critica
Zeitung von Die Linke.SDS (Sozialistisch–Demokratischer Studierendenverband) Ausgabe Nr. 11 / 2013 www.critica-online.de
Wenn wohnen zum Luxus wird Studierende finden zu Studiumsbeginn immer häufiger ein Wohnraumdesaster vor. Warum die Mieten steigen und was ihr dagegen tun könnt. S. 8
Überwachung: Warum sich Geheimdienste nicht demokratisch kontrollieren lassen S. 6 Protest: In der Türkei kämpfen junge Menschen um eine lebenswerte Zukunft S. 10 Kultur: Die Berliner Rapperin Sookee spricht im Interview über Feminismus und Hip-Hop S. 14
Editorial
Bundestagswahl
Alles schläft, Merkel macht’s
Editorial Liebe Leserin, lieber Leser,
Mietenaktionstage
Zum Semesterstart wird der Wohnraummangel für Studierende einen neuen Höhepunkt erreichen. Es fehlt an günstigem Wohnraum in Hochschulnähe und öffentlichen Wohnheimplätzen. Das Bündnis „Studis gegen Wohnungsnot“ ruft darum in der Woche vom 4. bis 8. November zu Mietenaktionstagen mit kreativen Aktionen und Demonstrationen auf: Mittwoch, 6.11. – Vollversammlungen zum Thema „Studentische Wohnungsnot“ an vielen Universitäten. Donnerstag, 7.11. – „Wohnheim Rathaus“ - Wir wollen mit Schlafsäcken, Zelten und Möbeln zu den Rathäusern ziehen, um deutlich zu machen, dass es zu wenig günstigen Wohnraum gibt. Freitag, 8.11. – „Studis in Wohnungsnot“- Demo. Ihr wollt mehr Informationen zu den Aktionstagen haben oder selbst aktiv werden? Dann schaut am besten auf diese Webseite: studis-gegen-wohnungsnot.de
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P.S.: Hast du Lust, die nächste critica mitzugestalten? Kannst du schreiben oder layouten oder willst es lernen? Wir suchen immer nach redaktioneller Verstärkung. Schreib einfach eine Mail an info@critica-online.de
22. – 24. November Frankfurt am Main
critica: Semesterzeitung von Die Linke.SDS Nr. 11/2013
Blockupy Europe
Foto: Björn Kiezmann
www.critica-online.de
Impressum Kleine Alexanderstraße 28, 10178 Berlin Redaktion: Deniz Avan, Friederike Benda, Janis Ehling, Anne Geschonneck, Alexander Hummel, Elisabeth Kula, Franziska Lindner, Max Manzey, Jakob Migenda, Sarah Nagel, Paul Naujoks, Ramona Seeger, Michael Stöckel, Kerstin Wolter Layout: Sascha Collet ViSdP: Kerstin Wolter, Kleine Alexanderstraße 28, 10178 Berlin Anzeigen und Bestellungen: info@critica-online.de www.critica-online.de
Während die Bundestagswahl einige Überraschungen lieferte, fuhr die CDU Rekordergebnisse ein. Das liegt auch daran, dass SPD und Grüne keine Alternative anbieten, meint Jakob Migenda Bild: http://www.flickr.com/photos/lemonpixel/
Weil alles, was wir interessant genug finden, um darüber zu schreiben, nicht auf 16 Seiten passt, gibt es die critica auch online:
4. – 8. November
Foto: Campact
Rolex, Benz und Manolo Blahniks waren gestern – heute ist das schicke Innenstadtappartement das neue Statussymbol. Wohnungsnot und Verdrängung sind die Kehrseite dieser Entwicklung. Doch es gibt auch Chancen des Widerstands (S. 8). Unter hohen Mieten leiden auch die Menschen in Istanbul. Das ist aber nur ein Grund von vielen für die Massenproteste in der Türkei in diesem Sommer (S. 10). Während die Welt gespannt nach Istanbul blickte, schauten die Geheimdiente auf unsere Aktivitäten im Internet. Durch den Überwachungsskandal wird es offensichtlich: Geheimdienste sind eine Gefahr für die Demokratie (S. 6). Gefährlich für das Patriarchat sind die Lines der queerfeministischen Rapperin Sookee. In unserem Interview (S. 14) spricht sie über sexualisierten Hip-Hop und erzählt uns, wie sie sich eine feministische Welt vorstellt.
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Gegen die Verarmungspolitik der herrschenden europäischen Eliten regt sich mit den Blockupy-Protesten seit 2012 jährlich Widerstand. Das erklärte Ziel für die Zukunft ist es, den Widerstand zu europäisieren. Gemeinsam soll daher im Jahr 2014 der Protest gegen die autoritäre EU-Krisenpolitik in die Öffentlichkeit getragen und für echte Demokratie gekämpft werden. Vom 22. bis 24. November 2013 findet die europäische Blockupy-Aktionskonferenz in Frankfurt am Main statt. Sie ist der Ort für die Vernetzung sämtlicher europäischer linker Kräfte. Die Konferenz ist zentral für die gemeinsame Strategie und Aktionsplanung im nächsten Jahr. Das Blockupy-Bündnis besteht aus vielen verschiedenen Einzelpersonen und Organisationen der gesellschaftlichen und politischen Linken – alle sind willkommen! Weitere Infos unter: blockupy-frankfurt.org
er erste Bundestag ohne FDP, die rechtspopulistische AfD verfehlt nur knapp den Einzug ins Parlament und die Union bekommt fast eine absolute Mehrheit – eigentlich ist diese Wahl ein politisches Erdbeben. Wie gesagt: eigentlich. Zu einer starken Verschiebung der politischen Kräfteverhältnisse gehört sonst ein polarisierender und mitreißender Wahlkampf. Doch davon war im Spätsommer dieses Jahres nichts zu spüren. Ruhig und inhaltslos plätscherte er vor sich hin.
DieLinke.SDS Kleine Alexanderstr. 28 10178 Berlin info@linke-sds.org
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Über allem thronte eine unnahbare Angela Merkel. Von fast jeder Werbefläche lächelte sie einem unter der Überschrift „Kanzlerin für Deutschland“ entgegen. Mancherorts fühlte man sich schon an realsozialistischen Personenkult erinnert. Die Allgegenwart der Person Merkel ist dabei nur die Kehrseite der Inhaltslosigkeit des CDU-Wahlkampfes. Es war ein Unionswahlkampf, der keine Botschaft kannte außer „Uns geht’s gut und Mutti macht das schon…“ Doch diese Beruhigungspille wurde in Krisenzeiten gern geschluckt und verhalf der Union zum besten Ergebnis seit 23 Jahren.
Steinbrück bleibt unglaubwürdig
8. März
Internationaler Frauenkampftag Am 8. März findet jährlich der Internationale Frauentag statt. Üblicherweise werden an diesem Tag Blumen an Frauen verschenkt. Zwar gibt es vereinzelt auch Aktionen, die auf herrschende patriarchale Verhältnisse aufmerksam machen, diese werden aber in der Öffentlichkeit so gut wie nicht wahrgenommen. Das soll 2014 anders werden. Gemeinsam mit Gewerkschaften, feministischen Gruppen und weiteren Aktiven sollen an diesem Tag feministische Forderungen offensiv in die Öffentlichkeit getragen sowie die Politisierung und das Empowerment von Frauen gefördert werden. Denn die Forderungen früherer feministischer Kämpfe um Gleichberechtigung und Gleichstellung der Frau sind auch heute noch nicht erfüllt. Dazu soll ein Bündnis gegründet werden, welches sich zum ersten Mal am 18. Oktober in Berlin trifft. Wenn ihr euch einbringen wollt, schreibt an bakfeminismus@lists.linksjugend-solid.de Mehr Infos unter: linksjugend-solid.de/kampagnen/frauenkampftag-2014
Ihr Wahlerfolg war aber nicht alleine das Werk der Unionsparteien. Sie profitierten auch von der extrem geringen Polarisierung im Wahlkampf. Die SPD konnte mit ihrem Kandidaten Steinbrück nicht glaubhaft vermitteln, wirklich anders zu sein als ihre schwarze Konkurrenz. Zu frisch waren die Erinnerungen an Hartz IV, die Agenda 2010 und Finanzminister Steinbrück während der Großen Koalition. Da konnte der Spitzenkandidat so viel sozialpolitische Kreide fressen wie er wollte, seine Worte von sozialer Gerechtigkeit konnte gerade ihm, dem Architekten der Agenda 2010, niemand ernsthaft abnehmen. Auch durch das Festhalten an einem aussichtslosen rot-grünen Bündnis gelang keine Inszenierung eines Lagerwahlkampfs, geschweige denn die Erzeugung einer Wechselstimmung. Dadurch
entschieden sich viele doch für das bürgerliche Original: Merkel. Die SPD fuhr ihr zweitschlechtestes Ergebnis in der Nachkriegszeit ein.
Verdienter Abstieg der FDP Trotz ihres Erfolges steht auch die Union nicht sorglos da. Ihr natürlicher Koalitionspartner FDP ist an der 5-Prozent-Hürde gescheitert und ihre Koalitionsmehrheit verschwunden. Das Scheitern der Liberalen war lange vorbereitet. Während der gesamten Legislaturperiode konnten sie keine inhaltlichen Akzente setzen. Sie fielen vor allem durch die Senkung der Mehrwertsteuer für Hotels und einen stetig vorgetragenen Sozialchauvinismus auf. Nicht nur Westerwelles Äußerungen von der angeblich spätrömischen Dekadenz machte die FDP zum kaltherzig-neoliberalen Hassobjekt. Folgerichtig lagen die Freidemokraten seit Sommer 2010 in Umfragen beständig auf oder unter 5 Prozent. Den endgültigen Todesstoß versetzte ihr das neue Wahlrecht, durch das alle Überhangmandate ausgeglichen werden und sich Stimmensplitting nicht mehr lohnt. Selbst als konturlose Mehrheitsbeschafferin war die FDP für die Union nicht mehr zu gebrauchen und fiel wie eine blutleere Hülle aus dem Bundestag.
Veggie Day und Pädophilievorwürfe Die Grünen entwickelten sich während der Legislaturperiode spiegelbildlich zur FDP. Während die Liberalen um ihr Überleben kämpften, errangen die Grünen mit Rückenwind von Stuttgart 21 und Fukushima Traumergebnisse in den Sonntagsfragen. Dass sie diese Umfrageergebnisse nicht halten konnten, war klar. Doch ihr Ergebnis lag mit 8,4 Prozent deutlich unter dem des letzten Urnenganges. Sie haben als einzige Partei während des Wahlkampfes drastisch an Zustimmung verloren. Die Grünen konnten in der Wahlkampfzeit keine begei-
sternde Kampagne lancieren. Sie waren im gesamten Zeitraum in der Defensive und mussten sich gegen äußere Kritik am Veggie-Day und 30 Jahre alten Texten über Pädophilie sowie Steuerplänen verteidigen, die eigentlich nur BesserverdienerInnen belasten würden. Hinzu kamen die Aussichtslosigkeit einer rotgrünen Mehrheit und die medial inszenierte Zuspitzung auf die beiden KanzlerInnenkandidatInnen. Das schlechte Wahlergebnis entfaltet jetzt innerparteiliche Wirkung. Die gesamte Spitze ist bereits zurückgetreten oder stellt sich Neuwahlen. Aus den anstehenden Strömungskämpfen wird voraussichtlich der rechte Flügel gestärkt hervorgehen. Zu sehr wird der Steuerwahlkampf medial als Grund für das schlechte Abschneiden benannt, als dass die VertreterInnen der Steuerpläne vom linken Flügel die innerparteiliche Führung beanspruchen könnten.
Die Kampagne der LINKEN fiel durch klare Inhalte und Forderungen auf. Mit diesem themenzentrierten Wahlkampf konnte sie einen Kontrapunkt zur großen Ähnlichkeit der anderen etablierten Parteien setzen. Dadurch konnte sie im Wahlkampf Menschen für sich gewinnen. Auch solche, die sie in den letzten Jahren, als sich die Partei zu sehr mit internen Querelen als mit den Interessen ihrer WählerInnen beschäftigte, verloren hatte. Auch die hessische Land-
tagswahl bestätigte diesen Trend. In Hessen hatte die LINKE eine starke außerparlamentarische Arbeit geleistet und war nicht zuletzt im Widerstand gegen die Nordweststartbahn am Frankfurter Flughafen oder den Blockupyprotesten eine wichtige Bündnispartnerin. Wenn die LINKE ihr außerparlamentarisches Engagement ausbaut, kann sie nicht nur Wahlstimmen gewinnen, sondern auch eine breite gesellschaftliche Wirkung erzielen.
LINKE setzt auf Inhalte Die fehlende Zuspitzung des Wahlkampfes half aber nicht nur Merkel, sondern auch Parteien, die in radikaler Opposition zur vorherrschenden Politik stehen. Die rechtspopulistisch-neoliberale AfD errang 4,7 Prozent der Stimmen. Ihre Kampagne war monothematisch auf die Kritik an der von CDU bis Grüne getragenen Krisenpolitik ausgerichtet. Dabei profitierte sie auch davon, dass die LINKE in der Eurofrage zu blass blieb. Mit dem Thema der Eurokritik konnte sie ein großes Potential von Unzufriedenen aller sozialen Klassen mobilisieren. Im trojanischen Pferd der Eurokritik versteckt die Partei Themen mit einer deutlich unsozialen Stoßrichtung. Die Partei tritt für verschärfte Zuwanderungsregelungen und ultraneoliberale Ordnungspolitik ein und hat eine nach rechts offene Flanke, wenngleich sie eindeutig keine faschistische Partei ist.
Illustration: Sascha Collet
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Ergebnisse der Bundestagswahl 2013
Praktikum
Universität
Antidepressiva für Lisa
Kopieren unter Palmen
An der Uni ist heute zwar nicht alles anders, aber vieles schlechter. Darüber sollte man sich aufregen, meint Janis Ehling
Praktikumsvermittlungsagenturen verlangen für ihren Service eine saftige Gebühr. Doch sie sind nur die Spitze der ausbeuterischen Welt des Praktikums. Von Ramona Seeger
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Illustration: Sascha Collet
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enken Sie an die rechtzeitige Anmeldung Ihres Pflichtpraktikums!“, warnt mich die InfoMail des Bremer Prüfungsamts. Mist, denke ich, das hatte ich völlig vergessen. Dabei wollte ich die vorlesungsfreie Zeit nutzen, um in den Urlaub zu fahren. Vielleicht finde ich im Internet einen Praktikumsplatz. Ich klappe den Laptop auf und suche nach ersten Infos. Nach kurzer Zeit stoße ich auf sogenannte Praktikumsvermittlungsagenturen. Die garantieren mir zertifizierte Praktika im Ausland bei schnellster Vermittlung. Die Auswahl ist riesig. Praktikumsvermittlung.de bietet neben Freiwilligenarbeit auch andere sogenannte Programme wie Work & Travel und Auslandspraktika an. Ich entscheide mich für ein achtwöchiges Praktikum in Lissabon, ohne Unterkunft und Sprachkurs und drücke „jetzt berechnen“. Dann trifft mich der Schlag: 990 Euro soll das kosten, darin enthalten sind eine Einschreibegebühr für das „Programm“ und der Organisationskostenbeitrag. Ich muss also fast 1000 Euro dafür bezahlen, dass ich arbeite. Sollte das nicht eigentlich umgekehrt sein? Mit mulmigem Gefühl suche ich weiter. Auf diplomcampus.de finde ich Erfahrungsberichte von Personen, die bereits ein Praktikum vermittelt bekommen haben. Sie bedanken sich bei der Agen-
tur für die „unvergessliche Erfahrung“ und den „intensiven Einsatz“ und sind davon überzeugt, dass das Praktikum „ihr Leben beeinflusst“ hat. Mir wird schlecht. Doch ich reiße mich zusammen und klammere mich an die Hoffnung, dass die Vermittlungspauschale dieser Agentur vielleicht etwas geringer ist. Mit circa 500 – 600 Euro bin ich dabei, je nachdem, in welches Land ich möchte. Stutzig macht mich die kleine Zeile weiter unten: „Falls das Praktikum vergütet sein sollte, tritt zu dieser Gebühr einmalig eine 15 prozentige Beteiligung an der zugesagten Gesamtvergütung hinzu“. Aha. Falls ich also so viel Glück habe und ein bisschen Geld für meine Arbeit bekomme, verdient diplomcampus nochmal mit. Meine Motivation schwindet.
Kaffee kochen auf Borneo Aber um das Pflichtpraktikum komme ich nicht herum. Und auch nach dem Studium sind Praktika notwendig. Meine Professorin hatte im ersten Semester gesagt, dass wir Auslandserfahrungen und haufenweise Praktika zum Beispiel bei Bewerbungsgesprächen vorweisen müssen. Ich fühle mich etwas zur „interkulturellen Kompetenzerweiterung“ gezwungen, zur „kombinierten Praxisorientierung und Internationalisierung“. Natürlich: Wenn mir Praktika wirklich verschiedene Jobs näher brächten, mir
dabei helfen würden, berufliche Entscheidungen zu treffen und ich währenddessen sogar einen Einblick in eine andere Kultur erhielte, würde ich möglicherweise die kompletten Semesterferien Praktika absolvieren. Aber was, wenn ich irgendwo auf Borneo für ein Unternehmen unbezahlt Akten sortieren und Kaffee kochen muss?
Praktikum statt feste Stelle Während meiner Recherche wird mir immer klarer, dass besonders Unternehmen vom Praktikumshype profitieren. PraktikantInnen sind billig, oft arbeiten sie umsonst. Manche Unternehmen benutzen PraktikantInnen sogar als Ersatz für reguläre Arbeitskräfte. Persönliche Orientierungshilfe? Fehlanzeige! „Pflichtpraktika“ sind derart in meine Studienordnung integriert, dass ich glaube, dass sie gar nicht um ihrer selbst willen gemacht werden sollen. Eher stellen sie abzuhakende Bestandteile meines Studienverlaufs dar, ähnlich einer Prüfung. Indem Hochschulen ihren Studierenden durch Praktika sogenannte berufliche Skills vermitteln, übernehmen sie unternehmerische Verantwortung. Auch im Bereich der Pflichtpraktika ist zu beobachten, dass sich der Zweck der Universität verändert: weg von der wissenschaftlichen Ausbildung, hin zum Ausbildungsbetrieb für die Wirtschaft.
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Und in diesem ökonomischen Licht erscheint mir auch die Onlinevermittlung. Die Agenturen, nichts anderes als kreative Ausweitungen des Dienstleistungssektors, werden von der „Generation Praktikum“ nachgefragt, die selbst nach dem Master von einem Praktikum zum nächsten zieht. Die feste Stelle in weiter Ferne und die dauerhafte berufliche Unsicherheit als Normalfall. Dass ich, anstatt etwas zu verdienen, für ein Praktikum sogar noch draufzahlen soll, wundert mich jetzt auch nicht mehr. Letztlich entscheide ich mich für ein Praktikum im Jugendzentrum um die Ecke. Das verspricht zwar keine Auslandskompetenz, schont aber meinen Geldbeutel. Außerdem bekomme ich 9,50 Euro die Stunde. Und das gute Gefühl, mich nicht komplett ausbeuten zu lassen.
art, du darfst nicht kiffen. Das ist nicht die richtige Zeit dafür. Für Drogen gibt es einen Ort und eine Zeit: die Universität.” Diesen pädagogisch wertvollen Tipp gab Homer seinem Sohn Bart in einer Folge der Simpsons. Nun sind Homers Erziehungstipps wahrscheinlich kein Konsens unter Eltern, aber sein Bonmot ist trotzdem interessant. Der schöne Spruch bringt das Klischee der Uni von früher auf den Punkt: Studierende haben viel Zeit an der Uni, sei es für Bildung, Bier oder Gras.
Wünsch dir was war gestern Was die Wünsche der Studis angeht vielleicht schon. Die meisten wollen während des Studiums eine gute Zeit haben und eine gute Ausbildung bekommen. Einige wollen sich sogar richtig bilden, den Dingen wirklich auf den Grund gehen, aber das ist eine verschwindende Minderheit. Da hat sich bis heute nichts geändert, machen wir uns nichts vor. An der Uni hat sich währenddessen aber einiges geändert. Zum Semesterstart stellt sich jetzt jeder Studi seinen Semesterplan zusammen. Das ist einfach und geht schnell. Die guten Seminare sind schon belegt und das Angebot ist gering. Eine Auswahl nach Interessensschwerpunkten? Ach Quatsch, wir sind hier ja nicht bei wünsch dir was. Immerhin: Umstellungsprobleme von der Schule zum Studium können nicht entstehen.
Der Unterschied zur Schule fällt erst beim Besuch der Seminare auf. In der Schule hatte jeder seinen Platz. In der Uni muss man froh sein, überhaupt einen zu bekommen – und sei es auf dem Boden oder vor der Tür.
Keine Zeit für Wissenschaft Dafür kontrollieren die Profs schlechter als Lehrkräfte an Schulen. Es gibt ganz einfach zu wenige von ihnen. Der Studi muss sich deshalb über jede kleine Aufmerksamkeit von Seiten der Profs freuen. Mit viel Glück und ein wenig Arschkriecherei, lernt man seine Profs sogar persönlich kennen – voller Dankbarkeit, auch nur ein wenig vom Glanze der Koryphäe berührt worden zu sein. In der Unihierarchie aufzusteigen ist einfacher, wenn man einen der schlecht bezahlten Hilfsjob annimmt oder selber Seminare gibt – unbezahlt, versteht sich. Das machen aber nur die idealistischen Studis, die die Illusion einer wissenschaftlichen Laufbahn nicht aufgeben möchten und sich von jahrelang befristeten Jobs nicht abschrecken lassen. Arme Irre! Wissenschaftliches Arbeiten in der Uni? Dafür haben nicht mal die Profs Zeit, schließlich müssen Drittmittel eingeworben und hunderte Hausarbeiten korrigiert werden. Wer die Gnade reicher Eltern oder einen bewilligten BAföG-Antrag hat, hat mehr Zeit. Leider sind das nicht viele. Fast zwei
Drittel der Studis arbeiten in ein oder zwei Nebenjobs, um sich über Wasser zu halten. Für das Studieren bleibt keine Zeit. Die Studis müssen sich Wissen eintrichtern. Hier ist die Devise: viel hilft viel. Pädagogische Konzepte, die Beförderung zum kritischen Denken oder wissenschaftliches Arbeiten spielen kaum eine Rolle. Inhalte sind nicht entscheidend und müssen überwunden werden. Viel Wissen, in möglichst kurzer Zeit, muss in so einen Studi rein. Da aber kein Prof einen Überblick über das Wissen seiner Studis hat, muss ordentlich geprüft und getestet werden. Ein paar Hausarbeiten hier, ein paar Klausuren dort und ein wenig Überforderung für die Studis sollte es schon sein. Aber wehe, jemand schafft das große Pensum nicht und überzieht das Studium.
Viel hilft viel Deshalb ist Ranklotzen angesagt. Für den Fall, dass jemand das nicht schafft oder sich erdreistet, noch andere Interessen zu haben, ist vorgesorgt. Wer über der Regelstudienzeit liegt, bekommt kein BAföG mehr oder muss Langzeitstudiengebühren zahlen. Für alle, die das Pensum wegen ihrer Nebenjobs nicht schaffen, bleibt ja noch ein Studienkredit. Zwar oft zu horrenden Zinsen, aber das ist nicht das Problem der modernen Bildungsfabrik. Genauso wenig die vier bis fünf Prozent
der Studierenden, die regelmäßig Antidepressiva schlucken, weil sie sonst nicht mit dem Studium fertig werden. „Selber Schuld“ heißt das Mantra der heutigen Hochschule! Hier wird ausgesiebt. Die Uni hat schließlich einen Bildungsauftrag. Sie muss junge Menschen auf die Gesellschaft vorbereiten. Das tut sie – und wie. Der Studi von heute wird auf eine harte und unsolidarische Gesellschaft vorbereitet. Junge Menschen brauchen dafür keine Bildung, sondern Disziplin und eine gehörige Portion Fatalismus. Hilfe ist nicht zu erwarten. Diszipliniere dich selbst, pass dich an, trag dein Unglück mit Fassung. Bier und Gras bleiben für den Vollrausch. Als kleine individuelle Flucht oder als große Selbstaufgabe. Jeder fünfte Studi nimmt dafür leistungssteigernde Mittel. Amphetamine oder Kokain kommen nicht nur beim Tanzen, sondern auch beim Lernen oder Klausurenschreiben zum Einsatz. Die Uni mag für manche noch ein schöner Ort sein, aber nicht wegen, sondern trotz des Studiums. Homer Simpson liegt daneben. Bart sollte heimlich weiterkiffen. Für Bier und Gras bleibt an der Uni keine Zeit mehr. Von Bildung hab ich hier nicht gesprochen. Aber darum geht es auch nicht. Zu Risiken und Nebenwirkungen eines Studiums konsultieren Sie am besten Ihren Therapeuten oder Ihre lokale SDSGruppe.
Infos und Tipps rund um deine Rechte im Studium, Praktikum und Job bietet das Informations- und Beratungsangebot der DGB-Jugend „Students at work“ : jugend.dgb.de/studium
Lisa hat sich schon mal einen Pillen-Vorrat für das Studium angeschafft Anzeige
Foto: Darwin Bell CC BY-SA 2.0
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Repression
Repression
Ausgespähte Demokratie
Die Armee von nebenan
Die Überwachungsprogramme der Geheimdienste sind nicht nur Auswüchse eines notwendigen Übels. Geheimdienste sind Fremdkörper für die Demokratie. Um die Demokratie zu retten, müssen die Geheimdienste verschwinden. Von Alexander Hummel
Die Bundeswehr macht mobil. Und das nicht nur im aktiven Dienst, sondern auch an der Reserve. Von Anne Geschonneck
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Die Stasi hat laut Stasi-Unterlagenbehörde 111.200 Regelmeter an Informationen verwahrt. Rechnet man diese Regelmeter in Bytes um, sind das insgesamt 2,8 Terrabyte. Die speicherfähige Datenmenge im sich gerade im Bau befindenden Utah Data Center wird hingegen in Yota-Byte gemessen und entspricht damit dem mehr als 360-milliardenfachen der verwahrten Stasi-Unterlagen. Die Aussagen von hochrangigen NSA-Mitarbeitern lassen zudem keine Zweifel darüber aufkommen, dass sie diesen Speicherplatz ausnutzen wollen. In einem von Edward Snowden geleakten Dokument wird der leitende General des NSA Keith Alexander mit den Worten zitiert: „Warum können wir nicht jederzeit alle Signale sammeln?“
Nichts ist zu privat Der NSA und seinen befreundeten Geheimdiensten geht es also um die Überwachung jeglicher menschlicher Kommunikation weltweit. Keine Situation, kein Gespräch, keine Information gilt als zu privat, um nicht gespeichert und gegebenenfalls nachrichtendienstlich verwertet zu werden. Informationen, die genutzt werden können, um Menschen zu manipulieren und zu erpressen. Dabei geraten immer öfter auch gewöhnliche Menschen in das Visier der digital hochgerüsteten
Schlapphüte. Als die Professorin Ursula Gresser zum Beispiel über twitter auf die Möglichkeit hinwies, bei einer öffentlichen Veranstaltung Fragen an die bayrische Justizministerin Beate Merk zum Fall Gustl Mollath zu stellen, wurde sie von zwei Polizeibeamten besucht, die sie dazu drängten, die twitter-Nachricht aus dem Internet zu nehmen. Hier wird ein demokratisch nicht legitimierter Überwachungsapparat ganz offen dazu genutzt, eine kritische Öffentlichkeit, einen Grundpfeiler der Demokratie, zum Schweigen zu bringen. Zunehmend leisten die Menschen jedoch Widerstand. So kamen zu den bundesweit stattfindenden #Stop watching UsDemonstrationen am 27. Juli über 10.000 Menschen. Zur „Freiheit statt Angst-Demonstration“ Anfang September in Berlin sogar 20.000. Oft wurde dabei „die demokratische Kontrolle der Geheimdienste“ gefordert. Damit wird jedoch die grundsätzliche Existenz von Geheimdiensten nicht in Frage gestellt und dadurch die eigentlich notwendige Forderung vermieden. Stattdessen werden diese hier als notwendiges Übel gesehen, dass Auswüchse entwickelt hätte, die es nun wieder zu kappen gelte. Dieser Einschätzung liegen aber mehrere Irrtümer zu Grunde.
Überwachung ist nicht neu Zunächst ist es falsch anzunehmen, dass Überwachung in der BRD ein neues Phänomen wäre. Bereits 1946 begann die von Altnazis aufgebaute Vorgänger-Behörde des BND, die Organisation Gehlen, „die kommunistische Gefahr“ in Westdeutschland zu bekämpfen und zu diesem Zweck die deutsche Bevölkerung zu überwachen. Dass die deutschen Geheimdienste ihren Hauptfeind immer noch links vermuten, während sie auf dem rechten Auge blind sind, zeigt nicht zuletzt der Skandal um das bewusste Wegschauen des Verfas-
Ausmaß der Überwachung der deutschen Bevölkerung erfuhren.
Intransparenz gehört dazu
sungsschutzes bei der NSU-Mordserie. Der Historiker und Autor des Buches „Überwachtes Deutschland“, Josef Forschepoth, kommt zudem zur Einschätzung, dass der „Überwachungskomplex ein wesentliches Element der Rechtsstaatsentwicklung der BRD“ ist. Auch ist die Annahme falsch, dass eine demokratische Kontrolle von Geheimdiensten grundsätzlich überhaupt möglich wäre. Ein parlamentarisches Kontrollgremium für die Geheimdienste, besetzt mit Abgeordneten aller Bundestagsfraktionen, existiert zwar schon heute, jedoch ist es machtlos. Dem Kontrollgremium sind stets nur solche Informationen bekannt, die es von der Regierung und den Geheimdiensten vorgelegt bekommt. Wie wenig das oft ist, wurde deutlich als zahlreiche Abgeordnete des parlamentarischen Kontrollgremiums gestehen mussten, dass sie erst durch die Medienberichte über das
Es liegt im Wesen der Geheimdienste, dass aus ihrer Perspektive der Großteil ihrer Aktivitäten unentdeckt bleiben soll. Ihre offizielle Existenzberechtigung ist die Beschaffung von Informationen, die eigentlich im Verborgenen bleiben sollen. Damit ihnen dies gelingt, dürfen ihre Aktivitäten niemals publik werden. Denn wer weiß, dass er in das Visier der Geheimdienste geraten ist und meint, etwas befürchten zu müssen, wird alles tun, um die Daten, die ihm gefährlich werden könnten, verschwinden zu lassen. Ihre inoffizielle Existenzberechtigung ist die Manipulation und Einschüchterung unliebsamer Personen. Auch von diesen Aktivitäten soll die Öffentlichkeit nichts erfahren. Die verborgene Kamera, der versteckte Lauschangriff, der unerkannte Spion – sie alle sind Kinder dieser geheimdienstlichen Logik. Die Intransparenz liegt der Arbeitsweise von Nachrichtendiensten zugrunde. Sollen sie jedoch demokratisch kontrolliert werden, muss ihre Arbeit transparent werden. Demokratische Kontrolle und die adäquate Erfüllung nachrichtendienstlicher Aufgaben sind deshalb unvereinbare Ziele. Geheimdienste lassen sich nicht demokratisch kontrollieren. So lange sie existieren, werden sie versuchen sich demokratischer Kontrolle zu entziehen, um ihre Aufgaben adäquat zu erfüllen. Sie sind ein Fremdkörper für die Demokratie. Nur indem sie abgeschafft werden, kann die Demokratie verteidigt werden.
it den Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskräften (RSUKr) steht der Bundeswehr seit Neuestem eine Heimatschutzkompanie zur Seite. In über 400 Landkreisen befinden sich insgesamt mehr
als 4.000 ReservistInnen in Bereitschaft, um auch in „Friedenszeiten“ den Auftrag der Bundeswehr innerhalb der Bundesrepublik weiterzuführen. Damit sind die ReservistInnen trotz ziviler Berufe für das Verteidigungsministerium militärisch nutzbar und fungieren als Mittelspersonen zwischen Militär und Zivilgesellschaft.
Das Aufstellen der Reservistenverbände geschieht vor dem Hintergrund des massiven Personalabbaus in der Bundeswehr sowie dem Erlass neuer verteidigungspolitischer Richtlinien 2011 durch das Verteidigungsministerium. Zentral im neuen Aufgabenprofil der Bundeswehr und vor allem der neuen Reservisteneinheiten ist der „Schutz kritischer Infrastruktur im Inland“. Laut verteidigungspolitischer Richtlinien verliert mittlerweile „die traditionelle Unterscheidung von äußerer Sicherheit und öffentlicher Sicherheit im Inneren mehr und mehr ihre Bedeutung.“ Des Weiteren sei „das zielgerichtete Zusammenwirken des Auswärtigen Dienstes, der Entwicklungszusammenarbeit, der Polizei, der Streitkräfte, des Zivil- und Katastrophenschutzes und der Nachrichtendienste auf allen Ebenen zu verstärken.“
noch zur Verkündung des Grundgesetzes 1949 ohne jegliche solcher Kompetenz ausgestattet, wurde im Zuge der Notstandsgesetzgebung bereits 1968 dieser Grundsatz aufgehoben. Die Bundeswehr durfte nun auch in besonders schweren Unglücksfällen im Inland eingesetzt werden. Mittlerweile hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung auch den Begriff des Unglücksfalls weiter ausgedehnt, indem mit der Formulierung „ungewöhnliche Ausnahmesituation“ eine weit auslegbare Vorstellung des Unglücksfalls etabliert wurde. Zudem wurde der Einsatz der Bundeswehr als Polizeikräfte für zulässig erklärt, auch mit dem Gebrauch von spezifisch militärischen Waffen.
In einem Aufruf von GewerkschafterInnen und der deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen wird vor der Gefahr neuer Freikorps gewarnt. Diese Korps hatten in der Weimarer Republik Streiks und Arbeiteraufstände blutig niedergeschlagen.
KritikerInnen wie das Komitee für Grundrechte und Demokratie sehen die Bundeswehrreformen auch im Zusammenhang mit der Eröffnung von Europas modernstem Gefechtsübungszentrum in der Nähe von Magdeburg. Dieses wurde insbesondere für die Übung von Einsätzen in städtischen Gebieten konzipiert. In diesem könnten Gefechte wie sie bei sozialen Unruhen bei Massenstreiks oder Großdemonstrationen auftreten, geübt werden. Zur Übung von Einsätzen bei Naturkatastrophen – dem gewöhnlich einzigen Argument für die Aufrüstung im Inland – eignet sich das Gefechtsübungszentrum jedoch nicht.
Zivil-militärische Grauzone Die weitreichenden Aufgabenbereiche der RSUKr sind laut herrschender Meinung juristisch gedeckt. Die Anwendungsmöglichkeit des Bundeswehreinsatzes im Inneren wird dadurch aber weiter ausgedehnt. War eine mögliche deutsche Armee
Sowohl die juristische Entwicklung als auch die praktische Umstrukturierung mit neuem Fokus auf das Auftreten der Bundeswehr im Inland hat sich weitestgehend unbemerkt von einer kritischen Öffentlichkeit vollzogen. Dies ist durchaus überraschend. Als Ende der 60er die Notstandsgesetze geplant wurden, löste dies eine der größten Widerstandsbewegungen in der Geschichte der BRD aus.
Armee trainiert Einsätze in Städten
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ede Woche eine neue Enthüllung über die Datensammelwut der Geheimdienste und damit auch jede Woche neue, bisher unbekannte Begriffe: PRISM, TEMPORA, Bullrun, Fisa, INDECT, XKeyscore, GHCQ, OIF, https, VPN und SSL. Kaum jemand kann noch sagen, wofür die einzelnen Kürzel genau stehen. Es bleibt nur die Befürchtung, dass die Überwachung mittlerweile ein Ausmaß angenommen hat, welche die Demokratie offen in Frage stellt. Der Vergleich der speicherbaren Datenmenge im Utah Data Center des US-Geheimdienstes NSA mit der gespeicherten Datenmenge durch die Stasi zeigt, dass diese Befürchtung berechtigt ist.
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Das Grundrechtskomitee sieht damit die Militarisierung im Inneren weiter vorangetrieben. Denn die Bundesregierung hätte ein Interesse an funktionierenden und erprobten Kooperationsbeziehungen zwischen zivilen Akteuren und Gliederungen der Bundeswehr. Beim Hochwasser im Sommer 2013 konnte die Leistungsfähigkeit dieser zivil-militärischen Zusammenarbeit bereits getestet werden. Dieser war mit bis zu 30.000 SoldatInnen im Einsatz nicht nur der größte Inlandseinsatz in der Geschichte der Bundeswehr, sondern auch die erste Bewährungsprobe für die neue Reservistenstruktur. Über 500 ReservistInnen waren im Einsatz. Die Koordination zwischen Berufsarmee und Reservisten wurde dabei ausgiebig getestet.
Das Ende der Anonymität Zygmunt Bauman Whistleblowing oder das Recht auf Enthüllung Andreas Fischer-Lescano Der drohende Wirtschaftskrieg Stephan Schulmeister Illustration: Sascha Collet
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Ökologische Gleichheit: Der grüne Imperativ Hans Thie
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Wohnen
Wohnen „Ein schlechtes Gewissen hilft nicht“
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aja kann die Sätze schon auswendig: ja, ich fange jetzt an zu studieren – Geographie. Nein, vorher habe ich nicht in einer WG gewohnt. Ursprünglich komme ich aus Bielefeld. Ja, das gibt es wirklich. Ich würde mich freuen von euch zu hören! Irgendwann hat sie aufgehört zu zählen, aber es dürfte inzwischen schon das zwanzigste WG-Casting gewesen sein, seitdem sie vor zwei Wochen nach Berlin kam und anfing, eine vermeintlich einfache Aufgabe zu erledigen: Ein Zimmer in einer WG finden. Sie steht auch auf der Warteliste für einen Platz im Studierendenwohnheim. Auf Platz 135. So wie Maja wird es dieses Semester vielen Erstis gehen. Im Oktober werden etwa eine halbe Million junge Menschen mit dem Studium beginnen und eine Wohnung oder ein WGZimmer suchen. Dabei treffen sie in vielen Unistädten auf ein Wohnraumdesaster.
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Wohnen ist die neue Rolex
Bernd Belina ist Professor am Institut für Humangeographie der Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Zum Semesterstart werden eine halbe Million junge Menschen mit dem Studium beginnen. Dabei treffen sie in vielen Unistädten auf ein Wohnraumdesaster. Von Kerstin Wolter und Max Manzey
critica: Vor dem Beginn des Wintersemesters sind viele Studierende auf Wohnungssuche und müssen oft 400 Euro und mehr für ein Zimmer zahlen. Warum ist das so? Belina: Studierende sind auf dem Markt für Neuvermietungen unterwegs, und vor allem da explodieren die Mieten vielerorts. Gleichzeitig gibt es zu wenig bezahlbaren Wohnraum. Das hat verschiedene Gründe. Zum einen wurde in den letzten 20 Jahren in der BRD zu wenig Wohnraum gebaut, zum anderen hat der Staat seine Förderung im sozialen Wohnungsbau stark zurückgefahren und damit dafür gesorgt, dass es zu wenige Wohnungen gibt. Dazu kommt, dass Städte eine unternehmerische Stadtpolitik betreiben. Für ausgeglichene Haushalte und die Steigerung der Einnahmen wurden eigene Wohnungsbestände teilweise komplett privatisiert. Damit steigen fast automatisch die Mieten, weil ein Investor möglichst viel Profit machen will.
stieg die Anzahl an Studierenden 2010-2012
Unter anderem durch das faktische Ende des staatlich geförderten Sozialen Wohnungsbaus und Spekulationen auf dem Wohnungsmarkt, steht in vielen Städten Deutschlands kaum noch günstiger Wohnraum zur Verfügung. In fast allen Städten gehen die Mieten rasant bergauf. Insbesondere bei Neuvermietungen sind Mieterhöhungen um 20 Prozent keine Seltenheit mehr. In Berlin stieg die Durchschnittsmiete in den letzten fünf Jahren um 25 Prozent und in München allein im letzten Jahr um sechs Prozent auf astronomisch hohe 12,53 Euro pro Quadratmeter. Auch die Wohnnebenkosten wachsen. Zwischen 2005 und 2010 stiegen die Kosten für Strom um 30 Prozent. In vielen Städten werden zwar neue Wohnungen in der Innenstadt geschaffen, jedoch fast ausschließlich im Hochpreissegment. All dies führt dazu, dass die Innenstädte immer mehr zu Luxusghettos verkommen und die finanziell schlechter gestellten BewohnerInnen an den Stadtrand gedrängt werden. Davon sind auch Studierende massiv betroffen.
critica: Studierende gelten oft als Pioniere in Gentrifizierungsprozessen. Muss ich als StudentIn ein schlechtes Gewissen haben, wenn ich beispielsweise in Neukölln in eine WG ziehe?
Bild: SDS Uni Bremen
Aber sind es nicht die hippen Studi-Kneipen, die die alten Eckkneipen verdrängen? Nicht wenige Studierende stellen sich die Frage, ob sie nicht selbst Teil der Aufwertung sind, wenn sie zum Beispiel eine Wohnung in Berlin-Neukölln, dem Hamburger Schanzenviertel, Köln-Ehrenfeld oder dem Münchner Westend suchen. Tatsächlich nehmen Studierende im Prozess der Aufwertung und Verdrängung eine Sonderrolle ein. Sie können durch Wohngemeinschaften höhere Mieten als eine arme Familie bezahlen und sie ziehen häufig um, was die Mietspirale schnell steigen lässt und sie für VermieterInnen interessant macht. Gleichzeitig verändern sie den Kiez auch darüber, dass sie durch ihre Bedürfnisse und ihren Lebensstil ein Image produzieren, das ein anderes, zahlungskräftigeres Publikum anzieht – die sogenannten Yuppies (Young Urban Professionals).
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Vom Bordstein zum Wohnheim: Studierende und ihre Zukunftsträume.
25.000
Wohnheimplätze fehlen bundesweit Studierende sind hingegen weit davon entfernt, zu den Top-VerdienerInnen in unserer Gesellschaft zu gehören. Angesichts der steigenden Mietpreise sind sie inzwischen selbst von Verdrängung betroffen und haben häufig keine Aussicht auf eine Wohnung in Hochschulnähe, sondern müssen vom Stadtrand weite Strecken zur Uni pendeln. Sie sind im Grunde die nächsten Opfer der Gentrifizierung. Die aktuelle Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks ergab, dass rund 34 Prozent der monatlichen Ein-
nahmen für die Wohnkosten draufgehen. Bei den rund 20 Prozent, die weniger als 650 Euro im Monat zur Verfügung haben, ist es oft sogar mehr. Um ihren Lebensunterhalt zu sichern, gehen inzwischen 63 Prozent der Studierenden neben dem Studium arbeiten, häufig in prekären Arbeitsverhältnissen. Eine aktuelle Untersuchung der Universität Maastricht hat nun ergeben, dass Studierende in Berlin 35,7 Stunden pro Monat arbeiten müssten, um die Monatsmiete bezahlen zu können. In München sind es 37,5 und in Hamburg sogar 38,5 Stunden. Viele Studierende sind darum auf einen Platz im Studierendenwohnheim angewiesen. Doch ob man dort einen Platz bekommt, gleicht oftmals einem Glücksspiel. Obwohl die Zahl der
Studierenden in den letzten Jahren kräftig anstieg, werden so gut wie keine zusätzlichen Wohnheime gebaut. Das Deutsche Studentenwerk fordert schon seit mehreren Jahren 25.000 zusätzliche Wohnheimplätze.
388
Euro kostet die Monatsmiete in München durchschnittlich
Der Umbau der Stadt im Interesse der Reichen, denen entweder die Häuser gehören oder die kein Problem damit haben, höhere Mieten zu bezahlen, trifft inzwischen also auch die Studierenden. Um das Problem langfristig zu lösen, müsste der
Wohnraum dem kapitalistischen Wohnungsmarkt, der ausschließlich auf Profite ausgerichtet ist, entzogen und stattdessen vergesellschaftet werden. Das heißt, dass nicht private InvestorInnen über die Miethöhe oder die Sanierung bestimmen, sondern demokratisch darüber entschieden wird, wie die Wohnraumpolitik aussieht. Zahlreiche Initiativen, Stadtteilgruppen und politische AkteurInnen wie die LINKE, versuchen heute schon Widerstand gegen Mietsteigerung und Verdrängung zu leisten. Dabei ist es wichtig, dass sich die unterschiedlichen sozialen Gruppen nicht gegeneinander ausspielen lassen. Es ist ein Kampf, der von allen Betroffenen nur gemeinsam gewonnen werden kann, egal ob es sich um Studierende, Angestell-
te oder RentnerInnen handelt. Denn von Mietsteigungen und Verdrängung sind alle betroffen, die sich die steigenden Kosten nicht mehr leisten können. Deshalb
muss das Ziel sein, Bündnisse zu schmieden und Druck aufzubauen.
Vor ein paar Monaten hat sich das Bündnis „Studis gegen Wohnungsnot“ gegründet. Neben dem SDS sind daran verschiedene hochschulpolitische Gruppen, Studierendenvertretungen und EinzelaktivistInnen beteiligt. Um auf das Wohnraumdesaster zum Semesterstart aufmerksam zu machen und auf die Verantwortlichen Druck auszuüben, plant das Bündnis vom 4. bis 8. November eine Aktionswoche zum Thema Wohnraum an den Universitäten. Enden soll die Woche mit dezentralen Demonstrationen und Kundgebungen, um deutlich zu machen, dass sich Studierende nicht einfach mit ewigen WG-Castings, dem Wartelistenplatz 135 für das Studierendenwohnheim und der dritten Mieterhöhung in einem Jahr zufrieden geben. Gemeinsam mit all denen, die für bezahlbaren Wohnraum kämpfen, wollen sie die Frage stellen: Wem gehört die Stadt? Ihre Antwort ist klar: Uns!
Belina: Studierende sind nicht schuld an Gentrifizierung und an steigenden Mieten. Schuld daran sind die Marktmechanismen und die staatliche Regulierung der Märkte. Deshalb ist es wenig hilfreich, sich individuell ein schlechtes Gewissen zu machen. Was man aber machen kann, ist den Widerstand in von Gentrifizierung betroffenen Gebieten zu unterstützen. Als StudentIn kann man die alteingesessenen AnwohnerInnen, die es vielleicht nicht gewohnt sind, sich öffentlich zu äußern und denen oft auch gar nicht richtig zugehört wird, mit dem, was man gut kann, unterstützen. Sei es durch das Schreiben von Pressemitteilungen oder die Organisation von Aktionen. Statt sich ein schlechtes Gewissen zu machen, sollte man sich also lieber gegen die Mechanismen, für die man nichts kann, in Recht-auf-Stadt-Initiativen engagieren. critica: Was sind die wichtigsten Forderungen, die an die Politik gestellt werden sollten? Belina: Die Städte und Gemeinden dazu zu bringen, sich wieder darauf zu besinnen, dass sie selber AkteurInnen auf den Wohnungsmärkten sind, mit ihren Wohnungsbaugesellschaften und Liegenschaften. Würden Städte nicht mehr wie Unternehmen, sondern wie sozial verantwortliche Gemeinwesen agieren, könnten sie von einem Tag auf den anderen die Wohnungsnot deutlich entschärfen. Eine andere Sache ist, auf lokaler Ebene die kommunale Förderung für bestimmte Wohnraumformen zu fordern, zum Beispiel für Studiwohnheime. Schließlich kann man die Art und Weise, wie Wohnen in Deutschland zur Investitionssphäre geworden ist, auch wieder ändern. Wohnen darf nicht Ware sein – das ist genau der richtige Slogan.
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Türkei
Türkei ten zu machen, durch neoliberale Politik näher zu kommen. Sie setzt zum Beispiel die bereits vor ihrem Regierungsantritt begonnene Privatisierung staatlicher Unternehmen insbesondere seit 2005 massiv fort und destabilisiert die Arbeitsverhältnisse dadurch weiter. So wurde zum Beispiel 2005 ein Brief bekannt, in dem der damalige Finanzminister Unakitan der Weltbank mitteilte, welche 21 Staatsunternehmen bis 2009 privatisiert und wie viele Angestellte jeweils entlassen werden sollten. Insgesamt 29.000 Arbeitsplätze sollten dabei vernichtet werden. Seit 1985 wurden in der Türkei staatliche Firmen für 42 Milliarden US-Dollar verkauft, ein Großteil davon unter der AKP. Um die Verkäufe zu bewerkstelligen, gibt es eine eigens dafür geschaffene Privatisierungsagentur. Wer die nötigen finanziellen Mittel hat, kann sich in deren aktuellem „Portföy“ (Portfolio) zum Beispiel in den Hafen von Izmir, die türkische Volksbank, eine Zuckerfabrik und Turkish Airlines einkaufen. Ein Schwerpunkt liegt im Moment außerdem auf Energie. Nach dem Verkauf des Stromnetzes soll in diesem Jahr auch ein großer Teil der Energieerzeugung privatisiert werden. Wasser ist zum Teil ebenfalls zur Ware geworden.
Aufstand gegen eine verbaute Zukunft Im Sommer ist in der Türkei die junge Mittelschicht auf die Barrikaden gegangen, um für einen Park und gegen die Arroganz der Regierungspartei AKP zu demonstrieren. Aber das ist höchstens die halbe Wahrheit. Von Melanie Sänger
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Parlamentswahlen 2011. Die „Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung“ konzentriert sich allerdings auf den zweiten Teil ihres Namens. Das Image der Partei der Wirtschaftskraft, Dynamik und Entwicklung wurde mit gigantischen Bauprojekten wie der dritten Brücke über den Bosporus unterstrichen.
Platz in den G20 eingebracht – auch das dürfte viele der 49,9 Prozent überzeugt haben, ihre Stimme der islamisch-konservativen AKP zu geben. Die Gewinne sind aber nicht bei allen angekommen. Das Pro-Kopf-Einkommen ist zwar in der Regierungszeit der AKP gestiegen, doch das sagt nichts über die Verteilung des Reichtums aus. Ein Großteil verdient den türkischen Mindestlohn, der im ersten Halbjahr 2013 bei 979 Türkischen Lira lag, umgerechnet etwa 365 Euro. Wessen Einkommen nicht ausreicht, muss sich auf die Familie oder informelle Arbeit verlassen – zum Beispiel auf dem Bau oder im Straßenhandel. Ein funktionierendes Sozialsystem gibt es nicht. Die Arbeitslosigkeit lag laut dem Statistischen Institut TurkStat 2012 bei knapp zehn Prozent, die
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homogen gewesen, sagt sie. „Es waren Leute aus verschiedenen Schichten und verschiedenen Gründen auf der Straße“. Nur die wenigsten von ihnen waren politisch organisiert. Sie sind spontan gekommen und manchmal tagelang geblieben. Der Ausbruch der Massendemonstrationen passierte in diesem Jahr plötzlich, aber nicht überraschend. Die Mischung aus autoritärem Konservatismus und neoliberaler Wirtschaftspolitik, welche die AKP-Politik seit dem Regierungsantritt 2002 kennzeichnen, haben Unzufriedenheit geschürt und dem Aufstand den Boden geebnet.
Der Stadtteil Tarlabasi wird im großen Stil umgebaut. Viele der jetzigen Bewohner werden dort danach keinen Platz mehr haben.
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Für viele Menschen in der Türkei, die Wirtschaftskrisen und teilweise schon drei Militärputsche erlebt haben, ist relative Stabilität nicht selbstverständlich und deshalb kein schlechtes Versprechen. Die Wirtschaft ist in den vergangenen Jahren tatsächlich stark gewachsen und hat der Türkei mittlerweile einen
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„Wirtschaft: Stabilität fortsetzen, die Türkei soll wachsen“, verkündete ein Wahlplakat der AKP vor den türkischen
Jugendarbeitslosigkeit bei 19,8 Prozent. Jedes Jahr kommen etwa eine halbe Million neue Arbeitskräfte auf den Arbeitsmarkt, die nur schwer integriert werden können. Auch Hochschulabsolventen müssen oft lange nach einem Job suchen. Gerade unter jungen Menschen wächst deshalb der Frust. Und junge Menschen gibt es viele: 16,6 Prozent der Bevölkerung sind zwischen 15 und 24 Jahre alt. Während der Altersdurchschnitt in Deutschland 2011 bei 44,2 lag, waren die Menschen in der Türkei durchschnittlich 29,2 Jahre alt.
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er Verkäufer zuckt mit den Schultern und zeigt auf einen Zettel in seinem Kiosk. „Es ist gesetzlich verboten, nach 22 Uhr Alkohol zu verkaufen“, steht darauf. Tayyip eben, ihr wisst schon, sagt sein bedauernder Gesichtsausdruck. Das verschärfte Alkoholgesetz, welches die Regierungspartei von Recep Tayyip Erdogan verhängt hat, gilt seit Anfang September. Es hat die Proteste im Frühsommer angeheizt und ist zum Sinnbild dafür geworden, wie sich die AKP in das Leben der Menschen einmischt. „Klar spielen solche Dinge eine Rolle. Aber das ist bei weitem nicht das einzige, worum es geht“, sagt Meltem. Sie ist Anfang zwanzig und engagiert sich in Istanbul schon länger in verschiedenen Kampagnen. Die Demonstrierenden seien überhaupt nicht
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Bild: Melanie Sänger
Nur wer zahlt kann bleiben
Hafen zu verkaufen Die AKP bemüht sich indessen, dem erklärten Ziel, die Türkei zu einem der weltweit zehn wirtschaftlich stärksten Staa-
Konkurrenz beherrscht auch den städtischen Wohnungsmarkt. „Ich habe nach einer weiteren Mieterhöhung gekündigt und wusste, dass ich in meinem Viertel keine bezahlbare Wohnung mehr finden werde“, erzählt eine Mieterin in Istanbul, die lange in Cihangir in der Nähe des Taksimplatzes lebte. Wie viele andere ist sie weggezogen. Während die Mieten in Cihangir immer weiter steigen, findet auf der anderen Seite des Taksimplatzes in Tarlabasi eine noch drastischere Entwicklung statt. Der Stadtteil, in dem heute vor allem Kurden leben, wird teilweise abgerissen und neu aufgebaut. Große Banner auf den Baugerüsten am Rand des Viertels verheißen in bunten Bildern eine angenehme Zukunft. Die wird allerdings ohne einen Großteil der jetzigen Bevölkerung stattfinden, denn diese werden sich die gesteigerten Mieten meist nicht leisten können und das ist auch gar nicht erwünscht. Tausende müssen bereits jetzt umziehen, häufig bis an den Rand der 15-Millionen-Stadt. Dort entstehen überall vielstöckige Wohnhäuser. Mit der Aufwertung von Stadtvierteln und dem Neubau
von Trabantenstädten lässt sich viel Profit machen, und zwar auch für den Staat und seine meist männlichen Vertreter. Die Baugesellschaft TOKI, die viele der neuen Wohnungen außerhalb des Zentrums hochzieht, ist zum Beispiel eine public private partnership, die zum Teil städtisch ist und nach marktwirtschaftlichen Prinzipien arbeitet.
Küssen verboten Gerade junge Menschen finden sich mehr als zehn Jahre nach Regierungsantritt also in einer Gesellschaft wieder, die zunehmend von Konkurrenzdruck geprägt und nach kapitalistischen Kriterien organisiert ist. Besonders Angehörige von Minderheiten machen außerdem Erfahrungen mit Rassismus und Repression. Dazu kommt die bieder-konservative Lebensführung, welche die AKP der Bevölkerung schrittweise verordnen will. Das neue Alkoholgesetz gehört ebenso dazu wie ein Kuss-Verbot in den U-Bahnstationen der Hauptstadt Ankara und das Verbot von Alkoholausschank auf vielen Flügen der halbstaatlichen Turkish Airlines, deren Stewardessen nun auch längere Röcke tragen. Im letzten Jahr gab es außerdem eine hitzige Debatte um eine von der Regierung geplante Verschärfung des Abtreibungsgesetzes. Das Gesundheitsministerium veranlasst außerdem, dass Vätern oder Männern von Frauen mit positivem Schwangerschaftstest per SMS gratuliert wird - gerade für unverheiratete Schwangere ist das oft eine Katastrophe. Der Konservatismus spielt auch für den Kulturbetrieb eine Rolle. Kunstschaffende und kritische Journalistinnen und Journalisten sind häufig Repressionen ausgesetzt oder von Arbeitslosigkeit bedroht. Zuletzt machte diesen Sommer außerdem die geplante Privatisierung staatlicher Theater Schlagzeilen. Die Theater sollen zukünftig Gewinn abwerfen und der Leitung eines elfköpfigen von der AKP bestellten Gremiums unterstellt werden. Dagegen protestierten Schauspielerinnen und Schauspieler. Auch im Zuge des Programms der „Kulturhauptstadt Istanbul 2010“ gab es Kritik. Zuwenig Neues sei gewagt worden und zu viel Geld in die Renovierung von Moscheen geflossen, hieß es. Es sind also viele Gründe, aus denen die Menschen auf dem Taksimplatz protestierten. Mittlerweile ist es auf dem Platz
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ruhig geworden, aber an manchen Orten regt sich noch Widerstand. Auch Bündnisse, die während der Besetzung des Gezi-Parks gegründet wurden, treffen sich weiter, um Ideen und Pläne fortzuführen. Gerade die vielen Unorganisierten einzubinden, bleibt aber eine Herausforderung. Die Erfahrung des gemeinsamen Protests bleibt trotz allem bestehen - für Viele war es der erste ihres Lebens. Meltem hält das für zentral. „Das Wichtigste an den Protesten ist für mich, dass die Beteiligten gemerkt haben, dass wir nur etwas verändern können, wenn wir kämpfen. Wir haben nicht nur Solidarität auf dem Taksimplatz erlebt, sondern auch mit anderen Bewegungen auf der ganzen Welt wie den Indignados in Spanien, den ägyptischen Aktivistinnen und Aktivisten oder den Menschen, die in Griechenland demonstrieren.“
„Die Aktivistinnen und Aktivisten zeigten, wie schnell eine funktionierende und solidarische Selbstorganisation aufgebaut werden kann. Als der Park geräumt wurde, gab es viele Aktive, die nicht einfach ziellos wegliefen, sondern Gasgranaten in vorbereiteten Behältern unschädlich machten oder betroffenen Menschen die Augen ausspülten.“ Simon Eberhardt studiert in Köln und hat im Juni an einer politischen Delegationsreise nach Istanbul teilgenommen.
„Die AKP - Regierung hat es geschafft, Bevölkerungsschichten im Widerstand gegen ihre Politik zu vereinen. Der Kampf um Freiheit und Demokratie wird solange weitergehen, bis sich die Menschen ihre Forderungen erkämpft haben. Es wird nicht einfach, jedoch hat die Welt gesehen, dass die türkische Bevölkerung aufstehen kann. Und genau das jagt den Mächtigen Angst ein.“ Ezgi Güyildar studiert Jura und engagiert sich bei DIDF und der Partei DIE LINKE. Sie hat ebenfalls an der Delegationsreise teilgenommen.
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Gewerkschaft
Filmtipps
Zwischen Kunst und Revolution
Warum es gerade heute wichtig ist, dass sich Studierende gewerkschaftlich organisieren. Von Ramona Seeger und Paul Naujoks
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isher gelang es den Gewerkschaften in der BRD nicht, an den Hochschulen eine bedeutende Rolle zu spielen. Dabei ist es gerade heute für Studierende wichtig, dass sie ihre Interessen vertreten und sich organisieren. Seit Jahren strömen immer mehr AbiturientInnen an die Unis, während immer weniger Arbeitskräfte über das duale Ausbildungssystem, bestehend aus Berufsschule und Praxis im Betrieb, ausgebildet werden. Auszubildende lernen etwas über die für sie später zuständigen Interessenvertretungen. Sie setzten sich zum Beispiel mit Betriebsräten und Gewerkschaften auseinander und erfahren dabei etwas vom Interessensgegensatz von ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen. An Universitäten stehen solche Themen nicht auf dem Lehrplan – was Studierende später bitter zu spüren bekommen. Denn nach der Uni landen immer mehr Hochqualifizierte in prekären Beschäftigungsverhältnissen. Mit Gewerkschaften oder ihren Rechten im Beruf vertraut sind dann die Wenigsten. Damit es nicht soweit kommt, müssen Gewerkschaften früher ansetzen – direkt bei den Studierenden.
In Gewerkschaften gab es lange einen Groll gegen das studentische Milieu. Der Rentner und ehemalige Drucker Udo weiß noch, wie sich Studierende gegenüber Werktätigen verhalten können: „Damals, während der 68er, rebellierten langhaarige Studenten gegen den Springer-Verlag und machten unsere Arbeit kaputt, ohne vorher mit uns geredet zu haben.“
„Gammelstudenten“ Das Bild des „Gammelstudenten“ hielt sich bei GewerkschafterInnen hartnäckig. Auf der anderen Seite konnten sich studentische GewerkschafterInnen nicht vorstellen, ihr akademisches Auftreten für das Gespräch mit GewerkschafterInnen anzupassen. Gründe für Kommunikationsschwierigkeiten zwischen klassischen ArbeiterInnen und Studierenden gibt es mehrere. Sie liegen zum Beispiel in der Zusammensetzung der Organisation, wie der IG Metall als eher männerdominierte und hierarchische Gewerkschaft, oder den unterschiedlichen Lebenswelten von Studierenden und ArbeiterInnen.
Der DGB und seine Einzelgewerkschaften haben dieses Problem mittlerweile erkannt. „Spätestens seit Ende der 90er wurden Studierende als neue Zielgruppe entdeckt“, meint Kim Ronacher, Jugendbildungsreferentin des DGB-Bremen. „Gewerkschaften haben schon lange verstanden, dass sie künftige ArbeitnehmerInnen dort sensibilisieren müssen, wo der Kontakt zur Arbeitswelt vorbereitet wird“, meint sie. Wenn das nicht durch Kontakte knüpfen der eigenen Mitglieder mit Studierenden geschehe, müsse man sich Alternativen überlegen.
Bundesweite Studigruppen Hierfür haben der DGB sowie ein Teil der Einzelgewerkschaften sogenannte Hochschulinformationsbüros (HIBs) oder Campus Offices eingerichtet. Ebenso organisieren sich bundesweit junge GewerkschafterInnen in Studi-Gruppen. Dort, wo Gewerkschaften nicht fest etabliert sind, kommen die DGB-Jugend oder einzelne Gewerkschaften für Info-Veran-
staltungen an die Unis. Dann erfahren Studierende zum Beispiel, welche Rechte ihnen im Praktikum zustehen oder wie viel Gehalt eine studentische Hilfskraft nach Tarif verdient. Wenn Gewerkschaften auch spät angefangen haben, so sind die Ambitionen nun höher denn je. Spätestens mit dem Ende 2012 verabschiedeten hochschulpolitischen Programm des DGBs ist die strategische Ausrichtung des Gewerkschaftsbunds an den Hochschulen deutlich. Einerseits richtet sich der DGB an sein eigenes Stammklientel, indem er die Öffnung der Hochschulen für Berufstätige fordert, andererseits fordert er die öffentliche Ausfinanzierung von Hochschulen, Geschlechtergerechtigkeit und Mitbestimmung. Um diese Ziele zu erreichen, soll die Organisationsmacht gesteigert werden. Dafür ist es notwendig, dass Studierende und Gewerkschaften noch mehr aufeinander zugehen. Es wird höchste Zeit.
FreundInnen vor, die in der Schule die richtige marxistische Einstellung diskutieren, Flugblätter verteilen und nachts Parolen an das Schulgebäude schmieren. Als bei einer Sprayaktion ein Wachmann verletzt wird und der Verdacht auf Gilles‘ Freundeskreis fällt, tauchen er und seine Freundin Christine (Lola Créton) in Italien unter. Statt Liebe steht jedoch Gilles‘ innerer Konflikt zwischen seinem Traum,
Künstler zu werden und dennoch die Revolution nicht aus den Augen zu verlieren, im Mittelpunkt. Als Christine und Gilles auf ein maoistisches Filmteam treffen, das die Arbeiterklasse und ihre Ausbeutung dokumentieren will, werden die Fragen in Gilles’ Kopf immer lauter. Was ist revolutionäre Kunst? Ab wann wird Kunst nur wieder zum Ausdruck einer bürgerlichen Selbstinitiierung? Zurück in
Leidenschaftlicher Appell für Gemeinschaftssinn Großbritannien zur Nachkriegszeit. Die Labour-Partei erringt bei den Parlamentswahlen 1945 einen Erdrutschsieg. Zur Bekämpfung von Armut und Arbeitslosigkeit werden die Kohleindustrie, die Eisenbahn und das Gesundheitssystem verstaatlicht. Die zentrale Idee ist das gemeinsame Eigentum, denn Produktion und Dienstleistungen sollen dem Wohl aller dienen. Den Menschen geht es zunehmend besser. Sie profitieren vom sozialen Reformeifer. Doch das ist bald vorbei.
Ab 1979 werden die Errungenschaften der Labour-Partei schrittweise abgebaut. Düster erscheint nun die Zeit der Eisernen Lady, inhaltlich wie technisch, denn Regisseur Ken Loach taucht auch die Szenen der 80er Jahre in schwarz-weiß. Düster auch die Bilder der vormaligen Minen- und Hafenarbeiter, die durch Thatchers vorangetriebene Privatisierungen und die Zerschlagung der Gewerkschaften ihre Arbeit verloren haben. Loach inszeniert ein finsteres Zusammenspiel hi-
storischer und zeitgenössischer Momente zu einer Mahnung, die angesichts der europäischen Spar- und Privatisierungspolitik brandaktuell ist. Um die öffentliche Versorgung kämpfen wir auch heute: die Wasserversorgung in vielen Kommunen wurde privatisiert, Sozialwohnungen und die Bahn sind teilprivatisiert. Die Dokumentation wirkt wie eine fesselnde Lehrstunde, die auf die Gefahren dieser Privatisierung hinweist und an uns appelliert, alte Errungenschaften nicht zu vergessen.
Paris muss er sich bald entscheiden, welcher Weg seinen politischen Ansprüchen gerecht wird. Mit vielen autobiographischen Anekdoten schafft Assayas es, die Stimmung einer Zeit in wunderbar ruhiger und dennoch fesselnder Weise darzustellen. Ein sehr sehenswertes Portrait einer revolutionären Zeit. Kerstin Wolter
Bild: Channel 4
Foto: Norbert Kluge
Einfach mal zusammen arbeiten
Paris zu Beginn der 70er. Die großen Unruhen und Massenstreiks um das Jahr 1968 sind vorbei. Doch für viele ist der Traum von einer anderen Gesellschaft noch nicht ausgeträumt. So zeichnet der Regisseur Olivier Assayas in „Die Wilde Zeit“ das Bild einer Jugend, die hin- und hergerissen ist zwischen Politik, Kunst, Sex, Schule und Adoleszenz. Der Film stellt Gilles (Clément Métayer) und seine
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Bild: NFP marketing & distribution*
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Loach gelingt der richtige Mix aus Archivmaterial und neu aufgenommenen Interviews, in denen Zeitzeugen wertvolle Erinnerungen preisgeben. „The Spirit of ‘45“ ist eine angenehm ruhige Dokumentation, die es schafft, den damaligen gemeinschaftlichen Geist aufwühlend näher zu bringen. Ramona Seeger
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Gegen die Diktatur der Angst
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Chile 1988. Der durch einen von der CIA forcierten Militärputsch an die Macht gekommene Diktator Augusto Pinochet lässt ein Referendum durchführen. Soll Pinochet Präsident bleiben oder der Weg geebnet werden für einen demokratischen Neubeginn? 15 Minuten Sendezeit zu später Nacht gewährt er seinen GegnerInnen, um für ihre Meinung zu werben. “Pinochet macht ein Referendum, um es zu ver-
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lieren?!“, fragt René Saavedra. Er ist eine erfundene Figur im sonst realen Setting. Saavedra ist alleinerziehender Vater, Werbefachmann und unglücklich. Ein von seiner Liebe verlassener Profiteur des Bestehenden. Widerwillig übernimmt er die Verantwortung für die Viertelstunde Freiheit. Seine Methode: Ein verklärtes Chile, die Freude an sich, und der Regenbogen. „Steht das [der Regenbogen] nicht für die
Schwuchtel?“, belustigt sich Pinochet und antwortet auf die unpolitisch wirkende Werbekampagne seiner politischen Gegner mit Angst und Repression. ¡NO! ist ein beinahe dokumentarischer Film. Überraschend und angsteinflößend, erheiternd und spannend, angereichert mit Dramatik, Witz und Liebe. 30% der Endfassung sind Archivmaterial. Gedreht hat der Regisseur Pablo Larraín
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Matte sein Werk im U-matic Format, das zwischen 1968 und 1988 in der Filmindustrie Gang und Gebe war. So werden neues Material und reale Aufnahmen untrennbar. Vielleicht deshalb wurde ¡NO! als erster chilenischer Film überhaupt für den Oscar in der Kategorie „Bester fremdsprachiger Film“ nominiert. Anschauen? ¡SÍ! Deniz Avan
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Interview
„Feminismus ist ein emanzipatorischer Weg für alle“
Sexistisch und sooo hip!
Die Berliner Rapperin Sookee ist bekannt für ihre queer-feministische Haltung. Im critica-Interview spricht sie über sexualisierten Hip-Hop und erzählt uns, wie sie sich eine feministische Welt vorstellt.
critica: Du hast kürzlich in einem Interview gesagt, dass es dich nervt, über Sexismus zu reden. Warum? Sookee: Weil es immer schöner ist, über was Schönes zu reden als über was Doofes. Es ist anstrengend, auf verschiedenen Levels über dasselbe Thema zu sprechen. Daran scheitern viele, die politisch aktiv sind, die nicht in der Lage sind je nach Kontext ihre Sprache zu modifizieren. Nicht aus Opportunismus, sondern wegen der Verständlichkeit. critica: Was sind deine Erlebnisse als Frau in der sehr männlich dominierten Rapszene?
chen einbüßen musste. Die großen HipHop-Medien verlinken unser Künstlerkollektiv TickTickBoom (siehe Kasten) plötzlich. Das ist ein gutes Zeichen. Nicht weil wir groß rauskommen wollen, sondern weil wir wollen, dass sowas wie wir stattfindet. Denn dadurch findet die Auseinandersetzung mit einer Musik statt, die linke Politik ein stückweit repräsentiert und somit eben auch eine Auseinandersetzung mit Sexismus. critica: Feminismus, Politik und Rap spielen für dich schon länger eine Rolle. Du hast sie aber nicht von Beginn an verbunden. Warum? Sookee: Ich habe mich zunächst nicht getraut. Mit 13, 14, 15 Jahren hab ich vorsichtig in Antifa-Zusammenhängen rumhantiert. Da waren Jungs, vor denen ich Schiss hatte. Die wussten viel mehr als ich. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte und fand mich überflüssig. Ich fing
Sookee: Um nur eine blöde Situation zu nennen: ein Bekannter lud mich in sein Studio ein. Wir haben Beats gehört und überlegt, was wir machen könnten. Dann kam sein Kollege rein und fragte: „Häh, was‘n hier los? Was macht denn die Frau hier? Du weißt doch, wenn Frauen im TickTickBoom ist ein Zusammenschluss Studio sind, dann knien aus SängerInnen, DJanes, Beatproduzensie.“ Und ich dachte mir: “Was willst du mir tInnen, VeranstalterInnen, GrafikerInnen damit sagen? Soll ich dir und RapperInnen, die linken Hip-Hop majetzt einen blasen oder chen und feiern. Sie lieben Rap, sie lieben was?“ Er sexualisierte Graffiti, sie lieben Beats und sie lieben die diese Situation auf so Bühne. Aber sie haben keinen Bock auf eine absurde Art. Das das mackerige Gepose eines großen Teils sind diese klassischen der Hip Hop-Szene, die homophobe und Momente: Frauen wird sexistische Sprache und das reaktionäre Kompetenz und FachMenschenbild. lichkeit abgesprochen. Mit Sexualisierung wird Macht ausgeübt und über diese Machtausübung erfolgt an, mich mehr in Hip-Hop-Kreisen zu beErniedrigung. wegen. Dann bin ich mit 19 an die Uni und habe Gender Studies studiert. Dort critica: Gibt es denn progressive Verän- war ich plötzlich mit diesem neuen, aufderungen im Hip-Hop ? regenden Denken konfrontiert. Politisierungsprozesse, das ist wie eine Sprache Sookee: Rapmusik macht im deutsch- lernen, das dauert einfach und passiert sprachigen Raum gerade eine gute Ent- nicht von heute auf morgen. wicklung. Ich denke, dass die Dominanz von Gangster- und Battle-Rap ein biss-
Sookee lebt seit 27 von möglichen 29 Jahren in Berlin, hat HipHop zunächst über Graffiti kennengelernt, aber durch Sprache erzeugte Bilder im Kopf liegen ihr mehr als solche an Wänden. Heute hält sie Vorträge zu (Hetero-)Sexismus im Hip-Hop, aber beschäftigt sich auch mit den subversiven und progressiven Potentialen von Subkulturen. Ihre Musik beinhaltet sowohl Kritik an hierarchischen und normativen Strukturen als auch Empowerment von widerständigen Identitäten, sodass ihre Inhalte zwar nicht leicht verdaulich, aber nie dogmatisch sind.
Feminismus und Popkultur? Passt nicht zusammen, ein Widerspruch, hat einfach nichts miteinander zu tun? Anita Sarkeesian beweist mit ihrem englischsprachigen Videoblog das Gegenteil. Der Blog, der mittlerweile auch mit deutschen Untertiteln frei online verfügbar ist, zeigt, wie tief sexistische Geschlechterstereotype im popkulturellen Alltag verankert sind. Sarkeesian kombiniert Erläuterungen und Statistiken mit Ausschnitten aus Hollywood-Blockbustern, TV-Serien, Musikvideos und Videospielen, um uns die verzerrten und klischeebestimmten Darstellungen und Unterpräsentationen von Frauen unmittelbar vor Augen zu führen. Die kritische Auseinandersetzung mit Popkultur fristet trotz deren Allgegenwart ein Schattendasein. Dies wird ihrer kulturellen Bedeutung und ihres gesellschaftlichen Einflusses nicht gerecht. Die Vorbilder, Träume, Sehnsüchte und Hoffnungen von einem Großteil der Bevölkerung werden von Popkultur geformt. Hat man und frau erst einmal die Welt der Popkultur von Sarkeesian erklärt bekommen, erscheint sie plötzlich verändert. Sarkeesian öffnet die Augen für die Klischees, die die uns umgebende fiktive Realität prägen und zeigt, wie sie unser Denken beeinflussen. Ihr Videoblog ist damit im besten Sinne aufklärend.
www.feministfrequency.com
critica: Wie sähe deiner Meinung nach eine feministische und solidarische Gesellschaft aus? Sookee: In dieser Welt würde Kompetenz nicht nur männlichen Personen überlassen. Die Utopie ist erst dann erfüllt, wenn es keine Markierung und keinen Applaus mehr braucht. Wenn solche Sätze wie „Oha, sie weiß aber viel darüber“ aufhören. Die Selbstverständlichkeit ist das Merkmal der Erfüllung. Es gäbe keine Lohnunterschiede mehr und die Verteilung von Renten zöge sich nicht entlang von „wer war mit wem wie lange verheiratet“ oder „wer hat wie viel Geld verdient“. Beim Aspekt von Sexualität, Beziehung und Liebe, also da wo vermeintliche Triebe und Emotionen ansetzen, kann man schwer Realpolitik betreiben und eine Lohngesetzgebung verändern. Das einzige, was gesellschaftlich sanktioniert würde, ist fehlende Einvernehmlichkeit und nicht,W wer wie häufig in welcher Weise mit wem pennt. Außerdem würde Feminismus nicht nur als Kampf für Frauenrechte empfunden, sondern erkannt, dass Feminismus ein emanzipatorischer Weg für alle ist. Es geht um eine intersektionale Perspektive, die alle Diskriminierungsformen und ihre Verschränkungen in den Blick nimmt. critica: Dein neuestes Release heißt „Parole Brückenbau“. Was meinst du damit?
Gegen die Demokratie gerüstet In den Politikwissenschaften ist die These von der PostDemokratie ein alter Hut. Sie beschreibt einen Zustand, in dem die Institutionen der Demokratie formal weiterbestehen, die WählerInnen jedoch von den Eliten aus Politik und Wirtschaft mit PR-Methoden gelenkt werden. In der Öffentlichkeit werden schließlich nur noch Scheindebatten geführt, während die wahren Entscheidungen hinter verschlossenen Türen stattfinden. Eine solche Lenkung der Öffentlichkeit will jedoch gelernt sein. Hier hilft die Unternehmensberatung DemocReady. Auf ungewohnt unverhohlene Art wirbt sie damit, dass sie Unternehmen dabei hilft „demokratische Prozesse mitzugestalten.“ Kernstück ihrer Homepage ist ein zweieinhalb-minütiges Werbevitdeo, in dem ein Unternehmenssprecher befürchtet, dass durch „demokratische Prozesse (...) alles komplexer“ werde und erklärt, dass sein Unternehmen für die KundInnen „Demonstrationen, Bürgerinitativen und Dialogforen“ organisiere. Die Homepage ist wohl unfreiwillig ein Lehrstück über die Manipulation öffentlicher Meinung durch Privatunternehmen. Um das Bild des Unternehmens zu vervollständigen, empfehlen wir, probeweise das sogenannte „Anti-Protest-Package“ zu bestellen.
Watch your Hochschule! An deutschen Hochschulen fehlen Milliarden. Immer häufiger suchen WissenschaftlerInnen und Hochschulleitungen deshalb nach alternativen Finanzierungsquellen, sogenannten Drittmitteln. Häufig stammen diese von Unternehmen. Beim Einwerben dieser Drittmittel gerät jedoch die Unabhängigkeit der Wissenschaft in Gefahr. Denn mit Forschungsprojekten, die Konzerne einfach ökonomisch verwerten können, lassen sich Drittmittel leichter an Land ziehen als mit unprofitabler Grundlagenforschung. Die Versuchung für WissenschaftlerInnen sich anzupassen, um zukünftig an mehr Forschungsgelder zu kommen, ist groß. Hochschulwatch.de möchte Transparenz über die Drittmittelfinanzierungen an Hochschulen schaffen. Auf der als wiki aufgebauten Homepage lassen sich die Verbindungen zwischen der eigenen Hochschule und Unternehmen untersuchen. Selbst aktiv werden ist einfach und erwünscht. Wer etwas weiß, kann die Einträge auf der Website der eigenen Hochschule selbst editieren. Eine Kooperation mit der taz stellt zudem sicher, dass die Informationen geprüft werden und bei großer Brisanz eine breitere Öffentlichkeit erreichen.
www.democready.com
Text: Alexander Hummel
Sookee: Mir geht es darum, kommunikative Brücken zu bauen, um Inhalte wandern zu lassen. Es geht auch ein stückweit um die Frage, wie wir es schaffen können, subkulturelle Themen und Werte einer breiteren Öffentlichkeit vorzuschlagen, ohne uns vereinnahmen zu lassen und ohne Radikalität einzubüßen. Wenn wir uns gesellschaftliche Veränderung in unseren kleinen Kreisen basteln, ist das super. Aber damit bleibt die Restrealität eben die Restrealität und die ist größer als unser Wohnzimmer. critica: Deine gezeichnete Utopie entsteht leider nicht von selbst. Was machst du, um sie zu realisieren? Sookee: Ich bin bei verschiedenen Aktionen dabei, klinke mich inhaltlich ein und versuche mit meinen Worten Dinge zusammenzufassen. Im Hier und Jetzt geht es auch darum, sich selbst zu beobachten und zu gucken, wie ich mich anderen Menschen und mir selbst gegenüber verhalte. Das ist eine total wichtige Voraussetzung, wenn man gesellschaftliche Veränderung herbeiführen will. Ich denke, dass jede Form der Organisierung mit anderen Menschen eine tolle Erfahrung ist. Menschen sollten ihre Lebenszeit nutzen um mit anderen Leuten gemeinsam Dinge zu bewegen. Organisierung ist auf jeden Fall das Wesentliche. Ich mache Dinge, von denen ich denke, dass ich sie gut kann.
Das Interview führte Kerstin Wolter
www.hochschulwatch.de
Die Linke.SDS – kurz für SozialistischDemokratischer Studierendenverband – ist der einzige bundesweit aktive sozialistische Studierendenverband. Der SDS bezieht sich kritisch-solidarisch auf die Partei DIE LINKE, ist aber eine eigenständige Organisation mit vielfältigen Politikansätzen. Bei uns haben sich junge Menschen mit unterschiedlichen linken Ideen zusammengefunden, um die Gesellschaft und die Hochschulen zu verändern. Wir verstehen uns als Teil eines umfassenden gesellschaftlichen Bündnisses gegen den neoliberalen und antidemokratischen Umbau der Gesellschaft, der mit der Agenda 2010 und dem BolognaProzess die Lebens- und Studienwelt immer stärker dem Diktat des Marktes unterwirft. Der SDS kämpft dabei für konkrete Verbesserungen der Studien- und Lebensbedingungen. Wir setzen uns ein für bezahlbare Mieten und ein Studienhonorar. Wir kämpfen für demokratische
Mitbestimmung an den Hochschulen und ein selbstbestimmtes Studium. Wir wollen eine Uni für Alle. Wir verstehen die Hochschule als Teil der Gesellschaft – um die Gesellschaft zu verändern, müssen wir die Uni verändern und umgekehrt. Wir setzen uns daher für soziale Gerechtigkeit, Demokratie und gegen Rassismus und Diskriminierungen ein. Lokal verankert… SDS-Gruppen gibt es bundesweit an ca. 40 Hochschulen. In den Hochschulgruppen wird ein großer Teil der Arbeit gemacht. Ob Lesekreise zu sozialistischen Klassikern und aktuellen Problemen, Organisation von politischen Bildungsveranstaltungen, Arbeit in den Unigremien, Mietendemos oder Anti-Naziproteste: die Bereiche und Aktionen der lokalen Gruppen sind vielfältig.
…und bundesweit aktiv. Der SDS ist keine Ansammlung autonomer Kleingruppen, sondern ein bundesweit agierender Akteur. Durch unsere handlungsfähige Bundesstruktur können wir aktiv in das politische Geschehen eingreifen. Eine wichtige Rolle spielen wir zum Beispiel bei überregionalen Protesten und Aktionen wie Blockupy oder Studis gegen Wohnungsnot. Bundesweite Aktivität erschöpft sich bei uns aber nicht darin, ein paar Demos mitzugestalten. Im SDS existieren mehrere bundesweite Arbeitskreise, in denen wir uns vertieft mit einem bestimmten Thema auseinandersetzen. Ob zu Antimilitarismus und Frieden, Hochschulpolitik oder Mieten und Wohnen: In vielen Bereichen diskutieren und entwickeln wir Alternativen. Und das Produkt eines Arbeitskreises hältst du gerade in der Hand: die critica.
Aktiv werden! Die Welt verändert sich nicht von allein. Eine bessere Gesellschaft braucht Menschen, die sich mit Begeisterung dafür engagieren. Wie du deine SDS-Gruppe vor Ort erreichen kannst, erfährst du auf unserer Homepage. Wenn es bei dir keine Gruppe gibt, kannst du sie auch gerne gründen. Wir helfen dir dabei. Support your local SDS!
Willst du mehr über Die Linke.SDS erfahren? Informiere dich auf unserer Homepage: www.linke-sds.org oder schreib uns eine E-Mail an info@linke-sds.org!
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Ein nie einfacheres udrigeres, nd gere FDP-Ergebnis chteres
ich die Und dafür hab shonorare ag letzten 10 Vortr ssen?! sausen la
erg, b n e t t ung, Guen, FDP, J , h c o K Röttg Wulff, ne, SPD... Grü
It‘s not easy being green...
Endlich hab ic Anschlussver h eine wendung gefunden!
e Als ob ihr so groß . t.. Leuchten wär
Bild: Ralf Roletschek
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Il Kim Jong destag n u B t a g lookin