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Der Himmel am Hochfelln bei Ankunft der Druckwelle am 7. August 2021: Die Stratus-Bewölkung lässt auf den ersten Blick nicht viel Unheil vermuten.

Druckwellen,

das verkannte Meteo-Risiko

Präfrontales Fliegen ist unberechenbar. Der eigentlichen Kaltfront mit Regen kann eine Druckwelle mit Starkwind vorauslaufen. Für Gleitschirmflieger ist das besonders gefährlich. TEXT UND BILDER: LUCIAN HAAS

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ine Kaltfront ist angekündigt, aber es regnet noch gar nicht, und Gewitter sind ebenfalls nicht in Sicht. Also kann ich ja noch fliegen, oder? Diese laxe Einstellung von Piloten bei aufziehenden Kaltfronten kann sehr gefährlich sein. Denn manche Kaltfronten sind mit einem besonderen Phänomen verbunden: Der eigentlichen Front mit dem zugehörigen Regengebiet eilt zuweilen eine schmale Zone mit einer wellenartigen Veränderung des lokalen Luftdrucks voraus. Das kann dramatische Auswirkungen haben. Im Bereich der Welle nimmt der Luftdruck innerhalb kurzer Zeit deutlich zu. Daraus ergibt sich ein lokal sehr starker Druckgradient, der den Wind im Bereich dieser soge-

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nannten Druckwelle gehörig anfacht. Wind ist bekanntlich der Druckausgleich vom höheren zum tieferen Luftdruck. Die dramatische Veränderung kann bei einer Druckwelle innerhalb von Minuten geschehen. Wer sich gerade noch bei sanften 15 km/h durch die Lüfte schaukeln ließ, findet sich mit einem Mal unter Umständen bei 60 km/h Wind rückwärts fliegend in größter Not wieder. Solche Druckwellen gibt es nicht vor jeder Kaltfront, aber immer wieder. Besonders häufig treten sie am Nordalpenrand auf, wenn eine zuvor bestehende Südlage mit föhnigem Charakter und sehr warmen Luftmassen durch das Eintreffen einer deutlichen Kaltfront mit kräftigem Regen aus Westen abgelöst wird.

Der 7. August 2021 war zum Beispiel so ein Tag. Da rückte eine Kaltfront an. Doch bereits gut eine Stunde bevor der zugehörige Regen im Chiemgau eintraf, nahm der Wind dramatisch zu. Lokale Mess-Stationen, zum Beispiel am Landeplatz des Hochfelln südlich des Chiemsees, verzeichneten um kurz nach 19 Uhr einen Windsprung von unter 10 km/h auf über 30 km/h (Mittelwind) und 50 km/h in den Spitzen. Am Gipfel des Hochfelln wurden sogar Windspitzen bis 70 km/h verzeichnet. Interessant ist dabei nicht nur die Entwicklung der Windstärke, sondern auch die der Temperatur: Von derselben Station gemessen fiel sie ebenso plötzlich von über 25°C auf unter 15°C. Dieser Temperatursturz bewww.dhv.de


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