Caspar David Friedrich und die Transparentmalerei
Der
Kasseler Mondschein
Caspar David Friedrich und die Transparentmalerei Der Kasseler Mondschein
Christiane LukatisHessen Kassel Heritage Deutscher Kunstverlag
Hessen Kassel Heritage Wissenschaftliche Reihe, Bd. 6
Herausgeber:
Hessen Kassel Heritage
Projektkoordination: Gisela Bungarten
Text und Bearbeitung: Christiane Lukatis
Redaktion:
Gisela Bungarten, Christiane Lukatis
Lektorat:
Sabina Köhler, Kassel
Fotografie:
Katrin Venhorst
Gestaltungskonzept und Layout:
Annett Osterwold, Berlin
Druckerei:
Boxan, Kassel
Verlag und Vertrieb: Deutscher Kunstverlag
Genthiner Straße 13, 10785 Berlin www.deutscherkunstverlag.de
Ein Verlag der Walter de Gruyter GmbH, Berlin Boston www.degruyter.com
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Hessen Kassel Heritage ist eine Einrichtung des Landes Hessen
© 2024 Hessen Kassel Heritage © 2024 Deutscher Kunstverlag Ein Verlag der Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
ISBN 978-3-422-80244-5 e-ISBN (PDF) 978-3-422-80245-2
Inhalt
8 C aspar David Friedrich und die Transparentmalerei
9 E inführung
11 E in italischer Mondschein auf Rügen
13 » Unübertreflich an täuschender Wahrheit«
16 » jene wohlthätige Empfindung der Schwermuth«
17 Ha ckert, der Erfinder der Mondscheintransparente?
19 M achine Vésuvienne
20 Ne sselthaler oder Hackert?
23 »Ameublements« und »Spielereyen«
26 D resden und die Transparentmalerei
30 I n Öl oder transparent?
32 D er New Yorker Mondschein
36 Di e russischen Transparente
45 D as Kasseler Transparent
45 D ie Tagseite
55 D ie Nachtseite
63 D ie Vorderseite im Durchlicht
68 R eal oder visionär?
70 Sehnsucht
72 Ausblick
81 Verzeichnis der zitierten Literatur
87 Bildnachweis
Caspar David Friedrich, Gebirgige Flusslandschaft, Vorder- und retuschierte Rückseite, Hessen Kassel Heritage, Graphische Sammlung
Caspar David Friedrich und
die Transparentmalerei
Einführung
Das Kasseler Transparentbild von Caspar David Friedrich gibt uns auch heute noch viele Rätsel auf. Das Original ist für die Forschung schwer zugänglich und stand deshalb nie im Fokus des Interesses.1 Aus konservatorischen Gründen kann es nicht mehr dauerhaft präsentiert werden. Zudem ist für seine Sichtung eine aufwendige Lichtinstallation in einem Dunkelraum notwendig. Erst bei rückseitiger Beleuchtung entwickelt Friedrichs doppelseitig bemalte Mondscheinlandschaft ihren besonderen Zauber. Erst dann tauchen in der Ferne Höhenzüge und eine Stadt mit Türmen auf, die bei Auflicht unsichtbar sind. Ohne Durchlicht wird der Betrachter auf der Vorderseite mit einer irritierend leeren Nebellandschaft konfrontiert und auf der Rückseite mit tiefer Dunkelheit, die nur vom Mond partiell erhellt wird (Abb. 2 und 3).
Anders als bei dem Zyklus von vier heute verschollenen Transparenten, den Caspar David Friedrich 1835 an den russischen Zarenhof lieferte und auf den noch genauer einzugehen sein wird, 2 hat er uns für die Gebirgige Flusslandschaft keine schriftliche Anleitung hinterlassen, wie sie zu inszenieren ist. Da erst das Licht das Werk konstituiert, ist jedes Foto, jede Präsentation eine Interpretation. Wie könnte die ursprüngliche Beleuchtungssituation dieses Transparents ausgesehen haben? Welche Leuchtmittel standen Friedrich zur Verfügung, und welche Wirkung könnte er mit ihnen angestrebt haben? Haben wir uns die Beleuchtung statisch vorzustellen oder wechselten Lichtstärke und vielleicht auch -farbe? Ließen sich Abläufe simulieren? Können wir überhaupt rekonstruieren, wie das Werk ehemals erscheinen sollte?
Die Vorstellung, die wir heute von Friedrichs komplexem, mit hoher technischer Perfektion ausgeführtem Transparentbild haben, wird geprägt von den musealen Objektfotografien der 1980er und 1990er Jahre (Abb. 4) 3 , die auch in der neu-
Abb. 4
Caspar David Friedrich, Gebirgige F lusslandschaft, rückseitig großflächig beleuchtet
eren Literatur aus Mangel an Alternativen abgebildet werden. In dieser Form, mit einer kräftigen, einheitlich über die gesamte Rückseite des Transparents gezogenen Beleuchtung, die für einen starken Rotstich sorgt und die Papierstruktur zum Vorschein kommen lässt, wird das Werk jedoch mit historischen, eher punktuell ausgerichteten Leuchtmitteln nie gezeigt worden sein. Das Bemühen, nachzuvollziehen, wie Friedrichs Flusslandschaft ursprünglich beleuchtet wurde, wird deshalb in diesem Beitrag eine große Rolle spielen. Darüber hinaus wird die Technik Friedrichs erstmals eingehend untersucht und der Versuch unternommen, seine Darstellung in die Geschichte der Transparentmalerei einzuordnen.
Fakten sind nur wenige zu dem Transparent überliefert. Ein erster Hinweis findet sich in dem Verzeichnis von Oelgemälden, Handzeichnungen und sonstigen Kunstgegenständen aus dem Nachlasse des verstorbenen K. S. Prof. C. D. Friedrich, das sein Nachbar und Freund, der norwegische Maler Johann Christian Clausen Dahl (1788–1857), anfertigte. Dahl listete dort die Werke auf, die am 1. und 2. Dezember 1843 in Dresden zur Auktion kamen, als »Nr. 12« etwa eine Landschaft, die Werner Sumowski 1970 erstmals auf das Kasseler Transparent bezog: »Gebirgsgegend bei Mondschein mit einer gothischen Stadt im Hintergrund. Grosses Transparent auf Papier mit Wasserfarbe. Auf einem Rahmen gspannt. 1 E.[lle] 16 Z.[oll] h.[och], 2 E.[llen] 14 1/2 Z.[oll] b.[reit]«. 4 Die Differenz der hier angegebenen Maße von circa 95 cm x 148 cm zu denjenigen des Originals mit 74,2 cm x 126,9 cm hat Sumowski überzeugend darauf zurückgeführt, dass im Nachlassverzeichnis der Rahmen mitgemessen wurde. 5 Dahl muss das Transparent aus Vorführungen gekannt haben. Denn er gibt einen Titel an, der sich auf den durchleuchteten Zustand bezieht, also auf eine Ansicht, die bei Anfertigung des Verzeichnisses nicht sichtbar gewesen sein wird.
1940 befand sich das Transparent nachweislich im Besitz der Galerie Wolfgang Gurlitt in München, die es um 1920 von Friedrichs Enkel, Prof. Harald Friedrich (1858–1933), in Hannover erworben haben soll. 6 Auf Wunsch des Kultusministers Arno Hennig (1897–1963) erwarb das Hessische Ministerium für Erziehung und Volksbildung 1957 das Werk von der Galerie Gurlitt mit der Absicht, es den Staatlichen Kunstsammlungen Kassel als Leihgabe zu übergeben. Bis es dort ankam, sollten allerdings noch fast drei Jahre vergehen. Der Minister hatte »offenbar so viel Freude daran, dass er es noch eine gewisse Zeit in seinem Büro aufgehängt sehen möchte […].« 7
Warum verblieb das Transparentbild, auf dessen Ausführung Friedrich so große Mühe verwandte, in seinem Besitz? Hatte der Maler es nicht für den Verkauf bestimmt, sondern für den privaten Gebrauch, fand sich kein Käufer oder gab es einen Auftraggeber, der wider Erwarten absprang? Wurde Friedrichs Mondschein nur im familiären Rahmen präsentiert oder auch öffentlich? Transparente übten eine große Faszination aus. Häufig wurde darüber in Briefen, Tagebüchern oder Zeitschriften berichtet. Bei Friedrich fehlen derartige Zeugnisse bislang. Könnte dieser Umstand dafürsprechen, dass er das Transparent nur im kleinen Kreis oder gar nicht zeigte? Wo eignete sich Friedrich die komplizierte Technik der Transparentmalerei an, die er hier meisterlich vorführt? Seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts verbreitete sich das neue Medium von England ausgehend immer weiter und wurde um 1800 auch auf dem Kontinent zur Modeerscheinung. 8 Gab es Vorbilder, an denen sich Friedrich orientiert haben könnte? Begeben wir uns auf Spurensuche.
Ein italischer Mondschein auf Rügen
Überraschenderweise scheint Friedrich die Transparentmalerei nicht in der Metropole Dresden für sich entdeckt zu haben, wo er seit 1798 lebte, sondern auf Rügen. 9 Nachweislich seit dem Sommer 1801 zog es den gebürtigen Greifswalder bei Besuchen in seiner pommerschen Heimat immer wieder auf die touristisch noch k aum erschlossene Ostseeinsel. Rügen versprach Friedrich nicht nur spektakuläre einsame Landschaften und prähistorische Altertümer, sondern auch intellektuellen Austausch, ja sogar Kunstgenuss in den großen Pfarreien, die Wanderern gastfrei Quartier boten.10 In Altenkirchen war der Dichter, Theologe und spätere Professor für Geschichte der Universität in Greifswald, Ludwig Gotthard Kosegarten (1758–1818), bis 1808 als Pastor tätig. Berühmt waren nicht nur seine vaterländischen Dichtungen, sondern auch die Uferpredigten für die Fischer auf den Klippen von Vitt. Bereitwillig zeigte Kosegarten Besuchern seine respektable Sammlung an Kupferstichen und Zeichnungen, wie Johann Jakob Grümbke (1771–1849) in seinem 1805 erschienenen Reiseführer Streifzüge durch das Rügenland 11 berichtet. Frühzeitig erwarb Kosegarten auch Rügenansichten von Friedrich.12 Die Aufenthalte auf der Insel vermittelten Friedrich also nebenbei einen neuen Abnehmerkreis, der sich vor allem für Ansichten der heimischen Landschaft begeistern ließ.
Noch interessanter dürfte für Friedrich die Sammlung von Probst Erich Georg Theodor Schwarz (1740–1814) im unweit gelegenen Wiek gewesen sein: »In dem Pfarrhause richteten einige Gemählde von […] Hackert meine Aufmerksamkeit auf sich;« berichtet Grümbke, »[…] Noch ein anderes Werk des älteren Hackert, ein großes transparentes Mondscheingemählde, (eine bekanntlich g anz eigenthümliche Erfindung dieses Künstlers) das über der Thüre eines Saals angebracht ist, wurde am Abend zur Belustigung der Augen und des Gemüths erleuchtet.«13
Abb. 5
Jakob Philipp Hackert, Rüg enlandschaft mit Kreidefelsen und Wanderern, in: Ansichten von Rügen, 1763/64, R adierung.
Hessen Kassel
Heritage, Graphische S ammlung
Jakob Philipp Hackert (1737–1807), der seit 1768 mit seinem Bruder in Rom lebte, im April 1786 zum Hofmaler König Ferdinands IV. (1751–1825) nach Neapel berufen wurde und seine begehrten Ansichten klassischer italienischer Landschaften bis in die höchsten Kreise lieferte, hatte sich 1763 länger auf Rügen aufgehalten (Abb. 5). Für den schwedischen Regierungsrat Adolf Friedrich von Olthof (1718–1793) dekorierte er einen Festsaal des Herrenhauses Boldevitz mit Landschaften. Bei dieser Gelegenheit lernte Hackert die Nichte seines Mäzens kennen, Anna Magdalena Stegemann, genannt Eleonora (um 1750–nach 1806), die später den Wieker Propst Erich Georg Theodor Schwarz heiratete. Wann Hackert ihr das Transparent zum Geschenk machte, ist nicht bekannt. 1806 wandte sich Eleonora Schwarz brieflich an den Freund, um nebenbei seinen Rat einzuholen, wie der störende Gelbton ihres Mondscheins z u beseitigen sei. Auf den nicht überlieferten Brief Eleonoras reagierte Hackert am 29. März 1806 aus Florenz: »Mit den Mondschein en Transparent hat es gemeiniglich die Bewandniß, daß daß Ohl sich t heils Verzehret und Vergelbet. Versuchen Sie mahl, ihm einige Stunden ohne Glaß, in die Sonne und freye Luft zu legen, vielleicht Ziehet die Sonne und die Luft daß Gelbe heraus, so wie ich Vermuthe. Nachdem, so Geben Sie daß Papier wider Neu Baum öhl, aber nicht zu Viel […] sonst läuft es, u. wird noch gelber. Diese Arth Arbeiten sind Künsteleyen, die auf eine gewisse Zeit unterhaltendt u. angenehm seyn, die aber nicht für die Zukunft wie Kunst werde dauren.« 14
»Unübertreflich
an täuschender Wahrheit«
Der Mondschein der Familie Schwarz, den Friedrich auf Rügen kennenlernte und der ihm vielfältige Anregungen zur technischen Ausführung, aber auch zur Präsentation seiner eigenen Transparente geliefert haben wird, war also bereits 1806 in einem schlechten Zustand. Aus dem Brief von Hackert an Eleonora Schwarz erfahren wir, dass er das Papier geölt hatte, um es durchscheinender zu machen. Welcher Technik er sich darüber hinaus bediente, kann nur im Rückgriff auf schriftliche Quellen zu den acht Transparenten, die von Hackert dokumentiert sind, oder auf den einzigen seiner Mondscheine erschlossen werden, der sich über die Zeiten bewahrt hat. Er befindet sich nach wie vor am Ort seiner Bestimmung auf Gut Emkendorf in Holstein.15
Ausführlich geht Friedrich Johann Lorenz Meyer (1760–1844), Domherr, Jurist und Kunstliebhaber aus Hamburg, der Hackert 1783 in dessen Landhaus in Albano besuchte, auf die Technik der Mondscheine ein. Er traf den Künstler bei der Arbeit an einem prestigeträchtigen Auftrag von Großfürst Pawel Petrowitsch von Russland (1754–1801) für seine Mutter, Katharina die Große (1729–1796), an: eine transparente Mondscheinlandschaft mit der Ponte Molle.16 Dafür wird Hackert keine Mühen gescheut und alle Möglichkeiten ausgeschöpft haben, die ihm die neue Technik der Transparentmalerei bot. Der Lohn in Höhe von 200 Zecchinen, den er für das Transparent von 3 x 4 Fuß, also respektabler Größe, erhielt, entsprach in etwa dem, was er für ein mittelformatiges Gemälde verlangte.17 »Unübertreflich an täuschender Wahrheit ist die malerische Wirkung dieser noch wenig bekannten Darstellungsart des Mondscheins , von Herrn PHILIPP HACKERTS eigner Erfindung«, berichtet Meyer über diese Arbeit. »Die Landschaft selbst wird mit Wasserfarbe auf Papier gemalt; die großen und soliden Massen derselben, als Berge, Gebäude, Schiffe u. dergl., werden besonders ausgeschnitten, kolorirt, und dann auf das Papier geklebt. Die Stellen im Wasser, worauf die Mondstralen am stärksten wirken, werden mit einem Messer dünne geschabt, und die übrigen, mehr und minder starken Lichter in der Landschaft mit einem darauf gebrachten transparenten Spiritus angegeben. Alles übrige wird kolorirt, das weiße Papier zu den Lichten ausgespart, und die Mondscheibe ganz weiss gelassen. – Die kolorirte Seite des ganzen Blattes wird dann mit feinem weissen Papier beklebt, worauf nur die Mondscheibe ausgeschnitten ist. Das so vollendetet Stück schiebt man zwischen
zwei Spiegelgläser eines dazu eingerichteten Kastens, der genau die Größe des Gemäldes haben, und von allen Seiten so verschlossen sein muß, daß die Lichtstrahlen der hineingehängten Lampen nirgends durchscheinen, und ihre Wirkung bloss auf das Stück vereinigen. Eine dieser Lampen befestiget man hinter der Mondscheibe, die zweite hinter der Stelle, wo ihre Stralen am stärksten auf die Landschaft fallen.«18
Wie diese Beschreibung zeigt, war die Technik, die Hackert benutzte, aufwendig und ausgefeilt. Bei dem Mondschein auf Gut Emkendorf, der als verdeckte Supraporte nach wie vor in situ in einem der Salons installiert ist, färbte er zunächst die gesamte Vorderseite des Papieres in einem Blauton ein (Abb. 6). Den Mond schnitt er aus, die Wolken und die Reflexe auf dem Wasser schabte er aus dem Blau heraus, wobei er nicht nur die Farbe abtrug, sondern in einzelnen Partien auch das Papier ausdünnte, um es lichtdurchlässiger zu machen. Den Baum und das Grabmal mit einer Urne auf einem Sockel malte Hackert mit pastosen, deckenden Farben über das Blau. Die Hügelketten, die im Auflicht nicht erkennbar sind, schnitt er aus und klebte sie auf die Rückseite des Transparents oder auf einen separaten Papierbogen. Bei Durchlicht
dringt an diesen Stellen weniger Licht durch das Papier, so dass die ausgeschnittenen Partien als dunkle Silhouette auf der Vorderseite erscheinen (Abb. 7). Zusätzlich verändert die rückseitige Beleuchtung die Farben und mit ihnen die Stimmung. Aus der blauen Mondlandschaft wird eine rötliche südliche Abendstimmung.
Der Emkendorfer Mond ist vor einem Holzkasten installiert, der in einen Dienergang hineinragt. Anzunehmen ist, dass die Beleuchtung vom Gang aus erfolgte. Der heutige, vermutlich nicht originale Kasten weist erstaunlicherweise zum Gang hin keine größere Öffnung auf. Vom Salon aus kann das Transparent dagegen durch zwei Haken herausgenommen werden. Der Aufwand dafür ist allerdings erheblich und hätte die Wirkung der Vorführung stark beeinträchtigt. Die für den Betrachter überraschende Veränderung der Landschaft im Durchlicht entfaltet ihre Wirkung nur, wenn der Vorgang des Entzündens der Lampen dem Betrachter verborgen bleibt, das Transparent also vom Dienergang aus illuminiert wurde.
Der Mondschein der Eleonore Schwarz auf Rügen wird aller Wahrscheinlichkeit nach dem Emkendorfer ähnlich gewesen sein. Möglicherweise kannte Friedrich aber nicht nur das Transparent,
Abb. 6–7
Jakob Philipp Hackert, Mondscheintr ansparent im Auf- und Durchlicht, nach 1784. Gut Emkendorf
sondern auch die Beschreibung der Hackertschen Mondscheine von Meyer, die in leicht veränderter Fassung mehrfach gedruckt wurde und deshalb gut zugänglich war.19 »Daß […] diese Art malerischer Darstellung keine Guckkastentändelei ist,« konstatierte Meyer dort 1792, »sondern wahres artistisches Verdienst hat.« 20 In seinem Brief vom 14. Oktober 1835 an den russischen Dichter und Prinzenerzieher Wassili Andrejewitsch Schukowski (1783–1852), der ihm einen Auftrag für vier Transparente für den russischen Hof vermittelt hatte, lehnte sich Friedrich in der Bewertung der Durchscheinbilder eng an Meyer an: »man denke sich aber keine Ku[ck]kasten Bilder« 21, schrieb er, um sie von Unterhaltungskunst abzugrenzen. Dies könnte ein Indiz dafür sein, dass Friedrich sich auch über Publikationen, wie die von Meyer, über die Technik der Transparente informierte.
»jene
wohlthätige Empfindung der Schwermuth«
Auf Rügen konnte Friedrich nicht nur ein Mondscheintransparent aus nächster Nähe in Augenschein nehmen, er wird auch das gesellige Beisammensein erlebt haben, das an dessen Betrachtung geknüpft war. Der ästhetische Genuss von Transparenten war in gebildeten Kreisen ein beliebtes gesellschaftliches Ereignis. Hackert etwa fertigte nicht nur für externe Auftraggeber Transparente an, er führte sie auch in seinen privaten Wohnräumen vor. Wie im Wieker Pfarrhaus hatte er in seinem Landhaus in Albano einen Mondschein als Supraporte installiert. »Am Abend ward sie allein in dem übrigens finstern Zimmer erleuchtet. Man setzte sich ihr gegenüber in einem Kreis, und genoss schweigend dieses reitzen den Anblickes, welcher jene wohlthätige Empfindung der Schwermuth einflösst, die sich durch Worte nicht verräth«, so Meyer 1792. 22
In Neapel lud Hackert gar in sein Schlafgemach im Palazzo Cellamare zum gemeinschaftlichen Betrachten des Mondes ein. »Ueber der Thür seines Schlafzimmers«, überliefert Friedrich Leopold Graf zu Stolberg-Stolberg (1750–1819), »hat er auf Papier, zwischen doppelten Spiegelgläsern, einen Mondschein auf dem Meere vorgestellt. Wenn die Kammer dunkel und das Vorzimmer erleuchtet ist, so bringt dieses Gemälde eine bezaubernde Täuschung hervor. Sein Mond scheinet alsdann so hell, daß die Gegenstände in der Kammer Schatten werfen. Auf dem Meere des Bildes glaubt man würklich den Mondschein schimmernd beben zu sehen. […].« 23
Vor allem weibliche Italienreisende zog es zu Hackert, »den Mondschein zu sehen«. 24 Doch auch im Norden waren seine Mondscheine e ine große Attraktion. Julia von Reventlow (1763–1816), Gutsherrin auf Emkendorf, versuchte gar, Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) durch ihren Mondschein aus Weimar an ihren Musenhof zu locken. Als Anhang eines Briefes von Friedrich Heinrich Jacobi (1743–1819) schrieb sie 1794 an den Dichterfürsten: »Heller wird unsre Sonne, lieblicher unser Mond scheinen, wenn Sie hier sind – und genügt Ihnen unser Mond nicht, so kann ich Ihnen sogar einen italienischen Mond hervorrufen.« 25
Hackert, der Erfinder der Mondscheintransparente?
In der alten wie in der neueren Literatur wird Hackert als derjenige gefeiert, dem die Erfindung des Mondscheintransparents zu verdanken sei. 26 Auch Meyer und Grümbke setzen dies als allgemein bekannt und akzeptiert voraus. Unter dem Titel Berichtigung widerspricht das Intelligenzblatt der Neuen allgemeinen deutschen Bibliothek 1793 jedoch nachdrücklich der Auffassung Meyers, die transparenten Mondscheine seien »von Herrn Philipp Hackerts eigner Erfindung«, denn: »Der Ritter Hamilton hatte schon einen solchen Mondschein, ehe noch Hackert in Neapel war. Das Kunstwerk war von der Hand des du Pain, eines Schweizers, und machte, ob es gleich bloße Zeichnung war, gleichwohl eine auffallende Wirkung. Hr. Nesselthaler […] war damals bey dem K.K. Minister Grafen v. Lamberg in Neapel. Er sah die Zeichnung, und beschloß, einen Versuch in Farben zu machen, in sofern nämlich die Gegenstände beym Schein des Vollmondes eine Erleuchtung erlauben. Schon sein erstes Stück erhielt den ungetheilten Beyfall des Hofes und aller Kenner, und veranlaßte eben dadurch Hrn. Hackert, ähnliche zu machen. […].« 27
Der berühmte englische Diplomat, Vulkanologe und Sammler Sir William Hamilton (1730–1803), der von 1764 bis 1800 als Gesandter seines Königs in Neapel ansässig war (Abb. 8), soll demnach bereits vor 1782 ein gezeichnetes Mondscheintransparent besessen haben,
Abb. 8
Henry Hudson nach Sir Joshua R eynolds, Porträt von Sir William Hamilton, 1787, Schabkunst. Lo ndon, British Museum
dessen Urheber bislang nicht identifiziert werden kann. 28 Dieses einfache, aber durchaus wirkungsvolle Transparent diente dem Österreicher Andreas Nesselthaler (1748–1821) 29, der von 1782 bis 1784 gleichfalls in Neapel lebte, als Vorbild, um die schwarzweiße Zeichentechnik ins Farbige zu übertragen und dadurch die Effekte noch zu verstärken. Nesselthaler wird vermutlich über seinen Dienstherrn, den österreichischen Gesandten Anton Franz de Paula Graf von Lamberg-Sprinzenstein (1740–1822), der in Neapel eine bedeutende Vasensammlung zusammentrug, bei Hamilton eingeführt worden sein. Hackert kam nach der Darstellung des Intelligenzblattes e rst ins Spiel, als deutlich wurde, dass das neue Medium des transparenten Mondscheins auf beachtliche Resonanz stieß, also prestigeträchtig und einträglich werden könnte.
Die Rolle, die das Intelligenzblatt Hamilton als Besitzer, wenn nicht gar als Initiator der ersten Mondscheintransparente zuweist, erscheint durchaus glaubhaft. Was bislang unberücksichtigt blieb, ist, dass Hamilton nachweislich bereits seit 1767 mit der Technik der Transparentmalerei vertraut war. In diesem Jahr hatte er in Neapel ein Transparent in Auftrag gegeben, das allerdings keinen Mondschein zeigte, sondern einen Ausbruch des Vesuv. Es sollte auch keine elegischen Gefühle hervorrufen, sondern seine wissenschaftlichen Beobachtungen zur Vulkanologie für ein breiteres Publikum veranschaulichen. 30
Am 29. Dezember 1767 schickte Hamilton einen ausführlichen Bericht über den letzten Ausbruch des Vesuv, den er aus nächster Nähe beobachtet hatte, an den Präsidenten der Royal Society, James Douglas, Earl of Morton (1702–1768). Dort kündigte er an, dem British Museum eine Sammlung an selbst zusammengetragenen vulkanischen Gesteinsproben zu schenken. »Ich habe«, ergänzt er, »dieser Sammlung auch die Ansicht eines Lavaflusses vom Vesuv beigefügt. Sie ist mit transparenten Farben gemalt. Beleuchtet man sie von hinten, bekommt man eine noch bessere Vorstellung vom Vesuv, als es mit irgendeiner anderen Art von Malerei möglich wäre.« 31
Im Mai 1768 schilderte Sir John Pringle (1707–1782) Hamilton den Eindruck, den dieses Transparent hinterlassen hat: »Die Darstellung dieser großartigen und grauenerregenden Szene mit transparenten Farben war so lebendig und so eindrucksvoll, dass uns entfernten Beobachtern dabei nichts zu mangeln schien als die Furcht, die in jedermann entfacht worden sein muss, der so nahe war.« 32 Matthew
Maty (1718–1776), Sekretär der Royal Society und Bibliothekar der British Library, merkte am 5. Juli 1786 an: »Das Bild hat durch die Hinweise, die Sie mir freundlicherweise gegeben haben, jetzt eine sehr großzügige Erscheinung in einem unserer Räume. Es gewährt dem Betrachter eine höchst eindringliche Darstellung von dem entsetzlichen Phänomen [des Vulkanausbruchs], das Sie mit solcher Unbeirrbarkeit und Beständigkeit beobachtet haben und dass Sie so detailreich wie klug erklären und beschreiben.« 33 Hamiton hatte also eine schriftliche Anleitung mitgeliefert, wie das Tranparent in der Royal Society zu präsentieren sei. Sein Ziel war es, den Besuchern einen viel unmittelbareren und anschaulicheren Eindruck von der Gewalt des Vulkanausbruchs zu bieten, als es seine wissenschaftlichen Beschreibungen zu geben vermochten.
Machine Vésuvienne
Dieses Spiel mit der Realität, um möglichst lebensnahe Eindrücke von einem für die vulkanologische Forschung höchst relevanten Phänomen zu vermitteln, baute Hamilton nach 1771 noch aus, indem er einen Apparat ersann, der mittels eines Uhrwerks ein Transparent durch bewegte Lichter und Geräusche animierte. Eine Skizze mit ausführlicher Legende von dem französischen Naturforscher François de Paule Latapie (1739–1823), der sich von 1774 bis 1776 in Italien aufhielt und in Neapel bei Hamilton vermutlich den Apparat oder die Entwürfe dafür sah, überliefert die komplizierte Mechanik der spektakulären Machine Vésuvienne ( Abb. 9) 34 .
Durch wechselnde Beleuchtungseffekte konnte der Lavafluss des Schaubildes in Bewegung versetzt werden, während eine Trommel mit einem Schlägel dazu Explosionsgeräusche erzeugte. Hamilton schenkte seinen »Apparatus« dem gefeierten britischen Schauspieler David Garrick (1717–1779). Nach dem Tod seiner Witwe wurde der Apparat 1823 bei Christie’s versteigert. 35 Der Auktionskatalog führt Pietro Fabris (ca. 1730/35–1792/95) als M aler des dazugehörigen Transparentes auf. In London als Sohn
Abb. 9
François de Paule Latapie, Skizze der M achine Vésuvienne von William Hamilton. Bordeaux, Bibliothèque municipale
Abb. 10
Pietro Fabris, Sir William Hamilton führt die beiden sizilianischen M ajestäten zum Ausbruch des Vesuv am 11. Mai 1771, in:
» Campi Phlegraei«, Tafel XXXVIII, 1771–76. London, British Museum
eines venezianischen Theatermalers geboren, wurde Fabris von Hamilton über lange Zeit gefördert. 36 So fertigte er etwa einen Teil der Illustrationen zu den Campi Phleghraei an, einer aufwendigen, reich bebilderten Publikation, mit der Hamilton 1776 seine Briefe zu seinen vulkanologischen Feldforschungen ein weiteres Mal veröffentlichte. Die Tafel 38 zum Lavastrom vom 11. Mai 1771 (Abb. 10) soll dem Schaubild des Apparatus geähnelt haben. 37 Möglicherweise konnten die Bilder, die der Apparat zeigte, aber auch ausgewechselt werden. Lange bevor Hackert sich der Transparentmalerei zuwandte, hatte sich Hamilton also bereits ausgiebig mit den Möglichkeiten, die diese Technik bot, beschäftigt und sie geschickt genutzt, um seine aufsehenerregenden Forschungen zum Vesuv einem breiteren Publikum näher zu bringen. Dass es ein Brite war, der diese transparenten Malereien in Italien bekannt machte, verwundert nicht, da man sich in Großbritannien schon sehr früh in der Theatermalerei, aber auch bei öffentlichen Anlässen für derartige Effekte interessiert hatte. 38 Es ist also durchaus vorstellbar, dass Hamilton sich nicht nur Vulkane in dieser Technik zaubern ließ, sondern auch einen eigenen Mond, den er auf- und untergehen lassen konnte, wie es ihm beliebte.
Nesselthaler oder Hackert?
Nesselthaler, der sich von Hamiltons Mondschein in Neapel zur Transparentmalerei anregen ließ, befasste sich auch nach seiner Rückkehr nach Österreich weiterhin mit dieser Technik. Mehrere Transparente seiner Hand haben sich erhalten. Thematisch deckte
er das Spektrum ab, das Hamilton vorgegeben hatte. Neben Ausbrüchen des Vesuv (Abb. 11) widmete er sich idealtypischen Landschaften im Mondschein (Abb. 12), 39 aber auch Schiffsbrände verstand er effektvoll in Szene zu setzen. Einmal entwickelte erfolgreiche Bildschemata wiederholte er in Variationen. Er übertrug damit das Medium, das Hamilton auch für seine wissenschaftlichen Zwecke eingesetzt hatte, in den Bereich der gehobenen Unterhaltung, wie sie dem Zeitgeschmack in der Epoche der Empfindsamkeit entsprach. Ebenso wie Hackert hatte auch Nesselthaler damit durchaus Erfolg. »Abends kam Madame Angelica, Zuchi, Abate Spina. Nesselthaler repreßentirte seine Mondschein Landschaften vor dem Licht«, berichtet Louise von Göchhausen (1752–1807), Hofdame der Herzogin Anna Amalia von SachsenWeimar-Eisenach (1739–1807), am 14. Mai 1789 in ihrem Tagebuch über die gemeinsame Italienreise. Am 4. Februar des Jahres hatten sie schon einen Mondschein bei Hackert in Augenschein genommen. 40 Fast 20 Jahre später schreibt Friedrich Graf von Spaur (1756–1821) aus Salzburg ganz ähnlich: »In der Dämmerung zeigte mir Nesselthaler bey Lichte seine transparenten Gemählde […].« 41 In Rom hatte Nesselthaler Friedrich Johann Lorenz Meyer, den Kunstliebhaber und Domherrn aus Hamburg, gleich mit drei Transparen-
Abb. 11
Andreas Nesselthaler, A usbruch des Vesuv, um 1785. Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett
Abb. 12
Andreas Nesselthaler, A rkadische Landschaft mit Mondschein, um 1785. Staatliche M useen zu Berlin, Kupferstichkabinett
ten unterschiedlicher Thematik beschenkt: eine Ansicht des Golfs von Neapel, den Golf bei nächtlichem Sturm und eine einsame Landschaft mit Bach. 42 Der Besitzer konnte also ein und denselben Beleuchtungskasten nacheinander mit mehreren Motiven bestücken und so seinen Besuchern eine kleine Vorführung bieten.
Von der Technik her entsprachen die Transparente Nesselthalers weitgehend der 1792 publizierten Beschreibung Meyers. Der Mond wurde blanko als unbearbeiteter Papierton belassen oder ausgeschnitten, die Landschaft mit Aquarell aufgebracht, für die L ichter das Papier durch Schaben ausgedünnt. Anschließend überzog man die gesamte Vorderseite mit einem dünnen Stoff, so dass die Bemalung nur bei rückseitiger Beleuchtung sichtbar war. Nesselthaler verzichtete allerdings darauf, größere Partien auszuschneiden und aufzukleben, wie es Meyer für die Transparente von Hackert überliefert hat. Die Kombination von Scherenschnitt und Zeichnung könnte möglicherweise auch für das Mondscheintransparent von Hamilton benutzt worden sein. Gerade durch den Verzicht auf eine Kolorierung hätten ausgeschnittene und aufgeklebte Partien einen zusätzlichen, sicherlich sehr reizvollen Effekt erzeugt. 43
Während Hamiltons Einfluss auf die Transparentmalerei bald in Vergessenheit geraten zu sein scheint, wurde um 1800 noch durchaus konträr diskutiert, ob Nesselthaler oder Hackert der Vorrang bei der Erfindung der Mondscheine einzuräumen sei. So differenziert der Schriftsteller Johann Isaak von Gerning (1767–1837): »Die beliebten Mondschein-Landschaften hat Nesselthaler aus Salzburg zuerst ausgeschnitten, geschabt und ausgespart, Hackert aber durch Oelfarben vereinfacht und verbessert […].« 44 Der Göttinger Professor Johann Dominik Fiorillo (1748–1821) unterstellt Hackert in seiner Geschichte der zeichnenden Künste in Deutschland vor allem finanzielle Interessen: »Der Erste war Nesselthaler aus Salzburg.« Von Hackert und »seinen Transparenten, oder vielmehr Ombres Chinoises zu reden, von welchen einige so viel Aufsehen gemacht haben, mag man mir erlassen, denn nur Gewinnsucht kann ihn zu dieser Art Arbeit, von welcher er nicht einmal der Erfinder ist, veranlaßt haben.« 45
»Ameublements« und »Spielereyen«
Wie dieser historische Abriss zeigt, besaßen die transparenten Mondscheine b ereits eine längere Tradition, als Caspar David Friedrich auf Rügen bei Propst Schwarz das Werk von Hackert im geselligen Kreis vorgeführt bekam. Zu dieser Tradition gehörte auch, dass im Journal des Luxus und der Moden zwischen 1798 und 1802 mehrfach über neue Entwicklungen berichtet wurde, welche die aufwendig zu präsentierenden künstlichen Mondscheine im kleineren Format alltags-, ja sogar reisetauglich machen sollten. So offerierte Georg Melchior Kraus (1737–1806), Direktor der Weimarer Freien Zeichenschule und Mitherausgeber des Journales des Luxus und der Moden, s eit 1798 »portative Mondschein-Transparents« (Abb. 13). 46 Zehn verschiedene Motive bot er für den von ihm entwickelten kleinen, leicht handhabbaren Kasten an. Neben »Mondschein-Scenen« im Garten der Villa Borghese, vor der Isola Bella des Lago Maggiore oder als Durchblick aus einer Felsenhöhe auf ägyptische Pyramiden waren auch »nächtliche Feuerstücke« zu haben sowie die letzte große Eruption des Vesuv, das Bombardement der Stadt Mainz oder Hamlet mit dem Geist seines Vaters.
Abb. 13
Georg Melchior Kraus, Portatives MondscheinTransparent mit Ilmpark und römischem Haus, um 1800. Klassik Stiftung Weimar
Abb. 14
Möbel zur Präsentation von » MondscheinTransparents«, in: Journal des Luxus und der Moden, Januar 1799. Klassik
S tiftung Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibliothek
A bb. 15
Über die Anwendung von Transparents beim Ameublement, in: Journal des Luxus und der Moden, April 1802. Klassik
S tiftung Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibliothek
Kraus kannte Hackert persönlich. Im August 1765 hatten sie sich in Paris kennengelernt. Möglicherweise weihte Hackert ihn von Italien aus in das »Geheimniß der Verfertigung« der Transparente ein, um selbst die umständliche Prozedur nicht mehr ausüben zu müssen. Der Altertumsforscher und Kunstagent Johann Friedrich Reiffenstein (1719–1793), der als Cicerone betuchte Reisende durch Rom führte, berichtete in einem Brief vom 11. Juni 1792 Johann Ludwig von Negelein (1750–1838) über den gemeinsamen Freund Hackert und dessen Transparente: »Er hat sich vorgenommen keine solche Zeichnungen mehr zu machen, weil ihm solche viel Zeit die er beßer anwenden kan Kosten. Er bietet verschiedenen Künstlern das Geheimniß der Verfertigung derselben an welche aber noch alle dazu zu faul gewesen.« 47 Es ist deshalb durchaus dankbar, dass Kraus sich von Hackert in die Technik einweisen ließ. So erwähnte Friedrich Justin Bertuch (1747–1822) in einem Nachruf auf den 1806 verstorbenen Kraus als Nr. 7 der Werke, die dieser im Angebot hatte, auch explizit »MondscheinScenen für Illumination nach Hackerts Manier«. 48 Neben tragbaren fertigte Kraus auf Bestellung also auch größere Transparente an.
1799 veröffentlichte das Journal des Luxus und der Moden unter dem Stichwort Ameublement »eine sehr artige und Geschmackvolle Dekoration […] sonderlich für Boudoirs und Schlafkabinets der Damen«, nämlich einen leicht nachzubauenden Kasten zur Präsentation von Mondscheintransparenten (Abb. 14 ). 49 Um die »sinnreiche Erfindungskunst« »unserer eleganten Damen« zu üben, stellte das Journal im April 1802 eine neuartige »Spielerey mit Kupferstichen« vor, die so zu kolorieren waren, dass ihre »Nacht- oder Lichtund Feuerscenen« verstärkt und transparent gemacht wurden. Derartig präparierte Stiche n utzte man als kleine Lichtund Kaminschirme oder als Fenster-Jalousien (Abb. 15). 50 Sie knüpften an modische Erscheinungen in Großbritannien an, wo sich die Produktion von Transparenten für den häuslichen Gebrauch zuerst zu einem beliebten Zeitvertreib für Damen entwickelt hatte. Die verschie-
denen Techniken wurden ins Curriculum von Lehrbüchern aufgenommen und im Zeichenunterricht behandelt. Sogar in die Welt d er Literatur fanden Transparente Eingang. 51
Wie verbreitet das Anfertigen von Transparenten auch im deutschen Sprachraum war, bezeugt ein Brief Johanna Schopenhauers (1766–1838) aus Weimar vom 5. Januar 1807. Die begabte Scherenschnittschneiderin berichtet ihrem Sohn Arthur (1788–1860) von einer ihrer Teegesellschaften: »Wir hatten den Abend nichts zu lesen; […]. Also kam es dann wieder in mein Ausschneiden, wofür Göthe sich lebhaft interessirt. […] Ich fabrizirte den Abend noch m it Meyern einen transparenten Mondschein; […] die übrigen standen umher und konversierten im zweiten Zimmer; Conta und die Bardua sangen zwischendurch ein L iedchen, und Göthe ging ab und zu bald an meinen Tisch, wo ich mit Meyern arbeitete, bald nahm er Theil an jenem Gespräch.« 52 Johanna Schopenhauer schnitt auch das Schaubild eines Ofenschirms für Goethe, der die fabrizierten Blumen selbst zusammenstellte und -klebte. 53 Ein großer, summarisch gearbeiteter Scherenschnitt einer Landschaft mit Tempelruine wird dagegen Goethe selbst zugeschrieben (Abb. 16 und 17). 54 Er diente gleichfalls als Transparent. Im Durchlicht taucht wie bei Hackert eine Bergsilhouette auf, die auf ein separates Blatt geklebt und hinter die Landschaft gelegt wurde. 1810 erschien Goethes Farbenlehre, in der er zumindest kurz auch auf die veränderte Farbwirkung eingeht, die Pergamentblätter im Durchlicht erzeugen, wenn sie übereinandergelegt werden. 55 In diesem Kontext werden Scherenschnitte, die als Transparente genutzt wurden, Goethe in dieser Zeit besonders interessiert haben.
Abb. 16–17
Johann Wolfgang von G oethe, Tempelruine im Auf- und Durchlicht, um 1810. Klassik Stiftung Weimar
Dresden und die Transparentmalerei
Inwieweit Friedrich populäre Erscheinungen zur Kenntnis nahm, ist unbekannt. Künstlichen Mondscheinen wird er jedoch nicht nur auf Rügen, sondern in ihren unterschiedlichsten Ausprägungen auch in Dresden begegnet sein. So berichtete das Journal des Luxus und der Moden 1807 nicht nur ausführlich über die Sepien, die Friedrich im März auf der akademischen Ausstellung präsentierte, sondern auch über ein Mondscheintransparent mit einer Ansicht Dresdens von Pieschen aus von seinem Künstlerkollegen Christian Gottlob Hammer (1779–1864). Dieses Auftragswerk, das der unbekannte Autor des Artikels zufällig in Augenschein nehmen durfte, beeindruckte ihn so sehr, dass er es gerne öffentlich ausgestellt gesehen hätte. »Ich muss frei bekennen, daß mir in dieser Art von Malerei nie etwas schöneres zu Gesichte gekommen ist.« 56 Ob Friedrich Hammers Transparent aus eigener Anschauung kannte, wissen wir nicht. Es ist aber davon auszugehen, dass er den Bericht über die akademische Ausstellung zur Kenntnis genommen hat und deshalb über das Werk unterrichtet war. Interessant ist auch ein weiteres Detail des Artikels. Friedrich wechselte auf der Ausstellung mehrfach seine Zeichnungen aus. Dieses Vorgehen erinnerte den Rezensenten an das neue Medium der Transparente, von dem er offensichtlich ein großer Liebhaber war: »Er [Friedrich] führte sie uns gleichsam wie in einer magischen Laterne vor Augen, indem er sie auf einem und demselben Platze unmittelbar hintereinander erscheinen ließ.« 57 Die Art, wie Transparente ausgestellt wurden, mit rückseitiger Beleuchtung und mit wechselnden Motiven, muss also in dieser Zeit auch in Dresden bereits sehr präsent gewesen sein.
War Hammers Mondschein für einen privaten Rahmen bestimmt, so gab es in späteren Jahren auch in Dresden öffentliche Vorführungen von Transparenten, die Friedrich besucht haben könnte. Im Winter 1819/20 präsentierte Franz Niklaus König (1765–1832) aus Bern sein Diaphanorama mit Ansichten Schweizer Landschaften und Genreszenen auf einer Deutschlandtour, die ihn nicht nur nach Freiburg, Karlsruhe, Mannheim, Heidelberg, Frankfurt, Darmstadt, Bamberg, Coburg, Leipzig und Weimar führte, sondern auch in die Elbmetropole. 1815 hatte König zunächst in seiner Berner Wohnung ein »Transparenten-Kabinett« eingerichtet. Dieses Kabinett überliefert eine Zeichnung seines Freundes, des Kupferstechers Johann Heinrich Lips (1758–1817), aus dem Jahr 1816 (Abb. 18). 58 In einem abgedunkelten Zimmer hat sich eine kleine Gruppe von
Kunstinteressierten vor einem großformatigen Transparent mit einer Darstellung von Silene und Endymion versammelt, das auf einem Tisch präsentiert wird. Auf geheimnisvolle Weise scheint das Bild aus sich selbst heraus zu leuchten. Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass der Kasten, in dem die Beleuchtungsvorrichtung installiert war, nicht wiedergegeben wird. Dem Anschein nach schwebt das Bild vor der rückwärtigen Wand und über dem Tisch, vor dem sich die Betrachter gruppiert haben, die durch starkes Gestikulieren ihre Überraschung über die Leuchtkraft des Transparents zum Ausdruck bringen. Selbst Hund und Kind blicken gebannt auf die zauberhafte Erscheinung.
Wo Königs Vorführung in Dresden stattfand, ist unklar. Der dafür angemietete Raum wird aber ein größeres Publikum zugelassen haben als in Bern. Das Diaphanorama stieß überall auf beachtliche Resonanz (Abb. 19 und 20). 59 In Weimar erhielt Goethe eine Privatvorstellung. 60 Johann Heinrich Meyer (1760–1832) berichtete ausführlich in der Zeitschrift Ueber Kunst und Alterthum. Er lobte den »wahren Kunstwerth« der Transparente und ihre Unmittelbarkeit etwa bei der Darstellung eines Gebirgsbaches, »dessen Geplätscher man zu vernehmen glaubt«. 61 Was König auf seiner Tour erlebte, wen er kennenlernte und wer ihn weiterempfahl, ist in seinem umfangreichen Briefwechsel dokumentiert. Ausgerechnet die Briefe vom Ende seiner Reise, aus Leipzig und Dresden, sind leider verschollen. 62
Abb. 18
Johann Heinrich Lips, D ie Kunstkritiker vor dem Transparentgem älde, 1816. Kunsthaus Zürich, Graphische Sammlung
Abb. 19
Franz Niklaus König, D ie Jakobsfeuer am Brienzersee, um 1810.
Bern, Kunstmuseum, Bernische Kunstgesellschaft
Im Todesjahr von König, 1832, erschien eine aufschlussreiche Beschreibung vieler seiner Transparente. Zur Jungfrau in den Berner Alpen ist dort etwa verzeichnet: »Die Sonne ist für die übrige Welt schon untergegangen, nur das Hochgebirg leuchtet noch im Feuerglanz der letzten Strahlen; ein sanfter Rosenschimmer wechselt mit dem Glanze, und allmälig geht die Farbe in Purpur über, während es im Thale immer dunkler wird. Endlich steigt der eisgraue Schatten bis an den Gipfel hinauf, der wie Gluth am Himmel leuchtet; ist auch dieser erloschen, so geht das ganze Gemälde in Dämmerung über, nachdem sich vorher noch das letzte Auffackeln des Tageslichtes über d as Ganze verbreitet haben wird.« 63
Sollte es König schon gelungen sein, mittels besonderer Beleuchtungseffekte Abläufe darzustellen wie den Sonnenuntergang mit seiner charakteristischen Verfärbung des Himmels und dem langsamen Übergang zur Nacht, wie sie später für das Diorama typisch wurden? Oder suggeriert die Beschreibung mehrerer seiner Transparente nur eine Lebendigkeit, die sie dann doch nicht einlösen konnten? 64 Auch dieser Frage wäre noch nachzugehen. Friedrich, der sehr an den Tageszeiten interessiert war, atmosphärische Zwischenzustände schätzte und in dessen Gemälden häufiger un-
bestimmt bleibt, ob es sich um einen Sonnenauf- oder -untergang handelt, hätte die Darstellung von zeitlichen Abläufen in den Transparenten sicherlich in besonderem Maße fasziniert.
Öffentliche Vorführungen von Transparenten tauchen später auch im unmittelbaren Umfeld Friedrichs auf. So stellte sein Schüler Ernst Ferdinand Oehme (1797–1855) Anfang Dezember 1832 gemeinsam mit dem Architekturmaler Otto Wagner (1803–1861) an prominenter Stelle einen Cyklus dioramatischer Darstellungen 65 aus. Insgesamt zwölf Transparente wurden auf Wunsch des Prinzregenten Friedrich August von Sachsen (1797–1854), der Oehme seit langem förderte,
Abb. 20
Franz Niklaus König, Der Rigi-Kulm mit originalem B eleuchtungskasten, um 1815. Bern, K unstmuseum, Bernische K unstgesellschaft