Die Kölner Kreuzigung Petri im Kontext der Märtyrerbilder des Peter Paul Rubens
Trost im Drama zwischen Sterben und Erlösung
Stephan Ch. Kessler SJ
In praecipitia iste cursus deducit. Huius eminentis vitae exitus cadere est. „Kopfüber auf die abschüssige Bahn führt der Lauf des Lebens. Das Ende dieser herausragenden Existenz bedeutet fallen.“
L. Annaeus Seneca1
Die Dramatik des Sterbenmüssens findet in der lebenssattbarocken Bildwelt des Peter Paul Rubens (1577–1640) eine breit gefächerte Repräsentation. Auf vielen seiner Bilder sind Tod und Sterben präsent. Die künstlerische Auseinandersetzung mit der conditio humana in ihrer Vitalität, aber auch in ihrer begrenzten Dimension durch wirkt das gesamte Œuvre des flämischen Meisters.2 An gemessen – das heißt ohne wertende Eindimensionalität –und im Sinne barocker Mentalität kann das kontingente Schicksal des Menschen nur in der Symmetrie bzw. in der Dialektik von Leben und Sterben bzw. von Liebe und Tod betrachtet werden. Im Blick auf Rubens’ Gesamtwerk ist es wichtig, diese antithetische Spannung im Blick zu be halten, auch wenn im Folgenden der Fokus der Betrach tung – thematisch bedingt – verstärkt auf Darstellungen von Sterben und Tod gerichtet sein wird.
Der Nachweis wird zu erbringen sein, dass den Bil dern, in denen Rubens die menschliche Sterblichkeit abbildet, eine paradoxe Ästhetik zugrunde liegt. Diese Widersprüchlichkeit wird gespeist durch eine neue, an der klassischen Antike orientierte Bildungsästhetik bzw. Rhe torik, durch kirchlich und politisch komplexe Kontro versen um eine konfessionelle Einheit und zeitgenössisch modifizierte Konzeptionen des Dramas. In dieser spe zifischen Situation entwirft Rubens Bilder vom Sterben, um Trost zu erfahren und zu vermitteln. Die gelassene An nahme des Schicksals unausweichlicher Endlichkeit ver mittelt eine Dimension tröstlicher Zuversicht; denn in der
existentiellen Niederlage kann sich die Überlegenheit der Tugend (virtus) erweisen. Durch sie besitzt der Mensch die Möglichkeit, selbst im Untergang den moralischen Sieg davonzutragen: Darstellungen von Tod und Sterben werden bei Rubens zu dramatisch gesteigerten Inszenie rungen eines Triumphes der Tugend.
Exemplarische der Standhaftigkeit: Widerstand in der Ergebung
Endlichkeit und das leidvolle Ausgeliefertsein des Men schen an ein unentrinnbares Schicksal sind in der Ge schichte der Künste allgegenwärtig. Vielleicht bilden sie sogar den Grund für ihre Entstehung: Das legen die äl testen überlieferten Felsenbilder der vor mehr als 20.000 Jahren entstandenen Parietalkunst nahe, und es scheint bis zur Installation Zeige deine Wunde (1974/75) von Joseph Beuys Geltung zu besitzen. Auch bei Rubens ist die Auseinandersetzung mit dem Thema der Sterblichkeit vom Beginn seiner Malerkarriere in Italien bis zu seinem vermeintlich letzten vollendeten Gemälde, der Kölner Kreuzigung Petri, nachweisbar. Allzu oft ist die antithe tische Spannung zwischen Lebenslust und dem unaus weichlichen Schicksal des Sterbens das rhetorische Motiv der Bildinventionen, die bei Rubens immer auf anregende Weise belehrend und bewegend zugleich sein wollen (do cere, delectare, movere).
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Die Variationsbreite der „Todesarten“ kommt in einer schier unvorstellbaren Verschiedenartigkeit zum Aus druck, die Betrachtende im 21. Jahrhundert durchaus irritieren kann. Denn gegenwärtig wird Sterben – zumal in Zeiten einer Pandemie – gesellschaftlich weitgehend verdrängt und in seiner Konkretion nach Möglichkeit aus dem öffentlichen Bewusstsein ausgeblendet.3 Die RubensBilder von Tod und Sterben bringen dagegen drastisch und ins Dramatische gesteigert tödliche Aggression, Gewalt und Grausamkeit ins Bild, die aufgeklärte Zeit genossen, leider irrtümlich, als überwunden angesehen haben. Die grausamen Bilder sind wie eine Erinnerung an eine aktuelle kulturpolitische Prämisse des Theaters: „Unsere Kulturen sind aus der erlittenen und ausgeübten Grausamkeit entstanden.“4 Bei der Darstellung des bib lisch überlieferten Kindermords zu Betlehem kommen unmenschliche bis abscheuliche Arten des Sterbens zur Abbildung: Mit einer ans Entsetzliche grenzenden Ein dringlichkeit werden rohe Gewalt, Sadismus, Angst und Qualen dargestellt, in denen der Mensch dem Menschen zum Wolf wird.5 Eine inhaltliche Gradualität erhalten die Darstellungen des Todes in der Bewältigung der ambiva lenten Spannung zwischen Widerstand und Ergebung gegenüber dem Schicksal.
Es wäre jedoch zu kurz gegriffen, das Thema des Ster bens auf die christlichen Bildmotive zu reduzieren. Der Fundus liegt auch bei diesem Thema in der klassischen Antike. Das Spektrum reicht vom erzwungenen Tod des Stoikers Seneca, über die kriegerische Niederlage des Sanherib bis zu dem römischen Feldherrn und Pontifex Decius Mus, der sich selbst dem Tod weiht. Gestorben wird auch auf den Bildern von Schlachten und in den Jagdszenen. Viele der bildlichen Darstellungen des Ster bens werden in ihrer drastischen Expressivität zu Bildern eines inneren Sieges der moralischen Überlegenheit im Untergang. In den kirchlichen Auftragsarbeiten und nicht zuletzt in den vielen Altarwerken findet das Thema eines mit Pathos aufgeladenen Sterbens eine zusätzliche Verdichtung. Diese wird in der Fülle der Darstellungen von Märtyrern und deren Martyrien des „katholischen Rubens“ augenscheinlich.6 Sie beginnen mit dem frühen, noch stark von Italien beeinflussten Bild des jugendlichen Märtyrers Sebastian (1602/03), dessen lebensgefährliche Wunde ein Engel gleichsam in himmlischer Ruhe pflegt, und reichen bis zu der „Serie“ von vier großformatigen und dramatischen Apostelmartyrien gegen Ende seiner künstlerischen Karriere.7
Pagane Prototypen der Gelassenheit im Äußersten: Seneca, Laokoon und Prometheus
Die inhaltliche und die künstlerische Umsetzung der The matik von Leiden, Sterben und Tod sind bei Peter Paul Rubens aufs Engste verbunden mit seiner produktiven und transformativen Auseinandersetzung mit den Idealen der klassischen Antike. In seiner Bildinvention erweist sich der Maler Rubens immer auch als gebildeter Huma nist (pictor doctus). Dabei ist vor allem die Antike mit ihren klassischen Bildwerken und ihren rhetorisch-literarischen Prinzipien das produktive Vorbild für seine kreativen Fort schreibungen der Motive in „selektiver Nachahmung“.8
Der intellektuelle Hintergrund der künstlerischen Praxis ist bei Rubens durch die klassische rhetorische Vorgehens weise und die Nähe des Malers zur lebenspraktischen Phi losophie der Stoa geprägt. Mit beiden Disziplinen war er durch seine humanistische Bildung und das intellektuelle Klima seiner Zeit geprägt. In seiner humanistisch inspirier ten schulischen Ausbildung muss er den Dreischritt von Repetition, Reorganisation, Transfer verinnerlicht haben (imitatio, aemulatio, superatio). Für den philosophischen Hintergrund kamen intellektuelle Anregungen aus persön lichen Freundschaftsbeziehungen hinzu. Mit dem einfluss reichen Begründer des Neustoizismus in der niederlän disch-flämischen Welt, Justus Lipsius (1547–1606), war Rubens durch seinen künstlerischen Lehrer, Otto van Veen (1556–1629), vertraut. Die Beziehung zu diesen Kreisen wurde durch seinen älteren Bruder Philipp Rubens (1574–1611) verstärkt. Aus diesem intellektuellen Umfeld über nahm auch Peter Paul Rubens spätestens während seiner italienischen Jahre das Ideal eines christlichen Stoikers, der in allen Wechselfällen des Lebens – besonders angesichts von Krankheit und Tod – gelassen und allen Bedrängnis sen zum Trotz innerlich und äußerlich frei bleibt.9
Seneca
Das literarische Vorbild für eine unerschütterliche Haltung angesichts der Widrigkeiten des Lebens ist Lucius Annaeus Seneca (gest. 65 n. Chr.). Seine philosophischen Positio nen hatten im intellektuellen Klima der Niederlande einen besonderen Einfluss auf Rubens. Die von Lipsius herausge gebenen, bei Moretus in Antwerpen verlegten Werke sind in der Bibliothek des Malers nachgewiesen.10 Die Ideen der Stoa prägten Rubens’ Weltanschauung nachhaltig und finden ihren durchgehenden Reflex in seiner Kunst bis zur Selbstinszenierung seines Lebens.11
Das Gemälde Der sterbende Seneca (um 1612/13) ist ein frühes und feierliches Bekenntnis zum Ethos der Stoa (Abb. 1).12 Es wird zum programmatischen Bildbekennt
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nis des aufstrebenden Malers Rubens: In der aufrechten Hinnahme und dem gelassenen Ertragen des Todes, im Sieg der Tugend über das physische Ende ist der wahre Philosoph zu erkennen. Die ersten drei Buchstaben des lateinischen Wortes für Tugend (vir: Mann, von virtus:
Tugend) sind in dem Notizbuch des mit entsetztem Ge sichtsausdruck mitschreibenden Schreibers zu erkennen. Die Frage steht im Raum, wer wirklich ein Mensch ist.
Dem Gemälde liegt der literarische Bericht des römi schen Historikers Tacitus (gest. um 120 n. Chr.) zugrunde
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Abb. 1 Peter Paul Rubens, Der sterbende Seneca, 1612, München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Alte Pinakothek.
(Annalen XV , 62–64), den die Bildkomposition im Sinne eines religiösen Opfertodes überhöht. Kaiser Nero ver dächtigte seinen Lehrer Seneca politischer Illoyalität und ließ ihm wegen vermeintlicher Teilnahme an einer Ver schwörung den Befehl überbringen, Selbstmord zu be gehen. Seneca beugte sich der kaiserlichen Anordnung. Aufgrund seines Alters und seines durch Entbehrungen geschwächten Körpers, den Rubens in seiner Fragilität eindringlich darstellt, floss das Blut nur langsam aus den geöffneten Adern. Durch ein Bad mit heißem Wasser sollte der Kreislauf und damit der Prozess des Sterbens beschleunigt werden – soweit der Bericht des Tacitus. Auf dem Rubens-Gemälde steht der Philosoph aufrecht in einer Messingwanne als Fußbad. Während ein ärzt licher Freund den Blutfluss reguliert, gibt der Philosoph mit einer ungeheuren körperlichen Präsenz den Umste henden sterbend das geistige Vermächtnis seines Lebens. Die bedrückende Grausamkeit und Traurigkeit der Szene werden zum letzten Beweis der philosophisch erlangten Indifferenz und Freiheit.
Senecas äußerst lebendiger Gesichtsausdruck mit ge öffnetem Mund und erhobenen Augen vermittelt Samm lung und Konzentration. Der Schmerz des langsamen Todes, aber auch die unerschrockene Haltung inneren Gleichmuts verleihen dem Philosophen in seiner letz ten Stunde einen Ausdruck der Gelassenheit. Selbst im Sterben als dem Prozess des unumgänglichen Loslassens bleibt der Held seiner Würde eingedenk (dignitatis me mor). Das stoische Ideal, vollkommene Freiheit von allen Leidenschaften (atharaxia/apatheia) zu erstreben, wird in diesem Tod sichtbar: Seneca sieht dem Sterbenmüssen in unerschütterlicher Nüchternheit und kontemplativer Gelassenheit entgegen. In der äußersten Krise wird der Philosoph aufgrund seiner Haltung innerer Festigkeit (constantia mentis) und äußerer Standhaftigkeit zum Exemplum. Buchstäblich bis zur letzten Minute schöpft der Lehrer die Zeit mit Belehrungen sinnvoll aus und wird so ein anschaulicher Beleg für die epikureisch-stoische Lebensmaxime des „carpe diem – pflücke den Tag!“.13 Die Tugend (virtus), sich ungebrochen in ungerechtes Schick sal zu fügen, wird durch die stehende Haltung versinn bildlicht, die in der christlichen Ikonografie vom Tod des Mönchsvaters Benedikt von Nursia ihre Parallele findet.
Die europäische Malerei kennt kaum eine vergleich bare Darstellung einer antiken Persönlichkeit in Intensität und Pathos. Die bei Rubens gegenüber der literarischen Vorlage verdichtete Komposition deutet bzw. stilisiert den paganen Philosophen Seneca im Sinn eines christlichen Märtyrers.14 Die Elemente und Werkzeuge eines Suizids rücken konsequent in den Hintergrund. Rubens orientiert sich mit seiner Interpretation des gewaltsamen Sterbens
Senecas als Märtyrer bereits an einer vorhandenen literari schen und ikonologischen Tradition: Bereits in Hartmann Schedels „Weltchronik“ von 1493 (Blatt CVr) folgt un mittelbar auf die bildliche Darstellung von Senecas Tod in einer Wanne das Bild der Martyrien der römischen Apos telfürsten Petrus und Paulus. Das verbindende Element dieser Parallelisierung liegt wohl in der historischen Tatsa che, dass sowohl die Apostelfürsten als auch Seneca wäh rend der Regentschaft Kaiser Neros (reg. 54–68) in Rom zu Tode kamen. Beginnend mit der vereinnahmenden Referenz des Kirchenschriftstellers Tertullian (um 150–um 223), dass Seneca den christlichen Positionen grund sätzlich oft nahe steht (Seneca saepe noster – De anima 20,1), über den lange als authentisch angesehenen, fikti ven Briefwechsel des Philosophen mit dem Apostel Paulus hatte sich eine Vorstellung des Seneca Christianus eta bliert. Diese vereinnahmende Sicht, die nicht zuletzt von den humanistischen Milieus und dem Bildungsprogramm der Jesuiten in besonderer Weise propagiert wurde, war im intellektuellen Klima von Antwerpen allgegenwärtig und hat Rubens nachhaltig geprägt.
Die lebensnahe Darstellung des sterbenden Seneca hat die Intention, auf die Betrachtenden eine vergleich bare Wirkung wie eine klassische Tragödie auszuüben. Die emotionalen Impulse des Bildes sollen innerlich be wegen und zu Selbstreflexion und Mitleid führen. Diese Emotionen wiederum führen in der idealisierten Theorie zu einer Reinigung der Leidenschaften und Affekte im Sinne klarer Motivation. Mitgefühl und Identifikation der Betrachtenden mit der Unerschrockenheit und dem Gleichmut, mit denen Seneca den ungerechten Tod an nimmt, soll die Anschauung des Sterbens zu einer Quelle getrösteter Gelassenheit werden lassen. Dieser Trost führt nach stoischer Überzeugung zur inneren Seelenruhe. In diesem Kontext gestaltet Rubens das Bild des sterbenden Seneca als Trostbild, mit dem er die Trauer und die Ver lusterfahrung durch den frühzeitigen Tod seines Bruders Philipp verarbeitet. Mit dem Bild Der sterbende Seneca er teilt Rubens in seiner frühen Schaffensperiode eine beein druckende Lektion, wie in der Haltung der Stoa das Ideal erreicht werden kann, gelassen sterben zu lernen, das auch in der Kreuzigung Petri als einem Gemälde seiner letzten Schaffensphase einen Widerhall findet.15
Laokoon
Ein weiteres produktives Vorbild aus der Antike, das als Archetyp für das Ertragen des Leids (exemplum doloris) im Werk des Peter Paul Rubens einen deutlichen Nach hall bis zur Kreuzigung Petri hinterlässt, bildet die Skulp tur der Laokoon-Gruppe. Die römische Marmorkopie der ursprünglich hellenistischen Figurengruppe wurde
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schon vor deren Wiederentdeckung 1506 als unver gleichliches Meisterwerk der Kunst gerühmt.16 Rubens hat dieses Opus während seiner römischen Zeit mehrfach eindringlich studiert und skizziert. Er fokussiert sich auf ausgewählte Perspektiven, anatomische Bewegungen und vor allem auf emotionale Momente, mittels derer er seine kreative Verlebendigung der Skulptur entwickelt. Körper sprache und Gesichtszüge rücken ins Zentrum und drü cken innere Bewegungen der Seele aus. Aus dem Motiv fundus dieser römischen Laokoon-Skizzen wird der Maler zeit seines Lebens schöpfen.17
Nach der mythologischen Beschreibung bei Homer und Vergil wird Laokoon mit seinen beiden Söhnen beim Opfer von zwei Schlangen angegriffen. In prophetischer Klarheit hatte er zuvor die Gefahr des „Danaaergeschen kes“ erkannt und die Bewohner Trojas vor dem hölzernen Pferd vor der Stadt gewarnt. Für diese Klarsicht erleidet er in diesem himmlisch gelenkten Drama des Kampfes um Troja die göttlich verfügte Strafe. Athene sendet tod bringende Schlangen. Der schmerzerfüllt, verzweifelte Schrei des ringenden und von der Schlange gebissenen Laokoon wird nach der literarischen Vorlage des Mythos
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Abb. 2 Peter Paul Rubens, Studie zur Laokoon-Gruppe, ca. 1601–1602, Mailand, Veneranda Biblioteca Ambrosiana.
zum Weckruf für Aeneas. Dessen Flucht aus der bereits brennenden Stadt ist der Beginn eines neuen Kapitels der Geschichte. Der Untergang Trojas ist nicht das Ende, son dern der Wendepunkt, der mit der Gründung Roms eine neue Epoche eröffnet.
Die Skulptur zeigt, wie die auf göttlichen Befehl der Athene gesandten Schlangen die Körper unentrinnbar
umwunden haben. Das tödliche Schicksal scheint nicht mehr abwendbar: Es gibt kein Entkommen. Doch genau in dieser aussichtslosen Situation beweist Laokoon durch seinen sich zur Wehr setzenden Widerstand, dass er auch im Angesicht lebensbedrohlicher Gefährdung sich seiner Würde bewusst bleibt (dignitatis memor). Indem er sich dem Schicksal nicht nur ohnmächtig unterwirft, son
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Abb. 3 Peter Paul Rubens, Der gefesselte Prometheus (Adler von Frans Snyders), vollendet 1618, Philadelphia, Philadelphia Museum of Art.
dern im Kampf sich und die Seinen verteidigt, tut er das moralisch Richtige. In dieser extremen Situation liefert Laokoon den Beweis seiner Leidenschaftslosigkeit, weil er sich einerseits dem unausweichlichen Schicksal ergibt und im Schmerz gleichzeitig widerständig die Frage nach dem Warum von Leiden und Tod stellt. So wird Laokoon zum Vorbild für das Aushalten der komplementären Spannung von Widerstand und Ergebung.
In den Zeichnungen der Laokoon-Gruppe beobachtet Rubens die Anatomie mit Genauigkeit und interpretiert die Skulptur über die bloße Kopie hinaus weiter (Abb. 2). Die gespannte Muskulatur des Bauchraums und der ge öffnete Mund, wie sie auf der Kreidezeichnung der Vene randa Biblioteca Ambrosiana in Mailand zu sehen sind, zeigen exakt den Moment des vollständigen Ausatmens. Nachdem sich Laokoon des tödlichen Schlangenbisses gewahr geworden ist, schreit er seinen Schmerz und seine Verzweiflung heraus. Dieser Ruf hat die gesamte Atemluft verbraucht. Die Muskulatur des Bauchraums ist durch das Ausatmen zusammengezogen und gespannt.18 Die existen tielle Not und der Schmerz – vermeintlich im Augenblick nach dem todbringenden Biss in die linke Hüfte – werden den Göttern mit dem letzten Atem entgegengeschleudert. Rubens suchte für seine Skizze diesen extremen, drama tisch gesteigerten Augenblick. Wenn er in seinen späteren Bildinventionen (z. B. in dem Entwurf zur Blendung des Simson und an vielen anderen Stellen seines Werkes bis zur Kreuzigung Petri) den Körper des Laokoon zitiert, bedeu tet dies eine parallelisierende Gleichsetzung der Figur des paganen Priesters Laokoon mit den biblischen Heroen. Indem der Maler sich auf den dramatischen Augenblick zwischen Ergebung in ein unabänderliches Schicksal und dem Widerstand verzweifelten Fragens fokussiert, beweist er sein psychologisches Einfühlungsvermögen und ein Ge spür für die existentielle Dramatik menschlicher Existenz angesichts von Leiden und Tod. Rubens malte diese Sze narien unabwendbaren Scheiterns bei Laokoon und ande ren Helden, um im Untergang den Blick auf den Beginn von etwas unerwartet Neuem zu lenken.
Prometheus
Der dritte signifikante Zeuge für die bildliche Bearbeitung der Thematik von Leiden und Sterben aus dem Schatz an tiker Mythen ist bei Rubens die Darstellung des gefessel ten Prometheus. Das Gemälde entstand um 1611/12 und wurde 1618 vollendet. Der Maler behielt dieses Schlüssel bild zu unserer Thematik in seiner persönlichen Samm lung (Abb. 3).19
Nach dem Zeugnis des Hesiod empfängt Prometheus für die Vermessenheit, den Menschen das Feuer aus den himmlischen Sphären gebracht zu haben, die verdiente
Strafe. An einen Felsen des Kaukasus gekettet, riss ein Adler ihm täglich ein Stück der Leber aus seiner Seite. Dargestellt ist der wehrlos gefesselte und leidende Prome theus durch Untersicht in dramatisierender Verkürzung. Vor Schmerz bäumt er sich auf, als ihm der Adler mit dem Schnabel die Bauchdecke aufhackt und ein Stück der blutenden Leber entreißt. Der entsetzliche Schmerz dieser sich täglich wiederholenden Qual wird durch die unter sichtige und diagonale Position des wehrlosen Prome theus unterstrichen und durch die Krallen des Adlers in Gesicht und Scham zusätzlich dramatisiert und gesteigert. Die vorgestellten drei Prototypen heroischen Leidens in extremer Situation sind inspiriert von der Vorstellung, dass erst im Sterben ein definitives Zeugnis für die Au thentizität eines Lebens gegeben wird. Der Akt des Ster bens wird zum Bild des gesamten Lebens (imago vitae), der letzte Moment zur Verdichtung der ganzen Existenz. Die Bilder vom Tod der mythologischen Helden der Antike sind jedoch weit mehr als bloß ein „paganes Vor spiel“, das in den christlichen Märtyrerbildern überboten würde.20 Auch die Altarbilder christlicher Glaubenszeu gen leben aus den gleichen Idealen geistiger Beständig keit und werden künstlerisch wie theologisch von einer ähnlich offenen Spannung zwischen Widerstand und Er gebung gegenüber dem Schicksal geprägt.
Drama und Bildung in den Darstellungen der Märtyrer: Überzeugen durch Überwältigen
Bis in die Gegenwart fasziniert und irritiert Rubens. Sein barocker Überschwang verdankt sich einem zuweilen dramatisch gesteigerten Einsatz von Affekt und Pathos. Nicht selten ist bei ihm eine theatralische Intensivierung traditioneller Bildtypen zu beobachten. Anstelle einer statischen Darstellung, z. B. des gekreuzigten Jesus, ent scheidet sich der Bilderfinder in seiner Konzeption für einen spezifischen Moment der Passion, mit dem sich die Dramatik des Geschehens verdichten lässt.21 Um die qualvollen Leiden des Erlösers Jesus möglichst anschau lich zu vermitteln und die Betrachter des Bildes emotional zu involvieren, konzipiert er 1611 die Mitteltafel eines Triptychons mit der Darstellung der Aufrichtung des Kreuzes (Abb. 4).22 Wer das Bild betrachtet, wird Zeuge der dramatischen Situation, in der sechs Männer unter Aufbietung aller Kräfte versuchen, das schwere Kreuz mit dem Gekreuzigten aus der Diagonale mühsam nach oben zu ziehen. Emotional wird man förmlich in die Unsicher heit, ob die Kräfte für dieses Unterfangen ausreichen, und in die Beklemmung der grausamen Aktion mit hinein
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genommen. Auch für den Altar der Franziskanerkirche in Antwerpen konzentriert Rubens 1619 die Darstellung der Kreuzigung auf das theologisch dichte Motiv des Lanzen stichs (Joh 19, 33–35).23 Während die beiden mit Jesus gekreuzigten Verbrecher sich vor Schmerz winden und aufbäumen, setzt der durch die legendäre Überlieferung namentlich bekannte römische Soldat Longinus seine Lanze zum Stich ins Herz des bereits gestorbenen Erlösers an, der somit auch nach überstandenem Leiden noch seine totale Hingabe unterstreicht.
Für beide Bildmotive der Kreuzigung Jesu konnte Rubens auf Darstellungen der spätmittelalterlichen Pas sionsmystik zurückgreifen. Die besonders in den Nieder landen verbreitete Frömmigkeit der Devotio moderna zielte darauf ab, durch meditatives Betrachten der jewei ligen Stationen des Leidens Jesu zu Mitgefühl und Mitleid (compassio) angerührt zu werden. Im Kontext der katho lischen Reform des 16. und 17. Jahrhunderts veränderten sich jedoch die Konzepte der Bildnutzung. Zusätzlich zu dem Modernisierungsschub, der durch die Entwicklung der Druckgrafik angestoßen wurde, war auch inhaltlich eine neue religiöse bzw. religionspolitische Intensivierung
gefordert. Das forderten bezüglich des Umgangs mit reli giösen Bildern die Reformbeschlüsse des Trienter Konzils (1545–1563). Dazu propagierten die kirchlichen Reform kreise und Ordensgemeinschaften (z. B. Karmeliten, Jesui ten) verstärkt die Meditationsform der Betrachtung, was wiederum die Bilderfrömmigkeit und -verehrung intensi vierte. Denn man war überzeugt, dass eine Visualisierung der Heilsgeheimnisse und der heiligen Personen leichter zu Identifikation und innerem Nachvollzug führten.24
Frömmigkeitsgeschichtlich räumte die Betrachtungs praxis der „Geistlichen Übungen“ der Exerzitien des Igna tius von Loyola (1491–1556) der visuellen Einbildungs kraft unter den anderen Formen sinnlicher Wahrnehmung einen besonderen Vorrang ein. Der Übende wird bei igna tianischen Exerzitien ermutigt, sich die Themen seiner Me ditation durch persönliche Imagination bildlich vor Augen zu stellen. Wie ein Maler bei der Konzeption eines Gemäl des soll der geistlich Betrachtende sich mit seiner Einbil dungskraft die Themen seiner Betrachtung ausmalen und möglichst frei gestalten. Mit einem derartig autonomen und voraussetzungslosen Bilderleben, soll der in den Exer zitien geistlich Übende visuell in seiner Vorstellung den
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Abb. 4 Peter Paul Rubens, Kreuzaufrichtung, 1611, Antwerpen, onze-Lieve-Vrouwekathedraal.
„Schauplatz bereiten“ und sich selbst aktualisierend bzw. möglichst konkret in die zu meditierende Szene hineinver setzen: „Schauen […] mit den inneren Augen, in Besinnung und Betrachtung ihrer besonderen Umstände und aus der Sicht einigen Nutzen ziehen.“25 Im katholischen Umfeld hat die Profilierung der Meditationsform der Betrachtung zu einer veränderten Bildkultur beigetragen. Die Leitung des jungen Jesuitenordens empfahl offiziell den Gebrauch von Bildern als konstitutive Hilfe für die fromme Medi tation. Mit der Publikation Adnotationes et Meditationes in Evangelia legte Jerónimo Nadal (1507–1580) in Ant werpen ein an der Dynamik der ignatianischen Exerzitien orientiertes bebildertes Betrachtungsbuch vor. Das am bitionierte Druckprojekt unterstreicht mit seinen Stichen der Gebrüder Wierix zu den Evangelientexten richtung weisend das neue Zueinander von bildender Kunst und kirchlicher Spiritualität.26 Rubens wurde in seiner persönli chen Frömmigkeit und in seiner Konzeption des religiösen Bildes durch diese spirituelle Atmosphäre geprägt, nicht zuletzt auch als aktives Mitglied der jesuitischen Bürger kongregation seiner Heimatstadt, in der die Methode igna tianischer Betrachtung praktiziert wurde.
Als „vervielfältigte Passion“ entwickelte sich im re ligiösen Klima des 16. Jahrhunderts zusätzlich der Bildtyp der Darstellung von einem Glaubenszeugen, der für den rechten Glauben missionarisch sein Leben einsetzt und dieses unter Umständen verliert. Die Verehrung der alten und neuen Märtyrer wurde zum Ausweis authentischer Glaubenstradition. Blutzeugen wurden modellhaft zu pädagogischen Vorbildern stilisiert, deren Standhaftig keit bis zum Tod nachgeahmt werden sollte. Analog zur Visualisierung biblischer Inhalte zur persönlichen An regung entstanden im Zeitalter der Konfessionalisierung ein spezifisches Interesse und ein neuer Markt für Märty rerbilder.27 Den Anfang einer künstlerisch maßgeblichen Umsetzung bildete ab 1582 ein Märtyrerzyklus von Niccolò Circignani und Mateo da Siena in der zum Col legium Germanicum et Hungaricum gehörende Kirche Santo Stefano Rotondo in Rom. Im Ambulatorium der spätantiken Kirche entstand ein Freskenzyklus mit Märty rerdarstellungen. Das in seiner grausamen Repräsentation überaus detailverliebte Bildprogramm wurde von Charles Dickens (1812–1870) in seinem Reisebericht „Pictures from Italy“ als „Panorama des Schreckens und der Metz gerei“ (“panorama of horror and butchery”) bezeichnet. Die Darstellungen hatten in pädagogischer Absicht zum Ziel, an die heroische Gesinnung der Theologiestudenten zu appellieren, die wegen der römischen Deutung des Glaubens in ihren reformierten Herkunftsländern ggf. mit dem Martyrium zu rechnen hatten.28 Die drastische Weise der Illustration des Leidens in den Märtyrerbildern schafft
eine zuweilen schwer erträgliche Unmittelbarkeit, die eine distanzierte ästhetische Betrachtung verunmöglicht.
Auch Rubens möchte in seinen Märtyrerbildern höchste affektive Erregung erzeugen, um durch Erschütte rung Raum für Umkehr und Trost zu schaffen. Der Maler will durch emotionale Bewegung und rationale Überwäl tigung argumentativ überzeugen. Dazu bedient er sich der rhetorischen und religiösen Profile seiner Epoche und er weist sich so als Vertreter römischer und katholischer BildTheorien in jesuitischer Rezeption.29
Entsprechend dem Anforderungsprofil für eine gute Rede unterliegen auch Gemälde, zumal religiöse Bild werke als visuelle Predigten, den klassischen Kriterien von Belehrung, Unterhaltung und persönlicher Rührung. In Umkehrung des Diktums, dass ein Gedicht wie ein Ge mälde sein soll (ut picutra poiesis – Horaz, 65–8 v. Chr.), lässt sich bei Rubens erkennen, wie das Narrativ seiner großen „Bilder“ wie ein „Gedicht“ nach rhetorischen Prinzipien poetisch gestaltet wird. Gemälde werden wie eine gute Rede konzipiert und mit den analogen Mitteln der Kunst so ausgeführt, dass sie überzeugen.30 Nicht ohne Grund wird Rubens aufgrund des narrativen Cha rakters und der erzählerischen Qualität vieler seiner Bild schöpfungen auch als „Homer der Malerei“ bezeichnet.31 In seinen Gemälden lassen sich die rhetorischen Dimen sionen des Prozesses einer thematischen Umschreibung (inventio), der Bildgliederung (dispositio), der Ausführung als künstlerische Ausformulierung (narratio bzw. elocutio) unterscheiden. Ebenso sind die inhaltlich-thematische Akzentuierung (argumentatio) und schließlich die über zeugende bis überwältigende Ausführung (peroratio bzw. actio) in den großen Altarblättern deutlich zu identifizie ren.
Rubens’ bildschöpferische Kreativität nährt sich je doch nicht ausschließlich von den rhetorischen bzw. reli giösen Traditionen oder Strömungen seines Jahrhunderts. Die gesteigerte Affektivität und Dramatik, zumal in seinen zahlreichen Darstellungen von Tod und Sterben, wurde von der sich wandelnden Konzeption der Theorie der Tra gödie beeinflusst. Gerade mit seinen zahlreichen Bildern von Sterben und Tod illustriert Rubens die tiefgreifende Transformation im Verständnis des Dramas. Das aristote lische Schema der Tragödie als Reinigung (katharsis) durch Erschütterung der Gefühle wurde im 16./17. Jahr hundert zunehmend in Richtung einer Provokation durch Darstellungen von Tod und Sterben modifiziert. Die un mittelbare existentielle Betroffenheit der Betrachtenden sollte gleichsam bestätigend und als Trost darauf ver weisen, welche Möglichkeiten – gerade in extremis – zum Erwerb der Tugend, vor allem der Tugend der Unerschüt terlichkeit gegeben sind. Bilder von Tod und Sterben of
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fenbaren die Kürze des Lebens und verweisen gleichzeitig auf die Chance, Tugend in den diversen Widrigkeiten des Lebens zu üben. Emotional wird Trost erhofft, indem man sich gegen die Angst vor unvermeidbaren Schicksals schlägen durch bewusstes Schauen auf die Unglücksfälle des Lebens wappnet. Bilder von Tod und Sterben nehmen als Schule der Emotionen (palaestra affectuum) den Ernst fall vorweg. Der Blick auf die tragische Vergeblichkeit des Lebens (res tragicae) konfrontiert unweigerlich mit Endlichkeit und Tod. „Indem [so] die affektische Heraus forderung der Vanitas mit allen Mitteln theatralischer und rhetorischer Schlagkraft artikuliert“ wird, entsteht eine „konsolatorische Antwort“.32 Man erreicht innere Bestän digkeit und Frieden, wenn man die Unbeständigkeit des Glücks und den Tod vor Augen hat und immer schon mit der Widrigkeit und Misslichkeit des menschlichen Lebens rechnet. Die drastischen Repräsentationen der Todesarten bei Rubens wollen mit den Mitteln der Kunst in ihrer Dramatik durch Überwältigung zu einem tugendsamen Leben überzeugen.
zum Beweis für die ursprüngliche Apostolizität bzw. die beständige Verlässlichkeit der aktuellen Lehre der Kirche. Der um des Glaubens willen erlittene Tod unterstreicht das Wort der christlichen Verkündigung und erhält selbst in der Märtyrerverehrung einen bekennenden Wortcha rakter. Aus diesem Motiv wurde die in der Spätantike entfaltete Konzeption vom Glaubenszeugnis des Marty riums erneut und im Kontext der katholischen Reform besonders in der konfessionellen Grenzstadt Antwerpen nicht zuletzt durch hagiografische Forschungen und Pu blikationen zum Prototyp christlicher Vollkommenheit.33
In diesem theologisch-kirchlichen Kontext übernehmen die Bilder vom Sterben der Märtyrer eine spezifische Rolle in der konfessionellen Propaganda und im künstlerischen Schaffen von Peter Paul Rubens eine bedeutende Position.
Vier Altarblätter mit großformatigen Apostelmar tyrien in den letzten fünf Jahren seines Lebens verleihen dem Spätwerk des alternden Meisters eine markante Prä gung. Sie zeigen den Meister inhaltlich und künstlerisch
Apostelmartyrien bei Rubens: Trost in der Tragödie
Dem Sterben der Primärzeugen des christlichen Glaubens kam im Kontext der katholischen Reform verstärkt eine neue symbolische und kirchenpolitische Bedeutung zu. Der Rückgriff auf das Vermächtnis der Apostel garantierte die Verbindung zum authentischen Ursprung des Christli chen. Die in der konfessionellen Auseinandersetzung des 16. und 17. Jahrhunderts neu instrumentalisierte, altkirch liche Idee des Apostolischen wurde für die katholische Seite in besonderer Weise zu einer Argumentationsfigur für die Richtigkeit ihrer Glaubensdeutung. Die Rück besinnung auf die Apostel garantierte die Verbindung mit dem Ursprung: In Überbietung des reformatorischen Prinzips des bloßen Wortes (sola scriptura) garantierte in nerhalb des komplexen Prozesses der Konfessionalisierung der Besitz der apostolischen Überlieferung (traditio apos tolica) die Rechtgläubigkeit. In herausragender Position waren gerade die Apostel als „Gesandte“ Christi die auto ritativen Tradenten des Evangeliums von der Erlösung im Tod – allen voran natürlich der erste des Apostelkolle giums, Petrus. Für die Verkündigung der christlichen Bot schaft von der Auferstehung hatten alle Apostel nach der Tradition einen gewaltsamen Tod erlitten, dem aufgrund tugendhafter Standhaftigkeit als Martyrium höchste An erkennung zukam. Aus diesem Grund wurden die Apostel als Märtyrer gerade durch die Art und Weise ihres Ster bens zur Bestätigung der Richtigkeit des Glaubens und
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Abb. 5 Peter Paul Rubens, Martyrium des hl. Paulus, ca. 1635–1638, Privatbesitz.
auf der Höhe der Zeit und vermitteln einen Eindruck in die persönliche Beschäftigung mit existentiellen Themen angesichts eines Endes. Mit den Darstellungen vom ge waltsamen Tod der Apostel Andreas und Thomas werden zwei Vorbilder apostolischer Predigt in paganem Umfeld dargestellt. Als Missionare fremder Völker erhalten diese Apostel Modellcharakter für die damals neue Missions tätigkeit heidnischer Völker in Amerika und Asien durch die Orden. Mit der Darstellung der beiden römischen Apostelfürsten, Petrus und Paulus, fügt sich Rubens in das romzentrierte Programm der katholischen Erneuerung ein, wie es in besonderer Form von den Jesuiten durch die Bindung ihrer Mission an den römischen Papst propagiert wurde. Die vier Altarblätter der dramatisch gesteigerten Todesarten gehören nach dem Urteil von Willibald Sauer länder „zu den bewegendsten Alterswerken“ von Rubens’ Hand.
Die Enthauptung des Apostels Paulus: Sterben in der Spannung zwischen Brutalität und Barmherzigkeit
Für ein Augustinerpriorat bei Brüssel schuf Rubens ein Hochaltarbild gigantischer Größe mit der Enthauptung des Völkerapostels Paulus. Das Altarbild wurde später zerstört, jedoch blieb seine dynamische Komposition an hand einer eigenhändigen Ölskizze erhalten (Abb. 5).34 Als Sujet wählte Rubens den Moment unmittelbar vor der Hinrichtung des Völkerapostels durch das Schwert. Paulus kniet den Betrachtenden zugewandt mit gefes selten Händen in der Bildmitte und erwartet seine Ent hauptung. Der rücklings und breitbeinig dastehende Scharfrichter mit dem Schwert in der Rechten reißt mit der anderen Hand das weiße Untergewand in gewalt tätiger Geste von Hals und Schultern des Delinquenten. Komplementär und in direktem Kontrast dazu tritt von der gegenüberliegenden Seite die aus der legendären Überlieferung bekannte Apostelschülerin Plautilla in die Szene und verbindet dem Todgeweihten mit einem Tuch in mitfühlender Geste die Augen. Der Kontrast zwischen männlicher Brutalität und dem menschlichen Akt der Barmherzigkeit durch die Schleierspende der Plautilla evoziert Mitempfinden. Der Gewissensfrage, wo sich der Betrachter des Bildes einordnet, kann nicht ausgewichen werden. Die legendären Erzählungen vom Sterben des Völkerapostels, die einer der ersten Jesuiten und Ignatiusbiograf Pedro de Ribadeneyra (1526–1611) publiziert hatte, berichten zusätzlich, dass die drei abge bildeten Soldaten, die der Hinrichtung von Amts wegen beiwohnten, sich aufgrund des Eindrucks der nonver balen Predigt demütiger Todesbereitschaft des Apos tels zum Christentum bekehrt haben und später selber
Märtyrer wurden.35 Durch diese hochemotionale Präsen tation in der Spannung zwischen Brutalität und Fürsorge möchte das Bild selbst missionarisch für Menschlichkeit und Mitempfinden wirken.
Der Tod des Apostels Thomas: Das Kreuz als Zuflucht und Halt unter Palmen Für die Kirche Prager Augustiner(eremiten) malt Rubens zwischen 1637 und 1639 ein Altarbild mit dem Tod des Apostels Thomas (Abb. 6). 36 Er stirbt als Missionar in exo tischem Ambiente am Palmenstrand, vor einem Götzen standbild auf einer Säule und paganer Tempelarchitektur. Der Patron Indiens wird von fünf Schergen zu Boden gerungen. Während der stürzende Apostel mit seiner Rechten im Fallen den Balken eines von ihm errichteten steinernen Missionskreuzes umgreift, findet er im Kreuz Halt im Fallen. Sein Blick richtet sich Hilfe suchend gen Himmel. Aus der lichten Dimension des Transzendenten erkennt der Sterbende analog zu den fünf Schergen fünf zu seiner Tröstung herbeieilende Engel. Die Putti strecken der bittend nach oben geöffneten Hand des Märtyrers mit
Abb. 6 Peter Paul Rubens, Martyrium des hl. Thomas, 1636–1638, Prag, Národní galerie v Praze, Dauerleihgabe der Tschechischen Provinz der Augustiner.
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Palmzweig und Lorbeerkranz die Symbole des Sieges im Scheitern entgegen. Die Vision der Engel bringt das über natürlich-himmlische Licht in die dunkle Szenerie der Er mordung des Apostels. Der Körper des niedersinkenden Thomas bildet mit seiner fallenden und gleichzeitig nach oben ausgreifenden Bewegung eine X-förmige Diagonale aus. Diese wird durch die mit Speer und Dolch zustechen den Mörder sternförmig verdoppelt. Die beiden gegenläu figen Diagonalen verstärken zusammen mit der Lichtfüh rung und den Gesichtsausdrücken von aggressiver Wut bei den Angreifern bis zum sehnsuchtsvollen Blick des Opfers zu den triumphierenden Engeln das Drama und Pathos der Szene. Die dichte Komposition, deren Linien dem in einem ordensähnlichen, schwarzen Talar gekleideten Mis sionar Thomas zusammenlaufen, wird zu einem Bild einer antithetisch-paradoxen siegreichen Niederlage – auch am Ende der Welt unter Palmen.
Der Tod des Apostels Andreas:
Lob des Kreuzes vom Kreuz herab
In zeitlicher Nähe zur Kreuzigung Petri malte Rubens das Martyrium des Apostels Andreas für eine flämische Spitalseinrichtung in Madrid (Abb. 7).37 Entsprechend der legendarischen Überlieferung der Andreasakten endet der Apostel am Kreuz, weil seine Predigt zur Enthalt samkeit die Frau des Prokonsuls von Patras zur ehelichen Entsagung motiviert hatte. Der Tod am Kreuz stellt die höchste Form der Nachahmung Jesu dar. Ein gekreuzig ter Märtyrer verdeutlicht existentiell, dass das christliche Glaubenszeugnis nicht einer geistigen Idee gilt. Das Kreuzmartyrium zeigt, dass christliches Glaubensleben eine persönliche Form der Christusnachfolge bedeutet (Mimesis, Imitatio Christi), die in Kreuz und Auferstehung Jesu gründet. Wenige Jahre vor der Entstehung der beiden Altarbilder mit gekreuzigten Apostel Andreas und Petrus, ist in Antwerpen bei Moretus ein einflussreicher Buchtitel des spanischen Jesuitentheologen Petrus Biverus (1572–1656) erschienen: Heiligtum des Kreuzes und des Duldens, das die Marter, die Mühsal und vor allem die Geduld aller Gekreuzigten und Kreuzträger vom Zeitalter der Apostel bis ins 16. Jahrhundert zum Thema hat. Der ambitionierte theologische Traktat verbindet Wissenschaft auf der Höhe der Zeit mit der frommen Ermutigung zum geduldigen Ausharren bei Krankheit und Leiden und ist als „neue Kunst guten Lebens und Sterbens“ mit emblematischen Abbildungen zeitgenössischer Künstler ausgestattet.38 Die Kreuzmarter des Andreas ist von lebhaften Berichten über den Predigteifer und seine Standhaftigkeit während seiner Passion verbunden. Der Apostel hatte, so wird berichtet, bei der Verurteilung zum Tod lange mit seinem Richter über das Geheimnis des Kreuzes (mysterium crucis) dis
kutiert. Bei seiner Hinrichtung begrüßte er das Kreuz mit rhetorischer Emphase: „O bona crux – Du gutes Kreuz […] lange ersehnt, aufrichtig geliebt, ohne Unterbruch gesucht […] empfange mich von den Menschen und gib mich meinem Vorbild zurück, damit durch dich mich empfängt, der mich durch dich erlöst hat.“39 Die X-Form des Andreas-Kreuzes wurde mit dem griechischen An fangsbuchstaben des Namen Christi gedeutet. Von diesem Kreuz soll der Apostel zwei Tage zu 20.000 Menschen ge predigt haben, so dass sich der Zorn der Menge gegen den Richter wandte. Dieser eilte zum Ort des Geschehens und befahl, dass Andreas heruntergenommen werde, was der Apostel wiederum ablehnte, weil er bereits „seinen König“ sah, der ihn als Gekreuzigter aus dieser Situation errettete.
Genau diesen pathetischen Moment der skandalösen Peripetie des Leidens, um davon erlöst und errettet zu werden, wählt Rubens für seine affektgeladene Bildkom position. Er verbindet verschiedene Elemente der damals aktuellen hagiografischen Forschung. In heftiger emotio naler Bewegung fließen Flehen, Befehlen, Losbinden und Ausharren ineinander. Der sterbende Apostel erscheint nicht mehr von dieser Welt. Andreas wird von einem von oben kommenden, metaphysischen Licht umstrahlt und wird, ähnlich wie Seneca, im Tod zu einem Exemplum sinnerfüllten Leidens und siegreichen Duldens.
Die Kölner Kreuzigung Petri : Suche nach Mitgefühl in Gewalt und Scheitern
Die Kölner Kreuzigung Petri bildet so etwas wie eine Summe der vielen Bilder, in denen Rubens die Themen von Leiden, Sterben und Tod bearbeitet (Taf. 1). Als Werk der letzten Schaffensperiode wird es eine Art „Musterbild“ und Vermächtnis.40 Zur Zeit der Entstehung hatte sich der Maler bereits seit einiger Zeit aus dem öffentlichen Leben und von der diplomatischen Bühne zurückgezogen. Ru bens konzentrierte sich auf sein künstlerisches Schaffen. In der Kreuzigung Petri griff er nochmals auf Erfahrungen aus allen Phasen seiner Karriere zurück, fasste zusammen und trieb sie bis zum Extremen: „Das appellative Formre pertoire der Frühzeit“ wird im Spätwerk „auf einen emoti ven Kern zurückgeführt“; für die Kreuzigung Petri möchte man ergänzen, konsequent darauf verdichtet.41 Wie alle Historienbilder der letzten Schaffensperiode verzichtete Rubens immer mehr auf räumliche und landschaftliche Tiefenentfaltung und auf narrative Elemente. Es geht ihm um präsentische Unmittelbarkeit: Der im Licht gehöhte, unbekleidete Leib des gemarterten Apostels entfaltet auf der vordersten Bildebene in seiner körperlichen Präsenz
Abb. 7 Peter Paul Rubens, Martyrium des hl. Andreas, ca. 1638/39, Madrid, Real Diputación de San Andrés de los Flamencos – Fundación Carlos des Amberes.
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eine dramatische Wucht, der sich niemand entziehen kann. Die Komposition ist im Vergleich zu den früheren Bildern und den vorangehenden Apostelmartyrien dras tisch und unmittelbar auf die Betrachter hin aufgebro chen. Durch die verkürzte Distanz, die direkte Draufsicht und den bereits bekannten dramatisierenden Akt der Auf richtung des Kreuzes ist man direkt mit dem grausamen Geschehen konfrontiert, ohne durch ein narratives Ele ment in den Bildzusammenhang eingeführt worden zu sein. Der umgekehrte Leib strebt erdenschwer nach unten. Dass der Maler die Gesetze der Schwerkraft und die Bewe gungen des menschlichen Körpers kennt, ist unschwer an den angewinkelten Knien und dem eingeknickten Bauch zu erkennen. Rubens schafft diese irreale Szenerie einer Körperlichkeit, die keine Minute wahr sein könnte und einem gleichsam entgegenfällt, um auf die seelische und geistliche Dimension des Geschehens zu verweisen. Auf diese Weise erzwingt das Gemälde förmlich emotionale Einfühlung und Identifikation.
Die Darstellung des persönlichen Namensheiligen von Rubens in seiner letzten Schaffensperiode, als er schon kränklich wurde und den eigenen Tod erahnen konnte, nimmt aus mehreren Gründen eine besondere Position unter seinen Bildern ein. Der Meister mit hochrangigen Aufträgen auf internationalem Niveau malte dieses Bild für die Pfarrkirche St. Peter seiner Kölner Kinderjahre (1578–1589), in der sein Vater, Jan Rubens (1530–1587), bestattet worden war. Eine mehr als pietätvolle Grabschrift der couragierten Mutter, Maria Pypelinckx (1538–1608), mag eine Zusammenfassung der familiären Wertschätzung des Vaters darstellen, die auch mit der Kirche verbunden war. Die Kreuzigung Petri gilt als sein persönlichstes und auch unheimlichstes Märtyrerbild, vielleicht „die erschüt terndste, grauenvollste und zugleich triumphalste Feier des christlichen Sieges über das Erleiden eines qualvollen Todes“. Es ist die „unfassliche Verbindung von irdischem Morden und himmlischem Jubel“.42
Die Darstellungen des Apostels Petrus im Gesamt werk des Künstlers sind fast immer direkt oder indirekt mit dem Thema des Totengedenkens verbunden.43 Die hagiografische Überlieferung verehrt Petrus als „Türsteher des Himmels“ (ianitor caeli), der nach biblischer Tradi tion mit den „Schlüsseln des Himmelreichs“ den Zugang zum ewigen Leben in Händen hält (Mt 16,19). Indem Rubens den Auftrag der Kölner Familie Jabach für das Hochaltarbild des Apostelfürsten der Pfarrkirche seiner Kindheit angenommen hatte, kommen in dem Gemälde verschiedene Motivstränge zusammen: Der patrizische und fromme Geltungsdrang der Stifter verbindet sich mit der persönlichen Anhänglichkeit des Malers an die Kölner Kirche, in der sein Vater begraben wurde. Dazu kommt
das ambitionierte Ziel, ein außergewöhnliches Bild auf künstlerisch höchstem Niveau zu schaffen, und vielleicht auch im Bewusstsein der eigenen Sterblichkeit, ein Ver mächtnis seiner Pietas gegenüber dem Vater und gegen über dem Glauben vorzulegen.
Die bildinventorische Begabung und Begeisterung des Meisters hatte ein angemessenes und würdiges Ob jekt gefunden. Der amtierende Pfarrer von St. Peter, Ar nold(us) Meshov(ius) (1626–1667), formulierte in einem lateinisch abgefassten Brief an den Vermittler des Auftrags für das Kölner Bild, Georg Geldorp (gest. 1652), die Vor gaben für die Motivauswahl des künftigen Altarbildes: Nach Rücksprache mit der Stifterfamilie wünsche er sich eine beliebige Episode aus der Vita des Apostels Petrus.44 Denn „ich habe keinen Grund, warum ich dir eine Form oder irgendeinen Plan, wie ich das Werk gerne haben möchte, vorschreiben sollte. Jener Maler ist so gewandt in der Erfindung von gelehrten, schönen und gefälligen Ideen, dass er unserer Ratschläge nicht bedarf.“45 Die zur freien Entscheidung ermutigende Weisung aus Köln wird von Rubens durch die Wahl der Darstellung der Kreuzi gung Petri beantwortet. In einem Brief vom 25. Juli 1637 bekennt Rubens: „Wenn ich jedoch ein sich auf den hei ligen Petrus beziehendes Thema nach meinem Gefallen wählen oder wünschen müsste, wäre es seine Kreuzigung mit den Füßen nach oben“ – „sijne cruijsinghe met de voe ten om hoogh“.46 Diese Darstellung, so räsoniert er weiter, komme seinem besonderen künstlerischen Talent ent gegen, sei seinen Kräften angemessen, wäre ihm gelegen und dennoch „extraordinair“.47
Mit der Wahl des Bildthemas der Kreuzigung Petri hatte Rubens sich auf eine außergewöhnliche Weise der Darstellung eingelassen. Seine Interpretation setzt sich vor allem mit den italienischen Vorbildern zum Thema auseinander. Denn während seines Romaufenthaltes muss er von dem Streit um die Plagiatsvorwürfe von Michel angelo Merisi da Caravaggio (1601–1602) gegen Guido Reni (1604–1605) erfahren haben. Vielleicht hat es den sechzigjährigen Altmeister gereizt, seine Vorläufer mit seiner Disposition zu überbieten, indem er vor allem auf Michelangelos Deutung in der Capella Paolina im Vatikan von 1546–1550 zurückgreift.
Der kopfüber gekreuzigte Erstapostel war seit alt kirchlichen Zeiten ein Symbol für eine sich unterord nende Akzeptanz des Schicksals in Abgrenzung zu seinem gekreuzigten Herrn, ein Bild der Tugend der Demut. Weil sich Petrus selbst für unwürdig hielt, wie sein Vor bild Jesus zu sterben, wurde er auf eigenen Wunsch mit dem Kopf nach unten (capite inverso) gekreuzigt. Die Hinrichtung kopfüber (per pedes suspendere) war eine in der Antike übliche Strafverschärfung, die Anwendung
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fand, wenn Sterbliche versucht hatten, sich an göttliche Stelle zu setzen. Bereits die apokryphen Petrusakten des 2. Jahrhunderts (Acta Petri) deuten das Sterben kopfüber als Sinnbild für das Geborenwerden. Traditionell wird im christlichen Kult der Todestag des Heiligen als „Geburts tag für den Himmel“ (dies natalis caelestis) begangen. Die erzählfreudige und literarisch wirkmächtige „Legenda Aurea“ des Jacobus de Voragine (1228/29–1298) lässt den gekreuzigten Apostel in Gebetssprache die Deutung seines Schicksals verkünden: „Herr, ich habe begehrt, dir nachzufolgen, aber ich wollte nicht aufrecht gekreuzigt werden. Du allein bist gerade, aufrecht und hoch, wir sind Kinder Adams, dessen Haupt zur Erde gebeugt war; sein Fall wird damit bezeichnet, wie der Mensch geboren wird: denn wir werden geboren, dass wir kopfüber auf die Erde werden gestoßen.“48
Kreuz und Nägel sind Schlüssel zum ewigen Leben. Diese Überzeugung wird auch durch die rhetorischen Fragen der Bildunterschrift des Kupferstichs zum Petrus martyrium in der Erbauungsschrift des Jesuiten Petrus Bi verus unterstrichen, die Rubens wahrscheinlich gekannt hat (Abb. 8): „Was ist, Petrus, die Aufgabe des Kreuzes? Öffnest du etwa das Himmelreich Christi nicht mit Schlüsseln? War nicht auch für Christus das Kreuz der Schlüssel?“49 Die Assoziation des lateinischen Wortspiels mit den Begriffen clavus (Nagel) und clavis (Schlüssel) führt Rubens evtl. auch zu der expressiven bildlichen Her vorhebung des Annagelns des Apostels von dem obersten Henkersknecht auf der linken Bildhälfte. Mit nahezu dämonischer Visage schwingt der Scherge in sadistischer Genugtuung den Hammer, um einen Nagel in den lin ken Fuß Petri zu treiben, während die übrigen Henkers knechte in gegenläufiger Bewegung versuchen, das Kreuz aufzurichten.50 Ein römischer Offizier in Rüstung und Helm unterstützt die grausame Tat. Schonungsloser kann die Qual einer Hinrichtung kaum geschildert werden und die Parallelität bzw. die Nachahmung (imitatio) des Erlö serleidens ins Bild gebracht werden. Der Kreuzestheologe Biverus hält fest: Der gekreuzigte Petrus ist das lebendige Abbild (viva imago) Christi.
Es ist ein Anliegen des Künstlers, durch die krude Körperlichkeit und Materialität die Historizität des Ge schehens zu unterstreichen. Denn das römische Papst tum begründet seinen Vorrang und seinen kirchlichen Führungsanspruch mit dem Argument der Präsenz Petri in Rom. Zwei passagere Gegenstände übernehmen diese Aufgabe im Bild der Kreuzigung Petri als triviale Details: Die achtlos am Boden liegende Schaufel und der rote Schulterkragen mit Hermelinbesatz (Mozetta) und das Chorhemd der päpstlichen Kleidung rechts und links ne ben dem Kreuzesstamm. Die Schaufel als Motiv ist bereits
Abb. 8 Kreuzmarter des hl. Andreas, Kupferstich aus Petrus Biverus „Sacrum Sanctuarium Crucis et Patientiae Crucifixo rum et Cruciferorum (…)“, Antwerpen 1634, S. 16.
auf dem Gemälde Caravaggios vertreten. Rubens über nimmt das Motiv, intensiviert es jedoch, indem er mit der frischen Erdkrume neben dem Loch, in dem das Kreuz aufgerichtet wird, auf die Authentizität eines realen Ortes verweist, der gemäß der Überlieferung am römischen Gia nicolo-Hügel lokalisiert wird. An der Stelle befindet sich die Kirche San Pietro in Montorio und der exakte Ort des Martyriums mit dem Loch für den Kreuzesbalken wird heute durch das Tempietto di Bramante bezeichnet. Die Schippe verweist gleichsam wie ein Pfeil auf den Ort des Martyriums und ist implizit ein Verweis auf die Legitimi tät der Ansprüche des römischen Papstes. Ähnliches gilt für die liturgischen Kleider am unteren rechten Bildrand. Vorbild für diese Positionierung ist wohl der Kupferstich im Sanctuarium Crucis. Dort sind unter dem Kreuzbalken die dreifache Papstkrone und die Schlüssel als Zeichen der päpstlichen Gewalt des Bindens und Lösens dargestellt. Rubens transponiert die Idee und malt im Schmutz lie gende päpstliche Kleidungsstücke (Taf. 8). Im Moment
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des Sterbens des Apostels wirkt der päpstliche Schulterkra gen in seiner roten Farbe, die in byzantinischer Tradition ausschließlich dem Herrscher zusteht, wie eine paradoxe Intervention: Im ohnmächtigen Scheitern des Apostels wird an die moralische Unverwundbarkeit des römischen Papsttums erinnert. Die muskulösen Körper der Henkers knechte, die den Mord ausführen, unterstreichen die Bru talität des Geschehens und die Ohnmacht des Opfers. Die Haltung der Figuren und die Gefühlsausdrücke auf ihren Gesichtern zwischen Aggression und Wut bis zu Verzweif lung und Agonie bestimmen zusammen mit der dramati schen Lichtführung und dem Farbauftrag die emotionale Wirkung beim Betrachter. Das Bild erregt Erstaunen, Bewunderung und Abscheu in einer Mischung all dieser Gefühlslagen. Die Kreuzigung Petri ist eine theatralische Peroratio, eine Schlussrede. Die Betrachter des Bildes werden vom angsterfüllten und gleichzeitig kämpfenden Petrus angeschaut, was Rubens wohl von Michelangelo übernommen hat. Die exakte Blickrichtung des gemarter ten Apostels, dem das Blut in den Kopf schießt, bleibt in definit, letztlich offen: Der Blick des Laokoon Christianus als Vorbild im Ertragen des Schmerzes changiert zwischen dem Anblick der am Boden liegenden päpstlichen Kleider oder dem schmerzerfüllt, sehnsüchtigen Blick auf den Be trachter des Szenarios: Gibt es jemanden, der Mitgefühl zeigt? Ist da ein Mensch, der sich in dieser ausgesetzten Situation ansprechen lässt?
Paradoxe Ästhetik: Irdischer Tod – himmlischer Trost
Die Kölner Kreuzigung Petri bildet so etwas wie eine konzeptionelle und künstlerische Summe im Spätwerk des Peter Paul Rubens. Das Gemälde aus der allerletzten Schaffensperiode lässt bildinventorische und maltech nische Erfahrungen einer langen künstlerischen Karriere meisterhaft zusammenfließen. Andererseits schlägt das Œuvre aus der letzten Schaffensphase des Meisters auch einen Bogen zurück in die Anfänge seiner künstlerischen Karriere. Die innere Verbindung zum Frühwerk mit den leidenden Helden der Antike, besonders die ausdrückliche Nähe der Kreuzigung Petri zum Tod des Seneca bis in phy siognomische Details ist dafür ein unzweifelhafter Beleg. Rubens präsentiert den gemarterten Apostelfürsten Petrus zudem als duldenden, christlichen Laokoon, der, indem er sich einerseits in das unausweichliche Schicksal fügt, gleichzeitig sterbend das Leben in Freiheit und Würde verteidigt, indem er sich zur Wehr setzt. Auch in Bezug auf die inhaltlich-philosophische Positionierung gewinnt man den Eindruck, dass Rubens nochmals die verschiede
nen geistigen Ströme seiner Bildungsbiografie Revue pas sieren lässt und dabei altersgemäß konzentrativ verdichtet. Es hat den Anschein, als wolle der Maler angesichts seiner persönlichen Erfahrungen von Krankheit und Alter diese Thesen auf ihre intellektuelle Redlichkeit und ihre kon solatorische Qualität hin abklopfen. Denn Tugend bedeu tet nicht, Lust oder Schmerz zu meiden, sondern beide zu beherrschen. In einem Brief an den Agenten Georg Geldorp unterstreicht Rubens neben Informationen über den Fortgang der Arbeiten sein persönliches Interesse an diesem Œuvre: „Deshalb möchte ich es nicht unterlassen, Sie zu benachrichtigen, dass ich schon sehr weit damit bin und dass ich die Hoffnung habe, es werde eines der besten Bilder werden, die meine Hand bisher geschaffen hat.“51 Ein derartig engagiertes Statement über das eigene Schaffen unterstreicht, dass sich der Künstler bewusst war, mit diesem Bild etwas Besonderes schaffen zu wol len. Das Sujet fordert ihn besonders heraus. Aus diesem Grund wünschte er, „dass ich nicht gerne gedrängt werde, sondern bitte, es meiner Sorgfalt und Verantwortlichkeit zu überlassen, um es mit Freude fertigstellen zu können. Denn wenn ich auch sehr mit anderen Arbeiten überlastet bin, so reizt mich doch gerade dieses Bild vor allen ande ren, die ich unter den Händen habe.“52
Jenseits einer rein gelehrten Bildkomposition legt Rubens im Bewusstsein, auf der Zielgerade seiner Lebens bahn angelangt zu sein, ein sehr persönliches Zeugnis seiner reiferen Tage vor. Er stellt sich auch der Frage des persönlichen Sterbens. Ganz im Sinne des neustoizisti schen Skeptizismus reflektiert er malend in der Figur des gemarterten Petrus die nüchterne Quintessenz des Seneca, dass das Ende menschlicher Existenz nichts anderes be deutet, als kopfüber zu fallen.53 Diesem Sturz in die Tiefe möchte der gereifte Stoiker in der inneren Freiheit gelasse ner Gleichmut (atharaxia – indifferentia) entgegengehen und dabei eine offene Perspektive behalten. Ein solches Bild des Lebens (imago vitae) in innerer Freiheit und äu ßerer Gelassenheit haben antike Heroen und christliche Märtyrer bewiesen, allen voran der sterbende Seneca. Für den Christen kommt in dieser finalen Situation als wett eifernde Überbietung der paganen Indifferenz das Wissen hinzu: Das Ende der irdischen Existenz bedeutet nicht nur ein Fallen in die beziehungslose Unterwelt oder in den Abgrund einer namenlosen Leere, sondern, dass das Ster ben von der Zusage göttlicher Erlösung zur Glückseligkeit einer himmlischen Gemeinschaft getragen ist. Vielleicht ist die Frage nach dem Leid und dem unausweichlichen Sterbenmüssen der Ernstfall keineswegs nur der Religion, sondern der menschlichen Existenz. In seinen Märtyrer bildern ist Rubens ein Maler dieser Schicksalsfrage. Er weiß darum, dass in der physischen Verwundbarkeit des
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Menschen etwas bleibt, das davon gänzlich unberührt ist. Vielleicht erahnt Rubens, was Leonard Cohen (1934–2016) in folgende Worte gebracht hat: „There is a crack in everything – that’s where the light gets in“. Zumindest wird das grausame Szenario von zwei Arten des Sonnen lichts bestrahlt. Das Dunkel des Martyriums wird je nach Perspektive von einer doppelten Lichtquelle erhellt: Von dem über das Bild in himmlische Sphären hinausragenden Kreuzstamm fließt hellgelbes Tageslicht der Sonne in das Bild des Sterbens hinab. Das Licht des neuen Tages bricht sich in der Figur Petri, dessen Brustkorb leuch tend gehöht erscheint. Während gleichzeitig aus der Per spektive von unten, ein rötliches Abendlicht im Tüll des ansonsten unbeachtet in die Szene fliegenden Engelputto erkannt wird. Im Prozess des radikalen Loslassens bricht eine doppelte Gleichzeitigkeit an, in der das Abendrot
ANMERKUNGEN
1 L. Annaeus Seneca: Epistulae Morales, ad Lucilium I, 8, 4, in: L. Annaei Senecae Epistulae Morales (Oxford Classical Texts), recognovit et adnotatione critica instruxit L. D. Reynolds, Ox ford 1965, S. 15.
2 Biografische und kunsthistorische Informationen und Daten siehe Nils Büttner: Pietro Pauolo Rubens. Eine Biographie (Regensburger Studien zur Kunstgeschichte 25), Regensburg 2015; und Online zu Rubens: Quellen und Dokumente zu Leben, Werk und literarischen Bezügen des Malers, Unter nehmers und Diplomaten Peter Paul Rubens (1577–1640), hg. von Nils Büttner/Ulrich Heinen, bearb. von Agnes Heine, Wolfenbüttel 2011; http://diglib.hab.de/edoc/ed000083/ startx.htm (25. 06. 2021).
3 Der Terminus „Todesarten“ ist inspiriert von der gleichnami gen, unvollendet gebliebenen Romantrilogie von Ingeborg Bachmann. Hans J. Wulff: Art. „Promiskuität und Geheimnis. Tod und Sterben als Gegenstände von Öffentlichkeit und Be richterstattung“, in: Ästhetik und Kommunikation 39 (2008), S. 109–114, http://www.derwulff.de/2-154 (25. 06. 2021).
4 Rüdiger Schöttle: Variationen über das Theater der Grausam keit – Variations on the Theatre of Cruelty, Köln 2019, 5.
5 Peter Paul Rubens, Der Mord der unschuldigen Kinder, ca. 1611–12. Öl auf Holz, 142 × 182 cm. The Thompson Collec tion, Art Gallery of Ontario, Toronto.
6 Willibald Sauerländer: Der katholische Rubens. Heilige und Märtyrer, München 2011.
7 Peter Paul Rubens, Heiliger Sebastian von Engeln gepflegt, um 1604; unterer Engel um 1610 von Werkstatt ergänzt. Öl auf Leinwand, 119,5 × 155,5 cm. Dauerleihgabe der Sammlung Schoeppler, Rubenshuis, Antwerpen.
8 Aneta Georgievska-Shine: „In nova fert animus …“ Rubens und die Poetik der Verwandlung, in: Rubens. Kraft der Ver wandlung, Ausstellungskatalog Kunsthistorisches Museum
vom aufstrahlenden Licht eines neuen Tages überstrahlt wird. Diese Dimension österlicher Zuversicht wird zu sätzlich zu der künstlerischen Auseinandersetzung durch das antike Gebet des Iuvenal unterstrichen, das Rubens als Motto in eine der Kartuschen des Portikus seiner Ant werpener Künstlerresidenz setzen lässt: „Beten soll man um gesunden Geist in gesundem Körper, um eine mutige Seele, die frei von Todesfurcht ist, die von Zorn nichts weiß und die nichts begehrt.“54 Dafür steht die Figur des leidenden Apostelfürsten in der Kölner Kreuzigung Petri, als wahrhaft mutige Seele. In äußerster Bedrängnis hält er gleichmütig die dramatische Spannung zwischen Sterben und Erlösung aus. Auf diese Weise reflektiert das Bild ohne vorschnelle Vereinnahmung die gegenläufige Dy namik von irdischem Sterben und österlichem Trost des Himmels.
Wien und Städel, Frankfurt am Main, hg. von Gerlinde Gru ber u. a., München 2017, S. 29–33.
9 Als Beleg kann die geistige Präsenz von Justus Lipsius auf dem Selbstbildnis im Kreis der Mantuaner Freunde gelten, 1602–1604/05. Öl auf Leinwand, 77,5 × 101 cm. WRM , Köln, Inv. Nr. Dep. 248. – Verstärkt wird diese These noch durch Reprä sentation des bereits verstorbenen Lipsius in dem als „Epitaph“ konzipierten Bild (W. Sauerländer) für seinen Bruder Philipp, Die vier Philosophen, 1611/12. Öl auf Holz, 167 × 143 cm. Palazzo Pitti, Galleria Palatina, Florenz.
10 Rubens. La Passion des Livres et sa Biliothèque, Ausstellungs katalog Musée Plantin-Moretus, hg. von Francine de Nave, Antwerpen 2004, S. 81f.
11 Nils Büttner: Herr P. P. Rubens. Von der Kunst, berühmt zu werden (Rekonstruktion der Künste 7), Göttingen 2006.
12 Peter Paul Rubens, Der sterbende Seneca. Öl auf Holz, 185 × 154,7 cm (Gesamtmaß; rechts, links und unten ca. 18 cm angestückt). Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Alte Pina kothek, München, Inv.Nr. 305. – Günter Hess: Der Tod des Seneca. Ikonographie – Biographie – Tragödientheorie, in: Der Tod des Seneca. Studien zur Kunst der Imagination in den Texten und Bildern des 17. und 18. Jahrhunderts (Jesuitica 10), hg. von Günter Hess/Julius Oswald, Regensburg 2009, S. 15–48.
13 Quintus Horatius Flaccus, Carmina 1,11.
14 Otto von Simson: Peter Paul Rubens (1577–1640). Humanist, Maler und Diplomat (Berliner Schriften zur Kunst 8), Mainz 1996, S. 153.
15 Deutung als Trostbild bei von Simson 1996 (Anm. 14), S. 154f.; vgl. Ulrich Heinen: Stoisch Sterben lernen – Rubens’ Memorialbild auf Justus Lipsius und Philipp Rubens, in: Po kerfaced. Flemish and Dutch Baroque Faces unveiled, hg. von Katlijne van der Stigelen u. a., Turnhout 2010, S. 25–68.
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16 Christoph Schmälzle: Laokoon in der Frühen Neuzeit, 2 Bde., Frankfurt a. M. 2018.
17 Marjon van der Meulen: Rubens. Copies after the Antique (Corpus Rubenianum Ludwig Burchard XXXIII ), London 1994, S. 93–104, Nr. 76–93; vgl. verschiedene Skizzen: Laokoon-Gruppe, Studie, ca. 1601/02. Schwarze Kreide auf gräulichem Papier, 48,2 × 37,5 cm, WRM , Köln, Inv.Nr. Z 5889, oder Studie, ca. 1601/02. Schwarze Kreide, weiß gehöht, 47,5 × 45,7 cm, Veneranda Biblioteca Ambrosiana, Mailand, Reata 2 Codex. F 249 inf. Bl. 4.
18 Peter Paul Rubens, Laokoon-Gruppe, Studie, um 1601/02, schwarze Kreide auf Papier, Veneranda Biblioteca Ambrosiana, Mailand; vgl. ders., Torso des Laokoon in Dreiviertelansicht, um 1601/02. Schwarze Kreide auf Papier, 456 × 296 mm. Dresden, Staatliche Kunstsammlungen Dresden: KupferstichKabinett, Inv.Nr C 1874-22a.
19 Peter Paul Rubens, Der gefesselte Prometheus (Adler von Frans Snyders). Öl auf Leinwand, 246,6 × 209,5 cm. Philadelphia Museum of Art, Philadelphia, Inv.Nr. 1950-3-1. Von den ver schiedenen Kopien des Bildes befindet sich eine im Landes museum Oldenburg.
20 Sauerländer 2011 (Anm. 6), S. 31.
21 Emmanuel Lemakis: The Crucifixion as a Pictorial Narrative: Scene-making and the Illusion of Place and Time, Columbia University, New York 1990.
22 Peter Paul Rubens, Kreuzaufrichtung, 1611. Öl auf Holz, Mit teltafel, 462 × 341 cm. Antwerpen, Kathedrale.
23 Peter Paul Rubens, Kreuzigung und Lanzenstich (Coup de Lance), 1619–1620. Öl auf Holz, 429 × 311 cm, Antwerpen, Koninklijk Museum voor Schone Kunsten.
24 Birgit Ulrike Münch: Geteiltes Leid. Die Passion Christi in Bildern und Texten der Konfessionalisierungen. Druckgraphik von der Reformation bis zu den jesuitischen Großprojekten, Regensburg 2009; Christian Hecht: Katholische Bildertheo logie im Zeitalter von Gegenreformation und Barock. Studien zu den Traktaten von Johannes Molanus und Gabriele Paleotti und anderen Autoren, Berlin 1997.
25 Ignatius von Loyola, Exercitia Spiritualia Nr. 122, in: Ignatius von Loyola: Die Exerzitien, übertragen von Hans Urs von Balthasar, Einsiedeln 132005, S. 121; The Jesuits: Cultures, Sciences and the Arts (1540–1773), hg. von John W. O’Mally u. a., Toronto 2015; Jesuit Image Theory (Intersections 45), hg. von Wietse de Boer/Karl A. E. Enenkel/Walter S. Melion, Leiden/Boston 2016.
26 Jerome Nadal: Annotations and Meditations on the Gospels, 3 Bde. zzgl. Indexband, hg. von Frederick A Homann/Walter S. Melion, Philadelphia 2003–2014; Paul Rheinbay: Biblische Bilder für den inneren Weg. Das Betrachtungsbuch des Igna tius-Biographen Hieronymus Nadal (Deutsche Hochschul schriften 1080), Egelsbach u. a. 1995.
27 Birgit Ulrike Münch: Neue Märtyrer – alte Heilige. Das Martyrium im konfessionellen Diskurs: Zur theologischen Strategie einer bildkünstlerischen Leerstelle, in: Kunst und Konfession: Katholische Auftragswerke im Zeitalter der Glaubensspaltung, hg. von Andreas Tacke, Regensburg 2008, S. 116–143.
28 Leif Holm Monssen: The Martyrdom Cycle in Santo Stefano Rotondo, in: Acta ad Archaeologiam et Artium Historiam Pertinentia 2 (1982), S. 175–317.
29 Wietse de Boer: The early Jesuits and the Catholic Debate about Sacred Images, in: Jesuit Image Theory 2016 (Anm. 25), S. 53–73.
30 Markus Hundemer: Argumentative Bilder und bildliche Ar gumentation: Jesuitische Rhetorik und Barocke Deckenma lerei, in: Jesuiten in Wien. Zur Kunst- und Kulturgeschichte der österreichischen Ordensprovinz der „Gesellschaft Jesu“ im 17. und 18. Jahrhundert (Österreichische Akademie der Wis senschaften. Veröffentlichungen der Kommission für Kunst geschichte 5), hg. von Herbert Karner/Werner Telesko, Wien 2003, S. 261–273.
31 Gilles Néret: Peter Paul Rubens 1577–1640: L’Homère de la peinture, Paris 2006. Zur Wirkungsgeschichte: Sensation et Sensualité. Rubens et son héritage, Ausstellungskatalog Palais des Beaux Arts, Bruxelles – Koninklijk Museum voor Schone Kunsten, Antwerpen, Royal Academy of Arts, London, hg. von Bernard Steyaert, Brüssel 2014.
32 Hans Jürgen Schings: Consolatio Tragoediae. Zur Theorie des barocken Trauerspiels, in: Deutsche Dramentheorien. Beiträge zu einer historischen Poetik des Dramas in Deutschland, hg. von Reinhold Grimm, Frankfurt a. M. 1971, S. 37.
33 Nicht zuletzt durch das ab 1607 in Antwerpen von der „So cieté des Bollandistes“ konzipierte und initiierte historischkritische Projekt der „Acta Sanctorum“ war Rubens mit der hagiografischen Literatur und den legendarischen Überlie ferungen der Heiligen vertraut, aus deren Kenntnissen er in seinen Bildern von Heiligen nachweislich schöpft. Zur Hei ligenverehrung Peter Brown: Die Heiligenverehrung. Ihre Entstehung und Funktion in der lateinischen Christenheit, Leipzig 1991; John B. Knipping: Iconography of the Coun ter Reformation in the Netherlands: Heaven on Earth, Lei den 1974.
34 Peter Paul Rubens, Martyrium des heiligen Paulus, ca. 1635–1638. Öl auf Holz, 38 × 22,9 cm. Privatbesitz; Sauerländer 2011 (Anm. 6), S. 202–206.
35 Petrus de Ribadeneira: Flos Sanctorum, sive Vitae Sanctorum, Köln 1630, Bd. 1, S. 293.
36 Peter Paul Rubens, Martyrium des heiligen Thomas, 1636–1638. Öl auf Leinwand, 380 × 253 cm. Prag, Národní galerie v Praze – Collection of Old Masters in Sternberg Palace, Leih gabe der Tschechischen Provinz der Augustiner [OSA ]; Sauer länder 2011 (Anm. 6), S. 206–217.
37 Peter Paul Rubens, Martyrium des heiligen Andreas, ca. 1638–39. Öl auf Leinwand, 306 × 216 cm. Madrid, Real Diputación de San Andrés de los Flamencos – Fundación Carlos de Am beres. Sauerländer (Anm. 6), S. 217–224; Abigail D. Newman: Rubens’s St. Andrew „de los Flamencos“. Altarpiece enframed by a Spanish-Flemish Community, Antwerpen 2018.
38 Petrus Biverus: Sacrum Sanctuarium Crucis et Patientiae Crucifixorum et Cruciferorum. Emblematicis imaginibus la borantium et aegrotantium ornatum: Artifices gloriosi novae artis bene vivendi et moriendi secundum rationem regulae et circini, Antwerpen 1634; zum Apostel Andreas, S. 25–32.
Stephan Ch. Kessler SJ 30
39 Biverus (Anm. 38), S. 25 fast wortgleich auch in anderen Pas sionsberichten: Passio Sancti Andreae Apostoli, in: Analecta Bollandiana 13 (1894), S. 373–378.
40 Peter Paul Rubens, Kreuzigung Petri ca. 1636–1640. Öl auf Leinwand, 330 × 223 cm. Katholische Kirchengemeinde St. Peter, Köln. Hans Ost: Peter Paul Rubens’ „Kreuzigung Petri“ in der Peterskirche zu Köln, in: WRJ b 55 (1994), S. 139–158; Mariana Hanstein: Peter Paul Rubens’ „Kreuzi gung Petri“. Ein Bild aus der Peterskirche zu Köln, Köln 1996; Sauerländer 2011 (Anm. 6), S. 224–237. Siehe den Beitrag von Anna Pawlik in diesem Band.
41 Martin Warnke: Rubens. Leben und Werk, Köln 2011, S. 154.
42 Sauerländer 2011 (Anm. 6), S. 202.
43 Siehe den Beitrag von Nils Büttner in diesem Band.
44 Guido Schlimbach: Für einen lange währenden Augenblick. Die Kunst-Station Sankt Peter im Spannungsfeld von Religi on und Kunst (Bild – Raum – Feier. Studien zu Kirche und Kunst 7), Regensburg 2009, S. 140–159: 143; das Kapitel „Die ‚Kreuzigung Petri (1638) von Peter Paul Rubens: Beispiel gegenreformatorischer Bildtheologie“; ergänzt und erweitert nochmals veröffentlicht, in: ders.: „Eines der besten Bilder, die meine Hand geschaffen hat“. Peter Paul Rubens. Die Kreuzi gung Petri, Köln: Kunst-Station Sankt Peter Köln 2015.
45 Arnold(us) Meshov(ius): Brief an Everhard IV . Jabach in London vom 8. April 1637: „Non est quod tibi praescribam formam sive proiectum quoddam iuxta optatum mentis nos trae beneplacitum. Pictor ille inventions artis suae tam doctas, pulchras, subtiles in promptu tenet, ut non egeat monitis nos tris.”, in: AEK , PfA St. Peter, B 16, Bl. 55f, Folioband „Rechen buch“ 1614–1644); vgl. Leonard Ennen: Die Kreuzigung Petri, von P. P. Rubens, in der Kirche St. Peter zu Köln, in: AHVN 25 (1873), S. 223–224. – Die Freiheit und Offenheit
des Pfarrers im 17. Jahrhundert scheint die offene Konzeption der Kunst-Station Sankt Peter Köln im Umgang mit der abs trakten Gegenwartskunst vorwegzunehmen.
46 Peter Paul Rubens: Brief an George Geldorp (auf Niederlän disch), 1637 Juli 25, in: Codex Diplomaticus Rubenianus. Correspondance de Rubens et documents épistolaires concer nant sa vie et ses œuvres, Bd. 4, hg. von Max Rooses / Charles Ruelens, Antwerpen 1906, S. 177 (Nr. 830); vgl. Die Briefe des P. P. Rubens, übersetzt u. eingeleitet von Otto Zoff, Wien 1918, S. 458f. (Nr. 216).
47 Ebd.
48 Jacobus de Voragine: Legenda aurea, übersetzt von Richard Benz, Jena 1907, Bd. 1, S. 565; zur theologischen Deutung des Erstapostels: Rudolf Pesch: Simon-Petrus. Geschichte und ge schichtliche Bedeutung des ersten Jüngers Jesu Christi (Päpste und Papsttum 15), Stuttgart 1980.
49 Biverus (Anm. 38), S. 15, 2. Kupferstich.
50 Die Physiognomie des Schergen ist aus einem früheren Ru bens-Bild bekannt: Pan und Syrinx. Ölskizze, Bayonne, Musée Bonnat; Sauerländer 2011 (Anm. 6), S. 230.
51 Peter Paul Rubens: Brief an George Geldorp (auf Niederlän disch), 1638 April 02, Feder in Braun auf Vergé, Kölnisches Stadtmuseum, Köln; zitiert nach: Zoff 1918 (Anm. 46), S. 464, Nr. 219.
52 Peter Paul Rubens: Brief an George Geldorp (auf Niederlän disch), 1638 April 02, Feder in Braun auf Vergé, Kölnisches Stadtmuseum, Köln; zitiert nach: Zoff 1918 (Anm. 46), S. 464, Nr. 219.
53 Vgl. Seneca-Motto des Essays (Anm. 1).
54 Decimus Iunius Iuvenalis (gest. ca. 138), Satire 10, S. 356–357, in: Juvenal, Satiren hg. von Joachim Adamietz, Göttingen 2014, S. 276–278.
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