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60 Jahre Detail Eislaufzelt in München
freistehendes Eigenheim: vom einfachen Fertighaus bis hin zur pseudomondänen Kleinvilla. Nun liegt es an den jungen Klimastreikenden von heute, diesen Teufelskreis zu durchbrechen, ist doch der energetische und ökologische Fußabdruck des Einfamilienhauses unvereinbar mit dem Kampf gegen die globale Erwärmung.
Sicheres Refugium
Trotzdem sehnen sich noch immer viele Menschen nach einem Einfamilienhaus, das ihren Wunsch nach Freiheit, Unabhängigkeit, Sicherheit, Geborgenheit und Ruhe erfüllen soll – und die CoronaPandemie lässt ihn derzeit noch dringlicher erscheinen. Nachbarschaftsstreitereien oder soziale Isolation können sie ebenso wenig von ihrem Streben nach einem sicheren Refugium abhalten wie lange Pendlerstrecken. Und die Corona-Lockdowns der letzten Monate ließen sich wahrscheinlich im eigenen Haus dank Homeoffice, Heimunterhaltung, Gartengrill und Fitnessraum besser aushalten als in der kleinen Stadtwohnung. Nicht zuletzt deshalb wird nun das Einfamilienhaus zum multifunktionalen Lebensmittelpunkt einer neuen Ära erklärt, für die die Amerikaner bereits die Bezeichnung Age of Nesting (Zeitalter des Nestbaus) geprägt haben.
Mehr noch als die Pandemie führt wohl ein neu erwachter Familiensinn dazu, dass es wieder mehr Leute aus der räumlichen Enge der gerade noch als hip gefeierten Städte in die suburbanen Einfamilienhäuser zieht. Doch die nachfragebedingte Preisexplosion lässt das Leben hinter dem eigenen Gartenzaun für viele zum unerreichbaren Traum werden, und dies, obwohl die Zahl der Einfamilienhäuser in Deutschland seit 2001 um zwei Millionen auf fast 16 Millionen Einheiten angewachsen ist. Allein schon diese Zunahme veranschaulicht, dass das Leben im Einfamilienhaus nach wie vor die beliebteste Wohnform ist, im deutschsprachigen Raum genauso wie in anderen wohlhabenden Ländern.
Vorgänger des freistehenden Eigenheims waren stattliche Villen und biedermeierliche Baumeisterhäuser, die im 19. Jahrhundert als bürgerliche Antwort auf die noblen, seit der Renaissance und dem Barock außerhalb der Städte entstandenen Landsitze und Sommerhäuser errichtet wurden. Unter dem Motto My home is my castle wurde das Einfamilienhaus zum Inbegriff unantastbarer Privatsphäre. Deshalb breitete es sich gerade in den USA früh schon teppichartig um die Innenstädte aus. Ein schönes Beispiel ist Venice, das heutige Vergnügungszentrum von Los Angeles am Pazifik. An künstlich angelegten Kanälen bot dort Abbott Kinney zu Beginn des 20. Jahrhunderts Kleinparzellen von rund 10 × 25 m an, auf denen die Käufer ihre Traumbauten verwirklichen konnten. Die winzigen Grundstücke machten ihr Vorhaben erschwinglich, und die hohe Bebauungsdichte erlaubte einen Anschluss an die ins 20 km entfernt gelegene Zentrum von Los Angeles fahrende Straßenbahn.
Als in den Roaring Twenties das Privatauto zum Massenverkehrsmittel aufstieg, erwiesen sich die engen Quartierstrukturen von Venice als Hindernis,
ROMAN HOLLENSTEIN prägte als Redakteur für Architektur und Design jahrelang das Feuilleton der Neuen Zürcher Zeitung. 2012 erhielt er den BDAPreis für Architekturkritik. Heute ist er als freischaffender Architektur- und Kunstkritiker tätig. ROMAN HOLLENSTEIN shaped the features section of Neue Zürcher Zeitung for many years as the newspaper’s editor for architecture and design. He retired in 2017 and has been writing about architecture there as a freelancer ever since.
Das Stahl House von Pierre Koenig aus dem Jahr 1960 ist als einfaches, kostengünstiges Eigenheim gebaut. Heute gilt es als Ikone des luxuriösen Lifestyles. Pierre Koenig’s 1960 Stahl House was designed as a simple, affordable home. Today it is considered an icon of luxurious living. the cool, eccentric design of Maison Arpel by architect Jacques Lagrange, with its porthole windows, futuristic kitchen, and minimalist garden replete with fountain, which became the epitome of the petit- bourgeois paradise? It is hardly surprising that, ten years later, the generation of 1968 not only rejected their parents’ stifled and boring way of life, but also the single- family home that represented it. But then the revolutionaries of yore, torn between urban flat-sharing and farmhouse, had families of their own and fell into the single-family home trap themselves. Each generation since has experienced how the quest for new horizons often leads back to the small happiness of home and garden. This is one reason why every other residential building in Germany is now a detached home, from the simple prefabricated house to the pseudo-sophisticated small villa. Now it is up to today’s young climate strikers to break this vicious cycle, as the environmental footprint of the single- family home is incompatible with the fight against global warming.
A safe refuge
Many people still long for a single-family home to fulfil their desire for freedom, independence, safety, security, and tranquillity – with the Covid-19 pandemic making it all the more appealing. Squabbles with neighbours or social isolation are hardly a deterrent, any more than long commutes. And the recent pandemic-related lockdowns are better endured in a house of one’s own than in a cramped city flat – thanks to home office, home entertainment, home gym, and backyard barbecue. This also helps explain why the single-family home is being heralded as the multifunctional hub of life for a new era – the Americans have already coined it the Age of Nesting.
was zum Niedergang der einstigen Idealsiedlung führte. Nun setzte Los Angeles auf das Haus mit viel Garten drum herum und Garage, wobei die Zeitschrift Arts & Architecture seit 1945 den Bau preisgünstiger, Case Study Houses genannter Modellhäuser tatkräftig unterstützte. Architekturikonen wie das hoch über der Megastadt schwebende Stahl House von Pierre Koenig oder das Eames House in Pacific Palisades täuschten darüber hinweg, dass Einfamilienhäuser, so schick und fotogen sie auch sein mögen, mehr Probleme schaffen, als sie zu lösen vermögen. Gleichwohl drangen sie bald auch in Europa in zunehmend autogerechter gestaltete Landschaften vor und führten zusammen mit den ihnen folgenden Einkaufszentren zur Anonymisierung und Verödung von Vorstädten und Dörfern.
Chaos und Ästhetik
War das den westlichen Individualismus verherrlichende Einfamilienhaus zunächst vor allem ein weltanschauliches Streitobjekt, so wurde es im Zeichen von Klimaerwärmung, Überbevölkerung und Landverschleiß zu einem immer größeren gesellschaftlichen Problem. Heute steht es für Naturverdrängung, Zersiedelung, missglückten Städtebau, Privatverkehr, aufwendige Infrastrukturen und übermäßigen Energieverbrauch. Dennoch hat dieser ineffiziente Gebäudetyp entgegen jeglicher Vernunft weiterhin eine große Anhängerschaft. Daran sind unsere Familienstrukturen genauso schuld wie die Fertighausindustrie – aber auch all jene Architekten, die mit formalen Experimenten das Interesse von Architekturzeitschriften und Wohnmagazinen wecken möchten. Ihnen tun es die Berufseinsteiger gleich, denen Bekannte und Verwandte mit Bauaufträgen für Einfamilienhäuser oft erst den Beginn einer Karriere ermöglichen. Um ihr Können und ihre Phantasie unter Beweis zu stellen, ziehen sie alle Register. Neben schrillen Bauten, die das baukünstlerische Chaos der Einfamilienhaussiedlungen leider noch verstärken, entstehen gelegentlich auch provokative Arbeiten wie 1980 das Blaue Haus von Jacques Herzog und Pierre de Meuron im Basler Vorort Oberwil. Dieser erste eigenständige Bau der späteren Pritzkerpreisträger erinnert in der Seitenansicht mit Spitzgiebel und Rundfenster an ein Vogelhaus. Er karikiert die umstehenden Bauten, kann aber auch als Antwort auf die Hasenstall- Kritik von Max Frisch in der 1954 zusammen mit Lucius Burckhardt und Markus Kutter herausgegebenen städtebaulichen Streitschrift „Achtung die Schweiz“ verstanden werden.
Die ästhetischen Auswirkungen der Einfamilienhaus-Pest auf die Stadtlandschaften sind nicht zu
J. Paul Getty Trust. Getty Research Institute, Los Angeles
Das Haus des Designerpaars Charles und Ray Eames entstand 1948 ebenfalls im Rahmen des Case-StudyHouse-Programms als einfache Stahlkonstruktion. The Eames House by designers Charles and Ray Eames has a simple, steel frame, and was built in 1948 as part of the Case Study House programme.
Das Einfamilienhaus wird zum multifunktionalen Lebensmittelpunkt einer neuen Ära erklärt. The single-family home is being heralded as the multifunctional hub of life for a new era.
The revival of the family unit may be an even stronger reason why people are abandoning the confines of the cities, only recently celebrated for their hipness, for a house in the suburbs. But the demand-driven explosion in land prices means that living behind one’s own garden fence is an unattainable dream for many, despite the fact that the number of detached houses in Germany has grown by two million to total nearly 16 million since 2001. This increase alone proves that the single-family home is still the most popular form of housing, in German-speaking countries as well as in other affluent countries. The predecessors of the detached home were stately villas and Biedermeier master-builders’ houses, which were erected in the 19th century as a middle-class answer to the noble country residences and summer homes that had been built outside the cities since the Renaissance and Baroque periods. Under the motto “My home is my castle” the single- family home became the epitome of inviolable privacy. That is why it spread like a carpet around inner cities early on, especially in the USA. A fine example is Venice, California, now the entertainment centre of Los Angeles on the Pacific Ocean. In the early 20th century, Abbott Kinney offered small plots of land of ca. 10 × 25 m along man-made canals, where buyers could realise their dream home. The tiny lots made them affordable, and the high density of development allowed for a connection to the streetcar running to downtown Los Angeles, 20 km away. When the private car became a means of mass transportation in the Roaring Twenties, Venice’s
Haus SO in Esslingen House SO in Esslingen
Finckh Architekten
Tragwerksplanung Structural engineering: Hemminger Ingenieurbüro
Ein Einfamilienhaus für Rentner auf minimalem Platz mit minimalem Budget. Daher zugleich Fassaden, das Baugrundstück war ein Parkplatz. A single-family house for a retired couple on a minimal site for a minimum budget. This explains why the roof surfaces are also the facades. The site was once a parking space.