Schwarz-Weiß

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Lucy Wasensteiner (Hrsg.)



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MAX LIEBERMANNS DRUCKGRAFIK



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MAX LIEBERMANNS DRUCKGRAFIK Lucy Wasensteiner (Hrsg.)



INHALT

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VORWORT

SCHWARZ-WEISS IN BERLIN

Johannes Nathan

DIE GRAFIK LIEBERMANNS IM ­B ERLINER KUPFERSTICHKABINETT UND MAX J. FRIEDLÄNDER

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SCHWARZ-WEISS LIEBERMANNS DRUCKGRAFIK Lucy Wasensteiner

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ZWISCHEN ORIGINAL UND ­R EPRODUKTION MAX LIEBERMANN UND DIE KUNST IM BUCH Andreas Schalhorn

30 ¨ ¨ SSEL RÜ CKSEITEN ALS SCHLU RU SCHLÜ

DRUCKGRAFIK IN DER LIEBERMANNVILLA UND DIE ERFORSCHUNG IHRER HERKUNFT Denise Handte, Alice Cazzola

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DIE AUSGESTELLTEN WERKE VON DER IDEE BIS ZUR PUBLIKATION Viktoria Bernadette Krieger

Sigrid Achenbach

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AUTORINNEN UND AUTOREN 126

DANK 127

BILD- UND FOTONACHWEIS 128

ZUR AUSSTELLUNG UND IMPRESSUM


In stillem Gedenken an unseren Kollegen Frank Steffen (1961 – 2021). Über viele Jahre hat er sich mit großem Engagement für die Liebermann-Villa eingesetzt. Er wird immer ein Teil des Museums sein.


VORWORT

SCHWARZ-WEISS – das ist in unserer Liebermann-Villa ein wenig ungewohnt,

denn heute kennen wir Max Liebermann zunächst als großen Farbkünstler, der die koloristischen Wagnisse des Impressionismus feinfühlig mit den kühleren ­Tönen des Nordens zu verbinden wusste. Im Sommer strahlten einst sein Haus und Garten mit tausend Blüten vor dem blauen Wannsee – was dank des ­Gemeinschaftswerks u ­ nserer Gesellschaft nach langer Unterbrechung seit bald zwei Jahrzehnten w ­ ieder so ist: Die Farbenpracht, die Liebermann in seinen ­Gemälden einfing, kann beim Besuch nun wieder nachempfunden werden. Im Gegensatz zu früher s­ chütten jetzt aber auch immer leistungsstärkere elektronische Geräte täglich eine wachsende Bilderflut mit stets größerer Leuchtkraft, Schärfe und ­Intensität vor uns aus. Gerade angesichts der rasanten medialen Veränderungen gerät heute oft in Vergessenheit, welchen Stellenwert die Druckgrafik einst in der Kunstwelt innehatte. Im Laufe der Jahrhunderte führte sie einen unaufhaltsamen Eroberungszug, der sich auch auf den Buch- und Zeitungsdruck ausweitete, wo die Bilder neben den Texten immer lebendigere, wirkungsvollere Fenster zur Welt öffneten. Sie zirkulierte dank einer wachsenden Zahl von Vervielfältigungstechniken, allen ­voran die kurz vor 1800 erfundene Lithografie, auch dort, wo Museen und ­Ausstellungen für Kunstinteressierte kaum erreichbar waren. Und nicht zuletzt ermöglichte sie einen erschwinglichen Einstieg ins Kunstsammeln – ein wichtiger, oft unterschätzter Aspekt des gesellschaftlichen Kulturlebens. In der gegenwärtigen Zeit des erneuten medialen Umbruchs ist es überaus ­passend, einen genauen Blick auf die Druckgrafik von Max Liebermann zu werfen. Mit diesen Arbeiten, die für ihn alles andere als nebensächlich waren, nahm er selbst an einer Medienrevolution teil. Wir freuen uns sehr, dass wir uns bei der Reise in dieses immer noch zu wenig bekannte Territorium auf das ausgewiesene Fachwissen von Sigrid Achenbach, die erste Expertin für Liebermanns Druck­ grafik, und Andreas Schalhorn, Referent am Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin, verlassen durften. Ihnen danke ich ebenso herzlich wie Lucy Wasensteiner, Viktoria Bernadette Krieger, Denise Handte und Alice Cazzola für ihre große Arbeit an diesem faszinierenden Projekt, dessen Realisierung wir mit Freude wahrnehmen. Einmal mehr aber gilt: Diese Ausstellung hätte nicht ohne den großen Einsatz des gesamten Teams der Liebermann-Villa, ohne die Arbeit der ehrenamtlich Tätigen und ohne die Unterstützung der Mitglieder sowie der großzügigen Spenderinnen und Spender gelingen können. Ihnen allen gilt unser herzlichster Dank! Johannes Nathan, Vorsitzender der Max-Liebermann-Gesellschaft Berlin e.V.

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SCHWARZ -WEISS LIEBERMANNS DRUCKGRAFIK Lucy Wasensteiner

Ohne Zweifel war es die Malerei, mit der sich Max Liebermann

(1847 – 1935) bereits zu Lebzeiten einen Namen machte. Mit seinen impres­ sionistischen Gemälden erlangte er Berühmtheit: Seien es die weiten holländischen Landschaften, die lichtüberströmten Strandszenen, die imposanten Porträts der Berliner Gesellschaft oder die unwiderstehlichen Darstellungen seines Wannseegartens. Schon vor dem Tod des Künstlers fanden diese Bilder ihren Weg in die bedeutendsten Sammlungen der Zeit. Sie hingen nicht nur in Galerien und Museen, sondern auch in privaten Stadthäusern und Sommerresidenzen in ganz Europa. Neben diesem beeindruckenden malerischen Werk gilt es jedoch, auch Liebermanns druckgrafisches Œuvre angemessen zu würdigen. Innerhalb von etwa fünfzig Jahren schuf Liebermann mehr als 600 druckgrafische Werke als Radierungen und Lithografien sowie als Holzstiche in Zusam­ menarbeit mit professionellen Xylografen. Die frühesten dieser Arbeiten stammen aus den 1870er Jahren, als Liebermann sein Studium in Weimar gerade abgeschlossen hatte; die letzten entstanden in den frühen 1930er Jahren, während seiner späten Amtszeit als Präsident der Akademie der Künste in Berlin. Liebermanns druckgrafische Blätter wurden einerseits in kostbaren kleinen Stückzahlen und andererseits auch in sehr hoher Auflage gedruckt. Und genau wie seine Gemälde wurden sie von Museen und Privatpersonen eifrig gesammelt. Dazu erschienen sie auch als Abbil­ dungen in Büchern und als Reproduktionen in Zeitschriften. Liebermann erreichte mit seinen druckgrafischen Arbeiten ein sehr breites Publikum. Sie waren damit für viele Zeitgenossen ein erster Berührungspunkt mit der Kunst Max Liebermanns. In diesem Frühling widmet die Liebermann-Villa am Wannsee der Druck­ grafik Liebermanns erstmals eine Ausstellung. Oft wurden diese Blätter in

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thematischen Ausstellungen in der Villa gezeigt; sie stehen nun mit dieser Präsentation zum ersten Mal im alleinigen Fokus. Die Werke stammen alle aus der Sammlung der Max-Liebermann-Gesellschaft Berlin e.V., ­Trägerverein der Liebermann-Villa am Wannsee. Diese Sammlung grün­ dete sich seit Ende der 1990er Jahre durch Schenkungen und Ankäufe für das sich damals noch in Planung befindende Museum. Heute umfasst sie – neben Gemälden, Zeichnungen und Archivgut – rund 150 druck­ grafische Blätter aus allen Schaffensphasen Liebermanns. Sie bietet damit einen umfangreichen Einblick in das druckgrafische Schaffen des ­Künstlers. Ziel dieser Ausstellung ist allerdings nicht nur, diesen Blättern eine Bühne zu geben – auch wenn sie diese wohl verdienen. Ein wichtiges Anliegen von Ausstellung und Katalog besteht darin, Liebermanns Druckgrafik für das heutige Publikum zu »entziffern«, bzw. grundlegende Fragen zu ­stellen, die bislang nur selten im Rahmen von Ausstellungen diskutiert wurden, wie zum Beispiel: Welcher druckgrafischen Techniken bediente sich Liebermann? Wie genau sah der Schaffensprozess aus? In diesem Sinne werden in der folgenden Einführung einzelne Aspekte aus Lieber­ manns Druckgrafik kurz vorgestellt – basierend auf den bestehenden Werkverzeichnissen sowie den wichtigen Veröffentlichungen der Liebermann-­Expertin Sigrid Achenbach.1 Anschließend bietet der Beitrag von Andreas Schalhorn, Kurator für moderne Kunst im Berliner Kupfer­ stichkabinett, einen tieferen Einblick in Liebermanns Buchillustration und die Holzstiche, die hierfür produziert wurden. Ergänzend finden sich in diesem Band im Katalogteil von Viktoria Bernadette Krieger ausführ­ liche Erläuterungen – zu Liebermanns druckgrafischen Techniken, den damals möglichen Veröffentlichungsorten und den Qualitätsmerkmalen der einzelnen Blätter. Der Katalogteil soll das weite Feld von Liebermanns Druckgrafik veranschaulichen. Ein zweites wichtiges Ziel des Ausstellungsprojekts ist, die Sammlungs­ geschichte der Druckgrafik Liebermanns genauer zu beleuchten. In ­diesem Band liegt unser Fokus auf zwei Sammlungen, die beide in Berlin mit etwa 120 Jahren Abstand aufgebaut wurden. Sigrid Achenbach ­widmet sich in ihrem Aufsatz der Liebermann-Sammlung des Berliner Kupferstichkabinetts. Sie blickt im Besonderen auf die einzelnen Direk­ toren des Instituts in der Zeit von 1876 bis 1930 und ihren Einfluss auf den Erwerb von Liebermann-Blättern. Denise Handte und Alice Cazzola ­beleuchten die grafische Sammlung der Max-Liebermann-Gesellschaft. Sie erläutern, inwiefern die Wege der einzelnen Werke bis in die Samm­ lung der Gesellschaft heute noch rekonstruiert werden können. Die ­Liebermann-Villa befindet sich aktuell inmitten ihrer Forschung zu einem vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste geförderten Projekt, das die Sammlung der Gesellschaft auf ihre Provenienzen untersucht. Erste ­Ergebnisse dieser Forschungen zu den druckgrafischen Arbeiten werden im Aufsatz vorgestellt. 9


1 Max Liebermann, Der Weber, 1883, Ätzradierung, WVZ Schiefler 2 2 Max Liebermann, Grasende Ziegen, 1887, Ätzradierung, Vernis mou und Kaltnadel, WVZ Schiefler 4 3 Max Liebermann, Dengelnder Bauer, 1890, Vernis mou und Kaltnadelradierung, WVZ Schiefler 8 4 Max Liebermann, Theodor Fontane, 1896, Lithografie, WVZ Schiefler 42

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Es ist unsere Hoffnung, dass dieser Band – wie auch die Ausstellung – nicht als in sich abgeschlossenes Projekt betrachtet wird, sondern als eine Art Neuanfang. Etwa hundert Jahre nach dem Höhepunkt von Lieber­ manns Schaffen in Berlin möchten wir seine Druckgrafik einer neuen ­Generation öffnen, Impulse für neue Forschungsprojekte bieten und neue Bewunderinnen und Bewunderer für sein bemerkenswertes druck­ grafisches Œuvre finden.

Liebermanns Druckgrafik: ein (kurzer) Ü ­ berblick Liebermanns erstes druckgrafisches Blatt stammt aus der Zeit um 1876/ 77.2 Etwa drei Jahre zuvor hatte er sein Studium in Weimar abge­ schlossen und wohnte in diesen Jahren in Paris. Im Mai 1876 war sein ­Gemälde Die G ­ eschwister – die ältere Schwester (1876) im Pariser Salon ­ausgestellt worden: Kurz danach erhielt er den Auftrag, das Bild für die Pariser Kunstzeitschrift Gazette des Beaux-Arts als Radierung umzusetzen (↪ vgl. Beitrag von Sigrid Achenbach in diesem Band, Abb. 1).3 Liebermann hatte die Technik des Radierens bei dem deutschen Künstler Karl Koepping (1848 – 1914) e­ rlernt – Koepping wohnte damals eben­ falls in Paris und war mit Liebermann in Kontakt.4 Zu der Zeit war der Berliner Maler auch mit dem R ­ adierer William ­Unger (1837 – 1932) in Holland unterwegs, wo sich die beiden Künstler den Radierungen Rembrandts in A ­ msterdam widmeten.5 Liebermanns erster Radier­ versuch einer Darstellung der Geschwister blieb zu­ nächst seine einzige Druck­grafik. Erst 1883 wagte er sich ein zweites Mal an eine Radierung, eine Kopie des Gemäldes Der Weber aus dem Jahr 1882, ebenfalls im Auftrag der G ­ azette des B ­ eaux-Arts (Abb. 1).6

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Es folgten während der 1880er Jahre vermutlich nur drei weitere vollendete druckgrafische ­Arbeiten, die ­Radierungen Kleine Schafhirtin (1887), ­Grasende Ziegen (1887, Abb. 2) und Das Mittag­essen (↪ Kat. 6).7

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Erst in den 1890er Jahren wuchs Liebermanns ­Interesse an der Druck­grafik weiter, insbesondere durch seine Freundschaft mit dem holländischen Maler und Grafiker Jan Veth (1864 – 1925). Lieber­ mann hatte Veth im Jahr 1886 kennengelernt, ­während eines Sommeraufenthalts im nordhollän­ dischen Laren.8 Es folgte ein reger Austausch zu den verschiedenen druckgrafischen Techniken. Ende des Jahres 1890 schilderte Veth Liebermann ­beispielsweise in einem Brief ausführlich die Radiertechnik des Vernis mou, der Weichgrund­ ätzung.9 Ab 1890 nahm die Anzahl an Liebermanns Radierungen deutlich zu. Sie zeigen vor allem holländische Motive, ­welche er teilweise auch in Vernis mou ausführte (vgl. Abb. 3). Schon im Jahr 1893 konnte die erste Mappe seiner R ­ adierungen veröffentlicht w ­ erden, initiiert durch die 10 ­Photographische Gesellschaft Berlin. Ebenfalls im Lauf der 1890er Jahre entdeckte Liebermann die Technik der Lithografie für sich, dies aber ebenfalls nur schrittweise. Nach einzelnen frühen Versuchen führte er zum Beispiel 1896 ein Porträt Theodor Fontanes (Abb. 4) für die Kunstzeitschrift Pan als Lithografie aus. Die Technik hatte er hier noch nicht ausgefeilt, wie Sigrid Achenbach in ihrer Beschreibung des Blattes 1974 zusammenfasste, »noch etwas ängstlich wird die Kreide angesetzt […] die mit menzelscher Genauigkeit vorgetragene Zeichnung verleiht dem Bildnis eine Strenge und Unnahbarkeit.« 11 Ab 1909 lithografierte der Künstler regelmäßiger, wodurch seine Zeich­ nungen direkt auf den Litho-Stein freier wurden, sowohl bei den Porträts (Abb. 5) als auch bei seinen Darstellungen der holländischen Landschaft (Abb. 6). In diesen Jahren wuchs Liebermanns grafische Produktion ­insgesamt deutlich an. Im Jahr 1907 wurde die erste Auflage von Gustav Schieflers Werkverzeichnis zu Liebermanns Druckgrafik veröffentlicht; schon sieben Jahre später erschien eine zweite, erweiterte Auflage, so dass Schiefler hierzu schrieb: »viel schneller als zu erwarten war […] die Num­ mern haben sich mehr als verdoppelt«.12

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In diesen Jahren wuchs die Popularität von Liebermanns druckgrafischen Arbeiten stetig. Die Blätter wurden in mehreren und größeren Auflagen, vor allem von den Vettern Paul und Bruno Cassirer, veröffentlicht. Anfra­ gen und Aufträge kamen aus ganz Deutschland, die Liebermann allzu oft absagen musste, so zum Beispiel in einem Schreiben an den Mannheimer Politiker August Kuhn:


Geehrter Herr, antwortlich Ihres Schreibens […] theile ich Ihnen mit, daß ich augenblicklich so mit graphischen Aufträgen überlastet bin, daß ich weitere anzunehmen außer Stande bin. Mit dem Bedauern, Ihnen nicht dienlich sein zu können, hochachtend, Max Liebermann 13

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In den Jahren ab 1910 wandte sich Liebermann zunehmend der Buchillus­ tration zu.14 Und es erschienen in diesen Jahren auch neue Auflagen ­seiner bekanntesten Motive im Fritz Heyder Verlag in Berlin-Zehlendorf. Für die Illustrationen wie auch für den Fritz Heyder Verlag produzierte Liebermann allerdings die Grafik nicht selbst, sondern ließ basierend auf seinen Zeichnungen Holzstiche anfertigen von den von ihm bevorzugten Xylografen Oskar Bangemann, Martin Hönemann und Reinhold Hoberg (vgl. hierzu Abb. 7 sowie ↪ Kat. 22, Kat. 23, Kat. 30, Kat. 31). Neben diesen Blättern bildeten Liebermanns eigene druckgrafische Porträts und Selbst­ porträts (vgl. ↪ Kat. 1, Kat. 4, Kat. 13, Kat. 14, Kat. 15, Kat. 21 und Abb. 8) sowie die ­Lithografien für die Zeitschrift Kriegszeit. Künstlerflugblätter (1914 – 1916, vgl. ↪ Kat. 32, Kat. 33) die zwei wichtigsten Werkkomplexe ab 1910.15 Dazu kamen – wie im malerischen Œuvre – immer wieder Darstellungen des Wannseegartens (vgl. ↪ Kat. 3, Kat. 11, Kat. 16, Kat. 17, Kat. 20, Kat. 28). Bis ins hohe Alter produzierte Liebermann Radierungen sowie Lithografien und entwarf Vorzeichnungen für Holzstiche. Die letzten druckgrafischen ­Werke stammen aus den frühen 1930er Jahren, als Liebermann schon über 80 Jahre alt war.

Beliebtheit und Bedeutung der Druckgrafik Wie oben angedeutet, war Liebermanns Druckgrafik schon zu Lebzeiten des Künstlers sehr beliebt. Besonders unter dem Direktor Max J. Friedländer tätigte das Berliner Kupferstichkabinett ab 1908 große Ankäufe von

5 Max Liebermann, Sitzendes Mädchen mit Teckel, 1909, Lithografie, WVZ Schiefler 83 6 Max Liebermann, Dünenlandschaft, 1909, Lithografie, WVZ Schiefler 91, Privatbesitz 7 Max Liebermann, Korso auf dem Monte Pincio, 1911, Holzstich auf Velin nach einer Zeichnung von Max Liebermann, geschnitten von Reinhold Hoberg, WVZ Anhang Schiefler XI 8 Max Liebermann, Selbstbildnis mit Strohhut, 1917, Lithografie, WVZ Schiefler 307

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­ iebermanns Druckgrafik, wie in dem Aufsatz von Sigrid L Achenbach in diesem Band ausführlich dargestellt. Wei­ tere wichtige Sammlungen seiner Druckgrafik wurden in den Kunsthallen von Bremen und Hamburg aufgebaut.

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Auch unter Privatsammlern waren Liebermanns druck­ grafische Blätter sehr gut vertreten. Diese Tatsache ist nicht nur durch Liebermanns Briefe bewiesen, sondern auch durch die Recherchen tausender Sammlungen, die in den Jahren ab 1933 verfolgungsbedingt zerschlagen wurden. In den Provenienzforschungsprojekten zu diesen Sammlungen, die vermehrt seit der Washingtoner Erklä­ rung 1998 ihren Anfang fanden, tauchen immer wieder Liebermanns druckgrafische Blätter auf: ein Indiz für ihre Beliebtheit in der Weimarer Republik. Sicherlich freute es Liebermann, dass seine druckgrafischen Blätter so breit gesammelt wurden – und nicht nur, weil dies eine beachtliche Ein­nahmequelle für den Künstler darstellte. Für Liebermann lag die Bedeutung der Druckgrafik hauptsächlich darin, dass sie seine Kunst möglichst weit und kostengünstig verbreiten konnte, so schrieb er 1913 an Gustav Schiefler:

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[I]ch sprach ihnen noch vor kurzem davon, daß ich der Graphik den höchsten Wert für die Entwicklung der Kunst beimesse, zumal in uns’rer Zeit der Demokratisirung der Kunst. Nicht nur, daß sie minder Bemittelten ermöglicht, originale Kunst zu erwerben: sie nützt auch dem Verständniß für Kunst in hohem Maaße.16 In der Literatur zu Liebermanns Druckgrafik ist oft die Rede davon, dass diese Arbeiten – obwohl sicherlich schön – kunsthistorisch weniger inter­ essant seien als beispielsweise die grafischen Arbeiten von Edvard Munch oder die Holzschnitte der deutschen Expressionisten.17 Sogar Gustav Schiefler selbst schrieb 1927: »die Kunst Liebermanns, der […] ein Fort­ setzer der französischen und holländischen Impressionisten war, erschien mir eher ein Ende als ein Anfang zu sein, während in Munch ganz etwas Neues heraufkam.« 18 Dieser Einschätzung liegt zugrunde, dass Liebermanns druckgrafische Arbeiten bisher überwiegend aufgrund ihrer ästhetischen Aspekte analysiert und wertgeschätzt wurden. Liebermanns Zitat aus seinem Brief an Schiefler 1913 – wie auch zahlreiche weitere Hinweise aus seiner Korrespondenz – zeigt allerdings deutlich, dass die Verbreitung der Grafik für ihn am wichtigsten war. Immer wieder schickte er druckgrafische Blätter an Freunde, Sammler und Museumskontakte. Wie zum Beispiel 1895, als Liebermann in einem Brief an den Sammler Albert Kollmann schrieb: »ich habe ein kleines Blatt à la pointe séche beigelegt; ich glaube,

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es gefiel Ihnen besonders gut […]« 19 Oder in einem Brief 1894 an den Kunsthistoriker und späteren Generaldirektor der Königlichen Museen zu Berlin, Wilhelm Bode, der Liebermann beauftragt hatte, seine Tochter zu malen: [M]it dem Porträt Ihrer Kleinen […] sende ich Ihnen ein par Radirungen, wie der Schlächter bei guten Kunden den Marksknochen dem Fleische zulegt.20 Mit dem Ausstellungsprojekt Schwarz-Weiß wollen wir deshalb – neben den technischen und ästhetischen Aspekten der Druckgrafik Lieber­ manns – auch ihre sammlungsgeschichtliche Bedeutung unter die Lupe nehmen. Welche Rolle spielte die Druckgrafik als Verbreitungsmedium für Liebermanns künstlerische Ideen? Welche Bedeutung hatte sie für den Aufbau seines überaus erfolgreichen beruflichen Netzwerkes? Und wie wichtig waren diese Blätter für die öffentliche Wahrnehmung seiner Kunst nach 1935? Mit der Auswahl der Sammlungsobjekte der Max-­ Liebermann-Gesellschaft in unserer Präsentation vor Ort, ergänzt durch einen Blick auf die Sammlung des Berliner Kupferstichkabinetts in ­diesem Band, möchten wir uns diesen Fragen schrittweise nähern.

Dank Für die Realisierung dieses Ausstellungsprojektes möchte ich mich an dieser Stelle bei den Katalogautorinnen und -autoren bedanken: Sigrid Achenbach, Alice Cazzola, Denise Handte, Viktoria Bernadette Krieger und Andreas Schalhorn. Ich bedanke mich auch ganz besonders bei den Mitgliedern der Max-Liebermann-Gesellschaft, deren wunderbare Grafik­ sammlung im Rahmen der Ausstellung präsentiert wird. Mein großer Dank geht auch an das gesamte Team der Liebermann-Villa und an unsere ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie an die vielen Spenderinnen und Spender, die diese Ausstellung, den Betrieb und Erhalt unserer Villa großzügig unterstützen. Ich wünsche unseren Besucherinnen und Besuchern viel Vergnügen beim Ausstellungsbesuch bei uns am Wannsee. Lucy Wasensteiner Direktorin

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1 Vgl. hierfür Gustav Schiefler: Max Liebermann. Sein graphisches Werk, Berlin (4. Aufl.) San Francisco 1991, [1907], [1914], [1923] (im Folgenden: Schiefler 1991); Sigrid Achenbach: Die Druckgraphik Max Liebermanns (mit einem ergänzenden Katalog zu Gustav Schiefler: Max Liebermann. Sein graphisches Werk, Berlin 1923), Phil. Diss. Heidelberg 1974 (im Folgenden: Achenbach 1974); Sigrid Achenbach: »Die Druckgraphik Max Liebermanns«, in: Ausst.-Kat. Max Liebermann in seiner Zeit, Nationalgalerie, Berlin 1979 (im Folgenden: Achenbach 1979), S. 48 – 52. 2 Der hier gegebene Überblick über Liebermanns druckgrafisches Schaffen stammt, wo nicht anders angegeben, aus Achenbach 1974, Achenbach 1979 und Schiefler 1991. 3 WVZ Eberle 1876 / 3 und WVZ Schiefler 1. 4 Achenbach 1979, S. 49. Laut Gustav Schiefler hat Liebermann auch ­Ratschläge vom Radierer Peter Halm (1854 – 1923) bekommen, in: ­Schiefler 1991, Vorwort 2. Auflage, S. 6. 5 Hancke, S. 119, zit. nach Achenbach 1979. 6 WVZ Eberle 1882 / 5, WVZ Schiefler 2. 7 WVZ Schiefler 3, 4 und 5. 8 Max Liebermann. Briefe, hrsg. von Ernst Braun, Bd. 1 (1869 – 1895), ­Baden-Baden 2011, S. 494. 9 Ebd., Briefe vom 9. September 1890, 3. November 1890, 21. Dezember 1890. Zur Technik des Vernis mou vgl. den Beitrag von Viktoria Bernadette Krieger in diesem Band ↪ S. 53 sowie ↪ Kat. 7 und Kat. 8. 10 Max Liebermann – Radierungen, mit einem Text von Richard Graul, ­Photographische Gesellschaft, Berlin 1893.

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11 Achenbach 1974, S. 55. 12 Schiefler 1907 und Schiefler 1991, S. 6. 13 Brief Max Liebermann an August Kuhn vom 18. Februar 1918, in: Max Liebermann. Briefe, hrsg. von Ernst Braun, Bd. 6 (1916 – 1921), Baden-Baden 2016, S. 215. 14 Zu den Buchillustrationen vgl. den Beitrag von Andreas Schalhorn in ­diesem Band. 15 So Achenbach 1974, S. 74 und S. 82. 16 Brief Max Liebermann an Gustav Schiefler vom 18. November 1913, in: Max Liebermann. Briefe, hrsg. von Ernst Braun, Bd. 5 (1911 – 1915), ­Baden-Baden 2015, S. 381. 17 Vgl. hierzu Achenbach 1979, S. 48. 18 Gustav Schiefler: Meine Grafiksammlung, Hamburg 1927, S. 8, zit. nach Achenbach 1979, S. 48. 19 Brief Max Liebermann an Albert Kollmann vom 11. April 1895, in: Max Liebermann. Briefe, hrsg. von Ernst Braun, Bd. 1 (1869 – 1895), ­Baden-Baden 2011, S. 427. 20 Brief Max Liebermann an Wilhelm Bode, Mai oder Juni 1894, in: Max Liebermann. Briefe, hrsg. von Ernst Braun, Bd. 1 (1869 – 1895), ­Baden-Baden 2011, S. 372.


BILD- UND FOTONACHWEIS

Bis auf die in den Bildunterschriften anderweitig vermerkten

S. 65, Foto: Oliver Ziebe, Berlin, S. 66, S. 67, Foto: Oliver

Abbildungen befinden sich alle hier im Katalog abgedruckten

Ziebe, Berlin, S. 71, Foto: Oliver Ziebe, Berlin, S. 72 , Foto:

druckgrafischen Blätter Max Liebermanns in der Sammlung

Oliver Ziebe, Berlin, S. 73, Foto: Oliver Ziebe, Berlin, S. 75,

der Max-Liebermann-Gesellschaft Berlin.

Foto: Oliver Ziebe, Berlin, S. 79, Fotos: Oliver Ziebe, Berlin, S. 80, S. 81, S. 82 , S. 83, S. 87, Foto: Oliver Ziebe, Berlin,

Die folgenden Abbildungen stellte uns freundlicherweise

S. 88, Foto: Oliver Ziebe, Berlin, S. 89, Fotos: Oliver Ziebe,

das Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin –

Berlin, S. 90, S. 91, Foto: Oliver Ziebe, Berlin, S. 95, Foto:

Preußischer Kulturbesitz, zur Verfügung:

Oliver Ziebe, Berlin, S. 96, Foto: Oliver Ziebe, Berlin

S. 16, Fotos: Dietmar Katz, S. 17 oben, Foto: Andreas Schalhorn, S. 17 unten, Foto: Dietmar Katz, S. 19, Foto: Dietmar

Privatsammlung:

Katz, S. 20, Foto: Dietmar Katz, S. 21, Foto: Dietmar Katz,

S. 12 , oben

S. 22 , Fotos: Dietmar Katz, S. 23, Foto: Dietmar Katz, S. 24, Fotos: Dietmar Katz, S. 25, Fotos: Dietmar Katz, S. 26, Fotos:

Aus der Literatur:

Dietmar Katz, S. 98, Foto: ­Dietmar Katz, S. 99, Foto: Dietmar

Max J.  Friedländer: Max Liebermanns Graphische Kunst,

Katz, S. 102 , Foto: ­Dietmar Katz, S. 103, Foto: Dietmar Katz,

­Arnolds Graphische Bücher, Erste Folge, Bd. 1, Dresden

S. 104, Foto: ­Dietmar Katz, S. 105, Foto: Dietmar Katz, S. 106,

1922 , S. 4: S. 10 unten, Friedländer 1922 , S. 7: S. 11 oben,

Foto: Dietmar Katz, S. 107, Foto: Dietmar Katz, S. 114, Foto:

Friedländer 1922 , S. 30: S. 11 unten, Friedländer 1922 , S. 46:

Dietmar Katz, S. 116, Foto: Dietmar Katz

S. 12 unten

Weitere Bildvorlagen stammen aus den Archiven und

Trotz intensiver Bemühungen ist es nicht in allen Fällen

­Museen, die im Folgenden genannt werden:

­gelungen, Urheberschaft und Herkunft der Abbildungen zu klären. Berechtigte Ansprüche werden bei entsprechendem

Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin –

Nachweis im Rahmen der üblichen Honorarvereinbarungen

­Preußischer Kulturbesitz:

abgegolten.

S. 18, Foto: Andreas Schalhorn Max-Liebermann-Gesellschaft Berlin e.V.: S. 10, Foto oben: Julia Jungfer, S. 13, Fotos: Oliver Ziebe, Berlin, S. 30, S. 31, S. 32 , S. 33, Fotos: Oliver Ziebe, Berlin, S. 37, Fotos: Oliver Ziebe, Berlin, S. 39, Fotos: Oliver Ziebe, Berlin, S. 41, Fotos: Oliver Ziebe, Berlin, S. 47, Foto: Oliver Ziebe, Berlin, S. 48, Foto: Julia Jungfer, S. 49, S. 50, Foto: Oliver Ziebe, Berlin, S. 51, Foto: Oliver Ziebe, Berlin, S. 55, Foto: Julia Jungfer, S. 56, Foto: Oliver Ziebe, Berlin, S. 57 oben, Foto: Oliver Ziebe, Berlin, S. 57 unten, Foto: ­Julia Jungfer, S. 58, Foto: Oliver Ziebe, Berlin, S. 59, Foto: Oliver Ziebe, Berlin, S. 63, oben, Foto: Oliver Ziebe, Berlin, S. 64,

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ZUR AUSSTELLUNG UND IMPRESSUM

Diese Publikation erscheint anlässlich der Ausstellung

Verlagsangaben

Schwarz-Weiss. Liebermanns Druckgrafik

Projektmanagement Verlag: Luzie Diekmann

6.  März 2022 bis 6.  Juni 2022

Liebermann-Villa am Wannsee Colomierstraße 3 14109 Berlin

Lektorat: Elke Thode Layout und Satz: Kathleen Bernsdorf

Tel + 49 (0)30 805 85 900 info@liebermann-villa.de www.liebermann-villa.de

© 2022 Liebermann-Villa am Wannsee © Für die Texte bei den Autorinnen und Autoren © Für die Bilder siehe Bild- und Fotonachweis ISBN 978 -3 -422-98682-4

Ausstellung Projektleitung: Lucy Wasensteiner

Grafisches Centrum Cuno GmbH & Co. KG Deutscher Kunstverlag GmbH Berlin München Lützowstraße 33 10785 Berlin

www.deutscherkunstverlag.de Ein Unternehmen der Walter de Gruyter GmbH Berlin Boston www.degruyter.com Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese

Ausstellung:

­Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

Lucy Wasensteiner und Viktoria Bernadette Krieger

­detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

Kommunikation und Marketing: Miriam Barnitz Haustechnik: Thomas Pauling und Frank Steffen Restauratorische Betreuung: Grit Jehmlich und Oliver Max Wenske Katalog Herstellung Museum: Max-Liebermann-Veranstaltungs GmbH Herausgeberin: Lucy Wasensteiner Katalogredaktion: Lucy Wasensteiner und Viktoria Bernadette Krieger Vertrieb Museum: Dina Schlote

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Druck und Bindung:

http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2022 Deutscher Kunstverlag GmbH Berlin München ISBN 978 -3 -422-98682-4



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