Die Sammlung Ludwigs I.

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Bayerische Staatsgemäldesammlungen Neue Pinakothek Katalog der Skulpturen – Band I: Die Sammlung Ludwigs I.


Bayerische Staatsgemäldesammlungen Neue Pinakothek Herbert W. Rott

Katalog der Skulpturen Band I Die Sammlung Ludwigs I.

Gefördert durch die Ernst von Siemens Kunststiftung


Inhalt Bernhard Maaz

Eine königliche Sammlung und ihre Kontexte Anstelle eines Vorwortes

Katalog der Skulpturen

Johann Leeb 220

Anhang

Joseph Ernst von Bandel 32

Arnold Hermann Lossow 224

6 Lorenzo Bartolini 51

Die Skulpturen Ludwigs I. in der Neuen Pinakothek 16

Verschollene Porträtbüsten aus der Sammlung Ludwigs I.

336

Johann Christian Lotsch 227

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Johann Jürgen Busch 55

Emanuel Max von Wachstein 230

Inventare, Kataloge, Quellen und Literatur 342

Antonio Canova

Christian Daniel Rauch 232

Index nach Inventarnummern

Joseph Maria Christen 72

Wilhelm von Rümann

Register der dargestellten Personen

Johann Heinrich von Dannecker 77

Johann Gottfried

Konrad Eberhard 80

Rudolf

Hermann Ernst Freund 86

Johann Nepomuk

Ernst Julius Hähnel 91

Peter Schöpf 262

Johann von Halbig 94

Franz Xaver Schwanthaler 265

Johann Nepomuk Haller 165

Ludwig von Schwanthaler 269

Anton Hautmann 178

Giacomo Spalla 277

Werner Henschel 187

Johann Baptist Stiglmaier 281

Joseph Hermann 190

Pietro Tenerani 288

Anton Heinrich Hess 192

William Theed d. J. 294

Anton Horchler 194

Bertel Thorvaldsen 297

58

Jean-Antoine Houdon

198

242

Schadow

Schadow

248

Schaller

Christian Friedrich

244

Tieck

258

310

Heinrich Max Imhof 204

Ludwig Wilhelm Wichmann 320

Johann Peter Kauffmann 208

Max von Widnmann 323

Joseph

Kirchmayer

Konrad Knoll 218

211

Emil Wolff 329 Franz Woltreck 332

345

Bildnachweis | Impressum

349 351


6 Bernhard Maaz

Eine königliche Sammlung und ihre Kontexte

Anstelle eines Vorwortes

Das hat Italien so groß gemacht, Daß jeder Nachbar mit dem andern streitet, Die Bessern zu besitzen, zu benutzen.1 Ludwig I. von Bayern, der als Kronprinz vielen Ma-

gen lebender Künstler beziehungsweise gliederte

lern eng verbunden war, liebte und sammelte Kunst

sie aus den Museen des Louvre aus, und die Berli-

seiner Epoche wie auch der europäischen Kunstge-

ner Nationalgalerie, die einen nationalen Anspruch

Norden interessant gewesen, doch siegte der Süden.

An beiden Stätten wurde die Geschichte der Skulp-

schichte; seine Erwerbungen reichen von der Flo-

in ihrem Namen trägt und die 1861 gegründet

Später ging es nicht nur um Werke wie etwa die

tur von der Antike in die Jetztzeit geführt, wobei

rentiner Renaissance bis zur altdeutschen Malerei

und 1876 eröffnet wurde, brauchte – da war der

Gemälde van Goghs, sondern um führende Köpfe

die Schnitzaltäre des Mittelalters, die Bronzen der

aus den Sammlungen Boisserée und Oettingen-Wal-

bayerische König längst tot – mehrere Jahrzehnte,

wie Hugo von Tschudi, den Direktor. In der ersten

Renaissance oder die Heiligenfiguren des Rokoko

lerstein. Hinter seinem Engagement für die Male-

um ihren skulpturalen Bestand aufzubauen, der sich

Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde der Hegemo-

ausgeblendet blieben, da sie einer »Verfallszeit«

rei stand jenes für die Skulptur in der öffentlichen

dann doch im Rückblick hinsichtlich der Ankäufe

nieanspruch wieder anders ausgetragen, und das

zugerechnet wurden. An beiden Orten aber präsen-

Wahrnehmung zurück. Das gilt nicht hinsichtlich

von Schöpfungen zeitgenössischer Bildhauer nur

hatte Folgen auch für die Gattung der Skulptur der

tierte sich die klassizistische Skulptur als Erbe der

der Erwerbungen antiker Bildwerke, die in die von

bedingt als repräsentativ erwies, da viele Käufe aus

Zeit. Die Glyptothek und die Alte Pinakothek waren

Antike, und das bedeutete, dass man das Postulat

ihm initiierte Glyptothek gelangten. Aber es gilt hin-

Protektionismus erfolgten oder als pure finanzielle

als Museumsbauten von entscheidender Bedeutung

Johann Joachim Winckelmanns von edler Einfalt

sichtlich der freien, der idealplastischen Arbeiten

Förderung junger einheimischer Künstler. Die erste

für die Etablierung Münchens als Sammlungs- und

und stiller Größe eingelöst zu haben meinte oder

seiner Zeit. Gewiss, er sorgte für die erlesenen Er-

ins dortige Inventar eingetragene Skulptur stammte

Museumsstandort; das eine Gebäude beherberg-

dies doch zumindest beanspruchte.

werbungen von großartigen Hauptwerken der zwei

von dem 1850 gestorbenen Johann Gottfried Scha-

te die antike Skulptur und ein paar wenige Werke

Im Alten Museum in Berlin gab es in den 1830er-Jah-

lange rivalisierenden europäischen Hauptmeister,

dow, wurde 1865 erworben und war bereits 1826

der neueren Skulptur, das andere – etwas unter-

ren drei Werke der erweiterten Gegenwart; das wa-

2

Abb. 1 Johann Gottfried Schadow, Ruhendes Mädchen, 1826, Berlin, Nationalgalerie

von Antonio Canova und Bertel Thorvaldsen, von

entstanden (Abb. 1). Zeitgenössisches Sammeln

schiedlich als in Berlin, aber geistesgeschichtlich

ren François-Joseph Bosios Hyazinth, Canovas Hebe

einem Italiener und einem Dänen, der sich seiner-

war auch das nicht. Das Vorgehen hat dennoch

doch ähnlich – die antike Vasenmalerei im Erdge-

(Abb. 2) und Antoine-Denise Chaudets Napoleon.3

seits ebenfalls in Italien niedergelassen hatte. Lud-

eine gewisse Plausibilität, denn hier ist nach dem

schoss und im Hauptgeschoss darüber die Gemäl-

Das erste Werk kam als Geschenk des Bildhauers

wig erwarb allerdings für seine musealen Samm-

Verhältnis zwischen Auftraggebern und Künstlern

de seit dem Mittelalter. Das Alte Museum in Ber-

nach Berlin an den König, Friedrich Wilhelm III.,

lungen ansonsten keine idealplastischen Bildwerke

zu fragen und nach den Funktionen der Skulptur.

lin verband in programmatischer Symbiose beide

das zweite wurde über das Handels- und Bank-

Aufgaben, indem das untere Geschoss die antiken

haus Heinzelmann aus der Sammlung des Grafen

von Ludwig Schwanthaler und nur Amor und Muse von Konrad Eberhard. Wie konnte das sein, da bei-

Das Museum – Ort der Verknüpfung

Grundlagen und mithin die Skulptur der Alten be-

Albrizzi erworben, das dritte verdankte sich den

de doch seine Landeskinder waren?

von Einst und Jetzt

herbergte, während das Obergeschoss die Malerei

pro- und anti-napoleonischen Zeitläuften. Für das

Um es gleich vorwegzuschicken, auch der zentralis-

Berlin und München standen immer in einem ge-

zeigte, die der Kunst des Altertums eine umfassend

Jahr 1816 vermerkte Gottfried Schadow: »Drei sol-

tische französische Staat sammelte bis gegen Ende

wissen Wettstreit, was ihre Museen und Sammlun-

dokumentierte Kunst der Neuzeit gegenüberstellte.

cher Statuen wurden als Trophäen unter den drei

des 19. Jahrhunderts nicht systematisch Schöpfun-

gen anging; die Sammlung Boisserée war für den

Das war gebaute Dialektik.

siegenden Monarchen nach dem Lose verteilt.«4 Die


9

8 Eine königliche Sammlung und ihre Kontexte

Napoleon-Statue – anfänglich wohl in der Akade-

sche Gründe führten hingegen zum Erwerb und zur

von Schadow; und man darf vermuten, dass auch

mie der Künste, dann im Alten Museum aufgestellt

Bestellung von Ridolfo Schadows Sandalenbinderin

Werke von Christian Friedrich Tieck, Emanuel Bar-

– ist bezeichnenderweise nicht in den Berliner Mu-

und Spinnerin. Letztere kam nicht zustande, da der

dou, Carl Friedrich Hagemann – er hatte wenige

seumsbeständen erhalten; sie gelangte später nach

Künstler jung starb. Das war das zweite Missge-

Jahre zuvor in Vertretung des nicht reisewilligen

5

schick für den sammelnden König, der schon auf

Schadow Immanuel Kant in Königsberg porträtiert

Canovas Werk verkörperte in Berlin also zunächst

Thorvaldsens Adonis von 1808 bis 1832 hatte war-

(Abb. 3) – und von anderen Mitarbeitern und Schü-

die absolute europäische skulpturale Meisterschaft,

ten müssen. Für eine intensive Sammlungstätigkeit,

lern vorhanden waren, manches wenigstens als

Bosios Bronze repräsentierte hingegen erlesenste

für weitere Aufträge an potenziell säumige Künstler

Gipsabguss. Die Überzeugungskraft des Faktischen

und modernste Gusstechnik.6 Napoleon aber stand –

war das keine Ermutigung.

war für den jungen Prinzen stark, denn »angesichts

Potsdam-Sanssouci und ist seit 1945 verschollen.

für Napoleon; und ein solches Exponat hatte sich

dieser Arbeiten kam dem bayerischen Kronprin-

bald erübrigt, ja war inopportun geworden und hat-

Walhallas Genossen

zen die Idee, die Büsten großer Deutscher in einer

te in einem Berliner Kunstmuseum keinen richti-

Es ist erstaunlich genug, aber gilt als erwiesen, dass

Sammlung zu vereinigen«,10 wobei die Sammlung

gen Ort mehr.

dem bayerischen Kronprinzen eine seiner maßgeb-

zunächst auf ein Ensemble von 50 Bildnissen an-

In der Glyptothek in München gab es zeitgleich,

lichsten Ideen in einem Berliner Bildhaueratelier

gelegt war, dann aber ausgebaut wurde. Die Idee

in den 1830er-Jahren, zwei herausragende Werke

gekommen sein soll. Oder hat der Berliner Bild-

war eine nationale Einigung mittels einer gesamt-

der modernen Skulptur, nämlich Antonio Canovas

hauer sie ihm eingegeben und er sie späterhin nur

deutschen Repräsentation geistiger Leistungen und

Paris und Bertel Thorvaldsens Adonis. Sie konnten

als seine eigene ausgegeben? Gemeint ist die Ge-

ihrer Urheber; Ludwig zielte mithin auf ein Denk-

der museologisch wichtigen These dienen, dass die

schichte, wie der Prinz im Atelier des preußischen

mal des deutschen Geistes, lange ehe die deutsche

Meisterschaft der Antike in den Meisterleistungen

Hofbildhauers Gottfried Schadow angesichts von

Reichseinigung auch nur absehbar war, und be-

der Neuzeit aufgehoben, in ihnen aufgegangen sei.

dessen umfangreichem Œuvre an Bildnisbüsten

zweckte damit eine andere Form der künstlerischen

Doch beunruhigend genug ist das Faktum, dass der

zeitgenössischer Frauen und Männer, Potentaten

Einigung als dies später mit der Berliner National-

bedeutendste bayerische Bildhauer des Klassizis-

und Denker zu dem Beschluss gelangt sei, er müs-

galerie angestrebt wurde.11 Wenngleich dieser pa-

mus, Ludwig Schwanthaler, hier nicht vertreten

se oder wolle unter seiner bayerischen Ägide eine

triotische Denkmalgedanke erst Jahrzehnte spä-

war, dass römische Erfolgsbildhauer wie Julius Tro-

Einrichtung stiften, in der die Porträtbüsten be-

ter und außerhalb Münchens – in Donaustauf bei

schel und Emil Wolff oder preußische wie Christian

deutender Deutscher versammelt würden. Sein

Regensburg – realisiert wurde, so hatte er doch

Daniel Rauch oder der international erfolgreiche

Begriff des Deutschen war dabei weit gefasst und

für die Förderung der Bildhauer und für das Sam-

Abb. 2 Antonio Canova, Hebe, 1796, Berlin,

August Kiss niemals Aufträge zu idealplastischen

gefächert. Ludwig hatte als Kronprinz im Januar

meln von Skulpturen einen maßgeblichen Impuls

Nationalgalerie

Werken für diese Sammlung bekamen. Damit un-

1807 Berlin bereist und in Begleitung des Malers

gegeben. Und noch 1807 schloss der Kronprinz mit

terblieb es, diese kleine Geschichte anhand skulp-

Georg Dillis Schadows Werkstatt aufgesucht. Im

dem damals bedeutendsten deutschen Bildhauer –

turaler Meisterwerke fortzuschreiben und mit Hilfe

Tagebuch notierte er in seiner zuweilen gestelzt-

allenfalls Heinrich Dannecker in Stuttgart konnte

eigener jüngerer Werke aufzuzeigen, dass die Kette

geschraubten Sprache und mit seiner fehlerhaften

ihm Konkurrenz machen, nicht aber dessen Auf-

der großen europäischen Meister nicht mit Canova

Interpunktion und Rechtschreibung die Bedeutung

traggeber, dem preußischen Hof – einen Vertrag:

und Thorvaldsen abgerissen sei. Bemerkenswert

der Begegnung: »Schadow, wenn nicht der beste,

Schadow sollte elf Bildnisbüsten liefern, darunter

ist in der Kette der Unterlassungen auch, dass am

wenigstens doch einer von denen die am nächsten

der verstorbene Preußenkönig und Aufklärer Fried-

Ende des 20. Jahrhunderts die Chance, Schwantha-

dem Vollkommenen, gekommen sind, diesseits der

rich der Große, der noch lebende Dichter Christoph

lers Nymphe zu kaufen, nicht von den Bayerischen

Alpen. Ihn lernte ich heut kennen; besah sein Atte-

Martin Wieland und der verstorbene Friedrich Gott-

Staatsgemäldesammlungen wahrgenommen wur-

lier, und den Saal in dem manche seiner beendeten

lieb Klopstock, der Historiker Johannes von Müller

de, sondern vom Bayerischen Nationalmuseum. Zu

Arbeiten, viele Abgüße seiner und andere Werke

und Immanuel Kant. Dass der Prinz seine Aufträ-

dieser Zeit war die Skulptur des 19. Jahrhunderts

aufgestellt sind. Ein so herrlich geordnetes, an sich

ge noch lange geheim halten wollte und von ei-

längst aus dem Schatten herausgetreten, der ihre

aber doch sehr einfaches Gemach, blos für Plasti-

nem »Phantheon« sprach, zeigt, wie wichtig ihm

Rezeption lange behindert hatte.

sche Produkte bestimmt, eines je gesehen zu haben,

die Singularität des Projektes war und woher er

So, wie in Berlin Chaudets Napoleon aus histori-

so vollendet, so hinreißend ästhetisch in ähnlichem

seine Anregungen bezogen hatte: vom römischen

schen Gründen im Sammlungskontext platziert war,

Raume gestehe ich, daß meine Antwort verneinend

Bauwerk des Pantheon und den darin denkmalhaft

7

8

so Lorenzo Bartolinis Elisa Bonaparte. Künstleri-

9

ausfällt.« Die Rede war von über 70 Porträtbüsten

aufgestellten Büsten.


11

10 Eine königliche Sammlung und ihre Kontexte

Doch Ludwig beließ es nicht bei dieser Konstruk-

Friedhof, Denkmal, Bildhauernachlass

tion, für die er noch einen Standort suchen musste,

Skulptur in Bayern, das umfasste neben den Bild-

12

sondern beauftragte sowohl an der Glyptothek als

nisbüsten und Büstenserien natürlich auch Denk-

auch an der Alten Pinakothek jeweils Traditions-

mäler, die die Städte schmückten und die etwa auch

reihen – da von Bildhauern, hier von Malern –, so

durch einen Berliner Bildhauer wie Christian Da-

dass der patriotische Grundgedanke der Walhalla

niel Rauch ausgeführt wurden. Sein Monument für

von gesamteuropäischen Denkmalsideen jeweiliger

den König Max I. Joseph steht vor der Residenz

Professionen komplementär ergänzt wurde. Dass

(Abb. 4); ungewöhnlicherweise aber hat sich das

die Entwürfe zu diesen Werken nicht in die eine

Modell dazu ebenfalls in München erhalten, wenn-

oder andere museale Sammlung gelangten, son-

gleich fragmentarisch.18 Das Andenken als Kern-

dern in der Regel bei den Bildhauern verblieben

anliegen zahlreicher bildhauerischer Schöpfungen

und mit ihren Nachlässen überliefert oder unter-

trug darüber hinaus zur Entstehung des schier un-

gegangen sind – man denke an das kriegszerstörte

erschöpflichen Skulpturenschmucks auf dem Alten

Schwanthaler-Museum in München –, entsprach

Südlichen Friedhof in München bei; hierzu gab es

der allgemeinen Praxis. Nicht zufällig war gera-

zweifellos viele Modelle, keines davon jedoch in den

de im Zusammenhang mit dem Werkstattnachlass

königlichen Museumssammlungen. Auch auf dem

Schwanthalers die Rede von »einer persönlichen

Friedhof gab es eine Ruhmeshalle, eine Ehrenhal-

13

Ruhmeshalle«.

le für Münchner Bürger.19 Während viele Entwurfs-

Nicht nur die Walhalla14 zeugte von Ludwigs För-

und einige Ausführungsmodelle für Bauplastik

derung der Skulptur unter dem Dach der architek-

und Denkmäler in Berlin in die Sammlungen der

tonischen Großbauten, sondern auch die eigentli-

Akademie der Künste und vor allem in die Modell-

che Ruhmeshalle in München mit der Bavaria von

und Abgusssammlung der Nationalgalerie20 und eini-

15

Abb. 3 Carl Friedrich Hagemann, Immanuel

Schwanthaler. Manche der in der Neuen Pinako-

ge in die Technische Universität von Berlin gelangten,

Abb. 4 Christian Daniel Rauch, Denkmal für

Kant, 1801, Hamburg, Hamburger Kunsthalle

thek musealisierten Werke stehen in Verbindung

sind in München die Spuren der vielfältigen skulptu-

König Max I. Joseph von Bayern, 1834, München,

mit diesen Projekten. Die Werke aus der zunächst

ralen Aufgaben und Aufträge erstaunlich stark ver-

Max-Joseph-Platz

in Schleißheim und später in der Neuen Pinakothek

blasst: Nichts davon fand Aufnahme in die Sammlun-

aufgestellten Büstensammlung sind hier ebenfalls

gen, da die Entwürfe als nicht final und das Material

zu nennen, die man vielleicht mit der Reihe der

Gips als minderwertiges Hilfsmittel galten. Doch wie

Vorhallenstatuen im Alten Museum in Berlin ver-

anders verfuhr man beispielsweise in Dresden, wo

gleichen kann, durch die – allerdings in überlebens-

das Modell zum Weimarer Goethe-Schiller-Denkmal

großen Statuen – die Architekten, Künstler, Kunst-

von Ernst Rietschel zum Teil des musealen Bestan-

gelehrten geehrt wurden, die für die preußische

des aufrückte und damit als Krone in der Geschichte

Kunstentwicklung von hohem Belang waren.

16

Im

der europäischen Bildhauerkunst verstanden wer-

Unterschied zu den Balustradenfiguren der Alten

den konnte.21 In München gab es eine vergleichba-

Pinakothek wurden diese jedoch nicht im Statuet-

re Chance mit dem Nachlass des Bildhauers Ludwig

tenformat reduziert repetiert. Insofern erweist sich

Schwanthaler, der jedoch in einem eigenen, der Aka-

der Umstand, dass Schwanthalers Hans Memling

demie der bildenden Künste angegliederten Perso-

darstellende kleine Bronze 2018 erworben werden

nalmuseum verblieb und damit im Krieg nicht jenen

konnte, als ein außerordentlicher Glücksumstand

Schutz erfuhr, den eine Museumssammlung erfah-

und als Ausdruck eines anderen zeitgenössischen

ren hätte (Abb. 5). 22 Und der Nachlass des anderen

Umgangs mit den vorhandenen Skulpturen von Al-

großen Bildhauers der Stadt, Adolf Hildebrand, blieb

ter Pinakothek und Glyptothek, die schon frühzeitig

noch Jahrzehnte nach seinem Tod in seiner Villa und

als kostbare Reproduktionen verfügbar gemacht

damit zunächst geschützt, bis er an die Neue Pinako-

17

wurden.

thek übergeben wurde.23


13

12 Eine königliche Sammlung und ihre Kontexte

Grenzen gesetzt. Ihm war der Denkmalgedanke – das Sammeln von Büsten – wichtiger als die Präsenz aller deutscher Bildhauerschulen. Lag dem ein Hegemonieanspruch zugrunde? Wollte er das geistige Zentrum seiner Zeit für den deutschsprachigen Raum in München verankern? Dafür war die Sammlung der Bildnisse zweifellos tauglich; denn natürlich ließ sich damit dokumentieren, dass hier der Elite der Nation gehuldigt wurde. Kleinere Sammlungen von zeitgenössischer Skulptur befanden sich in privaten Händen, so bei Alfred von Lotzbeck, dessen Spektrum von Wolf von Hoyer bis Julius Troschel reichte und der diese Werke in seinem Schloss Weyhern bei Fürstenfeldbruck zeigte.25 Auch der in Berlin Unter den Linden residierende Graf Wilhelm Friedrich von Redern versammelte einige zeitgenössische Skulpturen, darunter von Heinrich Kümmel, Christian Daniel Rauch und Ludwig Schwanthaler.26 Seit den späten 1830er-Jahren sammelte der württembergische König Wilhelm I. systematisch idealplastische Kunstwerke, seien es Kopien nach der Antike oder nach modernen Werken oder eigenstänAbb. 5 Der Saal der Bavaria im Schwanthaler-Museum, Fotografie, um 1900, München, Stadtarchiv

dige Schöpfungen. Er stattete damit das Schloss Ro27

Abb. 6 Antonio Rossetti,

senstein aus. Das war ein Unterfangen von großer

Ägyptische Wahrsagerin, 1853/56,

Zentren der Skulptur im 19. Jahrhundert

Italien und namentlich Rom waren das Zentrum

Bedeutung und internationaler Offenheit; die Samm-

Stuttgart, Staatsgalerie (Leihgabe der Staatlichen

Kronprinz und König Ludwig von Bayern hat vie-

der Skulptur; hierher zogen die Bildhauer, von der

lung umfasste deutsche, französische, italienische,

Schlösser und Gärten Baden-Württemberg)

les nicht gesammelt. Er nahm die französischen

Antike und von ihren Zeitgenossen gleichermaßen

dänische Künstler, und wo eigenhändige Werke nicht

Bildhauer jenseits Jean-Antoine Houdons, dessen

angelockt. Und mit den Namen Bartolini, Canova,

bezahlbar oder todeshalber nicht mehr erhältlich

bekannte Gluck-Büste er in einem postumen Guss

Schadow, Tenerani und Thorvaldsen hat der König

waren, begnügte man sich mit Kopien. Vertreten

erwarb, nicht wahr: Künstler wie Augustin Pajou

Werke von einigen der wichtigsten dortigen Künst-

waren Künstler, deren Werke auch für Ludwig I.

und Joseph Chinard waren schon nicht mehr vor-

ler in seine Sammlungen geholt. Bei den Berliner

erschwinglich gewesen wären, so beispielsweise

behaltlos modern, Jean-François Lorta, Philippe-

Meistern hingegen, bei dem Vater der Berliner Bild-

von den Deutschen Ludwig von Hofer, Emil Hopf-

Laurent Roland und François-Joseph Bosio nicht

hauerschule, Gottfried Schadow, oder bei seinen

garten, Ernst Matthiae, Franz Xaver Schwanthaler

europaweit bekannt, Pierre Jean David d’Angers

Schülern Rauch und Tieck bestellte er keine ideal-

und Emil Wolff. Die Motive waren höchst frappie-

– von Goethe und Ludwig Tieck, von Carl Gustav

plastischen Werke – als sei ein Ankauf aus dem

rend vielfältig und entsprachen dem damaligen Ge-

Carus und Alexander von Humboldt wahrgenom-

Norden nicht mit seinem pro-römischen und vor

schmack einschließlich der Orientmode (Abb. 6).28

men24 – muss für den bayerischen König doch gar

allem philhellenischen Geist vereinbar gewesen.

Während man in Berlin viel Kraft auf die Errichtung

zu romantisch-aufklärerisch, zu pathetisch-provo-

Gleiches gilt für den Dresdener Raum; hier war im

von öffentlichen Denkmälern und auf Bauplastik

kativ gewesen sein, als dass dieser Jüngere in sei-

zweiten Jahrhundertdrittel Ernst Rietschel tätig.

sowie ein wenig auch auf die Kunstförderung

nen Sammlungen hätte einen Platz finden können.

In Stuttgart wirkten Philipp Jakob Scheffauer und

durch Ankäufe von Werken einheimischer Künstler

Schmerzlich vermisst man auch James Pradier, des-

Johann Heinrich Dannecker; doch ihre idealplas-

richtete, während in Württemberg im zweiten Drittel

sen sinnlich-haptische Kunst allerdings dem König

tischen Werke gelangten nicht nach München. Der

des 19. Jahrhunderts eine solche internationale

vielleicht gar nicht bekannt wurde.

sammelnde bayerische Regent hatte sich sichtlich

Kollektion von Salonskulpturen zusammengetragen


15

14 Eine königliche Sammlung und ihre Kontexte

wurde, frönte München respektive der Regent der

dings auch nicht möglich gewesen ohne die her-

4

Leidenschaft, durch eine Fülle von Bildnissen eine

vorragenden Neuaufnahmen der Werke, die klug in

Kunstansichten, hrsg. von Götz Eckhardt, 3 Bde.,

Erzgießerei in München, in: Münchner Jahrbuch

Vielzahl von erinnerungswürdigen Menschen zu

Augenhöhe platziert, feinsinnig ausgeleuchtet und

Berlin 1987, Bd. 1, S. 116.

der bildenden Kunst, 3. F. 50, 1999, S. 217–247.

vergegenwärtigen. So kann man das Eingangszitat

jeweils von der sprechendsten Seite aufgenommen

5

Eckardt 1987 (wie Anm. 4), Bd. 2, S. 575.

18

aus Goethes Tasso als die Grundlage einer kultu-

wurden. Damit runden sich Text und Bild miteinan-

6

Christian Daniel Rauch Museum Bad Arolsen,

Zu einer Installation von Erich Lindenberg in der

rellen Vielfalt sehen, die sich auch in den unter-

der zu einem gelungenen Gesamtwerk. Besonderer

hrsg. von Birgit Kümmel und Bernhard Maaz, Mün-

Alten Münze in München, hrsg. von Michael Petzet,

schiedlich ausgerichteten Sammlungsbestrebungen

Dank gilt hier Haydar Koyupinar und insbesondere

chen und Berlin 2002, S. 250.

München 1996 (Arbeitshefte des Bayerischen Lan-

deutscher Regenten manifestierte und die zu dem

Nicole Wilhelms. Die Bildredaktion lag in den Hän-

7

desamtes für Denkmalpflege, Bd. 86).

Ensemble führten, das hier erstmals in seiner Gänze

den von Yvonne Hildwein. Emma Drouin hat im

phe. Eine romantische Skulptur, München 1998.

19

Rahmen eines Praktikums vorbereitende Recher-

8

Memoria. Der Alte Südliche Friedhof in München,

chen übernommen. Thorsten Marr und Christian

schen Französischer Revolution und Erstem Welt-

Berlin und München 2014, S. 97–103.

Dank

Quaeitzsch von der Bayerischen Schlösserverwal-

krieg, Bd. 1, Berlin und München 2010, S. 16–22.

20

Maaz 2006 (wie Anm. 2), Bd. 1, S. 18–20.

In der bisherigen Literatur zur Neuen Pinakothek

tung ist für detaillierte Auskünfte zu den Porzel-

9

21

Kordelia Knoll, Das Albertinum vor 100 Jahren –

kamen die Skulpturen nur im Zusammenhang mit

lanen und Skulpturen der Residenz sowie zu den

dow 1764–1850. Der Bildhauer, Leipzig 1990,

die Skulpturensammlung Georg Treus, Dresden

dem gesamten ausgestellten Bestand vor oder am

Büsten der Ruhmeshalle zu danken. Im Bayerischen

S. 141.

1994, S. 130.

Rande der Sammlungsgeschichte, indem erwähnt

Nationalmuseum und im Münchner Stadtmuseum

10

Ebenda, S. 142.

22

Volk 1998 (wie Anm. 7), S. 61.

wurde, dass es einen Büstensaal gab.29 Und wäh-

waren Astrid Scherp-Langen sowie Nico Kirchber-

11

Peter-Klaus Schuster, Die Geburt der Nation aus

23

Joachim Kaak, Der Ateliernachlass Adolf von

rend die Gemäldesammlung des Königs aufgear-

ger und Antonia Voit mit Informationen und der Be-

dem Geist der Kunst. Einige Bemerkungen zur Natio-

Hildebrands in der Neuen Pinakothek, in: Fabian

beitet ist, fehlte gleiches für die Bildwerke. Umso

reitstellung von Bildmaterial behilflich. Hannelore

nalgalerie in Berlin, in: Die Nationalgalerie, hrsg. von

Pius Huber, Adolf von Hildebrand, Berlin und Mün-

erfreulicher, dass dies nun hier mit wissenschaft-

Putz, Mathias René Hofter und Johanna Selch ist

Peter-Klaus Schuster, Berlin und Köln 2001, S. 9–38.

chen 2021 (Neue Pinakothek. Katalog der Skulptu-

licher Solidität erfolgt ist.

für die Bereitstellung von Dokumenten aus den im

12

ren, Bd. 2), S. 14–17.

Für die Ermöglichung dieser Publikation danken

Druck befindlichen Bänden des Briefwechsels zwi-

und Entstehung des Skulpturenschmucks am Au-

24

wir der Ernst von Siemens Kunststiftung und ihrem

schen Ludwig I. und Johann Martin von Wagner zu

ßenbau der Glyptothek, in: Glyptothek München

d’Angers’ Bildnisse von Goethe bis Caspar David

Generalsekretär Martin Hoernes, die die Druckle-

danken. Ein besonderer Dank gilt S. K. H. Herzog

1830–1980, Kat. Ausst. München, Staatliche Anti-

Friedrich, München und Berlin 2004.

gung sowohl dieses Bandes als auch des zeitgleich

Franz von Bayern und Andreas von Majewski für

kensammlungen und Glyptothek, hrsg. von Klaus

25

erscheinenden Bandes zum Bestand an Bildwer-

den Zugang zu Archivalien des Wittelsbacher Aus-

Vierneisel und Gottlieb Leinz, München 1980,

Skulpturen, München und Köln 2003, S. 168, 398 f.

ken Adolf von Hildebrands in der Neuen Pinakothek

gleichsfonds sowie für die Kooperation bei der Klä-

S. 234–255.

26

Maaz 2006 (wie Anm. 2), Bd. 2, S. 756.

finanziert. Die Karl Thiemig-Stiftung ermöglichte

rung der Eigentumsverhältnisse bei einigen Büsten.

13

27

Patricia Peschel, Die Skulpturen aus Schloss Ro-

die Erstellung der Befunde durch Franziska Kolba

Lektorat, Gestaltung und Produktion lagen in den

thalers. Zur Entstehungs- und Kunstgeschichte ei-

senstein. Aus der Sammlung König Wilhelms I. von

sowie die Restaurierung der Büste der Marchesa

Händen von Petra Kruse und Kai Reschke, denen

ner persönlichen Ruhmeshalle, in: Oberbayerisches

Württemberg, Stuttgart 2010 (Schätze aus unseren

Marianna Florenzi von Heinrich Imhof, sodass die-

wir für die fein abgestimmte, gute Zusammenarbeit

Archiv 124, 2000, S. 97–193.

Schlössern. Eine Reihe der Staatlichen Schlösser

ses seit dem Zweiten Weltkrieg beschädigte Werk

danken, und ebenso dem Deutschen Kunstverlag

14

und Gärten Baden-Württemberg, Bd. 8).

für den Katalog fotografiert werden konnte. Koor-

für die verlegerische Betreuung.

landschaft und Bildungsreise im 19. Jahrhundert,

28

ausgebreitet und erforscht wird.

30

diniert wurden diese restauratorischen Arbeiten

Johann Gottfried Schadow. Kunstwerke und

Peter Volk, Ludwig Schwanthalers Sinnende NymBernhard Maaz, Skulptur in Deutschland zwi-

Zit. nach Götz Eckardt, Johann Gottfried Scha-

Hinrich Sieveking, Materialien zu Programm

Gertrud Rank, Das Museum Ludwig Schwan-

Jörg Traeger, Der Weg nach Walhalla. Denkmal-

17

Peter Volk, Kleinbronzen aus der Königlichen

König Max I. Joseph. Modell und Monument.

Claudia Denk und John Ziesemer, Kunst und

Bernhard Maaz, Vom Kult des Genies. David

Neue Pinakothek. Katalog der Gemälde und

Bernhard Maaz, Das Alte am Neuen und das

Regensburg 1987.

Neue im Alten. Die Erwerbungen zeitgenössischer

von Renate Poggendorf.

Anmerkungen

15

Ruhmeshalle und Bavaria. Amtlicher Führer,

Skulpturen durch König Wilhelm I. von Württem-

Für die zweijährige Arbeit an diesem Bestandska-

1

bearb. von Manfred F. Fischer und Sabine Heym,

berg als Spiegel individueller Interessen und zeit-

Johann Wolfgang von Goethe, Torquato Tasso,

talog danke ich Herbert W. Rott sehr herzlich. Er

V.1, Vers 2843–2854.

3. überarbeitete und neugestaltete Auflage, Mün-

typischer Tendenzen gegen Mitte des 19. Jahr-

hat mit profundester Sorgfalt zahlreiche Fakten

2

chen 2009.

hunderts, in: Zeitschrift des Deutschen Vereins für

zusammengetragen und zugänglich gemacht und

Bestandskatalog der Skulpturen, hrsg. von Bern-

16

Kunstwissenschaft 67, 2013, S. 117–146.

stellt der Forschung nunmehr einen seit langem

hard Maaz, Bd. 2, Leipzig 2006, S. 713 f.

zwischen Aufklärung, Romantik und Historismus.

erhofften Katalog vor, versehen mit Erläuterungen

3

Die Skulpturen der Vorhalle im Alten Museum und

Herbert W. Rott, München und Köln 2003, S. 70 f. 30

Nationalgalerie Berlin. Das XIX. Jahrhundert.

Christoph Martin Vogtherr, Das Königliche Mu-

Bernhard Maaz/Jörg Trempler, Denkmalkultur

auf allen Ebenen – zu den Künstlern, den Werken,

seum zu Berlin. Planungen und Konzeption des ers-

im Säulengang vor dem Neuen Museum in Berlin,

deren Provenienzen und ihrer wissenschaftlichen

ten Berliner Kunstmuseums, Berlin 1997, S. 169;

in: Zeitschrift des Deutschen Vereins für Kunstwis-

Rezeption. Das Gelingen des Buches wäre aller-

Maaz 2006 (wie Anm. 2), Bd. 1, S. 9 f., 103, 149.

senschaft 56/57, 2002/03, S. 211–254.

29

Ludwig I. und die Neue Pinakothek, hrsg. von Ebenda, S. 123–358.


16

Die Skulpturen Ludwigs I. in der Neuen Pinakothek

Dieser Bestandskatalog stellt die in der Neuen Pi-

stellungsorte geschaffen und gelangten erst Jahr-

Abb. 1 Glyptothek von Südosten, Fotografie von Joseph Albert, 1860, München, Bayerische Staatsbibliothek

nakothek aufbewahrten Skulpturen vor, die als Ei-

zehnte nach dem Tod des Königs in das von ihm

gentum König Ludwigs I. nach dessen Tod Teil des

gegründete Museum für die Kunst des 19. Jahr-

die kleine Zahl der Frauenporträts zu erwähnen,

der späteren Walhalla. Während die Sammlung von

Hausgutfideikommisses waren und sich seit 1923

hunderts. Die Idealplastik sowie einige Marmor-

meist von Geliebten des Königs, die ursprünglich

museal präsentierter Idealplastik, obwohl Haupt-

im Eigentum des Wittelsbacher Ausgleichsfonds be-

büsten waren zunächst im Saal der Neueren in der

nicht für eine öffentliche Aufstellung vorgesehen

werke von Canova und Thorvaldsen umfassend,

finden. Dabei handelt es sich um 133 Bildwerke in

Glyptothek aufgestellt, die in ihrer ursprünglichen

waren und erst lange nach dem Tod Ludwigs I.

im Umfang und in der Zielsetzung limitiert blieb,

Marmor und Gips, die im Wesentlichen in der Zeit

Konzeption nicht ausschließlich ein Museum für

ins Museum kamen wie die Bildnisse der Lady El-

war die Verbindung von Plastik und monumenta-

von 1807 bis 1868 entstanden sind. Dazu zählen

die antike Plastik sein sollte, sondern für die Bild-

lenborough von Ernst von Bandel (WAF B 38), der

ler Architektur sowie die Vergegenwärtigung be-

Hauptwerke der klassizistischen Skulptur wie An-

hauerkunst auch der neuzeitlichen Epochen bis zur

Marchesa Florenzi von Heinrich Max Imhof (B 239)

deutender Persönlichkeiten in Form von Büsten,

tonio Canovas Paris (WAF B 4) und Bertel Thorvald-

damaligen Gegenwart (Abb. 1 und 2). Im Fall ei-

und der Lola Montez von Johann Leeb (WAF B 19).

Statuen und Denkmälern dasjenige Aufgabenfeld,

sens Adonis (WAF B 29). Dazu gehören vor allem

niger Marmorbüsten war jedoch die Aufstellung

Die Begeisterung Ludwigs für die Skulptur ver-

in dem Ludwig durch seine Aufträge den Bildhau-

zahlreiche Porträtbüsten, die aus den Kontexten

in der Glyptothek bereits eine Art Zweitverwen-

dankte sich zwei »Erweckungserlebnissen«. Das

ern ein schier unermessliches, wenn auch etwas

von Walhalla, Ruhmeshalle und dem Büstensaal der

dung, da sie eigentlich für die Walhalla vorgesehen

eine war die Begegnung mit Canovas Hebe während

uniformes Betätigungsfeld bot. Kennzeichnend für

Neuen Pinakothek stammen. Ebenfalls aufgenom-

waren, dort jedoch aus unterschiedlichen Grün-

der ersten Italienreise 1804 in Venedig. Das andere

alle diese Projekte war, dass der Skulptur eine dem

men wurden zwölf Skulpturen, die nicht aus der

den nicht zur Aufstellung kamen. Diese klassizis-

war der Besuch im Atelier von Gottfried Schadow

übergeordneten Gedanken dienende Funktion zu-

Sammlung Ludwigs I. sind, jedoch in diesen Zusam-

tischen Marmorskulpturen – Idealplastik und Por-

in Berlin im Winter 1806/07, als der Kronprinz die

gewiesen wurde.

menhang eingereiht werden können wie das pos-

trätbüsten – wurden 1920 im Zuge der Neuordnung

in einem eigenen Raum wirkungsvoll aufgestellten

Die künstlerische Situation in München stellte sich

tum entstandene Bildnis des Königs von Anton Hess

der staatlichen Galerien aus der Glyptothek in die

Modelle der Porträtbüsten des Bildhauers sah. Das

zunächst so dar, dass sich Ludwig für seine ehrgei-

(B 44), das von den Nachkommen des Dargestellten

Neue Pinakothek überführt. Die Gipsbüsten gehör-

Erlebnis Canovas veranlasste ihn, ab 1806 mehrere

zigen Projekte an anderen Orten nach geeigneten

erworbene Bildnis des Malers Peter Cornelius von

ten dagegen zum überwiegenden Teil bereits von

große ideale Marmorskulpturen bei Konrad Eber-

Bildhauern umschauen musste. Friedrich Tieck,

Ernst Hähnel (B 156) oder einige später hinzuge-

Beginn an zum Bestand der Neuen Pinakothek. Es

hard, Canova und Thorvaldsen in Auftrag zu geben,

der sich 1809 in der Hoffnung auf Aufträge des

kommene Abgüsse von bereits in der königlichen

handelt sich um Porträts von Künstlern, Dichtern

die den Grundstock für den späteren Saal der Neu-

Kronprinzen in München aufhielt, resümierte die

Sammlung befindlichen Porträtbüsten.

und Gelehrten aus der Zeit Ludwigs I., die oftmals

eren in der Glyptothek bildeten. Das Erlebnis der

Situation in polemischer Zuspitzung: »Auch ist die

Es handelt sich bei den hier vorgestellten Bildhauer-

in einer persönlichen Verbindung zum König stan-

Schadow’schen Porträtsammlung veranlasste ihn

Sculptur etwas ganz neu eingeimp[f]tes, denn auch

arbeiten aus dem Besitz Ludwigs I. also nicht um

den. Sie waren im Erdgeschoss der damaligen Neu-

zusammen mit den beklemmenden Eindrücken im

Bildhauer sind nicht einmahl hier. Einen ganz alten

einen geschlossenen Bestand, keine homogene

en Pinakothek aufgestellt, wo diese gipserne Por-

französisch besetzten Berlin zu der politisch mo-

ausgenommen der am Tode liegt, und einen sehr

Sammlung. Obwohl heute der Neuen Pinakothek

trätsammlung bis um 1900 die Gemäldegalerie im

tivierten Planung eines Ruhmestempels mit den

jungen aber sehr elenden, den ich schon in Rom

zugehörig, waren zahlreiche Werke für andere Auf-

Obergeschoss ergänzte. Schließlich ist hier noch

Marmorbildnissen der bedeutendsten Deutschen,

gekannt habe.«1 Der erstere war der betagte Hof-


19

18 Die Skulpturen Ludwigs I. in der Neuen Pinakothek

bildhauer Roman Anton Boos, der 1810 starb. Der

bei Leipzig – und die Einweihung am 18. Oktober

zweite war Joseph Kirchmayer, der 1804 bis 1806

1842 erfolgte. Die Idee einer Büstensammlung gro-

in Rom im Atelier Antonio Canovas gearbeitet hatte

ßer Deutscher entstand nach Ludwigs eigenem Be-

und seither in München lebte. Kirchmayer fertigte

kunden während eines Aufenthalts im französisch

zwar sieben Marmorbüsten für den Kronprinzen,

besetzten Berlin im Winter 1806/07.2 Ludwig fasste

doch der Großteil der frühen Walhalla-Büsten ent-

den Entschluss, die Errichtung eines Gebäudes in

stand in Berlin und Rom. Ludwigs Projekte zogen

die Zeit nach der Thronbesteigung aufzuschieben,

jedoch junge Künstler nach München, darunter

da es für einen Kronprinzen zu kostspielig sei, je-

auch Bildhauer, die der Kronprinz durch Stipen-

doch: »[…] jetzt lasse ich die Büsten verfertigen.«3

dien förderte. Ein Romaufenthalt und insbesondere

Ludwig dachte zunächst an 50 Büsten aus Carrara-

die Mitarbeit in den Werkstätten von Thorvaldsen

Marmor und gab gleich elf Büsten bei Schadow in

sollte sie in die Lage versetzen, die erforderlichen

Auftrag. Im Januar 1808 war schon »von 90–100

Skulpturen für die Bauten Leo von Klenzes zu lie-

Büsten« die Rede.4 Voraussetzung für eine Aufnah-

fern. Die Versuche, mit Bertel Thorvaldsen und

me in Walhalla war, dass die zu ehrenden Perso-

Christian Daniel Rauch erfahrene Bildhauer nach

nen aus dem deutschen Sprachraum stammten und

München zu ziehen, schlugen fehl. Erst als sich aus

nicht mehr am Leben waren: »Alle, die deutsch re-

dem Kreis junger, von Ludwig mit Romstipendien

den, glaube ich, sind für Deutsche zu halten.«5 Als

geförderter Bildhauer Ludwig Schwanthaler als

Berater spielte anfänglich bis zu seinem frühen Tod

hinreichend talentiert und leistungsfähig erwies,

am 29. Mai 1809 der Schweizer Historiker Johan-

verfügte der König über einen Bildhauer in Mün-

nes von Müller eine wichtige Rolle, der den Namen

chen, der in der Lage war, selbst größte Aufträge

»Walhalla« vorschlug. Er stellte eine Auswahl von

künstlerisch und organisatorisch zu bewältigen. Im

27 historischen Persönlichkeiten zusammen, die

Umkreis Schwanthalers entwickelten sich weitere

er im August 1808 an Ludwig übersandte.6 Ludwig

Abb. 3 Johann Georg von Dillis,

Fotografie, um 1900, München, Staatliche Antiken-

Bildhauer, die Ludwig für seine Porträtaufträge he-

schlug aber auch seinerseits Namen vor, die er den

Schemazeichnung der Walhalla-Büsten, 1809,

sammlungen und Glyptothek

ranzog wie Johann Leeb und insbesondere Johann

Historiker zu kommentieren bat. Aus Müllers Nach-

München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv,

Halbig, der den Großteil der Künstlerporträts für

lass wurde dem Kronprinzen um 1813/14 schließ-

Geheimes Hausarchiv

den Büstensaal der Neuen Pinakothek schuf.

lich eine 86 Namen umfassende Liste bedeutender

Abb. 2

Der Saal der Neueren in der Glyptothek,

Persönlichkeiten übermittelt, von denen schließlich Porträtbüsten für Walhalla und Ruhmeshalle

47 mit Büsten oder Tafeln gewürdigt wurden. Als

37 der in der Neuen Pinakothek bewahrten Por-

weitere Berater fungierten die Historiker Lorenz

trätbüsten in Marmor und Gips stehen in einem

Westenrieder sowie Joseph Hormayr, Nicolaus Vogt

mittelbaren oder unmittelbaren Zusammenhang

und Heinrich Luden.7

mit den großen Porträtzyklen, die Ludwig für Wal-

Ludwigs wichtigster Mittelsmann bei der Auswahl

halla und Ruhmeshalle in Auftrag gegeben hat. Bei

und Beauftragung der Künstler und für die Beur-

den Marmorbüsten handelt es sich um Werke, die

teilung der vollendeten Büsten war Georg Dillis.

für eine der beiden Ehrenhallen produziert, spä-

Für die Gestaltung der Büsten gab es Vorgaben, an

ter jedoch nicht dort aufgestellt worden sind. Die

die sich die Künstler zu halten hatten. Das Mate-

Gipsbüsten dienten als Modelle und Vorbilder, nach

rial musste weißer, fleckenloser Marmor aus Car-

denen Marmorbüsten für Walhalla oder Ruhmes-

rara sein, den die Künstler auf eigene Kosten zu

halle geschaffen wurden.

beschaffen hatten. Die Porträts sollten »im edlen,

Die Büsten für die Walhalla entstanden bereits seit

einfachen Styl nach Art der griechischen Büsten«

1807, auch wenn die Grundsteinlegung des von

in der Form von Hermenbüsten gefertigt werden,

Klenze entworfenen Gebäudes erst am 18. Okto-

wie Ludwig im Dezember 1807 an Friedrich Tieck

ber 1830 – dem 17. Jahrestag der Völkerschlacht

schrieb.8 Der Sockel der ersten Büsten besaß eine


21

20 Die Skulpturen Ludwigs I. in der Neuen Pinakothek

trapezförmige, sich nach unten leicht verjüngende

nas der Großen von Johann Jürgen Busch (WAF

auch der Gedanke einer bayerischen Ruhmeshalle

Künstler mit Lebensdaten und einer Auflistung der

Form. Ab 1812 hatte er rechteckig mit geraden,

B 3), des Kurfürsten Friedrich von der Pfalz von

im Grundsatz bereits auf die Jahre der ersten Wal-

Hauptwerke umfasst.18 Ludwig führte jedoch auch

rechtwinkligen Flächen zu sein. Als Höhe waren

Heinrich Dannecker (WAF B 8), des Grafen Mün-

halla-Planungen zurückgeht. Bereits 1809 ließ Lud-

selbst erstellte Listen, die er über Jahre ergänz-

26½ Zoll rheinisch vorgegeben, das waren etwa

nich von Konrad Eberhard (WAF B 9), des Grafen

wig über Dillis den Historiker Lorenz Westenrieder

te und umarbeitete. In einer 1829 angelegten Lis-

69,5 Zentimeter. In einer Schemazeichnung legte

Stolberg von Hermann Ernst Freund (WAF B 11),

mit der Erstellung eines Verzeichnisses verdien-

te unterteilte er die zu Ehrenden in fünf Rubriken

Dillis nicht nur Form und Höhe der Büsten fest,

Cornelis Maartenszoon Tromps von Rauch (WAF B

ter bayerischer Persönlichkeiten beauftragen, das

(»Krieger«, »Staatsmänner«, »Künstler«, »Gelehr-

sondern auch die Höhe des Sockels und die Höhe

13

21), August Wilhelm Ifflands von Gottfried Schadow

schließlich 54 Namen umfasste.

In Gang kamen

te«, »Dichter«) und unterschied zwischen bereits

der Augenlinie (Abb. 3). Die männlichen Personen

(WAF B 22) und Kaiser Friedrich Barbarossas von

die Planungen dann jedoch erst ab den 1820er-Jah-

Verstorbenen und noch Lebenden, die erst nach

waren mit nacktem Oberkörper darzustellen, die

Tieck (WAF B 33) waren dagegen seit 1830 bezie-

ren, als Ludwig ein Programm mit eigenhändiger

dem Tod aufgenommen werden konnten. Mit 15

weiblichen mit schlichter, schicklicher Kleidung.

hungsweise 1842 im Saal der Neueren der Glyp-

Skizze entwarf und im Juli 1824 im Tagebuch die

beziehungsweise 14 Nennungen von 40 dominie-

Vorn am Sockel war der Name des Dargestellten

tothek ausgestellt und gelangten mit den übrigen

Absicht festhielt, ein Gebäude »auf der Höhe der

ren Künstler und Gelehrte deutlich.19 Ludwigs Liste

einzugravieren, hinten der Name des Bildhauers.

klassizistischen Marmorskulpturen 1920 von dort

Theresienwiese […] für ausgezeichnete Bayern und

wurde 1837 durch Eduard von Schenk ergänzt, der

Außerdem waren in der Inschrift gegebenenfalls die

in die Neue Pinakothek.

in dessen Dienst Gestandene« zu errichten.14 1834

zu den bereits in der Auswahl befindlichen Namen

Bildquellen zu nennen, die dem Porträt zugrunde

Die Gründe, weshalb diese Büsten nicht in der Wal-

lagen die Wettbewerbsentwürfe für das Gebäu-

unter anderem den von Friedrich Heinrich Jacobi

Diese detaillierten Vorgaben hatten eine

halla platziert wurden, sind vielfältig. Manche Per-

de vor, wobei der als letzter eingereichte Entwurf

hinzufügte, den er zusammen mit Kant, Fichte und

große Uniformität der Büsten zur Folge. Die Bild-

sönlichkeiten, von denen Ludwig bereits früh hat

Klenzes durch die Verbindung von Ruhmeshalle mit

Schelling zu den »größten teutschen Philosophen

nisse historischer Persönlichkeiten sollten nach

Büsten anfertigen lassen, erschienen zum Zeitpunkt

der kolossalen Statue der Bavaria beeindruckte.

neuerer Zeit« rechnet.20 Wie in die Walhalla sollten

möglichst authentischen Vorlagen gefertigt wer-

der Eröffnung der Walhalla als nicht mehr bedeu-

Klenzes Hauptentwurf, ein »Porticus im dorischen

in die Ruhmeshalle keine lebenden Personen auf-

den; ein Anspruch, den Ludwig immer wieder mit

tend genug für diese Ehrung. Bei anderen wurde

Styl«, wurde von Ludwig zur Ausführung bestimmt.

genommen werden. Ludwig erstellte daher im Mai

Nachdruck erhob und ihn selbst Erkundigungen

die Authentizität des Bildnisses in Zweifel gezogen,

Am 28. Mai 1837 erhielt Schwanthaler den Auftrag

1837 eine Liste lebender Personen als möglicher

bei Gelehrten und Kennern einholen ließ, mit dem

was für Ludwig ein Ausschlusskriterium war. So

für die Bavaria. Die Grundsteinlegung der Ruhmes-

Kandidaten, die er in die Rubriken »sicher« (Wre-

er aber nicht selten die Künstler zur Verzweiflung

wurde die Büste des Wormser Bischofs Dalberg irr-

halle erfolgte am 15. Oktober 1843, dem Namenstag

de, Schelling, Baader, Klenze, Gärtner, Cornelius,

trieb. In manchen Fällen wurde eine bereits vor-

tümlich nach einem falschen Vorbild gefertigt und

der Königin Therese. Am 9. Oktober 1850 wurde

Heinrich Hess, Amsler, Schwanthaler, Ziebland) und

handene Büste später durch eine Neuanfertigung

deshalb durch eine Neuanfertigung ersetzt. Ein be-

die Bavaria in einem großen Festakt enthüllt, die

»zweifelhaft« (Schorn, Peter Hess, Kaulbach, Ohl-

ersetzt, weil inzwischen neue, verlässlichere Por-

sonderer Fall ist die Büste des Fürsten Metternich,

formlose Eröffnung der Ruhmeshalle selbst erfolgte

müller, Rottmann, Voigt) unterteilte.21 Da es sich na-

träts als Vorbilder entdeckt worden waren. Bei noch

die Ludwig nur aus politischem Kalkül hat anfer-

am 15. Oktober 1853.15

hezu ausschließlich um Künstler handelt, erkennt

lebenden, für eine künftige Aufnahme in Walhal-

tigen lassen, ohne jemals ernsthaft daran gedacht

Die Aufträge für Ruhmeshallen-Büsten sind mit-

man hier bereits die spätere Konzeption des Saales

la ausersehenen Personen waren die Büsten nach

zu haben, sie nach dem Tod des Staatskanzlers in

unter nicht scharf von jenen für die Walhalla zu

der Künstlerbüsten in der Neuen Pinakothek, wo –

dem Leben zu modellieren.

der Walhalla aufstellen zu lassen.

trennen, da eine Doppelaufstellung von Büsten in

anders als in Walhalla und Ruhmeshalle – vorwie-

Ludwig gab insgesamt 142 Walhalla-Büsten in Auf-

Unter den Gipsbüsten befinden sich einige, die als

beiden Ehrenhallen zunächst nicht ausgeschlos-

gend lebende Personen geehrt wurden.

trag, von denen 101 in der Walhalla aufgestellt wur-

Modelle für Walhalla-Büsten gedient haben, so die

sen war. Denn auch Bayern sollten in der Walhalla

Zwei der in der Neuen Pinakothek befindlichen

den. 41 wurden ausgeschieden und deponiert oder

Büsten von Christoph Willibald Gluck von Jean-An-

als große Deutsche geehrt werden, durften aber

Marmorbüsten waren für die Ruhmeshalle vorge-

an anderer Stelle platziert. Zwölf von ihnen befin-

toine Houdon (WAF B 161) und des Fürsten Wrede

in der Ruhmeshalle nicht fehlen, sollte diese nicht

sehen, wurden aber nicht dort aufgestellt. Die Büs-

den sich heute im Bestand der Bayerischen Staats-

von Johann Nepomuk Haller (WAF B 114), oder

zu einer Walhalla zweiten Ranges degradiert wer-

ten von Rudolf Agricola und Samuel von Pufendorf

gemäldesammlungen. Die Büsten Johann Heinrich

die als Vorbilder für eine letztlich nicht ausge-

den.16 Ab der Mitte der 1820er-Jahre ließ Ludwig

(beide von Anton Horchler, 1843 beziehungswei-

Pestalozzis von Joseph Christen (WAF B 7), des Bi-

führte Walhalla-Büste dienen sollten wie jene von

etliche Gipsbüsten zeitgenössischer Persönlichkei-

se 1844, WAF B 14 und 15) stellen Gelehrte dar,

schofs Johann von Dalberg von Joseph Hermann

Alois Reding von Joseph Christen (WAF B 156). Die

ten anfertigen, die als Modelle für Marmorbüsten

die an der von einem Wittelsbacher gegründeten

(WAF B 13), der Malerin Angelika Kauffmann von

Büsten von Klenze und Cornelius, beide von Haller

in »der künftigen bayerischen Ruhmeshalle« die-

Universität Heidelberg tätig waren. Da die rechts-

Peter Kauffmann (WAF B 17), des Fürsten Metter-

(WAF B 108 und WAF B 109), ließ Ludwig ebenfalls

nen sollten.17 In diesen Jahren befasste sich Lud-

rheinischen Gebiete der Pfalz mit Heidelberg und

nich von Johann Nepomuk Schaller (WAF B 25) und

modellieren, um »in Marmor sie ausführen zu las-

wig intensiv mit der Auswahl der Personen und

Mannheim jedoch seit 1803 nicht mehr zu Bayern

des Kurfürsten Moritz von Sachsen von Friedrich

sen, in die Glyptothek zu stellen, vielleicht auch in

zog dafür Erkundungen ein. Dass dabei Künstlern

gehörten und trotz Ludwigs Entschlossenheit nicht

Tieck (WAF B 32) wurden in der Neuen Pinakothek

Walhalla«, was jedoch beides nicht geschehen ist.

12

und Gelehrten ein besonderes Interesse galt, be-

zurückzuerlangen waren, wurden die beiden Büs-

deponiert, ohne dass sie zuvor jemals das Licht der

Die Vorgaben für die Büsten der Ruhmeshalle wa-

legt ein von Dillis 1827 für den König erstelltes

ten beiseite gestellt, da in der Ruhmeshalle nur in

Öffentlichkeit gesehen haben. Die Büsten Kathari-

ren ähnlich wie jene für die Walhalla-Büsten, wie

Verzeichnis, das 55 Namen ausschließlich älterer

den aktuellen Grenzen Bayerns Geborene oder in

9

10

lagen.

11


23

22 Die Skulpturen Ludwigs I. in der Neuen Pinakothek

bayerischen Diensten stehende Persönlichkeiten ge-

1832 nach München kam. Ludwig ließ dort auch

ehrt werden sollten.

Canovas Venus aufstellen, die sich bereits seit 1812

Unter den Gipsbüsten der Sammlung dienten meh-

in München befand und zunächst in der Residenz

rere unmittelbar als Modelle für Marmorbüsten in

und im Nymphenburger Schlossgarten aufgestellt

der Ruhmeshalle. Dazu zählen die Porträts von Jo-

war (Abb. 4). Das 1821 in Rom entstandene Bildnis

seph Daniel Ohlmüller von Bandel (WAF B 40); Ferdi-

des Kronprinzen von Thorvaldsen wurde ebenfalls

nand Miller (WAF B 63 a), Hans Jakob Fugger (WAF

im Saal der Neueren aufgestellt (Abb. 5). In spä-

B 152), Georg Simon Ohm (WAF B 80) und Chris-

teren Jahren kam lediglich Pietro Teneranis Vesta

toph Scheiner (WAF B 106), alle von Halbig; Georg

(WAF B 28) hinzu, die Ludwig 1862 in Auftrag gab

Reichenbach von Kirchmayer (WAF B 174); Simon

und deren Vollendung er nicht mehr erlebte. Der

Schmid (WAF B 158), Bischof Johann Michael Sailer

Bestand an Werken im Saal der Neueren zu Leb-

(WAF B 111) und Lorenz Westenrieder (WAF B 112),

zeiten Ludwigs I. geht somit nahezu vollständig auf

alle von Haller; Franz Baader von Johann Baptist

Aufträge und Erwerbungen der Kronprinzenzeit

Stiglmaier (WAF B 140); Ludwig Schwanthaler von

zurück. Die Pläne, auch Werke der Renaissance für

Franz Xaver Schwanthaler (B 1017); Eduard von

die Glyptothek zu erwerben und damit das an den

Schenk von Ludwig Schwanthaler (WAF B 138) so-

Fassaden vorgeführte Statuenprogramm der be-

wie Christoph Willibald Gluck aus dem Umkreis von

deutendsten Bildhauer von der Antike über die Re-

Jean-Antoine Houdon (WAF B 160). In einigen Fäl-

naissance bis zur Gegenwart im Inneren mit Wer-

len wurden die Gipsbüsten eigens zu diesem Zweck

ken dieser Künstler zu veranschaulichen, kamen

bestellt, in anderen wurde auf bereits vorhandene

über anfängliche Überlegungen nicht hinaus.24 Die

Büsten als Modelle zurückgegriffen.

Skulpturenerwerbungen für die Glyptothek waren – wie im Bereich der antiken Plastik – mit der Er-

Idealplastik und Bildnisse aus dem

öffnung des Museums so gut wie abgeschlossen.

Abb. 5 Bertel Thorvaldsen, Kronprinz Ludwig

Saal der Neueren der Glyptothek

Der König wandte sich in der Folge anderen Pro-

von Bayern, 1821, München, Glyptothek

Für Walhalla und Ruhmeshalle entstanden – von

jekten zu. Im Bereich der zeitgenössischen Kunst

der Bauplastik abgesehen – ausschließlich Porträt-

war dies nun nicht mehr die Skulptur, sondern die

Abb. 4 Antonio Canova, Venus, 1812,

büsten. Die wenigen Werke der freien Idealplastik,

Malerei mit Blick auf die Neue Pinakothek, zu der

München, Residenz

die Ludwig erworben hat, waren im Saal der Neue-

1846 der Grundstein gelegt wurde. Skulpturenauf-

ren in der Glyptothek aufgestellt.

22

Die Glyptothek

träge erfolgten nahezu ausschließlich nur noch für

sollte nicht nur die von Ludwig erworbenen anti-

die großen Bauprojekte sowie für Denkmäler, aber

ken Skulpturen aufnehmen, sondern auch Werke

nicht mehr als Exponate für das Museum.

der neuzeitlichen und zeitgenössischen Plastik. Der

Einen Zuwachs erhielt der Saal der Neueren erst

Kronprinz sprach von der Glyptothek im Jahr der

wieder am Ende des 19. Jahrhunderts, nachdem

Grundsteinlegung als von dem »die Bildhauerwerke

der bayerische Staat 1892 begonnen hatte, zeitge-

alt[er] und neuer Zeiten enthaltende[n] Gebäude«.

nössische Skulpturen zu erwerben und diese in der

So war vom Beginn der Planungen an ein Saal »für

Glyptothek auszustellen. 1910 waren dies 32 Plas-

23

moderne Sachen« vorgesehen. Die später im Saal

tiken von Adolf von Hildebrand, Franz von Stuck,

der Neueren gezeigten Hauptwerke hat Ludwig be-

August Gaul und anderen zeitgenössischen Bildhau-

reits ab 1806 in Auftrag gegeben, lange bevor 1816

ern. Die durch die Vermehrung des Bestands be-

mit dem Bau der Glyptothek begonnen wurde: Ca-

dingte Raumknappheit führte zu mehrfachen Um-

novas Paris, Thorvaldsens Adonis, Eberhards Amor

und Neuaufstellungen der Bildwerke. So zeigt eine

und Muse. 1818 kam Rudolf Schadows Sandalen-

um 1910 entstandene Aufnahme die Eingangshalle

binderin (WAF B 24) dazu. 1830, bei der Eröffnung

der Glyptothek, wo nun Thorvaldsens Adonis, Jo-

des Museums, fehlte Thorvaldsens Adonis, der erst

hann Christian Hirts Arethusa (1898 vom Staat aus


25

24 Die Skulpturen Ludwigs I. in der Neuen Pinakothek

Abb. 6 Eingangshalle der Glyptothek, Fotografie von Georg Pettendorfer, um 1910,

Abb. 7

München, Stadtarchiv

München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen

dem Nachlass des Künstlers erworben) und Tenera-

1918 gegenüber der königlichen Verwaltung for26

Der Stiftersaal in der Neuen Pinakothek, Fotografie, 1929,

Porträts von Künstlern und Zeitgenossen Ludwigs I.

nen Künstlerbildnisse an der Nordfassade des Ge-

nis Vesta zu sehen sind (Abb. 6). Die Neukonzeption

mulierte (Abb. 7). Thorvaldsens Porträt des Kron-

aus dem Büstensaal der Neuen Pinakothek

bäudes (Abb. 8). Als Pantheon lebender Künstler

der Neuen Pinakothek nach der 1916 erfolgten Er-

prinzen verblieb jedoch in der Glyptothek, ebenso

Mit dem Saal der Künstlerbüsten, den Ludwig 1854

und museale Porträtsammlung ist sie in diesem

werbung durch den Staat führte schließlich 1918 zu

vorerst Teneranis Vesta. 1925 wurde sie in das Re-

in der im Jahr zuvor eröffneten Neuen Pinakothek

Umfang einzigartig und ohne direkten Vergleich.

der Entscheidung, die Skulpturen neuerer Meister

sidenzmuseum verlegt, wo sie seitdem ausgestellt

einrichten ließ, realisierte der König den originel-

Anders als die aufwendigeren und im Vergleich teu-

aus der Glyptothek abzuziehen und in der Neuen

ist. Die Büste des Kronprinzen steht noch heute in

len Gedanken einer Verbindung von Gemälde- und

reren Marmorbüsten für Walhalla und Ruhmes-

Pinakothek sowie in der 1919 eingerichteten Neuen

der Glyptothek.

Porträtgalerie. Zwar umfasste die Porträtsamm-

halle waren die Porträts im Büstensaal der Neuen

Staatsgalerie aufzustellen. So wurden die Werke

Insgesamt stammen 17 der in diesem Band behan-

lung auch die Bildnisse von zeitgenössischen Ar-

Pinakothek sämtlich aus Gips. Einen Großteil die-

von Canova, Thorvaldsen und der anderen klassi-

delten Skulpturen aus dem Saal der Neueren in der

chitekten, Bildhauern und Kupferstechern, doch

ser Büsten schuf der Münchner Bildhauer Johann

zistischen Bildhauer in die Neue Pinakothek über-

Glyptothek: neben den Idealplastiken von Canova,

den Schwerpunkt bildeten die Porträts von Ma-

Halbig. Er war als Porträtbildhauer im Münchner

führt und dort 1920 im sogenannten Königs- oder

Thorvaldsen, Eberhard, Rudolf Schadow und Tene-

lern, die mit Gemälden in der Sammlung des Kö-

Bürgertum geschätzt und modellierte lebensnahe

Stiftersaal aufgestellt, der als erster großer Saal im

rani die Büsten von Elisa Bonaparte von Lorenzo

nigs vertreten waren. Häufig lagen der Ankauf der

Bildnisse, die wegen ihres weitgehenden Verzichts

Hauptgeschoss den Beginn des Rundgangs durch

Bartolini (WAF B 2), Napoleon Bonaparte von Gia-

Gemälde und die Beauftragung der Porträtbüste

auf Idealisierung von manchen Zeitgenossen kriti-

das Museum bildete. Dort wurden die beiden Sta-

como Spalla (WAF B 26), Vittoria Caldoni von Rudolf

zeitlich nahe beisammen, sodass die Absicht Lud-

siert wurden. Ludwig legte aber bei Porträts von

tuen von Canova und Thorvaldsen sowie einige Büs-

Schadow (WAF B 23) und Carl Wilhelm von Heideck

wigs, nicht nur die Gemälde zu besitzen, sondern

Zeitgenossen, die grundsätzlich nach dem lebenden

ten platziert, wo diese Werke zusammen mit Joseph

von Emil Wolff (WAF B 35) sowie die oben genann-

darüber hinaus die Porträts ihrer Schöpfer, offen-

Modell zu fertigen waren, auf Wirklichkeitsnähe

Stielers Porträt Ludwigs I. im Krönungsornat »die

ten, ursprünglich für die Walhalla vorgesehenen

sichtlich ist. Diese Porträtgalerie im Inneren der

großen Wert. Die Auswahl war auf in München le-

Person und die Sammeltätigkeit des Königs würdi-

Büsten von Busch, Dannecker, Eberhard, Freund,

Neuen Pinakothek bildete eine Ergänzung und Er-

bende Künstler fokussiert, die zu Modellsitzungen

gen« sollten, wie es Direktor Friedrich Dörnhöffer

Rauch, Gottfried Schadow und Tieck.

weiterung der von Wilhelm Kaulbach entworfe-

in das Atelier des Bildhauers kommen konnten.

25


27

26 Die Skulpturen Ludwigs I. in der Neuen Pinakothek

Verantwortlich für die Einrichtung des Saales war

marschalls Radetzky oder des Physikers Ohm, beide

der Historienmaler und Direktor der königlichen

von Halbig (WAF B 55 und WAF B 80). Nicht alle

Gemäldesammlungen Clemens Zimmermann, der

Gipsbüsten waren öffentlich zugänglich. So wur-

auch die Hängung und Einrichtung der Neuen Pi-

den etwa die Büsten des Königs und der Königin

nakothek insgesamt leitete und einen erheblichen

oder der Lady Ellenborough und der Lola Montez in

Einfluss auf die Kunsterwerbungen und -entschei-

separaten Räumen aufbewahrt. Den öffentlich zu-

dungen Ludwigs in den 1850er- und 1860er-Jah-

gänglichen Teil der Büstensammlung dokumentiert

ren hatte. Er war ebenso verantwortlich für die

das 1882 erstellte Inventar des Büstensaales, das 108

Aufstellung der Skulpturen in der Glyptothek und

Nummern umfasst.35 Hier sind nun die Porträts

in der Ruhmeshalle. Im Mai 1854 teilte Zimmer-

der Künstler mit denen der Dichter, Gelehrten und

mann dem König mit, dass die Büsten vollstän-

Politiker vereint, die zu diesem Zeitpunkt offenbar

dig aufgestellt seien und zwar in chronologischer

alle im selben Saal aufgestellt waren, dem »Büsten-

Ordnung, vermutlich nach dem Geburtsdatum der

saal«. Der gemeinsame Nenner, den das Inventar

31

Abb. 8 Neue Pinakothek von Nordosten, Fotografie von Franz Hanfstaengl, um 1860, München, Stadtarchiv

Dargestellten. Dabei dürfte es sich um jene etwa

im Titel anführt, lag darin, dass es sich um »Zeit-

35 Porträts von Künstlern gehandelt haben, die zu

genossen des Königs Ludwig I.« handelte. Nach

diesem Zeitpunkt vorhanden waren. In den Jahren

1882 kamen noch weitere Büsten hinzu, die von

bis 1868 kamen rund 20 weitere Büsten hinzu, die

den Direktoren der Neuen Pinakothek als Schen-

der König vor allem bei Halbig in Auftrag gab. Dar-

kung angenommen oder zur Ergänzung der Samm-

unter waren die Büsten der Maler Carl Theodor von

lung Ludwigs I. in Auftrag gegeben worden sind,

Piloty, Eduard Schleich d. Ä. und August Riedel, von

darunter die der Maler Emil Squindo von Wilhelm

denen Ludwig in diesen Jahren Gemälde erworben

Rümann (WAF B 133), Carl Spitzweg von Konrad

Nachdem Halbig das Tonmodell einer Büste voll-

verbunden war. Die Auswahl dort umfasste Büsten

hat. 1868, zum Zeitpunkt des Todes von Ludwig I.,

Knoll (WAF B 127), Friedrich Voltz von Friedrich

endet hatte, lud er den König zur Begutachtung,

des Galeriedirektors Dillis, der Architekten Klen-

waren 55 Porträts im Saal der Künstlerbüsten auf-

Kühn (WAF B 128) sowie das Selbstbildnis von Ber-

32

und meist hatte auch der Porträtierte anwesend

ze, Gärtner, Ziebland und Ohlmüller, der Bildhau-

gestellt. Davon sind 46 erhalten. In weiteren Sälen

tel Thorvaldsen (WAF B 143).

zu sein, damit der König Vorbild und Büste direkt

er Martin Wagner, Johann Baptist Stiglmaier und

des Erdgeschosses der Neuen Pinakothek waren ab

Das Ende des Büstensaales kam in den 1890er-

vergleichen konnte.27 Nicht selten verlangte er Än-

Ludwig Schwanthaler, des Medailleurs Carl Fried-

1854 die Porzellangemäldesammlung und ab 1867

Jahren, als die Raumnot in der Neuen Pinakothek

derungen. Erst nachdem das Tonmodell vom König

rich Voigt, des Kupferstechers Samuel Amsler so-

im sogenannten Vedutensaal »photographische Ab-

durch die staatlichen Bilderkäufe stetig anwuchs

abgenommen war, ließ der Bildhauer den Gipsab-

wie der Maler Peter Cornelius, Julius Schnorr von

bildungen merkwürdiger Gebäude und antiker Rui-

und das Verständnis für die ursprüngliche Konzep-

guss herstellen. Halbigs Naturell ließ diese Mitspra-

Carolsfeld, Clemens Zimmermann, Heinrich Hess,

nen etc. aus Venedig, Rom und Griechenland« aus-

tion Ludwigs I. nicht mehr gegeben war. Dies führte

che des Königs zu. Er war deshalb ein besonders

Peter Hess, Joseph Stieler, Domenico Quaglio und

gestellt.33 Die Neue Pinakothek war zu Lebzeiten

im Jahr 1900 zu einer Umgestaltung des Erdge-

29

geeigneter Künstler für die Umsetzung dieses groß-

Carl Rottmann.

13 der 18 Büsten stammten von

ihres Gründers somit keine reine Gemäldegalerie,

schosses, wo nunmehr drei Säle für Gemälde ein-

angelegten Porträtprojekts. Andere Bildhauer taten

Bandel. In welcher Form die Büsten aufgestellt wa-

sondern zeigte auch Porzellanmalerei, Fotografie

gerichtet wurden. Spätestens zu diesem Zeitpunkt

sich damit schwerer, wie es Klenze in seinen Erin-

ren und ob sie schon damals öffentlich zugänglich

und Skulptur.

wurde der Büstensaal aufgelöst und die Porträtbüs-

nerungen bereits aus den 1830er-Jahren berichtet:

waren, ist nicht bekannt. Alle diese Büsten wurden

Die Porträtsammlung Ludwigs I. in der Neuen Pina-

ten deponiert, bis sie im August 1904 in das Neue

»[…] der Bildhauer Bandel, welchen er über eine

1854 in die Neue Pinakothek transferiert.

kothek wurde jedoch bald ausgeweitet und umfass-

Schloss in Schleißheim ausgelagert wurden. Ob die

Büste, welche derselbe grade für ihn modellirte,

Der Gedanke eines Büstensaales in diesem neuen

te nicht nur Bildnisse von Künstlern. Das Inventar

Sammlung der Gipsbüsten dort wie vorgesehen in

Vorwürfe und Einwendungen machte, reichte ihm

Museum für Ludwigs Sammlung zeitgenössischer

von 1868 listet weitere 72 Gipsbüsten vornehmlich

fünf Räumen im Obergeschoss des Mittelbaus des

lakonisch das Bossirstäbchen hin, um sich durch

Malerei findet sich erstmals in einem Tagebuchein-

von Persönlichkeiten aus den Bereichen Literatur,

Schlosses aufgestellt wurde, ist nicht bekannt. Ab

eigene Ansicht zu überzeugen, wie S. M. es haben

trag des Königs vom März 1851.30 Dafür vorgesehen

Philosophie und Naturwissenschaften auf, die eben-

1939 waren die Gipsbüsten im Speicher oberhalb

war einer der Säle im Erdgeschoss des Gebäudes,

falls im Erdgeschoss der Neuen Pinakothek aufge-

des großen Festsaales deponiert; 1946 wurden sie

28

wollten!«

34

Einen Vorläufer hatte der Saal der Künstlerbüsten

wo die Büstensammlung 1854 aufgestellt wurde.

stellt waren. Davon sind 18 verschollen. Dazu ge-

in einen Kellerraum im Nordflügel des Schlosses

im Neuen Schloss in Schleißheim, wo Ludwig be-

Einem mit Beschriftungen versehenen Grundriss

hörten auch Gipsbüsten, die Ludwig als Modelle für

verlagert. 1954 stellte man sie in einem Depotraum

reits 1837 einige Büsten von Künstlern aufstellen

ist zu entnehmen, dass es sich dabei um einen grö-

künftige Walhalla- oder Ruhmeshallen-Büsten hat

im Zwischengeschoss sicher. Durch den Umzug, die

ließ, mit denen er durch Aufträge und Erwerbungen

ßeren Saal in der Mitte des Gebäudes handelte.

fertigen lassen wie jene des österreichischen Feld-

wiederholten Umlagerungen und die Unterbringung


29

28 Die Skulpturen Ludwigs I. in der Neuen Pinakothek

in Speicher- und Kellerräumen entstanden an den

ern der Epoche stammen – Christian Daniel Rauch

Anmerkungen

fragilen Gipsbüsten erhebliche Beschädigungen.

und Friedrich Tieck –, aber keineswegs als reprä-

1

Laut einem Bericht von Ernst Buchner an den Wit-

sentative Beispiele der Porträtkunst dieser beiden

Schlegel vom 24. April 1809; Krisenjahre der Früh-

telsbacher Ausgleichsfonds vom November 1954

Künstler gelten können. Vielmehr handelt es sich

romantik. Briefe aus dem Schlegelkreis, hrsg. von

fehlten 23 Büsten vollständig, von 20 Büsten sei

um Büsten, die für die Walhalla bestimmt waren,

Josef Körner, Bd. 2, 2. Aufl., Bern und München

nur der abgebrochene Kopf vorhanden, sodass sie

dort aber keine Verwendung fanden. Um idealplas-

1969, S. 31–33, hier S. 31.

nicht mehr identifiziert werden könnten, weitere

tische Werke von Rauch und Tieck hat sich Ludwig

2

24 Büsten seien leicht beschädigt. 60 Büsten seien

nie bemüht, auch nicht von Gottfried Schadow, von

Schmach […]«; Walhalla’s Genossen, geschildert

intakt.36 Die Gipsbüsten befanden sich noch Ende

dem lediglich die Büste Ifflands im Saal der Neu-

durch König Ludwig den Ersten von Bayern, den

der 1960er-Jahre in Schleißheim und wurden ver-

eren aufgestellt war, oder von Schwanthaler, der in

Gründer Walhalla’s, München 1842, S. V.

mutlich erst mit dem Bezug der Neuen Pinakothek

39

37

diesem musealen Kontext gar nicht vertreten war.

3

Schreiben Friedrich Tiecks an August Wilhelm

»Es waren die Tage von Teutschland’s tiefster

Schreiben Kronprinz Ludwigs an Johannes von

Gleicht

In der Neuen Pinakothek besaß der Saal der Künst-

Müller vom 2. Oktober 1808; zit. nach Steger 2011,

man die Inventare des 19. Jahrhunderts mit dem ak-

lerbüsten zunächst ein deutlicheres Profil, indem er

Bd. 1, S. 14.

tuellen Bestand ab, kommt man zu dem Schluss, dass

Bildnisse jener Künstler umfasste, mit denen Lud-

4

38

wig selbst Umgang hatte und die für ihn arbeite-

Müller vom 15. Januar 1808; zit. nach Steger 2011,

Von 13 Büsten sind lediglich die Porträtköpfe er-

ten. Mit der Zeit verschwammen aber auch dort

Bd. 1, S. 35 f.

halten, während die Sockel mit den Inschriften

die Konturen, da die Büstensammlung um immer

5

Abb. 9 Saal im Erdgeschoss der Neuen

verloren sind. In diesem von jahrzehntelanger Ge-

weitere Stücke ergänzt wurde, die aus anderen Ver-

Müller vom 15. Januar 1808; zit. nach Steger 2011,

Pinakothek mit dem Gipsmodell der Quadriga,

ringschätzung geprägten Zustand ist die außerge-

wendungszusammenhängen stammten und nicht

Bd. 1, S. 33.

Fotografie von Georg Pettendorfer, um 1910,

wöhnliche Sammlung von Porträtbüsten aus Gips

mehr nur Künstler zeigten, sondern darüber hin-

6

München, Stadtarchiv

auf uns gekommen. Rund 30 Büsten wurden in

aus Dichter, Naturforscher und Politiker. So wie die

Ludwig vom 9. August 1808; Steger 2011, Bd. 1,

den 1970er- und 1980er-Jahren für diverse Aus-

Glyptothek der Ort war, wo Ludwig die Marmor-

S. 41.

stellungen in einen nach damaligem Verständnis

bildwerke aufstellen ließ, so kamen alle bildhaue-

7

ausstellbaren Zustand versetzt, indem sie ergänzt,

rischen Produkte aus Gips in die Neue Pinakothek.

Amtlicher Führer, bearb. von Christian Quaeitzsch,

gereinigt oder neu gefasst wurden. Die übrigen sind

Ab 1856 gelangten nach und nach auch die Gips-

München 2017, S. 93–95.

in einem weitgehend ursprünglichen, wenn auch

modelle für die von Ludwig in Auftrag gegebenen

8

Steger 2011, Bd. 1, S. 54.

durch Abplatzungen, Brüche und Verschmutzung

Denkmäler in die Neue Pinakothek und wurden

9

Schreiben Kronprinz Ludwigs an Georg Dillis

beeinträchtigten Zustand erhalten. Die für diesen

dort im Erdgeschoss aufgestellt, ebenso das Mo-

vom 1. August 1807; Briefwechsel Ludwig I. – Dil-

Band angefertigten Neuaufnahmen geben dies un-

dell der Quadriga vom Siegestor (Abb. 9) und die

lis, 1966, Dok. 13; Schreiben von Georg Dillis an

geschönt wieder. Die Befunde, die nach Augenschein

Modelle der Bildhauerstatuen an den Fassaden der

Kronprinz Ludwig vom 7. Juli 1809 mit der Schema-

erstellt wurden, nennen bei beschädigten Büsten

Glyptothek. 1916 wurden auch diese Gipsmodelle

zeichnung; Briefwechsel Ludwig I. – Dillis, 1966,

nur die größeren Fehlstellen an den Porträts. Die

der Statuen und Denkmäler nach Schleißheim ver-

Dok. 67.

zahlreichen Ausbrüche und Kratzer an den Sockeln

bracht, nachdem die Sammlung der Porträtbüsten

10

Steger 2011, Bd. 1, S. 61–65.

bereits 1904 dorthin ausgelagert worden war. Nur

11

Steger 2011, Bd. 1, S. 71–73; Quaeitzsch 2017

die 1918 aus der Glyptothek überführten Marmor-

(wie Anm. 7), S. 98–103.

büsten verblieben im Depot der Neuen Pinakothek.

12

Ausgabebuch 1820/21-1825/26, Mai 1824.

te wird deutlich, dass von einer Skulpturensamm-

Seitdem ist dieser Teil der Kunstsammlungen Lud-

13

Briefwechsel Ludwig I. – Dillis, 1966, Dok. 62;

lung Ludwigs I. im engeren Wortsinn kaum gespro-

wigs I., der in dem nach dem Tod des Königs erstell-

Steger 2011, Bd. 1, S. 46.

chen werden kann. Selbst das Kernstück, der Saal

ten Inventar 270 Nummern umfasst, weitgehend in

14

der Neueren in der Glyptothek, entbehrt eines kla-

Vergessenheit geraten.

Ende der 1970er-Jahre dorthin verlagert.

31 Gipsbüsten fehlen und vermutlich zerstört sind.

werden nicht eigens erwähnt. Aus diesem Überblick über die Herkunft der Objek-

40

Schreiben Kronprinz Ludwigs an Johannes von

Schreiben Kronprinz Ludwigs an Johannes von

Schreiben Johannes von Müllers an Kronprinz

Steger 2011, Bd. 1, S. 43 f., 47–49; Walhalla.

Briefwechsel Ludwig I. – Klenze, Bd. I/3, 2004,

S. 258.

ren Profils. Neben Hauptwerken Canovas und Thor-

15

valdsens standen Porträtbüsten von Kaiser Fried-

bearb. von Manfred F. Fischer und Sabine Heym,

rich Barbarossa und des niederländischen Admirals

3. überarbeitete und neugestaltete Auflage, Mün-

Tromp, die zwar von namhaften deutschen Bildhau-

chen 2009, S. 62–69 und passim.

Ruhmeshalle und Bavaria. Amtlicher Führer,


30 Die Skulpturen Ludwigs I. in der Neuen Pinakothek

16

Adrian von Buttlar, Leo von Klenze. Leben,

26

Schreiben Friedrich Dörnhöffers an den Oberst-

Werk, Vision, München 1999, S. 280 f.

hofmeisterstab vom 30. Januar 1918; BStGS Archiv

17

Fach 49/5, Nr. 2196.

Eintrag Ludwigs vom Juni 1825 im Ausgabe-

buch 1820/21-1825/26 zur Büste des Komponisten

27

Georg Joseph Vogler von Joseph Kirchmayer.

lass Ludwigs I. erhalten; Nachlass König Ludwig I.

18

»Verzeichnis der vorzüglichsten bayerischen

Zahlreiche Briefe Halbigs haben sich im Nach-

89/6/1-3.

Künstler, welche in dem XV XVI XVII und XVIII

28

Klenzeana I, 2, fol. 11 r-11 v.

Jahrhundert sich besonders ausgezeichnet ha-

29

Liste der in Schleißheim befindlichen Gipsbüs-

ben« von Georg Dillis, 8. März 1827; Ludwig I.-

ten im Eigentum König Ludwigs I. von Konserva-

Archiv 26.

tor Joseph Gündter, 4. März 1837; Kabinettskasse

19

»Verzeichnis rühmlich ausgezeichneter Bayern

König Ludwigs I. 52/1/5.

gebohrene oder in des K[önigs] Dienst befindliche«

30

von König Ludwig I., 6. November 1829; Ludwig I.-

meister auszurichten er solle innen d. Räume un-

Archiv 26.

ten, in dies. Gebäud. aufsparen, um 50 Künstler

20

Bemerkungen über »die in die bayerische Ruh-

Brustbilder [von] Gyps enthalt. zu könn.« (22. März

meshalle aufzunehmenden Männer« von Eduard

1851); Briefwechsel Ludwig I. – Klenze, Bd. III/1,

von Schenk, 2. Mai 1837; Ludwig I.-Archiv 26.

2011, S. 408.

21

31

»Anwartschaft f[ür] Bayerns Ruhmeshalle Wür-

»Trug ihm [Nilson, d. Maler] auf Voit, dem Bau-

Schreiben Clemens Zimmermanns an König

diger« von König Ludwig I., 15. Mai 1837; Lud-

Ludwig I. vom 18. Mai 1854; Nachlass König Lud-

wig I.-Archiv 26.

wig I. 89/6/2.

22

32

Herbert W. Rott, Thorvaldsen im Museum. Lud-

Dies geht aus dem 1868 erstellten Inventar der

wig I. und der Saal der Neueren in der Glyptothek,

Sammlungen Ludwigs I. hervor, in dem als Stand-

in: Bertel Thorvaldsen und Ludwig I. Der dänische

ort dieser Werke der »Saal der Künstlerbüsten« in

Bildhauer in bayerischem Auftrag, Kat. Ausst. Mün-

der Neuen Pinakothek genannt ist; Inventar 1868 b,

chen, Staatliche Antikensammlungen und Glypto-

Nr. 203–257.

thek, hrsg. von Florian S. Knauß, München 2021,

33

S. 207–227.

chen Pinakothek zu München, München 1871, S. IV.

23

Schreiben Kronprinz Ludwigs an Carl Haller von

34

Hallerstein vom 18. April 1816; zit. nach Gottlieb

35

Inventar 1882.

Leinz, Baugeschichte der Glyptothek 1806–1830, in:

36

Schreiben Ernst Buchners an den Wittelsbacher

Glyptothek München 1830–1980, Kat. Ausst. Mün-

Ausgleichsfonds vom 29. November 1954; BStGS

chen, Staatliche Antikensammlungen und Glypto-

Archiv Fach 42/2, Nr. 2228.

thek, hrsg. von Klaus Vierneisel und Gottlieb Leinz,

37

München 1980, S. 90–181, hier: S. 132; Kommentar

Fund in München. Gipsplastik vom Dichter Frh. v.

Klenzes zu seinem Grundriss der Glyptothek vom

Zedlitz lagerte im Schloß Schleißheim. Kommt es

8. Mai 1816; ebenda, S. 151.

zu einem neuen Zedlitz-Denkmal?, in: Jauerniger

24

Heimatbrief 19, 1968, S. 7 f.

Im Saal der Neueren waren an frühneuzeitli-

Verzeichniss der Gemälde in der Neuen königliInventar 1868 b, Nr. 139–202, 258–265.

Dr. Kunert, Sensationeller und erfreulicher

chen Skulpturen lediglich eine Christusstatue von

38

Siehe Anhang, S. 336–341.

Alessandro Algardi und eine Terrakottabüste mit

39

Siehe dazu den Beitrag von Bernhard Maaz in

dem vermeintlichen Porträt Raffaels ausgestellt;

diesem Band, S. 6–15.

Glyptothek 1830, S. 219, Nr. 319 und 323.

40

25

Rechnung der Speditionsfirma J. H. Herlitz vom

Schreiben der Hausgutverwaltung an das Kul-

26. August 1916: »6 ueberlebensgroße und 22 le-

tusministerium vom 10. Juni 1918; München, Bay-

bensgroße Figuren, 4 Gruppen, 4 Löwen, Sockeln

erisches Hauptstaatsarchiv, MK 14381.

etc.«; München, Staatsarchiv, Landbauämter 2120.

Katalog der Skulpturen


32 Joseph Ernst von Bandel

33

Künstler Geboren am 17. Mai 1800 in Ansbach

seiner Familie nach Berlin und anschließend nach

gegeben, mit Erläuterungen versehen und bis zum

als Sohn des Juristen und Direktors des Appella-

Hannover über. Seit 1837 beschäftigte er sich vor-

Tode des Meisters fortgeführt von Adolf Gregorius,

tionsgerichtes Georg Karl Friedrich Bandel, der

nehmlich mit jenem Projekt, mit dem sein Name

Detmold 1937 (Sonderveröffentlichungen des Na-

1813 durch König Max I. Joseph nobilitiert wurde

seit jeher verbunden ist: dem Hermannsdenkmal

turwissenschaftlichen Vereins für das Land Lippe,

(Transmissionsadel), gestorben am 25. September

im Teutoburger Wald. Geprägt von der Erfahrung

Bd. 4); Ernst von Bandel an Wilhelm Tegeler. Briefe

1876 auf Gut Neudegg bei Donauwörth. – Nach

der Freiheitskriege gegen Napoleon und patrio-

zur Entstehungsgeschichte des Hermannsdenkmals

der Schulzeit in Ansbach und Nürnberg ging

tisch gesinnt hatte Bandel bereits 1819 erste Ideen

1850–1864, bearb. und eingeleitet von Rose Hell-

Bandel 1816 nach München, wo er nach der Be-

zu einem Nationaldenkmal entwickelt, das Armi-

faier, Detmold 1975 (Nachrichten aus der Lippi-

gegnung mit Carl von Fischer die künstlerische

nius/Hermann dem Cherusker als Sieger gegen die

schen Landesbibliothek Detmold, Heft 5)

Laufbahn einschlug. Er schrieb sich an der Aka-

römischen Invasoren gewidmet sein sollte. 1834

demie im Fach Architektur ein und arbeitete als

und 1838 stellte er ein Modell des Denkmals in

Literatur Nagler, Bd. 1, 1835, S. 250; Allgemei-

Bauzeichner im Atelier Fischers beim Bau des

Berlin und Hannover aus. 1837 wählte Bandel die

ne Deutsche Biographie, Bd. 46, 1902, S. 202 f.

Nationaltheaters mit. Nach Fischers frühem Tod

Grotenburg im Teutoburger Wald als Standort und

(Hyacinth Holland); Thieme/Becker, Bd. 2, 1908,

1820 wechselte er zur Malerei bei Peter und Ro-

siedelte mit der Familie nach Detmold über, um das

S. 436–438 (Paul Kühn); Hermann Schmidt, Ernst

bert von Langer und zur Bildhauerei bei Johann

Projekt voranzutreiben. Zur Finanzierung durch

von Bandel. Ein deutscher Mann und Künstler,

Nepomuk Haller. Bereits im Herbst 1820 zeigte er

Spenden wurden Vereine in Detmold und später

Hannover 1892; Neue Deutsche Biographie, Bd. 1,

auf der Ausstellung der Akademie die Gipsfigur

in Hannover gegründet. Bandel selbst investierte

1953, S. 574 (Margarete Braun-Ronsdorf); Ernst

eines ruhenden Mars sowie zwei Porträtbüsten

sein gesamtes Vermögen in die Realisierung des

von Bandel 1800–1876. Bildhauer in Hannover,

aus Gips (nicht erhalten). Nach dem Tod des Va-

Projekts. Nach Rückschlägen und Phasen der Sta-

Beiheft zur Ausstellung im Historischen Museum

ters wurde Bandel durch Max I. Joseph gefördert,

gnation gab die Reichsgründung 1871 dem Vorha-

am Hohen Ufer, Hannover 1976; Karl-Alexander

der ihm 1825 die erste Italienreise ermöglichte. In

ben entscheidenden Auftrieb. Der Reichstag und

Hellfaier, Die Bandel-Sammlung der Lippischen

Rom entstanden die Porträtbüste Max’ I. Joseph

Kaiser Wilhelm I. bewilligten größere Summen

Landesbibliothek Detmold in einer Dokumenta-

sowie im Auftrag Ludwigs I. die Büste Franz von

zur Fertigstellung des Denkmals. Am 16. August

tion, Detmold 1975 (Nachrichten aus der Lippi-

Sickingens für die Walhalla. Nach der Rückkehr

1875, ein Jahr vor Bandels Tod, wurde das Her-

schen Landesbibliothek Detmold, Heft 6); Rudolf

Provenienz Zwischen 1831 und 1837 durch König

nach München 1827 wurde Bandel von Ludwig I.

mannsdenkmal als erstes Nationaldenkmal des

Klußmann, Der Bildhauer Ernst von Bandel und

Ludwig I. erworben.

mit der Ausführung von zwei Giebelskulpturen für

deutschen Kaiserreichs eingeweiht. Das bildhaue-

München. Zeitkritisches aus den Jahren 1823 bis

die Glyptothek nach Modellen Hallers beauftragt.

rische Werk Bandels – neben dem Hermannsdenk-

1834, in: Oberbayerisches Archiv, Bd. 103, 1978,

Inventare

Schon während der Ausführung dieses Auftrags

mal vor allem Idealplastik mit Motiven aus dem

S. 327–331; Brigitte Bötel, Joseph Ernst von Bandel

Nr. 135; WAF B, Nr. 39

kam es zu Spannungen zwischen Bandel und dem

antiken Mythos, Grabmäler und Porträts – bewegt

1800–1876. Das bildhauerische Werk, Diss. Georg-

Ausstellungen Kunstverein München 1831, S. 46,

König, weil der selbstbewusste Künstler es als er-

sich innerhalb der spätklassizistischen Konventio-

August-Universität Göttingen 1984 (Werkverzeich-

Nr. 6 (»Bandel, Ernst von. Büste des Professors

niedrigend empfand, nach Entwürfen anderer zu

nen. Die Porträtbüsten der Münchner Zeit nehmen

nis); Allgemeines Künstlerlexikon, Bd. 6, 1992,

Friedrich Gärtner, n. d. N. In Gyps«); Bayern. Kunst

arbeiten. 1830 wurde Bandel Mitglied im Verwal-

aufgrund der naturalistischen, prägnanten Erfas-

S. 563 f. (Peter H. Feist); Dictionary of Art, Bd. 3,

und Kultur, Kat. Ausst. Münchner Stadtmuseum,

tungsausschuss des Kunstvereins und schuf 1831

sung der Physiognomien einen besonderen Rang

1996, S. 155 f. (Sepp Kern)

München 1972, S. 494, Nr. 1796 (Peter Böttger);

»aus freiem edlen Antrieb« die Porträtbüsten der

ein. Sie geben ein wirklichkeitsnahes Bild der dar-

»Vorwärts, vorwärts sollst du schauen …«. Ge-

vier Gründer des Vereins, Friedrich Gärtner, Pe-

gestellten Personen und lassen die individuellen

schichte, Politik und Kunst unter Ludwig I., Kat.

ter Hess, Domenico Quaglio und Joseph Stieler

Züge markant hervortreten. Die Gipsabgüsse sind

Ausst. Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum,

(Kunstverein München 1831, S. 7). 1833 beauf-

sauber ausgearbeitet, die Gussnähte geglättet und

WAF B 39

hrsg. von Johannes Erichsen und Michael Henker,

tragte Ludwig I. Bandel mit der Ausführung von

die Oberflächen fein geschliffen.

Der Architekt Friedrich von Gärtner (1791–1847)

München 1986, S. 32 f., Nr. 15 mit Abb. (Susanne

1831

Bäumler)

neun weiteren Porträtbüsten Münchner Künst-

1868, Nr. 214; 1882, Nr. 52; 1890,

Literatur Nagler, Bd. 1, 1835, S. 250; Brigitte Bö-

ler. Ebenfalls im Auftrag des Königs sollte Ban-

Schriften und Briefe

[Joseph Ernst von Bandel,]

del sechs Nischenfiguren für den Außenbau der

Hermanns-Denkmal. Dem Cherusker-Fürsten Her-

Befund

Gips, 58,0 × 32,2 × 27,2 cm – Inschrift

tel, Joseph Ernst von Bandel 1800–1876. Das bild-

Glyptothek wiederum nach Modellen Hallers aus-

mann, dem Befreier Deutschlands errichtet vom

am Sockel vorn: FRIEDR: GAERTNER. / BAUMEIS-

hauerische Werk, Diss. Georg-August-Universität

führen, was Bandel jedoch zurückwies. Nach dem

Deutschen Volke, Hannover 1862; Joseph Ernst von

TER.; rechts: JB [ligiert] sc. / 1831. / Abgusz – Auf

Göttingen 1984, S. 211, Nr. 76 mit Abb.; Rott 2003,

Zerwürfnis mit Ludwig I. siedelte Bandel 1834 mit

Bandel, Erinnerungen aus meinem Leben. Heraus-

der Rückseite Zettel, darauf mit Kugelschreiber: 85

S. 46, Abb. 4, S. 363


34

Bandel

35

Werk Friedrich Gärtner war neben seinem Anti-

ist das früheste plastische Bildnis des Architekten.

bildes, gegossen wurde es von Ferdinand Miller.

Gärtnerplatz vgl. Alckens 1936 (wie Anm. 5), S. 46 f.;

poden Leo von Klenze der meistbeschäftigte und

Das volle, rundliche Gesicht, die kräftig gelockten

Das Porträt folgt ebenfalls dem Vorbild der Büste

Landeshauptstadt München Südwest. Ensembles,

einflussreichste Architekt im Königreich Bayern

Haare und die Koteletten sind plastisch ausgearbei-

Halbigs. Das Standbild wurde im Zweiten Weltkrieg

Baudenkmäler, archäologische Denkmäler, bearb.

während der Regierungszeit Ludwigs I. Als Sohn

tet, die Falten um Augen und Mund fein gezeichnet.

eingeschmolzen. Der Kopf blieb erhalten und wurde

von Denis A. Chevalley und Timm Weski (Denkmä-

des Architekten und Münchner Hofbauintendanten

6

Der Blick ist fest auf den Betrachter gerichtet.

auf einer modernen Stele neu aufgestellt.

Andreas Gärtner studierte er bei Carl von Fischer an der Akademie und ging anschließend von 1812

ler in Bayern, Bd. II/2, 2), Bd. 1, München 2004, S. 232 mit Abb.; Gerd Reichardt, Heroen der Kunst.

Entstehung

Modell 1831, Abguss zwischen 1831

Anmerkungen

Standbilder und Denkmale für bildende Künstler im 19. Jahrhundert, Köln 2009 (LETTER Schriften,

bis 1814 nach Karlsruhe und Paris, wo er mit dem

und 1837. – Gärtner gehörte neben Peter Hess,

1

Architekturrationalismus Jean-Nicolas-Louis Du-

Domenico Quaglio und Joseph Stieler zu den vier

ein München 1847, S. 64 f. (Nachruf); Allgemeine

rands in Berührung kam. Für seine spätere Stil-

»Stiftern« des Münchner Kunstvereins, jenen

Deutsche Biographie, Bd. 8, 1878, S. 380 f. (Fried-

und Formensprache als entwerfender Architekt war

Künstlern, auf deren Initiative hin es im Herbst

rich Pecht); Neue Deutsche Biographie, Bd. 6, 1964,

ein ausgedehnter Aufenthalt in Italien von 1814 bis

1823 zur Gründung des Vereins kam. Bandel be-

S. 21 (Oswald Hederer); Friedrich von Gärtner. Ein

1817 prägend, wo er unter anderem die mittelalter-

richtet in seinen Lebenserinnerungen, dass er 1831

Architektenleben, 1791–1847. Mit den Briefen an

WAF B 37

liche Architektur Siziliens studierte. 1820 wurde er

auf Wunsch des Vorstands die Bildnisse der vier

Johann Martin von Wagner, Kat. Ausst. Münchner

Der Architektur- und Landschaftsmaler

als Nachfolger Fischers Professor für Architektur

Gründer modellierte, um sie im Lokal des Vereins

Stadtmuseum, hrsg. von Winfried Nerdinger, Mün-

Domenico Quaglio (1787–1837)

an der Akademie. Seit 1822 fungierte er als künstle-

aufzustellen. Er führte die Arbeit unentgeltlich aus,

chen 1992 (Ausstellungskataloge des Architektur-

1831

rischer Leiter der Nymphenburger Porzellanmanu-

erhielt dann jedoch als Anerkennung 80 Dukaten

museums der Technischen Universität München

faktur. Erst 1828 erhielt er die Möglichkeit, mit den

und fertigte dafür jeweils einen weiteren Abguss

und des Münchner Stadtmuseums, Bd. 8), S. 219;

Befund

Großbauten an der Ludwigsstraße eigene Projekte

der Büsten, der den Dargestellten geschenkt wur-

Allgemeines Künstlerlexikon, Bd. 47, 2005, S. 158–

am Sockel vorn: DOMINICO QUAGLIO / HOFMA-

de. Die Büsten der vier Kunstvereinsgründer in

160 (Elke Katharina Wittich).

LER.; rechts: JB [ligiert] fc: / 1831 – Bez. mit grüner

trag 1828, Grundsteinlegung 1831), die Ludwigs-

der Sammlung Ludwigs I. sind ebenfalls Abgüsse

2

Kreide auf Stirn und Brust: 37 – Auf der Rücksei-

kirche (Grundsteinlegung 1829) und die Universität

der Modelle Bandels, die der König spätestens 1837

ern, Bd. 4, München 1847, S. 166.

te gedruckter Inventarzettel mit handschriftlicher

erworben hat, da die Büsten im März dieses Jahres

3

Joseph Ernst von Bandel, Erinnerungen aus

Nummer in Bleistift: Königliche Neue Pinakothek /

zu verwirklichen: die königliche Bibliothek (Auf-

(Grundsteinlegung 1835). In den beiden folgenden

3

4

Zur Biografie des Dargestellten vgl. Kunstver-

Gedichte Ludwigs des Ersten, Königs von Bay-

Bd. 17), S. 165, Nr. 12.

Gips, 57,9 × 32,0 × 27,5 cm – Inschrift

Jahrzehnten kamen weitere prestigeträchtige Auf-

als in Schleißheim befindlich erwähnt sind. Der

meinem Leben. Herausgegeben, mit Erläuterungen

Königl. Familiengut / Neues Supplement-Inventar /

träge hinzu wie der Bau des königlichen Schlos-

Ankauf ist in den Ausgabebüchern Ludwigs I. und

versehen und bis zum Tode des Meisters fortgeführt

Nr. 131

ses in Athen (1836–1843), der Wittelsbacher Pa-

in den Kassenbüchern der Kabinettskassenverwal-

von Adolf Gregorius, Detmold 1937, S. 230 f.

last (1843–1848), die Befreiungshalle bei Kelheim

tung jedoch nicht vermerkt. Er dürfte sie daher

4

(Grundsteinlegung 1842, mit Änderungen vollendet

als Geschenk erhalten haben. Ab 1854 standen die

Ludwigs I., die »gegenwärtig in der Königl. Galle-

von Leo von Klenze) und das Siegestor (Grundstein-

vier Büsten im Büstensaal der Neuen Pinakothek.

rie zu Schleissheim« aufgestellt sind vom 4. März

legung 1843, vollendet von Eduard Metzger). 1836

1904 wurden die Büsten von Gärtner, Quaglio und

1837; Nachlass König Ludwig I. 52/1/5.

Grafische Reproduktion

wurde Gärtner der persönliche Adel verliehen und

Stieler nach Schleißheim gebracht und dort depo-

5

Rudolf Rahn, 1838. München, Münchner Stadtmu-

als Nachfolger Sulpiz Boisserées zum Generalin-

niert. Die Büste von Peter Hess war bereits 1901 als

fertigung der Büste des Direktors v. Gärtner«; Kas-

spekteur der plastischen Denkmale Bayerns er-

Dauerleihgabe an das Bayerische Nationalmuseum

senbuch 60 a, 1848/49, S. 99, Nr. 1 (Ruhmeshalle).

nannt. 1841 folgte er Peter Cornelius als Direktor

gegeben worden und ist verschollen. Größere Be-

Zur Büste in der Ruhmeshalle vgl. August Alckens,

Inventare

der Münchner Akademie nach.1 Durch diese Ämter,

kanntheit als Porträt Gärtners erlangte die Büste,

Die Denkmäler und Denksteine der Stadt München,

Nr. 131; WAF B, Nr. 37

seine zahlreichen Schüler an der Akademie und

die Johann Halbig 1848 im Auftrag Ludwigs I. für

München 1936, S. 26; Ruhmeshalle und Bavaria.

Ausstellung

die Funktion als Gutachter im Baukunstausschuss

die Ruhmeshalle schuf. Halbig verwendete dazu

Amtlicher Führer, bearb. von Manfred F. Fischer

Nr. 5 (»Bandel, Ernst von. Büste des Hofmalers Do-

übte Gärtner einen weitreichenden Einfluss auf die

ein eigenes Modell, das 1845 noch zu Lebzeiten des

und Sabine Heym, 3. überarbeitete und neugestal-

minic Quaglio, n. d. N. In Gyps«)

Bautätigkeit im ganzen Königreich aus, der den sei-

Architekten entstanden war. Die Marmorbüste der

tete Auflage, München 2009, S. 120, Nr. 57.

Literatur

nes Konkurrenten Klenze noch übertraf. Ludwig I.

Ruhmeshalle wurde im Zweiten Weltkrieg beschä-

6

Widnmann erhielt zwischen Dezember 1865

Bötel, Joseph Ernst von Bandel 1800–1876. Das

widmete ihm das Distichon: »Wie du es selbst, sind

5

digt und durch eine Replik von H. Goebel ersetzt.

und April 1866 Zahlungen von insgesamt 1 500 fl.

bildhauerische Werk, Diss. Georg-August-Univer-

deine Gebäude gediegen, verkünden / Späten Jahr-

1867 wurde, ebenfalls auf Veranlassung Ludwigs I.,

»für Anfertigung des Modells zum Standbilde

sität Göttingen 1984, S. 212, Nr. 77; Rott 2003,

hunderten noch den nicht erkünstelten Ruhm.«2 –

das Denkmal Gärtners auf dem Gärtnerplatz aufge-

des Architekten Friedrich von Gärtner«; Kassen-

S. 366

Die Büste zeigt Gärtner im Alter von 40 Jahren und

stellt. Max Widnmann schuf das Modell des Stand-

buch 75, 1865/66, S. 22, Nr. 3. Zum Denkmal am

Verzeichnis der Gipsbüsten im Privateigentum

Halbig erhielt im Dezember 1848 440 fl. »für An-

Provenienz Zwischen 1831 und 1837 durch König Ludwig I. erworben. a) Radierung von Hans

seum, Inv. Nr. G M I/2840 1868, Nr. 210; 1882, Nr. 40; 1890, Kunstverein München 1831, S. 46,

Nagler, Bd. 1, 1835, S. 250; Brigitte


36

Bandel

37

damit zum Begründer der Münchner Architektur-

WAF B 36

malerei und beeinflusste nachfolgende Künstler wie

Der Porträtmaler Joseph Stieler (1781–1858)

Michael Neher und Max Emanuel Ainmiller. Seine

1831

Darstellungen zeichnen sich durch eine hohe Detailgenauigkeit aus und besitzen vielfach dokumen-

Befund

tarischen Rang. Besondere Bedeutung kommt den

am Sockel vorn: IOSEPH STIELER / HOFMALER.;

zwischen 1821 und 1828 entstandenen Ansichten

rechts: JBandel [JB ligiert] fc / 1831 – Bez. mit grü-

der Münchner Residenz und ihrer Umgebung zu, in

ner Kreide auf Stirn und Brust: 36 – Am Sockel

denen Quaglio die Situation vor den durch Ludwig I.

vorn fragmentierter Klebezettel mit Aufdruck in

veranlassten Um- und Neubauten dokumentiert.

Schwarz: 3[2]; auf der Rückseite gedruckter Inven-

Diese Werke wie auch einige Ansichten aus Frank-

tarzettel mit handschriftlicher Nummer in Bleistift:

reich und Italien gelangten in die Sammlung Lud-

Königliche Neue Pinakothek. / Königl. Familiengut /

wigs I., so dass der König schließlich nicht weniger

Neues Supplement-Inventar / Nr. 127 – Fehlstellen:

2

als zwölf Gemälde Quaglios besaß. Ab 1833 bis zu

Gips, 59,2 × 34,0 × 27,7 cm – Inschrift

rechte Augenbraue, Kinn, Haarspitzen.

seinem frühen Tod 1837 leitete Quaglio im Auftrag des Kronprinzen Maximilian die Renovierung und

Provenienz Zwischen 1831 und 1837 durch König

Ausstattung der Burg Hohenschwangau. – Bandels

Ludwig I. erworben.

Büste zeigt den 44-jährigen Künstler mit gelockten Haaren und modischen Favoris. Sie ist das einzige

Inventare

plastische Bildnis Quaglios. Das rundliche Gesicht

Nr. 127; WAF B, Nr. 36

wirkt lebensnah, die Muskulatur an Wangen und

Ausstellung

Kinn ist plastisch durchgebildet. Der Blick aus den

Nr. 20

Augen mit gebohrten Augensternen ist auf den Betrachter gerichtet. Entstehung Modell 1831, Abguss zwischen 1831 und 1837. – Zur Entstehung und zur Aufstellung der Büste siehe S. 34 f. unter WAF B 39. Die Büste wurde durch den Schweizer Stecher Hans Rudolf Rahn in einer Radierung reproduziert, die dem Jahresbericht des Münchner Kunstvereins, der den Nekrolog enthält, als Frontispiz beigegeben wurde (a).3 Anmerkungen 1

Zur Biografie des Dargestellten vgl. Kunstverein

Werk Domenico Quaglio gehörte einer verzweig-

niken und entwickelte ein frühes Interesse an mit-

München 1837, S. 79–81 (Nachruf); Brigitte Trost,

ten, aus Oberitalien stammenden Künstlerfamilie

telalterlicher Architektur. Ab 1811 veröffentlichte

Domenico Quaglio 1787–1837. Monographie und

an, deren Mitglieder vorwiegend im Bereich der

Quaglio mehrere druckgrafische Ansichtenwerke

Werkverzeichnis, München 1973 (Materialien zur

Dekorations- und Perspektivmalerei tätig waren.

der »merkwürdigen Gebäude« Münchens und Bay-

Kunst des 19. Jahrhunderts, Bd. 6); Neue Deutsche

Von seinem Vater, dem Münchner Hoftheaterarchi-

erns. 1818 gab er seine Anstellung auf, um dank

Biographie, Bd. 21, 2003, S. 31 f. (Peter Prange);

tekten Giuseppe Quaglio, lernte er die Theaterma-

einer von Max I. Joseph gewährten Unterstützung

Allgemeines Künstlerlexikon, Bd. 97, 2018, S. 238 f.

lerei, so dass er bereits 1803 eine Anstellung als

durch verschiedene europäische Länder zu reisen

(Susanna Partsch).

Dekorationsmaler am Hof- und Residenztheater

und vor allem mittelalterliche Bauten und Stadtan-

2

Rott 2003, S. 270–275.

3

Trost 1973 (wie Anm. 1), S. 200, Nr. IV.

erhielt. Daneben erlernte er die grafischen Tech-

1

sichten zu malen und zu zeichnen. Quaglio wurde

1868, Nr. 206; 1882, Nr. 32; 1890, Kunstverein München 1831, S. 46,


38

Bandel

39

Farbauftrag von porzellanhafter Glätte, hatte sich aber, vermittelt durch seinen Lehrer Füger, auch die Eleganz und Lebendigkeit der englischen Porträtmalerei des 18. Jahrhunderts angeeignet. Zwischen 1826 und 1850 malte er für Ludwig I. 36 Bildnisse schöner Frauen, die sogenannte Schönheitengalerie.2 1828 sandte ihn der König nach Weimar, um das Bildnis Goethes zu malen. Dem Dichter war der Umgang mit Stieler angenehm, und er schätzte den Künstler, »der vom Deutschtum und Frommtun nicht gelitten [habe], da sich seine Bildung von älterer Zeit herschreibt«.3 Stieler prägte mit seinen Schülern, zu denen Friedrich Dürck und Joseph Bernhardt gehörten, die Münchner Porträtmalerei noch über die Mitte des 19. Jahrhunderts hinaus. – Bandel gibt die markante Physiognomie Stielers mit den betonten Wangenknochen und dem spitz zulaufenden Kinn lebensnah wieder. Die Haare sind in kräftigen Strähnen nach hinten gekämmt. Der Blick, durch Augensterne betont, ist leicht zur Seite gerichtet. Literatur Nagler, Bd. 1, 1835, S. 250; Brigitte Bö-

Entstehung

tel, Joseph Ernst von Bandel 1800–1876. Das bildhauerische Werk, Diss. Georg-August-Universität

Modell 1831, Abguss zwischen 1831

WAF B 38

Werk

und 1837. – Zur Entstehung und zur Aufstellung

Lady Jane Ellenborough (Jane Elizabeth Digby,

ersten Ehemann als Lady Ellenborough bekannt,

der Büste siehe S. 34 f. unter WAF B 39.

1807–1881)

führte ein unkonventionelles, aufsehenerregen-

1831

des Leben mit Stationen in England, Frankreich,

Göttingen 1984, S. 210, Nr. 75; Rott 2003, S. 369

Jane Digby, seit ihrer Heirat mit ihrem

Deutschland, Griechenland und Syrien, an der Seite

Anmerkungen Werk Die Büste zeigt den 50-jährigen Joseph Stie-

1

Zur Biografie des Dargestellten vgl. Kunstver-

Befund Gips, 64,3 × 43,3 × 29,4 cm – Inschrift

von vier Ehemännern verschiedener Nationalitä-

ler, der seit 1820 die Stellung eines Hofmalers im

ein München 1858, S. 50–52 (Nachruf); Allgemei-

am Sockel vorn: LADY IANTHE / ELLENBOROUGH;

ten, denen sie nach vier verschiedenen Riten an-

Dienst der bayerischen Könige innehatte. Nach der

ne Deutsche Biographie, Bd. 36, 1893, S. 189–196

rechts: JBandel [JB ligiert] / fecit a. D. / MDCCCXXXI –

getraut war, und einer weitaus größeren Zahl von

Ausbildung in Würzburg bei Christoph Fesel und in

(Hyacinth Holland); Ulrike von Hase, Joseph Stieler

Bez. mit Bleistift vorn oberhalb des Sockels: 150;

Liebhabern. Sie war die Enkelin von Thomas Coke,

Wien bei Heinrich Füger war ein Aufenthalt in Paris

1781–1858. Sein Leben und sein Werk. Kritisches

mit grüner Kreide auf Stirn und Brust: 38 – Auf

1. Earl of Leicester, und wuchs in Holkham Hall auf,

prägend, wo Stieler 1807/08 bei dem David-Schüler

Verzeichnis der Werke, München 1971 (Materialien

der Rückseite gedruckter Inventarzettel mit hand-

einem der prachtvollsten palladianischen Landsit-

François Gérard lernte, dem Hofmaler Napoleons.

zur Kunst des 19. Jahrhunderts, Bd. 4); Neue Deut-

schriftlicher Nummer in Bleistift: Königliche Neue

ze Englands. Sie war für ihre Schönheit berühmt,

1809 bis 1812 lebte Stieler in Italien; dort arbeitete er

sche Biographie, Bd. 25, 2013, S. 328 f. (Ulrike von

Pinakothek. / Königl. Familiengut / Neues Supple-

trat kultiviert auf und beherrschte neun Sprachen.2

in Mailand für Eugène de Beauharnais, über den er

Hase-Schmundt).

ment-Inventar / Nr. 71

Nach der Scheidung von Lord Ellenborough und

mit dem Münchner Königshaus in Verbindung kam.

2

Ab 1812 lebte Stieler in München, unterbrochen

Ludwigs I., 7. Aufl., Regensburg 2011.

durch einen längeren Aufenthalt in Wien 1816 bis

3

1820, und malte Bildnisse der königlichen Familie,

[2. Juni 1828]; Der Briefwechsel zwischen Goethe

darunter die Krönungsbildnisse Max’ I. Joseph und

und Zelter, hrsg. von Max Hecker, Bd. 3: 1828–1832,

Inventare 1868, Nr. 150; 1890, Nr. 71; WAF B, Nr. 38

ein engeres Verhältnis, der König ließ ihr kostbare

Ludwigs I. Daneben entstanden Porträts für Auftrag-

Frankfurt am Main 1918, S. 35.

Literatur Brigitte Bötel, Joseph Ernst von Bandel

Geschenke zukommen, widmete ihr Gedichte und

geber aus dem Adel und gehobenen Bürgertum. Sti-

1800–1876. Das bildhauerische Werk, Diss. Georg-

schrieb, anstatt sich drängenden Staatsgeschäften

listisch folgte Stieler dem Vorbild der klassizistischen

August-Universität Göttingen 1984, S. 206 f., Nr. 73;

zu widmen, »parfümierte Briefe«.3 Joseph Stieler

französischen Malerei mit einem dünnschichtigen

Rott 2003, S. 362

malte im Auftrag Ludwigs I. noch im selben Jahr ihr

1

Gerhard Hojer, Die Schönheitengalerie König Brief Goethes an Carl Friedrich Zelter, undatiert

der Trennung von Felix Fürst zu Schwarzenberg, Provenienz 1832 durch König Ludwig I. vom Künst1

ler erworben.

mit dem sie einige Zeit in Paris gelebt hatte, kam sie im Sommer 1831 nach München, wo Ludwig I. auf sie aufmerksam wurde. Es entwickelte sich


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