand

mehr als doppelt so hohen Druckabfall auf wie ein liegend eingebrachter und vertikal umgelenkter Kanal gleicher Proportion (Abb. 5.2, S. 119). Sind in einem Luftkanalsystem Schalldämpfer erforderlich, sollte auch bei beengten Platzverhältnissen möglichst auf Rohreinschubschalldämpfer verzichtet werden. Diese verursachen in der Regel hohe Druckverluste. Wärme- und Enthalpietauscher Generell empfiehlt sich der Einbau eines Wärmetauschers. Die Abgabe der Fortluft ohne Wärmerückgewinnung an den Außenraum führt bei Wohngebäuden zu jährlichen Lüftungswärmeverlusten von etwa 50 kWh/m2a. Eine Alternative zum Wärmetauscher ist der Enthalpietauscher. Systeme dieser Bauart arbeiten mit einer Feuchterückgewinnung und sollten daher bei geringer Raumluftfeuchtigkeit verwendet werden. Diese hängt ab vom Material der Wände und von der Nutzungsintensität der Räume. Theoretisch kann eine niedrige relative Feuchte der Raumluft auch bei einer Fensterlüftung auftreten. Aus Gründen des thermischen Komforts liegt der Luftwechsel bei Fensterlüftung meist jedoch so niedrig, dass die relative Feuchte nicht nennenswert sinkt.

Um das Niveau anzuheben, nimmt der Enthalpietauscher einen Teil der in der Abluft enthaltenen Feuchtigkeit auf und gibt ihn an den Zuluftstrom ab. Dies geschieht, indem der Wasserdampf aus der Abluft zunächst an einem hygroskopischen Stoff (i.d.R. Salze) sorbiert wird, von diesem wieder abgegeben und nach Durchwanderung einer Membran zur Zuluftbefeuchtung verwendet wird. Grundlage dieses Prozesses ist der osmotische Druck. Ein Wachstum von Mikroben kann aufgrund des Membranaufbaus nicht stattfinden. Auch eine Übertragung von Gerüchen ist ausgeschlossen. Der thermische Wirkungsgrad des Enthalpietauschers ist etwas geringer als der eines normalen Wärmetauschers. Eine Alternative zu Enthalpietauschern sind Rotationswärmetauscher mit Sorptionsmittel. Hier kommt es im Gegensatz zu den oben beschriebenen Geräten jedoch zu einer geringfügigen Vermischung des Zu- und des Abluftvolumenstroms. Sofern in einem vorhandenen Lüftungssystem ein elektrisch beheizter Befeuchter vorhanden ist, sollte dieser im Zuge einer Bestandsoptimierung durch einen Enthalpietauscher ersetzt werden. Wärmeübertragungssysteme

Die Heizwärme kann auf unterschiedliche Arten auf den Gebäudeinnenraum übertragen werden. Im Zuge einer Systemerneuerung stellt sich die Frage, ob vorhandene Systeme weitergenutzt oder neue installiert werden sollten (Abb. 5.5).

5.5

5.6

120

Heizkörper Aufgrund hoher Heizlasten sind im Gebäudebestand meist Rippenheizkörper vorzufinden. Nach einer energetischen Sanierung der Gebäudehülle ist zu entscheiden, ob diese weiterhin betrieben oder gegen kleinere Radiatoren ausgetauscht werden sollen (Abb. 5.6). Durch die Verringerung des Heizwärmebedarfs können vorhandene Heizkörper oftmals mit niedrigeren Vorlauftemperaturen weiterbetrieben werden. Aufgrund des großen Wasserinhalts des Systems sowie der meist ungedämmten Leitungsführung ist beim Betrieb einer Niedertemperaturheizung in Kombination mit vorhandenen Rippenheizkörpern jedoch mit einem relativ trägen Regelverhalten zu rechnen. Um dieses zu verbessern und Energieverluste zu minimieren, sollten vorhandene Leitungen und Armaturen in jedem Fall nachträglich gedämmt werden. Für Armaturen neuerer Ausführungen sind vorgefertigte Dämmschalen erhältlich.

Flächenheizungen Systeme mit flächiger Wärmeabgabe bieten insbesondere den Vorteil einer sehr großen Wärmeübertragungsfläche, wodurch sich sehr niedrige und hocheffiziente Vorlauftemperaturen realisieren lassen. Niedrige Vorlauftemperaturen sind beispielsweise eine Voraussetzung für den effizienten Betrieb von Wärmepumpen. Speziell für Wandflächenheizungen bietet sich der nachträgliche Einbau von Kapillarrohrmatten an. Diese Systeme bestehen aus wasserdurchflossenen Kunststoffrohrmatten, die beispielsweise auf der Rohwand fixiert und anschließend überputzt werden (Abb. 5.7). Aufgrund der geringen Abstände zwischen den Kapillarrohren ergibt sich eine sehr gleichmäßige Temperaturverteilung, die zu einem hohen thermischen Komfort beiträgt. Kapillarrohrysteme zeichnen sich durch eine extrem geringe Bauhöhe aus und lassen sich auch bei Gebäuden mit niedrigen Raumhöhen gut nachrüsten. Sofern ein nachträglicher Einbau in Bürogebäuden geplant ist, können die Matten in einem mit dem Achsmaß der Fenster korrespondierenden Raster verlegt werden. Dadurch bleibt ein nachträgliches Einziehen von Trennwänden jederzeit möglich. Sofern im Bestand Fußbodenheizungen vorhanden sind, ist zu klären, welches Material verwendet wurde. Bei nicht diffusionsdichten Kunststoffrohren besteht die Gefahr, dass im Lauf der Jahre Sauerstoff in das System eingedrungen ist und es dadurch zu Korrosion an Eisenteilen gekommen ist. Zur Nachrüstung eignen sich insbesondere trocken verlegte Fußbodenheizungssysteme. Trockenestrichsysteme sind aufgrund ihres geringen Flächengewichts, ihrer niedrigen Bauhöhe und ihrer Trockenbauweise besonders geeignet. Alternativ dazu stehen spezielle Renovierungssysteme auf der Basis von Noppenfolien und gering dimensionierten Kunststoffschläuchen zur Verfügung (Abb. 5.8). Inklusive des Deckbelags und ohne Trittschalldämmung liegt die Konstruktionshöhe meist unter 50 mm. Bei der Verlegung der Schlauchleitungen ist in jedem Fall darauf zu achten, dass die Abstände zwischen den Leitungen eingehalten werden und es nicht zu thermischen »Kurzschlüssen« innerhalb des Systems kommen kann. Bei der Festlegung der Heizkreisfelder sollte auf ein Verhältnis von Länge zu Breite von maximal 2:1 geachtet werden.


Optimierung und Systemanpassung

Rauchabzüge

Die Modernisierung oder der Austausch der Heizungsanlage setzt oftmals eine Sanierung des Schornsteins voraus. Übliche Schadensbilder sind hier die Versottung, die Verpechung und die Durchfeuchtung. Eine Versottung entsteht, wenn der im Abgas enthaltene Wasserdampf im Kamin kondensiert und in Verbindung mit Sauerstoff zu einer Schädigung der Bausubstanz führt. Typisches Erscheinungsbild sind gelbbraune Verfärbungen der Kaminoberfläche. Bei Holzfeueranlagen kann es im Fall einer Taupunktunterschreitung zu einer unvollständigen Verbrennung und zur übermäßigen Ablagerung von Rußpartikeln im Kamin kommen, der sogenannten Verpechung. Eine Durchfeuchtung des Kamins ist insbesondere bei gasförmigen Brennstoffen gegeben, da diese im Unterschied zu anderen Brennstoffen wesentlich mehr Wasser enthalten. Bei einer Kondensation des Abgases im Kamin nimmt dieser einen Großteil des Wassers auf, worauf es zu einer Durchfeuchtung des Kamins kommt. Im Fall einer Kaminsanierung kommen deshalb oftmals Systeme aus Edelstahl zum Einsatz. Wärmepumpen

Ein effizienter Wärmepumpenbetrieb setzt niedrige Vorlauftemperaturen der Heizungsanlage voraus. Voraussetzung hierfür ist in der Regel eine energetische Sanierung der Gebäudehülle. Sofern die Umrüstung auf eine Wärmepumpe geplant ist, sollte bei vorhandenen Heizkörpern geprüft werden, ob diese weiterverwendet werden können. Da im Bestand meist überdimensionierte Heizkörper vorzufinden sind und zusätzliche Dämmmaßnahmen zu einer deutlichen Reduktion der notwendigen Heizlast führen, ist eine Nachnutzung oftmals möglich. Sollen neue Wärmeabgabesysteme integriert werden, sind flächige Heizsysteme wie Fußbodenoder Wandflächenheizungen zu empfehlen, da sie mit minimierten Vorlauftemperaturen betrieben werden können. Da die Arbeitszahl der Wärmepumpe direkt durch die Vorlauftemperatur beeinflusst wird, sollten Temperaturen oberhalb von 55 °C in jedem Fall vermieden werden. Wärmepumpen, die Außenluft als Wärmequelle nutzen, sind nicht zu empfehlen, da sich mit ihnen speziell im Winter nur Arbeitszahlen von weniger als drei erzielen lassen und die Systeme in diesem Fall primärenergetisch ungünstiger zu bewerten sind als Gasbrennwertkessel.

Speziell bei großen Gebäuden kommt es oft vor, dass einige Bereiche gekühlt und andere zeitgleich beheizt werden müssen. Bei der Nachrüstung eines Wärmepumpensystems kann in dem Fall darüber nachgedacht werden, mehrere interne Wärmepumpen mit einem Wasserkreislauf zu verschalten und diesen zusätzlich mit einer zentralen externen Wärmepumpe zu koppeln (Abb. 5.9). Eine solche Systemverschaltung wird auch als »water loop« bezeichnet. Die angeschlossenen Wärmepumpen nutzen den Wasserkreislauf zugleich als Wärmequelle und -senke, sodass interne Wärmeverschiebungen vorgenommen werden können: Aus einem zu kühlenden Raum entzieht eine Wärmepumpe Wärme und überträgt sie auf den Wasserkreislauf. Dieser dient in einem zu wärmenden Raum wiederum als Wärmequelle für den Betrieb der Wärmepumpe. Um einen optimalen Systemablauf zu gewährleisten, muss innerhalb des Wasserkreislaufs ein definiertes Temperaturfeld aufrechterhalten werden. Kommt es innerhalb des Wasserkreislaufs zu einer Unter- oder Überschreitung des Temperaturfelds, muss die Unter- oder Übertemperatur durch die externe Wärmepumpe ausgeglichen werden. Eine Laufzeitentlastung der externen Wärmepumpe ist durch die zusätzliche Integration eines Pufferspeichers möglich. Idealerweise wird die externe Wärmepumpe mit vorhandener Abwärme aus Produktionsprozessen, einem Serverraum o. ä. angetrieben.

Optimierung und Systemanpassung Der Primärenergieverbrauch einer gebäudetechnischen Anlage bezeichnet die Menge an Primärenergie, die für die Erzeugung von Heizwärme, Warmwasser und (soweit vorhanden) den Betrieb einer Lüftungsanlage erforderlich ist. Eine primärenergetische Bewertung der Anlagentechnik (Warmwasser, Lüftung und Heizung) ist über die Anlagenaufwandszahl möglich. Bei einer Heizungsanlage beschreibt diese beispielsweise das Verhältnis von aufgenommener Primärenergie und abgegebener Nutzwärme für die Raumheizung. Je niedriger eine Anlagenaufwandszahl, umso effizienter ist das System. Neben der Verwendung effizienter Anlagentechnik lässt sich ein niedriger Jahresprimärenergiebedarf auch durch einen hohen Versorgungsanteil mit erneuerbaren Energien erreichen.

5.7

5.8 WP

WP

WP

WP „water loop“ WP

WP

Hauptverteiler

Unterverteiler

Erdwärmesonden

5.9

5.5 Typenschild einer alten Ölheizung mit Angabe der Vorlauftemperatur (110 °C) 5.6 alter Rippenheizkörper 5.7 Kapillarrohrmatten als Wandheizung 5.8 Fußbodenheizung auf Basis von Kunststoff-Noppenplatten 5.9 Beispielhafte Wärmepumpeneinbindung in Form eines »water loop«-Systems

121


Optimierung im Betrieb

• Gebäudemanagement • Energetische Einsparpotenziale im Betrieb • Energiemonitoring

Gebäudemanagement Ein Gebäudemanagement umfasst sämtliche Leistungen, die zum Betreiben und Bewirtschaften von Gebäuden (einschließlich ihrer baulichen und technischen Anlagen) notwendig sind. Seine Ziele sind die Aufrechterhaltung und eine kontinuierliche Optimierung des laufenden Betriebs. Sämtliche Leistungen können den drei Teilbereichen technisches, infrastrukturelles und kaufmännisches Gebäudemanagement zugeordnet werden. Darüber hinaus ergeben sich Schnittstellen zum Flächenmanagement und Facility Management. Ziel des Qualitätsmanagements ist die ständige Analyse und Verbesserung der Qualität, Sicherheit und Verfügbarkeit aller Leistungsprozesse sowie der Umweltverträglichkeit (vgl. GEFMA 700). Ferner fällt in diesen Aufgabenbereich die laufende wirtschaftliche Optimierung aller Leistungsprozesse durch Reduzierung der Prozesskosten (vgl. GEFMA 200, DIN 18 960) Gebäudeautomation

Für die Wirtschaftlichkeit des Gebäudebetriebs sowie die Ressourcen- und Umweltschonung spielt die Gebäudeautomation (GA) gemäß DIN 276 und DIN 18 386 eine Schlüsselrolle. Als Gebäudeautomation bezeichnet man alle Einrichtungen und Dienstleistungen für automatische Steuerung und Regelung. Diese Systeme ermöglichen eine Überwachung und Optimierung sowie das Management für einen energieeffizienten und sicheren Betrieb der gebäudetechnischen Anlagen. In Gebäuden mit komplexen gebäudetechnischen Anlagen ist die GA das wesentliche Werkzeug für das technische Gebäudemanagement (TGM) während der Nutzungsphase, mit dessen Hilfe auch die Gebäudeinfra128

struktur wie die Energieversorgung und die Kommunikation überwacht werden kann. Die gebäudetechnischen Fachgebiete der Sanitär-, Heizungs-, Raumluft-, Kälte-, Starkstrom- und Informationstechnik sowie die Gebäudeautomation befinden sich in einem ständigen Wandel. Dabei haben die Entwicklungen der Informationstechnik einen großen Einfluss. Die Gebäudeautomation hat sich aus der Gebäudeleittechnik heraus als eigenständiges Gewerk (DIN 276, Kostengruppe 480) im Bauwesen entwickelt. Diesem Umstand wurde auch in der Novellierung der HOAI 2009 entsprechend Rechnung getragen. Die Berechnungsergebnisse und Daten aus der Planungs- und Bauphase bilden die wesentliche Grundlage zum Betreiben der Gebäude und Anlagen. Gebäudeautomationssysteme ermöglichen dabei die wirksame Regelung gebäudetechnischer Anlagensysteme mit dem Ergebnis einer hohen Energieeffizienz. Integrierte Energieeinsparfunktionen und -programme können auf der Grundlage der tatsächlichen Nutzung eines Gebäudes erarbeitet werden. Dadurch lassen sich ein unnötiger Energieverbrauch und daraus resultierende CO2-Emissionen vermeiden. Die Gebäudeautomation kann Informationen wie z. B. Energieverbrauchsdaten als Basisinformationen für Wirtschaftspläne und Kostenabrechnungen an das kaufmännische und das infrastrukturelle Gebäudemanagement übermitteln. Daten und Informationen, die von einem integrierten Gebäudemanagement für seine Aufgaben im Lebenszyklus benötigt werden, müssen dabei durch dieses zentrale Planungs-, Steuerungs- und Informationssystem erfasst und verarbeitet werden. Die Funktionen des Technischen Gebäudemanagements liefern darüber hinaus auch Informationen zur Wartung von Anlagen oder Gebäuden. Ferner können

durch kontinuierliche Messungen und eine entsprechende Aufzeichnung der Messwerte Fehlfunktionen beim Anlagenbetrieb erkannt und Tendenzen beim Energieverbrauch vorausgesagt werden. Diese unterstützenden Mess-, Korrekturund Vorbeugungsmaßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden werden als Energiemanagement bezeichnet. Die Auswirkungen von Gebäudeautomationssystemen und des Gebäudemanagements auf die Energieeffizienz des Gebäudes lassen sich nach DIN EN 15 232 entweder mithilfe eines ausführlichen Verfahrens oder auch mit einem GA-Faktor-Verfahren ermitteln (Abb. 6.1). Das einfache Verfahren ermöglicht es, auf schnelle Weise die Auswirkungen des GA-Systems und des technischen Gebäudemanagements zu bewerten, indem GA-Effizienzfaktoren angewendet werden, die auf den jährlichen Energieaufwand eines Gebäudes (Heiz-, Kühl-, Lüftungs- und Beleuchtungsanlagen) bezogen sind. Die GA-Effizienzfaktoren wurden für unterschiedliche Gebäudetypen nach DIN EN 15 217 ermittelt. Dabei wird jeder Gebäudetyp durch ein standardisiertes Nutzerprofil (Belegung und innere Wärmegewinne) charakterisiert. Die definierten GA-Effizienzklassen A, B, C, D werden durch unterschiedliche Stufen der Automationsgenauigkeit und -qualität repräsentiert. Vernachlässigt werden in diesem Fall die Auswirkungen verschiedener klimatischer Bedingungen auf die GA-Faktoren. Gebäudeautomation-Effizienzklassen Abb. 6.2 und 6.3 zeigen die Zuordnung und die Auswirkungen der einzelnen Funktionen auf die Energieeffizienz von Gebäuden. Sie sind in drei Gruppen aufgeteilt: Funktionen für die automatische Steuerung und Regelung, Funktionen für


Haus- oder Gebäudeautomationssysteme sowie Funktionen für das technische Gebäudemanagement. Die vier verschiedenen GA-Effizienzklassen (A, B, C, D) werden für Nicht-Wohngebäude und Wohngebäude wie folgt definiert: • Klasse D entspricht GA-Systemen, die nicht energieeffizient sind. Gebäude mit derartigen Systemen sind zu modernisieren. Neue Gebäude dürfen nicht mit derartigen Systemen gebaut werden. • Klasse C entspricht Standard-GASystemen. • Klasse B entspricht weiterentwickelten GA-Systemen und einigen speziellen TGM-Funktionen. • Klasse A entspricht hoch energieeffizienten GA-Systemen und TGM. Durch den Einsatz hochwertiger Gebäudeautomationsklassen, d. h. besserer bzw. genauerer Regelungsfunktionen, können für das Gesamtsystem Energieeinsparungen erzielt werden. Sie lassen sich anhand der GA-Effizienzfaktoren ermitteln. Für Nichtwohngebäude sind diese bzw. die möglichen Energieeinsparungen in Abb. 6.4 und 6.5 (S. 130) aufgelistet. Werden beispielsweise anstelle der Klasse C (Standard) GA-Systeme der Klasse A eingesetzt, lassen sich Einsparungen an thermischer Energie zwischen 14 % (Krankenhäuser) und 50 % (Hörsäle) erzielen (Abb. 6.4). Im Bereich der elektrischen Energie können Einsparungen von 4 % bis zu 14 % erreicht werden (Abb. 6.5). Funktionen, Betrieb und Instandhaltung der Gebäudeautomation Für das qualifizierte Gebäudemanagement mit der Zielsetzung einer sicheren Betriebsführung kommen voll- oder teilautomatisierte Betriebsweisen infrage. Entscheidungskriterien für die Art des Betriebs können z. B. betriebswirtschaftliche Kostengegenüberstellungen oder aber auch maximal zulässige Reaktionszeiten vom Erkennen einer Störung im Betriebsablauf bis zur Schadensbehebung sein. Softwarelösungen, die je nach Bedarf des Betreibers oder des Betriebs aus Standardmodulen zusammengestellt werden können, unterstützen den Gebäudebetrieb. Die GA-Funktionen (Eingabe- und Ausgabefunktionen, Überwachen, Steuern, Regeln, Optimieren etc.) sind in VDI 3814 Blatt 1 detailliert beschrieben. Die anlagenspezifischen Funktionen können in Automationsschemata, in Steuerungs-

Ausführliches Verfahren

GA-Faktor-Verfahren

Gebäude

Energiebedarf, auf ausführliche oder vereinfachte Weise mit der Referenz-GA berechnet

Ausführliche Berechnung der GA-Effizienz

Anlagen/Systeme

1 2

GA-Effizienzfaktor

Energieaufwand 1

Energieaufwand 1

Bezugsenergie 2

Bezugsenergie 2

Energieaufwand für Heizung, Kühlung, Lüftung, Trinkwassererwärmung oder Beleuchtung Bezugsenergie = Gesamtenergie, angegeben je Energieträger (Gas, Öl, Strom usw.)

Regelung der Lüftung und des Klimas

D

6.1

Definition der Klassen Wohngebäude Nichtwohngebäude C B A D C B A

Regelung des Luftstroms auf Raumebene 0

keine Regelung

1

manuelle Regelung

2

zeitabhängige Regelung

3

anwesenheitsabhängige Regelung

4

bedarfsabhängige Regelung

Regelung des Luftstroms auf der Ebene der Luftbehandlungsanlage 0

keine Regelung

1

zeitabhängige Ein-/Aus-Regelung

2

automatische Durchfluss- oder Druckregelung mit oder ohne Druckrückstellung

Regelung der Abtauvorgänge des Wärmeüberträgers 0

ohne Regelung der Abtauvorgänge

1

mit Regelung der Abtauvorgänge

Überheizregelung des Wärmeüberträgers 0

ohne Überheizregelung

1

mit Überheizregelung

Freie maschinelle Kühlung 0

keine Regelung

1

nächtliche Kühlung

2

freie Kühlung

3

hx-geführte Regelung1

Regelung der Vorlauftemperatur 0

keine Regelung

1

konstanter Sollwert

2

variabler Sollwert mit Anpassung in Abhängigkeit von der Außentemperatur

3

variabler Sollwert mit Anpassung in Abhängigkeit von der Last

Regelung der Luftfeuchte 0

keine Regelung

1

Begrenzung der Feuchte der Zuluft

2

Regelung der Feuchte der Zuluft

3 1

Regelung der Feuchte der Raum- oder Abluft hx = Enthalpie-Feuchte-Bezug, dabei h = Enthalpie und x = (absolute) Feuchte 6.2

6.1 Ausführliches Verfahren und GA-Faktor-Verfahren zur Berechnung der Auswirkungen von Automationssystemen auf die Energieeffizienz. Die Pfeile veranschaulichen lediglich den

Berechnungsprozess und repräsentieren nicht den Energiefluss und/oder den Massenstrom. 6.2 Funktionsliste und Zuordnung zu den Klassen der GA-Energieeffizienz nach DIN EN 15 232

129


Optimierung im Betrieb

Regelung der Beleuchtung

D

Definition der Klassen Wohngebäude Nichtwohngebäude C B A D C B A

Regelung entsprechend der Beleuchtung 0

manuell zu betätigender Ein-/Aus-Schalter

1

manuell zu betätigender Ein-/Aus-Schalter + zusätzliches automatisches Ausschaltsignal

2

automatische Feststellung automatisches Einschalten/Dimmen

3

automatische Feststellung automatisches Einschalten /Ausschalten

4

automatische Feststellung manuelles Einschalten/Dimmen

5

automatische Feststellung, manuelles Einschalten/automatisches Ausschalten

Regelung des Tageslichteinfalls 0

manuell

1

automatisch

Regelung des Sonnenschutzes 0

manueller Betrieb

1

motorbetrieben mit manueller Regelung

2

motorbetrieben mit automatischer Regelung

3

kombinierte Regelung der Beleuchtung/der Blender/der HLK-Anlagen

Hausautomationssystem/Gebäudeautomationssystem 0

keine Hausautomation/keine Gebäudeautomation

1

zentrale Anpassung des Haus- und Gebäudeautomationssystems an die Bedürfnisse der Nutzer: z. B. Zeitplan, Sollwerte ...

2

zentrale Optimierung des Haus- und Gebäudeautomationssystems: z. B. Abstimmen der Regeleinrichtungen, Sollwerte ...

Technisches Haus- und Gebäudemanagement Feststellen von Fehlern der haus-/gebäudetechnischen Anlagen und Unterstützung der Diagnose dieser Fehler 0

nein

1

ja

Angabe von Informationen zum Energieverbrauch, zu den Innenraumbedingungen und zu Möglichkeiten der Verbesserung 0

nein

1

ja 6.3

Nichtwohngebäude-Typen D nicht energieeffizient

GA-Effizienzfaktoren thermisch C B A Standard erhöhte Energie- hohe Energie(Bezug) effizienz effizienz

Büros

1,51

1,00

0,80

0,70

Hörsäle

1,24

1,00

0,75

0,51

Bildungseinrichtungen

1,20

1,00

0,88

0,80

Krankenhäuser

1,31

1,00

0,91

0,86

Hotels

1,31

1,00

0,85

0,68

Restaurants

1,23

1,00

0,77

0,68

Gebäude für Groß- und Einzelhandel

1,56

weitere Typen (Sporteinrichtungen, Lager, Industrieeinrichtungen usw.) 1

1,00

0,73

0,6

1

1,00

Diese Werte hängen stark vom Heizwärme-/Kühlbedarf für die Lüftung ab 6.4

Nichtwohngebäude-Typen D nicht energieeffizient

GA-Effizienzfaktoren elektrisch C B A Standard erhöhte Energie- hohe Energie(Bezug) effizienz effizienz

Büros

1,10

1,00

0,93

Hörsäle

1,06

1,00

0,94

0,89

Bildungseinrichtungen

1,07

1,00

0,93

0,86

Krankenhäuser

1,05

1,00

0,98

0,96

Hotels

1,07

1,00

0,95

0,90

Restaurants

1,04

1,00

0,96

0,92

Gebäude für Groß- und Einzelhandel

1,08

1,00

0,95

0,91

weitere Typen (Sporteinrichtungen, Lager, Industrieeinrichtungen usw.)

0,87

Der Begriff »Betreiben« umfasst alle Leistungen, die zur und während der Nutzung erforderlich sind. Sie werden grundsätzlich in einem Betreiberkonzept beschrieben, das Anforderungen an übergeordnete Werkzeuge wie CAFM (ComputerAided Facility Management)-Systeme festlegt. Die sich hieraus ergebende Definitionen von Projektzielen mit ihren Schnittstellen gilt es praktisch in der Ausführung umzusetzen.

6.3 Funktionsliste und Zuordnung zu den Klassen der GA-Energieeffizienz nach DIN EN 15 232 6.4 GA-/TGM-Effizienzfaktoren – thermisch (Nicht-Wohngebäude) nach DIN EN 15 232 6.5 GA-/TGM-Effizienzfaktoren – elektrisch (Nicht-Wohngebäude) nach DIN EN 15 232

1,00 6.5

130

ablaufdiagrammen und der GA-Funktionsliste dokumentiert werden, vorzugsweise in Form einer Kalkulationstabelle für die weitere Datenverarbeitung. Darüber hinausgehende Funktionen des Technischen Gebäudemanagements werden durch die GA unterstützt bzw. bereitgestellt. Je nach Grad der Automation sind der störungsfreie Betrieb, die Funktionalität und die Verfügbarkeit der GA Voraussetzung für die sichere und wirtschaftliche Funktion der gebäudetechnischen Anlagen. Alle Komponenten können durch Alterung, Verschleiß und Beschädigungen in ihrer Funktion beeinträchtigt werden. Daher müssen die Komponenten, Baugruppen und Systeme instand gehalten werden. Für die Kostenoptimierung eines Gebäudemanagements sind folgende Kriterien maßgeblich: • klare Leistungsabgrenzung zwischen Errichtungs- und Betriebsphase durch eindeutige Definition und Zuordnung der Leistungen und Schnittstellen • explizite Ausschreibung und Beauftragung der Inbetriebnahme-, Abnahmeund Dokumentationsleistungen als eigenständige Leistungspositionen oder -einheiten • umfängliche und mängelfreie Ab- und Übernahme der Anlagen nach Komponenten, Systemen, Errichtungsqualität und Funktionen nach Errichtung und Inbetriebnahme • Die erforderlichen Wartungs- und Inspektionsleistungen sind unter Berücksichtigung der Qualitäts- und Verfügbarkeitsansprüche von Eigentümer, Nutzer und Betreiber festzulegen. • Umfang und Intervalle der Wartung sollen individuell nach VDMA 24 186 geplant werden.


Energetische Einsparpotenziale im Betrieb

Das Betreiben von gebäudetechnischen Anlagen benötigt eingewiesenes, geschultes und fachlich qualifiziertes Personal. Dabei ist für die Betreiberorganisation zu unterscheiden zwischen: • Betreiben mit eigenem Personal (Eigenbetreiben) • Betreiben mit fremdem Personal (Fremdbetreiben) • Kombinationen von Eigenbetreiben und Fremdbetreiben Schnittstellenkonzepte, Dokumentation Die Schnittstelle zwischen der installierten Technik, der Gebäudestruktur und den organisatorischen Abläufen ist zum Wohlbefinden der Nutzer und unter wirtschaftlichen Aspekten maßgeblich für den Betrieb der technischen Anlagen. Schnittstellenkonzepte müssen gleichermaßen bauliche Strukturen und technische Systeme berücksichtigen. Die baulichen Schnittstellen haben beispielsweise Auswirkungen auf Leistungsgrenzen in den Ausschreibungen. Je komplexer die Zusammenhänge dieser Schnittstellen (auch bezogen auf Lieferund Leistungsgrenzen) sind, umso wichtiger ist es, einen Verantwortlichen unter den Projektbeteiligten für diese Aufgabe zu definieren. Im Interesse einer geordneten und wirtschaftlichen Betriebsabwicklung müssen ständig aktualisierte Dokumentationen über die gesamte Gebäudetechnik vorliegen. Diese Dokumentation ist zur technischen Nutzung erforderlich und muss dem technischen Instandhaltungsdienst jederzeit zur Verfügung stehen. Von großer Wichtigkeit ist dabei, dass die Datenpunktadressierung (siehe VDI 3814 Blatt 1) einheitlich vorgenommen wird, um eine Integration der Automationsstationen in die übergeordnete Leitebene sicherzustellen. Die Durchführung von Wartungsund Serviceleistungen ist grundsätzlich nachzuweisen und dementsprechend zu dokumentieren.

werden die Informationen unter den Systemen ausgetauscht. Vor der Einführung eines CAFM-Systems muss sich der Planer mit dem Nutzer über die gewünschten bzw. geforderten Funktionalitäten und Arbeitsabläufe abstimmen. Die Entwicklung dieser Zielvorstellungen muss im Einvernehmen mit vorhandenen Organisationseinheiten des Unternehmens (EDV, Bau, Technik, Controlling etc.) koordiniert sein. Hierbei ist darauf zu achten, dass die CAFM-Prozesse bzw. -Module klar beschrieben werden. Nachfolgende, beispielhafte Module haben eine wichtige Verbindung zur Gebäudeautomation: Instandhaltungsmanagement Das Modul Instandhaltungsmanagement wird im Wesentlichen zur Erstellung und Verwaltung von Arbeitsaufträgen sowie zur Planung, Steuerung und Überwachung von Instandhaltungsleistungen verwendet. Statische oder dynamische Intervalle für diese Inspektions-, Wartungs- und Instandsetzungsleistungen werden über die GA generiert. Die Verwaltung des Ersatzteilbestands und die Materialabrufaufträge können ebenfalls Bestandteil dieses Moduls sein.

Computer-Aided Facility Management (CAFM)

Energiemanagement Das Modul Energiemanagement unterstützt den Betreiber bei der Kontrolle und Steuerung unternehmensweiter Energieverbräuche und -kosten. Hierbei werden sämtliche Medienverbräuche betrachtet, sofern in der Planungsphase ein entsprechendes Zählerkonzept entwickelt und umgesetzt wurde. Das Energiemanagementsystem ist ein andauernder Kreislauf, der aus Messung und Analyse des IstZustandes, Maßnahmenvorschlägen, Umsetzung und Erfolgskontrolle besteht. Das Ziel ist, eine dauerhafte Effizienzverbesserung des Energieeinsatzes herbeizuführen und damit Energie einzusparen sowie durch Verhandlung mit den Energielieferanten Energiebezugskosten zu senken.

Im Mittelpunkt des Facility Management steht u.a. die ganzheitliche Betrachtung von Gebäuden über den gesamten Lebenszyklus. Ab der Nutzungsphase eines Gebäudes übernimmt das CAFM zentrale Funktionen, die in modular aufgebauten Applikationen abgebildet werden. Ziel muss es sein, die Informationen verschiedenster Systeme der TGA (Raumlufttechnik, Gebäudeautomation, Fördertechnik, Sicherheitstechnik usw.) in einem Managementsystem zusammenzuführen. Über Schnittstellen oder Integrationen

Störungsmanagement Das Modul Störungsmanagement beinhaltet die zentrale Verwaltung von Störungen, Warnungen und Alarmmeldungen. Es lassen sich Eskalationsstufen bei der Störungsbeseitigung einführen. Über das Erzeugen von Arbeitsaufträgen mit entsprechenden Rückmeldungen kann der Bearbeitungsstand zu jeder Zeit verfolgt und nachvollzogen werden. Zudem erfolgt eine Zuordnung der Kostenstellen.

Energetische Einsparpotenziale im Betrieb Die Ab- und Übernahme der technischen Gewerke durch den Auftraggeber oder Betreiber sind wichtige Phasen in einem Bauprojekt, die bereits in der Planung und Vergabe besonders berücksichtigt werden müssen. Inbetriebnahme, Abnahme

Die VOB Teil C (DIN 18 386-3) bildet in der Regel die Basis für die Leistungen der ausführenden Betriebe in den verschiedenen Gewerken. Durch die Abnahme ändert sich rechtlich die Beweislast zulasten des Betreibers. Jedes Gewerk erstellt für sich die Revisionsund Bestandsunterlagen und muss dabei die geforderten Funktionen nachweisen. Diese werden jedoch meist nur isoliert für ein einzelnes Gewerk betrachtet. Eine gesamtheitliche Prüfung bzw. Abnahme nach dem Verständnis der Planer und Errichter findet in der Regel nicht statt. So betrachtet z. B. das Unternehmen, das die Kühldecke mit der entsprechenden Hydraulik und den Regelventilen installiert, eine Leistung als abgeschlossen, wenn es die Installation beendet hat und Spülprotokolle und eine hydraulische Berechnung vorlegt. Das Bindeglied zwischen den Gewerken – die GA mit Einzelraumregelung – wird im Bauablauf als Letztes installiert. Nur ein gewerkeübergreifender Funktionsnachweis unter Berücksichtigung des jeweiligen Zusammenwirkens von Elektrotechnik, RLT- und Kälteanlagen, Kühldecke, Sonnenschutz, Beleuchtung und Raumautomation zeigt jedoch, ob alle Schnittstellen der Gewerke ordnungsgemäß ausgeführt wurden. Diese gewerkeübergreifenden Abnahmeprüfungen sind in der VOB nicht explizit aufgeführt. Um Streitigkeiten zu vermeiden, sollten sie daher bereits in der Ausschreibung berücksichtigt werden. Da gewerkeübergreifende Abnahmeprüfungen erst nach endgültiger Fertigstellung der Gebäudeautomation möglich sind, sollten Abnahmeprüfungen der anderen Gewerke nur als Teilabnahmen durchgeführt werden. Es ist zu beachten, dass bedingt z. B. durch das Außenklima nicht alle Bedingungen eines Jahresverlaufs dargestellt werden können. Daher sind Regelungen über längere Abnahmeprüfungen (z. B. über ein Betriebsjahr der Anlage) zu empfehlen. Neben den Einzelnachweisen (z. B. hydraulischer Abgleich, Messprotokolle etc.) sollten übergreifende Funktionsabnahmen erfolgen, die die Prüfung 131


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