Arbeitsheft der rheinischen Denkmalpflege 86
Arbeitsheft der rheinischen Denkmalpflege 86
Eine Veröffentlichung des Landschaftsverbandes Rheinland
herausgegeben von Landeskonservatorin Dr. Andrea Pufke
gedruckt mit Mitteln des Erzbistums Köln
zugleich: Studien zu den Kunstdenkmälern im Erzbistum Köln 6 Schriftleitung: Dr. Anna Pawlik
DIE KREUZIGUNG PETRI VON RUBENS THE CRUCIFIXION OF SAINT PETER BY RUBENS Schriftleitung Anna Pawlik und Marc Peez Mit Beiträgen von Nils Büttner, Matthias Deml, Sarah Grimberg, Stephan Ch. Kessler, Andreas Krupa, Andreas Hoppmann, Anne Mager, Anna Pawlik, Marc Peez, Hans Portsteffen, Guido Schlimbach und Friederike Schuler
Die Restaurierung der Kreuzigung Petri von Peter Paul Rubens wurde ermöglicht durch:
Konzeption und Schriftleitung: Anna Pawlik, Marc Peez Redaktion und Lektorat: Aaron Bogart, Eva-Maria Beckmann, Anna Pawlik, Marc Peez Übersetzungen: David Sánchez Cano Bildredaktion: Viola Blumrich Abbildung auf dem Einband: Peter Paul Rubens, Kreuzigung Petri, Köln, St. Peter Foto: Stephan Kube, Greven Layout, Reproduktionen / Image processing: Rüdiger Kern, Berlin Druck und Bindung / Printing and binding: Beltz Grafische Betriebe GmbH, Bad Langensalza Verlag / Publisher: Deutscher Kunstverlag GmbH Berlin München Lützowstraße 33 10785 Berlin www.deutscherkunstverlag.de Ein Unternehmen der / Part of Walter de Gruyter GmbH Berlin Boston www.degruyter.com Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. The Deutsche Nationalbibliothek lists this publication in the Deutsche Nationalbibliografie; detailed bibliographic data are available on the Internet at http://dnb.dnb.de. © 2022 Deutscher Kunstverlag GmbH Berlin München und LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland, Pulheim-Brauweiler Alle Rechte vorbehalten ISBN 978-3-422-98952-8
Inhalt / Contents 7
Vorwort
182
Preface
9
Einführung
183
Introduction
13
Die Kölner Kreuzigung Petri im Kontext der Märtyrerbilder des Peter Paul Rubens Trost im Drama zwischen Sterben und Erlösung Stephan Ch. Kessler SJ
185
The Cologne Crucifixion of Saint Peter in the Context of Peter Paul Rubens’s Martyr Paintings Consolation in the Drama Between Dying and Salvation Stephan Ch. Kessler SJ
33
Kirchliche Kunst in Köln in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts Kulturtransfer zwischen dem Rheinland und den südlichen Niederlanden Matthias Deml
198
Religious Art in Cologne in the First Half of the Seventeenth Century Cultural Transfer between the Rhineland and the Southern Netherlands Matthias Deml
55
Die Kreuzigung Petri im Kontext von Leben und Werk des Malers Rubens Nils Büttner
207
The Crucifixion of Saint Peter in the Context of the Life and Work of the Painter Rubens Nils Büttner
73
Annäherung und Distanz Zur Objektgeschichte der Kreuzigung Petri Anna Pawlik
216
95
Tafelteil I
Proximity and Distance On the Object History of the Crucifixion of Saint Peter Anna Pawlik
227
Turned on its Head The State of Rubens’s Crucifixion of Saint Peter Marc Peez
233
A Great Painting The Radiographic E xamination of the Crucifixion of Saint Peter Andreas Krupa and Hans Portsteffen
237
A Study on the Painting Technique of Peter Paul Rubens’s Crucifixion of Saint Peter Sarah Grimberg
248
The Conservation of the Crucifixion of Saint Peter in 2021 Andreas Hoppmann
251
Can One ‘Replace’ a Rubens? Replace Rubens as an Opportunity to Fill a Large Gap Anne Mager, Guido Schlimbach and Friederike Schuler
105
Auf den Kopf gestellt Der Zustand von Rubens’ Kreuzigung Petri Marc Peez
119
Ein großes Gemälde Die radiologische Untersuchung der Kreuzigung Petri Andreas Krupa und Hans Portsteffen
127
Beobachtungen zur Werktechnik von Peter Paul Rubens’ Kreuzigung Petri Sarah Grimberg
151
Die Restaurierung der Kreuzigung Petri 2021 Andreas Hoppmann
157
Tafelteil II
169
Kann man einen Rubens „ersetzen“? Replace Rubens als Chance, eine große Lücke zu füllen Anne Mager, Guido Schlimbach und Friederike Schuler
179
Bildnachweis
179
Abkürzungsverzeichnis
Vorwort Gut fünfzehn Jahre ist es nun her, dass sich ein Arbeitsheft der rheinischen Denkmalpflege zuletzt monografisch nur einem Kunstwerk widmete: 2006 erschien mit Band 69 die Abhandlung zu dem im frühen 14. Jahrhundert entstandenen Gabelkreuz in St. Maria im Kapitol, einer der großen romanischen Kirchen Kölns. Mit dem nun vorliegenden Beitrag rückt ein Werk in den Mittelpunkt, das nur wenige hundert Meter entfernt von dieser Skulptur beheimatet ist; ebenfalls in der im Ursprung romanischen, heute spätgotisch und modern geprägten Kirche St. Peter: Die Kreuzigung Petri von Peter Paul Rubens. Das Bild stammt aus einer Epoche, die vermutlich nur wenige mit Köln verbinden, der Mitte des 17. Jahrhunderts. Mit kurzen Unterbrechungen wird es noch immer am Ort seiner ursprünglichen Entstehung aufbewahrt, die zugleich die Grabeskirche von Rubens’ Vaters Jan ist. Anlass für die intensive Beschäftigung mit diesem in jeder Hinsicht herausragenden Werk war eine Zustandsüberprüfung 2018. Der Verbleib von Kunstwerken an ihrem angestammten Platz ist ein denkmalpflegerisches Kernziel. Dass die Kreuzigung Petri bislang – mit wenigen Unterbrechungen – seit seiner Entstehung in St. Peter aufbewahrt und gehütet wird, ist jedoch in erster Linie dem stetigen und standhaften Einsatz der dortigen Pfarrgemeinde und den seit 1960 dort ansässigen Jesuiten zu verdanken. Heute ist die Kreuzigung Petri das einzige Gemälde von Peter Paul Rubens in Deutschland, das sich an dem ihm ursprünglich zugedachten Ort befindet – ein Glücksfall, wie auch der Erhaltungszustand des Gemäldes deutlich macht. Es ist der kirchlichen wie der staatlichen Denkmalpflege daher ein großes Anliegen, diesen besonderen Zusammenhang zwischen dem Werk, dem Urheber und dem Ort dauerhaft zu erhalten. Dieser Band legt einmal mehr Zeugnis ab über die konstruktive und kollegiale Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen, insbesondere der Kunstgeschichte und der Restaurierung, die seit den 1950er Jahren eine lange Tradition im Rheinland hat; verwiesen sei auf die frühen Jahrbücher der Rheinischen Denkmalpflege, die diesbezüglich deutschlandweit Maßstäbe setzten. Nun waren es mit der Kunsthistorikerin Anna Pawlik vom Erzbistum
Köln und dem Restaurator Marc Peez aus dem LVR -Amt für Denkmalpflege im Rheinland wiederum zwei Vertreter*innen dieser beiden Professionen, die das Projekt wissenschaftlich leiteten und für Idee, Konzept und Redaktion dieses Bandes verantwortlich zeichnen. Hierfür danke ich beiden ganz ausdrücklich. Die Publikation ist nicht zuletzt auch Ausdruck der sehr guten Zusammenarbeit zwischen der amtlichen Denkmalpflege und dem Erzbistum Köln. Erfreulicherweise konnten Anna Pawlik und Marc Peez weitere Autor*innen aus ihren Reihen für das Projekt gewinnen. Bereichert durch theologisch-philosophische Aspekte und die Auseinandersetzung zeitgenössischer Künstler*innen mit dem Gemälde ist ein Arbeitsheft entstanden, das der Leserschaft den Blick auf die Kreuzigung Petri aus möglichst vielen Perspektiven ermöglichen soll. Allen Autor*innen sei dafür an dieser Stelle sehr herzlich gedankt. Erstmalig wurden die Beiträge auch ins Englische übersetzt, all denjenigen, die hierzu beigetragen haben, gebührt ebenfalls ein großer Dank. Eva-Maria Beckmann, zuständig für die Amtsschriften, hat in bewährt sorgfältiger und geduldiger Weise das Zusammenspiel zwischen all diesen Akteur*innen mit Verlag und Verwaltung koordiniert. Das Lektorat unterstützte Ingrid Latz in ebenso bewährter Weise. Finanziert wurden die Untersuchungen und Restaurierungsarbeiten von der Kirchengemeinde und dem Erzbistum Köln, gefördert mit Mitteln aus dem Denkmalförderprogramm des Landes Nordrhein-Westfalen. Die Publikation der Ergebnisse wurde finanziell maßgeblich durch den Landschaftsverband Rheinland sowie durch eine Förderung des Erzbistums Köln ermöglicht. Wir können uns glücklich schätzen, ein weiteres Werk als Doppelreihe Arbeitsheft der rheinischen Denkmalpflege/ Studien zu Kunstdenkmälern im Erzbistum Köln vorlegen zu können.
Brauweiler, im Oktober 2021 Dr. Andrea Pufke Landeskonservatorin
7
Einführung St. Peter in Köln. Zentral, in unmittelbarer Nähe zum Neumarkt gelegen, dürfte sich die recht kleine, zudem von mächtigen Innenstadtbauten umgebene mittelalterliche Kirche den Menschen in der Stadt wohl erst auf den zweiten Blick erschließen. Dabei bildet sie gemeinsam mit ihrer ehemaligen „Schwesterkirche“ St. Cäcilien – seit 1965 das Museum Schnütgen beherbergend –, dem von Karl Band in den 1950er Jahren angebauten Pfarrhaus und gleich zwei Höfen ein im hektischen Treiben der Innenstadt wohltuende Ruhe ausstrahlendes Ensemble von außergewöhnlicher Qualität. Internationale Bedeutung erlangte St. Peter, bis heute Pfarrkirche und Kirche der Jesuiten, allerdings nicht zuerst aufgrund seiner Architektur oder Lage. Seit 1987 ist hier die Kunst-Station Sankt Peter Köln beheimatet, ein wichtiges und weit über die Region hinaus beachtetes Zentrum zeitgenössischer Kunst, Musik und Literatur, das Kirche und Kunst auf außergewöhnliche Weise verbindet. Hier begegnen sich Liturgie, Bildende Kunst, Konzerte und Lesungen. Kernpunkt der Kunst-Station Sankt Peter Köln ist das Gemälde der Kreuzigung Petri von Peter Paul Rubens. Zwar nicht wie ursprünglich zentral im Chor, sondern an der Ostwand des südlichen Seitenschiffs präsentiert, dominiert es doch den Raum, zieht den Blick auf sich. Dieses in vielerlei Hinsicht herausragende Bild ist Gegenstand dieser Publikation. Die Kreuzigung Petri von Rubens ist gewissermaßen der Beginn des zeitgenössischen künstlerischen Wirkens der Peters-Kirche, für die es einst als Stiftung des Kölner Kaufmanns Eberhard III . Jabach und seiner Frau Anna Reuter geschaffen wurde – inmitten des verheerenden Krieges, der dreißig Jahre lang nach und nach halb Europa überzog und inmitten einer Stadt, die in eben dieser Zeit einen wirtschaftlichen, kulturellen und geistigen Aufschwung erlebte. Es war turbulent, aber katholisch, nicht zuletzt aufgrund des Einflusses der Jesuiten, die spirituell und künstlerisch Akzente setzten – vielleicht ist es kein Zufall, dass sie seit 1960 ausgerechnet in St. Peter wieder beheimatet sind. Die Menschen begegnen der Kreuzigung Petri seit Jahrhunderten, als Reisende, als Gläubige, als Staunende. Spätestens seit seiner Verschleppung unter Napoleon 1794 war es Mythos und Sehnsucht zugleich, fern seiner Kölner Heimat blieb es im Gedächtnis der Stadt, der Kirche und seiner Gemeinde. Seine Rückkehr 1815 war ein Freudenfest. Triumphal zog die Menschenmenge mit dem Bild vom Rathaus durch die Stadt, um es „heim“ zu bringen. Hier in
St. Peter wird es seitdem bewahrt, gehütet und als Teil der Kunst-Station Sankt Peter Köln immer wieder neuen, ihrerseits zeitgenössischen Werken gegenübergestellt. Dass sich ein so bedeutendes Gemälde noch immer am Ort seiner ursprünglichen Bestimmung befindet, ist nicht selbstverständlich. Die meisten Werke von Rubens werden heute in Museen auf der ganzen Welt bewahrt, in Deutschland ist dieser überkommene Ortsbezug gänzlich singulär. Der Erhalt in situ hat Folgen: Regelmäßige Zustandsüberprüfungen müssen anders organisiert werden als im Museum und es obliegt neben der Eigentümerin, der katholischen Pfarrei St. Peter, der kirchlichen und der staatlichen Denkmalpflege, diese sicherzustellen. Die Anlässe für entsprechende Kontrollen können vielfältig sein. Bei der Kreuzigung Petri war es – wie so oft in den vergangenen Jahren – mikrobieller Befall an Ausstattungsstücken im Kirchenraum, der zu ersten Begutachtungen führte und in der Folge nicht nur eine Überprüfung des Raumklimas, sondern auch des Gemäldes selbst auslöste. So wurden parallel zur messtechnischen Erfassung der Klimawerte erste Überlegungen zu Art und Umfang der Untersuchung des Bildes entwickelt, begleitet von Archivrecherchen zu früheren Konservierungen, Restaurierungen und Empfehlungen. Früh wurde mit Blick auf mögliche Risiken beim Transport und klimatische Veränderungen festgelegt, dass das Gemälde für die Untersuchungen und mögliche konservatorische Arbeiten in der Kirche verbleiben sollte. Die südliche Empore bot Raum für die Einrichtung einer temporären Werkstatt, abgeteilt durch eine leichte Trennwand, und ermöglichte auch weiterhin – wenn auch eingeschränkt – Besuche des Bildes am Ort. Vor dem Transport auf die Empore wurde die fotografische Dokumentation in situ durchgeführt. Erklärtes Ziel war zunächst die Zustandsüberprüfung und nicht etwa eine Restaurierung oder gar kunsttechnologisch allumfassende Untersuchung des Werkes, wenngleich die Möglichkeit genutzt werden sollte, möglichst viel über das Bild selbst, seine Entstehung und seine im Laufe der Zeit eingetretenen Veränderungen zu erfahren und zugleich Grundlagen für zukünftige Zustandsüberprüfungen zu schaffen. Auf die Entnahme von Substanz an der Malerei zu Analysezwecken wurde bewusst verzichtet, mikroskopische Untersuchungen sollten bestenfalls kunsttechnologische Ergebnisse anderer Rubens-Werke bestätigen. 9
Die Beschäftigung mit der Kreuzigung Petri fiel mitten in die Covid-19-Pandemie. Trotz dieser schwierigen und herausfordernden Umstände gelang die interdisziplinäre und offene Diskussion auf Augenhöhe der verschiedenen Disziplinen – vor allem Kunstgeschichte und Restaurierung. Dieser Austausch wurde gewissermaßen zur Klammer für das Projekt, das sich in wechselnden Besetzungen, Formaten und Gruppengrößen Schritt für Schritt und ohne Zeitdruck entwickeln konnte. Ein ursprünglich geplantes, größeres Beratergremium konnte aufgrund der zu dem Zeitpunkt geltenden Kontaktbeschränkungen leider nur in kleiner Runde zusammenkommen. Für die Bereitschaft der Kolleg*innen sind wir sehr dankbar. Neben der bereits vielfach eingeübten und bewährten Zusammenarbeit zwischen der kirchlichen Kunstdenkmalpflege des Erzbistums Köln und der Restaurierungswerkstatt des LVR -Amtes für Denkmalpflege im Rheinland (LVR -ADR ) ergänzte Nils Büttner von der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart das Kern-Team. Elektrisiert durch die Pressemitteilung am 17. September 2019 bot er seine Unterstützung an, die in zahlreichen, immer allseits bereichernden Treffen mündete. Für den offenen Austausch und die große Kollegialität, mit der er dem Projekt begegnete, gilt ihm unser besonderer Dank. Diesen möchten wir in ebensolcher Weise an den Pfarrer von St. Peter, Pater Stephan Ch. Kessler SJ , richten. Wenngleich die Untersuchung und Konservierung von frühneuzeitlichen Meisterwerken nicht zum Kerngeschäft von Kirchengemeinden gehört, trafen wir hier auf offene Ohren und Augen und einen wachen Geist, der – wie im Folgenden zu lesen sein wird – das Thema inhaltlich vertiefte und die umfangreiche Forschung zu Rubens’ Kreuzigung Petri nun um einen wichtigen Aspekt bereichert. Die Kunst-Station Sankt Peter Köln ist für dieses Bild ein echter Glücksfall: Die Reihe Replace Rubens füllte die Leerstelle, die die Abnahme der Kreuzigung Petri an der östlichen Wand des südlichen Seitenschiffes hinterließ, auf ihre ganz eigene Weise. Dass diese Chance erkannt und genutzt wurde, verdankt sich dem ehrenamtlichen Engagement des Kunst-Beirates, dem es immer wieder gelingt, den besonderen Raum von St. Peter auf ebenso besondere und unerwartete Weise zu öffnen und zu bereichern.
Solche umfangreichen und schon allein aufgrund des Formats des Bildes aufwändigen Maßnahmen stoßen an die finanziellen Grenzen einer Kirchengemeinde. Für die großzügige Unterstützung und Förderung danken wir dem Land Nordrhein-Westfalen, vertreten durch Barbara Naraghi von der Bezirksregierung Köln, die das Projekt begeistert begleitete und förderte. Die lange Geschichte der Kreuzigung Petri ist eng verknüpft mit der Geschichte der Stadt Köln und dem Wallraf-Richartz-Museum. Umso mehr möchten wir uns für die Unterstützung von Marcus Dekiert und seinem Team bei der Archivrecherche bedanken. Durch die Verantwortung, die das Museum schon im frühen 20. Jahrhundert immer wieder für das Bild übernommen hat, bleibt die Kreuzigung Petri auch ein Teil der Museums- und Stadtgeschichte. Danken möchten wir auch Andreas Krupa und Hans Portsteffen vom CICS (Cologne Institute of Conservation Sciences) der TH Köln (Technische Hochschule Köln) für die Anfertigung der Röntgenaufnahmen und die Bereitschaft, diese in einem größeren Zusammenhang zu erläutern. Gunnar Heydenreich und Diana Blumenroth, ebenfalls vom CICS , sei für die Anfertigung der Infrarotaufnahmen gedankt, Stephan Kube (Greven) und Viola Blumrich (LVR -ADR , Brauweiler) für die herausragende fotografische Dokumentation. Für die spontane Zusage, den Blick über die Kreuzigung Petri und St. Peter hinaus auf das Köln des 17. Jahrhunderts zu richten, gilt unser großer Dank Matthias Deml. Am Ende sind es die Restaurator*innen, die dem Bild am nächsten kommen. Lutz Sankowsky (Euskirchen), Andreas Hoppmann (Köln) und Sarah Grimberg (Köln) haben die Voruntersuchung, die Restaurierung und die kunsttechnologische Untersuchung ausgeführt und hierdurch nicht nur die wesentlichen Arbeiten zum Erhalt des Gemäldes geleistet, sondern darüber hinaus allen Beteiligten einen tiefen Einblick in dieses großartige Werk ermöglicht. Für die gewohnt routinierte redaktionelle Unterstützung und die zeitraubende Kommunikation im administrativen Hintergrund danken wir Eva-Maria Beckmann, die präzisen Übersetzungen der Beiträge mit doch sehr unterschiedlichen Themenschwerpunkten waren bei David Sánchez Cano und in der Redaktion bei Aaron Bogart in den besten Händen.
Köln, am Hochfest Peter und Paul 2021 Anna Pawlik und Marc Peez
10
Die Kölner Kreuzigung Petri im Kontext der Märtyrerbilder des Peter Paul Rubens Trost im Drama zwischen Sterben und Erlösung Stephan Ch. Kessler SJ
In praecipitia iste cursus deducit. Huius eminentis vitae exitus cadere est. „Kopfüber auf die abschüssige Bahn führt der Lauf des Lebens. Das Ende dieser herausragenden Existenz bedeutet fallen.“ L. Annaeus Seneca1
Die Dramatik des Sterbenmüssens findet in der lebenssattbarocken Bildwelt des Peter Paul Rubens (1577–1640) eine breit gefächerte Repräsentation. Auf vielen seiner Bilder sind Tod und Sterben präsent. Die künstlerische Auseinandersetzung mit der conditio humana in ihrer Vitalität, aber auch in ihrer begrenzten Dimension durchwirkt das gesamte Œuvre des flämischen Meisters.2 Angemessen – das heißt ohne wertende Eindimensionalität – und im Sinne barocker Mentalität kann das kontingente Schicksal des Menschen nur in der Symmetrie bzw. in der Dialektik von Leben und Sterben bzw. von Liebe und Tod betrachtet werden. Im Blick auf Rubens’ Gesamtwerk ist es wichtig, diese antithetische Spannung im Blick zu behalten, auch wenn im Folgenden der Fokus der Betrachtung – thematisch bedingt – verstärkt auf Darstellungen von Sterben und Tod gerichtet sein wird. Der Nachweis wird zu erbringen sein, dass den Bildern, in denen Rubens die menschliche Sterblichkeit abbildet, eine paradoxe Ästhetik zugrunde liegt. Diese Widersprüchlichkeit wird gespeist durch eine neue, an der klassischen Antike orientierte Bildungsästhetik bzw. Rhetorik, durch kirchlich und politisch komplexe Kontroversen um eine konfessionelle Einheit und zeitgenössisch modifizierte Konzeptionen des Dramas. In dieser spezifischen Situation entwirft Rubens Bilder vom Sterben, um Trost zu erfahren und zu vermitteln. Die gelassene Annahme des Schicksals unausweichlicher Endlichkeit vermittelt eine Dimension tröstlicher Zuversicht; denn in der
existentiellen Niederlage kann sich die Überlegenheit der Tugend (virtus) erweisen. Durch sie besitzt der Mensch die Möglichkeit, selbst im Untergang den moralischen Sieg davonzutragen: Darstellungen von Tod und Sterben werden bei Rubens zu dramatisch gesteigerten Inszenierungen eines Triumphes der Tugend.
Exemplarische der Standhaftigkeit: Widerstand in der Ergebung Endlichkeit und das leidvolle Ausgeliefertsein des Menschen an ein unentrinnbares Schicksal sind in der Geschichte der Künste allgegenwärtig. Vielleicht bilden sie sogar den Grund für ihre Entstehung: Das legen die ältesten überlieferten Felsenbilder der vor mehr als 20.000 Jahren entstandenen Parietalkunst nahe, und es scheint bis zur Installation Zeige deine Wunde (1974/75) von Joseph Beuys Geltung zu besitzen. Auch bei Rubens ist die Auseinandersetzung mit dem Thema der Sterblichkeit vom Beginn seiner Malerkarriere in Italien bis zu seinem vermeintlich letzten vollendeten Gemälde, der Kölner Kreuzigung Petri, nachweisbar. Allzu oft ist die antithetische Spannung zwischen Lebenslust und dem unausweichlichen Schicksal des Sterbens das rhetorische Motiv der Bildinventionen, die bei Rubens immer auf anregende Weise belehrend und bewegend zugleich sein wollen (docere, delectare, movere). 13
Stephan Ch. Kessler SJ
Die Variationsbreite der „Todesarten“ kommt in einer schier unvorstellbaren Verschiedenartigkeit zum Ausdruck, die Betrachtende im 21. Jahrhundert durchaus irritieren kann. Denn gegenwärtig wird Sterben – zumal in Zeiten einer Pandemie – gesellschaftlich weitgehend verdrängt und in seiner Konkretion nach Möglichkeit aus dem öffentlichen Bewusstsein ausgeblendet.3 Die RubensBilder von Tod und Sterben bringen dagegen drastisch und ins Dramatische gesteigert tödliche Aggression, Gewalt und Grausamkeit ins Bild, die aufgeklärte Zeitgenossen, leider irrtümlich, als überwunden angesehen haben. Die grausamen Bilder sind wie eine Erinnerung an eine aktuelle kulturpolitische Prämisse des Theaters: „Unsere Kulturen sind aus der erlittenen und ausgeübten Grausamkeit entstanden.“4 Bei der Darstellung des biblisch überlieferten Kindermords zu Betlehem kommen unmenschliche bis abscheuliche Arten des Sterbens zur Abbildung: Mit einer ans Entsetzliche grenzenden Eindringlichkeit werden rohe Gewalt, Sadismus, Angst und Qualen dargestellt, in denen der Mensch dem Menschen zum Wolf wird.5 Eine inhaltliche Gradualität erhalten die Darstellungen des Todes in der Bewältigung der ambivalenten Spannung zwischen Widerstand und Ergebung gegenüber dem Schicksal. Es wäre jedoch zu kurz gegriffen, das Thema des Sterbens auf die christlichen Bildmotive zu reduzieren. Der Fundus liegt auch bei diesem Thema in der klassischen Antike. Das Spektrum reicht vom erzwungenen Tod des Stoikers Seneca, über die kriegerische Niederlage des Sanherib bis zu dem römischen Feldherrn und Pontifex Decius Mus, der sich selbst dem Tod weiht. Gestorben wird auch auf den Bildern von Schlachten und in den Jagdszenen. Viele der bildlichen Darstellungen des Sterbens werden in ihrer drastischen Expressivität zu Bildern eines inneren Sieges der moralischen Überlegenheit im Untergang. In den kirchlichen Auftragsarbeiten und nicht zuletzt in den vielen Altarwerken findet das Thema eines mit Pathos aufgeladenen Sterbens eine zusätzliche Verdichtung. Diese wird in der Fülle der Darstellungen von Märtyrern und deren Martyrien des „katholischen Rubens“ augenscheinlich.6 Sie beginnen mit dem frühen, noch stark von Italien beeinflussten Bild des jugendlichen Märtyrers Sebastian (1602/03), dessen lebensgefährliche Wunde ein Engel gleichsam in himmlischer Ruhe pflegt, und reichen bis zu der „Serie“ von vier großformatigen und dramatischen Apostelmartyrien gegen Ende seiner künstlerischen Karriere.7
14
Pagane Prototypen der Gelassenheit im Äußersten: Seneca, Laokoon und Prometheus Die inhaltliche und die künstlerische Umsetzung der Thematik von Leiden, Sterben und Tod sind bei Peter Paul Rubens aufs Engste verbunden mit seiner produktiven und transformativen Auseinandersetzung mit den Idealen der klassischen Antike. In seiner Bildinvention erweist sich der Maler Rubens immer auch als gebildeter Humanist (pictor doctus). Dabei ist vor allem die Antike mit ihren klassischen Bildwerken und ihren rhetorisch-literarischen Prinzipien das produktive Vorbild für seine kreativen Fortschreibungen der Motive in „selektiver Nachahmung“.8 Der intellektuelle Hintergrund der künstlerischen Praxis ist bei Rubens durch die klassische rhetorische Vorgehensweise und die Nähe des Malers zur lebenspraktischen Philosophie der Stoa geprägt. Mit beiden Disziplinen war er durch seine humanistische Bildung und das intellektuelle Klima seiner Zeit geprägt. In seiner humanistisch inspirierten schulischen Ausbildung muss er den Dreischritt von Repetition, Reorganisation, Transfer verinnerlicht haben (imitatio, aemulatio, superatio). Für den philosophischen Hintergrund kamen intellektuelle Anregungen aus persönlichen Freundschaftsbeziehungen hinzu. Mit dem einflussreichen Begründer des Neustoizismus in der niederländisch-flämischen Welt, Justus Lipsius (1547–1606), war Rubens durch seinen künstlerischen Lehrer, Otto van Veen (1556–1629), vertraut. Die Beziehung zu diesen Kreisen wurde durch seinen älteren Bruder Philipp Rubens (1574– 1611) verstärkt. Aus diesem intellektuellen Umfeld übernahm auch Peter Paul Rubens spätestens während seiner italienischen Jahre das Ideal eines christlichen Stoikers, der in allen Wechselfällen des Lebens – besonders angesichts von Krankheit und Tod – gelassen und allen Bedrängnissen zum Trotz innerlich und äußerlich frei bleibt.9 Seneca Das literarische Vorbild für eine unerschütterliche Haltung angesichts der Widrigkeiten des Lebens ist Lucius Annaeus Seneca (gest. 65 n. Chr.). Seine philosophischen Positionen hatten im intellektuellen Klima der Niederlande einen besonderen Einfluss auf Rubens. Die von Lipsius herausgegebenen, bei Moretus in Antwerpen verlegten Werke sind in der Bibliothek des Malers nachgewiesen.10 Die Ideen der Stoa prägten Rubens’ Weltanschauung nachhaltig und finden ihren durchgehenden Reflex in seiner Kunst bis zur Selbstinszenierung seines Lebens.11 Das Gemälde Der sterbende Seneca (um 1612/13) ist ein frühes und feierliches Bekenntnis zum Ethos der Stoa (Abb. 1).12 Es wird zum programmatischen Bildbekennt-
Die Kölner Kreuzigung Petri im Kontext der Märtyrerbilder des Peter Paul Rubens
Abb. 1 Peter Paul Rubens, Der sterbende Seneca, 1612, München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Alte Pinakothek.
nis des aufstrebenden Malers Rubens: In der aufrechten Hinnahme und dem gelassenen Ertragen des Todes, im Sieg der Tugend über das physische Ende ist der wahre Philosoph zu erkennen. Die ersten drei Buchstaben des lateinischen Wortes für Tugend (vir: Mann, von virtus:
Tugend) sind in dem Notizbuch des mit entsetztem Gesichtsausdruck mitschreibenden Schreibers zu erkennen. Die Frage steht im Raum, wer wirklich ein Mensch ist. Dem Gemälde liegt der literarische Bericht des römischen Historikers Tacitus (gest. um 120 n. Chr.) zugrunde 15
Stephan Ch. Kessler SJ
(Annalen XV , 62–64), den die Bildkomposition im Sinne eines religiösen Opfertodes überhöht. Kaiser Nero verdächtigte seinen Lehrer Seneca politischer Illoyalität und ließ ihm wegen vermeintlicher Teilnahme an einer Verschwörung den Befehl überbringen, Selbstmord zu begehen. Seneca beugte sich der kaiserlichen Anordnung. Aufgrund seines Alters und seines durch Entbehrungen geschwächten Körpers, den Rubens in seiner Fragilität eindringlich darstellt, floss das Blut nur langsam aus den geöffneten Adern. Durch ein Bad mit heißem Wasser sollte der Kreislauf und damit der Prozess des Sterbens beschleunigt werden – soweit der Bericht des Tacitus. Auf dem Rubens-Gemälde steht der Philosoph aufrecht in einer Messingwanne als Fußbad. Während ein ärztlicher Freund den Blutfluss reguliert, gibt der Philosoph mit einer ungeheuren körperlichen Präsenz den Umstehenden sterbend das geistige Vermächtnis seines Lebens. Die bedrückende Grausamkeit und Traurigkeit der Szene werden zum letzten Beweis der philosophisch erlangten Indifferenz und Freiheit. Senecas äußerst lebendiger Gesichtsausdruck mit geöffnetem Mund und erhobenen Augen vermittelt Sammlung und Konzentration. Der Schmerz des langsamen Todes, aber auch die unerschrockene Haltung inneren Gleichmuts verleihen dem Philosophen in seiner letzten Stunde einen Ausdruck der Gelassenheit. Selbst im Sterben als dem Prozess des unumgänglichen Loslassens bleibt der Held seiner Würde eingedenk (dignitatis memor). Das stoische Ideal, vollkommene Freiheit von allen Leidenschaften (atharaxia/apatheia) zu erstreben, wird in diesem Tod sichtbar: Seneca sieht dem Sterbenmüssen in unerschütterlicher Nüchternheit und kontemplativer Gelassenheit entgegen. In der äußersten Krise wird der Philosoph aufgrund seiner Haltung innerer Festigkeit (constantia mentis) und äußerer Standhaftigkeit zum Exemplum. Buchstäblich bis zur letzten Minute schöpft der Lehrer die Zeit mit Belehrungen sinnvoll aus und wird so ein anschaulicher Beleg für die epikureisch-stoische Lebensmaxime des „carpe diem – pflücke den Tag!“.13 Die Tugend (virtus), sich ungebrochen in ungerechtes Schicksal zu fügen, wird durch die stehende Haltung versinnbildlicht, die in der christlichen Ikonografie vom Tod des Mönchsvaters Benedikt von Nursia ihre Parallele findet. Die europäische Malerei kennt kaum eine vergleichbare Darstellung einer antiken Persönlichkeit in Intensität und Pathos. Die bei Rubens gegenüber der literarischen Vorlage verdichtete Komposition deutet bzw. stilisiert den paganen Philosophen Seneca im Sinn eines christlichen Märtyrers.14 Die Elemente und Werkzeuge eines Suizids rücken konsequent in den Hintergrund. Rubens orientiert sich mit seiner Interpretation des gewaltsamen Sterbens 16
Senecas als Märtyrer bereits an einer vorhandenen literarischen und ikonologischen Tradition: Bereits in Hartmann Schedels „Weltchronik“ von 1493 (Blatt CVr) folgt unmittelbar auf die bildliche Darstellung von Senecas Tod in einer Wanne das Bild der Martyrien der römischen Apostelfürsten Petrus und Paulus. Das verbindende Element dieser Parallelisierung liegt wohl in der historischen Tatsache, dass sowohl die Apostelfürsten als auch Seneca während der Regentschaft Kaiser Neros (reg. 54–68) in Rom zu Tode kamen. Beginnend mit der vereinnahmenden Referenz des Kirchenschriftstellers Tertullian (um 150– um 223), dass Seneca den christlichen Positionen grundsätzlich oft nahe steht (Seneca saepe noster – De anima 20,1), über den lange als authentisch angesehenen, fiktiven Briefwechsel des Philosophen mit dem Apostel Paulus hatte sich eine Vorstellung des Seneca Christianus etabliert. Diese vereinnahmende Sicht, die nicht zuletzt von den humanistischen Milieus und dem Bildungsprogramm der Jesuiten in besonderer Weise propagiert wurde, war im intellektuellen Klima von Antwerpen allgegenwärtig und hat Rubens nachhaltig geprägt. Die lebensnahe Darstellung des sterbenden Seneca hat die Intention, auf die Betrachtenden eine vergleichbare Wirkung wie eine klassische Tragödie auszuüben. Die emotionalen Impulse des Bildes sollen innerlich bewegen und zu Selbstreflexion und Mitleid führen. Diese Emotionen wiederum führen in der idealisierten Theorie zu einer Reinigung der Leidenschaften und Affekte im Sinne klarer Motivation. Mitgefühl und Identifikation der Betrachtenden mit der Unerschrockenheit und dem Gleichmut, mit denen Seneca den ungerechten Tod annimmt, soll die Anschauung des Sterbens zu einer Quelle getrösteter Gelassenheit werden lassen. Dieser Trost führt nach stoischer Überzeugung zur inneren Seelenruhe. In diesem Kontext gestaltet Rubens das Bild des sterbenden Seneca als Trostbild, mit dem er die Trauer und die Verlusterfahrung durch den frühzeitigen Tod seines Bruders Philipp verarbeitet. Mit dem Bild Der sterbende Seneca erteilt Rubens in seiner frühen Schaffensperiode eine beeindruckende Lektion, wie in der Haltung der Stoa das Ideal erreicht werden kann, gelassen sterben zu lernen, das auch in der Kreuzigung Petri als einem Gemälde seiner letzten Schaffensphase einen Widerhall findet.15 Laokoon Ein weiteres produktives Vorbild aus der Antike, das als Archetyp für das Ertragen des Leids (exemplum doloris) im Werk des Peter Paul Rubens einen deutlichen Nachhall bis zur Kreuzigung Petri hinterlässt, bildet die Skulptur der Laokoon-Gruppe. Die römische Marmorkopie der ursprünglich hellenistischen Figurengruppe wurde
Die Kölner Kreuzigung Petri im Kontext der Märtyrerbilder des Peter Paul Rubens
Abb. 2 Peter Paul Rubens, Studie zur Laokoon-Gruppe, ca. 1601–1602, Mailand, Veneranda Biblioteca Ambrosiana.
schon vor deren Wiederentdeckung 1506 als unvergleichliches Meisterwerk der Kunst gerühmt.16 Rubens hat dieses Opus während seiner römischen Zeit mehrfach eindringlich studiert und skizziert. Er fokussiert sich auf ausgewählte Perspektiven, anatomische Bewegungen und vor allem auf emotionale Momente, mittels derer er seine kreative Verlebendigung der Skulptur entwickelt. Körpersprache und Gesichtszüge rücken ins Zentrum und drücken innere Bewegungen der Seele aus. Aus dem Motivfundus dieser römischen Laokoon-Skizzen wird der Maler zeit seines Lebens schöpfen.17
Nach der mythologischen Beschreibung bei Homer und Vergil wird Laokoon mit seinen beiden Söhnen beim Opfer von zwei Schlangen angegriffen. In prophetischer Klarheit hatte er zuvor die Gefahr des „Danaaergeschenkes“ erkannt und die Bewohner Trojas vor dem hölzernen Pferd vor der Stadt gewarnt. Für diese Klarsicht erleidet er in diesem himmlisch gelenkten Drama des Kampfes um Troja die göttlich verfügte Strafe. Athene sendet todbringende Schlangen. Der schmerzerfüllt, verzweifelte Schrei des ringenden und von der Schlange gebissenen Laokoon wird nach der literarischen Vorlage des Mythos 17
Stephan Ch. Kessler SJ
Abb. 3 Peter Paul Rubens, Der gefesselte Prometheus (Adler von Frans Snyders), vollendet 1618, Philadelphia, P hiladelphia Museum of Art.
zum Weckruf für Aeneas. Dessen Flucht aus der bereits brennenden Stadt ist der Beginn eines neuen Kapitels der Geschichte. Der Untergang Trojas ist nicht das Ende, sondern der Wendepunkt, der mit der Gründung Roms eine neue Epoche eröffnet. Die Skulptur zeigt, wie die auf göttlichen Befehl der Athene gesandten Schlangen die Körper unentrinnbar 18
umwunden haben. Das tödliche Schicksal scheint nicht mehr abwendbar: Es gibt kein Entkommen. Doch genau in dieser aussichtslosen Situation beweist Laokoon durch seinen sich zur Wehr setzenden Widerstand, dass er auch im Angesicht lebensbedrohlicher Gefährdung sich seiner Würde bewusst bleibt (dignitatis memor). Indem er sich dem Schicksal nicht nur ohnmächtig unterwirft, son-
Die Kölner Kreuzigung Petri im Kontext der Märtyrerbilder des Peter Paul Rubens
dern im Kampf sich und die Seinen verteidigt, tut er das moralisch Richtige. In dieser extremen Situation liefert Laokoon den Beweis seiner Leidenschaftslosigkeit, weil er sich einerseits dem unausweichlichen Schicksal ergibt und im Schmerz gleichzeitig widerständig die Frage nach dem Warum von Leiden und Tod stellt. So wird Laokoon zum Vorbild für das Aushalten der komplementären Spannung von Widerstand und Ergebung. In den Zeichnungen der Laokoon-Gruppe beobachtet Rubens die Anatomie mit Genauigkeit und interpretiert die Skulptur über die bloße Kopie hinaus weiter (Abb. 2). Die gespannte Muskulatur des Bauchraums und der geöffnete Mund, wie sie auf der Kreidezeichnung der Veneranda Biblioteca Ambrosiana in Mailand zu sehen sind, zeigen exakt den Moment des vollständigen Ausatmens. Nachdem sich Laokoon des tödlichen Schlangenbisses gewahr geworden ist, schreit er seinen Schmerz und seine Verzweiflung heraus. Dieser Ruf hat die gesamte Atemluft verbraucht. Die Muskulatur des Bauchraums ist durch das Ausatmen zusammengezogen und gespannt.18 Die existentielle Not und der Schmerz – vermeintlich im Augenblick nach dem todbringenden Biss in die linke Hüfte – werden den Göttern mit dem letzten Atem entgegengeschleudert. Rubens suchte für seine Skizze diesen extremen, dramatisch gesteigerten Augenblick. Wenn er in seinen späteren Bildinventionen (z. B. in dem Entwurf zur Blendung des Simson und an vielen anderen Stellen seines Werkes bis zur Kreuzigung Petri) den Körper des Laokoon zitiert, bedeutet dies eine parallelisierende Gleichsetzung der Figur des paganen Priesters Laokoon mit den biblischen Heroen. Indem der Maler sich auf den dramatischen Augenblick zwischen Ergebung in ein unabänderliches Schicksal und dem Widerstand verzweifelten Fragens fokussiert, beweist er sein psychologisches Einfühlungsvermögen und ein Gespür für die existentielle Dramatik menschlicher Existenz angesichts von Leiden und Tod. Rubens malte diese Szenarien unabwendbaren Scheiterns bei Laokoon und anderen Helden, um im Untergang den Blick auf den Beginn von etwas unerwartet Neuem zu lenken. Prometheus Der dritte signifikante Zeuge für die bildliche Bearbeitung der Thematik von Leiden und Sterben aus dem Schatz antiker Mythen ist bei Rubens die Darstellung des gefesselten Prometheus. Das Gemälde entstand um 1611/12 und wurde 1618 vollendet. Der Maler behielt dieses Schlüsselbild zu unserer Thematik in seiner persönlichen Sammlung (Abb. 3).19 Nach dem Zeugnis des Hesiod empfängt Prometheus für die Vermessenheit, den Menschen das Feuer aus den himmlischen Sphären gebracht zu haben, die verdiente
Strafe. An einen Felsen des Kaukasus gekettet, riss ein Adler ihm täglich ein Stück der Leber aus seiner Seite. Dargestellt ist der wehrlos gefesselte und leidende Prometheus durch Untersicht in dramatisierender Verkürzung. Vor Schmerz bäumt er sich auf, als ihm der Adler mit dem Schnabel die Bauchdecke aufhackt und ein Stück der blutenden Leber entreißt. Der entsetzliche Schmerz dieser sich täglich wiederholenden Qual wird durch die untersichtige und diagonale Position des wehrlosen Prometheus unterstrichen und durch die Krallen des Adlers in Gesicht und Scham zusätzlich dramatisiert und gesteigert. Die vorgestellten drei Prototypen heroischen Leidens in extremer Situation sind inspiriert von der Vorstellung, dass erst im Sterben ein definitives Zeugnis für die Authentizität eines Lebens gegeben wird. Der Akt des Sterbens wird zum Bild des gesamten Lebens (imago vitae), der letzte Moment zur Verdichtung der ganzen Existenz. Die Bilder vom Tod der mythologischen Helden der Antike sind jedoch weit mehr als bloß ein „paganes Vorspiel“, das in den christlichen Märtyrerbildern überboten würde.20 Auch die Altarbilder christlicher Glaubenszeugen leben aus den gleichen Idealen geistiger Beständigkeit und werden künstlerisch wie theologisch von einer ähnlich offenen Spannung zwischen Widerstand und Ergebung gegenüber dem Schicksal geprägt.
Drama und Bildung in den Darstellungen der Märtyrer: Überzeugen durch Überwältigen Bis in die Gegenwart fasziniert und irritiert Rubens. Sein barocker Überschwang verdankt sich einem zuweilen dramatisch gesteigerten Einsatz von Affekt und Pathos. Nicht selten ist bei ihm eine theatralische Intensivierung traditioneller Bildtypen zu beobachten. Anstelle einer statischen Darstellung, z. B. des gekreuzigten Jesus, entscheidet sich der Bilderfinder in seiner Konzeption für einen spezifischen Moment der Passion, mit dem sich die Dramatik des Geschehens verdichten lässt.21 Um die qualvollen Leiden des Erlösers Jesus möglichst anschaulich zu vermitteln und die Betrachter des Bildes emotional zu involvieren, konzipiert er 1611 die Mitteltafel eines Triptychons mit der Darstellung der Aufrichtung des Kreuzes (Abb. 4).22 Wer das Bild betrachtet, wird Zeuge der dramatischen Situation, in der sechs Männer unter Aufbietung aller Kräfte versuchen, das schwere Kreuz mit dem Gekreuzigten aus der Diagonale mühsam nach oben zu ziehen. Emotional wird man förmlich in die Unsicherheit, ob die Kräfte für dieses Unterfangen ausreichen, und in die Beklemmung der grausamen Aktion mit hinein19
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Abb. 4 Peter Paul Rubens, Kreuzaufrichtung, 1611, Antwerpen, Onze-Lieve-Vrouwekathedraal.
genommen. Auch für den Altar der Franziskanerkirche in Antwerpen konzentriert Rubens 1619 die Darstellung der Kreuzigung auf das theologisch dichte Motiv des Lanzenstichs ( Joh 19, 33–35).23 Während die beiden mit Jesus gekreuzigten Verbrecher sich vor Schmerz winden und aufbäumen, setzt der durch die legendäre Überlieferung namentlich bekannte römische Soldat Longinus seine Lanze zum Stich ins Herz des bereits gestorbenen Erlösers an, der somit auch nach überstandenem Leiden noch seine totale Hingabe unterstreicht. Für beide Bildmotive der Kreuzigung Jesu konnte Rubens auf Darstellungen der spätmittelalterlichen Passionsmystik zurückgreifen. Die besonders in den Niederlanden verbreitete Frömmigkeit der Devotio moderna zielte darauf ab, durch meditatives Betrachten der jeweiligen Stationen des Leidens Jesu zu Mitgefühl und Mitleid (compassio) angerührt zu werden. Im Kontext der katholischen Reform des 16. und 17. Jahrhunderts veränderten sich jedoch die Konzepte der Bildnutzung. Zusätzlich zu dem Modernisierungsschub, der durch die Entwicklung der Druckgrafik angestoßen wurde, war auch inhaltlich eine neue religiöse bzw. religionspolitische Intensivierung 20
gefordert. Das forderten bezüglich des Umgangs mit religiösen Bildern die Reformbeschlüsse des Trienter Konzils (1545–1563). Dazu propagierten die kirchlichen Reformkreise und Ordensgemeinschaften (z. B. Karmeliten, Jesuiten) verstärkt die Meditationsform der Betrachtung, was wiederum die Bilderfrömmigkeit und -verehrung intensivierte. Denn man war überzeugt, dass eine Visualisierung der Heilsgeheimnisse und der heiligen Personen leichter zu Identifikation und innerem Nachvollzug führten.24 Frömmigkeitsgeschichtlich räumte die Betrachtungspraxis der „Geistlichen Übungen“ der Exerzitien des Ignatius von Loyola (1491–1556) der visuellen Einbildungskraft unter den anderen Formen sinnlicher Wahrnehmung einen besonderen Vorrang ein. Der Übende wird bei ignatianischen Exerzitien ermutigt, sich die Themen seiner Meditation durch persönliche Imagination bildlich vor Augen zu stellen. Wie ein Maler bei der Konzeption eines Gemäldes soll der geistlich Betrachtende sich mit seiner Einbildungskraft die Themen seiner Betrachtung ausmalen und möglichst frei gestalten. Mit einem derartig autonomen und voraussetzungslosen Bilderleben, soll der in den Exerzitien geistlich Übende visuell in seiner Vorstellung den
Die Kölner Kreuzigung Petri im Kontext der Märtyrerbilder des Peter Paul Rubens
„Schauplatz bereiten“ und sich selbst aktualisierend bzw. möglichst konkret in die zu meditierende Szene hineinversetzen: „Schauen […] mit den inneren Augen, in Besinnung und Betrachtung ihrer besonderen Umstände und aus der Sicht einigen Nutzen ziehen.“25 Im katholischen Umfeld hat die Profilierung der Meditationsform der Betrachtung zu einer veränderten Bildkultur beigetragen. Die Leitung des jungen Jesuitenordens empfahl offiziell den Gebrauch von Bildern als konstitutive Hilfe für die fromme Meditation. Mit der Publikation Adnotationes et Meditationes in Evangelia legte Jerónimo Nadal (1507–1580) in Antwerpen ein an der Dynamik der ignatianischen Exerzitien orientiertes bebildertes Betrachtungsbuch vor. Das ambitionierte Druckprojekt unterstreicht mit seinen Stichen der Gebrüder Wierix zu den Evangelientexten richtungweisend das neue Zueinander von bildender Kunst und kirchlicher Spiritualität.26 Rubens wurde in seiner persönlichen Frömmigkeit und in seiner Konzeption des religiösen Bildes durch diese spirituelle Atmosphäre geprägt, nicht zuletzt auch als aktives Mitglied der jesuitischen Bürgerkongregation seiner Heimatstadt, in der die Methode ignatianischer Betrachtung praktiziert wurde. Als „vervielfältigte Passion“ entwickelte sich im religiösen Klima des 16. Jahrhunderts zusätzlich der Bildtyp der Darstellung von einem Glaubenszeugen, der für den rechten Glauben missionarisch sein Leben einsetzt und dieses unter Umständen verliert. Die Verehrung der alten und neuen Märtyrer wurde zum Ausweis authentischer Glaubenstradition. Blutzeugen wurden modellhaft zu pädagogischen Vorbildern stilisiert, deren Standhaftigkeit bis zum Tod nachgeahmt werden sollte. Analog zur Visualisierung biblischer Inhalte zur persönlichen Anregung entstanden im Zeitalter der Konfessionalisierung ein spezifisches Interesse und ein neuer Markt für Märtyrerbilder.27 Den Anfang einer künstlerisch maßgeblichen Umsetzung bildete ab 1582 ein Märtyrerzyklus von Niccolò Circignani und Mateo da Siena in der zum Collegium Germanicum et Hungaricum gehörende Kirche Santo Stefano Rotondo in Rom. Im Ambulatorium der spätantiken Kirche entstand ein Freskenzyklus mit Märtyrerdarstellungen. Das in seiner grausamen Repräsentation überaus detailverliebte Bildprogramm wurde von Charles Dickens (1812–1870) in seinem Reisebericht „Pictures from Italy“ als „Panorama des Schreckens und der Metzgerei“ (“panorama of horror and butchery”) bezeichnet. Die Darstellungen hatten in pädagogischer Absicht zum Ziel, an die heroische Gesinnung der Theologiestudenten zu appellieren, die wegen der römischen Deutung des Glaubens in ihren reformierten Herkunftsländern ggf. mit dem Martyrium zu rechnen hatten.28 Die drastische Weise der Illustration des Leidens in den Märtyrerbildern schafft
eine zuweilen schwer erträgliche Unmittelbarkeit, die eine distanzierte ästhetische Betrachtung verunmöglicht. Auch Rubens möchte in seinen Märtyrerbildern höchste affektive Erregung erzeugen, um durch Erschütterung Raum für Umkehr und Trost zu schaffen. Der Maler will durch emotionale Bewegung und rationale Überwältigung argumentativ überzeugen. Dazu bedient er sich der rhetorischen und religiösen Profile seiner Epoche und erweist sich so als Vertreter römischer und katholischer BildTheorien in jesuitischer Rezeption.29 Entsprechend dem Anforderungsprofil für eine gute Rede unterliegen auch Gemälde, zumal religiöse Bildwerke als visuelle Predigten, den klassischen Kriterien von Belehrung, Unterhaltung und persönlicher Rührung. In Umkehrung des Diktums, dass ein Gedicht wie ein Gemälde sein soll (ut picutra poiesis – Horaz, 65–8 v. Chr.), lässt sich bei Rubens erkennen, wie das Narrativ seiner großen „Bilder“ wie ein „Gedicht“ nach rhetorischen Prinzipien poetisch gestaltet wird. Gemälde werden wie eine gute Rede konzipiert und mit den analogen Mitteln der Kunst so ausgeführt, dass sie überzeugen.30 Nicht ohne Grund wird Rubens aufgrund des narrativen Charakters und der erzählerischen Qualität vieler seiner Bildschöpfungen auch als „Homer der Malerei“ bezeichnet.31 In seinen Gemälden lassen sich die rhetorischen Dimensionen des Prozesses einer thematischen Umschreibung (inventio), der Bildgliederung (dispositio), der Ausführung als künstlerische Ausformulierung (narratio bzw. elocutio) unterscheiden. Ebenso sind die inhaltlich-thematische Akzentuierung (argumentatio) und schließlich die überzeugende bis überwältigende Ausführung (peroratio bzw. actio) in den großen Altarblättern deutlich zu identifizieren. Rubens’ bildschöpferische Kreativität nährt sich jedoch nicht ausschließlich von den rhetorischen bzw. religiösen Traditionen oder Strömungen seines Jahrhunderts. Die gesteigerte Affektivität und Dramatik, zumal in seinen zahlreichen Darstellungen von Tod und Sterben, wurde von der sich wandelnden Konzeption der Theorie der Tragödie beeinflusst. Gerade mit seinen zahlreichen Bildern von Sterben und Tod illustriert Rubens die tiefgreifende Transformation im Verständnis des Dramas. Das aristotelische Schema der Tragödie als Reinigung (katharsis) durch Erschütterung der Gefühle wurde im 16./17. Jahrhundert zunehmend in Richtung einer Provokation durch Darstellungen von Tod und Sterben modifiziert. Die unmittelbare existentielle Betroffenheit der Betrachtenden sollte gleichsam bestätigend und als Trost darauf verweisen, welche Möglichkeiten – gerade in extremis – zum Erwerb der Tugend, vor allem der Tugend der Unerschütterlichkeit gegeben sind. Bilder von Tod und Sterben of21
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fenbaren die Kürze des Lebens und verweisen gleichzeitig auf die Chance, Tugend in den diversen Widrigkeiten des Lebens zu üben. Emotional wird Trost erhofft, indem man sich gegen die Angst vor unvermeidbaren Schicksalsschlägen durch bewusstes Schauen auf die Unglücksfälle des Lebens wappnet. Bilder von Tod und Sterben nehmen als Schule der Emotionen (palaestra affectuum) den Ernstfall vorweg. Der Blick auf die tragische Vergeblichkeit des Lebens (res tragicae) konfrontiert unweigerlich mit Endlichkeit und Tod. „Indem [so] die affektische Herausforderung der Vanitas mit allen Mitteln theatralischer und rhetorischer Schlagkraft artikuliert“ wird, entsteht eine „konsolatorische Antwort“.32 Man erreicht innere Beständigkeit und Frieden, wenn man die Unbeständigkeit des Glücks und den Tod vor Augen hat und immer schon mit der Widrigkeit und Misslichkeit des menschlichen Lebens rechnet. Die drastischen Repräsentationen der Todesarten bei Rubens wollen mit den Mitteln der Kunst in ihrer Dramatik durch Überwältigung zu einem tugendsamen Leben überzeugen.
zum Beweis für die ursprüngliche Apostolizität bzw. die beständige Verlässlichkeit der aktuellen Lehre der Kirche. Der um des Glaubens willen erlittene Tod unterstreicht das Wort der christlichen Verkündigung und erhält selbst in der Märtyrerverehrung einen bekennenden Wortcharakter. Aus diesem Motiv wurde die in der Spätantike entfaltete Konzeption vom Glaubenszeugnis des Martyriums erneut und im Kontext der katholischen Reform besonders in der konfessionellen Grenzstadt Antwerpen nicht zuletzt durch hagiografische Forschungen und Publikationen zum Prototyp christlicher Vollkommenheit.33 In diesem theologisch-kirchlichen Kontext übernehmen die Bilder vom Sterben der Märtyrer eine spezifische Rolle in der konfessionellen Propaganda und im künstlerischen Schaffen von Peter Paul Rubens eine bedeutende Position. Vier Altarblätter mit großformatigen Apostelmartyrien in den letzten fünf Jahren seines Lebens verleihen dem Spätwerk des alternden Meisters eine markante Prägung. Sie zeigen den Meister inhaltlich und künstlerisch
Apostelmartyrien bei Rubens: Trost in der Tragödie Dem Sterben der Primärzeugen des christlichen Glaubens kam im Kontext der katholischen Reform verstärkt eine neue symbolische und kirchenpolitische Bedeutung zu. Der Rückgriff auf das Vermächtnis der Apostel garantierte die Verbindung zum authentischen Ursprung des Christlichen. Die in der konfessionellen Auseinandersetzung des 16. und 17. Jahrhunderts neu instrumentalisierte, altkirchliche Idee des Apostolischen wurde für die katholische Seite in besonderer Weise zu einer Argumentationsfigur für die Richtigkeit ihrer Glaubensdeutung. Die Rückbesinnung auf die Apostel garantierte die Verbindung mit dem Ursprung: In Überbietung des reformatorischen Prinzips des bloßen Wortes (sola scriptura) garantierte innerhalb des komplexen Prozesses der Konfessionalisierung der Besitz der apostolischen Überlieferung (traditio apostolica) die Rechtgläubigkeit. In herausragender Position waren gerade die Apostel als „Gesandte“ Christi die autoritativen Tradenten des Evangeliums von der Erlösung im Tod – allen voran natürlich der erste des Apostelkolle giums, Petrus. Für die Verkündigung der christlichen Botschaft von der Auferstehung hatten alle Apostel nach der Tradition einen gewaltsamen Tod erlitten, dem aufgrund tugendhafter Standhaftigkeit als Martyrium höchste Anerkennung zukam. Aus diesem Grund wurden die Apostel als Märtyrer gerade durch die Art und Weise ihres Sterbens zur Bestätigung der Richtigkeit des Glaubens und 22
Abb. 5 Peter Paul Rubens, Martyrium des hl. Paulus, ca. 1635–1638, Privatbesitz.
Die Kölner Kreuzigung Petri im Kontext der Märtyrerbilder des Peter Paul Rubens
auf der Höhe der Zeit und vermitteln einen Eindruck in die persönliche Beschäftigung mit existentiellen Themen angesichts eines Endes. Mit den Darstellungen vom gewaltsamen Tod der Apostel Andreas und Thomas werden zwei Vorbilder apostolischer Predigt in paganem Umfeld dargestellt. Als Missionare fremder Völker erhalten diese Apostel Modellcharakter für die damals neue Missionstätigkeit heidnischer Völker in Amerika und Asien durch die Orden. Mit der Darstellung der beiden römischen Apostelfürsten, Petrus und Paulus, fügt sich Rubens in das romzentrierte Programm der katholischen Erneuerung ein, wie es in besonderer Form von den Jesuiten durch die Bindung ihrer Mission an den römischen Papst propagiert wurde. Die vier Altarblätter der dramatisch gesteigerten Todesarten gehören nach dem Urteil von Willibald Sauerländer „zu den bewegendsten Alterswerken“ von Rubens’ Hand. Die Enthauptung des Apostels Paulus: Sterben in der Spannung zwischen Brutalität und Barmherzigkeit Für ein Augustinerpriorat bei Brüssel schuf Rubens ein Hochaltarbild gigantischer Größe mit der Enthauptung des Völkerapostels Paulus. Das Altarbild wurde später zerstört, jedoch blieb seine dynamische Komposition anhand einer eigenhändigen Ölskizze erhalten (Abb. 5).34 Als Sujet wählte Rubens den Moment unmittelbar vor der Hinrichtung des Völkerapostels durch das Schwert. Paulus kniet den Betrachtenden zugewandt mit gefesselten Händen in der Bildmitte und erwartet seine Enthauptung. Der rücklings und breitbeinig dastehende Scharfrichter mit dem Schwert in der Rechten reißt mit der anderen Hand das weiße Untergewand in gewalttätiger Geste von Hals und Schultern des Delinquenten. Komplementär und in direktem Kontrast dazu tritt von der gegenüberliegenden Seite die aus der legendären Überlieferung bekannte Apostelschülerin Plautilla in die Szene und verbindet dem Todgeweihten mit einem Tuch in mitfühlender Geste die Augen. Der Kontrast zwischen männlicher Brutalität und dem menschlichen Akt der Barmherzigkeit durch die Schleierspende der Plautilla evoziert Mitempfinden. Der Gewissensfrage, wo sich der Betrachter des Bildes einordnet, kann nicht ausgewichen werden. Die legendären Erzählungen vom Sterben des Völkerapostels, die einer der ersten Jesuiten und Ignatiusbiograf Pedro de Ribadeneyra (1526–1611) publiziert hatte, berichten zusätzlich, dass die drei abgebildeten Soldaten, die der Hinrichtung von Amts wegen beiwohnten, sich aufgrund des Eindrucks der nonverbalen Predigt demütiger Todesbereitschaft des Apostels zum Christentum bekehrt haben und später selber
Märtyrer wurden.35 Durch diese hochemotionale Präsentation in der Spannung zwischen Brutalität und Fürsorge möchte das Bild selbst missionarisch für Menschlichkeit und Mitempfinden wirken. Der Tod des Apostels Thomas: Das Kreuz als Zuflucht und Halt unter Palmen Für die Kirche Prager Augustiner(eremiten) malt Rubens zwischen 1637 und 1639 ein Altarbild mit dem Tod des Apostels Thomas (Abb. 6). 36 Er stirbt als Missionar in exotischem Ambiente am Palmenstrand, vor einem Götzenstandbild auf einer Säule und paganer Tempelarchitektur. Der Patron Indiens wird von fünf Schergen zu Boden gerungen. Während der stürzende Apostel mit seiner Rechten im Fallen den Balken eines von ihm errichteten steinernen Missionskreuzes umgreift, findet er im Kreuz Halt im Fallen. Sein Blick richtet sich Hilfe suchend gen Himmel. Aus der lichten Dimension des Transzendenten erkennt der Sterbende analog zu den fünf Schergen fünf zu seiner Tröstung herbeieilende Engel. Die Putti strecken der bittend nach oben geöffneten Hand des Märtyrers mit
Abb. 6 Peter Paul Rubens, Martyrium des hl. Thomas, 1636–1638, Prag, Národní galerie v Praze, Dauerleihgabe der Tschechischen Provinz der Augustiner.
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Palmzweig und Lorbeerkranz die Symbole des Sieges im Scheitern entgegen. Die Vision der Engel bringt das übernatürlich-himmlische Licht in die dunkle Szenerie der Ermordung des Apostels. Der Körper des niedersinkenden Thomas bildet mit seiner fallenden und gleichzeitig nach oben ausgreifenden Bewegung eine X-förmige Diagonale aus. Diese wird durch die mit Speer und Dolch zustechenden Mörder sternförmig verdoppelt. Die beiden gegenläufigen Diagonalen verstärken zusammen mit der Lichtführung und den Gesichtsausdrücken von aggressiver Wut bei den Angreifern bis zum sehnsuchtsvollen Blick des Opfers zu den triumphierenden Engeln das Drama und Pathos der Szene. Die dichte Komposition, deren Linien dem in einem ordensähnlichen, schwarzen Talar gekleideten Missionar Thomas zusammenlaufen, wird zu einem Bild einer antithetisch-paradoxen siegreichen Niederlage – auch am Ende der Welt unter Palmen. Der Tod des Apostels Andreas: Lob des Kreuzes vom Kreuz herab In zeitlicher Nähe zur Kreuzigung Petri malte Rubens das Martyrium des Apostels Andreas für eine flämische Spitalseinrichtung in Madrid (Abb. 7).37 Entsprechend der legendarischen Überlieferung der Andreasakten endet der Apostel am Kreuz, weil seine Predigt zur Enthaltsamkeit die Frau des Prokonsuls von Patras zur ehelichen Entsagung motiviert hatte. Der Tod am Kreuz stellt die höchste Form der Nachahmung Jesu dar. Ein gekreuzigter Märtyrer verdeutlicht existentiell, dass das christliche Glaubenszeugnis nicht einer geistigen Idee gilt. Das Kreuzmartyrium zeigt, dass christliches Glaubensleben eine persönliche Form der Christusnachfolge bedeutet (Mimesis, Imitatio Christi), die in Kreuz und Auferstehung Jesu gründet. Wenige Jahre vor der Entstehung der beiden Altarbilder mit gekreuzigten Apostel Andreas und Petrus, ist in Antwerpen bei Moretus ein einflussreicher Buchtitel des spanischen Jesuitentheologen Petrus Biverus (1572– 1656) erschienen: Heiligtum des Kreuzes und des Duldens, das die Marter, die Mühsal und vor allem die Geduld aller Gekreuzigten und Kreuzträger vom Zeitalter der Apostel bis ins 16. Jahrhundert zum Thema hat. Der ambitionierte theologische Traktat verbindet Wissenschaft auf der Höhe der Zeit mit der frommen Ermutigung zum geduldigen Ausharren bei Krankheit und Leiden und ist als „neue Kunst guten Lebens und Sterbens“ mit emblematischen Abbildungen zeitgenössischer Künstler ausgestattet.38 Die Kreuzmarter des Andreas ist von lebhaften Berichten über den Predigteifer und seine Standhaftigkeit während seiner Passion verbunden. Der Apostel hatte, so wird berichtet, bei der Verurteilung zum Tod lange mit seinem Richter über das Geheimnis des Kreuzes (mysterium crucis) dis-
◂ Abb. 7
kutiert. Bei seiner Hinrichtung begrüßte er das Kreuz mit rhetorischer Emphase: „O bona crux – Du gutes Kreuz […] lange ersehnt, aufrichtig geliebt, ohne Unterbruch gesucht […] empfange mich von den Menschen und gib mich meinem Vorbild zurück, damit durch dich mich empfängt, der mich durch dich erlöst hat.“39 Die X-Form des Andreas-Kreuzes wurde mit dem griechischen Anfangsbuchstaben des Namen Christi gedeutet. Von diesem Kreuz soll der Apostel zwei Tage zu 20.000 Menschen gepredigt haben, so dass sich der Zorn der Menge gegen den Richter wandte. Dieser eilte zum Ort des Geschehens und befahl, dass Andreas heruntergenommen werde, was der Apostel wiederum ablehnte, weil er bereits „seinen König“ sah, der ihn als Gekreuzigter aus dieser Situation errettete. Genau diesen pathetischen Moment der skandalösen Peripetie des Leidens, um davon erlöst und errettet zu werden, wählt Rubens für seine affektgeladene Bildkomposition. Er verbindet verschiedene Elemente der damals aktuellen hagiografischen Forschung. In heftiger emotionaler Bewegung fließen Flehen, Befehlen, Losbinden und Ausharren ineinander. Der sterbende Apostel erscheint nicht mehr von dieser Welt. Andreas wird von einem von oben kommenden, metaphysischen Licht umstrahlt und wird, ähnlich wie Seneca, im Tod zu einem Exemplum sinnerfüllten Leidens und siegreichen Duldens.
Die Kölner Kreuzigung Petri : Suche nach Mitgefühl in Gewalt und Scheitern Die Kölner Kreuzigung Petri bildet so etwas wie eine Summe der vielen Bilder, in denen Rubens die Themen von Leiden, Sterben und Tod bearbeitet (Taf. 1). Als Werk der letzten Schaffensperiode wird es eine Art „Musterbild“ und Vermächtnis.40 Zur Zeit der Entstehung hatte sich der Maler bereits seit einiger Zeit aus dem öffentlichen Leben und von der diplomatischen Bühne zurückgezogen. Rubens konzentrierte sich auf sein künstlerisches Schaffen. In der Kreuzigung Petri griff er nochmals auf Erfahrungen aus allen Phasen seiner Karriere zurück, fasste zusammen und trieb sie bis zum Extremen: „Das appellative Formrepertoire der Frühzeit“ wird im Spätwerk „auf einen emotiven Kern zurückgeführt“; für die Kreuzigung Petri möchte man ergänzen, konsequent darauf verdichtet.41 Wie alle Historienbilder der letzten Schaffensperiode verzichtete Rubens immer mehr auf räumliche und landschaftliche Tiefenentfaltung und auf narrative Elemente. Es geht ihm um präsentische Unmittelbarkeit: Der im Licht gehöhte, unbekleidete Leib des gemarterten Apostels entfaltet auf der vordersten Bildebene in seiner körperlichen Präsenz
Peter Paul Rubens, Martyrium des hl. Andreas, ca. 1638/39, Madrid, Real Diputación de San Andrés de los Flamencos – Fundación Carlos des Amberes.
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eine dramatische Wucht, der sich niemand entziehen kann. Die Komposition ist im Vergleich zu den früheren Bildern und den vorangehenden Apostelmartyrien drastisch und unmittelbar auf die Betrachter hin aufgebrochen. Durch die verkürzte Distanz, die direkte Draufsicht und den bereits bekannten dramatisierenden Akt der Aufrichtung des Kreuzes ist man direkt mit dem grausamen Geschehen konfrontiert, ohne durch ein narratives Element in den Bildzusammenhang eingeführt worden zu sein. Der umgekehrte Leib strebt erdenschwer nach unten. Dass der Maler die Gesetze der Schwerkraft und die Bewegungen des menschlichen Körpers kennt, ist unschwer an den angewinkelten Knien und dem eingeknickten Bauch zu erkennen. Rubens schafft diese irreale Szenerie einer Körperlichkeit, die keine Minute wahr sein könnte und einem gleichsam entgegenfällt, um auf die seelische und geistliche Dimension des Geschehens zu verweisen. Auf diese Weise erzwingt das Gemälde förmlich emotionale Einfühlung und Identifikation. Die Darstellung des persönlichen Namensheiligen von Rubens in seiner letzten Schaffensperiode, als er schon kränklich wurde und den eigenen Tod erahnen konnte, nimmt aus mehreren Gründen eine besondere Position unter seinen Bildern ein. Der Meister mit hochrangigen Aufträgen auf internationalem Niveau malte dieses Bild für die Pfarrkirche St. Peter seiner Kölner Kinderjahre (1578–1589), in der sein Vater, Jan Rubens (1530–1587), bestattet worden war. Eine mehr als pietätvolle Grabschrift der couragierten Mutter, Maria Pypelinckx (1538–1608), mag eine Zusammenfassung der familiären Wertschätzung des Vaters darstellen, die auch mit der Kirche verbunden war. Die Kreuzigung Petri gilt als sein persönlichstes und auch unheimlichstes Märtyrerbild, vielleicht „die erschütterndste, grauenvollste und zugleich triumphalste Feier des christlichen Sieges über das Erleiden eines qualvollen Todes“. Es ist die „unfassliche Verbindung von irdischem Morden und himmlischem Jubel“.42 Die Darstellungen des Apostels Petrus im Gesamtwerk des Künstlers sind fast immer direkt oder indirekt mit dem Thema des Totengedenkens verbunden.43 Die hagiografische Überlieferung verehrt Petrus als „Türsteher des Himmels“ (ianitor caeli), der nach biblischer Tradition mit den „Schlüsseln des Himmelreichs“ den Zugang zum ewigen Leben in Händen hält (Mt 16,19). Indem Rubens den Auftrag der Kölner Familie Jabach für das Hochaltarbild des Apostelfürsten der Pfarrkirche seiner Kindheit angenommen hatte, kommen in dem Gemälde verschiedene Motivstränge zusammen: Der patrizische und fromme Geltungsdrang der Stifter verbindet sich mit der persönlichen Anhänglichkeit des Malers an die Kölner Kirche, in der sein Vater begraben wurde. Dazu kommt 26
das ambitionierte Ziel, ein außergewöhnliches Bild auf künstlerisch höchstem Niveau zu schaffen, und vielleicht auch im Bewusstsein der eigenen Sterblichkeit, ein Vermächtnis seiner Pietas gegenüber dem Vater und gegenüber dem Glauben vorzulegen. Die bildinventorische Begabung und Begeisterung des Meisters hatte ein angemessenes und würdiges Objekt gefunden. Der amtierende Pfarrer von St. Peter, Arnold(us) Meshov(ius) (1626–1667), formulierte in einem lateinisch abgefassten Brief an den Vermittler des Auftrags für das Kölner Bild, Georg Geldorp (gest. 1652), die Vorgaben für die Motivauswahl des künftigen Altarbildes: Nach Rücksprache mit der Stifterfamilie wünsche er sich eine beliebige Episode aus der Vita des Apostels Petrus.44 Denn „ich habe keinen Grund, warum ich dir eine Form oder irgendeinen Plan, wie ich das Werk gerne haben möchte, vorschreiben sollte. Jener Maler ist so gewandt in der Erfindung von gelehrten, schönen und gefälligen Ideen, dass er unserer Ratschläge nicht bedarf.“45 Die zur freien Entscheidung ermutigende Weisung aus Köln wird von Rubens durch die Wahl der Darstellung der Kreuzigung Petri beantwortet. In einem Brief vom 25. Juli 1637 bekennt Rubens: „Wenn ich jedoch ein sich auf den heiligen Petrus beziehendes Thema nach meinem Gefallen wählen oder wünschen müsste, wäre es seine Kreuzigung mit den Füßen nach oben“ – „sijne cruijsinghe met de voeten om hoogh“.46 Diese Darstellung, so räsoniert er weiter, komme seinem besonderen künstlerischen Talent entgegen, sei seinen Kräften angemessen, wäre ihm gelegen und dennoch „extraordinair“.47 Mit der Wahl des Bildthemas der Kreuzigung Petri hatte Rubens sich auf eine außergewöhnliche Weise der Darstellung eingelassen. Seine Interpretation setzt sich vor allem mit den italienischen Vorbildern zum Thema auseinander. Denn während seines Romaufenthaltes muss er von dem Streit um die Plagiatsvorwürfe von Michelangelo Merisi da Caravaggio (1601–1602) gegen Guido Reni (1604–1605) erfahren haben. Vielleicht hat es den sechzigjährigen Altmeister gereizt, seine Vorläufer mit seiner Disposition zu überbieten, indem er vor allem auf Michelangelos Deutung in der Capella Paolina im Vatikan von 1546–1550 zurückgreift. Der kopfüber gekreuzigte Erstapostel war seit altkirchlichen Zeiten ein Symbol für eine sich unterordnende Akzeptanz des Schicksals in Abgrenzung zu seinem gekreuzigten Herrn, ein Bild der Tugend der Demut. Weil sich Petrus selbst für unwürdig hielt, wie sein Vorbild Jesus zu sterben, wurde er auf eigenen Wunsch mit dem Kopf nach unten (capite inverso) gekreuzigt. Die Hinrichtung kopfüber (per pedes suspendere) war eine in der Antike übliche Strafverschärfung, die Anwendung
Die Kölner Kreuzigung Petri im Kontext der Märtyrerbilder des Peter Paul Rubens
fand, wenn Sterbliche versucht hatten, sich an göttliche Stelle zu setzen. Bereits die apokryphen Petrusakten des 2. Jahrhunderts (Acta Petri) deuten das Sterben kopfüber als Sinnbild für das Geborenwerden. Traditionell wird im christlichen Kult der Todestag des Heiligen als „Geburtstag für den Himmel“ (dies natalis caelestis) begangen. Die erzählfreudige und literarisch wirkmächtige „Legenda Aurea“ des Jacobus de Voragine (1228/29–1298) lässt den gekreuzigten Apostel in Gebetssprache die Deutung seines Schicksals verkünden: „Herr, ich habe begehrt, dir nachzufolgen, aber ich wollte nicht aufrecht gekreuzigt werden. Du allein bist gerade, aufrecht und hoch, wir sind Kinder Adams, dessen Haupt zur Erde gebeugt war; sein Fall wird damit bezeichnet, wie der Mensch geboren wird: denn wir werden geboren, dass wir kopfüber auf die Erde werden gestoßen.“48 Kreuz und Nägel sind Schlüssel zum ewigen Leben. Diese Überzeugung wird auch durch die rhetorischen Fragen der Bildunterschrift des Kupferstichs zum Petrusmartyrium in der Erbauungsschrift des Jesuiten Petrus Biverus unterstrichen, die Rubens wahrscheinlich gekannt hat (Abb. 8): „Was ist, Petrus, die Aufgabe des Kreuzes? Öffnest du etwa das Himmelreich Christi nicht mit Schlüsseln? War nicht auch für Christus das Kreuz der Schlüssel?“49 Die Assoziation des lateinischen Wortspiels mit den Begriffen clavus (Nagel) und clavis (Schlüssel) führt Rubens evtl. auch zu der expressiven bildlichen Hervorhebung des Annagelns des Apostels von dem obersten Henkersknecht auf der linken Bildhälfte. Mit nahezu dämonischer Visage schwingt der Scherge in sadistischer Genugtuung den Hammer, um einen Nagel in den linken Fuß Petri zu treiben, während die übrigen Henkersknechte in gegenläufiger Bewegung versuchen, das Kreuz aufzurichten.50 Ein römischer Offizier in Rüstung und Helm unterstützt die grausame Tat. Schonungsloser kann die Qual einer Hinrichtung kaum geschildert werden und die Parallelität bzw. die Nachahmung (imitatio) des Erlöserleidens ins Bild gebracht werden. Der Kreuzestheologe Biverus hält fest: Der gekreuzigte Petrus ist das lebendige Abbild (viva imago) Christi. Es ist ein Anliegen des Künstlers, durch die krude Körperlichkeit und Materialität die Historizität des Geschehens zu unterstreichen. Denn das römische Papsttum begründet seinen Vorrang und seinen kirchlichen Führungsanspruch mit dem Argument der Präsenz Petri in Rom. Zwei passagere Gegenstände übernehmen diese Aufgabe im Bild der Kreuzigung Petri als triviale Details: Die achtlos am Boden liegende Schaufel und der rote Schulterkragen mit Hermelinbesatz (Mozetta) und das Chorhemd der päpstlichen Kleidung rechts und links neben dem Kreuzesstamm. Die Schaufel als Motiv ist bereits
Abb. 8 Kreuzmarter des hl. Andreas, Kupferstich aus Petrus Biverus „Sacrum Sanctuarium Crucis et Patientiae Crucifixorum et Cruciferorum (…)“, Antwerpen 1634, S. 16.
auf dem Gemälde Caravaggios vertreten. Rubens übernimmt das Motiv, intensiviert es jedoch, indem er mit der frischen Erdkrume neben dem Loch, in dem das Kreuz aufgerichtet wird, auf die Authentizität eines realen Ortes verweist, der gemäß der Überlieferung am römischen Gianicolo-Hügel lokalisiert wird. An der Stelle befindet sich die Kirche San Pietro in Montorio und der exakte Ort des Martyriums mit dem Loch für den Kreuzesbalken wird heute durch das Tempietto di Bramante bezeichnet. Die Schippe verweist gleichsam wie ein Pfeil auf den Ort des Martyriums und ist implizit ein Verweis auf die Legitimität der Ansprüche des römischen Papstes. Ähnliches gilt für die liturgischen Kleider am unteren rechten Bildrand. Vorbild für diese Positionierung ist wohl der Kupferstich im Sanctuarium Crucis. Dort sind unter dem Kreuzbalken die dreifache Papstkrone und die Schlüssel als Zeichen der päpstlichen Gewalt des Bindens und Lösens dargestellt. Rubens transponiert die Idee und malt im Schmutz liegende päpstliche Kleidungsstücke (Taf. 8). Im Moment 27
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des Sterbens des Apostels wirkt der päpstliche Schulterkragen in seiner roten Farbe, die in byzantinischer Tradition ausschließlich dem Herrscher zusteht, wie eine paradoxe Intervention: Im ohnmächtigen Scheitern des Apostels wird an die moralische Unverwundbarkeit des römischen Papsttums erinnert. Die muskulösen Körper der Henkersknechte, die den Mord ausführen, unterstreichen die Brutalität des Geschehens und die Ohnmacht des Opfers. Die Haltung der Figuren und die Gefühlsausdrücke auf ihren Gesichtern zwischen Aggression und Wut bis zu Verzweiflung und Agonie bestimmen zusammen mit der dramatischen Lichtführung und dem Farbauftrag die emotionale Wirkung beim Betrachter. Das Bild erregt Erstaunen, Bewunderung und Abscheu in einer Mischung all dieser Gefühlslagen. Die Kreuzigung Petri ist eine theatralische Peroratio, eine Schlussrede. Die Betrachter des Bildes werden vom angsterfüllten und gleichzeitig kämpfenden Petrus angeschaut, was Rubens wohl von Michelangelo übernommen hat. Die exakte Blickrichtung des gemarterten Apostels, dem das Blut in den Kopf schießt, bleibt indefinit, letztlich offen: Der Blick des Laokoon Christianus als Vorbild im Ertragen des Schmerzes changiert zwischen dem Anblick der am Boden liegenden päpstlichen Kleider oder dem schmerzerfüllt, sehnsüchtigen Blick auf den Betrachter des Szenarios: Gibt es jemanden, der Mitgefühl zeigt? Ist da ein Mensch, der sich in dieser ausgesetzten Situation ansprechen lässt?
Paradoxe Ästhetik: Irdischer Tod – himmlischer Trost Die Kölner Kreuzigung Petri bildet so etwas wie eine konzeptionelle und künstlerische Summe im Spätwerk des Peter Paul Rubens. Das Gemälde aus der allerletzten Schaffensperiode lässt bildinventorische und maltechnische Erfahrungen einer langen künstlerischen Karriere meisterhaft zusammenfließen. Andererseits schlägt das Œuvre aus der letzten Schaffensphase des Meisters auch einen Bogen zurück in die Anfänge seiner künstlerischen Karriere. Die innere Verbindung zum Frühwerk mit den leidenden Helden der Antike, besonders die ausdrückliche Nähe der Kreuzigung Petri zum Tod des Seneca bis in physiognomische Details ist dafür ein unzweifelhafter Beleg. Rubens präsentiert den gemarterten Apostelfürsten Petrus zudem als duldenden, christlichen Laokoon, der, indem er sich einerseits in das unausweichliche Schicksal fügt, gleichzeitig sterbend das Leben in Freiheit und Würde verteidigt, indem er sich zur Wehr setzt. Auch in Bezug auf die inhaltlich-philosophische Positionierung gewinnt man den Eindruck, dass Rubens nochmals die verschiede28
nen geistigen Ströme seiner Bildungsbiografie Revue passieren lässt und dabei altersgemäß konzentrativ verdichtet. Es hat den Anschein, als wolle der Maler angesichts seiner persönlichen Erfahrungen von Krankheit und Alter diese Thesen auf ihre intellektuelle Redlichkeit und ihre konsolatorische Qualität hin abklopfen. Denn Tugend bedeutet nicht, Lust oder Schmerz zu meiden, sondern beide zu beherrschen. In einem Brief an den Agenten Georg Geldorp unterstreicht Rubens neben Informationen über den Fortgang der Arbeiten sein persönliches Interesse an diesem Œuvre: „Deshalb möchte ich es nicht unterlassen, Sie zu benachrichtigen, dass ich schon sehr weit damit bin und dass ich die Hoffnung habe, es werde eines der besten Bilder werden, die meine Hand bisher geschaffen hat.“51 Ein derartig engagiertes Statement über das eigene Schaffen unterstreicht, dass sich der Künstler bewusst war, mit diesem Bild etwas Besonderes schaffen zu wollen. Das Sujet fordert ihn besonders heraus. Aus diesem Grund wünschte er, „dass ich nicht gerne gedrängt werde, sondern bitte, es meiner Sorgfalt und Verantwortlichkeit zu überlassen, um es mit Freude fertigstellen zu können. Denn wenn ich auch sehr mit anderen Arbeiten überlastet bin, so reizt mich doch gerade dieses Bild vor allen anderen, die ich unter den Händen habe.“52 Jenseits einer rein gelehrten Bildkomposition legt Rubens im Bewusstsein, auf der Zielgerade seiner Lebensbahn angelangt zu sein, ein sehr persönliches Zeugnis seiner reiferen Tage vor. Er stellt sich auch der Frage des persönlichen Sterbens. Ganz im Sinne des neustoizistischen Skeptizismus reflektiert er malend in der Figur des gemarterten Petrus die nüchterne Quintessenz des Seneca, dass das Ende menschlicher Existenz nichts anderes bedeutet, als kopfüber zu fallen.53 Diesem Sturz in die Tiefe möchte der gereifte Stoiker in der inneren Freiheit gelassener Gleichmut (atharaxia – indifferentia) entgegengehen und dabei eine offene Perspektive behalten. Ein solches Bild des Lebens (imago vitae) in innerer Freiheit und äußerer Gelassenheit haben antike Heroen und christliche Märtyrer bewiesen, allen voran der sterbende Seneca. Für den Christen kommt in dieser finalen Situation als wetteifernde Überbietung der paganen Indifferenz das Wissen hinzu: Das Ende der irdischen Existenz bedeutet nicht nur ein Fallen in die beziehungslose Unterwelt oder in den Abgrund einer namenlosen Leere, sondern, dass das Sterben von der Zusage göttlicher Erlösung zur Glückseligkeit einer himmlischen Gemeinschaft getragen ist. Vielleicht ist die Frage nach dem Leid und dem unausweichlichen Sterbenmüssen der Ernstfall keineswegs nur der Religion, sondern der menschlichen Existenz. In seinen Märtyrerbildern ist Rubens ein Maler dieser Schicksalsfrage. Er weiß darum, dass in der physischen Verwundbarkeit des
Die Kölner Kreuzigung Petri im Kontext der Märtyrerbilder des Peter Paul Rubens
Menschen etwas bleibt, das davon gänzlich unberührt ist. Vielleicht erahnt Rubens, was Leonard Cohen (1934– 2016) in folgende Worte gebracht hat: „There is a crack in everything – that’s where the light gets in“. Zumindest wird das grausame Szenario von zwei Arten des Sonnenlichts bestrahlt. Das Dunkel des Martyriums wird je nach Perspektive von einer doppelten Lichtquelle erhellt: Von dem über das Bild in himmlische Sphären hinausragenden Kreuzstamm fließt hellgelbes Tageslicht der Sonne in das Bild des Sterbens hinab. Das Licht des neuen Tages bricht sich in der Figur Petri, dessen Brustkorb leuchtend gehöht erscheint. Während gleichzeitig aus der Perspektive von unten, ein rötliches Abendlicht im Tüll des ansonsten unbeachtet in die Szene fliegenden Engelputto erkannt wird. Im Prozess des radikalen Loslassens bricht eine doppelte Gleichzeitigkeit an, in der das Abendrot
vom aufstrahlenden Licht eines neuen Tages überstrahlt wird. Diese Dimension österlicher Zuversicht wird zusätzlich zu der künstlerischen Auseinandersetzung durch das antike Gebet des Iuvenal unterstrichen, das Rubens als Motto in eine der Kartuschen des Portikus seiner Antwerpener Künstlerresidenz setzen lässt: „Beten soll man um gesunden Geist in gesundem Körper, um eine mutige Seele, die frei von Todesfurcht ist, die von Zorn nichts weiß und die nichts begehrt.“54 Dafür steht die Figur des leidenden Apostelfürsten in der Kölner Kreuzigung Petri, als wahrhaft mutige Seele. In äußerster Bedrängnis hält er gleichmütig die dramatische Spannung zwischen Sterben und Erlösung aus. Auf diese Weise reflektiert das Bild ohne vorschnelle Vereinnahmung die gegenläufige Dynamik von irdischem Sterben und österlichem Trost des Himmels.
ANMERKUNGEN 1 L. Annaeus Seneca: Epistulae Morales, ad Lucilium I, 8, 4, in: L. Annaei Senecae Epistulae Morales (Oxford Classical Texts), recognovit et adnotatione critica instruxit L. D. Reynolds, Oxford 1965, S. 15. 2 Biografische und kunsthistorische Informationen und Daten siehe Nils Büttner: Pietro Pauolo Rubens. Eine Biographie (Regensburger Studien zur Kunstgeschichte 25), Regensburg 2015; und Online zu Rubens: Quellen und Dokumente zu Leben, Werk und literarischen Bezügen des Malers, Unternehmers und Diplomaten Peter Paul Rubens (1577–1640), hg. von Nils Büttner/Ulrich Heinen, bearb. von Agnes Heine, Wolfenbüttel 2011; http://diglib.hab.de/edoc/ed000083/ startx.htm (25. 06. 2021). 3 Der Terminus „Todesarten“ ist inspiriert von der gleichnamigen, unvollendet gebliebenen Romantrilogie von Ingeborg Bachmann. Hans J. Wulff: Art. „Promiskuität und Geheimnis. Tod und Sterben als Gegenstände von Öffentlichkeit und Berichterstattung“, in: Ästhetik und Kommunikation 39 (2008), S. 109–114, http://www.derwulff.de/2-154 (25. 06. 2021). 4 Rüdiger Schöttle: Variationen über das Theater der Grausamkeit – Variations on the Theatre of Cruelty, Köln 2019, 5. 5 Peter Paul Rubens, Der Mord der unschuldigen Kinder, ca. 1611–12. Öl auf Holz, 142 × 182 cm. The Thompson Collection, Art Gallery of Ontario, Toronto. 6 Willibald Sauerländer: Der katholische Rubens. Heilige und Märtyrer, München 2011. 7 Peter Paul Rubens, Heiliger Sebastian von Engeln gepflegt, um 1604; unterer Engel um 1610 von Werkstatt ergänzt. Öl auf Leinwand, 119,5 × 155,5 cm. Dauerleihgabe der Sammlung Schoeppler, Rubenshuis, Antwerpen. 8 Aneta Georgievska-Shine: „In nova fert animus …“ Rubens und die Poetik der Verwandlung, in: Rubens. Kraft der Verwandlung, Ausstellungskatalog Kunsthistorisches Museum
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Wien und Städel, Frankfurt am Main, hg. von Gerlinde Gruber u. a., München 2017, S. 29–33. Als Beleg kann die geistige Präsenz von Justus Lipsius auf dem Selbstbildnis im Kreis der Mantuaner Freunde gelten, 1602– 1604/05. Öl auf Leinwand, 77,5 × 101 cm. WRM , Köln, Inv. Nr. Dep. 248. – Verstärkt wird diese These noch durch Repräsentation des bereits verstorbenen Lipsius in dem als „Epitaph“ konzipierten Bild (W. Sauerländer) für seinen Bruder Philipp, Die vier Philosophen, 1611/12. Öl auf Holz, 167 × 143 cm. Palazzo Pitti, Galleria Palatina, Florenz. Rubens. La Passion des Livres et sa Biliothèque, Ausstellungskatalog Musée Plantin-Moretus, hg. von Francine de Nave, Antwerpen 2004, S. 81f. Nils Büttner: Herr P. P. Rubens. Von der Kunst, berühmt zu werden (Rekonstruktion der Künste 7), Göttingen 2006. Peter Paul Rubens, Der sterbende Seneca. Öl auf Holz, 185 × 154,7 cm (Gesamtmaß; rechts, links und unten ca. 18 cm angestückt). Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Alte Pinakothek, München, Inv.Nr. 305. – Günter Hess: Der Tod des Seneca. Ikonographie – Biographie – Tragödientheorie, in: Der Tod des Seneca. Studien zur Kunst der Imagination in den Texten und Bildern des 17. und 18. Jahrhunderts ( Jesuitica 10), hg. von Günter Hess/Julius Oswald, Regensburg 2009, S. 15–48. Quintus Horatius Flaccus, Carmina 1,11. Otto von Simson: Peter Paul Rubens (1577–1640). Humanist, Maler und Diplomat (Berliner Schriften zur Kunst 8), Mainz 1996, S. 153. Deutung als Trostbild bei von Simson 1996 (Anm. 14), S. 154f.; vgl. Ulrich Heinen: Stoisch Sterben lernen – Rubens’ Memorialbild auf Justus Lipsius und Philipp Rubens, in: Pokerfaced. Flemish and Dutch Baroque Faces unveiled, hg. von Katlijne van der Stigelen u. a., Turnhout 2010, S. 25–68.
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16 Christoph Schmälzle: Laokoon in der Frühen Neuzeit, 2 Bde., Frankfurt a. M. 2018. 17 Marjon van der Meulen: Rubens. Copies after the Antique (Corpus Rubenianum Ludwig Burchard XXXIII ), London 1994, S. 93–104, Nr. 76–93; vgl. verschiedene Skizzen: Laokoon-Gruppe, Studie, ca. 1601/02. Schwarze Kreide auf gräulichem Papier, 48,2 × 37,5 cm, WRM , Köln, Inv.Nr. Z 5889, oder Studie, ca. 1601/02. Schwarze Kreide, weiß gehöht, 47,5 × 45,7 cm, Veneranda Biblioteca Ambrosiana, Mailand, Reata 2 Codex. F 249 inf. Bl. 4. 18 Peter Paul Rubens, Laokoon-Gruppe, Studie, um 1601/02, schwarze Kreide auf Papier, Veneranda Biblioteca Ambrosiana, Mailand; vgl. ders., Torso des Laokoon in Dreiviertelansicht, um 1601/02. Schwarze Kreide auf Papier, 456 × 296 mm. Dresden, Staatliche Kunstsammlungen Dresden: Kupferstich- Kabinett, Inv.Nr C 1874-22a. 19 Peter Paul Rubens, Der gefesselte Prometheus (Adler von Frans Snyders). Öl auf Leinwand, 246,6 × 209,5 cm. Philadelphia Museum of Art, Philadelphia, Inv.Nr. 1950-3-1. Von den verschiedenen Kopien des Bildes befindet sich eine im Landesmuseum Oldenburg. 20 Sauerländer 2011 (Anm. 6), S. 31. 21 Emmanuel Lemakis: The Crucifixion as a Pictorial Narrative: Scene-making and the Illusion of Place and Time, Columbia University, New York 1990. 22 Peter Paul Rubens, Kreuzaufrichtung, 1611. Öl auf Holz, Mitteltafel, 462 × 341 cm. Antwerpen, Kathedrale. 23 Peter Paul Rubens, Kreuzigung und Lanzenstich (Coup de Lance), 1619–1620. Öl auf Holz, 429 × 311 cm, Antwerpen, Koninklijk Museum voor Schone Kunsten. 24 Birgit Ulrike Münch: Geteiltes Leid. Die Passion Christi in Bildern und Texten der Konfessionalisierungen. Druckgraphik von der Reformation bis zu den jesuitischen Großprojekten, Regensburg 2009; Christian Hecht: Katholische Bildertheologie im Zeitalter von Gegenreformation und Barock. Studien zu den Traktaten von Johannes Molanus und Gabriele Paleotti und anderen Autoren, Berlin 1997. 25 Ignatius von Loyola, Exercitia Spiritualia Nr. 122, in: Ignatius von Loyola: Die Exerzitien, übertragen von Hans Urs von Balthasar, Einsiedeln 132005, S. 121; The Jesuits: Cultures, Sciences and the Arts (1540–1773), hg. von John W. O’Mally u. a., Toronto 2015; Jesuit Image Theory (Intersections 45), hg. von Wietse de Boer/Karl A. E. Enenkel/Walter S. Melion, Leiden/Boston 2016. 26 Jerome Nadal: Annotations and Meditations on the Gospels, 3 Bde. zzgl. Indexband, hg. von Frederick A Homann/Walter S. Melion, Philadelphia 2003–2014; Paul Rheinbay: Biblische Bilder für den inneren Weg. Das Betrachtungsbuch des Ignatius-Biographen Hieronymus Nadal (Deutsche Hochschulschriften 1080), Egelsbach u. a. 1995. 27 Birgit Ulrike Münch: Neue Märtyrer – alte Heilige. Das Martyrium im konfessionellen Diskurs: Zur theologischen Strategie einer bildkünstlerischen Leerstelle, in: Kunst und Konfession: Katholische Auftragswerke im Zeitalter der Glaubensspaltung, hg. von Andreas Tacke, Regensburg 2008, S. 116–143.
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28 Leif Holm Monssen: The Martyrdom Cycle in Santo Stefano Rotondo, in: Acta ad Archaeologiam et Artium Historiam Pertinentia 2 (1982), S. 175–317. 29 Wietse de Boer: The early Jesuits and the Catholic Debate about Sacred Images, in: Jesuit Image Theory 2016 (Anm. 25), S. 53–73. 30 Markus Hundemer: Argumentative Bilder und bildliche Argumentation: Jesuitische Rhetorik und Barocke Deckenmalerei, in: Jesuiten in Wien. Zur Kunst- und Kulturgeschichte der österreichischen Ordensprovinz der „Gesellschaft Jesu“ im 17. und 18. Jahrhundert (Österreichische Akademie der Wissenschaften. Veröffentlichungen der Kommission für Kunstgeschichte 5), hg. von Herbert Karner/Werner Telesko, Wien 2003, S. 261–273. 31 Gilles Néret: Peter Paul Rubens 1577–1640: L’Homère de la peinture, Paris 2006. Zur Wirkungsgeschichte: Sensation et Sensualité. Rubens et son héritage, Ausstellungskatalog Palais des Beaux Arts, Bruxelles – Koninklijk Museum voor Schone Kunsten, Antwerpen, Royal Academy of Arts, London, hg. von Bernard Steyaert, Brüssel 2014. 32 Hans Jürgen Schings: Consolatio Tragoediae. Zur Theorie des barocken Trauerspiels, in: Deutsche Dramentheorien. Beiträge zu einer historischen Poetik des Dramas in Deutschland, hg. von Reinhold Grimm, Frankfurt a. M. 1971, S. 37. 33 Nicht zuletzt durch das ab 1607 in Antwerpen von der „Societé des Bollandistes“ konzipierte und initiierte historischkritische Projekt der „Acta Sanctorum“ war Rubens mit der hagiografischen Literatur und den legendarischen Überlieferungen der Heiligen vertraut, aus deren Kenntnissen er in seinen Bildern von Heiligen nachweislich schöpft. Zur Heiligenverehrung Peter Brown: Die Heiligenverehrung. Ihre Entstehung und Funktion in der lateinischen Christenheit, Leipzig 1991; John B. Knipping: Iconography of the Counter Reformation in the Netherlands: Heaven on Earth, Leiden 1974. 34 Peter Paul Rubens, Martyrium des heiligen Paulus, ca. 1635– 1638. Öl auf Holz, 38 × 22,9 cm. Privatbesitz; Sauerländer 2011 (Anm. 6), S. 202–206. 35 Petrus de Ribadeneira: Flos Sanctorum, sive Vitae Sanctorum, Köln 1630, Bd. 1, S. 293. 36 Peter Paul Rubens, Martyrium des heiligen Thomas, 1636– 1638. Öl auf Leinwand, 380 × 253 cm. Prag, Národní galerie v Praze – Collection of Old Masters in Sternberg Palace, Leihgabe der Tschechischen Provinz der Augustiner [OSA ]; Sauerländer 2011 (Anm. 6), S. 206–217. 37 Peter Paul Rubens, Martyrium des heiligen Andreas, ca. 1638– 39. Öl auf Leinwand, 306 × 216 cm. Madrid, Real Diputación de San Andrés de los Flamencos – Fundación Carlos de Amberes. Sauerländer (Anm. 6), S. 217–224; Abigail D. Newman: Rubens’s St. Andrew „de los Flamencos“. Altarpiece enframed by a Spanish-Flemish Community, Antwerpen 2018. 38 Petrus Biverus: Sacrum Sanctuarium Crucis et Patientiae Crucifixorum et Cruciferorum. Emblematicis imaginibus laborantium et aegrotantium ornatum: Artifices gloriosi novae artis bene vivendi et moriendi secundum rationem regulae et circini, Antwerpen 1634; zum Apostel Andreas, S. 25–32.
Die Kölner Kreuzigung Petri im Kontext der Märtyrerbilder des Peter Paul Rubens
39 Biverus (Anm. 38), S. 25 fast wortgleich auch in anderen Passionsberichten: Passio Sancti Andreae Apostoli, in: Analecta Bollandiana 13 (1894), S. 373–378. 40 Peter Paul Rubens, Kreuzigung Petri ca. 1636–1640. Öl auf Leinwand, 330 × 223 cm. Katholische Kirchengemeinde St. Peter, Köln. Hans Ost: Peter Paul Rubens’ „Kreuzigung Petri“ in der Peterskirche zu Köln, in: WRJ b 55 (1994), S. 139–158; Mariana Hanstein: Peter Paul Rubens’ „Kreuzigung Petri“. Ein Bild aus der Peterskirche zu Köln, Köln 1996; Sauerländer 2011 (Anm. 6), S. 224–237. Siehe den Beitrag von Anna Pawlik in diesem Band. 41 Martin Warnke: Rubens. Leben und Werk, Köln 2011, S. 154. 42 Sauerländer 2011 (Anm. 6), S. 202. 43 Siehe den Beitrag von Nils Büttner in diesem Band. 44 Guido Schlimbach: Für einen lange währenden Augenblick. Die Kunst-Station Sankt Peter im Spannungsfeld von Religion und Kunst (Bild – Raum – Feier. Studien zu Kirche und Kunst 7), Regensburg 2009, S. 140–159: 143; das Kapitel „Die ‚Kreuzigung Petri (1638) von Peter Paul Rubens: Beispiel gegenreformatorischer Bildtheologie“; ergänzt und erweitert nochmals veröffentlicht, in: ders.: „Eines der besten Bilder, die meine Hand geschaffen hat“. Peter Paul Rubens. Die Kreuzigung Petri, Köln: Kunst-Station Sankt Peter Köln 2015. 45 Arnold(us) Meshov(ius): Brief an Everhard IV . Jabach in London vom 8. April 1637: „Non est quod tibi praescribam formam sive proiectum quoddam iuxta optatum mentis nostrae beneplacitum. Pictor ille inventions artis suae tam doctas, pulchras, subtiles in promptu tenet, ut non egeat monitis nostris.”, in: AEK , PfA St. Peter, B 16, Bl. 55f, Folioband „Rechenbuch“ 1614–1644); vgl. Leonard Ennen: Die Kreuzigung Petri, von P. P. Rubens, in der Kirche St. Peter zu Köln, in: AHVN 25 (1873), S. 223–224. – Die Freiheit und Offenheit
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des Pfarrers im 17. Jahrhundert scheint die offene Konzeption der Kunst-Station Sankt Peter Köln im Umgang mit der abstrakten Gegenwartskunst vorwegzunehmen. Peter Paul Rubens: Brief an George Geldorp (auf Niederländisch), 1637 Juli 25, in: Codex Diplomaticus Rubenianus. Correspondance de Rubens et documents épistolaires concernant sa vie et ses œuvres, Bd. 4, hg. von Max Rooses / Charles Ruelens, Antwerpen 1906, S. 177 (Nr. 830); vgl. Die Briefe des P. P. Rubens, übersetzt u. eingeleitet von Otto Zoff, Wien 1918, S. 458f. (Nr. 216). Ebd. Jacobus de Voragine: Legenda aurea, übersetzt von Richard Benz, Jena 1907, Bd. 1, S. 565; zur theologischen Deutung des Erstapostels: Rudolf Pesch: Simon-Petrus. Geschichte und geschichtliche Bedeutung des ersten Jüngers Jesu Christi (Päpste und Papsttum 15), Stuttgart 1980. Biverus (Anm. 38), S. 15, 2. Kupferstich. Die Physiognomie des Schergen ist aus einem früheren Rubens-Bild bekannt: Pan und Syrinx. Ölskizze, Bayonne, Musée Bonnat; Sauerländer 2011 (Anm. 6), S. 230. Peter Paul Rubens: Brief an George Geldorp (auf Niederländisch), 1638 April 02, Feder in Braun auf Vergé, Kölnisches Stadtmuseum, Köln; zitiert nach: Zoff 1918 (Anm. 46), S. 464, Nr. 219. Peter Paul Rubens: Brief an George Geldorp (auf Niederländisch), 1638 April 02, Feder in Braun auf Vergé, Kölnisches Stadtmuseum, Köln; zitiert nach: Zoff 1918 (Anm. 46), S. 464, Nr. 219. Vgl. Seneca-Motto des Essays (Anm. 1). Decimus Iunius Iuvenalis (gest. ca. 138), Satire 10, S. 356–357, in: Juvenal, Satiren hg. von Joachim Adamietz, Göttingen 2014, S. 276–278.
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