2 minute read

12

Beschwingte Sache im Haus am Ruckerlberg

Walzer und Twist standen auf der Beliebtheitsskala beim ersten Musik- und Tanzcafé im Haus am Ruckerlberg in Graz ganz oben. Die Zivildiener erwiesen sich als galante Tanzpartner. Die Gäste kamen ordentlich ins Schwitzen. Saskia Dyk

Advertisement

Ich möchte unbedingt Twist tanzen!“ Frau Loidl insistiert beim jungen Mann an der Musikanlage sicherheitshalber noch einmal. „Spielen Sie heute Twist?“ Dezente Hintergrundmusik empfängt die Gäste aus den Hausgemeinschaften beim „Ersten Musik- und Tanzcafé“. Der Raum ist mit Discokugel und Plattencovern dekoriert, von den Wänden lachen Roy Black und Conny Froboess. Die Besucher weisen einander auf die Musikgrößen von damals hin und bestellen prickelnde Getränke.

Seit zwei Wochen kündigen Plakate die Veranstaltung an. FH-Student Kevin Fösl geleitet Frau Loidl zu ihrem Platz und erhöht die Vorfreude: „Selbstverständlich spielen wir für Sie heute Twist!“.

„Die Idee eines Tanzcafés entstand in einer Biographierunde“, erzählen Birgit Ritzinger-Vitar und Miša Strobl vom Haus am Ruckerlberg. „Früher gab es so viele Tanzlokale in Graz, zum Beispiel das L’Équipe“, erinnert sich Frau Loidl, „aber heute?“. Auf die Idee folgte rasch die Umsetzung: Studierende der Sozialen Arbeit an der FH Joanneum wählten das Musik- und Tanzcafé als Projektarbeit. „Es war uns wichtig, dass die Bewohnerinnen und Bewohner das Tanzcafé anhand ihrer Erinnerungen mitgestalten“, erläutert Birgit Ritzinger-Vitar die Bedeutung von Biographiearbeit.

Die Studierenden führten über mehrere Wochen Gespräche in den Hausgemeinschaften: Über Schlagerstars, Englischwalzer und männliche Tanzmuffel. „Ich habe aber immer einen Tänzer gehabt“, erzählt eine Besucherin. „War da ihr Ehemann nicht eifersüchtig?“ fragt eine Studentin. „Aber geh, mein Tanzpartner war ja kein schöner Mann. Er war halt ein guter Tänzer!“

Der Donauwalzer erklingt. Kevin Fösl zeigt eine Choreografie, bei der die Gäste sitzen bleiben können, aber dennoch in Schwung kommen. Schon bei der nächsten Nummer, einem Englischwalzer, hält es viele nicht mehr auf ihren Plätzen. Die Zivildiener in schwarzen Anzügen und weißen Hemden haben jetzt ihren großen Auftritt. „Die haben sich aber fesch gemacht“, stellen die Damen anerkennend fest und werden umgehend zum Tanzen aufgefordert. Erste Tanzpaare wiegen sich auf dem Parkett, die Drehungen werden bald schwungvoller. Nach weiteren Nummern und begeisterten „Jö, der Freddi Quinn“-Rufen ist die Stimmung ausgelassen.

Die Zivildiener haben mittlerweile die Jackets abgelegt, die Getränke fließen in Strömen. Jetzt ist es endlich Zeit für Twist und Frau Loidl genießt die Chubby Checkers, auch wenn sie sich nach wenigen Takten vorsichtshalber wieder hinsetzt. Auch Damen und Herren im Rollstuhl finden den Weg auf die Tanzfläche und beweisen gemeinsam mit den Zivildienern tänzerische Kreativität.

Nach einer Stunde urgieren die Zivildiener eine Pause. Die Gäste freuen sich über Brötchen und kühle Getränke. Studentin Gudrun Seier nimmt Musikwünsche für die zweite Hälfte entgegen. Die Nummern werden langsam ruhiger. „L’amour-Hatscher“ scherzen

manche und ein Paar tanzt Wange an Wange. Nach fast zwei Stunden überkommt die Gäste Müdigkeit: „Das gehört unbedingt wiederholt“, merkt ein begeisterter Tänzer beim Weg in die Hausgemeinschaft an. „Auch wenn ich nur kurz getanzt habe, das Zuschauen war auch amüsant“, ergänzt Frau Loidl.

Neue Erlebnisse sammeln Birgit Ritzinger-Vitar freut sich, was mit dem Werkzeug der Biographiearbeit möglich ist: „Aus den Erlebnissen von früher sind heute wertvolle neue Erlebnisse entstanden“. Beim Abnehmen der Plakate pfeift ein Zivildiener einen Peter-Alexander-Song vor sich hin: Sag beim Abschied leise Servus …

This article is from: