Architektur alpiner Sicherheit

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ARCHITEKTUR ALPINER SICHERHEIT

Lawinenverbauung zwischen Technologie und Ästhetik

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Sektion für Kunst und Kultur des Österreichischen Bundesministeriums für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport, der Abteilung Kultur des Amtes der Tiroler Landesregierung und des Kulturamts der Stadt Innsbruck.

ISBN 978‑3‑422‑80167‑7

e ISBN (PDF) 978‑3‑422‑80168‑4

Library of Congress Control Number: 2024933028

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2024 Deutscher Kunstverlag

Ein Verlag der Walter de Gruyter GmbH, Berlin/ Boston

Einbandabbildung: Walter Niedermayr, Lech Rüfikopf 20/2015, dreiteilig, 131 × 318 cm, Detail Courtesy Walter Niedermayr und Galerie Johann Widauer Innsbruck. Satz und Repro: LVD GmbH, Berlin Druck und Bindung: Beltz Grafische Betriebe GmbH, Bad Langensalza www.deutscherkunstverlag.de

der Lawinenskizze zum geoinformationstechnischen Managementsystem –der

und Lawinenkataster

DAS ÄSTHETISCHE BILD – SICHERHEIT UND TECHNISCHE

Einleitung

Das Bild der Alpen ist von jeher ein oszillierendes. Die Vorstellung einer einzigartigen, vom Men schen unberührten Natur, die insbesondere in den sich machtvoll erhebenden, von rauen Fels formationen geprägten Bergketten zum Ausdruck kommt und das so seltene Gefühl von Freiheit und Erhabenheit bewirkt, konkurriert mit dem sich stetig steigernden Versprechen maximalen Freizeitvergnügens:1 im Winter auf den Pisten, im Sommer auf Wanderwegen, Skywalks und Biketrails, zu jeder Zeit auf Almhütten und, um sogar dem vielleicht noch ambivalenten Kultur publikum ein Ziel zu geben, zunehmend in spektakulären Ausstellungsgebäuden.2 Dieses ganze Angebot findet sich entsprechend inmitten der herrlichen, gleichbleibenden, weil ja so unberührten Alpenlandschaft. Dass es sich hierbei um ein wohlinszeniertes Trugbild handelt, weiß eigentlich jede/‑r. Die zunehmenden Tourismusströme überfordern das Habitat der Alpen. Neue Formen der Freizeitgestaltung weiten sich aus und bedingen eine zusätzliche Infrastruktur mit spezieller Sicherheitsverbauung. Eine noch größere Herausforderung bildet die Klimaerwär mung, die extreme Naturphänomene begünstigt. Die Gefahr von Fels und Bergstürzen genauso wie von Schneelawinen, Überflutungen und Muren steigt und es müssen Maßnahmen dagegen getroffen werden.3 Die hier skizzierte, komplexe Nutzung der Alpen und die damit einherge hende zunehmende Verbauung technischer und architektonischer Infrastruktur wirken sich zwangsläufig auf die Landschaft und damit auch auf das Bild von ihr aus. Von einer unberührten Natur kann schon lange nicht mehr die Rede sein, auch wenn sie noch beschworen, besungen und vor allem durch eine stetig wachsende, insbesondere marktwirtschaftlich orientierte Bild produktion befördert wird. Gerade Letztere geht – aus gutem Grund – ausgesprochen selektiv vor, um das, was nicht ins Bild passt, auszublenden. So scheint das Landschaftsbild der Alpen zumindest in der Werbung ein unverändertes, auf das man sich verlassen kann. Doch auch das Marketing kann sich nicht vollkommen von den es umgebenden Einflüssen abschotten, und so ist bei genauerer Untersuchung der Versuch zu erkennen, die erforderlichen Sicherheitsmaßnah men sowie den Diskurs darüber zu adaptieren und mit dem herkömmlichen Landschaftsideal in Einklang zu bringen. Zentrale Bildgebungsverfahren, auf die diesbezüglich zurückgegriffen wird, stammen aus den Bereichen der Sicherheitstechnik und Schutzverbauung. Ein in den letzten beiden Jahrzehnten virulent geführter Diskurs über eine Gesellschaft, die das Risiko als Gegen gewicht zum Alltag sucht, zugleich jedoch eine hundertprozentige Sicherheitsstruktur erwartet

und fordert, könnte dieser Entwicklung zuspielen.4 Im Zuge der Umorientierung des Idealbildes der Alpenlandschaft, die eine Vereinbarung von Freiheit und Sicherheit anstrebt, wird auf der Suche nach einer adäquaten Bildsprache auch auf die Kunst als attraktive Ressource zurückge griffen, die schon seit Längerem ein »anderes«, kritisches Bild von Landschaft und Natur verhan delt. Dass sich aus dieser Situation heraus differenzierte Wechselwirkungen zwischen den Berei chen Marketing, Kunst und Technik und den ihnen jeweils eigenen Bildproduktionen ergeben, ist zu vermuten und soll daher im Folgenden den Rahmen der Untersuchung bilden. Da Land schaft immer als materieller Raum und als Bild dieses Raums begriffen werden muss, steht die gegenseitige Abhängigkeit von Bild und Raumproduktion in der vorliegenden Studie im Vorder grund. Dabei ist sowohl nach der Funktion als auch nach der Ästhetik der unterschiedlichen Visualisierungen zu fragen, die einerseits für die Planung von Sicherheitstechnik und anderer seits für die Vermittlung der Alpen im Einsatz sind.

Ausgangspunkt, Fragestellung und Untersuchungsgegenstand In der Auseinandersetzung um das adäquate oder auch idealisierte Bild alpiner Landschaft muss berücksichtigt werden, dass die Nutzung dieses Landschaftsraums seit Beginn seiner Erschlie ßung von Gefahren für den Menschen geprägt ist. Bei Siedlungs und Erschließungsvorhaben haben Gefahren bis heute einen großen Einfluss auf Bauten, Infrastruktur und Verkehrswege. Seit den letzten Jahrzehnten führen zunehmend die touristische und sportliche Nutzung des alpinen Raums zu weiteren Formen der Gefahreneinschätzung und Maßnahmen, um sich davor zu schützen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der Umgang mit Lawinengefahr in Österreich und der Schweiz 2018 von der UNESCO in das Verzeichnis des immateriellen Kultur erbes aufgenommen worden ist.5 Die Aufnahme in das UNESCO Verzeichnis ist als Zeugnis und Abbild der gesellschaftlichen Relevanz von Gefahren und Sicherheitswissen zu werten, die mit dieser Maßnahme eine erweiterte öffentliche Wahrnehmung erfährt.

Dass der Einsatz von Sicherheitstechnik als zentraler Aspekt der Kultur alpiner Räume be zeichnet werden kann, zeigt sich daran, dass die Hälfte der Staatsfläche Österreichs als »Inten sivzone des Schutzes vor Naturgefahren« ausgewiesen ist. »Ca. 60 % der Staatsfläche (84.000 km2) sind intensiv, weitere 17 % sind extensiv von Wildbächen, Lawinen und Erosion bedroht. In Österreich sind rund 12.000 Wildbäche, 6.000 Lawinen und ca. 900 von Rutschung und Stein schlag bedrohte Risikogebiete erfasst.«6 Da die Alpen ca. 75 % der Gesamtfläche Österreichs ausmachen, sind auch Berggebiete dicht besiedelt. Um die Bebauung und Nutzung dieser Ge biete zu ermöglichen, sind Schutzmaßnahmen der Raumplanung, häufig auch Schutzbauten, unverzichtbar.7 Diese Tatsache spiegelt sich auch in der Forderung nach einer neuen »Risiko kultur«,8 in der der Schutz vor Naturgefahren als nationales und internationales gesellschafts politisches Ziel definiert und finanziell gefördert wird. Entsprechende Forderungen haben, häufig von der Klimadebatte umrahmt, auch medial inzwischen große Aufmerksamkeit erlangt.9 Die Diskussion und Umsetzung von Sicherheitsstrategien durch die Politik und technische Institutio nen genießen mittlerweile Priorität gegenüber den Profitinteressen der Tourismuswirtschaft. Aufgrund zunehmender Gefahren durch die Natur zeichnet sich eine Gewichtung zugunsten laufender Risikoeinschätzungen und entsprechender Sicherheitsvorsorgen ab, denen sich der Tourismus in zunehmendem Maße anzupassen hat. Zudem war der Alpentourismus in den letz

1 Bernd Ritschel, Winter Wallpaper, 2011, Tirol Werbung.

ten Jahren von sogenannten »Naturkatastrophen«10 und Unfällen in bisher nicht gekannten Di mensionen erschüttert, die die Grenzen der touristischen Nutzungsmöglichkeiten des alpinen Raums ins Blickfeld rückten. Überschwemmungen, Muren und Lawinenabgänge (auch mit Todesopfern), immer häufiger in den Zusammenhang gestellt als Folgen des Klimawandels, do minierten zum Teil die öffentliche Wahrnehmung des Alpentourismus.11 Nicht zuletzt seit der Lawinenkatastrophe im Tiroler Ort Galtür im Februar 1999 führen die Berichterstattung über solche Ereignisse und mit ihr auch sogenannte Katastrophenbilder dazu, dass Schutzmaßnahmen gefordert werden und zunehmend auch Tourismuskritik und Kritik an der Übernutzung des alpi nen Raums formuliert wird, mit der das von der Tourismusindustrie geschaffene idyllische Bild der Alpen an Glaubwürdigkeit verliert.12

Das Dilemma ist offensichtlich: Die Verbauung von notwendigen Schutzvorrichtungen in dem durch eine zunehmende Nutzung stark belasteten alpinen Raum nimmt beständig zu, wo runter die Attraktivität der Alpen leidet, was wiederum die vom Tourismus abhängige Wirtschaft bedroht. Auffällig sind die Gegensätze zwischen der Selbstverständlichkeit, mit der Politik und technische Institutionen diese Sicherheitsstrategien umsetzen, und deren gleichzeitigem Aus blenden auf anderer – tourismus wirtschaftlicher und identitätsbildender – Ebene. So wundert es nicht, dass die Diskussion über Schutzplanung, Sicherheitsvorrichtungen und ‑techniken fach intern intensiv geführt wird, in der breiten Öffentlichkeit diese Auseinandersetzung jedoch kaum wahrzunehmen ist. Unterdessen bleibt das mediale, von Imagekampagnen gezielt inszenierte Bild der Alpen weiterhin durch die vermeintliche Unberührtheit der Natur charakterisiert. Gerade Schneelandschaften, selbst mit großen Neuschneemengen, werden nicht als Gefahrenräume vermittelt, wie das beliebig ausgewählte Beispiele der Tirol Werbung zeigt (Abb. 1). Sie evozieren ganz im Gegenteil Vorstellungen einer ungetrübten Naturerfahrung, von Einsamkeit und Ruhe,

2 Cover Leistungsbericht 2011, mit Kehm und Kenneckbachlawine im Kaunertal, Forsttechnischer Dienst für Wildbach und Lawinenverbauung, Sektion Tirol.

die in Verbindung stehen mit dem Ideal eines Erholungsraums. Wo sie menschliche Nutzung zeigen, dient der Schnee vorrangig als Verbindung, teilweise sogar Vereinnahmung von Gebäu den oder anderer zivilisatorischer Elemente durch die Natur. Die alles überziehende, einende Schneedecke evoziert in dieser Bildsprache romantisierende Geborgenheit – sozusagen eine natürliche Sicherheit. Technische Sicherheitsimplementierungen, Schutzplanung und Risiko management werden daneben zwar punktuell dargestellt, stehen aber als etwas Eigenes außer halb der eigentlichen Alpenerzählung und werden allein als technisches oder organisatorisches Thema kommuniziert (Abb. 2).

Daraus ergibt sich die Frage nach der bildlichen Kommunikation dieser Sicherheitstechnik. Wie prägt der Sicherheitsdiskurs – hier konzentriert auf den Bereich der Naturgefahren – die Gestaltung und in einem weiteren Schritt die Wahrnehmung und Ästhetisierung von alpiner

Landschaft? Inwieweit ist Sicherheit überhaupt ein Thema der ästhetischen Auseinandersetzung mit Landschaft und welches sind die kulturellen und politischen Motive dafür? Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie diese beiden gesellschaftspolitischen Ziele, ein möglichst hoher techni scher Schutz vor Naturgefahren einerseits und die Konstruktion sowie Vermittlung einer natur belassenen Ideallandschaft andererseits, aufeinandertreffen.

Der allgemeine Diskurs, der sich bislang mit den Bildern der Alpenlandschaft auseinander setzte, scheint die technische Versicherheitlichung der Landschaft größtenteils auszublenden. Eine nähere Auseinandersetzung mit Schutzverbauungen, deren Planung und Produktion, der Finanzierung und öffentlichen Vermittlung, fördert jedoch einen nicht minder wichtigen Spe zialdiskurs zutage. Obwohl in beiden Diskursen dieselbe physisch materielle Landschaft als Handlungsfeld betrachtet wird, legen die visuellen Medien ihrer Vermittlung und Produktion sehr unterschiedliche Strategien ihrer Darstellung an den Tag. Während in der Werbung das vermeintlich Ursprüngliche und vor allem das Unveränderliche der Landschaft lanciert werden, verhandelt der technisch ausgerichtete Diskurs Landschaft als Kontrahentin – jedenfalls als Akteurin und als Basis von Planungen für technische Artefakte. Wenn davon auszugehen ist, dass Bilder Diskurse lenken – hier in dem über Bilder produzierten und vermittelten Raum der Alpen –, dann gilt es zu untersuchen, was die Dialektik von Tabuisierung und Vermittlung von Sicherheitstechnik für das Verständnis und die Vorstellung von den Alpen bedeutet.

Untersuchungsgegenstand hierfür sind im Folgenden die Darstellungspraktiken von tech nischen Schutzmaßnahmen, im Speziellen von Lawinenverbauungen in der alpinen Landschaft, somit also die visuelle Kommunikation der »gesicherten Alpen«. Darin eingeschlossen ist das deutlich bekanntere Alpenbild, das die technischen Versicherheitlichungen der Alpen nicht zeigt. Auch das aktive Unsichtbarmachen dieser technischen Artefakte zum Schutz vor Lawi nengefahren wird als Teil der Kommunikation von Gefahr und Sicherheitsherstellung unter sucht. Es geht also genau um die Bildproduktionsprozesse, in denen Sicherheit und Sicherheits herstellung kommuniziert werden, sei es durch die An oder eben durch die Abwesenheit der Schutzartefakte. Drei Felder zeitgenössischer Bildproduktion unterschiedlicher Öffentlichkeit dienen hierfür als Quelle. Das sind zum einen die sogenannten technischen 13 oder nützlichen Bilder aus der Praxis und dem Kontext der institutionellen Schutzplanung und ‑produktion des Forsttechnischen Diensts für Wildbach und Lawinenverbauung (die.wildbah), zum anderen sind es fotografische Aufnahmen, die sowohl aus der Werbung als auch aus dem Kunstkontext stammen. Als »technische Bilder« sind hier zum einen solche Darstellungen bezeichnet, die von den Institutionen, die mit der Errichtung von Schutzmaßnahmen betraut sind, zur Planung der technischen und strategischen Maßnahmen herangezogen und erzeugt werden, zum anderen solche Darstellungen, die diese Maßnahmen kommunizieren. Der Begriff des technischen Bildes ist im Anschluss an die Forschungsstelle Das Technische Bild14 verwendet – einerseits, um damit den dezidiert nicht künstlerischen Anspruch und zugleich einen operativen Charakter zu be zeichnen, andererseits, um auch auf die technische Praxis zu verweisen, in der die in diesem Teil besprochenen Bilder zur Anwendung kommen. 15 Vorrangig handelt es sich um Bilder, die auf technischen Praktiken basieren, etwa kartierende und modellierende Bilder. Auch hier werden die technischen Bilder mit den Methoden der Kunstgeschichte analysiert, um ihre Form, Ma terialität und Semantik zu beschreiben. Zu analysieren sind für diese Mediensektoren die

unterschiedlichen Darstellungsstrategien sowie deren Funktion und Wirkung. Mit der zuneh menden Errichtung von Lawinenschutzbauten seit den 1980er Jahren bildet die Spanne von 1980 bis zu den aktuellen Entwicklungen der 2010er Jahre den zeitlichen Rahmen der Untersu chung. Während die Haupterzählung, nämlich jenes vordergründig unvereinbare Gegenüber stehen von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit der Thematik, durch die beiden Stränge der Alpen und Tourismuswerbung auf der einen Seite und der technisch institutionellen Bildproduktion auf der anderen Seite gespeist wird, liegt zwischen diesen beiden die bildliche Auseinanderset zung mit den Alpen in der zeitgenössischen Kunst. Diese bildet aus zwei grundlegenden Aspek ten heraus gewissermaßen die Schnittmenge. Erstens muss die künstlerische Alpen Bildproduk tion, verstanden als die andere Seite der Medaille, gerade in der Landschaftsdarstellung immer in Bezug zur populären Bildprägung gelesen werden. Sie zeigt das, was die Werbung gerade ausblendet. Zweitens zeigt sich in der Kunst ein ursprüngliches Interesse an technischen Arte fakten, technischen Bildern und Karten.16 Landschaftsfotografien von Künstler/ innen kommu nizieren die Infrastrukturen zum Schutz vor Gefahren als Notwendigkeit der touristischen Raumnutzung im Gegensatz zur Werbung deutlich. 17 Dabei lässt sie in durchaus erstaunlicher Weise die weiter hereinreichende Tradition des Erhabenen aufspüren, wobei in diesem Duktus immer auch zugleich eine gewisse Sicherheit für die Betrachtenden mitgeliefert wird. Mit der Distanznahme zur Natur beziehungsweise dem Übermächtigen der Natur wird diese im Um kehrschluss auch als Gefahrenzone dargestellt.18

Abgesehen von Alpenbildern, die im Kontext der Kunst entworfen werden, sind wenige Überschneidungen und Schnittmengen in den Bildstrategien der visuellen Kommunikation der Alpenlandschaft zu finden. Völlig unterschiedlich erscheinen Darstellung und Kommunikation von Sicherheitsmaßnahmen im Feld der institutionellen Schutzplanung gegenüber Bildern, die landläufig als Werbebilder bezeichnet werden. Was auf der einen Seite als fundiertes Material hergestellt, genutzt und präsentiert wird, wird auf der anderen Seite ignoriert oder sogar ausge blendet. Hinsichtlich der Ästhetisierung von Sicherheit verfolgen die beiden genannten Sektoren somit geradezu diametral entgegengesetzte Strategien und Methoden der »Sichtbarkeit« von Sicherheit. Während in der Werbung speziell Gefahren auszublenden ein ungetrübtes Verhältnis zur Natur vermittelt und Sicherheit suggerieren soll, geht es dem technischen Bild um die dezi dierte Bezeichnung von Risikogebieten und ihrem Gefahrenpotenzial. Wo in der Werbung das Unberührte (vor allem also das Unveränderliche) als Charakteristikum der Landschaft lanciert wird, verhandelt der technisch ausgerichtete Diskurs Landschaft als etwas Dynamisches. Und während die Vermittlung der einen Seite darauf abzielt, der Schutztechnik Sichtbarkeit zu verlei hen, bleiben in der Werbung sowohl die Versicherheitlichung als auch die notwendigen Maß nahmen zum Schutz des Siedlungsraums unsichtbar, also nur implizit Thema. Bilder sind hierbei als Agenten dieser Dynamik zu betrachten. Die bildkonstituierenden Ein und Ausschlussverfah ren, die für das jeweilige Segment gezielt zum Einsatz gebracht werden, gilt es im Folgenden konkret zu benennen, zu analysieren und ihre Bedeutung kontextübergreifend herauszuarbei ten.

In diesem Zusammenhang muss der Blick auf die Zielöffentlichkeit gerichtet werden, die jeweils eine andere ist. Die Tourismuswerbung ist ein offenes, marktorientiertes System, das sich an ein breites Publikum mit einer klar definierten Erwartungshaltung wendet. Diese Erwartung

einer Ideallandschaft speist sich (traditionell) zum Teil aus dem Selbstbild der ansässigen Bevöl kerung, beeinflusst diese aber auch zugleich in einem nicht zu unterschätzenden Maße, was die Öffentlichkeitswirksamkeit der Werbemaßnahmen nochmals erweitert. Das Kunstsystem wiede rum wendet sich tendenziell zwar an ein Fachpublikum, ist aber prinzipiell ebenfalls offen. Ge rade durch die Fotografie, die sich im Laufe der 1970er Jahre als künstlerisches Medium durch gesetzt und ab den 1980er Jahren mit den Becher Schüler/ innen eine international renommierte Bewegung hervorgebracht hat, weiten sich die Einflussbereiche des Landschafts und im Spe ziellen auch des Alpenbildes nochmals aus. Infolgedessen ist das Bild der Alpen nicht mehr nur als Gemälde in der guten Stube zu finden, sondern wird auch als Ausdruck einer aktuellen, hippen Ästhetik in zahlreichen Galerien, Restaurants und Wohnungen der Kunst und Kul turszene präsentiert, um nicht zuletzt von dort ausgehend auf die populären Medien Einfluss zu nehmen. Im Gegensatz dazu sind auf der Seite der technisch institutionellen Bilder die Adressa tinnen und Adressaten beinahe ausschließlich Expertinnen und Experten. Hier ist insbesondere auf die Wildbach und Lawinenverbauung (die.wildbach) zu verweisen, dem größten Bildprodu zenten von Schutzbauten in den Ostalpen. Die Kommunikation ist auf interne Fachpersonen ausgerichtet und insofern als geschlossenes System zu bezeichnen. Nur ein kleiner Teil aus die sem Bereich wird öffentlich kommuniziert: zum einen an Verantwortliche in nationalen und in ternationalen Regierungs oder Forschungsstellen, zum anderen – als gezielte, fachlich vermit telte Information – an eine breite Öffentlichkeit (TV, Zeitung, eigene Publikationen), um »das Wissen und Bewusstsein der Bevölkerung bezüglich Naturgefahren«19 zu stärken. Durch die Entwicklungen der Digitalisierung in der visuellen Kommunikation ist zudem eine Entwicklung hin zu einer größeren Öffentlichkeit erkennbar, auf die in Kapitel Von der Lawinenskizze zum geoinformationstechnischen Managementsystem sowie im Schlussabschnitt näher eingegan gen wird.

In der vorliegenden Studie sollen die beiden bislang meist voneinander getrennten Pers pektiven auf alpine Landschaft sowohl zueinander in Bezug gesetzt als auch mit künstlerischen fotografischen Darstellungen verglichen werden. Anhand von technischen Darstellungen, künst lerischer Fotografie und Werbebildern wird das ambivalente Wechselverhältnis von Sicherheits bauten und deren ästhetischer Reflexion in Kunst und Werbung untersucht. Zwei Aspekte ste hen in der Analyse im Fokus: die Funktion und Ästhetik der Bilder im Produktionsprozess von landschaftlicher Versicherheitlichung sowie infolgedessen das Aufeinandertreffen von Sicherheit und Landschaft für das, was man die identitätsstiftende Funktion des Alpenbildes nennen könnte. Gemeint ist damit schlicht die Konstitution der Alpen als »kulturelle Ressource«20 mittels Bildproduktion. Ziel ist es, den prägenden Part, welchen die Bildproduktion von Sicherheitsarchi tekturen in den Alpen für die kulturelle Produktion von riskanten, industriellen und dienstleiste rischen Landschaften übernimmt, verständlich und sichtbar zu machen. Dabei geht es zum einen um die Ästhetik im Sinne visueller Kommunikation als Medium für das Verständnis von Schutztechnik (Planung und Artefakte), zum anderen um die Ästhetik von Verbauungsartefakten als Darstellungsgegenstand in Werbung und Kunst, was immer die Skepsis gegenüber der Tech nikakzeptanz impliziert. Umgekehrt aber sind selbstredend auch die Strategien des visuellen Ausschlusses dieser Artefakte und Sicherheitsmaßnahmen beziehungsweise die Interessenlei tung ihres Ausschlusses mitzudenken.

Wie gezeigt werden wird, finden sich aber auch in diesen, lange Zeit gegenläufigen, Strängen zunehmend mediale Schnittmengen. Heute drängen Motive aus Bereichen der Kunst sowie der technischen Infrastruktur und Darstellungsstrategien aus den technischen Prozessen in das Feld der Werbebilder – genauso wie Entwicklungen und Ansätze aus Kunst und Wer bung in Bildern der Sicherheitsproduktion Eingang finden. So geht der Arbeit die Annahme voraus, dass sich mit der wachsenden Bedeutung von Sicherheit und Versicherheitlichung in der Gesellschaft die Kommunikation der alpinen Sicherheitsräume verändert. Innerhalb der Wer bung hat sich die Kommunikation von Sicherheit und Technik von einer defensiven hin zu einer teilweise offensiven Kommunikation gewandelt. Seit den 2000er Jahren, mit dem verstärkten Auftreten von Sicherheitsdiskursen,21 dürfen nun auch öffentliche Bilder der Alpenlandschaft langsam von zivilisatorischem Gerät gestört werden. Es kann selbst in der Tourismuswirtschaft ein tendenzielles Sichtbarmachen des technisierten Alpenraums wahrgenommen werden. Zu gleich findet auf der Seite der technischen Schutzplanung mit den gesellschaftlichen Verände rungen und Forderungen nach Sicherheitskulturen eine Öffnung der Kommunikation von einem Spezialistendiskurs22 hin zu einer Debatte statt, in die auch die Öffentlichkeit miteinbezogen wird. Zudem führen die Digitalisierung relevanter Daten und die damit verbundenen Möglich keiten der Veröffentlichung zu Veränderungen in der Bildproduktion und Vermittlung von Sicherheit im Alpenraum.

Was sind die Alpen?

Diese von Werner Bätzing an den Anfang seiner vierten Auflage von Die Alpen gestellte Frage wird dort aus drei Perspektiven beantwortet.23 Sie sind zugleich als Territorium, als Kulturraum und als Naturraum zu betrachten. Wenn hier von den Alpen und insbesondere von alpiner Land schaft die Rede ist, wird auf die Alpen vor allem als Kulturraum geblickt. Zudem sind die Betrach tungen in der vorliegenden Studie auf Österreich beschränkt und beziehen sich zu großen Teilen auf Quellen aus Tirol. Die Alpen insbesondere als Kulturraum wurden und werden (zumindest seit etwa 200 Jahren) geprägt von Bildern und Vorstellungen, die eine ganz bestimmte Alpen sicht voraussetzen. Diese Perspektive auf die Alpen gründet in der ästhetischen Entdeckung der Alpen, die in der Mitte des 18. Jahrhunderts angesetzt wird und in enger Verknüpfung mit der Umwandlung der vormals als gefährlich wahrgenommen Alpen zu solchen, denen der aufge klärte Mensch etwas entgegenzusetzen hat, steht. Solcherart Natur als eine erhabene – deren Basis eine Wahrnehmung aus der Geborgenheit und Sicherheit ist, aus der heraus Bedrohliches oder gar Gefährliches als reizvoll wahrgenommen werden kann – bildet die Grundlage des tra ditionellen, auch romantischen Alpenbildes. Mit diesem Bild wurde der bedrohliche Charakter des Alpenraums aus der Alpenwahrnehmung weitgehend verdrängt. Diese Sicht entstand nicht in den alpinen Regionen selbst, sondern entwickelte sich aus einer urbanen, außeralpinen Posi tion und ist seither eng verknüpft mit den touristischen Entwicklungen in den Alpen und ande ren Sehnsuchtsorten. Um über heutige Gefahren und Sicherheitsprozesse zu sprechen, muss diese Perspektive verbunden sein mit der Vorstellung und dem Wissen über die Alpen als Natur raum. Diese verbindende Betrachtung ist die Grundlage bei der Arbeit mit den Bildern als Kons truktionsmittel für die Gestaltung und Wahrnehmung der Landschaft.

Forschungsperspektiven

Versicherheitlichung

In Anlehnung an die kritischen Sicherheitsstudien und Theorien zu Versicherheitlichung wird hier eine Suche nach der bildlichen Kommunikation von Sicherheit durchgeführt, die die gesell schaftliche Meinungsbildung begleitet und als Voraussetzung für die soziale und technische/ planerische Konstruktion der betroffenen alpinen Landschaften zu betrachten ist.24 Versicher heitlichung, securizitation, meint, verkürzt gesagt, den Prozess,

in dem Akteure ein Sicherheitsproblem nicht nur benennen, sondern es dramatisieren und ihm eine so hohe Bedeutung für das eigene Kollektiv oder ein bestimmtes Zielpublikum (audience) zusprechen, dass dieses Problem Wahrnehmungs und Entscheidungsmuster in anderen Hand lungsfeldern vorstrukturiert und damit die Grundlage dafür legen, dass ihm durch Routinisie rung und Institutionalisierung begegnet wird.25

Ziel ist es zu zeigen, welche Räumlichkeiten die Bildproduktion im Rahmen der Sicherheitspolitik und Schutztechnik erschafft und gestaltet. Zwar öffnet die Versicherheitlichungstheorie nach der Kopenhagener Schule die Auseinandersetzung mit Sicherheit (im Gegensatz zu traditionellen Schulen der Security Studies) hin zu einem intersubjektiven Kommunikationsprozess.26 Die grundlegende Fragestellung ist in diesem Konzept, »wie politische Probleme als Sicherheitsprobleme artikuliert und welche institutionellen Konsequenzen dadurch ermöglicht werden»27. Ne ben der Fixierung auf Sprechakte »scheint eine Analyse von Bildakten in Sicherheitsdiskursen unabdingbar, um zu verstehen, wie Sicherheitskultur entsteht und verändert wird«28. Diesem Ansatz soll in der vorliegenden Studie gefolgt werden.

Sicherheitsbedingungen als landschaftsgestaltende Faktoren Ausgangspunkt der Forschung ist die Annahme, dass Sicherheitsbedürfnisse und (als de ren Folge) technische Maßnahmen zum Schutz vor Naturgefahren Landschaft mitprägen. Die Idee von Sicherheit ist somit ein konstituierendes Element von Landschaft, das von Bilder produktionen verschiedener Art geformt und beeinflusst wird. Entsprechend sind technische oder strategische Maßnahmen, die zum Schutz der Bevölkerung und von Gebäuden ange bracht werden, landschaftsgestaltend.29 Als Voraussetzung für die Untersuchung der Wech selwirkungen zwischen dem sozialen und politischen Wertesystem Sicherheit und den physi schen und visuell‑ästhetischen Gegebenheiten der alpinen Landschaft gilt es, Landschaft als relationales Raumkonzept zu betrachten. Hierfür wird an die Arbeit u. a. von Martina Löw an geschlossen.30 Insbesondere sind die in diesem Zusammenhang formulierten Aspekte zentrale Anknüpfungspunkte: die gegenseitige Bedingtheit von Handlung und Struktur, die symbo lischen und materiellen Faktoren der Handlung, der Bezug zu Raumbildern und Raumproduk tion durch Kommunikation31 sowie die Frage der Ordnung/Anordnung durch Machtverhält nisse. Sie sollen hier in ihrer Wechselbeziehung mit der Herstellung von Sicherheit betrachtet werden.32 Dieses Zusammenspiel von menschlichen Handlungen und Umweltgegebenheiten am konkreten Thema darzustellen, soll einen Beitrag dazu leisten, die Trennung von Natur und

Kultur zu überwinden, die es bei einer Auseinandersetzung mit Landschaft immer noch zu ver handeln gilt.33

Diskurstheoretische Voraussetzungen

Viele der folgenden Überlegungen haben im Zusammenhang mit einer diskurstheoretischen Perspektive ihren Ausgang genommen. Zuallererst hatte der Blick auf die Diskurstheorie das Ziel, einen Analyseansatz zu finden, in dem sowohl raumbezogene Praktiken als auch Symbolisierun gen (die zur Konstitution von Räumlichkeit führen) gemeinsam betrachtet werden können. Die Diskursforschung bietet die Chance, »die gesellschaftliche Produktion von Bedeutungen und damit die gesellschaftliche Produktion spezifischer Wahrheiten und spezifischer sozialer und räumlicher Wirklichkeiten sowie die damit verbundenen Machteffekte zu konzeptualisieren«34 . Gerade Fragen nach lokaler Identität und räumlicher Repräsentation bieten sich an, entlang der Kategorie Macht aus diskurstheoretischer Perspektive analysiert zu werden. Des Weiteren füh ren die Fragen nach Bedeutung, Sichtbarkeit und Ästhetik einer normativen Gegebenheit wie Sicherheit zu diskurstheoretischen Ansätzen zurück. So lassen sich schlagwortartig drei Aspekte benennen, die in Bezug zur Diskurstheorie stehen und im Folgenden erarbeitet werden: erstens Sichtbarkeit (Strategien des Sichtbarmachens), zweitens Dispositive der Sicherheit und drittens Bilder als Akteure in Diskursen

Sichtbarkeit ist immer ein Ergebnis politischer, kultureller und sozialer Vorbedingungen und als solche untrennbar mit Diskursordnungen verknüpft. Das ist in diesem Fall besonders interes sant, da die visuelle Bedeutung von Sicherheit im Landschaftsbild im Widerspruch zur sprach lich diskursiven Ordnung zu stehen scheint. Aus diesem Widerspruch heraus mutet es nahelie gend an, einen diskurstheoretischen Ansatz zu wählen, in dem das Bild, das heißt dessen Aufgabe und dessen Beitrag im Diskurs, in den Mittelpunkt gestellt wird. So gilt es zu untersu chen, welche Rolle visuelle Darstellungen und Nichtdarstellungen oder Auslassungen von Si cherheitstechnik im Sicherheits sowie im Landschaftsbilddiskurs spielen – und damit in der Pro duktion von Landschaft. Der Diskurs sowie der Dispositivbegriff werden in der Tradition Foucaults verwendet.35 Für meine Fragestellung ist dabei interessant, dass Diskurse einerseits als Praxis der Bedeutungskonstitution zu verstehen sind und dass andererseits Diskurse durch kom munikative Prozesse und Praktiken Materialitäten konstituieren sowie Wissens und Machtkon stellationen reproduzieren.36

Im Zusammenhang mit dem oben beschriebenen Konzept von Raumproduktion, in dem Handlungen einen ebenso wichtigen Platz einnehmen wie Strukturen, Wissen oder Macht, ist die Erweiterung des Diskurses um die »nicht diskursiven« Praktiken – das Konzept der Disposi tive – weiterführend.37

Das Dispositivkonzept öffnet nicht diskursives ›Praxis Wissen‹ (im Verhältnis zum diskursiv ver mittelten Wissen) sowie Sichtbarkeiten/Vergegenständlichungen dieser Wissensformen und damit einhergehende Prozesse der Subjektivation/Subjektivierung als zwar zusammenhän gende, aber eigenständige [ … ] Analysegegenstände einer relationalen Macht Analyse.38

Bilder oder visuelle Darstellungen spielen in der Diskurs wie auch der Dispositivtheorie eine zunehmend wichtige Rolle. Dabei ist die Auseinandersetzung mit dem Feld des Sichtbaren – so wie mit dem Verborgenen – von Beginn an zentrales Thema auch in Foucaults Schriften. Sein Werk ist geprägt von der Analyse der Verbindung von Macht und Visualisierungsstrategien, dennoch sind höchstens Ansätze einer Bildtheorie darin zu finden. Der Diskurs gilt im Allgemei nen als das, was normal scheint. Das ist im Zusammenhang mit alpiner Landschaft der Bilddis kurs, der, entwickelt aus dem romantischen Landschaftsbild, sich heute vorrangig aus Fotogra fien der Tourismuswerbung nährt.

Bildwissenschaftliche Perspektive

Zentrale Aspekte der Arbeit sind die Ästhetik und Ästhetisierung von Sicherheit in der alpinen Landschaft. Das Material der Untersuchung sind dementsprechend visuelle Darstellungen – Bil der –, die im Planungs und Vermittlungsprozess konkreter Lawinenverbauungen sowie für all gemeine Werbe und Vermittlungsszenarien touristisch genutzter Orte erzeugt und eingesetzt werden. Den Untersuchungsfokus auf Bilder39 zu legen, hat mehrere Gründe. So ist, wie schon angemerkt, die Frage nach Sicherheitsdarstellungen im Bild – als Gegensatz zur sprachlichen Vermittlung – besonders relevant. Des weiteren aber ist im Bereich der Raum und Schutzpla nung40 die Bildebene eine explizite Schnittstelle zwischen der symbolischen und materiellen Seite von Landschaft (beispielsweise durch visuelle Simulationsergebnisse, Plandarstellungen, aber auch Werbung und Kunst) sowie zwischen den strukturellen und handlungsbedingten Aspekten der Raumproduktion. Anders ausgedrückt, ist diese (visuelle) Schnittstelle jener Punkt, an dem die Frage nach Sichtbarkeit beziehungsweise Sichtbarmachen von Gefahr und Sicherheit verhan delt wird. So materialisieren sich auf der einen Seite Ideen, Vorstellungen, Normen, Gesetze, Berechnungen etc. von »gesicherter Landschaft« im und über das Medium des Bildes (wie Foto grafien, Pläne, letztlich ausgeführt als Projekte). Auf der anderen Seite wird sozusagen materia lisierte Sicherheit oder räumliche Versicherheitlichung Teil des Landschaftsbildes. Interessant ist die Untersuchungsebene der Bilder insofern, als diese Darstellungen in Form von Karten, Plänen, aber auch von Werbebildern und Bildern der Kunst »konstitutiven Anteil an den Phänomenen haben, die sie repräsentieren«41 .

Um nun aber dieses heterogene Korpus an Bildern und unterschiedlichen Bildmedien zu untersuchen, werden zwei grundsätzliche Thesen aus den Bildwissenschaften für die Arbeit vorausgesetzt: erstens die Perspektive, Bilder nicht nur als Repräsentationen von Gegebenem zu betrachten, sondern als eine der Grundlagen bei der Produktion von Wissen42; zweitens die Annahme, dass unterschiedliche Bildmedien, auch jene aus dem Feld der wissenschaftlichen und technischen Bildlichkeit, grundsätzlich mit kunsthistorischen Methoden auf einheitliche Weise betrachtet und auch analysiert werden können.43

In den letzten Jahren ist das Interesse an den komplexen Zusammenhängen von Sag und Sichtbarem sowie an Funktion und Ästhetik von Bildern in Diskursen und für die Konstitution von Gesellschaft Raum Verhältnissen kontinuierlich gestiegen.44 Allerdings gibt es wenig konkret methodisches Werkzeug, das auf eine solche Fragestellung anwendbar wäre.45 So wird in dieser Untersuchung versucht, über bildwissenschaftliche Grundlagen und über die Bezugnahme auf diskurs und raumtheoretische Vorgaben ein nachvollziehbares Verfahren zu schaffen, das über

die vorikonografische und ikonografische Analyse hinaus das »Bilder Machen« als Teil des Sicher heitsdiskurses und der Landschaftsgestaltung interpretiert. Indem das visuelle Material als Schnittstelle zwischen diskursiven und sozialen Praktiken gesehen wird, ist wesentlich, die eigent lichen bildnerischen, gestaltenden Verfahrensweisen zur Bilderzeugung – durch Apparaturen, Techniken, Vorstellungen und Vorbilder sowie die ästhetischen Maßstäbe und Entscheidungen –in den Blick zu nehmen.

Materialsammlung und Ordnungslinien

Da es wenige architektureigene Methoden für Bilddiskurs und Raumforschung gibt, ist es not wendig, eine interdisziplinäre Annäherung zu wählen. Die Fragestellungen aber nach der Wech selwirkung sozialer Prozesse und der konkreten Gestalt unserer Alltagswelt sowie nach der Be deutung der ästhetischen Dimension dieser Prozesse sind zuallererst architektonische und eng mit kunsthistorischen Untersuchungen verknüpft.

Materialsammlung

Um einen Überblick zu erhalten, welche Darstellungen der Sicherheitsstrategien überhaupt er zeugt und öffentlich in Umlauf gebracht werden, wurde im ersten Forschungsschritt eine Mate rialsammlung zusammengestellt und sortiert. Diese beinhaltet Planungsdokumente (wie etwa Visualisierungen von Gefahrenzonen, CAD Bilder der Lawinensimulationen, Pläne oder techni sche Zeichnungen, die im Zuge von Lawinenverbauungen hergestellt werden), des weiteren Bilder aus Infobroschüren, Zeitungs und TV‑Berichten, Katalogen von Kunstausstellungen, wis senschaftlicher wie populärwissenschaftlicher Literatur sowie Werbebilder. Das Material ist pri mär aus arbeitspragmatischen Gründen geografisch eingeschränkt auf Tirol sowie zeitlich auf die Jahre 1980 bist 2020. Der Start in den 1980er Jahren ergibt sich aus der Geschichte der technischen Lawinenverbauung, mit der nach dem Zweiten Weltkrieg in größerem Ausmaß erst begonnen wurde und die in den 1980er Jahren eine zunehmende Bedeutung und Öffentlichkeit erlangte, in der zudem entsprechend zahlreiche Verbauungsprojekte stattfanden. Die öffent liche Kommunikation hat diesbezüglich seit den 2010er Jahren eine auffallende Wende genom men, deswegen führt die Betrachtung (bei allen Schwierigkeiten solch aktueller Untersuchungs gegenstände) bis in die Gegenwart. Hierbei zeichneten sich drei Bildproduktionsfelder mit vorerst scheinbar unabhängigem Sicherheitsverständnis und damit verbundenen Darstellungen von Landschaft und Sicherheitstechnik ab: erstens das Feld der technischen (instrumentellen/ nützlichen) Bilder, zweitens jenes der Werbung und drittens die Kunstproduktion. Diesen Dis kursfeldern entsprechend, wurden die letztlich zu betrachtenden Quellen auf spezielle repräsen tative Archive beschränkt: So wird für den technischen Bereich das von der Tiroler Sektion der Wildbach und Lawinenverbauung verwendete und erzeugte Material ausgewertet, für die Wer bebilder die Kampagnen der Tirol Werbung und die Zeitschrift Tirol (vormals: Tirol … immer einen Urlaub wert).46 Darüber hinaus werden Ansichtskarten sowie spezifisches, für bestimmte Orte eingesetztes Sport beziehungsweise Tourismuswerbematerial untersucht. Für die Darstel lungen aus dem Feld der Kunst wird das Material auf Fotografie eingeschränkt und auf jene Werke, die im behandelten Zeitraum Teil von öffentlichen Ausstellungen zu Bergbildern in Österreich waren und in begleitenden Katalogen publiziert wurden.

Die Auswertung des Materials macht deutlich, dass gerade die gegenseitige Beeinflussung dieser Bildproduktionsfelder das interessante Moment für die Untersuchung des Wechselver hältnisses von Bild und Landschaftsproduktion beziehungsweise ‑gestaltung ist und dass außer dem eine genaue Trennung gerade der fotografischen Landschaftsdarstellung in Disziplinen wie Kunst und Werbung nicht sinnvoll und auch nicht möglich ist. Die Sichtung des Bildmaterials auf meine Fragestellung hin erforderte gerade deshalb Ordnungslinien, die einerseits die Bildstrate gie und das Ziel der jeweiligen Darstellungsform in den Blick nehmen und es andererseits zulas sen, die Bildpraktiken auf ihren Handlungs und Gestaltungsbeitrag innerhalb der Landschafts produktion hin zu analysieren und zu beschreiben. Folglich haben sich zwei Hauptteile für die Arbeit ergeben: einerseits jene vorrangig technischen/nützlichen/instrumentellen Darstellungen, die im Zuge der Analyse der Landschaft sowie der Planung von Schutzmaßnahmen eingesetzt und hergestellt werden, und andererseits jene umfassende Gruppe von Darstellungen, die – be schränkt auf das Medium der Fotografie – die erzeugten Schutzbauten sowie »sicheren Land schaften« aus verschiedenen Perspektiven der staatlichen Verbauung, Kunst und Werbung foto grafisch wiedergeben, vermitteln oder ausblenden.

Aufbau der Arbeit

Die vorliegende Arbeit ist in vier Abschnitte gegliedert. Einleitung und Schluss bilden die Klam mer zur Forschungsfrage. Nach der einleitenden Skizzierung theoretischer, begrifflicher und methodischer Kontexte und Referenzen bilden den Kern der Studie die beiden Hauptteile – Das technische Bild und Das ästhetische Bild ‑, die sich mit Beispielen und Darstellungen aus den Jahren 1980 bis 2020 beschäftigen. Sie gliedern die Untersuchung nach Zielgruppen der jewei ligen Kommunikation. Es wird darin der Quellenkorpus anhand verschiedener Bildthemen und Bildtypen beschrieben und kulturgeschichtlich kontextualisiert. Der erste Teil bezieht sich auf den institutionellen Diskurs und die in der Schutzplanung und ‑produktion erstellten Darstellun gen aus der stärker technisch und naturwissenschaftlich geprägten Kommunikation. Es sind kartografierende und planungspraktische Medien und Darstellungstechniken, die als Teil der Raumplanung und/oder der konkreten Bauobjektplanung zur Sicherung spezifischer Orte er zeugt und eingesetzt werden. Die Abschnitte innerhalb dieses Teils sind gegliedert nach Darstel lungsstrategien des Geländes einerseits sowie der Gefahr andererseits und schließlich den dar aus abgeleiteten Sicherheitshandlungen im Raum. Der zweite Teil behandelt das große Feld der fotografischen Kommunikation. Gegliedert wird dieser Teil zuallererst nach den Adressatinnen und Adressaten, bevor konkrete Bildbeispiele auf ihren Kommunikationsbeitrag über Schutz technik und Sicherheit – zur Konstruktion alpiner Landschaften als sichere Landschaften – un tersucht werden. In diesem Teil kommen zu Beginn ein weiteres Mal die Expertinnen und Exper ten der mit Lawinenschutz befassten Institutionen zu Wort. Dem folgen zwei Abschnitte zu den Kommunikationsstrategien des Alpenbildes, einer zu jenen im Tourismus und einer zu fotografi schen Positionen hierzu im Kunstsystem.

Vom technischen Bild und vom ästhetischen Bild zu sprechen, geht ganz allgemein darauf ein, dass das zentrale Phänomen aus zwei divergenten Perspektiven gemeinsam gedacht wird, indem einmal die technische und einmal die ästhetische Verhandlung von Landschaft und Si cherheit im Vordergrund steht. Die Trennlinie zwischen diesen Teilen anhand der Nutzung und

somit Adressierung der einzelnen Bilder (und nicht nach deren Quelle) zu ziehen, führt dazu, dass die institutionell kommunizierten Fotografien im zweiten Teil behandelt werden, während alle anderen Darstellungen der staatlichen Schutzplanung im ersten Teil diskutiert werden. Es spielt aber dem Ziel zu, die beiden derzeit nebeneinanderstehenden Felder aufeinander zu be ziehen, auf die Wechselbeziehungen einzugehen und an den Übergängen auch zu zeigen, wie die Bildpraktiken des einen Teils den anderen beeinflussen.

1 Der Natur und Kulturraum der Alpen, der über Jahrhunderte nicht nur Mühe, Armut und Bedrohung bedeutete, sondern nicht selten auch als ästhetische Zumutung begriffen wurde, erfährt ab dem 17. Jahrhundert einen erstaunlichen Rezeptionswandel. Naturforscher/ innen, Künstler/ innen, Philo sophinnen und Philosophen sowie Kulturwissenschaftler/ innen führen seitdem einen intensiven Diskurs über den Wert dieses Landschaftsgebiets, der von Interesse, Ehrfurcht und Entzücken geprägt ist, zunehmend aber auch von Hinweisen und Warnungen, die Verletzlichkeit dieses so einzigartigen ökologischen Raums betreffend. Siehe dazu u. a.: Werner Bätzing: Die Alpen. Geschichte und Zukunft einer europäischen Kulturlandschaft, 4. Aufl., München: C. H. Beck Verlag 2015; Jon Mathieu: Die Alpen. Raum – Kultur – Geschichte, Stuttgart: Reclam 2015; Patrick Stoffel: Die Alpen. Wo die Natur zur Vernunft kam, Göttingen: Wallstein Verlag 2018. Über den Alpenraum hinaus siehe: Susanne Goumegou: Über Berge. Topographien der Überschreitung, Berlin: Kulturverl. Kadmos 2012.

2 Zu den spektakulärsten Skywalks zählen: Top of Tyrol, Stubaier Alpen/Österreich, und Pas dans le vide, Mont Blanc Massiv/Frankreich. Zu den bedeutenden Ausstellungsgebäuden, die in den letzten Jahren in den Alpen entstanden sind, gehören unter anderem die cineastische Installation 007 Elements des Architekten Johann Obermoser in Sölden auf mehr als 3.000 m Höhe und das Messner Mountain Museum Corones der Architektin Zaha Hadid in Südtirol auf 2.275 m Höhe.

3 Dass der Vermittlung der Naturgefahren der Alpen Priorität eingeräumt wird, davon zeugen nicht nur zahlreiche wissenschaftliche Studien, sondern auch die Bereitstellung von Lehrmaterial zu diesem Thema für das Fach Geografie der Sekundarstufe bzw. der Klassen 5 bis 11. Vgl. hierzu: PLANALP Platform on Natural Hazards of the Alpine Convention: Alpine strategy for adaptation to climate change in the field of natural hazards, 2013; Ständiges Sekretariat der Alpenkonvention: Mehrjähri ges Arbeitsprogramm der Alpenkonferenz, 2017–2022, 2017; BIOSA Biosphäre Austria: Schutz vor Naturgefahren im Klimawandel, www.biosa.at/images/berichte/2020/Broschuere_Schutz vor Natur gefahren_END.pdf (04. 05. 2021); Naturgefahren in den Alpen, http://media.fwu.de/bei hefte/55/113/5511371.pdf (04.05.2021).

4 Seit Ulrich Becks Publikation zur »Risikogesellschaft« (1986) hat sich ein breiter Wissenschaftsdiskurs hierzu entwickelt, der alle Bereiche der Gesellschaft in den Blick nimmt, und auch in den populären Medien hat das Thema ungebrochen Konjunktur. Dabei geht es sowohl um die Frage der Risikobe reitschaft, wenn nicht gar der Risikosehnsucht, als auch um Themen der Gefahrenabwehr und Gefah renakzeptanz. Letztgenannte Themenbereiche dominieren den Diskurs mittlerweile bei Weitem. Siehe u. a.: Ulrich Beck: Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1986; Niklas Luhmann: Risiko und Gefahr, in: Soziologische Aufklärung, V: Konstruktivisti sche Perspektiven, hrsg. von Niklas Luhmann, Opladen: Westdeutscher Verlag 1990; Wolfgang Bonß: Vom Risiko. Unsicherheit und Ungewissheit in der Moderne, Hamburg: Hamburger Edition 1995; Ulrich Beck: Weltrisikogesellschaft. Auf der Suche nach der verlorenen Sicherheit, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2007; Herfried Münkler, Matthias Bohlender u. Sabine Meurer: Sicherheit und Risiko. Über den Umgang mit Gefahr im 21. Jahrhundert, Bielefeld: Transcript Verlag 2010; Tina Asmussen, Ste fano Condorelli u. a.: Risiko! Traverse. Zeitschrift für Geschichte, Bd. 3, Zürich: Chronos Verlag 2014.

5 Vgl. Bundesamt für Kultur BAK: Umgang mit Lawinengefahr als immaterielles Kulturerbe (Broschüre), Bern 2018; Österreichische UNESCO Kommission: Erfahrungswissen im Umgang mit der Lawinenge fahr, aufgenommen 2016, www.unesco.at/kultur/immaterielles kulturerbe/oesterreichisches verzeich nis/detail/article/erfahrungswissen im umgang mit der lawinengefahr (05.12.2023).

6 Johannes Hübl, Mathias Hochschwarzer u. Margarete Wöher Alge: Alpine Naturgefahren. Ein Hand buch für Praktiker, Wildbach und Lawinenverbauung Vorarlberg, hrsg. von Forsttechnischer Dienst für Wildbach und Lawinenverbauung, 2011, S. 6.

7 Ebd., S. 6.

8 Vgl. PLANAT Nationale Plattform für Naturgefahren: Auf dem Weg zu einer neuen Risikokultur. Tätig keitsbericht 1997–2000, Biel: Bundesamt für Wasser und Geologie 2000; United Nations: Sendai Framework for Disaster Risk Reduction 2015–2030, Genf: Office for Disaster Risk Reduction (UNISDR) 2015; Florian Rudolf Miklau: Umgang mit Naturkatastrophen. Ratgeber für Bürgermeister und Helfer, Wien: Linde 2018; PLANAT Nationale Plattform für Naturgefahren: Auf dem Weg zur risikokompe tenten Gesellschaft. Tätigkeitsbericht 2016–2019, Biel: Bundesamt für Umwelt 2020.

9 Im Rahmen der Klimadebatte ist das Thema der Risikobewertung und ‑abwehr zentral. Dass das Klima längst auch als ein wirtschaftlicher Risikofaktor gilt, davon zeugen Studien wie die im letzten Jahr erschienene Publikation Philipp Krueger u. a.: The Importance of Climate Risks for Institutional Investors, Bd. 33 (3): Oxford University Press, The Review of Financial Studies 2020. Die vorgenom mene Untersuchung zeigt auch auf, dass die Risikoeinschätzung zeitlich, räumlich und hinsichtlich der jeweiligen Wirtschaftssektoren ausgesprochene Schwankungen aufweist. Die Studie ist in Bezug auf das zu untersuchende Thema insofern relevant, als die Bewertung des Klimas als potenzieller wirt schaftlicher Risikofaktor nicht zu unterschätzende Auswirkungen auf die grundsätzliche gesellschaft liche Wahrnehmung der Klimaauswirkungen und damit auch auf die Akzeptanz von Schutzmaßnah men hat. Vgl. auch: OECD: Klimawandel in den Alpen. Anpassung des Wintertourismus und des Naturgefahrenmanagements, Paris: OECD Publishing 2007.

10 Siehe zum Problem der »Natur« Katastrophe und der unterschiedlichen Begriffsverwendung von »Naturkatastrophe« in den Natur , Sozial und Ingenieurswissenschaften: Carsten Felgentreff u. Tho mas Glade: Naturrisiken und Sozialkatastrophen, Berlin u. a.: Spektrum Akad. Verl. 2008.

11 Der Diskurs zur Wahrnehmung der Alpenlandschaft ist stark regional bzw. nationalpolitisch geprägt.

12 Vgl. Kurt Luger u. Franz Rest: Der Alpentourismus. Konturen einer kulturell konstruierten Sehnsuchts landschaft, in: Der Alpentourismus. Entwicklungspotenziale im Spannungsfeld von Kultur, Ökonomie und Ökologie, hrsg. von Kurt Luger u. Franz Rest, Innsbruck: Studienverlag 2002, S. 24.

13 Mit »technischen Bildern« sind hier solche gemeint, die von den Institutionen zur Schutzplanung ver wendet werden, aber auch solche, die die Ergebnisse der technischen Maßnahmen kommunizieren.

14 Das Technische Bild, www.dtb.hu berlin.de/de (21. 05. 2021): »Das Forschungsprogramm des ›Techni schen Bildes‹ basiert auf einem bildhistorischen Ansatz, der technische Dinge und Bilder im Verhältnis zum Wissen ihrer Hervorbringung zwischen Apparat, Repräsentation, Begriffsgeschichten und institu tioneller Rahmung situiert.«

15 Vgl. Angela Fischel: Bildbefragungen. Technische Bilder und kunsthistorische Begriffe, in: Das Techni sche Bild. Kompendium zu einer Stilgeschichte wissenschaftlicher Bilder, hrsg. von Horst Bredekamp, Birgit Schneider u. Vera Dünkel, Berlin: Akademie Verlag 2008, S. 14.

16 Vgl. etwa: Svetlana Alpers: Kunst als Beschreibung. Holländische Malerei des 17. Jahrhunderts, 2. Aufl., Köln: DuMont 1998; Tanja Michalsky: Projektion und Imagination. Die niederländische Land schaft der Frühen Neuzeit im Diskurs von Geographie und Malerei, Paderborn: Wilhelm Fink Verlag 2011; Anna Lena Krämer: Vom distanzierten zum abstrahierenden Blick. Fotografische Lufterkundung und ihre Rezeption in der Kunst der Moderne, in: Von oben gesehen. Die Vogelperspektive (Ausst. Kat. Germanisches Nationalmuseum Nürnberg 2014), hrsg. von Yasmin Doosry, 2014.

17 Siehe hierzu explizit: Kapitel Kunstsystem und öffentliche Kritik (S. 213).

18 Siehe zum Erhabenen auch: Ästhetisierungen von Sicherheitstechnik – Vorbilder und Traditionen (S. 215) sowie weiterführend: Christine Pries u. Klaus Bartels: Das Erhabene. Zwischen Grenzerfah rung und Größenwahn, Weinheim u. a.: VCH Acta Humaniora 1989; Maria Isabel Peña Aguado: Ästhetik des Erhabenen. Burke, Kant, Adorno, Lyotard, Wien: Passagen Verlag 1994; Johannes Grave: Caspar David Friedrich und die Theorie des Erhabenen. Friedrichs Eismeer als Antwort auf einen zentralen Begriff der zeitgenössischen Ästhetik, Weimar: VDG 2001.

19 Leistungsbeschreibung der Wildbach und Lawinenverbauung: www.bmlrt.gv.at/wald/wald und‑naturgefahren/wildbach und lawinenverbauung/leistungen/Naturgefahreninfo.html (05.12.2023).

20 François Jullien: Es gibt keine kulturelle Identität. Wir verteidigen die Ressourcen einer Kultur, Berlin: Suhrkamp 2018.

21 Die Bezeichnung Sicherheitsdiskurs hat sich seit den 1970er Jahren vor allem zur Politik der inneren Sicherheit etabliert. Vgl. Thomas Kunz: Der Sicherheitsdiskurs. Die innere Sicherheitspolitik und ihre Kritik, Bielefeld: Transcript Verlag 2005. Innerhalb der Wissenschaft steht hingegen der Risikobegriff im Zentrum verschiedener sozial und naturwissenschaftlicher Diskurse, wobei der Risikobegriff ne ben den hier relevanten Naturgefahren auch für eine Reihe sozioökonomisch, kulturell oder politisch induzierter Krisenlagen von Bedeutung ist. Vgl. Peter Weichhart: Risiko – Vorschläge zum Umgang mit einem schillernden Begriff, in: Berichte zur deutschen Landeskunde, 81 (2007), H. 3. Für den Fokus auf Naturgefahren scheint der Risikodiskurs vorerst als der naheliegende. Aus mehreren Grün den ist dennoch die Anlehnung an den Sicherheitsbegriff wichtig: Zuallererst ist die sozialpolitische Dimension von Sicherheit ausschlaggebend. Sie ist für das hier angewandte gesellschaftszentrierte Raumverständnis von Belang. Auch die Anknüpfung an architektur und stadttheoretische Arbeiten ist ausschlaggebend, die sich über stadtpolitische Bezüge vorrangig mit dem Sicherheitsdiskurs be schäftigen. Vgl. Georg Glasze, Robert Pütz u. a.: (Un‑)Sicherheitsdiskurse. Grenzziehung in Gesell schaft und Stadt, in: Berichte zur deutschen Landeskunde, 79 (2005), H. 2/3; Nils Zurawski: Sicher heitsdiskurse. Angst, Kontrolle und Sicherheit in einer »gefährlichen« Welt, Frankfurt am Main u. a.: Lang 2007; Volker Eick, Jens Sambale u. a.: Kontrollierte Urbanität. Zur Neoliberalisierung städtischer Sicherheitspolitik, Bielefeld: Transcript Verlag 2007; Jan Wehrheim: Die überwachte Stadt. Sicherheit, Segregation und Ausgrenzung, 3. Aufl., Opladen u. a.: Leske+Budrich 2012.

22 »,Naturgefahrenmanagement’ ist in Österreich traditionell eine Aufgabe des Staates. Naturgefahren prävention und Katastrophenbewältigung haben in der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung den Charakter einer ›Querschnittsmaterie‹ und sind die Domäne von Experten.«, Florian Rudolf Miklau: Naturgefahren Management in Österreich .Vorsorge – Bewältigung – Information, Wien: LexisNexis ARD Orac 2009, S. V.

23 Bätzing, 2015, S. 13–46.

24 Siehe hierzu: Gabriela B. Christmann: Einleitung. Zur kommunikativen Konstruktion von Räumen, in: Zur kommunikativen Konstruktion von Räumen, hrsg. von Gabriela B. Christmann, Wiesbaden: Sprin ger VS 2016.

25 Peter Haslinger u. Dirk van Laak: Sicherheitsräume. Bausteine zu einem interdisziplinären Modell, in: Saeculum, 68 (2018), H. 1; vgl. auch Jonas Hagmann: Räume der Unsicherheit. Konstruktion, Emanzi pation und Exklusion durch Sicherheitspolitik, in: Geographica Helvetica, 65 (2010), H. 3.

26 Ole Wœver: Securitization and Desecuritization, in: On security, hrsg. von Ronnie D. Lipschutz, New York: Columbia Univ. Press 1995, zit. nach: Gabi Schlag: Bildpolitik und Sicherheitskultur. Das TIME Cover »Aisha«, in: S+F Sicherheit und Frieden, 29 (2011), H. 2, S. 79.

27 Ebd.

28 Ebd.

29 Zu nennen wären in diesem Zusammenhang sowohl das Bedürfnis nach Sicherheit, das sich beispiels weise durch Entscheidungen, mit der Nutzung, Erschließung und Besiedelung in nicht gefährdete Bereiche auszuweichen, ausdrückt, als auch technische Maßnahmen, welche zum Schutz von Bevöl kerung und Gebäuden in der Landschaft angebracht werden.

30 Martina Löw: Raumsoziologie, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2001, insbesondere Kapitel 5.2: Die Entstehung von Raum in der Wechselwirkung zwischen Handeln und Strukturen, S. 158–195.

31 Löw knüpft hier an bei: Detlev Ipsen: Raumbilder. Kultur und Ökonomie räumlicher Entwicklung, Pfaffenweiler: Centaurus Verlagsges. 1997; siehe hierzu auch: Henri Lefebvre: The Production of Space, Oxford: Blackwell Publishing 1991; weiterführend siehe: Christmann, 2016. Hierin insbeson dere Christmann, S. 7–28; Reiner Keller: Die symbolische Konstruktion von Räumen. Sozialkonstrukti vistisch diskursanalytische Perspektiven, S. 55–78; Martina Löw: Kommunikation über Raum. Metho dologische Überlegungen zur Analyse der Konstitution von Räumen, S. 79–88; Gabriela B. Christmann: Das theoretische Konzept der kommunikativen Raum(re)konstruktion, S. 89–117.

32 Die bislang vernachlässigte Reflexion des Wechselbezugs zwischen Räumlichkeit und Sicherheit in der Diskussion beschreiben: Haslinger u. van Laak, 2018; siehe hierzu auch: Sonderforschungsbereich SFB/TRR 138: Dynamiken der Sicherheit, www.sfb138.de/forschung/konzeptgruppen/konzeptgrup pe 1 foerderphase/kg 5 de (18. 10. 2020), insbesondere Konzeptgruppe 5: Raumbildung – Sicher heitsräume.

33 Landschaft in der europäischen Landschaftskonvention wird kurzerhand als »ein Gebiet, wie es vom Menschen wahrgenommen wird [bezeichnet], dessen Charakter das Ergebnis der Wirkung und Wechselwirkung von natürlichen und/oder menschlichen Faktoren ist«. Europäisches Landschafts übereinkommen, 20. 10. 2000, https://rm.coe.int/0900001680080630 (05. 12. 2023). Zu den inter disziplinären Anknüpfungspunkten an das Konzept Landschaft siehe: Susanne Hauser: Landschaft als Prinzip. Über eine Technologie des Blicks und ihre transdisziplinären Optionen, in: Transdisziplinäre Landschaftsforschung, hrsg. von Karsten Berr, Wiesbaden: Springer 2018; zum konstruktivistischen Landschaftsverständnis siehe: Olaf Kühne: Landschaftstheorie und Landschaftspraxis. Eine Einführung aus sozialkonstruktivistischer Perspektive, Wiesbaden: Springer VS 2013; Mit dem Ziel, den aktuellen Stand der Landschaftsforschung zusammenzuführen, ist folgender Überblick zusammengestellt: Olaf Kühne u. a.: Handbuch Landschaft, Wiesbaden: Springer VS 2019.

34 Georg Glasze u. Annika Mattissek: Diskursforschung in der Humangeographie. Konzeptionelle Grund lagen und empirische Operationalisierungen, in: Handbuch Diskurs und Raum. Theorien und Metho den für die Humangeographie sowie die sozial und kulturwissenschaftliche Raumforschung, hrsg. von Georg Glasze u. Annika Mattissek, Bielefeld: Transcript Verlag 2009, S. 11.

35 Vgl. Michel Foucault: Die Ordnung des Diskurses, Frankfurt am Main: Fischer Verlag 1991; Michel Foucault: Archäologie des Wissens, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1981.

36 Vgl. Peter Weichhart: Entwicklungslinien der Sozialgeographie. Von Hans Bobek bis Benno Werlen, Bd. 1, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2008, S. 376.

37 Zum Dispositivbegriff siehe: Gilles Deleuze: Was ist ein Dispositiv?, in: Spiele der Wahrheit. Michel Foucaults Denken, hrsg. von Francois Ewald u. Bernhard Waldenfels, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1991.

38 Andrea D. Bührmann u. Werner Schneider: Vom Diskurs zum Dispositiv. Eine Einführung in die Dispo sitivanalyse, Bielefeld: Transcript Verlag 2008, S. 68.

39 »Bild« ist hier der Überbegriff für die visuellen Darstellungen, die einerseits in der Planung von Schutzartefakten erzeugt werden und dort in Gebrauch sind, wie Karten, digitale Modelle, Simulatio nen oder technische Zeichnungen, und andererseits jene, die als Landschaftsfotografien die Alpen in Kunst und Werbung repräsentieren. Betrachtet werden insbesondere solche visuellen Darstellungen die als eigenständige Information in Gebrauch sind. Häufig sind diese sowohl in der Planung als auch

Vermittlung in Kombination mit Text im Einsatz. Jene, die jedoch ausschließlich zur Illustration ver wendet sind, werden hier nicht berücksichtigt.

40 Der Begriff Schutzplanung wird in der Raumplanung nicht eindeutig nur für den Schutz vor (Natur‑) Gefahren verwendet, meint hier aber die raumplanerischen sowie bauplanerischen Aspekte zur Aus führung von Schutzmaßnahmen.

41 Vgl. Jens Lachmund: Kartennaturen, in: Ganz normale Bilder, hrsg. von Barbara Orland u. David Gu gerli, Zürich: Chronos Verlag 2002, S. 86.

42 Siehe hierzu insbesondere die kunsthistorischen Jahrbücher für Bildkritik: Bildwelten des Wissens, hrsg. von Claudia Blümle u. a., sowie die Publikationen des NFS Bildkritik Eikones. Zu spezifischen Aspekten von Entwurfsbildern siehe: Daniel Gethmann u. Susanne Hauser: Kulturtechnik Entwerfen. Praktiken, Konzepte und Medien in Architektur und Design Science, Bielefeld: Transcript Verlag 2009; Sabine Ammon u. Eva Maria Froschauer: Wissenschaft Entwerfen, München: Wilhelm Fink Verlag 2013; Rikke Lyngsø Christensen u. a.: Artefakte des Entwerfens. Skizzieren, Zeichnen, Skripten, Mo dellieren, Berlin: Universitätsverlag der TU Berlin 2020.

43 Vgl. Horst Bredekamp, Birgit Schneider u. a.: Editorial. Das Technische Bild, in: Bredekamp, Schneider u. Dünkel, 2008, S. 8; siehe hierzu weiterführend auch: Bettina Heintz u. Jörg Huber: Mit dem Auge denken. Strategien der Sichtbarmachung in wissenschaftlichen und virtuellen Welten, Zürich: Edition Voldemeer 2001; Martina Heßler: Konstruierte Sichtbarkeiten. Wissenschafts und Technikbilder seit der Frühen Neuzeit, München: Wilhelm Fink Verlag 2006; James Elkins: Six stories from the end of representation. Images in painting, photography, astronomy, microscopy, particle physics, and quan tum mechanics, 1980–2000, Stanford: Stanford Univ. Press 2008; Martina Heßler u. Dieter Mersch: Bildlogik oder Was heißt visuelles Denken?, in: Logik des Bildlichen. Zur Kritik der ikonischen Ver nunft, hrsg. von Martina Heßler u. Dieter Mersch, Bielefeld: Transcript Verlag 2009.

44 Vgl. Sabine Maasen, Torsten Mayerhauser u. Cornelia Renggli: Bilder als Diskurse – Bilddiskurse, Weilerswist: Velbrück Wiss. 2006; Judith Miggelbrink u. Antje Schlottmann: Diskurstheoretisch orien tierte Analyse von Bildern, in: Glasze u. Mattissek, 2009. Was hier für die Disziplin der Geografie attestiert wurde, gilt auch für andere raumforschenden Disziplinen. Antje Schlottmann u. Judith Miggelbrink: Visuelle Geographien. Zur Produktion, Aneignung und Vermittlung von RaumBildern, Bielefeld: Transcript Verlag 2015.

45 Als ausführlich dargelegtes und angewandtes Analyseverfahren kann die von Silke Betscher in ihrer Dissertation erarbeitete Methode genannt werden, vorgestellt auf der Tagung: Bilder in historischen Diskursen (29. 09.–01. 10. 2011 in Wien, veranstaltet von Franz Eder, Achim Landwehr, Jürgen Mart schukat, Philipp Sarasin), veröffentlicht in: Silke Betscher: Bildsprache. Möglichkeiten und Grenzen einer Visuellen Diskursanalyse, in: Bilder in historischen Diskursen, hrsg. von Franz X. Eder, Oliver Kühschelm u. a., Wiesbaden: Springer VS 2014; siehe weiterführend auch: Silke Betscher: Von großen Brüdern und falschen Freunden. Visuelle Kalte Kriegs Diskurse in deutschen Nachkriegsillustrierten, Essen: Klartext 2013.

46 Die Zeitschrift Tirol (vormals: Tirol … immer einen Urlaub wert) ist ein 1924 gegründetes Tourismus magazin; von 1974–2020 von Dr. Peter Baeck, seit 2020/21 von Senn & Partner KG herausgegeben. Die Zeitschrift erscheint halbjährlich mit einer Winter und Sommerausgabe pro Jahr. Die Auflage je Heft beträgt 8.000 Stück.

Das technische Bild –Strategien des Sichtbarmachens

Herstellen von Übersicht

Ein großer Teil der Landschaftsdarstellungen, mit denen im technischen Lawinenschutz gearbei tet wird, sind Luftaufnahmen oder andere Darstellungen des Geländes aus der Luftperspektive. Als Arbeitsgrundlage sollen Luftfotografien als Landschaftsbilder behandelt und damit als Teil der Konstruktion alpiner Landschaft betrachtet werden. Dies ist deswegen explizit hervorzuheben, weil solche Bilder in ihrer Erstellung und im Gebrauch im Rahmen der Fernerkundung, speziell im Bereich der Wildbach und Lawinenverbauung, vorrangig als Vorlage und Teil der Kartenerzeu gung verwendet werden. Sie werden hierbei stärker als visuelles Ergebnis exakter technischer Vermessung verstanden denn als eigenständiges Artefakt, für das ein betrachtendes Subjekt sowie eine Autorin oder ein Autor verantwortlich zeichnen. Wir haben es hier jedoch mit Bildern zu tun, die als klassische fotografische Abbildungen beziehungsweise Darstellungen von Land schaft produziert werden und in Verwendung sind. Sie sind auch, das wird noch zu zeigen sein, maßgebender Teil der Kommunikation von Gefahren und Sicherheitsaspekten im alpinen Raum. Was als Landschaftsbild bezeichnet wird, ist vor allem durch Traditionen und Konventionen der Malerei bestimmt. Landschaften, so schreiben Ralf Adelmann und seine Mitherausgeber in Datenbilder, »sind immer mit einer Ästhetisierung verbunden, nicht zuletzt aufgrund ihrer kul turgeschichtlichen Verbreitung als Genre der Malerei. Gleichzeitig sind sie ein subjektiver Blick auf das Gelände«.1 In dieser Definition fallen Luftfotografien nicht unter Landschaften oder sie eröffnen zumindest einen Grenzbereich. Sie sind zwar – in der Technik der Fotografie begrün det – aus subjektiver Perspektive aufgenommen. Die Qualität der Fotografie für ihre Verwen dung im Planungszusammenhang steigt jedoch mit der Annäherung an die Parallelprojektion, die den subjektiven individuellen Blick gerade aufzulösen sucht. Auch sind in einer Luftfotogra fie, um nur einige wenige Aspekte zu nennen, andere Konventionen wie der perspektivische Aufbau und das Verhältnis von Vordergrund zu Hintergrund, die gerade für die Wahrnehmung als Landschaftsbild eine große Rolle spielen, nicht in dieser Form vorhanden. Die Luftaufnahme einer Landschaft entzieht sich somit vorerst auch der Ästhetisierung des Landschaftsausschnitts und mit ihr der Konstruktion des Schönen einer Landschaft. Luftfotos sind, obwohl sie im hochtechnischen und militärischen Kontext entwickelt wur den, auch populäre Medien der Landschaftsdarstellung. Denkt man an die großformatigen Bild bände mit Satellitenaufnahmen der Erdoberfläche, die diese Bilder einer breiten Öffentlichkeit

zugänglich machen, wird offensichtlich, dass Luftbilder ein Teil sowohl der Landschaftsbildpro duktion als auch der Landschaftskonstruktion geworden sind. »Bücher über Luftfotografie gehö ren zu den erfolgreichsten Genres im Bereich des populären Kunstbuchs […].«2 Denis Cosgrove nennt Yann Arthus Bertrands Bestseller The Earth from the Air: 365 days einen kommerziellen Beweis für die Faszination der Menschen für Luftfotografie.3 An dieser Schnittstelle ist ein Blick auf die Luftfotografien gerade auch in der Arbeit der Wildbach und Lawinenverbauung interes sant, weil sie dort vorrangig aus technischem oder naturwissenschaftlichem Blickwinkel einge setzt werden. Zugleich ist man sich ihrer faszinierenden und wirkmächtigen Aspekte hinsichtlich einer Landschaftskonstruktion bewusst.

Hier lohnt es sich, die beiden vorrangig in der Schutzplanung verwandten Medien Luftbild und Karte einander gegenüberzustellen, um deren jeweils unterschiedliche Voraussetzungen und damit unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten in der Produktion von Landschaft herauszuar beiten. Thema ist im Besonderen der für die Planung wichtige Zusammenhang von dreidimen sionalem Gelände und seiner flächenhaften Darstellung in der Karte, im Plan. Letztlich wird danach gefragt, wie die Umwandlung des Geländes in eine zweidimensionale Darstellung be ziehungsweise in der Planung und Kommunikation von Gefahr, Sicherheit und Schutzmaßnah men wirksam wird.

Die Grundlage der Darstellungen in den technischen Prozessen der Versicherheitlichung bilden Medien, die in der vorbereitenden Analyse und der Planung von Sicherheitsstrategien und Schutzbauten Verwendung finden. In erster Linie handelt es sich dabei um aus analogen oder digitalen Informationen generierte Bildmedien wie Luftfotografien, Orthofotos, symbolische Karten, Bildkarten und digitale Geländemodelle. Sie können als »Ausgangsmaterial« bezeichnet werden, das als Basis für die meisten innerhalb der Wildbach und Lawinenverbauung (die. wildbach)4 erzeugten Darstellungen und Visualisierungen dient und diese außerdem in ihrer Herstellung beeinflusst. Teilweise werden diese Mediensparten zwar in Kooperation mit den Planungsinstitutionen der Schutzverbauung erzeugt, jedoch nicht eigens zum Zwecke der Wild bach und Lawinenverbauung oder der Schutzplanung. Es sind allgemeine Medienformen der Erderkundung und Landvermessung, die nicht ausschließlich (aber eben auch) im Bereich der Schutzplanung Einsatz finden. Dabei wird im Folgenden das Augenmerk auf die Herstellungs techniken und ‑prozesse gelenkt sowie auf die mit den Medien verbundenen Eigenschaften. Es soll gezeigt werden, welche Übersichtsdarstellungen Verwendung finden und aus welchen Gründen die Wahl auf sie fällt. Außerdem soll geklärt werden, in welchem kulturellen Kontext die Produktion solcher Bildmedien steht und aus welchen technischen Voraussetzungen heraus diese entstehen, um letztlich die Rolle dieser Aspekte für den Gebrauch, den Einsatz und die Wahrnehmung dieser Medien als Teil der Schutzplanung zu klären.

Für die Analyse dieser Ausgangsmedien – der symbolischen Karten, der Luft und Orthofo tos, der Bildkarten sowie der Geländemodelle – werden folgende Fragen an die jeweiligen Bild felder respektive einzelnen Bilder gestellt: Für welchen Zweck sind sie im Einsatz? In welcher Form werden sie eingesetzt? Welche technische Entwicklung hat das jeweilige Medium in dieser Form hervorgebracht beziehungsweise verändert? Welche daraus folgenden Arbeits und Dar stellungsmöglichkeiten wurden dadurch eröffnet oder sind impliziert? Daneben stellt sich die Frage, wie die jeweiligen Medien produziert werden. Außerdem werden auf der Grundlage des

zu untersuchenden Materials Zusammenhänge und Abhängigkeiten der verschiedenen Medien beziehungsweise deren Unterschiede beschrieben. So wird beispielsweise das Verhältnis zwi schen Fotografie und Karte beziehungsweise jenes zwischen Bild und Karte herausgearbeitet und den Gemeinsamkeiten und Unterschieden gegenüber »Landschaftsbildern« besondere Auf merksamkeit geschenkt.

Eine grundlegende Annahme in diesem Hauptabschnitt der Arbeit ist, dass sowohl der Kartenaspekt als auch der Bildaspekt für das Verständnis und die Bewertung der Planungsbasis wichtig sind. Auf der einen Seite steht die Vermittlung von objektivem, gesichertem und bestän digem Wissen, auf der anderen der unmittelbare, konkrete, visuell erfasste Eindruck. An beide Seiten werden Fragen zu Darstellungsmöglichkeiten von Topografie und Gelände gestellt, insbe sondere solche zur Anschaulichkeit und Objektivität kartografischer Medien im Verhältnis zu solchen, die auf Luftfotografien basieren. Die Untersuchung bezieht sich auf die Verwendung von fotografischem Material als Kartengrundlage im Gegensatz zur abstrakten Kartendarstel lung, womit der Fokus auf dem Changieren zwischen Bild und Karte liegt. Dabei zielt die Argu mentation hier gerade darauf ab, auch in Karten und Plänen die Gesetze des Bilder Machens aufzuzeigen und damit auch die sogenannten technischen Darstellungen auf gesellschaftliche Konventionen, vor allem in Bezug auf Landschaftsvorstellungen, zu untersuchen.

Für die Besprechung des Mediums der Karten sind drei Punkte von besonderem Interesse: erstens der unterschiedliche Einsatz von Karten und (Luft‑)Bildern; zweitens, dass Kartierung ein Bildermachen ist und damit ein Gestaltungswerkzeug in Bezug auf Landschaft darstellt, und drittens das Phänomen, dass Gefahren kartiert und damit Unsicherheiten fixiert und als solche in einer fixierten Objektivität wahrnehmbar werden.

Symbolische Karten – eigentliche topografische Karten

Die geläufigste Art, Übersicht über einen Landschaftsausschnitt zu erlangen, ist der Blick auf eine Karte.5 Gemeint sind in diesem Fall gängige topografische Karten,6 wie sie beispielsweise Wanderkarten darstellen.

Topographische Karten dienen der Darstellung aller wesentlichen topographischen Gegebenhei ten eines Landes. Sie sind das Ergebnis eines bewussten Auswahl und graphischen Gestaltungs prozesses durch den Kartographen. […] Die Abbildung erfolgt stets verkleinert und vereinfacht (mit Beschränkung auf das Wesentliche) und wird durch eine Beschriftung erläutert.7

Das markanteste und in topografischen Karten in jedem Fall vorhandene Darstellungselement sind Höhenschichtenlinien (Abb. 3). Sie übersetzen das Relief der Geländeform in die Karte. Jene Bereiche, in denen Gelände und Berge höher werden und die im Wesentlichen für die Schutz planung relevant sind, scheinen in den Karten fast ausschließlich über Höhenlinien dargestellt zu sein. Da die Flächen nicht besiedelt sind und kaum Infrastruktur vorhanden ist, bleiben wenige darzustellende Informationen und für die Geometrisierung des Berges nur die Höhenlinien. Erst in den tieferen Lagen, in den meist verhältnismäßig kleinen Siedlungsbereichen, kommen so wohl Gebäude und Infrastruktur als auch vor allem Katasterinformationen dazu. Um das Ge lände in Höhenlinien darzustellen, wird die Geländeformation in regelmäßigen Abständen, die

3 Lageplan Predigtberg-Lawinen, 1:2.880, Gemeinde Galtür, Generelles Projekt 2000, die.wildbach Gebietsbauleitung oberes Inntal.

das gesamte Höhenrelief der Landschaft erfassen, durch je eine waagrechte Fläche geschnitten, sodass das Kartenbild vollständig mit Höhenlinien überzogen ist. Informativ ist nicht die einzelne Höhenlinie, sondern das Verhältnis der Linien zueinander. Zur leichteren Lesbarkeit werden, dem jeweiligen Maßstab entsprechend, einzelne Linien bei runden Werten, sogenannte Zähllinien, dicker dargestellt und beschriftet. Diese dickeren Linien gliedern große Planzeichnungen deut lich (Abb. 4).

Um unterschiedliche Höhenlagen und zum Teil auch Oberflächenbeschaffenheiten zu ver mitteln, wird in topografischen Karten eine spezifische Farbgebung angewendet. So geben Schattierungen von Grün bis Brauntönen die Höhe des Geländes über Meer an. Wiesen und Wälder liegen in den Höhenlagen, die in Grün dargestellt sind. Dabei lassen unterschiedliche Töne bewaldete und unbewaldete Flächen erkennen. Je höher aber die Berge, desto bräunlicher die Farbgebung. Gletscher sind davon abgehoben hellblau gezeichnet. Zusätzlich zu den Farben dient die sogenannte Schummerung zur besseren Veranschaulichung der Geländeform. Mit einer Schummerung wird ein »durch Variation der Intensität einer einfarbigen Flächentönung«8 einseitiger Schattenwurf imitiert. Kohlstock erwähnt, dass die Herstellung der Schummerung ursprünglich neben ausgeprägtem Vorstellungsvermögen, »da als Grundlage nur Höhenlinien

4 Lageplan Rastlboden-Lawine, 1:1.000, Gemeinde Innsbruck, Verbauungsprojekt 1983, die.wildbach Gebietsbauleitung Mittleres Inntal.

zur Verfügung stehen, auch künstlerische Fähigkeiten bei der Ausführung«9 erforderte. In der Erstellung heutiger Karten über digitale Geländemodelle wird diese Schummerung vom Pro gramm gesteuert.

Topografische Karten stellen im Planungsprozess der Wildbach und Lawinenverbauung ein Mittel zur Übersicht dar, gerade wenn ein relativ großer Landschaftsausschnitt gezeigt wer den soll (Abb. 5). Für die sogenannten Übersichtskarten, in denen die jeweiligen Lawinengefah renbereiche eingetragen sind, werden meist Kartenausschnitte im Maßstab 1:25.000 oder 1:50.000 aus dem offiziellen österreichischen Kartenmaterial des Bundesamts für Eich und Ver messungswesen (Österreichische Karte) herangezogen. Aufgabe der Übersichtskarte ist es, die mögliche Lawinengefahr in größerem Kontext zu verorten. In ihr sind sowohl die Lawine – die Summenfläche von Anbruch, Lawinenbahn und Ablagerungsbereich – als auch das durch sie betroffene Siedlungsgebiet dargestellt. Sie lässt zugleich orientierung und Zuordnung in der Region zu.

5 Übersichtskarte Madlein-Lawine (Ausschnitt), 1:25.000, Gemeinde Ischgl, Einzelbaumaß nahmen 1999, die.wildbach Gebietsbauleitung Oberes Inntal.

Luftbilder im Einsatz der Schutzplanung

Ein Blick auf die Übersichtsdarstellungen von Landschaftsausschnitten führt innerhalb der Schutzplanung neben den topografischen Karten vor allem zur Technik der Luftfotografie, der Luftbildmessung sowie der daraus entwickelten Fernerkundung. Luftbilder interessieren uns hier als Medien, die nicht nur per se, sondern zugleich als Grundlage für sogenannte orthofotos und orthofotokarten in Verwendung sind. Mit orthofotos entsteht eine neue Art von Landschafts bildern, basierend auf einem Verfahren, in dem sich Medientypen überlagern. Sie sind eine Synthese aus Karte als Zeichenmedium und Foto als indexikalischem Medium. Mit dieser Über lagerung verbinden sich auch verschiedene Wissensebenen, die ursächlich mit den Medien ver knüpft sind. Für die vorliegende Untersuchung ist dabei der Plot aus dem sogenannten Betrach terbild, dem Modellbild und dem Datenbild von Interesse. Mit Betrachterbild ist die Eigenschaft einer Fotografie gemeint, der ein betrachtendes Subjekt und mit diesem ein subjektiver Auf nahmepunkt vorausgeht. Modellbild meint hingegen eine aus solchen Betrachterbildern umge wandelte Aufnahme, die immer noch Fotografie ist, dennoch allgemeingültige Eigenschaften

von Karten übernommen hat. Letztlich geht es darum, verwendete Bilder und/oder Karten in ihrer Funktion als visualisiertes Ergebnis von Datenmaterial zu untersuchen und deren Bildquali täten mit jenen herkömmlicher Fotografien und Karten zu vergleichen sowie voneinander zu unterscheiden.

Seit dem Beginn der Lawinenverbauung in Österreich sind Luftfotos ein wichtiges Werk zeug im Analyse und Planungsprozess. Es lassen sich grob zwei Bildbereiche unterscheiden, in denen Luftfotografien Verwendung finden: Da ist einerseits der Einsatz als Plangrundlage – als eine Art Kartenhintergrund, auf dem weitere dokumentarische oder planerische Informationen eingetragen werden. Andererseits werden Luftfotografien auch per se als dokumentarische Mit tel von Schadensereignissen genauso wie Repräsentationsmittel von Baumaßnahmen einge setzt.10 Hier werden Luftfotografien hingegen in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Einsatz als Analyse oder Planwerkzeug betrachtet. Unmittelbar werden sie beispielsweise zur Ereignis dokumentation verwendet. Solche Eintragungen dienten meist der Situationsdarstellung von Schadensbereichen, von Gefahrenquellen in Übersichtsplänen und Ähnlichem. Als solche sind sie in den Projektunterlagen zu finden und bis heute auch in der Gefahrenzonenplanung als wichtiges Instrument innerhalb der herangezogenen Chronik gültig. In viel größerem Ausmaß finden Luftbilder in mittelbarer Weise Anwendung. Meist transformiert in sogenannte Orthofo tografien, bilden sie eine wichtige Grundlage für die Planung von Schutzmaßnahmen. Solche Orthofotografien sind die Voraussetzung für die zahlreichen Bildkarten, die im Verlauf der Pro jekterstellung als Übersichtskarten der Lawinengefahren oder als Gefahrenzonenkarten, aber genauso als Lagepläne von Verbauungsprojekten Einsatz finden. Außerdem spielen sie eine grundlegende Rolle in der Erstellung und Visualisierung von dreidimensionalen Modellen, die für Simulationszwecke herangezogen werden.

Luftbilder sind abbildende Systeme zur bildhaften Wiedergabe der Erdoberfläche.11 Sie werden mit Luftbildkameras in der Regel von Flugzeugen aus aufgenommen12 und bezeichnen aus der Vogelperspektive in Zentralprojektion aufgenommene herkömmliche Fotografien eines Landschaftsausschnitts. Entsprechend geht ihre Entstehung auf die Entwicklung der Flugtechnik (beginnend mit ersten Ballonfahrten) Ende des 19. Jahrhunderts zurück. Anfang des 20. Jahr hunderts, mit der Entwicklung von Flugzeugen, wird das erste Mal von Luftbildaufnahmen ge sprochen. Zu unterscheiden ist bis heute zwischen Schräg und Senkrechtaufnahme, wobei die Schrägaufnahme durch den deutlichen Winkel zwischen Projektionsebene und Erdoberfläche für die Übersetzung in kartografische Darstellungen ungeeignet ist.

Wenn Luftbilder für solche kartografischen Zwecke herangezogen werden, ist es notwen dig, die räumliche Lage der einzelnen Bildpunkte zu identifizieren. Als Verfahren dazu wird die Fotogrammmetrie angewandt. Fotogrammmetrie bedeutet so viel wie Bildmessung und meint die Anwendung der Fotografie zu Erdvermessungszwecken.13 »Mit der Konstruktion der ersten Reihenbildkamera […] 1915 und des ersten Luftbildauswertgeräts (Doppelprojektor) im selben Jahr« war die Voraussetzung zur »systematische[n] Luftbildaufnahme und ‑auswertung« 14 ge schaffen. In der stereofotogrammetrischen Auswertung liefern zumindest zwei überlappende Fotografien, die von bekannten, aber leicht unterschiedlichen Punkten aus aufgenommen sind, die notwendigen Informationen, um alle Punkte der abgebildeten Oberfläche auf geometrisch eindeutige Weise in ihren X , Y und Z‑Koordinaten zu erfassen. Geeignet für diese Art der

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