VENEDIG. La Serenissima

Page 1



VENE La DIG Serenissima


2


STAATLICHE GRAPHISCHE SAMMLUNG MÜNCHEN

VENE La DIG Serenissima Zeichnung und Druckgraphik aus vier Jahrhunderten herausgegeben von Kurt Zeitler


Katalog zur Ausstellung der Staatlichen Graphischen Sammlung München VENEDIG. La Serenissima Pinakothek der Moderne, München 3. Februar – 8. Mai 2022 Die Veröffentlichung dieses Katalogs wurde durch die Ernst von Siemens Kunststiftung ermöglicht.

4


INHALT 6

Vorwort und Dank

9 Venedig. La Serenissima Zeichnung und Druckgraphik aus vier Jahrhunderten Kurt Zeitler 53 Die Münchner Palma-Alben Maria Aresin Katalog 91 Leben auf und mit dem Wasser Kat. 1–9 131 Kunst und gedanklich-technische Experimente

Kat. 10–35 227 Wir armen Venezianer können nicht anders zeichnen Kat. 36–66 Anhang 320

Orte und Werke

330

Literatur

346

Register

351

Bildnachweis

352

Impressum 5


VORWORT

K

aum ein anderes Ausdrucksmittel der bildenden Künste gibt in ähnlicher Dichte und Einfühlung eine so umfassende Vorstellung von der Kunst Venedigs zwischen 1500 und dem Ende der Serenissima wie Kunst auf Papier. Sie steht Besuchern Venedigs und Bewunderern seiner Kunst heute allerdings eher selten im Bewusstsein. Die Stadt erscheint durch eigenes Erleben, durch Fotografie und Film erschöpfend aufgefasst und wird in der Regel über ihre auf den ersten Blick bestimmenden Seiten wahrgenommen – über ihre spektakuläre Lage inmitten der Lagune, über Piazza San Marco und Piazzetta, die vielen malerischen Campi und Calli, Canali und Rii, über prachtvolle Bauten, die sie säumen, plastische Bildwerke, die sie schmücken, und über Gemälde, die sie ausstatteten und prägten, in vielen Museen der Welt zu bestaunen sind und das Leben und Selbstverständnis, den Glauben und das Hoffen ihrer einstigen Auftraggeber zum Ausdruck bringen. Auch in großen Ausstellungen und monographischen Schauen steht meist die repräsentative Seite der Kunst Venedigs im Vordergrund, während Kunst auf Papier eher eine Nebenrolle zukommt, beachtet vor allem von Fachleuten. Soweit es Bilder der Stadt selbst betrifft, erreicht sie ihr Publikum zunächst dort, wo es in der nahsichtig-intimen Betrachtung Eindrücke von der Lagunenstadt zu gewinnen sucht. Die Blätter lassen in eine ferne Vergangenheit blicken, die dadurch ein Stück weit wieder lebendig wird; darüber hinaus erschließt Kunst auf Papier für diese Hafenstadt und Handelsmetropole in der gegenüber der Repräsentationskunst thematisch freieren Künstlergraphik weiter gefasste Horizonte und

6

tiefer ausgelotete Empfindungen, als es oft bei ähnlichen Kunstleistungen in Städten mit weniger weit reichenden Verbindungen der Fall ist. Nicht zuletzt hatte Kunst auf Papier in Venedig ihren Ort auch dort, wo in projektierenden Skizzen und Studien das venezianische Idiom des Zeremonialen und innerlich Bewegten, Intimen und Gemütvollen, Umschleierten und Märchenhaften, aber auch des Selbstgewissen und Effizienten von Anfang an Bestandteil jeder Werkgenese war und in erfindenden wie musterhaft entwickelten oder auch final durchgearbeiteten Zeichnungen die wahre Keimzelle für vene­ zianità in der Kunst zu entdecken ist. Die Staatliche Graphische Sammlung München ist ein Hort für Kunst auf Papier und lädt in Ausstellung und Katalog »VENEDIG. La Serenissima« dazu ein, den medialen Besonderheiten von Zeichnung und Druckgraphik im Venedig der Frühen Neuzeit nachzuspüren. Dazu werden erstmals die bis in jüngste Zeit gezielt ausgebauten Bestände der Sammlung an venezianischer Kunst in opulenter Überschau präsentiert. Katalog und Ausstellung gehen Hand in Hand mit der Digitalisierung der Graphischen Sammlung, in deren Fokus seit 2017 über einen Zeitraum von vier Jahren die italienischen Zeichnungen und Druckgraphiken standen. Die Kampagne wurde mit Blick auf die Ausstellung und die beträchtliche Zahl der mit venezianischer Kunst verbundenen Werke auf dieses Segment konzentriert und ein Datenpool mit rund 3.500 Arbeiten zusammengestellt, der im Internet über SGSM online abrufbar ist. Katalog und Bestandsverzeichnis wären ohne die Unterstützung durch die Ernst von Siemens Kunststiftung kaum zu rea-


UND DANK

lisieren gewesen. Martin Hoernes, ihrem Generalsekretär, sei für die großzügige Förderung verbindlichst gedankt. Herzlich gedankt sei auch Thomas Schauerte und Sabine Denecke vom Schlossmuseum Aschaffenburg für die Leihgabe der Zeichnung von Lorenzo Lotto. Verantwortlich für Ausstellung und Katalog zeigt sich Kurt Zeitler, Konservator für die italienische Kunst an der Staat­ lichen Graphischen Sammlung München, dem ich nicht genug für seine versierte wissenschaftliche Arbeit und seine spielerische Insistenz danken kann, mit der er diesen gewichtigen Sammlungsbestand ins schönste Licht stellt. Für die kompetente Mitarbeit am Katalog ist Maria Aresin ein herzlicher Dank zu sagen. Sie steuerte zwölf Katalognummern bei und präsentiert mit ihrem profunden Essay zu den Palma-Alben einen neuen Forschungsstand. Für Unterstützung in diesem Zusammenhang sei Bea­trice Alai (Piacenza), Thomas Dalla Costa (National Gallery, London), Corentin Dury (Orléans), Achim Gnann (Albertina, Wien), Peter Humfrey (St. Andrews), Christine Kleiter (KHI, Florenz), Christof Metzger (Albertina, Wien), Martin Stahl (ZI, München), Samuel Vitali (KHI, Florenz) und Wolfgang Wolters (Berlin) vielmals gedankt. Herzlicher Dank gebührt ferner Ilka Mestemacher. Sie trug drei Katalognummern bei, las zahlreiche Einträge Korrektur und half in umfangreichen Abgleich- und Recherchearbeiten, den Bestandskatalog zur Veröffentlichung vorzubereiten. An der Zusammenführung der Daten und am Aufbau des Bestandskatalogs haben Sara Iezzi, Nina Schmidt und Francesco Alessandrini Lupia in anerkennenswerter Weise mitgewirkt.

Dank gebührt ferner allen mit der Ausstellung befassten Mitarbeitern der Graphischen Sammlung: Stefanie Holl für die Eintragung der Daten zu den italienischen Zeichnungen und Druckgraphiken in die Datenbank. Ihre Arbeit bildete eine unverzichtbare Basis für den Bestandskatalog sowie für die Arbeit an den Katalognummern; der Leiterin des Teams Digitalisierung, Enikö Zséller; der Leiterin der Restaurierungs­abteilung Katrin Holzherr mit Melanie Anderseck und Cornelia Stahl für die restauratorische Betreuung; der Leiterin der Fotothek, Sabine Wölfel, für die interne und externe Bildbeschaffung und die stets bewahrte beste Übersicht. Verbindlichster Dank sei auch Gunnar Gustafsson für die Foto- und Scanarbeiten gesagt, Bernhard Eglmeier und Joe Holzner für Passepartouts, Buchbindearbeiten und Ausstellungsaufbau, und ganz besonders Karl-Heinz Francota Staat, der die Planungen zum Ausstellungsaufbau von Beginn an koordinierte, konstruktiv begleitete und mit Unterstützung von Rafael Díaz Noguero die Rahmung der Werke übernommen hat. Im Deutschen Kunstverlag sei Anja Weisenseel für das dem Projekt entgegengebrachte große Engagement gedankt, Imke Wartenberg für die präzise Koordination, Andrea Schaller für das aufmerksame Lektorat und viele wertvolle Hinweise und nicht zuletzt Edgar Endl von bookwise medienproduktion GmbH für die einfühlsame Gestaltung. Mögen der Besuch der Ausstellung und die Lektüre des Katalogs Kurzweil und Freude bereiten!

Michael Hering Direktor

7


8


Kurt Zeitler

VENEDIG

La Serenissima

Zeichnung und Druckgraphik aus vier Jahrhunderten

I

nmitten der Lagune gelegen, nicht fern der Alpen, ist Venedig Sinnbild für eine vom Menschen geschaffene gelungene Verbindung von Land und Wasser. Der Boden, auf dem Venedigs Häuser errichtet sind, musste dem Morast vielfach abgetrotzt, von Hand mit Aufwand befestigt und gesichert werden. Doch das allgegenwärtige Wasser wirkte auch segensreich. Es verbindet die Stadt in einem Netz schiffbarer Wege mit der Lagune, der Adria und der ganzen mediterranen Welt. Was entstand, war ein von der Natur vorgeprägtes, durch die menschliche Gestaltungskraft kultiviertes Gebilde, das für die Ausdauer und Anpassungsfähigkeit, die Erfindungskraft und Phantasie seiner Bewohner steht. Sie gaben ihm den klangvollen Namen La Serenissima, die Allerdurchlauchtigste, in dem auch das Wort von der serenità für Sachlichkeit und heitere Gelassenheit mitschwingt. Venedig lässt sich weniger als andere Städte über bestimmte Denkmäler definieren, so markant sie im Einzelnen auch sein mögen. Es stellt sich vielmehr als komplexer, vielfältiger Organismus dar und als Produkt eines über Jahrhunderte wirkenden formenden Prozesses. Zahllose findige Köpfe, von Fischern und Bootsbauern über Handwerker und Händler bis zu Bauleuten und Künstlern trugen dazu bei, Venedig nach dem Willen seiner Führung zu einem singulären Ort auszugestalten, der unmittelbares Zeugnis seiner Geschichte ist. Über

lange Zeiträume bildeten das politische und wirtschaftliche Handeln der Serenissima, ihre sozialen und geistigen Konditionen, jene singolarità und integrierende Haltung aus, die das Stadtbild Venedigs und die Werke seiner Kunst prägen. Unter diesen Werken wurde spätestens seit Jacopo Bellini (1396–1470) und seinen Söhnen Gentile (1429–1507) und Giovanni (1430– 1516) in der Malerei ein spezifisches Idiom spürbar, das durch den Schmelz der Farben, die Unmittelbarkeit und Frische des Ausdrucks, aber auch durch elegischen Tiefgang der Empfindung, erzählerischen Reichtum und eine Offenheit gegenüber benachbarten künstlerischen Gattungen ausgezeichnet ist. Werke von Giorgione da Castelfranco (1477/78–1510) und Tizian (um 1488/90–1576), Veronese (1528–1588) und Tintoretto (1518/19–1594), Giovanni Battista Tiepolo (1696–1770) und Giovanni Domenico Tiepolo (1727–1804) sowie Giovanni Antonio Guardi (1699–1760) und Francesco Guardi (1712–1793), um nur einige der berühmtesten Namen zu nennen, führen dies signifikant und berührend vor Augen. Weniger im Fokus standen lange Zeit Venedigs Architektur und Skulptur, und auch die venezianische Zeichenkunst und Druckgraphik traten in der älteren Kunstgeschichte gegenüber der Malerei in den Hintergrund. Das hat vielfältige, auch in der Geschichte der Kunstgeschichte begründete Ursachen, aber auch etwa die, dass die graphische Arbeit mancher Protagonis-

Detail aus Michele Marieschi, Piazza San Marco nach Süden (S. 13, Abb. 2)

9


ten venezianischer Kunst, wie etwa diejenige Canalettos (1697–1768), scheinbar wie nebenbei entstand oder, wie im Fall Giovanni Battista Tiepolos, sich weitgehend im Verborgenen vollzog, auch wenn sich Tiepolos Œuvre vielleicht erst in seinem Radierwerk so ganz vollendet zeigt. Die Ausstellung VENEDIG. La Serenissima. Zeichnung und Druckgraphik aus vier Jahrhunderten beleuchtet in ausgewählten Werken aus der Staatlichen Graphischen Sammlung München schlaglichtartig signifikante Seiten venezianischer Kunst auf Papier zwischen der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts bis um etwa 1800. Die Ausstellung gliedert sich in drei Abschnitte. Der erste führt über Ansichten und Szenerien von diversem methodischem Zugriff in das Stadtbild der Serenissima ein und spiegelt signifikante Seiten ihres Selbstverständnisses wider (Kat. 1–9). Ein zweiter zeigt druckgraphische Werke und Werkgruppen verschiedener Thematik und Funktion, die für Venedig bezeichnende Interessen und künstlerische Strategien verfolgen (Kat. 10–35). Ein dritter Abschnitt präsentiert Zeichnungen führender venezianischer Künstler und nimmt technische, künstlerische und funktionale Besonderheiten in den Blick (Kat. 36–66). Parallel zur Ausstellung erscheint ein Bestandskatalog von rund dreieinhalbtausend Werken von in Venedig geborenen, gestorbenen oder dort tätigen Künstlern. Darüber hinaus sind Werke von Zeichnern und Druckgraphikern aus den Abteilungen der italienischen, deutschen, französischen und niederländischen Kunst gelistet, die nach venezianischen Vorbildern gearbeitet haben. Nicht zwingend sei vorausgesetzt, dass die »venezianischen« Künstler in Stadtvenedig tätig waren. Für Jacopo de’ Barbari (um 1440/50–vor 1516) beispielsweise ist dies, bei all seiner künstlerischen Bedeutung für Venedig, zumindest fraglich.1 Entscheidend ist die Tätigkeit im näheren Einflussbereich der Serenissima, ohne dass das Werk dieser Künstler in anderen Zusammenhängen stehen würde. Dies wäre etwa bei Andrea Mantegna (1431–1506) der Fall, der zwar mit einer Tochter Jacopo Bellinis verheiratet war, in Padua aber schon früh vom monumentalen toskanischen Realismus um Donatello (1386–1466) geprägt wurde und damit Venedig als Kunstlandschaft eher fernsteht. Der Bestandskatalog ist über die im Impressum angegebene Adresse abrufbar und gibt einen Eindruck von der Produkti­ vität und Wahrnehmung venezianischer Kunst weit über die Grenzen des Machtbereichs der Serenissima hinaus. Ein topographisches Verzeichnis ordnet den Denkmälern Ansichten aus verschiedenen Zeiten und Blickwinkeln zu sowie Arbeiten, die mit deren Ausstattungen in Verbindung stehen.

10

Künstlergraphik Venedig war in den letzten drei Jahrhunderten der Republik ein Zentrum der europäischen Druckgraphik. Innerhalb der Gesamtproduktion machte jedoch die Künstlergraphik – das heißt, eine Druckgraphik jenseits von Illustrations- und Reproduktionszwecken – nur einen kleinen Teil, wohl nicht mehr als etwa fünf Prozent aus.2 Maßgebliche Anstöße auf diesem Feld gab um 1500 Jacopo de’ Barbari. Sein Werk erschloss der Druckgraphik humanistische Inhalte und einen neuartigen Zugriff auf die Dingwelt, gebunden an eine präzise Technik von höchster bildlicher Überzeugungskraft. Diese Qualitäten gaben seinen druckgraphischen Arbeiten einen Rang, der ihnen einen festen Platz neben der Malerei und eine Aufmerksamkeit weit über die Grenzen der Lagunenstadt hinaus sicherte. Schwerpunkte lagen in der Folge auf arkadischen Stimmungsbildern, wie sie Giulio Campagnola (um 1482–um 1516) im Stil Giorgiones schuf (Kat. 17, 18), später auf Holzschnitten und Kupferstichen aus dem Kreis um Tizian, die im Schwarz-Weiß alternative und zukunftsweisende Ausdrucksmöglichkeiten entwickelten, die bis zu bildstarken Wirkungen reichen (Kat. 24, 25). Zu einem hier gleich anzusteuernden Spezialgebiet wurden innerstädtische Ansichten, Festdarstellungen und Aufnahmen aus der Terraferma, die innerhalb der bildkünstlerischen Fächer zwar traditionell eher geringes Ansehen genossen, die aber maßgeblich dazu beitragen sollten, die Vorstellungen von der Stadt in ihrer Einzigartigkeit zu prägen. Von hoher Sensibilität sind die melancholischen Schilderungen des Lebensraums Lagune von Giovanni Antonio Canal, gen. Canaletto (1697–1768), denen auf anderem Feld, aber in ähnlich einfühlender Herangehensweise die Köpfe nach Giovanni Battista Piazzetta (1682–1754) mit ihrem Sinn für den menschlichen Ausdruck und das Seelenlandschaftliche an die Seite gestellt werden können. Neben diesen Arbeiten bildet das radierte Œuvre Giovanni Battista Tiepolos mit seinen berühmten, zum Teil erst posthum von seinen Söhnen veröffentlichten Radierserien einen besonderen künstlerischen Höhepunkt venezianischer Druckgraphik. Offensichtlich kaum auf pekuniären Erfolg hin angelegt, konnten die Arbeiten eingeweihten Kreisen Einblick in das Laboratorium von Tiepolos künstlerischer Gedankenwelt gewähren, die bereits Fragen der Aufklärung thematisiert und geistesgeschichtlich weit über das offizielle Werk des Künstlers im Bereich der Tafel-, Wand und Deckenmalerei hinausgreift. Auf menschliche Befindlichkeiten und gesellschaftliche Verhältnisse in Venedig wirft um 1775 Giovanni David (1743–1790) einen zwischen do-


Abb. 1 Jacopo de’ Barbari, Vogelschauplan von Venedig, 1500, Holzschnitt von sechs Stöcken, 1345 × 2818 mm

kumentierend-kühl und kritisch-ironisch oszillierenden Blick. In anderen Zeugnissen seines Radierwerks wendet sich derselbe Künstler auf die Anfänge des hier zu betrachtenden Zeitraums zurück und reflektiert auf Werke Giulio Romanos (1499–1546) und das Œuvre Andrea Mantegnas.3

Leben auf und mit dem Wasser Der Barbari-Plan Zwei Göttergestalten aus dem von Anton Kolb (1471–1541) verlegten berühmten Vogelschauplan, der traditionell mit dem Namen Jacopo de’ Barbaris verbunden ist, leiten die Venedigansichten ein (Kat. 1.1, 1.2).4 Die beiden Götter zeigen die Serenissima im Bund mit höheren Mächten, ein Leitmotiv in der Kunst Venedigs, das sich seiner naturbedingten Fragilität, aber auch seiner militärischen Verwundbarkeit und machtpolitischen Randlage stets bewusst war. Umso mehr setzte es auf die bildliche Darstellung seiner Macht und seines Einflusses und auf das ihm gewogene Schicksal. In der Ausstellung bezeugen dies exemplarisch die Kupferstiche Giulio Campagnolas Der Astrologe (Kat. 16) und Agostino Carraccis (1557–1602) Minerva

hält Mars von Pax und Abundantia fern (Kat. 26) nach Tintoretto sowie die Zeichnungen Lorenzo Lottos (1480–1556) Ein Fischer überbringt dem Dogen den Ring des hl. Markus (Kat. 42) und Giovanni Antonio Guardis Die unterworfenen Provinzen huldigen Venedig (Kat. 60). Der Vogelschauplan mit den beiden Göttergestalten vergegenwärtigt Venedigs Sonderrolle in mehr­facher Hinsicht: Die Stadt liegt inmitten der Lagune, ausgezeichnet durch die beziehungsvolle Dynamik der stilisierten Fische, die sich auf der Linie des Canal Grande ineinander verbeißen (Abb. 1), und stellt sich in überbordendem Detailreichtum als ein kaum zu überblickendes Meer aus Häusern, Kirchen, Plätzen und Werftanlagen dar, umgeben von Booten und mit einer ganzen Flotte von Handelsschiffen vor Anker. Aus einer Per­ spektive, wie sie sich nach damaliger Vorstellung dem Auge Gottes darbieten dürfte, wenn es hinüber zum Festland und zu den Alpenpässen schweift, erscheint Venedig dem Allmächtigen wie anvertraut, mit Merkur und Neptun als Unterverwalter der venezianischen Lebensgrundlagen Handel und Meer. Der Plan rührt in mehrerlei Hinsicht an die Grenzen des zu seiner Zeit Machbaren – kartographisch und drucktechnisch – von den sechs großen Druckstöcken über das ungewöhnliche Format der einzelnen Papierbögen bis hin zum Vertrieb eines derart kühnen Erzeugnisses.5 Er zeigt Venedig geschützt durch seine Lage sowie durch Arsenal und Flotte und verweist damit

11


auch auf militärische Innovationen, die der Serenissima das Privileg einräumten, sich bar jeder Ummauerung ein offenes, einladendes Erscheinungsbild zu geben. Da man jeder Stadt ansieht, wer sie regiert und wie sie regiert wird,6 unterstreicht die zur Schau gestellte Offenheit die Effizienz einer Gesellschaftsordnung, die für weltweiten Handel prädestiniert ist, interkulturellem Austausch vergleichsweise offensteht und lokale Beschränkungen überwunden hat. Der Barbari-Plan ersetzt durch Demonstration neuester Technik den Bedeutungsgehalt von Macht und Einfluss, den in früherer Zeit die um San Marco aufgestellten Trophäen als Beutegut der »Durchlauchtigsten« signalisieren sollten, ungleich qualifizierter und kultivierter. Der auf das Jahr 1500 datierte Plan vergewissert sich des Herrschaftsanspruchs Venedigs und seines Bündnisses mit den Göttern Merkur und Neptun fast punktgenau zu eben der Zeit, als sich infolge der Entdeckung Amerikas 1497 die Handelsrouten aus dem Mittelmeer hinüber zum Atlantik zu verlagern begannen. Noch kaum jemandem dürfte damals vollumfänglich bewusst gewesen sein, dass nun ein wirtschaftlicher Niedergang und der Bedeutungsschwund der Flotte einsetzen würde, dass Venedig parallel dazu aber sein unverwechselbares künstlerisches Profil ausprägen sollte. Dieses wurde vom Barbari-Plan geschärft sowie bald auch von Barbaris Kupferstichen und von Tizians im Holzschnitt verlegten programmatischen Bildproduktionen, die selbst nördlich der Alpen ihre Wirkung entfalten sollten.

Ein Urteil mit langem Bestand Maßgeblich leitete sich die neue künstlerische Geltung vom Wirken Jacopo Bellinis und seinen Söhnen Gentile und Giovanni her. Anknüpfend an bestehende Traditionen und Einflüsse, die neben Andrea Mantegna auch Antonello da Messina (1430–1479) einbrachte, entwickelte sich in Venedig ein spezifisches Ausdrucksvermögen. Mit angestoßen durch die häufig prekäre Sicherheitslage und den damit verbundenen Beharrungswillen wurden nun mythische Betrachtungen zur Existenz Venedigs und zu seiner Geschichte angestellt sowie eine Introspektion der vorherrschenden Lebensumstände betrieben. Dennoch hob sich Venedig als Kunstlandschaft nicht ganz so entschieden von anderen ab, wie dies im 16. Jahrhundert in polarisierender Absicht Giorgio Vasari (1511–1574) formulierte.7 So wurde etwa seine Feststellung, Venezianer wie Giorgione, Palma il Vecchio (um 1480–1528), Pordenone (1484–1539) und andere hätten ihr mangelndes zeichnerisches Vermögen unter dem Reiz der Farben verborgen, zu einem Topos, der die Vor-

12

stellungen von venezianischer Kunst bis ins 20. Jahrhundert hinein prägte.8 Vasaris Urteil war aber das eines Toskaners, der den Begriff vom disegno als Instrument der Erkenntnis für die Region seiner Herkunft zu profilieren suchte und damit vor allem dessen formbildende Seite im Auge hatte.9 Um den Begriff noch schärfer abzugrenzen, bedurfte es eines Widerparts, den er sich in Venedig und der dort gepflegten künstlerischen Herangehensweise zurechtlegte. Dabei wurde in Venedig sehr wohl gezeichnet, wenngleich man die Gegenstände in aller Regel weniger analytisch in den Blick nahm als in der Toskana, und ihre Heraustrennung aus der Umgebung nicht im Mittelpunkt der Bestrebungen stand.10 Stattdessen wurde die Verwobenheit der Dinge miteinander und das Offenlegen von Stimmungen anvisiert, wie dies exemplarisch selbst in einem scheinbar so pragmatischen Werk wie dem Barbari-Plan angelegt ist. Dort sind zwar unzählige Details akribisch gesehen, doch schließt sich die Vielfalt zu einem Bild zusammen, in dem das Einzelne im Gesamten aufgeht, ebenso wie die Malerei der Bellini auf die Verbindung aller ihrer Teile hin bedacht ist, auf ein harmonisches Verhältnis der Farben und die Erschließung von Stimmungswerten. All dies zielt auf Kohärenz unter den Gattungen ab, womit die architektonischen Bedingungen Venedigs erneut ins Spiel kommen.

Baukunst und innerstädtische Ansicht Die Architektur lässt als deren Rahmen und Voraussetzung tiefere Aufschlüsse über das Wesen aller übrigen Künste erwarten.11 Um nicht von der Architekturzeichnung und ihren planerischen Inhalten zu reden, die hier ohne Beleg nicht Gegenstand dieser Ausstellung sein können, ist die Baukunst in einem Punkt mit einer Reihe von Exponaten der Druckgraphik doch innig verbunden. Zwar kann die innerstädtische druckgraphische Ansicht auf die gebaute Realität kaum bestimmend einwirken, aber wegen der Klarheit ihrer Darstellungsweise und hohen Anschaulichkeit Bilder vom Gebauten wohl nachhaltiger in die Vorstellungswelt der Menschen hineintragen als die häufig auf dekorative Funktionen eingeschränkte Malerei. Dank ihrer weiten Verbreitung vermittelt die druckgraphische Vedute die Kenntnis von baulich-urbanistischen Phänomenen womöglich noch effizienter als die gebaute Realität selbst.

Piazza San Marco und Piazzetta Die Vedute, also die Wiedergabe dessen, was man gesehen hat (veduto), oszilliert zwischen dem Interesse am Gebauten und der bildlichen Aufbereitung eines Stadtausschnitts zum eigen-


Abb. 2 Michele Marieschi, Piazza San Marco nach Süden, Radierung, 311 × 448 mm (Platte)

ständigen Kunstwerk, in dem die Gewichtung auf ein bestimmtes baukünstlerisches Motiv weit zurücktreten kann. Im ­gebauten, realen Venedig werden urbanistische Eindrücke oftmals, wie eingangs bereits bemerkt, nicht primär von einzelnen Gebäuden bestimmt, sondern vom Zusammenspiel mehrerer Bauten verschiedener Funktion, die, etwa um einen Campo gruppiert, selbst gebaute Bilder ergeben. Im Fall von Piazza San Marco und Piazzetta erscheinen die Bilder, die sie erzeugen, in ihrer Wirkung sogar aufs Diffizilste berechnet: Vor San Marco, der breit gelagerten, von fünf Kuppeln bekrönten Palastkapelle des Dogen, öffnet sich die weiträumige Piazza mit ihrer harmonischen Umbauung, in der ursprünglich die Kirche San Geminiano der Dogenkapelle als Gegenüber antwortete (Abb. 2).12 Von der Piazza zweigen Wege in die merkantilen Zentren um den Rialto ab und am Scharnier zur Piazzetta setzt der Ziegelpfeiler des Campanile mit dem Erz-

engel Gabriel auf seiner Spitze einen nachdrücklichen, in der Lagune weithin sichtbaren Vertikalakzent, der zugleich einen alles überragenden Bezugspunkt darstellt. Ausdrucksstark schiebt sich ihm gegenüber die Porta della Carta vermittelnd zwischen San Marco und den Dogenpalast, der mit seinen großen Fenstern in weiten Wandflächen über Arkaden fast schlicht, in der Umkehrung gewohnter Verhältnisse aber einzigartig und würdevoll erscheint (Abb. 3).13 Rechter Hand wird die Piazzetta von der architektonisch reich instrumentierten, doch keinesfalls wuchtigen Libreria flankiert, die zum Dogenpalast ein denkbar festliches Gegenüber bildet. Die beiden monolithen Granitsäulen, an denen in der Frühzeit große Schiffe vertäut wurden und zwischen denen man mit Sinn für Dramaturgie Staatsverräter richtete, akzentuieren herrschaftlich das Südende der Piazzetta. Sie bilden den Vordergrund für den grandiosen Blick über die Wasserfläche des Bacino di

13


Abb. 3 Michele Marieschi, Piazzetta mit Dogenpalast, Libreria und Campanile di San Marco, Radierung, 315 × 473 mm (Platte)

San Marco (Kat. 5.4). Dort halten in nobler Distanz San Giorgio Maggiore und die Giudecca ein Gleichgewicht zwischen Überschaubarkeit und Weite, innerhalb der die Kuppel von Santa Maria della Salute mit einem nur dem Barock eigenen Gespür für Wirkung den Beginn des Canal Grande markiert (Kat. 7.3). Der Bacino macht in seiner gemessenen, sich schrittweise erschließenden Ausdehnung bewusst, dass Venedig aus klar geordneten Verhältnissen heraus über das Wasser mit der Welt verbunden ist (Abb. 4).14 Bezeichnend, dass anders als in anderen Hafenstädten in Venedig das Wasser nicht als elementare Gewalt in Erscheinung tritt, die durch wuchtige Kaimauern gebändigt werden muss, sondern integriert und domestiziert. Macht und Herrschaft treten so als naturgegeben sinnbildhaft zutage.15

14

Canal Grande Eine ebenfalls bildmäßige, wenngleich weniger berechnete Wirkung bestimmt auch die rhythmische Abfolge der Paläste am Canal Grande. Das einzelne Gebäude tritt kaum als frei stehender Körper in Erscheinung, denn vielmehr meist durch die Tafel seiner auf die Wasserstraße gerichteten Schauseite. Konsequenterweise gingen die seitlichen Türme der frühen byzantinischen Paläste und Relikte der Bauaufgabe »Festung« oder »Burg«, die torreselle, in den flächigen Fassaden der gotischen Paläste auf und blieben in den für den venezianischen Palastbau seither charakteristischen, von der Mitte abgerückten Travéen als optische Erinnerung erhalten (Kat. 3.3). Seinen praktischen Sinn hatte diese Überführung des fortifikatorischen Elements »Turm« in Wandabschnitte auch darin, dass sie einer von der Natur der Lagune geforderten leichten Bau-


Abb. 4 Michele Marieschi, Dedikationsblatt an Marc de Beauvau mit (1679–1754) einem Blick über den Bacino di San Marco auf die Piazzetta und den Dogenpalast, Radierung, 330 × 475 mm (Platte)

weise entgegenkam. Dieses Gebot begünstigte die Öffnung der Wände und damit auch das einladende Erscheinungsbild des einzelnen Bauwerks. Statt konzentriert auf Innenhöfe und abgeschottet nach außen, wie dies noch im Quattrocento etwa in Genua, der ligurischen Kontrahentin Venedigs Usus war, wendet sich der venezianische Palast mit geöffneter Schauseite seiner Umgebung zu. Um in Venedig für Interessenausgleich zu sorgen und Rivalitäten zwischen Konkurrenten zu steuern, setzte man nicht auf innerstädtische Festungen, sondern auf eine effektive Staatsverfassung. Das von der Natur der Lagune aufgegebene Streben nach Ausgleich wird noch heute in den Palästen des Canal Grande anschaulich. Sie rufen eben keine Festungen in Erinnerung, sondern variieren in der Binnengliederung der tafelförmigen Abschnitte ein Muster, das Diversität im Gleichen veranschaulicht (Kat. 4.1). Wo anderenorts

körperhafte Erscheinung und Abgrenzung den Takt für das baukünstlerische Schaffen vorgaben, ist in Venedig die schmuckhaft ausgezeichnete Fassade Ausweis individuellen Anspruchs, aufgehoben in einem verbindlichen Kanon, der die Zugehörigkeit zur führenden Schicht und die Anerkennung ihrer Ordnung signalisiert. Die Bezogenheit der Architektur auf die strukturierte, ornamental instrumentierte Fläche statt auf das Volumen des Baukörpers spiegelt sich in Zeichnung, Druckgraphik und Malerei in einem entspannteren Verhältnis zu Perspektive und der Wiedergabe von Tiefenräumlichkeit wider. Vor einer messbaren Durchdringung des Raums, die sich der Linie vergewissert, steht in Venedig das bildliche Erscheinen im Vordergrund, eine aus Atmosphäre und Stimmung gespeiste Wirkung (Kat. 4.2, 4.3).

15


Abb. 5 Giulio Sanuto, Apoll und Marsyas, Kupferstich von drei Platten, 512 × 1244 mm (Blatt)

Weit geöffnet und signifikant – Sanuto An Barbaris Vogelschauplan knüpft Giulio Sanutos (1540–1588) Stadtansicht Venedigs in dem großformatigen Kupferstich Apoll und Marsyas aus dem Jahr 1562 an (Abb. 5).16 Die Komposition betont den Gegensatz zwischen dem Wettstreit von Apoll und Marsyas in wilder, unwirtlicher Landschaft vorne rechts und dem einladend offenen Schaubild Venedigs links im Hintergrund.17 Die Arbeit ist Herzog Alfonso II. d’Este von Ferrara (1533–1597) gewidmet, der im April 1562 mit großem Hofstaat Venedig einen Besuch abgestattet hatte. Der kunstverständige Fürst wird als Gegenbeispiel zu König Midas geehrt, der in dem Wettstreit ein Fehlurteil zugunsten des Marsyas fällte und dafür von Apoll mit Eselsohren bestraft wurde. Sanutos diplomatische Note in Form des Kupferstichs präsentiert die Serenissima aus erhöhtem Blickwinkel wie in Barbaris Plan, als geordnetes urbanes Ensemble, das Alfonsos Kunstsinn schmeicheln und an den zurückliegenden Besuch erinnern kann. Herauspräpariert ist das Entrée Venedigs mit der sich vom Molo über Piazzetta und Piazza San Marco bis zum Uhrturm erstreckenden Achse, wo andernorts Bollwerke und verwinkelte Gassen die Besucher empfingen. In dieser damals bereits standardisierten Hauptansicht Venedigs wird die unbefestigte Offenheit betont, die Francesco Sansovino (1521–1586) in seiner Stadtbeschreibung Venetia città nobilissima, et singolare rund zwanzig Jahre später erneut hervorheben wird.18 Sanutos Stil

16

bleibt dabei in der perspektivischen Anlage und in der Arbeit mit dem Grabstichel ein wenig spröde, doch erscheinen Piazzetta und Piazza San Marco als signifikante offene Räume, belebt von einzeln oder paarweise auftretenden Betrachtern.

Sehenswürdigkeiten – Carlevaris Mit dem am 26. Januar 1699 in Karlowitz geschlossenen Frieden zwischen dem Osmanischen Reich und dem Heiligen Römischen Reich, Polen, Russland, dem Kirchenstaat und Venedig endete der »Große Türkenkrieg«, der Venedig lange Zeit in Atem gehalten hatte. Mit der nun einsetzenden Tourismuswelle entstand ein Markt für Ansichten dieser so besonderen Stadt. Damit einher ging ein stilistischer Wandel der VenedigVedute, den Gaspar van Wittel (1653–1736), der erste ganz auf Stadtansichten spezialisierte Maler Italiens um 1700, einleitete. Seine Werke knüpften an die moderne Welt niederländischer Veduten eines Pieter Saenredam (1597–1665) und Gerrit Berckheyde (1638–1698) an. Mit van Wittel stand vermutlich Luca Carlevaris (1663–1730) in Kontakt, der 1703 in 101 Blättern in der ersten und erweitert auf 103 Blätter in der zweiten Auflage eine Serie mit Radierungen unter dem Titel Le fabriche, e ve­ dute di Venezia disegnate, poste in prospettiva, et intagliate da Luca Carlevaris (Kat. 3) veröffentlichte.19 Sie zeigt Kirchen, Paläste und Plätze. Gemessen an Bildern etwa von Gentile Bellini


um 1500 oder von Joseph Heintz d. J. (1600–1678) um und nach der Mitte des 17. Jahrhunderts, die zeremonielle Anlässe, offizielle Feierlichkeiten oder Feste zum Motiv hatten, suchte Carlevaris in ausschnitthaften Aufnahmen städtischer Räume und nachempfundenen Wiedergaben des alltäglichen Lebens die Bindung an die Beschauer zu intensivieren und Charakteristisches hervorzuheben. Die bereits von den Zeitgenossen geschätzte Serie orientiert sich hauptsächlich an einzelnen Monumenten.20 Sowohl hierin als auch in der häufig bildparallelen Präsentation der Motive folgte Carlevaris Giovanni Battista Faldas (1643–1678) Serie Il Nuovo Teatro delle Fabbriche, et Edificii, in Prospettiva di Roma Moderna.21 Diese war zwischen 1665 und 1669 erschienen und dokumentiert die Bautätigkeit Papst Alexanders VII. (amt. 1655–1667) in Rom. Carlevaris’ Serie, weder für Pilger noch zum Ruhm eines Papstes

konzipiert, deckt als bildliches Städtelob ein breiteres Spek­ trum ab. Die Betrachtung der einzelnen Blätter kommt einem visuellen Spaziergang durch Venedig gleich, auf dem gelegentlich zwei elegant gekleidete Herren begegnen.22 In einem der beiden mochte sich der Betrachter selbst erkennen. Während der Cicerone wohl Tabarro und Dreispitz trägt, erscheint der andere im formellen Alltagshabit eines Justeaucorps. Zwar liegt der Fokus auf Werken aus Spätrenaissance und Barock, doch wird die Serie vom bedeutendsten mittelalter­ lichen Bauwerk der Stadt und Nationalheiligtum der Venezianer, der Kirche San Marco, eröffnet (Abb. 6).23 Carlevaris zeigt die Fassade eingebunden in städtisches Leben. Gegenüber Falda erhöhte er die Zahl der Figuren, komponierte sie locker und ausgewogen als Gruppen oder Einzelfiguren in den Bildraum, ließ sie kommunizieren und setzte sie in Bezug zum

Abb. 6 Luca Carlevaris, San Marco, Radierung, 207 × 290 mm (Platte)

17


IMPRESSUM Der Katalog

KATALOG

VENEDIG. La Serenissima

Verlag und Vertrieb: Deutscher Kunstverlag GmbH

Zeichnung und Druckgraphik aus

Herausgeber: Kurt Zeitler, Staatliche

Berlin München

vier Jahrhunderten

Graphische Sammlung München

Lützowstraße 33

erscheint zur gleichnamigen Ausstellung

10785 Berlin

der Staatlichen Graphischen Sammlung

Katalogtexte: Maria Aresin (Kürzel

www.deutscherkunstverlag.de

München in der Pinakothek der Moderne,

M. A.), Ilka Mestemacher (Kürzel I. M.),

Ein Unternehmen der Walter de Gruyter

München, 3. Februar bis 8. Mai 2022

alle weiteren Texte von Kurt Zeitler

GmbH Berlin Boston www.degruyter.com

www.sgsm.eu

Lektorat: Andrea Schaller, Leipzig Die Deutsche Nationalbibliothek ver-

Direktor: Michael Hering

Projektmanagement im Verlag:

zeichnet diese Publikation in der Deut-

Imke Wartenberg

schen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet

AUSSTELLUNG

Gestaltung, Satz und Layout:

über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Edgar Endl, bookwise medienproduktion Kurator: Kurt Zeitler

gmbh, ­München

© 2022 Staatliche Graphische Sammlung München, Deutscher Kunstverlag GmbH

Restaurierung: Katrin Holzherr,

Herstellung im Verlag: Jens Lindenhain

Melanie Anderseck, Cornelia Stahl

Berlin München ISBN 978-3-422-98697-8

Scans und Bildbearbeitung: Passepartouts: Bernhard Eglmeier,

Gunnar Gustafsson

Joe Holzner

Bestandskatalog online Ein im Rahmen der Ausstellung erarbei­

Fotothek: Sabine Wölfel Buchbinder: Bernhard Eglmeier

teter Bestandskatalog zu Zeichnungen und Druckgraphik venezianischer Kunst

Reproduktionen: Lanarepro, Lana (ITA) Rahmung und Aufbau: Karl-Heinz

in der Staatlichen Graphischen Sammlung München findet sich auf SGSM online:

Francota Staat, Rafael Díaz Noguero,

Druck und Bindung: Grafisches

https://www.sgsm.eu/sammlung-

Mizuho Matsunaga

Centrum Cuno, Calbe (Saale),

collection/sgsm-online/

gedruckt im Ultra HD Print®

Für weitere Informationen zu den einzel-

Sekretariat: Romy Halász

nen Blättern wechseln Sie bitte zur OnlineSchriften: Bodoni Std, Corporate A/S Pro

Studiensaal: Florian Kislinger, Rafael Díaz Noguero, Michael Graßl

352

Datenbank der Graphischen Sammlung: https://emp.graphische-sammlung.

Papier: Condat matt Périgord 150 g/qm

mwn.de/eMuseumPlus


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.