Atlas Kunststoffe + Membranen
Edition ∂
WERKSTOFFE UND HALBZEUGE FORMFINDUNG UND KONSTRUKTION
KNIPPERS CREMERS GABLER LIENHARD
Autoren Jan Knippers, Prof. Dr.-Ing. Institut für Tragkonstruktionen und Konstruktives Entwerfen (itke), Fakultät für Architektur und Stadtplanung, Universität Stuttgart Jan Cremers, Prof. Dr.-Ing. Architekt Fakultät Architektur und Gestaltung Hochschule für Technik Stuttgart Markus Gabler, Dipl.-Ing. Institut für Tragkonstruktionen und Konstruktives Entwerfen (itke), Fakultät für Architektur und Stadtplanung, Universität Stuttgart Julian Lienhard, Dipl.-Ing. Institut für Tragkonstruktionen und Konstruktives Entwerfen (itke), Fakultät für Architektur und Stadtplanung, Universität Stuttgart Mitarbeiter: Sabrina Brenner, Cristiana Cerqueira, Charlotte Eller, Manfred Hammer, Dipl.-Ing.; Petra Heim, Dipl.-Ing.; Carina Kleinecke, Peter Meschendörfer, Elena Vlasceanu
Fachbeiträge: Joost Hartwig, Dipl.-Ing., Martin Zeumer, Dipl.-Ing. (Umweltwirkungen von Kunststoffen) Fachgebiet Entwerfen und Energieeffizientes Bauen, Fachbereich Architektur, Technische Universität Darmstadt Carmen Köhler, Dipl.-Ing. (Naturfaserverstärkte Kunststoffe und Biokunststoffe) Institut für Tragkonstruktionen und Konstruktives Entwerfen (itke), Fakultät für Architektur und Stadtplanung, Universität Stuttgart Fachberatung: Christina Härter, Dipl.-Ing. (Kunststoffe) Institut für Kunststofftechnik, Universität Stuttgart Andreas Kaufmann, M. Eng. (Komplexe Gebäudehüllen), Philip Leistner, Dr.-Ing. (Erweiterte bauphysikalische und energetische Aspekte) Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP, Stuttgart /Holzkirchen Alexander Michalski, Dr.-Ing. (Tragwerk und Form) Lehrstuhl für Statik, Technische Universität München Mauricio Soto, MA. Arch. (Konstruieren mit textilen Membranen) studio LD Jürgen Troitzsch, Dr. rer. nat. (Erweiterte bauphysikalische und energetische Aspekte) Fire and Environment Protection Service, Wiesbaden
Redaktion Redaktion und Lektorat: Judith Faltermeier, Dipl.-Ing. Architektin; Cornelia Hellstern, Dipl.-Ing.; Jana Rackwitz, Dipl.-Ing., Eva Schönbrunner, Dipl.-Ing. Redaktionelle Mitarbeit: Carola Jacob-Ritz, M. A.; Cosima Strobl, Dipl.-Ing. Architektin Zeichnungen: Dejanira Ornella Bitterer, Dipl.-Ing.; Ralph Donhauser, Dipl.-Ing.; Michael Folkmer, Dipl.-Ing.; Marion Griese, Dipl.-Ing.; Daniel Hadjuk, Dipl.-Ing.; Martin Hämmel, Dipl.-Ing.; Emese Köszegi, Dipl.-Ing.; Nicola Kollmann, Dipl.-Ing. Architektin; Simon Kramer, Dipl.-Ing.; Elisabeth Krammer, Dipl.-Ing. Herstellung /DTP: Simone Soesters Repro: Martin Härtl OHG, Martinsried Druck und Bindung: Aumüller Druck, Regensburg
Herausgeber: Institut für internationale Architektur-Dokumentation GmbH & Co. KG Postfach 201054 80010 München www.detail.de Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar. © 2010, erste Auflage Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. ISBN: 978-3-920034-41-6 (Hardcover)
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Inhalt
Impressum Vorwort
4 6
Teil E
1 Teil A Kunststoffe und Membranen in der Architektur Die Entdeckung und Entwicklung von Kunststoffen Der Traum vom Kunststoffhaus Entwicklung des Membranbaus Bauten mit transparenten und transluzenten Hüllen Potenziale, Tendenzen und Herausforderungen
Teil B 1 2 3 4
Vorprodukte Faserverstärkte Kunststoffe Kunststoffhalbzeuge Folien Textile Membranen Erweiterte bauphysikalische und energetische Aspekte 7 Umweltwirkungen von Kunststoffen
1 2
21 24
3 4 5
Konstruieren mit Kunststoffhalbzeugen Konstruieren mit frei geformten Kunststoffen Konstruieren mit Folien Konstruieren mit textilen Membranen Komplexe Gebäudehüllen
Teil F
30 48 54 60
174 188 196 212
Gebaute Beispiele im Detail
Projektbeispiele 1 bis 23
Teil G
160
225
Anhang
Verordnungen, Richtlinien, Normen Literatur Autoren Abbildungsnachweis Abkürzungen Kunststoffe Sachregister Personenregister
286 287 289 290 292 292 295
Halbzeuge
1 2 3 4 5 6
Teil D
10 12 16
Werkstoffe
Kunststoffe Fasern Klebstoffe und Beschichtungen Naturfaserverstärkte Kunststoffe und Biokunststoffe
Teil C
2
Konstruieren mit Kunststoffen und Membranen
68 76 82 94 100 108 124
Planung und Formfindung
Tragwerk und Form Dimensionierung und Ausführung
134 150
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Vorwort
6
Während das Bauen mit Textilien auf einer jahrtausendalten Tradition beruht, bilden die Kunststoffe eine vergleichsweise neue Materialklasse. Insofern ist es auf den ersten Blick überraschend, beide Themen in einem Buch vereint zu finden. Verständlich wird der Ansatz, wenn man bedenkt, dass Membranen ihren Weg in die Architektur erst fanden, als ab der Mitte des 20. Jahrhunderts synthetische Fasern und polymere Beschichtungen zur Herstellung dauerhafter und tragfähiger Textilien führten, die das bis dahin für Zelte verwendete Baumwollgewebe ersetzten. Die Entwicklung der modernen Kunststoffe ermöglichte die bahnbrechenden Membranbauten Frei Ottos, Walter Birds und anderer, die rasch auf ein großes Interesse stießen und im Folgenden eine weite Verbreitung fanden.
Ganz in der Tradition der Reihe der Konstruktionsatlanten widmet sich auch dieser Band den die Architektur prägenden Anwendungen von Kunststoffen. Hierzu zählt das Tragwerk ebenso wie die Gebäudehülle und der Innenausbau. Dabei durchzieht die Erläuterung der gemeinsamen Werkstoffgrundlagen – von der Doppelstegplatte bis zur beschichteten Glasfasermembran – dieses Buch wie ein roter Faden. In jedem Kapitel werden die Parallelen innerhalb der Gruppe der synthetischen Werkstoffe aufgezeigt und unabhängig von den Unterschiede in der konstruktiven Umsetzung und architektonischen Anwendung herausgestellt. Diese Betrachtungsweise zeichnet die Publikation aus, denn üblich ist es, das Bauen mit Textilien und das Bauen mit Kunststoffen getrennt zu thematisieren.
Kunststoffe wurden zunächst als Ersatz für wertvolle und knappe natürliche Stoffe wie Elfenbein, Schellack oder Horn entwickelt oder sollten an die Stelle wenig dauerhafter Materialien wie Baumwolle treten. Seit Beginn der 1950er-Jahre hielten sie Einzug in den Alltag und standen für den Traum von einer glücklichen Zukunft durch technologischen Fortschritt. Gegen Ende des letzten Jahrhunderts wandelte sich der Ruf der Kunststoffe in der öffentlichen Meinung allerdings deutlich. Gründe hierfür waren häufig auftretende Mängel bei ihrer Verwendung für Gebäude sowie steigende Kosten, aber mehr noch ein wachsendes ökologisches Bewusstsein, zu dem Kunststoffe nicht mehr zu passen schienen. Wie die historische Betrachtung in Teil A »Kunststoffe und Membranen in der Architektur« zeigt, war dementsprechend auch das tatsächliche Kunststoffhaus bisher kein Erfolg. Die Werkstoffe selbst haben sich dagegen fast unbemerkt nicht nur in der Welt der Gebrauchsgegenstände ausgebreitet, sondern auch im Baubereich, weshalb Kunststoffe heutzutage überall in einem Gebäude zu finden sind. Dies betrifft allerdings weniger den sichtbaren Bereich als vielmehr den bautechnisch-konstruktiven: Dichtungen, Dämmungen, Rohre, Kabel, Farben, Klebstoffe, Beschichtungen und Bodenbeläge wären heute ohne Kunststoffe undenkbar.
Gemeinsam ist allen synthetischen Werkstoffen, dass sie über eine außergewöhnlich hohe Bandbreite hinsichtlich ihrer Eigenschaften verfügen. Durch die Wahl geeigneter Ausgangsstoffe, deren Modifikation in der Herstellung und die anschließenden Fertigungsschritte lassen sie sich sehr präzise an die jeweiligen Anforderungen anpassen. Diese Optionen stehen nicht immer, aber doch in vielen Fällen auch den Planern offen. Daher werden in Teil B »Werkstoffe« zunächst die Basiswerkstoffe, d. h. vor allem Kunststoffe und Fasern, sowie deren Herstellungs- und Verarbeitungstechnologien detailliert dargestellt. Dabei wird die Brücke zwischen den aus dem Alltag vertrauten und den leistungsfähigen, im Bauwesen verwendeten Kunststoffen geschlagen. Diese Prozesse bilden eine wesentliche Grundlage für das Verständnis von Halbzeugen und Konstruktionen aus Kunststoff. Um der dynamischen Entwicklung Rechnung zu tragen, weist die Darstellung deutlich über den aktuellen Stand der Bautechnik hinaus. Beispielsweise beschäftigt sich die Materialforschung derzeit intensiv mit der Suche nach einem Ersatz für erdölbasierte Kunststoffe, um den Verbrauch endlicher Ressourcen zu reduzieren und eine bessere Verwertung am Ende der Lebensdauer zu ermöglichen. Es wird daher ausführlich auf naturfaserverstärkte Kunststoffe und Biokunststoffe eingegangen, auch wenn diese derzeit
noch von geringerer Bedeutung für die Baupraxis sind und mehr im Automobilbau und in der Verpackungsindustrie eine Rolle spielen. Für den Schritt vom Vorprodukt zum Halbzeug greift die Kunststoff- und Textilindustrie auf spezifische Technologien zurück, die im Bauwesen sonst unbekannt sind. Das beinhaltet sehr verschiedene Aspekte wie das Verarbeiten von Fasern zu Textilien, das Schäumen von Kunststoffen, aber auch Verarbeitungstechnologien wie Extrudieren oder Spritzgießen. Nach einem allgemeinen Überblick über Vorprodukte folgen in Teil C »Halbzeuge« die einzelnen Abschnitte zu verstärkten und unverstärkten Kunststoffen, Folien sowie beschichteten und unbeschichteten Textilien. Eine besondere Eigenschaft der Kunststoffe besteht darin, dass sich nicht nur ihre mechanischen, sondern auch ihre bauphysikalischen Eigenschaften, z. B. hinsichtlich Licht- und Wärmedurchgang, sehr genau einstellen lassen. Die sich daraus ergebenden Möglichkeiten werden ausführlich behandelt. Ein Kapitel zu den Umwelteinwirkungen geht auf die in mancher Hinsicht sehr emotional geführte Debatte über die ökologischen Eigenschaften der Kunststoffe ein. Als Dämm- und Dichtstoffe leisten Kunststoffe vielfach einen unverzichtbaren Beitrag zu einer ökologisch effizienten Gebäudeplanung, ihr Leichtbaupotenzial ermöglicht materialeffiziente Strukturen. Nachteilig sind allerdings der hohe Energieeinsatz bei der Produktion, der bisher umfangreiche Einsatz von fossilen Rohstoffen sowie die vielfach unbefriedigende Verwertung am Ende der Lebensdauer. Der Beitrag macht deutlich, dass eine ökologische Bewertung von Kunststoffkonstruktionen je nach Ausgangsmaterial, konstruktiver Umsetzung und architektonischer Anwendung sehr unterschiedlich ausfallen kann und pauschale Aussagen hierzu nicht möglich sind. Teil D »Tragwerk und Formfindung« verdeutlicht die Parallelen, aber auch die Unterschiede bei den verschiedenen Anwendungen von polymeren Werkstoffen. Der statische Nachweis von Membranbauten und biegesteifen Kunststoffkonstruktionen ist üblicherweise in
völlig getrennten Vorschriften und Empfehlungen geregelt. Die vergleichenden Darstellung zeigt jedoch, dass die gemeinsamen Werkstoffgrundlagen und das sich daraus ergebende ähnliche Kriech- und Dauerstandsverhalten zu gleichartigen Nachweiskonzepten führen, auch wenn die konstruktive Umsetzung ganz unterschiedlich ist. Die Formfindung von Membrankonstruktionen erfordert allerdings ein ganz anderes Vorgehen, als wir dies von allen anderen Baustoffen gewohnt sind. Hier ist ein vertieftes Verständnis des Zusammenhangs zwischen Kraft und Form erforderlich, das in dem entsprechenden Kapitel anschaulich erläutert wird. Der praxisnahen und anschaulichen Darstellung des Bauens mit Kunststoffhalbzeugen, frei geformten Bauteilen bis hin zu Folien und textile Membranen widmet sich Teil E »Konstruieren mit Kunststoffen und Membranen«, der erstmals in übersichtlicher Weise konstruktive Lösungen im Detail aufzeigt. Hierbei geht es nicht allein um die bautechnische Ausführung, sondern auch um die bauphysikalische Bedeutung des Materials in der Gebäudehülle, weswegen auf die besonderen Möglichkeiten in mehrschichtigen und mehrschaligen Konstruktionen eingegangen wird. Die Auswahl der »Gebaute[n] Beispiele im Detail« in Teil F erfolgte vor allem nach dem Kriterium einer vorbildlichen gestaltprägenden architektonischen Integration von Kunststoffen bzw. Membranen. Ziel war es, eine möglichst große Bandbreite an Gebäudenutzungen und Einsatzorten vorzustellen. Die Projektbeispiele zeigen, dass viele Möglichkeiten – die Integration von Funktionen zur Lichtleitung, Energieerzeugung oder Wärmespeicherung, um nur einige zu nennen – derzeit bei Gebäuden noch gar nicht oder nur in Ansätzen genutzt werden. Aus dem Fahrzeugoder Flugzeugbau bereits bekannte Technologien wie adaptive Strukturen aus Faserverbundwerkstoffen mit integrierten Sensoren und Aktoren haben ihren Weg ins Bauwesen noch nicht gefunden. Hier liegt ein großes Potenzial, das der Architektur viele Möglichkeiten eröffnet. Die Entwicklung synthetischer Werkstoffe
schreitet daher schnell voran. Um dem Rechnung zu tragen, sind in das Buch aktuelle und zum Teil bisher noch unveröffentlichte Forschungsergebnisse eingeflossen. Bisher beschränkt sich die verfügbare Literatur zu Kunststoffen auf sehr spezifische Fachbücher, z. B. für den Flugzeug- oder Maschinenbau. Eine Zusammenstellung der Werkstoffgrundlagen lag im Hinblick auf ihre Anwendungen in der Architektur bisher nicht vor, weshalb die Arbeit an diesem Buch recht aufwendig war. Wir danken daher allen, die uns dabei unterstützt haben: den Fachberatern aus den unterschiedlichsten Bereichen, den Studierenden, die uns beim Zeichnen zur Verfügung standen, sowie den Fotografen der Fakultätswerkstatt der Universität Stuttgart. Die Idee, Kunststoffe und Membranen in einem Buch zusammenzuführen, spiegelte sich nicht nur in der Konzeption des Titels wieder. Auch die gemeinsame Bearbeitung der Kapitel durch alle Autoren führte zu einer dichten Verknüpfung der unterschiedlichen Wissensgebiete. Dieses Buch schließt eine Lücke in der Fachliteratur. Wir hoffen, dass es zu einer verstärkten Beschäftigung mit diesen Werkstoffen und damit vor allem zu neuen Anwendungen in der Architektur beiträgt. Autoren und Verlag im August 2010
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Teil A
Kunststoffe und
Membranen in der Architektur
Die Entdeckung und Entwicklung von Kunststoffen Von der Alchemie zur Chemie Polymerchemie und industrielle Produktion Kunststoffe im Möbelbau und Industriedesign Verbreitung von Kunststoffen
Abb. A
10 10 11 11 12
Der Traum vom Kunststoffhaus Erste Baukonstruktionen aus glasfaserverstärktem Kunststoff Die Kunststoffzelle für das Wohnen von Morgen Kunststoffhäuser als Ausdruck visionärer Vorstellungen Das Bauen mit Kunststoffen und die erste Ölkrise Raumelemente aus Kunststoff – industrielle Vorfertigung und Serienproduktion Kunststoffe heute
12
Entwicklung des Membranbaus Die leichten Flächentragwerke Frei Ottos Pneumatische Strukturen Seilnetze und Membrandächer für Sportstadien Membranbau in der zeitgenössischen Architektur Materialien in der textilen Architektur – vom Natur- zum Kunstfasergewebe und zur Kunststofffolie
16 16 17
13 13 14 14 14 15
19 20
20
Bauten mit transparenten und transluzenten Hüllen
21
Potenziale, Tendenzen und Herausforderungen Anwendungen und Potenziale Tendenzen und Entwicklungen Herausforderungen
24 24 25 27
mobiler Membranpavillon, Stuttgart (D) 2006, Julian Lienhard
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Kunststoffe und Membranen in der Architektur
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spreizten Druck- und einem inneren Zugring angewendet. Zwischen dem inneren Zugring, bestehend aus acht parallelen Seilen mit jeweils 79 mm Durchmesser, und den Druckringen spannen insgesamt 40 radiale Seilbinder in einem Abstand von rund 20 m. Mit ihren Spannweiten von bis zu 58 m unterteilen sie die 34 000 m2 große Dachhaut in 40 Segmente. Die einzelnen Membransegmente selbst werden von je sieben Druckbögen gestützt, die auf den unteren Radialseilen aufliegen. Die Bögen verleihen der Membran ausreichend Krümmung und reduzieren die freien Spannweiten. Dadurch kann ein leichtes und lichtdurchlässiges PVCbeschichtetes Polyestergewebe verwendet werden. Diese Konstruktion hat sich als außerordentlich effizient erwiesen und wird so zu einem Prototyp, der von Schlaich, Bergermann und ihrem Partner Knut Göppert für zahlreiche Stadien weltweit variiert und weiterentwickelt wurde. Membranbau in der zeitgenössischen Architektur
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Das Stuttgarter Dach steht auch exemplarisch für einen Wechsel der Formvorstellungen. Die zusammenhängende, große und sanft geschwungene Fläche des Münchner Dachs wird in Stuttgart in kleine Segmente zerlegt. Dieser Übergang von der in die Umgebung eingebetteten freien Dachlandschaft hin zu einer autarken, ingenieurmäßig optimierten und modularen Struktur ist typisch für die architektonische Ausformulierung von Membranbauten gegen Ende des 20. Jahrhunderts. Die Abhängigkeit der Form von mechanischen Prinzipien und das darin liegende Potenzial zu hocheffizienten Strukturen hat bis zum Ende des 20. Jahrhunderts eine große Faszination auf Architekten und Ingenieure ausgeübt. Teilweise wird die Logik der Form und Konstruktion durch die architektonische Umsetzung noch überhöht, was sich auch in einer expressiven Zurschaustellung der Konstruktion und ihrer Details zeigt. Beispielhaft für diese Strömung der sogenannten Hightech-Architektur des ausgehenden 20. Jahrhunderts ist das Inland Revenue Centre in Nottingham von Michael Hopkins von 1994 (Abb. A 28). Heute suchen Architekten dagegen meist nach Formen, die nicht durch die Technik und Gesetzmäßigkeiten des Membranbaus bestimmt werden. Das Bauen mit Textilien und Folien soll sich dagegen eher einer übergeordenten Gestaltidee unterordnen. Im Idealfall gelingt es,dabei zu neuartigen Formen zu gelangen und dennoch der Logik von Konstruktion und Werkstoff gerecht zu werden. Als Beispiel hierfür können die Münchner Allianz Arena der Schweizer Architekten Herzog & de Meuron (Abb. D 1.18, S. 142) oder das National Aquatics Center (»Watercube«) der australischen Architekten PTW in Peking genannt werden. Auch Thomas Herzog beschreitet mit seinem Projekt für die Bergwacht in Bad Tölz 2008 einen neuen Weg (siehe Trainingshalle der Bergwacht, S. 260f.).
Materialien in der textilen Architektur – vom Naturzum Kunstfasergewebe und zur Kunststofffolie
Die Entwicklung des textilen Bauens wird nicht nur vom kulturellen Umfeld und den Fortschritten bei Konstruktion und Berechnung zugbeanspruchter Konstruktionen bestimmt. Auch Innovationen bei den Werkstoffen – und dabei vor allem der Übergang von der Natur- zur Kunstfaser – spielen eine entscheidende Rolle. Besonders deutlich wird dies an der Entwicklung pneumatischer Konstruktionen. Als Ideengeber und konstruktiver Vorläufer für pneumatische Konstruktionen werden meist der erste Heißluftballon der Brüder Montgolfier von 1783 und der nur kurze Zeit später aufgestiegene Wasserstoffballon von Jaques Charles genannt. Der Forscher und Ingenieur Frederick William Lanchester ist wohl einer der Ersten, der die Idee der Pneumatik auf Gebäude überträgt. 1917 lässt er sich den Entwurf für ein Feldlazarett patentieren, das nur von einem geringen Überdruck ohne Masten oder Hängeseil getragen wird. Allerdings bleibt diese Idee Utopie, da ihm noch keine luftdichten Textilien zur Verfügung stehen, die einen wirtschaftlich vertretbaren Bau des Lazaretts ermöglichen. Erst durch die Einführung der kunststoffbeschichteten Membranen in der Mitte des 20. Jahrhunderts kann Walter Bird dann an die Vorschläge Lanchesters anknüpfen und zahlreiche pneumatische Konstruktionen realisieren. In den 1950er- und 1960er-Jahren wird überall mit den verschiedenen synthetischen Geweben aus Polyamidfasern (Nylon, Perlon) aus Polyester (Trevira, Dacron) oder Polyacryl (Dralon) mit Beschichtungen aus synthetischem Kautschuk (Hypalon, Neopren), PVC oder Polyurethan experimentiert. Frei Otto verwendet für seine ersten Zeltdächer noch Textilien aus Naturfasern. So besteht die Membran des Musikpavillons auf der Bundesgartenschau 1955 in Kassel aus ca. 1 mm dickem Baumwollschwergebe und ist mit 18 m wesentlich weiter gespannt, als es bis dahin im Zeltbau üblich war (Abb. A 15 a, S. 16). Die Nachteile der Naturfasern wurden allerdings bei Bewitterung und hoher statischer Beanspruchung offensichtlich. Auch Frei Otto beginnt daher schon bald mit Kunstfasern zu experimentieren. Bereits für den Eingangsbogen der Bundesgartenschau 1957 in Köln verwendet er eine PURbeschichtete Glasfasermembran (Abb. A 17 a, S. 17). Das neue Material hält allerdings nicht lange: Die Glasfaser ist zwar unempfindlich gegenüber UV-Strahlung, wird aber von der Feuchtigkeit angegriffen, die durch die Beschichtung diffundiert. Der Bogen erhält daher schon nach einer Saison eine Haut aus bewährtem Baumwollgewebe. Auch ein Polyamidgewebe, das er für ein Zelt auf der Interbau 1957 in Berlin verwendet, hält nicht lange. Bereits nach sechs Wochen hat die Membran einen Riss, dessen Ursache – wie sich später zeigt – im Färben mit Titanoxid liegt. Auch diese Kunstfasermembran muss
Kunststoffe und Membranen in der Architektur
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Fuller entsteigt einem Necklace-Dome, Black Mountain College, Asheville (USA) 1949, Richard Buckminster Fuller Union Tank Car Company, Kuppel mit 130 m Spannweite, Baton Rouge (USA) 1958, Richard Buckminster Fuller Brass Rail Restaurants auf der Weltausstellung in New York (USA) 1964 a Außenansicht b Innenansicht Dach Inland Revenue Centre, Nottingham (GB) 1994, Michael Hopkins Einfamilienhaus, Tokio (J) 1996, FOBA
gegen ein bewährtes Baumwolltuch ausgetauscht werden. Für die Überdachung des Freilichttheaters in Wunsiedel (1963), ein wandelbares Dach in Cannes (1965) sowie für den Deutschen Pavillon in Montreal (1967) setzt Frei Otto erstmals PVC-beschichtete Polyestergewebe ein. Um 1970 kann sich dieses Gewebe dann als dauerhaftes, flexibles und kostengünstiges Standardmaterial im Membranbau durchsetzen (siehe PVC-beschichtete Polyestergewebe, S. 104). Glasfasergewebe Auch Glasfasergewebe werden schon früh als Alternative zu den UV-empfindlichen synthetischen Fasern eingesetzt. Dabei wird mit verschiedenen Beschichtungen experimentiert. Neben der bereits beschriebenen PUR-Beschichtung für die Membran des Eingangsbogens der Bundesgartenschau in Köln wird z. B. für den amerikanischen Pavillon auf der EXPO 1970 in Osaka eine PVC-Beschichtung verwendet (Abb. A 21, S. 18). Dieser wegweisende Bau regt zu einer Reihe ähnlicher Hallenkonstruktionen an, wie dem 1975 in der Nähe von Detroit errichteten Pontiac Silverdome vom Architekten Don Davidson und dem Ingenieur David H. Geiger. Hierbei wird erstmals ein PTFE-beschichtetes Glasfasergewebe eingesetzt, das sich gegen Ende des 20. Jahrhunderts als weiteres hochwertiges und zudem kaum entflammbares Standardmaterial des Membranbaus etablieren kann. Die pneumatisch gestützte Membran muss nach Schneeschäden allerdings bereits 1985 durch eine konventionelle Unterkonstruktion aus Stahlträgern ersetzt werden, was symptomatisch für den Misserfolg sehr großer pneumatischer Konstruktionen – sogenannter Airdomes – ist. Kunststofffolien Die Extrusion von Kunststofffolien aus Polyamid, Polyethylen oder PVC ist bereits seit den 1940er-Jahren bekannt. Transparente PVCFolien werden von Walter Bird, Richard Buckminster Fuller, Kenzo Tange und anderen eingesetzt. Sie eignen sich wegen des hohen Gasdiffusionswiderstands besonders für pneumatische Konstruktionen. Allerdings erreichen
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sie nur geringe Festigkeiten, sodass sie lediglich für untergeordnete Bauteile mit weniger statischen Beanspruchungen verwendet werden können. Die stärkeren, beständigeren und UV-durchlässigen ETFE-Folien werden erstmals Mitte der 1970er-Jahre extrudiert. Sie dienen zunächst als Glasersatz bei Gewächshäusern, finden aber, nachdem sie 1982 bei einem Gewächshaus in Arnheim erstmals als Gebäudehülle eingesetzt worden waren, ihren Weg in die Architektur (siehe Folien, S. 94ff.).
In vielen Fällen führt dies zu sehr ausdrucksstarken Gebäuden, die in ihrer Gestaltung durch das Material bestimmt werden. Während es für den Einsatz von Membranmaterialien viele Beispiele großer Bauten gibt, wurden Entwürfe textiler Architektur eher selten für kleinere Projekte umgesetzt. Ein wichtiges Beispiel ist dabei ein kleines Wohnhaus in Tokio, das 1996 auf einer Grundfläche von 4 ≈ 21 m realisiert wurde. Die Hülle besteht größtenteils aus einem doppelt gekrümmten, transluzenten, PTFE-beschichteten Glasfasergewebe, wodurch das Haus »Licht atmet im 24-Stundenrhythmus der Stadt«, so die Architekten.
Die neuen Materialien werden aber auch bei anderen Projekten eingesetzt, die nur mittelbaren Bezug zum Bauen haben, wie z. B. das 1986 vom französischen Architekten Gilles Ebersolt in Zusammenarbeit mit dem Botaniker Francis Hallé entwickelte Wipfelfloß, mit dem sich erstmals die Wipfelzonen tropischer Regenwälder direkt erreichen und erforschen lassen. Die Struktur aus PVC-beschichteten Polyesterschläuchen, die mit Aramidfaser-Netzen zu einem Sechseck mit ca. 27 m Durchmesser verbunden sind, bildet eine Fläche, die als »schwimmendes« Laboratorium von sechs Personen genutzt werden kann. Ein Heißluftballon bringt das Floß an den jeweiligen Einsatzort. Dieses Beispiel zeigt, dass Konstruktionen aus Kunststoffmaterialien in besonderer Weise geeignet sind, hochspezifischen Anforderungen gerecht zu werden, wie sie sich z. B. bei temporären, mobilen Bauten für sehr spezielle Einsatzorte stellen. Auch für komplexe Gebäudehüllen werden Textil- und Folienmaterialien zunehmend genutzt, obwohl sich die Anforderungen an Gebäude nicht zuletzt aufgrund steigender Wärmedämmstandards laufend erhöhen. Durch zahlreiche Innovationen wird die Leistungsfähigkeit ständig verbessert. Hierzu zählen unter anderem funktionale Schichten, z. B. Low-E-Schichten (eine optische Funktionsschicht mit einem geringen Emissionsgrad), wie sie erstmals im neuen Flughafen in Bangkok (siehe Passagier-Terminal-Komplex Suvarnabhumi International Airport, S. 277ff.) eingesetzt wurden, neue transluzente Wärmedämmung (siehe Aerogele im Membranbau, S. 220) und integrierte Photovoltaik (siehe Photovoltaik, S. 122f.).
Bauten mit transparenten und transluzenten Hüllen Als sich viele Architekten und Ingenieure noch mit der Idee der industriell gefertigten Wohnzelle befassen, wendet sich Buckminster Fuller bereits neuen Themen zu. Schon seit den 1920er-Jahren hatte er mit den industriellen Fertigungsverfahren des Automobil- und Flugzeugbaus experimentiert und sich danach als Autodidakt mit geometrischen Studien zu Kugeln beschäftigt. Ende der 1940er-Jahre beginnt er mit Studenten des Black Mountain College, einer winzigen Kunstschule in North Carolina, seine ersten geodätischen Kuppeln zu realisieren. Er verwendet für die Eindeckung transparente Folien, da diese seine filigranen Stabstrukturen weder statisch belasten noch optisch beeinträchtigen (Abb. A 25). Für ihn sind Kunststoffe nicht »künstlich«, sondern er sieht in ihrem polymeren Aufbau eine Weiterentwicklung natürlicher geometrischer Ordnungsprinzipien. [8] Als 58-Jähriger erhält er schließlich 1953 mit der Überdachung der Ford-Rotunda seinen ersten richtigen Auftrag. Dabei verwendet er für die Eindeckung der Stabkuppel eine Vinylhaut, und schafft somit vermutlich das erste Bauwerk mit einer transparenten Kunststoffhülle (Abb. A 26). In der Folge entstehen zahlreiche geodätische Kuppeln, unter anderem auch sein berühmtestes Bauwerk, der Pavillon der USA auf der Weltausstellung 1967 in Montreal, dessen aufgelöste und exponierte Struktur der Kuppel einen
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Teil B
Abb. B
Werkstoffe
1
Kunststoffe Einteilung der Kunststoffe Herstellung von Kunststoffen Füllstoffe und Additive Eigenschaften der Kunststoffe Thermoplaste Elastomere Duroplaste
30 30 31 32 34 40 44 46
2
Fasern Eigenschaften und Anwendung Anorganische Fasern Polymerfasern Naturfasern Metallfasern
48 48 50 51 53 53
3
Klebstoffe und Beschichtungen Klebstoffe Beschichtungsstoffe
54 54 57
4
Naturfaserverstärkte Kunststoffe und Biokunststoffe Naturfaserverstärkte Kunststoffe Naturfasern Biokunststoffe Naturfaserverstärkte Biokunststoffe Zukunftsvision Bau
60 60 61 62 64 65
transluzente Fassadenplatte aus glasfaserverstärktem Kunststoff
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Kunststoffe
Probe entflammt überhaupt nicht oder nur sehr schwer Probe deformiert langsam
Probe wird durch Lösung aus Salpeter- und Salzsäure (1:3) nicht angegriffen Polyfluorkohlenwasserstoffe (PTFE, ETFE)
Probe deformiert nicht
Geruch nach Salzsäure
Geruch nach Formaldehyd
starker Fischgeruch
Geruch nach Phenol
Polyvinyl(iden)chlorid (PVC/PVdC) bzw. VC-Copolymere
Harnstoffharz (UF)
Melaminharz (MF)
Phenolharz (PF) mit anorganischem Füllstoff
Probe brennt innerhalb der Flamme, erlischt aber nach Entfernen der Flamme Probe brennt mit gelber Flamme, schwer entflammbar Probe brennt mit blauer Flamme mit gelber Spitze, Probe schmilzt und tropft, Geruch nach brennender Wolle oder Haar, Probe in 50 %igem HCl langsam löslich
kurzzeitig grünes Aufleuchten in der Flamme, beißender Geruch
Geruch nach Phenol, zugleich mit Geruch nach brennendem Holz oder Papier
Funkensprühen in der Flamme, Geruch nach Essigsäure
Polyvinylchlorid (PVC)
Phenolharz (PF) mit organischem Füllstoff
Celluloseacetat (CA)
Polyamid (PA) 6.6
Probe brennt nach Entfernen der Flamme weiter (Farbbeurteilung sofort nach Entflammung vornehmen) gelbe Flamme mit blauem Rand
gelbe Flamme
Probe brennt langsam (erlischt evtl. auch von selbst), schwarzer Rauch, scharfer, beißender Geruch, phenolartig
Probe brennt heftig, intensiv weiße Flamme
Epoxidharz (EP)
Cellulosenitrat (CN)
Probe brennt langsam, klare rauchlose blaue Flamme, schwacher FormaldehydGeruch
Polyoxymethylen (POM)
Probe schmilzt und tropft, Tropfen können brennen, Essiggeruch
Celluloseacetat (CA)
Probe schmilzt und tropft, Tropfen können brennen
dicker Rauch mit Rußflocken
Geruch nach Leuchtgas
Geruch nach Essig
Polystyrol (PS)
Polyvinylacetat (PVA)
unangenehmer, stechender Geruch Geruch nach gebranntem Zucker Polyurethan (PUR)
Ethylcellulose (EC)
Probe knistert und zerspringt Geruch nach ranziger Butter Celluloseacetobutyrat (CAB)
Polyesterharz (UP)
blaue Flamme mit gelber Spitze
Probe schmilzt nicht
Probe schmilzt und tropft
Tropfen können brennen
Tropfen brennen stets, Geruch nach brennender Kerze, Probe schwimmt auf Wasser
herber, ranziger Geruch
stechender Geruch
Probe biegsam
Probe etwas härter
Probe härter und steifer, Oberfläche kratzfester
Celluloseacetobutyrat (CAB)
Cellulosepropionat (CP)
Polyethylen niedriger Dichte (PE-LD)
Polyethylen hoher Dichte (PE-HD)
Polypropylen (PP)
38
Geruch nach brennender Wolle oder Haar, Probe in 50 %igem HCl langsam löslich
obstartiger Geruch
Polyamid (PA) 6,6
Acrylharz
B 1.19 B 1.20
Erkennen von Kunststoffen durch Brandprobe Verwendung von Kunststoffen im Bauwesen B 1.19
Kunststoffe
keinen Rückschluss auf die Gebrauchstemperatur. Die Schmelztemperatur von Thermoplasten gibt an, bei wie viel Grad der Kunststoff vollständig flüssig wird – eine Information, die für die Produktion wichtig ist. Brennbarkeit Kunststoffe sind grundsätzlich brennbar, jedoch ist das Brandverhalten je nach Werkstoff sehr unterschiedlich. Darüber hinaus können Additive oder Füllstoffe die Brandeigenschaften beeinflussen. Oftmals dient daher eine Brandprobe zur Identifizierung von Kunststoffen (Abb. B 1.19). Wesentlich ist dabei, ob der Kunststoff durch eine Beflammung mit einem Bunsenbrenner Feuer fängt und ob er nach Entfernen der Flamme weiter brennt oder selbst verlischt. Außerdem sind die Farbe der Flamme und das Auftreten von Rauch signifikante Erkennungsmerkmale von Kunststoffen. Für den Baubereich ist daneben wichtig, ob ein Kunststoff brennend abtropft und mit welcher Rauchentwicklung zu rechnen ist (siehe Brandverhalten und Brandschutz, S. 119f.). Beständigkeit und Wiederverwertbarkeit
Die Langzeitbeständigkeit von Kunststoffen ist sehr unterschiedlich. Während Feuchtigkeit in den meisten Fällen unproblematisch ist, können unterschiedliche Witterungs- und Medieneinflüsse schädigend auf das Material wirken (Abb. B 1.18, S. 37), insbesondere in Verbindung mit hohen Temperaturen. Kunststofffasern sind aufgrund der großen Oberfläche besonders empfindlich gegenüber diesen Einflüssen (siehe Polymerfasern, S. 51ff.). Hochenergetische UV-Strahlung kann die Kohlenstoffbindungen im Kunststoff angreifen und so die Molekülketten zerstören sowie die Weichmacher aus dem Kunststoff lösen – der Werkstoff vergilbt oder versprödet. Je nach Molekülaufbau reagieren Kunststoffe gegenüber UV-Belastung sehr unterschiedlich. Dauerhaft beständig sind Fluorpolymere (PTFE, ETFE) und Silikon. Über eine gute Beständigkeit gegen UV-Strahlung verfügen Acrylglas (PMMA), PET, Polycarbonat (PC), hartes PVC-U und duroplastische Kunststoffe. Bei anderen Kunststoffen kann die Molekülstruktur durch Beigabe von Stabilisatoren besser geschützt und damit die UV-Resistenz erhöht werden. Prinzipiell können Kunststoffe bis zu einem gewissen Grad Feuchtigkeit und Wasser aufnehmen. Die Auswirkungen von Feuchtigkeit auf den Kunststoff sind dabei jedoch sehr unterschiedlich. Während ein Großteil der Kunststoffe wasserbeständig ist, kann bei einigen Materialien das Wasser die chemischen Verbindungen spalten und damit den Kunststoff oberflächlich angreifen (Hydrolyse). Für die im Bauwesen häufig verwendeten Duroplaste wirken sich Feuchtigkeit und viele Medien wie Laugen oder Säuren jedoch nicht negativ auf die mechanischen Eigenschaften aus. Im Gegensatz zu anderen organischen Baustoffen wie Holz sind die meisten Kunststoffe beständig gegenüber Mikroorganismen.
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Dampfsperre PE, PA Dachdämmung PS, EPS, XPS, PUR Dampfsperre PE
Solartechnik EVA
Lüftungs-, Putzprofil PVC Bodenbelag PVC, EP, PUR
Regenrohr PVC, PE
Auflagerfuge CR Akusikplatte PVC Sonnenschutz PVC
Randverbund PUR, Butyl Polysulfid Fenster PVC PE-C Spanplatten PE
Außenfarbe PMMA, EP, PUR Dämmung PS, EPS, XPS, PUR Mauersperrbahn PVC Hohlkörper PE
Lichtschacht PP
Kabel PVC
Beschlag PA
Fensterbank PVC Farben und Lacke PMMA, EP, PUR Steckdosen und Schalter PF, UF, MF Dübel PA Kunststein UP, EP Baufolie PE-LD Trittschalldämmung PE Heizungsrohr PE-X, PP Abwasserrohr PP, PVC-U
Noppenbahn PE, HD Dichtungsprofil EPDM Filterflies PP, PA B 1.20
39
Kunststoffe
ε [%] f [N/mm²]
T Z = Zersetzungstemperatur Tmax = Gebrauchstemperatur
Festigkeit f
Verformung ε
Einsatzbereich B 1.39
Duroplaste Duroplaste sind die ältesten vollständig synthetischen Kunststoffe, sie wurden bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts industriell hergestellt und verarbeitet. Während Duroplaste für die Kunststoffindustrie insgesamt mit einem Marktanteil von ca. 20 % eine eher geringe Rolle spielen, sind sie im Bauwesen wegen ihrer guten mechanischen Eigenschaften und ihrer hohen chemischen Beständigkeit weitverbreitet. Im Gegensatz zu den anderen Kunststoffgruppen werden sie in Form eines flüssigen Vorprodukts (Reaktionsharz) verarbeitet. Beim Einbau von Fasern ergibt sich durch die gute Oberflächenbenetzung ein hochwertiger Verbund, weshalb sie für faserverstärkte Kunststoffe prädestiniert sind. Die chemische Vernetzungsreaktion im Kunststoff findet erst im Rahmen der Verarbeitung statt. Die Molekülketten eines Duroplasts bilden ein dichtes, engmaschiges und dreidimensionales Netz, sodass ein hartes und sprödes Gefüge entsteht. Das enge Netz von Molekülen verhindert das Eindiffundieren von Lösungsmitteln, weshalb Duroplaste chemisch sehr beständig sind. Eine Wärmezufuhr reicht nicht aus, um diesen Molekülverbund zu lösen, Duroplaste sind daher nicht schmelzbar (Abb. B 1.41). Die Temperaturstabilität von Duroplasten ist grundsätzlich höher als bei Thermoplasten, dennoch nehmen Festigkeit und E-Modul bereits unter 100 °C merklich ab (Abb. B 1.16, S. 36). Duroplaste variieren in Aufbau und Eigenschaften wesentlich breiter als Thermoplaste und Elastomere, weswegen man sie nach der Herstellung mit Kennzahlen näher bezeichnet, um den exakten chemischen Aufbau und dessen Eigenschaften nachvollziehen zu können, z. B. die Eignung für Außenanwendungen. Vorprodukte
Die Vorprodukte von Duroplasten sind Formmasse oder Gießharz, die ähnlich den Elastomeren erst bei der Endverarbeitung vernetzt werden. Formmassen sind rieselfähige oder zähflüssige Gemische aus Harz mit Härtern und Füllstoffen. Diese müssen lediglich erhitzt werden und härten daraufhin aus (Ein-Komponenten-System). Da alle für die chemische Ver-
46
Tmax TZ
B 1.40
netzung erforderlichen Komponenten in der Formmasse vorhanden sind, erhärten sie bei entsprechend langer Verweildauer auch unter Raumtemperatur. Sie sind daher nur begrenzt lagerfähig. Bei Gießharzen handelt es sich hingegen um reine Harze im flüssigen Zustand, der Härter (Katalysator) wird erst bei der Endverarbeitung hinzugefügt, woraus sich eine längere Lagerungsfähigkeit für das Vorprodukt ergibt (Zwei-Komponenten-System). Als Synonyme für Gießharz sind auch die Bezeichnung »Harz« bzw. »Kunstharz« oder »Reaktionsharz« gebräuchlich. Die unterschiedlichen Vorprodukte haben jedoch keinen nennenswerten Einfluss auf die chemische Zusammensetzung des fertigen Duroplasten. Phenoplaste, Phenolharze (PF)
ˉ Steckdosen, faserverstärkte Kunststoffe mit Brandschutzanforderung, Fassaden- und Türverkleidungen (Abb. B 1.39) Der unter dem Namen Bakelit bekannt gewordene, erste industriell gefertigte Phenoplast wurde bereits 1905 entwickelt (siehe Von der Alchemie zur Chemie, S. 10). Auch heute spielen Phenoplaste noch eine bedeutende Rolle in der Kunststoffindustrie, nicht zuletzt wegen der geringen Produktionskosten. Sie kommen vor allem dann zum Einsatz, wenn hohe Gebrauchstemperaturen oder ein besseres Brandverhalten gefordert sind. Phenoplaste zeigen im Brandfall im Vergleich zu anderen Duroplasten eine geringere Rauchentwicklung und eine reduzierte toxische Emission. Phenolharze sind opak mit einer gelbbrauen Eigenfarbe, daher sind für das Endprodukt auch ausschließlich dunkle Einfärbungen möglich. Der Werkstoff neigt außerdem dazu, unter Lichteinwirkung nachzudunkeln. Im Vergleich zu anderen Duroplasten sind die mechanischen Kennwerte eher gering. Phenoplaste entstehen aus der Polykondensation von Phenol und Formaldehyd. Durch den Kondensationsprozess fällt während der Härtung Wasser als Nebenprodukt an, das abgeführt werden muss. Die Verarbeitungsmöglichkeiten von Phenoplasten sind sehr vielfältig, sie lassen sich z. B. als Formmasse in geschlossene Formen injizieren, als zähflüssiges Harz (Phenolharz) in eine Form gießen oder zum Faserverbundwerkstoff formen. Schaumstoff aus
T [°C] B 1.41
Phenolharz liefert sehr gute Dämmwerte. Außerdem werden Phenoplaste häufig bei Hartfaserplatten verwendet. Aminoplaste (UF, MF)
ˉ Steckdosen, Leim und Klebstoff, Schaumstoff (Abb. B 1.40) Aminoplaste wie das Harnstoff- (UF) oder Melaminharz (MF) sind sowohl hinsichtlich des chemischen Aufbaus als auch ihrer Eigenschaften den Phenoplasten ähnlich. Im Gegensatz zu diesen sind sie lichtecht, dunkeln also unter Sonnenlicht nicht nach und eignen sich daher speziell für Bauteile mit heller Einfärbung. UF ist ein Aminoplast mit einem besonderen Oberflächenglanz und einem hohen Härtegrad. Die mechanischen Eigenschaften sind mit den Phenolharzen vergleichbar. Das Schwinden ist geringer und die Maßbeständigkeit gut. Damit bietet sich UF grundsätzlich für die Fertigung maßhaltiger Bauteile an. MF hat darüber hinaus eine verbesserte Witterungsbeständigkeit. Ungesättigtes Polyesterharz (UP)
ˉ Versiegelungen, glasfaserverstärkter Kunststoff (GFK) (Abb. B 1.42) UP ist transparent bis schwach gelblich. Die mechanischen Eigenschaften liegen im Mittelbereich der Duroplasten. Vorteilhaft ist die hohe Zähigkeit auch bei niedrigen Temperaturen. Als nachteilig erweist sich hingegen die vergleichsweise hohe Schrumpfung beim Aushärten, welche durch Füllstoffe nur teilweise kompensiert werden kann. Das Maß der Schrumpfung ist von zahlreichen Faktoren abhängig, weshalb sie nicht durch eine entsprechende Formgebung ausgeglichen werden kann. Wegen der geringen Feuchteaufnahme eignet sich UP-Harz gut für Außenanwendungen. Seine Gebrauchstemperatur liegt erheblich unter der von Phenolharz. Da es nicht selbstverlöschend ist, werden bei Brandschutzanforderungen zusätzliche Flammschutzmittel benötigt. UP-Harz wird meist für die Fertigung von GFK eingesetzt, da es sich gut mit den Glasfasern verbindet, sich einfach verarbeiten lässt und zudem relativ preiswert ist. Bei zunehmender Faserverstärkung nimmt allerdings die Transparenz ab, daher ist GFK meist transluzent bis opak. Ausgangswerkstoff für die Fer-
Kunststoffe
B 1.42
B 1.43
tigung von UP-Bauteilen ist eine Lösung von ungesättigtem Polyester in reaktionsfähigen Lösemitteln, vorwiegend Styrol. Polyesterharze härten nach Zugabe eines Katalysators unter Abgabe von Reaktionswärme aus. Dabei ist eine gewisse Variation des Mischungsverhältnisses von Harz und Härter zulässig, ohne die späteren Materialeigenschaften zu beeinflussen. Dies ist vor allem für die handwerkliche Verarbeitung ein wesentlicher Vorteil. Wie alle Duroplaste kann UP kalt oder warm verarbeitet werden, für die Aushärtung bei Raumtemperatur ist die Zugabe eines Beschleunigers erforderlich. Nach der eigentlichen Härtungsreaktion sollte UP wie andere Duroplaste mehrere Stunden unter erhöhten Temperaturen von ca. 70 °C nachhärten, um die volle Festigkeit und Chemikalienbeständigkeit zu erreichen. Dieser Vorgang ist unter dem Begriff »Tempern« bekannt. Das Lösungsmittel Styrol verursacht den typischen Geruch von UP-Bauteilen und kann zu Reizungen von Schleimhaut und Atemwegen führen. Eine abschließende Dampfbehandlung reduziert die Geruchsemission, wodurch eine physiologische Unbedenklichkeit erzielt wird.
besondere Brandschutzanforderungen in der Regel nicht erfüllt. Zur Herstellung wird dem unvernetzten EP ein Härter beigemischt. Der exotherme Reaktionsmechanismus erfordert im Gegensatz zum UP das genaue Einhalten des Mischverhältnisses. Eine Kalthärtung dauert etwa 24 Stunden. Anschließend muss das Bauteil mehrere Stunden nachhärten, wobei es sukzessive auf ca. 100 °C erwärmt wird. Im Allgemeinen ist die Härtezeit damit länger als bei UP. Sind aber bereits bei der Aushärtung erhöhte Temperaturen gegeben, reduziert sich die Härtezeit auf wenige Minuten und die mechanischen Eigenschaften, insbesondere die Temperaturbeständigkeit, verbessern sich. Anders als bei den Polyesterharzen gibt es keine Geruchsbelästigung während des Aushärtens, allerdings kann von den Härtern und Verdünnern eine gesundheitliche Gefährdung ausgehen. Bei der Verarbeitung muss Hautkontakt mit dem Gießharz vermieden und eine Schutzbrille getragen werden – der fertige Werkstoff ist jedoch physiologisch unbedenklich. Epoxidharze werden auch häufig als Kleboder Beschichtungsstoff eingesetzt. Dabei kann durch einen Silikatzuschlag die Formstabilität bei der Verarbeitung verbessert und im erhärteten Zustand die Kriechneigung herabgesetzt werden. Je nach Mischverhältnis bezeichnet man das Produkt dann als Epoxidharzmörtel oder Polymerbeton.
Epoxidharz (EP)
ˉ Oberflächenschutz und Beschichtungen, Verklebung, Polymerbeton, kohlenstofffaserverstärkter Kunststoff (CFK) (Abb. B 1.43) Epoxidharz zeichnet sich durch eine besonders hohe (Haft-)Festigkeit und chemische Beständigkeit aus. Es schrumpft bei der Härtung kaum, und auch die Feuchtigkeitsaufnahme ist geringer als z. B. bei UP. Damit ist EP hervorragend für hochbelastete Bauteile oder widrige Umgebungsbedingungen geeignet. Zwar ist EP-Harz klar mit geringer Eigenfarbe, da es aber nicht lichtecht ist, sind helle Einfärbungen nicht zu empfehlen. Hochtransparente PU-Gelcoats als Schutzschichten sowie optische Aufheller ermöglichen jedoch auch die Herstellung transparenter, farbloser Bauteile. EP wird vor allem für hochleistungsfähige faserverstärkte Bauteile verwendet, hauptsächlich in Kombination mit Kohlenstofffasern. Für die Einbettung von Glasfasern ist meist das kostengünstigere UP ausreichend. EP ist zwar schwer entflammbar, doch nicht selbstverlöschend, weshalb es
B 1.44 Polyurethan (PUR)
ˉ Montageschaum, Hartschaum, Lacke und Beschichtungen (Abb. B 1.44) Polyurethane können aus verschiedenen Komponenten generiert werden und unterscheiden sich dementsprechend in ihren Eigenschaften. Die Molekühlketten variieren zwischen linear bzw. unvernetzt bis hin zu engmaschig vernetzt. Daher werden die Polyurethane auch unterschiedlichen Kunststoffgruppen zugeordnet. Beispielsweise ist PUR-Weichschaum ein Elastomer, während PUR-Hartschaumstoffe oder PUR-Lacke Duroplaste sind. Thermoplastische Polyurethanelastomere (TPU), die für Dämpfungselemente oder Sportgeräte Verwendung finden, sind von ihren Eigenschaften den Thermoplasten zuzuordnen. Als Konstruktionswerkstoff im Bauwesen spielen jedoch fast ausschließlich duroplastische Polyurethane eine Rolle. Polyurethan kann als Gießharz mit einer harten oder einer hochelastischen Ausprägung verarbeitet werden. Die Temperaturbeständigkeit liegt in den Bereichen anderer Duroplaste. Wesentlich häufiger ist die Verarbeitung zu Hartschaumstoff als Dämm- und Sandwichmaterial. Das Polyurethan wird dafür mit unterschiedlichen Treibmitteln aufgeschäumt (siehe Schaumstoffe, S. 72). Durch die Länge der Molekülketten sind die Eigenschaften des Materials einstellbar: Lange Ketten bedingen elastische Schäume, während aus kurzkettigen Polyurethanen harte Schäume entstehen.
Vinylesterharz (VE)
ˉ faserverstärkte Kunststoffe Vinylesterharz (auch Phenacrylatharz – PHA) ähnelt dem ungesättigtem Polyesterharz, ist aber zäher und hat eine bessere Faserbenetzung bei faserverstärkten Kunststoffen. VE wird vor allem dann verwendet, wenn eine besondere Beständigkeit gegen Chemikalien oder eine hohe Schlagzähigkeit bzw. Ermüdungsfestigkeit gefordert ist. Die mechanischen Eigenschaften sind meist besser als von UP, liegen jedoch unter denen von Epoxidharz. Da Vinylester relativ teuer ist, kommt es für Spezialanwendungen vor allem in der chemischen Industrie zum Einsatz. Vinylesterharz wird durch chemische Reaktionen aus EP gewonnen. Die Verarbeitung ist mit der von UP vergleichbar.
Anmerkungen: [1] Ludwig, Carsten: Glasfaserverstärkte Kunststoffe unter hoher thermischer und mechanischer Belastung. Dissertation. Stuttgart 2009, S. 156f.
B 1.39 B 1.40 B 1.41
B 1.42 B 1.43 B 1.44
Phenoplaste, Phenolharz (PF) Aminoplaste Eigenschaften von Duroplasten in Abhängigkeit der Temperatur, der Einsatzbereich liegt im glasartigen Bereich, Bruchverhalten spröde ungesättigtes Polyesterharz (UP) kohlenstofffaserverstärktes Epoxidharz (CFK) Polyurethanschaumstoff (PUR)
47
Vorprodukte
Teil C
Halbzeuge
1
Vorprodukte Kunststoffaufbereitung Textilien Kernmaterialien
68 68 69 72
2
Faserverstärkte Kunststoffe Komponenten Eigenschaften von faserverstärkten Kunststoffen Fertigung
76 76
3
Kunststoffhalbzeuge Profile Platten Formteile Spezielle Halbzeuge im Ingenieurbau
82 82 85 91 92
4
Folien Herstellung von Folien Halbzeuge und Lieferformen Keder
94 94 96 99
5
Textile Membranen Anforderungen an Membranwerkstoffe Beschichtungen Halbzeuge und Lieferformen Mechanische Eigenschaften Konfektionierung Textile Gurte
6
Erweiterte bauphysikalische und energetische Aspekte Dämmtechnische Eigenschaften Licht- und wärmestrahlungstechnische Eigenschaften Feuchtetechnische Eigenschaften Schallschutz und Raumakustik Brandschutz und Brandverhalten Weitere Eigenschaften Kunststoffe bei der Aktivnutzung regenerativer Energien
77 78
100 100 100 103 105 106 107
108 108 113 117 117 119 121 122
7 Umweltwirkungen von Kunststoffen 124 Ökobilanzierung 124 Beeinflussung der Ökobilanz im Lebenszyklus von Kunststoffen 128 Abb. C
temporäres Terminalgebäude, Wien (AT) 2005, Itten + Brechbühl, Baumschlager Eberle P.ARC
67
Vorprodukte
C 1.1
Bei der Fertigung von Kunststoff- oder Membranhalbzeugen wird meist auf standardisierte Vorprodukte zurückgegriffen, die von den Endverarbeitern in der Regel fertig bezogen werden. Dem Planer steht mit den vorgefertigten Kunststoffmischungen, den gängigen Textilien oder den Kernmaterialien eine Auswahl an Ausgangsprodukten zur Verfügung, welche zu ganz unterschiedlichen Endprodukten verarbeitet werden können (Abb. C 1.3). Textilien sind beispielsweise sowohl für Membranen als auch für faserverstärkte Kunststoffe einsetzbar.
Kunststoffaufbereitung Zwischen der Synthese der Polymere im Reaktionskessel und der Endverarbeitung werden Kunststoffe in verschiedenen Arbeitsschritten aufbereitet und mit Additiven veredelt. Die zusammengestellte Mischung wird auch als Compound (engl. Gemisch) bezeichnet. Diese Verarbeitungsschritte laufen bei den drei Kunststofftypen Thermoplaste, Elastomere und Duroplaste grundsätzlich unterschiedlich ab. Die technologischen Besonderheiten ergeben sich aus den jeweiligen Eigenschaften hinsichtlich Molekülstruktur und Wärmeverhalten (siehe Einteilung der Kunststoffe, S. 31f.). Thermoplaste können beliebig oft geschmolzen oder erweicht werden. Die Polymerreaktion findet bereits beim Kunststofferzeuger statt. Im Gegensatz dazu kann die Vernetzung von Elasto-
meren und Duroplasten erst nach der Verarbeitung erfolgen, diese Kunststoffe lassen sich im Nachhinein nicht mehr formen. Die Aufbereitung des Grundwerkstoffs zum verarbeitungsfähigen Kunststoff erfolgt meist beim Produzenten, in einigen Fällen auch erst durch den Endverarbeiter. Der Kunststoff bzw. die Ausgangsprodukte werden hierzu zerkleinert oder durchmischt und mit Additiven sowie Füllstoffen versetzt. Dabei spricht man bei einer Vermengung im trockenen Zustand von Mischtechnik, im plastischen Zustand von Homogenisieren. Die Zusatzstoffe sind häufig für eine Verarbeitungsfähigkeit der Kunststoffe unersetzlich, daneben lassen sich Eigenschaften wie Farbe, Brandverhalten, Festigkeit oder der Materialpreis maßgeblich von diesen beeinflussen (siehe Füllstoffe und Additive, S. 32ff.). Thermoplaste
Bei der Synthese im Chemiewerk fallen Thermoplaste meist in Pulverform an. Sie werden vor der Verarbeitung mit Additiven sowie Füllstoffen angereichert und meist als Granulate vertrieben. Lediglich PVC wird von größeren Endverarbeitern (> 350 t pro Jahr) in Pulverform bezogen und dort aufbereitet. Dieses Vorgehen ist bei PVC meist wirtschaftlicher, da die Eigenschaften durch entsprechende Beigabe von Additiven und Füllstoffen vielfältig gesteuert werden können und damit eine produktspezifische Mischung möglich ist.
Pulver Mehrlochdüse
Messer
Extruder
C 1.1 C 1.2 C 1.3
Mischtextil aus Kohlenstoff- und Aramidfasern Granulation von thermoplastischen Kunststoffen Verarbeitungsmethoden und Halbzeuge von Kunststoffen
Wasserzulauf
Granulat im Wasserstrom C 1.2
68
Umweltwirkungen von Kunststoffen
kompakt, 8 Einheiten
nicht kompakt, 8 Einheiten 30% Zunahme
Leichtbau
20 kWh / m2EBFa
19% Zunahme
15 % Zunahme
Massivbau
26kWh/m2EBFa
23 kWh / m2EBFa
Die Methode der Ökoprofile basiert ebenso wie die Ökobilanzen auf DIN EN ISO 14 040. Dabei handelt es sich um Durchschnittsdatensätze auf Sachbilanzebene, die unter Einbeziehung der jeweiligen Produzenten erstellt wurden. Die Datensätze stehen über die ELCD-Datenbank der Europäischen Union zur Verfügung. Aktuell werden die Daten überarbeitet und die Darstellung an das EPD-Format angepasst. Vergleich mit Ökobilanzdaten
31 kWh / m2EBFa
35% Zunahme C 7.8
C 7.8
Vergleich der grauen Energie von Leichtbauten (Holzsystembau) und Massivbauten (Mauerwerks- und Betonbau) bei kompakter und nicht kompakter Bauweise C 7.9 konstruktive Optimierung des Tragsystems einer Gebäudehülle, Oval am Baseler Platz, Frankfurt am Main (D) 2004, Albert Speer & Partner C 7.10 Fassadenhaut der Unilever Hauptzentrale, Hamburg (D) 2009, Behnisch Architekten C 7.11 Verwaltungs- und Betriebsgebäudes der Remscheider Entsorgungsbetriebe, Remscheid (D) 2006, Architektur Contor Müller Schlüter a Ökobilanzen der Fassade b konstruktive Optimierung der Gebäudehülle durch Stegplatten
C 7.9
Aufgrund unterschiedlicher physikalischer Eigenschaften von Produkten ist ein Vergleich über die Masse oder das Volumen in der Regel nicht aussagekräftig. Im Rahmen einer ganzheitlichen Planung ist für Architekten und Ingenieure vor allem der Vergleich von bauphysikalisch gleichwertigen Konstruktionen von Interesse, die deutliche ökologische Unterschiede ausweisen können. Dieser Vergleich muss analog zu der in DIN EN ISO 14 040 beschriebenen Ökobilanzmethodik auf der Grundlage einer funktionellen Einheit erfolgen, beispielsweise 1 m2 Außenwand mit gleichem U-Wert oder ein Rohr von 1 m Länge. Abb. C 7.7 (S. 127) zeigt Ökobilanzen unterschiedlicher Kunststoffe nach Anwendungsgebiet und funktionellen Einheiten. Dabei sind Textilien für den Membranbau bewusst nicht aufgenommen, da hier aktuell noch keine belastbaren Ökobilanzen öffentlich verfügbar sind (Stand Mai 2010). Ökobilanzen und Nachhaltigkeitszertifizierung
Letztlich ist in der Architektur das Gebäude die übergeordnete funktionelle Einheit. Um diese Gesamtleistung zu fassen, werden seit Anfang der 1990er-Jahre weltweit Bewertungssysteme mit länderspezifischen Schwerpunkten zur Kennzeichnung der Nachhaltigkeit von Gebäuden entwickelt. Zu den meistverbreiteten Systemen gehören LEED (Leadership in Energy and Environmental Design) aus den USA und BREEAM (BRE Environmental Assessment Method) aus Großbritannien. Die Umweltwirkungen von Baustoffen gehen dabei in jedem System in die Bewertung ein, jedoch mitunter auf unterschiedliche Art und Weise. Das Deutsche Gütesiegel Nachhaltiges Bauen (DGNB), in den Jahren 2007 und 2008 entstanden, schreibt als eines der ersten Zertifizierungssysteme vor, den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes unter anderem in Form einer Gebäudeökobilanz zu betrachten. Grundlage für die Gebäudeökobilanz im deutschen Gütesiegel bilden die EPDs der einzelnen Bauprodukte. Die Umweltwirkung der Gebäudekonstruktion und damit auch die Ökobilanzierung von Bauprodukten rücken dadurch in den Fokus von Planern, Nutzern und Investoren.
Beeinflussung der Ökobilanz im Lebenszyklus von Kunststoffen Kunststoffe verfügen im Verhältnis zu vielen anderen bauüblichen Materialien bezogen auf ihr Gewicht über hohe Umweltwirkungen C 7.10
128
(Abb. C 7.5, S. 126). Diese Werte relativieren sich jedoch häufig, wenn sie auf eine funktionelle Einheit bezogen werden (Abb. C 7.7, S. 127). Ein Vergleich von Glas und Kunststoff in einer Fassade (Bezugsgröße 1 m2) zeigt, dass eine Stegplattenfassade im Vergleich zur Glasfassade sogar geringere Umweltwirkungen aufweisen kann (Abb. C 7.6, S. 126). Dies liegt insbesondere an den unterschiedlichen Materialmassen. Allerdings sind bei solchen Gegenüberstellungen die entsprechenden Materialleistungen, z. B. in Ausblick und Durchsicht, nicht immer absolut vergleichbar. Gleichzeitig bieten sie ggf. auch Hinweise auf eine materialgerechte Planung und Gestaltung. Kunststoffe können im Verhältnis zu vielen anderen Materialien ähnliche Leistungen bei geringerem Gewicht erzielen. Dies schlägt sich grundsätzlich positiv auf die jeweilige Ökobilanz nieder. Als übergeordnetes Ziel in der Gebäudeplanung lässt sich laut Untersuchungen zum Thema Umweltwirkungen die Materialminimierung feststellen (Abb. C 7.8). [4] Diese kann jedoch auf unterschiedliche Art und Weise durch Parameter wie konstruktive Intelligenz, Funktionsintegration oder Leistungsanpassung des Kunststoffs erreicht werden. Dabei ist es bei jedem Projekt erneut notwendig, den Betrachtungsrahmen in Abhängigkeit zu Tragstruktur und der funktionalen Leistung bewusst zu wählen. Konstruktive Intelligenz
Konstruktive Intelligenz basiert auf einer technischen und statischen Betrachtung der Bauaufgabe. Dabei rücken z. B. folgende Aspekte in den Blickpunkt: • Tragsystem • Material des Tragsystems • Fügetechnik • Eigenlast Über diese Aspekte lässt sich auf unterschiedlichen Ebenen die architektonische Materialminimierung erschließen. Konstruktiv optimierte Produktsysteme Zunächst kann für eine Bauaufgabe ein selbst konstruktiv optimiertes Produkt eingesetzt werden. Am Beispiel einer Fassade aus Stegplatten (Stegplatte mit geklemmter, linienhafter Lagerung auf metallischer Unterkonstruktion) lassen sich dabei die Zusammenhänge erläutern: Die Platte erzeugt grob geschätzt 40 % der Umweltwirkungen der funktionellen Einheit (D) und bestimmt damit als Produkt in der Regel die Ökobilanz. Kann die Kunststoffplatte selbst statische Leistungen übernehmen und bedarf es keiner weiteren tragenden Unterkonstruktion, reduzieren sich die Umweltwirkungen der funktionellen Einheit. In der Regel gilt dies auch dann, wenn die Plattenstärke für die statische Leistungserbringung vergrößert werden muss. Dieser Vorteil wirkt besonders bei Flächen über mehrere Geschosse und wird technisch begrenzt durch die maximal frei tragende
Treibhauspotenzial (kg CO2-Äq./Gesamtmaßnahme)
Umweltwirkungen von Kunststoffen
50 000
40 000
44 773 kg 149 %
40 385 kg 134 %
35 752 kg 119 % 30 082 kg 100 %
30 000
20 000
10 000
0 Masse:
Profilglas
Polycarbonat
PMMA
GFK (Epoxidharz)
19 468 kg
3634 kg
3677 kg
6421 kg
a
Spannweite der Platte. Eine umweltwirkungsbezogene Optimierungsebene entsteht durch den konstruktiven Aufwand für Anschluss- und Haltepunkte. Eine möglichst detailfreie, flächige Verwendung reduziert hierbei die Graue, im Material gebundene Energie. So können z. B. Stegplatten, die nur einachsig gelagert sind, Materialaufwendungen in der Konstruktion verringern und damit die Umweltwirkungen reduzieren. Auf der Bauteilebene lässt sich die komplexe Thematik z. B. anhand von Fensterrahmen aufzeigen. Holz- und Kunststofffenster haben einen deutlich geringeren Wärmedurchgang als Metallfenster. Im Vergleich zu Holz liegen die Vorzüge von Kunststofffenstern in der einfachen Bearbeitbarkeit des Materials und dem geringen Materialanteil, was zu einer hohen Kosteneffizienz führt. Im Gegenzug kann Holz durch seine bessere aussteifende Wirkung teilweise mit geringeren Rahmenbreiten verarbeitet werden, was die effizientere Nutzung solarer Energie für die passive Gebäudebeheizung zur Folge hat. Letztlich ist hierbei also der Verglasungsflächenanteil am Gesamtfenster bei gleichwertigem Uf-Wert einer der aussagekräftigsten Parameter für den Planer. Als Bestandteil des Baukörpers treten in diesem Zusammenhang auch chemische Funktionswerkstoffe in den Vordergrund. Sie ermöglichen beispielsweise die partielle Erhöhung der Speicherkapazität des Gebäudes (z. B. über Latentwärmespeicher) oder die Veränderung des Dampfdiffusionsverhaltens (feuchtevariable Folien). Entsteht dadurch z. B. eine Fassadenkonstruktion, bei der einzelne Schichten überhaupt nicht mehr notwendig sind, so führt dies in der Regel zu umweltwirkungsbezogenen Einsparungen. Materialsparende Tragsysteme Ein Standardprodukt wird vom Hersteller in der Regel überdimensioniert, da es durch vielfältige Einsatzmöglichkeiten einen breiten Markt erschließen soll. Dem gegenüber stehen dem Bauwerk angepasste, materialsparende Tragsysteme, die eine Optimierung bereits in der Planungsphase ermöglichen. Im Kunststoffbereich gehen Folienkonstruktionen hinsichtlich Materialeffizienz bis an die Grenze der Opti-
b
mierung. Bei Foliengewichten von 170 g/m2 lassen sich mit unter 0,5 kg / m2 thermische Trennschichten zum Außenraum errichten. Dabei bestimmt die notwendige Unterkonstruktion in der Regel die Ökobilanz weit mehr als die Membran selbst. Die Frage bei einer solchen Optimierung ist, ob so die ökologischen Wirkungen tatsächlich reduziert oder nur verschoben werden. Als Beispiel lässt sich das Münchener Olympiastadion heranziehen: Die leicht wirkende Architektur wird erst durch hohe Massen in den Fundamenten möglich, die maßgeblich die Ökobilanz des Bauwerks bestimmen. Nur durch geschickt gewählte Konstruktionen, in denen sich Kräfte kurzschließen, kann eine solche Wirkung auch konstruktiv »leicht« und folglich mit geringen Umweltwirkungen umgesetzt werden (Abb. C 7.9). Der Effekt wirkt auf unterschiedlichen Maßstäben, z. B. auch auf der Bauteilebene: Untersucht man beispielsweise die Umweltwirkung einzelner Dachkonstruktionen, kann es dazu kommen, dass nicht mehr die funktionale Schicht selbst, sondern vielmehr die Detailund Anschlusslösungen (Anschlüsse, Eckdetails, Regenwasserführung etc.) ökobilanztechnisch maßgeblich sind. [5] Dies gilt auch auf Materialebene, da Kunststoffe selbst durch unterschiedliche Zusammensetzungen eine projektbezogene Veränderung der Eigenschaften und damit die Anpassung an technische Bedarfe zulassen. So ermöglichen beispielsweise Faserzusätze zwar eine höhere Steifigkeit des Kunststoffs, erzeugen jedoch ein Verbundmaterial, dessen Trennung in die ursprünglichen Bestandteile zur sortenreinen Wiederverwendbarkeit eingeschränkt ist. Ähnlich verhält es sich bei spezifischen Beschichtungen, die z. B. zur Erhöhung der UV-Stabilität eingesetzt werden. Funktionsintegration Kunststoffe eignen sich gut zu einer Funktionsüberlagerung, d. h. der Erfüllung verschiedener funktionaler Leistungen durch nur ein Bauteil. Die beiden Hauptanwendungsgebiete für eine solche Gestaltung sind Nutzoberflächen und Fassaden. In der Fassade beeinflussen Kunststoffe z. B. Luftfeuchte, Wärmehaushalt, Beleuchtung oder Energieerzeugung. Laut For-
C 7.11
schungen führt ein gebäudebezogen geringer Technisierungsgrad, also ein im Verhältnis zum Gesamtgebäude geringer Anteil von Gebäudetechnik, insgesamt zu reduzierten Umweltwirkungen und Betriebskosten. [6] Die Verwendung von Technik (z. B. nachstellbare Sonnenschutzlamellen) ist also energetisch und bezüglich der Umweltwirkung in der Regel weniger effektiv als eine Lösung durch den Baukörper (z. B. Eigenverschattung durch Überstände). Am Beispiel des Verwaltungs- und Betriebsgebäudes der Remscheider Entsorgungsbetriebe konnte nachgewiesen werden, dass bei Verwendung eines konstruktiv optimierten Produktsystems bei gleichzeitiger Funktionsüberlagerung der ressourcentechnische Vorteil bis zu einem Faktor zehn gesteigert werden konnte und damit eine Kostensenkung von bis zu 50 % möglich ist (Abb. C 7.11). Die genaue Höhe der Einsparungen basiert auf den Fassadenabmessungen, Auflager- und Anschlusspunkten sowie dem Unterkonstruktionsbedarf. [7] Besonders materialeffizient wird eine solche Konstruktion dann, wenn durch die Fassade eine zusätzliche Dämmung nicht mehr notwendig ist, d. h. wenn konstruktive Intelligenz und Funktionsintegration einhergehen. Hierbei überlagern sich ökonomische und ökologische Vorteile. Optimierte Funktionserfüllung
Da die Betriebsphase eines Gebäudes (bei einem Betrachtungszeitraum von 50 Jahren) einen Anteil von etwa 75 % [8] der Gesamtökobilanz ausmacht, führt eine verbesserte Funktionserfüllung unmittelbar zu einer deutlichen Verbesserung der Umweltwirkungen eines Gebäudes. Ein reduzierter Energiebedarf im Gebäudebetrieb kann daher gegebenenfalls wirkungsvoller sein als die Einsparungen durch alle anderen Maßnahmen. Als dämmende und energiegewinnende Gebäudehülle wirken sich besonders transparente und transluzente Kunststoffe positiv auf die Gesamtökobilanz aus. Die Fassade hat dabei einerseits die Aufgabe, zusätzliche Energiequellen für das Gebäude zu erschließen (z. B. als mikroklimatische Hülle, Luftkollektor oder technische Unterstützung von Gebäudetechnik mit
129
Teil D
Abb. D
Planung und Formfindung
1
Tragwerk und Form Tragsysteme Geometrie leichter Flächentragwerke Zugbeanspruchte Flächentragwerke
134 134 136 138
2
Dimensionierung und Ausführung Berechnung Prüfung und Zulassung Qualitätskontrolle und Arbeitsschutz
150 150 154 156
Nahaufnahme von Seifenblasen
133
Teil E
Konstruieren mit
Kunststoffen und Membranen
1
2
3
Abb. E
Konstruieren mit Kunststoffhalbzeugen Verbindungsmittel Profile Platten Formteile
160 161 165 168 171
Konstruieren mit frei geformten Kunststoffen Unverstärkte Kunststoffe Faserverstärkte Kunststoffe Formenbau
174 174 176 184
Konstruieren mit Folien Lagenaufbau und Kissenform Detailausführung Luftversorgung von pneumatischen Konstruktionen Sicherheit von Kissenkonstruktionen Mechanisch vorgespannte Folien Seilnetzunterspannung
188 188 190
4
Konstruieren mit textilen Membranen Konstruktionselemente Flächenstöße Linienförmige Unterstützungen Ränder Eckdetails Hoch- und Tiefpunkte
196 197 198 201 202 206 210
5
Komplexe Gebäudehüllen Anforderungen an Hüllkonstruktionen Besonderheiten bei Folien- und Membrankonstruktionen Kunststoff-Glas-Kombinationen Glas-ETFE-Folien-Kombinationen
212 212
192 194 194 195
214 222 223
Überdachung eines Einkaufszentrums mit ETFEFolienkissen, Amadora (P) 2009, Promontorio Architects
159
Konstruieren mit Kunststoffhalbzeugen
1
2 3 4 4
5 1 2 3 4 5 6 7
7 6 E 1.24
a
b
Platten
Massiv- und Wellplatten
Platten aus transparenten, transluzenten oder opaken Kunststoffen kommen hauptsächlich für Fassaden und geneigte Dächer zur Anwendung. Daneben eignen sie sich auch als Raumtrennwände, elektrischer Berührschutz bei Bahnanlagen oder für Geländerfüllungen. Die üblichen Fassadenpaneele können sowohl aus unverstärkten Thermoplasten als auch aus faserverstärktem Kunststoff oder anderen Verbundmaterialien wie Mineralwerkstoffen bestehen. Dabei gibt es jeweils massive und hohlzellige Platten, was sich auf die Detailausbildung auswirkt. Grundsätzlich können mit beiden Plattenformen sowohl wasserdichte Hüllen als auch hinterlüftete Vorsatzschalen realisiert werden. In einigen Konstruktionen mit Platten werden mangels Alternativen die aus dem Glasbau bekannten Details wie Punkthalter oder Elastomerbänder übernommen. Im Gegensatz zum spröden Glas wären diese aufwendigen Maßnahmen hier jedoch eigentlich nicht nötig. Platten lassen sich vergleichsweise einfach bohren und ablängen. Besonders interessant ist dabei auch die Möglichkeit, die Fügungsdetails bereits in die Platte selbst zu integrieren. Ein wesentlicher Unterschied zu Glas oder Metall besteht darin, dass Kunststoffplatten grundsätzlich nicht diffusionsdicht sind. Der damit einhergehenden Gefahr von Kondenswasserbildung sollte durch konstruktive Maßnahmen wie einer Hinterlüftung begegnet werden.
GFK-Platten in Aluminiumrahmen Mineralwolle Blendenkasten druckfeste Dämmung Flachlamellen Wärmeschutzverglasung Einfachverglasung
Platten aus massivem oder faserverstärktem Kunststoff haben in der Regel Dicken zwischen 3 und 7 mm. Sie werden meist großformatig produziert und den Anforderungen entsprechend erst im Rahmen der Endmontage zugeschnitten. Bei faserverstärkten Kunststoffen sollten nach der Bearbeitung die Schnittkanten versiegelt werden. Befestigung Dient die äußere Hülle lediglich dem Witterungsschutz und der optischen Gestaltung, kann die Konstruktion vergleichsweise einfach ausgeführt werden. Die Platten lassen sich beispielsweise direkt auf die Unterkonstruktion schrauben oder nieten (Abb. E 1.26 und E 1.27). Wegen des geringen E-Moduls des Werkstoffs kann in vielen Fällen, insbesondere bei Wellplatten, die Anordnung von Dehnungsfugen und Langlöchern entfallen, da die thermischen Zwängungen vergleichsweise gering sind (Abb. E 1.6, S. 161). Die Stoßfugen ebener Platten können offen oder überlappend ausgebildet sein und wie im Glasbau linear auf Elastomerbändern lagern (Abb. E 1.25). Dabei ist eine gleichmäßige Lasteinleitung erzielbar. Außerdem können die Konstruktionen wasserdicht ausgeführt werden. Die notwendige Unterkonstruktion ist jedoch aufwendiger als bei anderen Befestigungsmethoden. Für hinterlüftete Fassaden bietet sich die Mon-
tage über spezielle Befestigungssysteme an, die nicht nach außen in Erscheinung treten (Abb. E 1.31). Eine weitere Alternative ist, Platten mit umlaufenden Metallschienen zu fassen, die dann an der Unterkonstruktion befestigt sind (Abb. E 1.24). Diese Lösung schützt die Platten vor mechanischer Beschädigung an den Stirnseiten und verhindert bei faserverstärkten Kunststoffen, dass die offenen Kanten Wasser aufsaugen. Punkthalter sind grundsätzlich gut geeignet. Ihr Aufbau ist im Detail einfacher als bei Glas, da auf eine aufwendige Lochbearbeitung verzichtet werden kann (Abb. E 1.28). Daneben ist es möglich, in die Platte Gewindemuffen einzukleben, die der Fixierung auf der Unterkonstruktion dienen (Abb. E 1.29). Abdichtung Massive Kunststoffplatten werden in der Regel nicht wasserdicht ausgeführt, sondern offen gestoßen. Soll die Platte zwängungsfrei gelagert werden, sind relativ breite Fugen erforderlich, welche die großen Temperaturdehnungen des Kunststoffs aufnehmen können. Aus diesem Grund sind Silikondichtungen für Kunststoffplatten meist ungeeignet. Eine einfache Möglichkeit zur Ausbildung horizontaler Fugen ist die Überlappung der Platten oder die Verwendung von Fugenbändern (Abb. E 1.30 a und b). Vertikalfugen können ebenfalls über Fugenbänder oder Abdeckleisten gestoßen werden (Abb. E 1.30 c und d). Für 2
1 1
1
4
2 3
2
4 3
3
4 4 1 2 3 4
Klemmleiste Aluminium Rippendichtung Kunststoffplatte Dichtband
5 E 1.25
168
1 2 3 4 5
First Schraube mit Dichtungsring Kunststoffplatte Holzlattung Sparren E 1.26
1 2 3 4
Kantenprofil Polycarbonat Wellplatten Polycarbonat Stütze Stahlprofil Unterkonstruktion Stahlrohr E 1.27
Konstruieren mit Kunststoffhalbzeugen
1
5 3
2 1 2 3 4 5
Acrylglasplatte, B 1, 10 mm Elastomer-Fugenband, geklemmt, 140 mm Elastomer-Punkthalter, deformierbar, Ø 78 mm tragendes Seilnetz, Stahl, 2≈ Ø 10 mm Sogsicherung, Stahlseil, 3 mm
4 a
eine wasserdichte Hülle sind Schrauben mit Elastomer-Unterlegscheiben notwendig.
E 1.28
b
E 1.29
1
Planken
Fassadenplanken sind im Gegensatz zu flachen Platten schon für die Anwendung im Fassadenbau vorkonfektioniert (siehe Planken, S. 90). Sie werden über die Stege in die Unterkonstruktion eingehängt, die Abdichtung der Vertikalfuge erfolgt über die integrierte Überlappung.
2
Stegplatten
4
Die Befestigung und Fügung von Stegplatten ist wegen ihrer komplexeren Geometrien und der dünnen Wandungen aufwendiger als bei massiven Platten, insbesondere dann, wenn die Wärmedämmeigenschaften der Platte nicht durch offene Fugen oder Durchdringungen herabgesetzt werden sollen. Stegplatten werden mit einer begrenzten Breite, aber frei einstellbarer Länge (je nach Transporteinschränkungen) gefertigt und über einen Stoß zur Fassade addiert. Der stumpfe Stoß von Stegplatten führt zu unbefriedigenden Ergebnissen, da die Wärmedämmung durchbrochen wird bzw. keine wasserdichte Fuge erstellt werden kann (Abb. E 1.39 a, S. 171). Als vorteilhaft erweisen sich integrierte Fügungen oder spezielle Fugenprofile. Für Ecken sowie die Ober- und Unterkante der Paneele müssen Details eigens entwickelt werden, teilweise sind jedoch auch vorgefertigte Abschlussprofile verfügbar (Abb. E 1.36, S. 170).
b
3
1 Mineralwerkstoffplatte 2 Unterkonstruktion 3 Gewindemuffe, eingeklebt 4 Querlattung Aluminium
a
E 1.24
E 1.25 E 1.26 E 1.27 E 1.28
Fraunhofer Institut Ilmenau (D) 2008, Staab Architekten a Fassade aus GFK-Platten mit Metallschienen b Detailschnitt Übergang Fenster – Fassade Klemmverbindung für Massivplatten Schraubverbindung für Massivplatten Eckgestaltung und Randabschluss bei Wellplatten Punkthalterung und Fugenband, Dach Olympiastadion, München (D) 1972, Behnisch + Partner, Frei Otto u.a. a Detailschnitt b Aufsicht
E 1.29
E 1.30
E 1.31
Fassadenplatten aus Mineralwerkstoff, Seeko'o Hotel, Bordeaux (F) 2007, Atelier Architecture King Kong a Vertikalschnitt b Anbringen der Fassadenplatten Fugenausbildung bei Massivplatten a Stufenfalzverbindung, Horizontalfuge b Verbindung mit Dichtprofilen, Horizontalfuge c Omegaprofil, Vertikalfuge d Nut-und-Feder-Verbindung, Vertikalfuge e offene Fuge, Vertikalfuge spezielles Befestigungssystem für Massivplatten
c
1 1 Untergrund 2 Befestigungssystem 3 Platte, faserverstärkter Kunststoff 4 Nietenverbindung
d
2
3 a
b e
4 E 1.30
E 1.31
169
Konstruieren mit frei geformten Kunststoffen
E 2.27
E 2.28
E 2.29 E 2.30
aufgeklebte metallische Verbindungsteile a Lasche b Winkel Einbau von Laschen, Lochblech zur Optimierung des Verbunds, mit durchgeschlauften Rovings a Axometrie b Schnitt erhältliche, überlaminierbare Einbauteile für faserverstärkte Kunststoffe Einbauteil zur Integration von Schrauben
E 2.31
E 2.32 E 2.33 E 2.34
fg 2000, Altenstadt (D) 1968, Wolfgang Feierbach a Ansicht Fassadenecke b Eckdetail abgetreppte Stoßfuge für Sandwichbauteile Sandwichstoß mit Überlaminieren kugelförmige Umhüllung von Antennen (Kugelradom) aus GFK-Sandwichbauteil a Fügung der einzelnen Bauteile b geschlossene Hülle
1 faserverstärkter Kunststoff 2 Stahllasche oder -winkel 3 Klebstoff
1
3
1
2
a
3
2
E 2.27
b
1 faserverstärkter Kunststoff 2 Lasche aus dünnem Stahlblech 3 Langfasern (Rovings), durch Löcher im Stahlblech geschlauft 4 reguläre flächige Faserverstärkung
1
3
2
3
a
4
1
2
b
E 2.28
1 faserverstärkter Kunststoff 2 Einbauteil mit dünnem Stahlblech
Aufgeklebte Verbindungen Alternativ zu Einbauteilen können Stahllaschen oder -winkel auch nachträglich aufgeklebt werden (Abb. E 2.27). Bei ausreichend großer Klebefuge sind damit hohe Kräfte übertragbar.
F 2
Metallische Einbauteile Bei punktuellen Verbindungen mit konzentrierter Lasteinleitung bieten sich Einbauteile aus Stahl-, Edelstahl- oder Aluminium an. Um Zwängungsspannungen zu minimieren, sollten die Wärmeausdehnungskoeffizienten von Laminat und Einbauteil aufeinander abgestimmt werden. Je nach Faserart und Aufbau variiert der Wert für faserverstärkte Kunststoffe erheblich, weshalb keine pauschalen Materialempfehlungen gegeben werden können. Für flächige GFK-Mischlaminate eignet sich grundsätzlich eher Aluminium, während pultrudiertes GFK besser mit Stahl oder Edelstahl kombiniert werden sollte. CFK hingegen ist aufgrund des sehr geringen Wärmeausdehnungskoeffizienten weniger für die Kombination mit Metallen geeignet. Metallische Laschen sollten möglichst dünn ausgeführt werden, um Störungen im Laminataufbau zu minimieren (Abb. E 2.28). Lochbleche erlauben eine bessere Durchdringung des Kunststoffs bei der Herstellung, zusätzlich können Langfasern (Rovings) durch die Löcher geschlauft werden, was die Tragfähigkeit nochmals erhöht. Schrauben und Gewindehülsen lassen sich über vorgefertigte Einbauteile im Laminat verankern. Wie bei den Laschen liefern ebenfalls dünne Lochbleche die besten Ergebnisse (Abb. E 2.29 und E 2.30). Bei Sandwichelementen sind darüber hinaus großformatige Einbauteile möglich, die im Inneren des Bauteils an der Stelle des Kernmaterials liegen.
1
Detailausbildung bei Sandwichbauteilen
Beim Konstruieren mit faserverstärkten Kunststoffen übernehmen Sandwichelemente im Bauwesen vor allem zwei Aufgaben: die Erhöhung der Tragfähigkeit gegenüber dünnen Laminaten und die Wärmedämmung. E 2.29
182
E 2.30
Konstruieren mit frei geformten Kunststoffen
3 1 2 3 4
GFK-Deckschicht Hartschaumkern Schraube Dichtungsmasse
2
1
4 a
Sie sollten daher fugenlos gestoßen werden, um eine Herabsetzung der mechanischen und bauphysikalischen Eigenschaften zu verhindern. Eine Möglichkeit ist, die Kernschicht über eine Doppelfeder und das anschließendes Überlaminieren zu stoßen (Abb. E 2.33). Im Bauzustand werden die Kräfte an den Fugen nur über den Kern weitergeleitet, was ein entsprechend tragfähiges Material voraussetzt, z. B. PVC oder PUR. Nach dem Überlaminieren laufen die Deckschichten aus faserverstärktem Kunststoff durch, der Querschnitt ist damit fugenlos. Dabei muss jedoch möglicherweise eine Decklage über die gesamte Struktur laminiert werden, um eine ausreichende Tragfähigkeit zu erzielen. Schraubstöße Bei mobilen Konstruktionen oder aus wirtschaftlichen Gründen werden Sandwichelemente auch über geschraubte Stöße verbunden. Wegen der Spannungskonzentration an der Fuge ist eine lokale Verstärkung erforderlich, dies geht jedoch meist mit einer Herabsetzung der Tragwirkung und der Wärmedämmeigenschaften einher. Durch eine abgetreppte Fuge (Abb. E 2.32) können die bauphysikalischen Nachteile zumindest teilweise kompensiert werden, die Verbindung kann als gelenkig angesehen werden. Der Schraubenanschluss lässt sich mit einer integrierten Stahlmanschette verstärken. Alternativ kann über eine zusätzliche Aufkantung (Abb. E 2.31) zwar eine biegesteife Verbindung erzielt werden, dabei entsteht jedoch eine Wärmebrücke.
b
E 2.31
4 3 1 2 3 4 5
1
2
GFK-Deckschicht Hartschaumkern Einbauteil aus Stahl Schraube Abdeckstöpsel
5
E 2.32 1 2 3 4
Deckschicht aus faserverstärktem Kunststoff Kernschicht aus Hartschaum Doppelfeder aus Hartschaum, verklebt Überlaminieren nach Fügung
1 2
a
3
4
b
E 2.33
Großformatige Stahleinbauteile Bei einem Sandwichelement können großformatige Einbauteile in der Mittellage punktuell die Kernschicht ersetzen. Damit ist eine tragfähige Verstärkung möglich, die nicht nach außen in Erscheinung tritt. Die Dachschalen des Itzhak Rabin Centers z. B. sind als Sandwichbauteile mit integrierten Stahlkassetten ausgeführt, die dem Anschluss der Stützen dienen (Abb. E 2.36 a, S. 184). Bei der Fertia
b
E 2.34
183
Konstruieren mit Folien
Da sich die Kissenform nicht nur durch den Zuschnitt, sondern auch durch Materialdehnung einstellt, sollte unbedingt darauf geachtet werden, unterhalb des Kissens einen ausreichenden Abstand zum Primärtragwerk oder anderen Bauteilen einzuhalten, da nämlich damit zu rechnen ist, dass sich der Stich des Kissens durch ständige und zeitweise hohe Belastung im Laufe der Standzeit durch Kriechen des Materials erhöht.
offen
geschlossen
Detailausführung Der folgende Abschnitt beschäftigt sich hauptsächlich mit den konstruktiven Details von pneumatischen Kissenkonstruktionen. Da sich die Rand- und Eckdetails mechanisch vorgespannter Folien kaum von denen textiler Membranen unterscheiden, sei hier außerdem auf das Kapitel »Konstruieren mit textilen Membranen« (S. 196ff.) verwiesen.
a offen
Flächenstoß geschlossen
b
E 3.4
E 3.4
schaltbare Mittellage a durch Umschlagen b durch elastische Dehnung E 3.5 schalbare Mittellage im Einbauzustand a offen b geschlossen E 3.6 einfache Randklemmung a mit Flachprofil b mit Aluminium-Extrusionsprofil c mit Aluminium-Extrusionsprofil beidseitig auf Holzträger für bessere Isolation im Randbereich E 3.7 geschweißter Flächenstoß und abgedeckter Klemmrand E 3.8 Randklemmung mit Abtropfrinne und vormontiertem Kunststoffprofil E 3.9 a, b Randklemmung mit vormontiertem Kunst stoffprofil und Klemmleiste als Montagehalterung E 3.10 Kissenecke mit unterbrochenem Keder E 3.11 Edelstahlseile über einem Klemmrand zum Schutz vor Vögeln
a
b
190
E 3.5
Im Gegensatz zu beschichteten Membrangeweben entsteht beim Verschweißen von Folien eine homogene Verbindung. Daher würde theoretisch bereits eine Schweißnaht mit einer der Materialstärke entsprechenden Breite ausreichen, um die erforderliche Zugfestigkeit und Dichtigkeit der Naht herzustellen. Voraussetzung dafür wäre jedoch, dass die Bereiche neben der Naht perfekt ausgebildet sind. Da die Schweißnaht für die Sicherheit der Konstruktion aber von außerordentlicher Bedeutung ist, werden in der Regel Schweißnähte in Breiten zwischen 10 und 15 mm hergestellt (siehe Konfektionieren von ETFE-Folien, S. 98f.). Ränder
Ähnlich wie bei textilen Membranen werden Folien an ihren Rändern durch Klemmprofile oder durch in Taschen verlaufende Randseile oder Gurte gehalten. Da Folien jedoch größtenteils für pneumatische Kissenkonstruktionen eingesetzt werden, kommen biegesteife Ränder mit Klemmprofilen am häufigsten vor. Dabei handelt es sich in der Regel um Extrusionsprofile aus eloxiertem Aluminium. Oberflächenrauigkeit oder scharfe Kanten sowie Kontaktkorrosion an den Klemmprofilen können die Folie mechanisch beschädigen und Strukturveränderungen im Material hervorrufen und sollten daher unbedingt vermieden werden. Da die Steifigkeit und Tragfähigkeit von ETFE bei hohen Temperaturen stark abfällt (siehe Mechanische Eigenschaften von ETFEFolien, S. 97f.), stellt die Wärmeleitung an den Kontaktflächen zwischen Folie und metallischen Bauteilen eine weitere Gefahr dar. Um die Folie vor allen mechanischen, chemischen und thermischen Belastungen im Bereich der Randklemmung zu schützen, können Elastomere wie Ethylen-Propylen-Dien-Kautschuk (EPDM) als Schutz zwischen Folie und Klemmprofil gelegt werden. Bei Randklemmungen mit vormontiertem Kunststoffprofil wird dieses Elas-
tomer direkt in die Klemmkonstruktion integriert (Abb. E 3.8). Die Randklemmung einer Kissenkonstruktion kann mehrere konstruktive, technische und bauphysikalische Anforderungen zu erfüllen haben: • Aufnahme der Zugspannungen • Übertragung der Lasten an die Unterkonstruktion • selbsttragende Ausführung • Klemmung mehrerer getrennter Kissenlagen, auch unterschiedlicher Materialien • Aufnahme thermischer Längenausdehnungen • thermische Dämmung/Trennung im Randbereich • Rinne für die Dachentwässerung • Auffangrinne bei Tauwasserbildung am Kissenrand • Befestigung der Luftversorgung und Beleuchtung • Begehbarkeit für Wartungsarbeiten • Vogelschutz (Abb. E 3.11) • Unterstützung bei der Montage Es gibt eine Vielzahl von Randklemmprofilen für ETFE-Kissen, die diverse Hersteller permanent weiterentwickeln, um alle Funktionen möglichst vollständig und in integrierter Weise erfüllen zu können. Prinzipiell lassen sich verschiedene Arten der Randklemmung unterscheiden: Die in den Folienrand eingeschweißte Kederschnur (siehe Keder, S. 99) wird entweder direkt (Abb. E 3.6) oder eingefasst in ein elastisches Kunststoffprofil geklemmt (Abb. E 3.8 und E 3.9). Die thermische Trennung kann durch Wärmedämmung des Klemmprofils und /oder durch separates Klemmen der äußeren und inneren Kissenlage an die Ober- und Unterseite eines Rechteckprofils (z. B. aus Holz) erzeugt werden (Abb. E 3.6 c). Im Fall des gedämmten Klemmprofils ist zu beachten, dass der Dämmwert des Kissens zum Rand hin stark abnimmt und hier vermehrt Tauwasser auf der Kissenunterseite anfällt. Daher sollte an solchen Rändern eine unter dem Klemmprofil des Kissens liegende Abtropfrinne vorgesehen werden (Abb. E 3.8). Bei einem getrennt geklemmten Rand reduziert sich dieses Problem. Einfache Randklemmung Prinzipiell ist zwischen der Klemmung mit einfachen Flachprofilen (Abb. E 3.6 a) und extrudierten Aluminiumprofilen (Abb. E 3.6 b und c) zu unterscheiden. Bei der Klemmung mit einfachen Flachprofilen wird der Keder hinter dem Profil geklemmt, daher müssen die Befestigungsschrauben durch Löcher im Folienrand geführt werden. Bei extrudierten Aluminiumprofilen kann der Keder vor der Schraube im Profil gehalten werden, wodurch sich eine Verletzung der Folie im Bereich vor dem Keder vermeiden lässt. Diese Art der Randklemmung wird auch für mechanisch vorgespannte Membranen verwendet (siehe Geklemmter Rand, S. 205).
Konstruieren mit Folien
a
b
c
E 3.8
Randklemmung mit vormontiertem Kunststoffprofil Bei einer Randklemmung mit vormontiertem Kunststoffprofil wird die konfektionierte Folie mit eingeschweißtem Keder bereits im Werk in ein Kunststoffprofil (meist aus EPDM) eingezogen, das später auf der Baustelle in ein zweiteiliges Aluminiumprofil geklemmt wird (Abb. E 3.8). Diese Art der Randklemmung hat gegenüber der einfachen folgende Vorteile: • verkürzte Montagezeit • Schutz der Folientasche im Bereich der Klemmung • verringerte Spannungsspitze am Klemmrand • Aufnahme von Temperaturausdehnung durch segmentierte Aluminiumklemmung auf dem EPDM-Profil möglich
E 3.6
E 3.7
a
b
Randklemmung mit Montagehilfe Um die Installation der Kissen zu vereinfachen, können separate Klemmleisten in das Klemmprofil integriert werden, die sich ohne Verschraubung in die auf der Tragkonstruktion fixierten Profile einhängen lassen (Abb. E 3.9 a). Sie werden in Segmenten entweder direkt auf den Keder aufgezogen oder wiederum auf ein Kunststoffprofil geklemmt. Sind alle Profile einer Kissenseite und des benachbarten Kissens eingehängt, wird auf dem Profil ein Deckel aufgeschraubt, der die Kissen endgültig in ihrer Lage sichert und abdichtet (Abb. E 3.9 b und Abb. E 5.12, S. 217).
Ecken
E 3.10
E 3.9
Je spitzer die Ränder eines Folienkissens zulaufen, desto schwieriger ist es, die Flächenspannungen homogen bis in die Ecken zu führen und somit Faltenbildung zu vermeiden. Bei sehr spitzen Ecken sollte der Kederrand polygonal oder abgerundet um die Ecke geführt werden. Um Falten zu minimieren, werden die Kissen in der Praxis an spitzen Ecken teilweise unter Vorspannung mittels heißer Luft auf ca. 70 – 80°C erwärmt. Dadurch verformt sich die Folie plastisch, was zu einem Spannungsausgleich führt. Bei offenen Ecken wird die Kederschnur kurz vor der Ecke gekappt; die Schweißnaht läuft jedoch weiter bis in die Ecke und stellt so die
E 3.11
191
Konstruieren mit textilen Membranen
Eckdetails 1
2 4 5 3 6
E 4.34
E 4.35
a
7
8
1 2 3
9
4 5 6 7 8 9 10 11
9
8 a
12 13
Ring D-Ring zugeschnittene Eckplatte Randgurt Abdeckblech geschlitzte Eckplatte Randseiltasche Randseil Eckplatte Gurt Gewindefitting in Rohr Kugelscheibe Zugstab
Überall dort, wo zwei biegeweiche Membranränder in einer Ecke zusammenlaufen, müssen die Randseilkräfte verankert und in resultierender Kraftrichtung an die Unterkonstruktion oder Fundamtente abgeleitet werden. Die Ausprägung eines Eckdetails wird somit im Wesentlichen von der Konstruktion des Membranrands bestimmt. An Eckpunkte werden hohe Anforderungen gestellt: • Beweglichkeit der Anschlüsse in verschiedenen Drehachsen, da während Nutzung und Montage große Verformungen auftreten • Aufnahme der Randseilkräfte sowie der Spannkräfte aus der Membran • Ausrichtung der Eckplatten nach den Winkeln der Seilkräfte • Vermeidung von Exzentrizitäten (Abweichungen von der Symmetrie und den Systemlinien) • Nachjustierbarkeit der Randseile Diese Anforderungen müssen auf sehr engem Raum gelöst und umgesetzt werden. Im Folgenden wird vereinfacht von einer typischen Ecksituation mit jeweils zwei Randseilen ausgegangen, um die unterschiedlichen Konstruktionsweisen vorzustellen. Eine Membran wird im Eckbereich grundsätzlich aufgedoppelt, um unvermeidliche Spannungsspitzen abzutragen. Diese können auftreten, weil die Membran Überspannungen innerhalb der kurzen Spannweite im Zwickelbereich nicht durch Dehnung oder Verrautung der Gewebemaschen abbauen kann. Die zusätzliche Membranlage wird mit der Hauptmembran fest verschweißt oder vernäht und kreisförmig um die Ecke herumgeführt. Randseiltaschen sollten im Eckbereich aufgeweitet werden, damit sie nicht einreißen. Eckplatten werden meist aus galvanisiertem Stahl oder Edelstahl hergestellt, da Korrosionsschutzbeschichtungen aus Stahl durch Spannwerkzeuge und Seilbewegungen so stark beansprucht werden, dass Beschädigungen unvermeidbar wären. Eckdetails für Gurtränder
Da textile Gurte im Gegensatz zu Stahlseilen nicht knickempfindlich sind, können sie an den aa
E 4.36
E 4.34 E 4.35 E 4.36 E 4.37 E 4.38 E 4.39 E 4.40
E 4.41
E 4.37
206
E 4.38
Gurtecke mit verschiedenen eingenähten Eckplatten und Ringen Gurtecke mit seitlich offener Eckplatte geschlossene Membranecke mit separat durchlaufenden Randseilen Gurtecke mit eingenähter Platte, Trichterschirm, Barbados 2004, Rasch + Bradatsch offene Membranecke, Zeltkonstruktion, Magdeburg (D) 1994, Rasch + Bradatsch offene Membranecke mit unterbrochenen Randseilen Eckdetail mit geschlossener Ecke, zwei Gratund zwei Randseilen Membranüberdachung eines Hotels, Mekka (KSA) 2007, Rasch + Bradatsch offene Membranecke mit freiem Gratseil, Stadtbahnhaltestelle Waldau, Stuttgart (D) 1997, Unold/Schlaich Bergermann und Partner
Konstruieren mit textilen Membranen
Eckpunkten in sehr engen Radien umgeschlagen werden. Dadurch lassen sich sehr reduzierte Detailpunkte gestalten, bei denen ein Stahlring oder eine zugeschnittene Eckplatte mit Schlitzen bereits bei der Konfektionierung in die Ecke mit eingenäht wird (Abb. E 4.34 und E 4.37). Ist eine Austauschbarkeit oder spätere Montage der Eckplatten gewünscht, so können diese auch seitlich geschlitzt ausgeführt werden (Abb. E 4.35). Um ein Herausrutschen des Gurts zu verhindern und die Kraftübertragung in die Platte auch über den offenen Schlitz zu ermöglichen, sollte dieser mit einem seitlich verschraubten Blech geschlossen werden. Bei zugeschnittenen Platten ist zu beachten, dass alle Kanten sauber abgerundet sind. Für die Montage und das Spannen der Ecke muss unter Umständen neben dem eigentlichen Schraubenloch noch ein zweites für das Spannwerkzeug vorgesehen werden.
a a
b
Eckdetails mit Seilanschlüssen
Bei Eckdetails mit Randseilen müssen sowohl die Membran als auch die Randseile an die Eckplatte angeschlossen werden. Für den Membrananschluss bieten sich folgende Möglichkeiten: • offene Membranecke, d. h. kein direkter Anschluss (Abb. E 4.38, E 4.39, E 4.41; E 4.43, S. 208 und E 4.48 S. 209) • geschlossene Membranecke, direkter Anschluss (Abb. E 4.40, E 4.42, E 4.45, S. 209; E 4.46 und E 4.49, S. 210)
10
b
9 7 8
Der Anschluss der Randseile an die Eckplatte geschieht über: • separate durchlaufende Randseile (Abb. E 4.36 und E 4.38) • durchgehende Randseile (Abb. E 4.46, S. 209) • unterbrochene Randseile (Abb. E 4.39 – E 4.42; E 4.43, E 4.45, E 4.48, E 4.49, S. 210)
11 12
10
Offene Membranecken Bei offenen Membranecken wird die Membran nicht direkt, sondern über Randseile und gegebenenfalls Spanngurte mit der Eckplatte verbunden. Dabei wird die kreisförmig ausge-
8 13 aa b
E 4.40
7
a
bb E 4.39
E 4.41
207
Komplexe Gebäudehüllen
Funktionen des Wärmeschutzes
baukonstruktive Funktionen
physiologische Funktionen
ökologische Funktionen
ökonomische Funktionen
Vermeidung von Diffusionsschäden
hygienische Funktionen
Erzielen eines behaglichen Raumklimas
Minimierung von nutzungsbedingtem Energieverbrauch
Minimierung von Energiekosten (Heizungs- und Kühlungskosten)
Vermeidung von Tauwasserschäden
Vermeidung von Schimmelpilzbildung
Schutz vor Unterkühlung und Überhitzung
Verlängerung der Funktions- und Nutzungsdauer der baulichen Substanz
Verlängerung der Nutzungsdauer der baulichen Substanz
Vermeidung von Zwängungsspannungen
Reduzierung von Staubbildung und Verwirbelung
Reduzierung der Raumluftströmungsgeschwindigkeit
Minimierung von Investitions- und Betriebskosten klimatechnischer Anlagen
Angleichung und Vereinheitlichung der Temperaturen der Wandoberflächen im Rauminneren an die Raumlufttemperatur E 5.4
Nutzerverhalten
hygrisches Milieu
Brandschutz
Luftströmungsprofil der Innenraumluft
Lichtmilieu
akustisches Milieu
Wärmeschutzmaßnahmen
Temperaturverhältnisse im Rauminneren
Luftwechselanforderungen
Materialwahl Schallschutz
Lichtmilieu
lichtdurchlässige Wärmedämmung
Baukonstruktion
Besonderheiten bei Folien- und Membrankonstruktionen
Sanierungen Luftqualität: Frischluftanteil
a
Rechtslage
b
E 5.4 Funktionen des Wärmeschutzes E 5.5 a, b Bereiche, die in Wechselbeziehungen zu Wärmeschutzmaßnahmen stehen können und potenzielle Konfliktfelder im Rahmen von Wärmeschutzmaßnahmen E 5.6 Witterungsabhängigkeit von strahlungsdurchlässigen Konstruktionen
214
Ziel und Wirkung von Wärmedämmmaßnahmen Warum eigentlich ist man bestrebt, den Wärmedurchgang durch die Gebäudehülle zu reduzieren? Die Gründe sind vielfältig und gehen weit über den vermeintlich primären Anlass des Energiesparens hinaus; viele stehen zueinander in Beziehung (Abb. E 5.4). Die physiologischen Funktionen des Menschen dienen als Grundlage für die Schaffung eines hinreichend hygienischen und behaglichen Raumklimas. Im Rahmen jeder Wärmeschutzmaßnahme werden unterschiedliche Bereiche tangiert und beeinflusst (Abb. E 5.5 a). Diese Effekte müssen bedacht und kontrolliert werden. Gleichzeitig gibt es eine Reihe von potenziellen Konflikten, die es zu bewältigen gilt (Abb. E 5.5 b). Da die maßgeblichen Außenbedingungen, die auf ein Gebäude einwirken, dynamischer Natur sind, entziehen sich Wärmedämmmaßnahmen rein statischen Betrachtungen, auch wenn sie bislang in den einschlägigen Vorschriften so behandelt werden. Dynamische Wechselwirkungen zwischen dem Außenraum, der Gebäudehülle und dem Innenraum – und damit Konsequenzen für den Wärmestrom – ergeben sich insbesondere im Zusammenhang mit solaren Energieeinträgen über transluzente und transparente Gebäudehüllenausschnitte und den Wärmespeicherungseigenschaften von Bauteilen. Wärmeschutzmaßnahmen leisten – gerade bei wenig vorhandener Wärmespeichermasse – einen wesentlichen Beitrag zum Ausgleich von Tag- und Nachtschwankungen der Rauminnentemperatur.
Feuchteschutz
hygienische Anforderungen
Hochleistungsdämmungen wie z. B. VakuumDämmsystemen kommt es zu einer Verschärfung der Wärmebrückenproblematik. Die deutlich geringere Dämmstärke bei gleichzeitiger Minimierung der Wärmeleitung in der Fläche hat dabei zur Folge, dass jede Wärmebrücke, relativ betrachtet, stärker ins Gewicht fällt als bei konventionellen Dämmstoffen.
ökonomische Anforderungen
kurze angestrebte Nutzungsdauer
gestalterische Anforderungen
hohe Dämmstärken und nachträgliche Integration E 5.5
a typische opake Konstruktion mit Masse bzw. Wärmedämmung b strahlungsdurchlässige Konstruktion mit getrennten Schalen und geringer Masse E 5.7 bauphysikalische Betrachtung und Besonderheiten von Folienkissen
Sollen leistungsfähige und klimaabschließende Gebäudehüllen mit Folien- und Membranmaterialien entwickelt werden, sind im Vergleich zu konventionellen Werkstoffen und Bauweisen diverse Besonderheiten zu beachten, aus denen sich wiederum zusammen mit den weiteren spezifischen Eigenschaften der äußerst dünnen und biegeweichen Materialien für viele Aufgabenstellungen eigene Lösungsansätze ergeben, von denen im Folgenden einige vorgestellt werden, ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Da für Gebäudehüllen der Wärmeschutz eine wichtige Rolle spielt und genau hier Folien- und Membranmaterialien schon aufgrund ihrer geringen Stärke (0,1 – 2 mm) selbst keinen Wärmewiderstand bieten, liegt ein wesentlicher Lösungsansatz in der Mehrlagigkeit der Konstruk-
Komplexe Gebäudehüllen
tion, wie es insbesondere bei pneumatisch gestützten Membrankissenstrukturen der Fall ist. Bei gespannten Konstruktionen bleibt in der Regel nur der Einsatz von zusätzlichen Wärmedämmstoffen.
Taußen
Wärmetransport in Konstruktionen mit mehreren Schalen und sehr geringer Masse
Wärmetransport in Membrankissen
Pneumatisch stabilisierte Kissenkonstruktionen werden oft nicht aus statisch-konstruktiven Gründen gewählt, sondern weil die damit verbundene Mehrlagigkeit eine deutliche Verbesserung der wärmedämmenden Eigenschaften zur Folge hat. Insbesondere wenn Transparenz, also unbehinderte Durchsicht, und nicht nur Transluzenz (streuende Lichtdurchlässigkeit) gewünscht ist, stellen Folienkissenkonstruktionen im Membranbau und die auf S. 223 beschriebenen Glas-Folien-Verbundkonstruktionen die einzige Möglichkeit dar, vergleichsweise niedrige U-Werte zu erzielen. Maßgeblich sind die Wärmeübergangswiderstände von Material zu Luft und vor allem die Wärmekonvektion im Kissen, die bei entsprechenden Temperaturkontrasten aufgrund der großen Luftvolumina zwischen den Lagen unweigerlich wirksam ist. Wie Abb. E 5.8 a (S. 216) zeigt, sind die konvektiven Effekte aufgrund der aufsteigenden wärmeren Luft in Abhängigkeit von Kissenlage und Wärmestromrichtung (jeweils horizontal oder vertikal) unterschiedlich. Jede weitere Membranlage und damit Luftkammer im Kissen reduziert das Volumen, führt zwei weitere Wärmeübergangswiderstände (Luft – Membran –
Konvektion
Konvektion
Konvektion
TZwischenraum TKonstr. innen
TRaumluft
TBoden a
b sonniger Tag
bewölkter Himmel
klare Nacht E 5.6
Integration von solarer Aktivtechnik (optional) • Photovoltaik • Solarthermie Schalltransmission (Emissionen von innen) Wärmetransport im Bereich der Klemmung
Schallreflexionen
Schalltransmission (Emissionen von außen) Niederschlagsgeräusche
Wärmetransport über das Kissen
Im Vergleich zu opaken Hüllkonstruktionen mit vergleichsweise schweren Baustoffen und gegebenenfalls Wärmedämmung, in denen der Anteil der Wärmeleitung am Gesamtwärmetransport bei Weitem dominiert, sind bei permeablen, leichten und mehrschaligen Konstruktionen, also vor allem bei ein- und mehrschaligen Membran-Gebäudehüllen, die Anteile über Konvektion und Wärmestrahlung ausschlaggebend (Abb. E 5.6). Die Wärmeleitfähigkeit der eingesetzten Materialien ist, wie auch bei anderen dünnen plattenförmigen Kunststoffen, aufgrund der geringeren Materialstärken und der Anordnung senkrecht zum Wärmestrom nahezu ohne Bedeutung. Der hohe Anteil der Strahlungswärmeübertragung führt zu einem differenzierten Verhalten der Hülle in Bezug auf die Strahlungsumgebung, das für die Optimierung der energetischen Leistungsfähigkeit der Konstruktion zu berücksichtigen ist (Abb. E 5.6). Besonders ohne dämpfend wirkende Wolkenschicht, also bei Sonne oder sternenklarer Nacht kommt es zu erheblichen Energietransport über Strahlung. In der Folge können beispielsweise entsprechend exponierte Flächen deutlich unter die Umgebungstemperatur abkühlen. Das dann möglicherweise anfallende Kondensat ist bei der Ausbildung der Konstruktion zu beachten.
TKonstr. außen Wärmeleitung
Solare Einstrahlung • sichtbares Licht • infrarote Wärmestrahlung (kurzwellig) • ultraviolette Strahlung
Reflexion
Bewuchs (Mikroorganismen) / mögliche Verschmutzung • Optik • Erhöhung der Absorption
Reflexion
Konvektion
Konvektion Reflexion
Wärmestrahlung (langw.) durch Absorption Wärmeabstrahlung aufgrund Eigentemp. in Abhängigkeit der Oberflächenemissivität, ggf. Reflexion von Wärmestrahlung (low-E)
Solarer Energieeintrag natürliches Tageslicht (Gefahr von Blendung)
mögliche Tauwasserbildung
mögliche Verschmutzung • Optik • Reinigungsoptionen
Wärmestrahlung (langw.) durch Absorption
Wärmestrahlung (langw.) durch Absorption E 5.7
Luft) ein und stellt somit eine Verbesserung dar (Abb. E 5.8 b, S. 216). Weiterhin ist für den Wärmetransport in der Membrankissen-Gebäudehülle auch die Randausbildung im Bereich des Kissens von Bedeutung. Wichtig ist neben der Wärmedämmqualität der Klemmkonstruktion (z. B. durch eine thermische Trennung) wie bei anderen Wärmebrückenuntersuchungen und ähnlich der Situation Fensterfläche/Fensterrahmen
eine Betrachtung des Flächenanteils zwischen Klemmprofil und Kissenfläche, aus dem sich der Gesamt-U-Wert ergibt. Maßgeblich ist hier der auf die Randausbildung bezogene Wärmedurchgangskoeffizient (Uf-Wert) bzw. der längenbezogene Wärmedurchgangskoeffizient Ψ [W/mK]. Bei Membrankissen besteht an dieser Stelle eine grundsätzliche Optimierungsoption durch eine räumliche Trennung der einzelnen
215
Teil F
Abb. F
handlaminierte GFK-Paneele, Mobile Art – Chanel Contemporary Art Container, Zaha Hadid Architects
Gebaute Beispiele im Detail
01
Baar-Baarenfels, Fassadengestaltung und Innenausstattung in Wien (A)
226
02
Marco Serra, Empfangsgebäude in Basel (CH)
229
03
Foster + Partners, Büro- und Geschäftshaus »The Walbrook« in London (GB)
232
04
Takeshi Hosaka, Wohnhaus in Minamituru-gunn (J)
234
05
Atelier Architecture King Kong, Seeko'o Hotel in Bordeaux (F)
236
06
Pfeifer Roser Kuhn, Wohnhaus in Müllheim (D)
237
07
Squire and Partners, Flagship Store und Firmenzentrale in London (GB)
240
08
Selgas Cano, Bürogebäude in Madrid (E)
243
09
KHR arkitekter, Firmenzentrale in Middelfart (DK)
244
10
Deffner Voitländer, Wohn- und Bürohaus in Dachau (D)
245
11
Zaha Hadid Architects, Mobile Art – Chanel Contemporary Art Container
248
12
raumlaborberlin, Mobiler Aktionsraum
252
13
Jabornegg & Pálffy, Bankgebäude in Bratislava (SK)
253
14
Promontorio Architetcts, Einkaufszentrum in Amadora (P)
256
15
L35 /Ganz & Muller Architectes Associés /GM2A Architectes, Freizeitzentrum in Neydens (F)
258
16
Herzog + Partner, Trainingshalle der Bergwacht in Bad Tölz (D)
260
17
SBA Architekten, Überdachung der Erschließungsachse der Weltausstellung in Shanghai (CN)
262
18
hg merz architekten museumsgestalter, Gedenkstätte in Sachsenhausen (D)
268
19
von Gerkan, Marg und Partner, Olympiastadion in Berlin (D)
270
20
Foster + Partners, Sanierung und Umbau Hauptbahnhof in Dresden (D)
273
21
Murphy/Jahn, Passagier-Terminal-Komplex Suvarnabhumi International Airport in Bangkok (T)
277
22
Behnisch Architekten, Forumüberdachung in Kolbermoor (D)
280
23
Nikolai Kugel Architekten, Freilufttheater Festungsarena Josefsburg in Kufstein (A)
282
225
Beispiel 09
Firmenzentrale
Firmenzentrale Middelfart, DK 2006 Architekten: KHR arkitekter, Kopenhagen Jan Søndergaard Mitarbeiter: Henrik Danielsen, Emi Hatakana, Ole Jensen, Claus Bang Lauridsen, Morten Vedelsbøl
Wie ein geschwungener Hügel liegt die Firmenzentrale eines dänischen Herstellers von glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) in der flachen Landschaft. Das Gebäude vereint Entwicklung, Herstellung und Verwaltung unter einem Dach, wobei ein integriertes Hochregallager die Maximalhöhe des Baukörpers definiert. Um dieses zentrale Element gruppieren sich alle funktionalen Bereiche der Produktion. Verwaltung, Entwicklung und Marketing sind auf der dreigeschossigen Ostseite des Gebäudes untergebracht und durch eine Verglasung von der Produktionshalle getrennt, wodurch ein Blickbezug herstellt wird. Drei große transparente Einschnitte gliedern das langgestreckte Bauwerk und verleihen dem Gebäude Dynamik. Gleichzeitig sorgen diese »gläsernen Klammern« für eine natürliche Belichtung aller Nutzungsbereiche. Für die Gebäudehülle wurden von der Firma selbst produzierte und teilweise speziell für dieses Bauvorhaben entwickelte Produkte eingesetzt. Die Außenfassade besteht aus dampfdichten Sandwichpaneelen, die mit GFK-Planken verkleidet sind. Diese hinterlüftete Außenhaut ist durch einen integrierten Überlappungsstoß regendicht. Auch für Fensterbänke und -rahmen kamen speziell geformte GFK-Profile zum Einsatz, die mit einer sehr schmalen Ansichtsbreite dennoch gute Wärmedämmwerte erreichen. Sowohl die pultrudierten (stranggezogenen) Profile als auch die Fassadenplatten sind mit transparentem Harz gefertigt, sodass die innen liegende Faserverstärkung sichtbar ist und den Bauteilen eine Tiefenoptik verleiht. Für die Ganzglasfassade der drei Einschnitte wurden ebenfalls GFK-Profile verwendet, die direkt mit den Glasscheiben verklebt sind. Die vorgefertigten Elemente sind lediglich verschraubt und an der Unterkonstruktion befestigt. Durch die steife Verklebung kann die Glasscheibe zur Lastabtragung hinzugezogen werden, was die Rahmenabmessungen im Vergleich zu Aluminiumfassaden wesentlich optimiert. • Fassadenbeplankung aus glasfaserverstärktem Kunststoff • sehr schmale Fensterprofile aus glasfaserverstärktem Kunststoff
244
1
Detailschnitt Maßstab 1:5 1
2
2
3 4
Fassadenpaneel glasfaserverstärkter Kunststoff 500 ≈ 40 mm Aufhängung aus Paneelstreifen, 180° gedreht Sandwichpaneel 200 mm Gipskarton 16 mm Stahlprofil Å 220 Klappfenster Isolierverglasung verklebt mit Festerrahmen glasfaserverstärkter Kunststoff Fensterbrett glasfaserverstärkter Kunststoff Kabelkanal
3
4
Wohn- und Bürohaus
Wohn- und Bürohaus Dachau, D 2005 Architekten: Deffner Voitländer, Dachau Mitarbeiter: Stefan Bohnengel, Julia Hertel, Kersten Waltz, Florian Zeitzler Tragwerksplanung: Tischner und Pache, Dachau
Das Wohn- und Bürogebäude der Architekten befindet sich in der Dachauer Altstadt. Die großzügige Freifläche im Osten wird beinahe zur Hälfte von der weitausladenden Baumkrone einer ca. 100 Jahre alten Linde bedeckt. Dieses Naturdenkmal bildet den Mittelpunkt des innerstädtischen Platzes und verleiht dem Grundstück seine Einzigartigkeit. Das Atelierhaus orientiert sich daher mit allen Aufenthaltsräumen nach Osten, der Ausblick auf den Baum ist das zentrale Thema. Auch die Fassade greift diesen Aspekt auf. Fotografien der Linde wurden auf die Außenhaut projeziert, die Konturen des Baums legen sich als Abwicklung um das gesamte Haus. Möglich macht dies die transluzente Gebäudehülle aus glasfaserverstärktem Kunststoff. Das auf Spezialpapier geplottete Baummotiv ist in die von Hand laminierten Paneele eingelegt. Beim Durchtränken mit Kunstharz bleibt abschließend nur der Druck sichtbar, der noch mit einer letzten GFK-Schicht überzogen wird. Auch die Unterkonstruktion ist je nach Sonneneinstrahlung deutlich zu sehen. Sie zeigt die Mehrschichtigkeit der Fassade, die dadurch auch eine räumliche Wirkung und die gewünschte Leichtigkeit erhält. Das zurückgesetzte Dachgeschoss hebt sich in Farbe und Form deutlich von den unteren Geschossen ab. Das Fassadenmaterial ist jedoch das gleiche. Um den gedeckten Aubergineton zu erreichen, wird hochpigmentierte Farbe mit dem Kunstharz gemischt. Die einzelnen Paneele haben umlaufend abgerundete Ecken und Flansche, die sich an den Stößen überlappen und miteinander verschraubt sind. Das dadurch entstehende Fugenbild strukturiert die Fassade. Die erforderlichen Negativformen für die einzelnen GFK-Elemente sind unprätentiös in Handarbeit aus Styropor und Polyurethan-Schaum mit einer Feile entstanden. Das Gebäude setzt einen deutlichen Kontrapunkt zur umliegenden Bebauung, ohne sie zu dominieren und lässt dem Naturdenkmal in städtebaulicher Hinsicht den Vortritt. • glasfaserverstärkter Kunststoff • transluzente Gebäudehülle mit einlaminiertem Baummotiv • Fassadenstruktur mit abgerundeten Paneelen
Grundrisse Maßstab 1:250
1 2 3 4 5 6 7 8
9 10 11 12 13 14 15 16
Müllraum Treppenhaus Büro Plotterraum Küche Luftraum Besprechung Bad
Zimmer Wohn/Essbereich mit offener Küche Speisekammer Abstellraum Ankleide Schlafzimmer Galerie Dachterrasse
13 14
12
6 15
8
16 2. OG
8
11
9
9
9
10
1. OG
a
5 1
2
4
3
EG
6
7
a
245
Beispiel 16
Trainingshalle der Bergwacht Gaißach, D 2008 Architekten: Herzog + Partner, München Thomas Herzog, Hanns Jörg Schrade Mitarbeiter: Xaver Wankerl Tragwerksplanung: Sailer Stepan Partner Beratende Ingenieure für Bauwesen GmbH, München aa
Kernstück des Zentrums für Sicherheit und Ausbildung der Bergwacht Bayern in Gaißach bei Bad Tölz ist die Simulationsanlage für die technische Luftrettung. Mit der Errichtung der neuen Halle entfallen die kostspieligen und wetterabhängigen Trainingseinsätze mit dem Hubschrauber im Freien, und gleichzeitig werden durchschnittlich 350 l Kerosin pro Trainingsstunde eingespart. In der Halle kann an zwei Hubschrauberzellen der Einsatz geprobt werden: am sogenannten Standsimulator, der auf einem Stahlgerüst in einer der Hallenecken platziert wurde und zu einfacheren Übungen dient, und an einem Flugsimulator, der an einer Kranbahn quer durch die Halle bewegt werden kann. Um so realitätsnah wie möglich trainieren zu können, wurde die Fassade nicht gedämmt. Sie besteht lediglich aus einer transparenten Folienkonstruktion. So bleiben Witterungseinflüsse in der Halle spürbar. Außerdem ist die Anlage mit weiteren Besonderheiten ausgestattet: Künstlicher Fluglärm, durch Ventilatoren erzeugter Rotorenwind und Stroboskopblitze, die die flirrenden Sonnenstrahlen nachahmen, sollen den Beteiligten das Gefühl eines echten Einsatzes vermitteln. Wegen seiner Höhe von rund 20 m ist der Kubus hohen Windkräften ausgesetzt. Fünf Dreigurtrahmen aus Stahl bilden in Verbindung mit der Portalkrananlage, an der der Hubschrauber hängt, das Primärtragwerk. Dazwischen liegen die Nebenträger, die die modulare Membranfassade tragen. Eigens entwickelte Rahmenelemente sind mit einer 0,3 mm starken, UV-stabilen und sich selbst reinigenden ETFE-Haut überzogen. Die Folie wird dabei um die Kanten eines Z-Profils geschlagen und mit Klemmleisten fixiert. Im zweiten Schritt spannen vertikale Druckbögen diese nach außen. Die Sehnen der Bögen halten die Rahmen exakt in ihrer Position. Um eventuellen Vandalismusschäden an der Membran vorzubeugen, ist der Sockelbereich mit robusten Betonscheiben und dazwischenliegenden Falttoren verkleidet. Neben dem Dach und den angrenzenden Fassadenfeldern ist auch die Nordseite holzverschalt, um dort im Innern eine Kletterwand installieren zu können. • ETFE-Folie, mechanisch vorgespannt • Rahmen aus Z-Profilen und Druckbögen
260
a
Schnitt • Grundriss Maßstab 1:750
a
Trainingshalle der Bergwacht
2 4
3
1
5 8 6 7
3
Aufsicht • Vertikalschnitt • Horizontalschnitt Rahmenelement Maßstab 1:20 Detailschnitt Maßstab 1:2
1
8 5 6
3 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Stahlprofil Å 240 mm Schraube M12 Z-Profil Stahl 3 mm als Rahmen verschraubt Keder EPDM Ø 8 mm ETFE-Folie je nach Statik 0,20 mm, 0,25 mm, 0,30 mm Druckbogen Stahlrohr Ø 35 ≈ 8 mm Sehne Stahlrohr Ø 8 mm Flachstahl ¡ 60/120/5 mm Stahlprofil HEB 240 mm
6 7 c
c 9
b
6
5
3 9
b cc
bb
261
Beispiel 22
Forumüberdachung – Alte Spinnerei Kolbermoor, D 2010 Architekten: Behnisch Architekten, München Stefan Behnisch, David Cook, Martin Haas, Robert Hösle Mitarbeiter: Christian Glander, Wyly Brown Objektüberwachung: Quest Architekten, Thomas Gerhager Tragwerksplanung: Knippers Helbig Advanced Engineering, Stuttgart – New York Mitarbeiter: Boris Peter, Klaus Pfaff, Ivan Tontchev Die Ansiedlung der nahe Rosenheim gelegenen Stadt Kolbermoor geht auf die Gründung der Baumwollspinnerei in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück. Die Lage an der Eisenbahnstrecke und die Nutzung der Wasserkraft gaben den Ausschlag für die Standortwahl des Unternehmens. Die Mangfall wurde auf einem Teilabschnitt von knapp 3 km Länge begradigt und ein ebenso langer Werkskanal gebaut. Nach einer wechselvollen Firmengeschichte schlossen sich in den 1990er-Jahren die Tore der Produktionshallen für immer. Sanierung, Umnutzung und Neubauten auf dem Gelände der Spinnerei ließen nach Jahren des Stillstands einen neuen Stadtteil entstehen, der durch die Industriedenkmäler einen eigenen Charakter hat. Die Freifläche im Mittelpunkt der Anlage, das neue Forum, soll für Ausstellungen und Konzerte nutzbar sein und zum zentralen Treffpunkt der »Alten Spinnerei« werden. Überspannt wird diese Freifläche mit einem Membrandach aus einem PTFE-beschichtetem Glasfasergewebe, das in ein Netz aus 10 cm breiten und bis zu 40 m langen Membrangurten übergeht und so die Geschichte des Orts mit dem Thema »Verweben« interpretiert. Sie ist weniger Dach, vielmehr eine filigrane Skulptur, die das Ensemble der denkmalgeschützten Gebäude über den Kanal hinweg miteinander verbindet. Die Netzkonstruktion besteht aus zweilagig miteinander verschweißten Membranstreifen, die mit speziell dafür gefertigten Edelstahlklemmen gehalten werden. An den Kreuzungspunkten sind diese übereinander liegend und gedreht über eine zentrale Schraube miteinander verbunden, um die Differenzkräfte übertragen zu können. Die Pylone aus Lärchenbrettschichtholz sind Pendelstützen mit einer Kugelgelenkverbindung am Fuß, die über Mikropfähle und Stahlbetonpfahlköpfe die Lasten in den tragenden Untergrund einleiten. Aufgeschweißte Membranwülste an den Dachrändern lenken das Regenwasser zu den beiden Tiefpunkten mit freiem Auslauf im Garten und mittels einer Membrantasche in das Regenfallrohr am Gebäude. • Dach aus Glasfasergewebe PTFE-beschichtet • Netzstruktur aus zweilagigen und vollflächig verschweißten Membrangurten
280
4 6
1
A
5
3
6
2 6
C B 7
Forumüberdachung – Alte Spinnerei
Grundriss Maßstab 1:750 Isometrien Details Maßstab 1:5
1 2 3 4 5 6 7
Kesselhaus Cafe Schornstein Veranstaltungfläche Pagode temporäre Pagode Triebwerkskanal a 8
8
9
9
10
10
11
11
12
13
13
12
a
A
aa
8
9 10 11 12 13
14 15 16 17 18
Membrangurt 2-lagig Glasfasergewebe PTFE-beschichtet 2≈ 0,7 mm, vollflächig miteinander verschweißt Reißfestigkeit Gurt 18,2 kN Membranklemme aus 2 profilierten Edelstahlblechen: 140/50/6 mm, 140/50/8 mm, verschraubt Edelstahlblech profiliert 135/140/3 mm Edelstahlblech profiliert 300/150/7 mm Edelstahlseil Ø 8 mm Membran Glasfasergewebe PTFE-beschichtet 0,7 mm Reißfestigkeit Kette/Schuss 140/120 kN/m Membranklemme aus 2 profilierten Edelstahlblechen: 140/30/4 mm, 140/30/6 mm, verschraubt Senkschraube mit Innensechskant M8 Edelstahlblech profiliert 140/147/3 mm Seilklemme aus 2 profilierten Edelstahlblechen: 150/141/5 mm, verschraubt Randseil Ø 24 mm
b
8
8
14
14
16
16
17 18 17 B
b
bb
14
cc
14
15 c
8 14
c
C
281