praxis* Ausgabe 4

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Thema: Marxismus



Inhalt 4 Krise der Linken und Krise des Marxismus Plädoyer für einen neuen Marxismus 7 Der Östliche Marxismus 9 Feindbild Antikapitalismus 12 Wachstumskritik – neues Standbein sozialistischer Gesellschafkritik? 16 Der BAK Stadtpolitik stellt sich vor 17 Bericht zur Gründung des BAK Nahost 20 Proto-Sexistische Denkmuster abbauen? Get organized! 23 Eine Klasse für sich 26 Lohn, Preis und Profit 29 Bericht der GruKa


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Krise der Linken und Krise des Marxismus - Plädoyer für einen neuen Marxismus Beispielartikel um zu demonstrieren, wie das Standardlayout zu verwenden ist Janis Ehling, Marburg

Europa steckt in der Krise und die linken Parteien und Organisationen profitieren kaum von dieser Entwicklung. Warum? Viele Linke drücken sich um die Antwort und fangen an zu jammern: Die bösen Medien oder die Menschen sind zu doof uns zu verstehen und so weiter und so fort. Doch liegen die Gründe auf der Hand: 1. Der Schatten des real existierenden Sozialismus liegt noch immer über der Linken und wird es noch lange tun. 2. Die Arbeiterklasse versteht sich nicht mehr als solche und ist damit als politische Kraft nicht mehr präsent. Schon der Begriff wirkt heute vielen antiquiert. Den linken Parteien fehlt damit ihr klassisches Fundament. 3. Die linken Parteien sind oft keine Mitgliederparteien mehr. Sie agieren weit weg von den Realitäten der Menschen. Die Linken werden unter anderem deshalb mit den anderen Parteien gleichgesetzt. 4. Die Linken haben viele Entwicklungen verpennt: Frauenbewegung-, Demokratie-, Ökologiebewegung, Massenintellektualität, Individualismus, neue Technologien und das Ende des Fordismus und ringen teils immer noch mit diesen „neuen Phänomen.“ 5. Der Großteil der Linken hat keine Antworten auf die neuen Probleme. Die Linkspartei versucht es nun z.B. mit sozialdemokratischer Programmatik, aber betrachtet nicht die historischen Gründe der sozialdemokratischen Erfolge und 4

Niederlagen. 6. Eine theoretische Beschäftigung mit diesen Fragen findet nur noch in ein paar kleinen Theoriemagazinen statt. 7. Die Praxis der meisten linken Parteien, Organisationen und Individuen ist kopf- und konzeptlos. Es mangelt an gescheiten Analysen, gescheiten Konzepten und klar definierten Zielen. 8. Summa summarum lässt sich sagen: Theorie und Praxis sind heute entzweit. Und dabei war die “Philosophie der Praxis” - wie Gramsci den Marxismus nannte eigentlich immer eine Stärke der Linken. Es ist unmöglich an dieser Stelle alle Problemstellungen aufzugreifen. Ich will mich für’s erste mit der Theorie begnügen. Eine klare Analyse und ein gescheites Konzept wären schon mal ein Anfang. Wie konnte es aber dazu kommen, dass der Marxismus und damit auch ein Stück weit die Linke so irrelevant wurden? Ein kurzer Erklärungsversuch11: Erstens: In den Ländern des real existierenden Sozialismus und vielen kommunistischen Parteien ist der Marxismus zu einem Dogma erstarrt. Die Theorie (Marxismus-Leninismus) wurde zu Lee(h)rsätzen degradiert und gebogen und gedehnt – wie es gerade passt. Abweichende 1 Poststrukturalistische, postmarxistische Ansätze, die Neue Marx-Lektüre und andere Ansätze fehlen in dieser Darstellung der Kürze halber.

Meinungen wurden mit Parteiausschlüssen oder sogar mit Mord und Verfolgung geahndet. Auf dieser Grundlage konnte sich die marxistische Theorie und Wissenschaft nicht weiterentwickeln. Ausnahmen wie Havemann, Janka, Markov oder Kossok gab es z.B. auch in der DDR. Allerdings wurden auch sie teils gegängelt, verfolgt, bespitzelt und ihre Arbeiten kaum zur Kenntnis genommen oder unter Verschluss gehalten. In den anderen Ländern war es ähnlich, wie z.B. die Praxisgruppe in Jugoslawien oder die zahllosen Ausschlüsse berühmter Intellektueller aus der KPF (Kommunistische Partei Frankreichs) zeigen. Der zweite Punkt resultiert aus ersterem: Die marxistischen Intellektuellen in Westeuropa waren durch die Dogmatisierung der Parteien von der organisierten Linken größtenteils getrennt. Die Intellektuellen waren damit nicht mehr mit der Politik verbunden wie noch die erste Generation der Marxist_innen wie Engels, Kautsky, Luxemburg usw. Das hatte Folgen. Der Marxismus wurde immer mehr zur Philosophie: Adorno, Lukacs, Sartre und Co mögen hier als Beispiele reichen. Das gilt übrigens auch mit Abstrichen für neuere Theoretiker_innen wie Badiou, Holloway, Negri und Zizek. Theorie und Praxis sind bei den Angeführten fast gänzlich entkoppelt. Oft waren die


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Konzepte gar nicht für die Praxis gedacht (Adorno) und/oder halten kaum einer praktischen Prüfung stand (Negri). Trotzdem sollen die Leistungen dieser Denker_innen nicht geschmälert werden, weil sie teils originelle Fragen aufwarfen und spannende Antworten gaben. Sie erkannten historische Entwicklungen schon wesentlich früher als die eher traditionell orientierten Marxist_innen.

gehört sowohl das Aufkommen des Neoliberalismus, der veränderten Klassenlage (Wegfall des Klassenbewusstseins) als auch neuer politischer Bewegungen wie der 2. Frauenbewegung und der Ökologiebewegung. Der Wegfall der alten sozialen Bewegungen und das

Drittens, auch die marxistischen Erneuerungsansätze, also linkssozialistische, trotzkistische und eurokommunistische Ansätze (Abendroth, Mandel, Poulantzas, Gramsci, Togliatti, Berlinguer) haben sich bis heute nicht durchsetzen können und sind damit (vorerst) gescheitert. Nichtsdestotrotz lieferten und liefern sie bis heute wichtige Impulse. Sie haben bspw. die ideologische Erstarrung des Ostblocks schon frühzeitig kritisiert und wichtige Forderungen etwa nach einer Ausweitung der Demokratie (Abendroth, Togliatti, Berlinguer) aufgestellt und neue Antworten gegeben. Ihre Analysen der Oktoberrevolution (Gramsci), des Staates (Poulantzas) und des europäischen Kapitalismus (Poulantzas, Gill, Mandel) waren wegweisend. Ihr besonderes Verdienst besteht zudem darin den Marxismus – der häufig zu ökonomistisch oder zu philosophisch blieb – um eine politische und kulturelle Theorie zu erweitern und damit ein besseres Verständnis der Gesellschaft zu erlangen. Allerdings fehlten ihnen auch der Draht zur organisierten Arbeiterbewegung und/oder sie haben neuere Entwicklungen verpennt. Dazu

Die Frauen- und Homosexuellenbewegung verknüpfte marxistische Konzepte mit Geschlechterfragen und konkreten Lebenlagen (Beauvoir, Foucault, Haug, Freudomarxismus usw.). Allerdings verlor sich bei beiden Bewegungen recht schnell der marxistische Charakter bis auf wenige Ausnahmen (Kleingruppen und Theoretiker_innen). Ähnlich sah es bei der Ökologiebewegung aus. Auch hier gab es zahlreiche ökosozialistische Ansätze (Gorz, Altvater, Bahro usw.). Allerdings entfalteten diese bis heute keine Breitenwirkung (auch nicht in der Linken), obwohl sie wichtige Fragen aufwarfen und ihre Erkenntnisse aktueller nicht sein können. Fünftens, neben linkssozialistischen oder kommunistischen Parteien und den Neuen Sozialen Bewegungen entstanden neue linke Gruppen und alternative marxistische Ansätze:

Aufkommen der neuen sozialen Bewegungen wurden schlicht verpasst. Viertens, in den siebzigern entstanden mit den Neuen Sozialen Bewegungen auch neuere marxistische oder marxistisch inspirierte Konzepte – spannenderweise gleichzeitig in Ost und West.

Die Autonomen und die sogenannten K-Gruppen. Letztere steuerten allerdings kaum neue Ansätze bei und versuchten meist nur Konzepte aus den zwanzigern (oder maoistische) aufleben zu lassen und scheiterten damit nachhaltig – sowohl mit ihrer Kaderorganisation als auch wegen ihrer geringen Aktualität (siehe viertens) und Massenwirkung. Allerdings ebnete ihr Scheitern den Weg für postoperaistische Ansätze (Negri, Roth) und neue Formen der Organisation (u.a. Marcuse). Die neue Linke wandte sich nachhaltig von klassischen Konzepten der Organisation z.B. Industriearbeiter_innen (Arbeiterklasse), deren Parteien ab und kritisierte deren Staatsfixiertheit. 5


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Sie versuchten neue optimistische Antworten zu geben und bezogen etwa die Hausarbeit (Geschlechterpolitik) sowie die kompletten Lebenslagen (Biopolitik) mit in ihre Konzepte ein. Allerdings konnten auch sie keine Breitenwirkung entfalten und waren eher lokal bedeutend (besetzte Häuser, Kulturzentren und Antifa-Arbeit). Ihre Theorien und Analysen etwa vom „gesellschaftlichen Arbeiter“ (Multitude/ Negri) oder dem Verzicht auf Machtpolitik (Holloway) waren selten empirisch und damit praktisch fundiert. Autonome und post-autonome Gruppen hingegen verzichteten oftmals ganz auf theoretische Analysen und setzten nur auf Praxis oder Identitätspolitik. Im Gegensatz dazu tendierten und tendieren Teile der ursprünglich großteils autonomen Antifa-Bewegung zur Übertheoretisierung und verzichten gänzlich auf Praxis (ob diese sogenannten Antideutschen damit noch links sind, ist ein ständiges Streitthema in der Linken). Sechstens, die marxistischen Theoretiker_innen haben sich selten gegenseitig gelesen oder nicht wahrgenommen und sich eher bekämpft. Schon Perry Anderson hatte darauf in den 70ern (in „Der westliche Marxismus“) hingewiesen und seine Diagnose gilt bis heute. Worauf es ankommt Die Aufgabe einer heutigen Linken ist es aber nun nicht den Marxismus endgültig zu beerdigen, sondern im Gegenteil, ihn wieder aus der Mottenkiste zu holen, ihn gründlich zu entstauben und 6

ihm neues Leben einzuhauchen. Dazu bedarf es der Kenntnisse der Klassiker und der Rezeption neuerer Ansätze. Die Kombination und Diskussion der vielen verschiedenen marxistischen Theorien kann die Grundlage für einen erneuerten Marxismus legen. Ich behaupte: In den verschiedenen Ansätzen ist vieles Wesentliche für einen zeitgemäßen Marxismus vorhanden. Wir sollten dazu in eine befruchtende Diskussion kommen und fleißig kombinieren, was sich als nützlich erweist und aussortieren, was sich als unbrauchbar zeigt. Sich aber nur innerhalb marxistischer Theoriezirkel zu bewegen, reicht nicht aus. Marxistische Theoretiker_innen müssen die Auseinandersetzung mit den herrschenden Ideen und Intellektuellen suchen. Zu oft bleiben Marxist_ innen unter sich und ignorieren die Debatten in den Medien, den Feuilletons und den Mainstreampublikationen der Wissenschaft – genauso wie der Mainstream die Marxist_innen ignoriert. Das muss sich ändern! Das Finden der „Theorie“ allein reicht aber nicht aus. Die Theorie muss sich in der Praxis erweisen. Sie muss immer wieder erprobt und bei Bedarf verändert werden. Ein erneuerter Marxismus muss offener - darf aber nicht beliebig werden. Marx selbst hat seine Theorien immer wieder verändert und den Erfordernissen der Zeit angepasst. Er hat die Auseinandersetzung mit den bekanntesten Theoretiker_innen seiner Zeit nie gescheut – von ihnen übernommen, was er für wertvoll und scharf kritisiert was er für falsch hielt. So sollten wir es auch halten. Eine Erprobung marxistischer Konzepte

setzt jedoch politische Bildungsarbeit und ein politisches Bewusstsein voraus. Der SDS, die Linksjugend und die Linkspartei sollte sich daher schwerpunktmäßig und systematisch mit marxistischen Theorien befassen und versuchen sie umzusetzen. Dazu bedarf es einer Auseinandersetzung mit der Geschichte der Linken, einer klaren Analyse des gegenwärtigen Kapitalismus und einer handlungsorientierten Theorie. Was lässt sich aus dem Scheitern linker Sozialismusversuche und Politikansätze lernen? Was waren und sind erfolgversprechende linke Strategien? Wer sind die Träger_innen kommender gesellschaftlicher Umwälzungen? Und wie lösen wir die Widersprüche zwischen Kapital und Arbeit, Emanzipation und Unterdrückung, Individuum und Gesellschaft, Wachstum und Ökologie, Zentrum und Peripherie? Wie können wir diese Konflikte und Widersprüche fruchtbar machen für den Kampf für eine solidarische Gesellschaft? Diese und andere Fragen müssen wir beantworten. Das ist kein leichtes Unterfangen, aber ein lohnendes. Eine Linke mit guten Konzepten muss die anstehenden großen Verwerfungen im 21. Jahrhundert nicht scheuen, weil sie gewappnet ist. Die derzeitige Krise des Kapitalismus nutzt der Linken nicht automatisch. Sie ist aber eine Chance. Eine Chance, die wir ergreifen sollten.


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Der Östliche Marxismus Jakob Migenda, Berlin

Der trotzkistische Historiker Perry Anderson hat mit seiner Studie über den westlichen Marxismus den Begriff des „Westlichen Marxismus“ populär gemacht.1 Seine These ist, dass, nachdem sich das Zentrum des Marxismus zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts nach Osten, nach Russland, verlagert hat, sich sein Schwerpunkt nach der Stalinisierung in das westliche Europa verlagerte. Damit einher geht die relative Trennung seiner wichtigsten ProtagonistInnen, die zumeist Lehrstühle innehatten, von den Kämpfen der Arbeiterbewegung. Dadurch verlagerte sich ihr Arbeitsschwerpunkt weg von den Fragen der Praxis hin zu ästhetischen und philosophischen Betrachtungen. Abgelöst wurden sie laut Anderson nach 1968 von NeotrotzkistInnen, die wieder eine gewisse organische Verbindung zu ziehen vermochten. Zwar ist Anderson für seinen zu einfachen linearen Entwurf durchaus kritisiert wurden, so zum Beispiel pointiert von Wolfgang Fritz Haugg in seiner Rezension des Buches in der Zeitschrift Das Argument2, dennoch zeigt er im Groben doch gute Linien der marxistischen Entwicklung im Westen. Aber darin liegt das Problem: Er zieht sie nur im Westen, die Entwicklung des Marxismus im Osten existiert für ihn, ebenso wie für Haugg, prak1 Anderson, Perry (1978): Über den westlichen Marxismus; Frankfurt/ Main. 2 Haugg, Wolfgang Fritz (1978): Westlicher Marxismus? In: Das Argument 110, 20. Jg, Hamburg. Online unter: http:// www.wolfgangfritzhaug.inkrit.de/documents/westlMarxism.pdf

tisch gar nicht. Janis Ehling reißt in seinem Artikel in diesem Heft den Marxismus im Staatssozialismus kurz an. Ich möchte an dieser Stelle tiefer gehen und skizzieren, was das Spezielle am östlichen Marxismus ist und wieso es einige originelle WissenschaftlerInnen der DDR gab, deren Rezeption sich auch heute noch lohnt.3 Eher Orthodox: DDR-Marxismus Beim Lesen vieler populärer marxistisch-leninistischer Literatur der DDR fällt der/dem Lesenden ein reichlich ahistorisierender Vulgärmarxismus auf, in dem Zitate von Marx und Lenin als nicht vielmehr denn als Versatzstücke zur eigenen Herrschaftslegitimierung dienen. Das ist zweifelsohne eine richtige Erkenntnis. Sie trifft jedoch eher auf zweitklassige Apologeten und Menschen, die solche Phrasen zur eigenen Ausschmückung nutzen, ohne sie intellektuell und organisch in die eigenen Gedanken einfließen zu lassen, denn auf erstzunehmende marxistische Wissenschaftler zu. Dennoch führte wohl auch diese geistige Einengung dazu, dass so wenig originelle marxistische DenkerInnen während der DDR-Zeit nachwuchsen. Zwar ist es auf keinen Fall gering zu schätzen, dass wohl nirgendwo in der Geschichte so weite Teile der Bevölkerung marx3 Ich beschränke mich an dieser Stelle auf die DDR, da ich von der Entwicklung der marxistischen Wissenschaften in den anderen staatssozialistischen Ländern keine Ahnung habe.

istische Grundlagen vermittelt bekommen haben wie in der DDR, allerdings ist es sicher kein Zufall, dass die beiden wichtigsten Denker, Markov und Kuczynski, noch in der KPD, im Widerstand oder Exil politisch sozialisiert wurden. Ein weiteres Spezifikum der DDR-MarxistInnen war, dass sie noch stärker von den Kämpfen im Kapitalismus entfernt waren als Andersons „westliche Marxisten“ vor allem aus dem relativ banalen Grund, dass sie nicht im westlichen Kapitalismus lebten sondern im Staatssozialismus. Das führte jedoch weniger zu einer Philosophisierung des Marxismus, wie bei westlichen UniversitätsmarxistInnen. Eher im Gegenteil erhielt sich in größerem Maße ein orthodoxerer Marxismus, der auch bei den originellen DenkerInnen wenig auf die neusten Entwicklungen im Westen einging. Da es auch für die, tendenziell freiere, Wissenschaft schwer war offene Kritik an der DDR zu äußern, gibt es auch relativ wenig marxistische Analysen des Staatssozialismus.4 Diese Gründe mögen dazu beigetragen haben, dass die Leistungen der DDR-MarxistInnen eher in der Erforschung der kapitalistischen Vergangenheit lagen. Diese Tendenz lässt sich jedenfalls beobachten, wenn man sich die Tätigkeitsfelder origineller MarxistInnen ansieht: Revolutionsgeschichte und -theorie (Walter Markov und Manfred Ko4 Eine Ausnahme bildet hierbei Jürgen Kuczynskis Dialog mit meinem Urenkel, der allerdings auch kein wissenschaftliches Buch, sondern eher ein Essay ist. 7


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ssok), Wirtschaftsgeschichte (Jürgen Kuczynski), Rechtsgeschichte (Volkmar Schöneburg). Auf ihren jeweiligen Gebieten haben sie jedoch Texte geschrieben, die einer stärkeren Rezeption wert sind. Im Folgenden möchte ich kurz auf Walter Markov und Jürgen Kuczynski eingehen und jeweils ein Buch von ihnen zur Rezeption empfehlen. Ein revolutionärer Historiker Walter Markov hat sich, wie oben schon erwähnt, vor allem mit Revolutionsgeschichte und -theorie auseinandergesetzt. Seine wissenschaftliche Bedeutung fußt in erster Linie auf zwei Leistungen. Zum einen entwickelte er ein Revolutionszyklenmodel. In dieses ordnete Markov die modernen Revolutionen entsprechend ihrer Grundfragen in drei große Zyklen ein. Erstens: die bürgerlichen Revolutionen mit dem Archetypus der Französischen Revolution, zweitens: die proletarischen Revolutionen und drittens: die neueren Revolutionen der Nationalen Befreiungsbewegungen des Südens. Davon weitergedacht ist zu überlegen, ob mit dem Zusammenbruch des Staatssozialismus ein vierter Revolutionszyklus stattfand und ob die Erhebungen in Nordafrika und die gespannte Lage in Südeuropa den Auftakt für einen fünften Zyklus bilden können. Seine zweite große Leistung ist seine Arbeit über die französische Revolution. Sein Schwerpunkt lag hierbei vor allem in der Untersuchung der Rolle der radikalen Linken für die Revolution. Dabei vertritt er die These, dass die Radikalität der Jakobinerherrschaft den Höhepunkt der Revolution markierte und ihren Erfolg und das 8

wirkliche Ende des Ancien Régimes erst ermöglichte. Zusammen mit dem französischen marxistsichen Historiker Albert Soboul schrieb er mit 1789, Die Große Revolution der Franzosen, eine gute materialistische Einführung und Überblicksdarstellung über die Revolution.5 Marxistische Kritik am Staatssozialismus Jürgen Kuczynski war hauptberuflich Wirtschaftshistoriker und Gesellschaftswissenschaftler. Sein Lebensweg war von den Erfahrungen eines kritischen jüdischen kommunistischen Intellektuellen gekennzeichnet, die ihn 1936 ins Exil trieben und auch vor und nach 1990 manche Probleme bereiteten. Seine wissenschaftlich wichtigsten Schriften dürften die vierzigbändige Geschichte der Lage der Arbeiter unter dem Kapitalismus darstellen. Außerdem schrieb er bedeutende Studien über die Geschichte der Gesellschaftswissenschaften und die Alltagsgeschichte des deutschen Volkes. Insgesamt ist er mit über 41.00 Veröffentlichungen zweifelsohne einer der produktivsten deutschen WissenschaftlerInnen überhaupt. Doch sind dies vor allem akademisch interessante Veröffentlichungen. Die größte Wirkung erzielte er jedenfalls mit seinem 1983 erschienen Buch Dialog mit meinem Urenkel.6 Dieses Buch bildet den Auftakt zu einer kritisch-marxistischen Auseinandersetzung mit der DDR und der 5 Markov, Walter; Soboul, Albert (1989): 1789, die Grosse Revolution der Franzsosen; Köln. 6 Kuczynski, Jürgen (1983): Dialog mit meinem Urenkel. 19 Briefe und ein Tagebuch; Berlin.

späteren Wende, die er nach 1990 mit seinem Fortgesetzten Dialog mit meinem Urenkel und seinen Memoiren weiterführte.7 Seine Kritik am Staatssozialismus ist für eine emanzipatorische Linke heute unheimlich produktiv. Ein neuer Sozialismus und eine sozialistische Praxis im 21. Jahrhundert kommt nicht daran vorbei, sich mit den Widersprüchen des alten Versuches auseinanderzusetzen. Es gilt genauestens zu analysieren, worin die Probleme lagen und zu reflektieren, wie sie diesmal behoben werden können. Doch nicht nur für die Eventualität eines neuen, richtigen Sozialismus, auch für das Verständnis der heutigen Verelendung in Südeuropa ist Kuczynski lesenswert. Die Vorgänge der Abwicklung eines Staates und seiner Menschen durch (west)deutsche Bürokraten, wie sie derzeit in Griechenland geschieht, wird nicht zufälligerweise von Leuten geplant, die schon ihre Erfahrungen in der Treuhand gesammelt haben. Gerade für diese Probleme lohnt es sich auch für einen heutigen sozialistischen Studierendenverband noch einmal Kuczynski aufzuschlagen und zu reflektieren. An dieser Stelle ist er organisch mit der Geschichte verwoben und nicht wie die westlichen MarxistInnen relativ von ihr getrennt.

7 Kuczynski, Jürgen (2000): Fortgesetzter Dialog mit meinem Urenkel: Fünfzig Fragen an einen unverbesserlichen Urgroßvater; Berlin.


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Feindbild Antikapitalismus Benjamin Schumann, Chemnitz

Der Folgende Beitrag setzt sich mit der Extremismustheorie auseinander. Dabei wird Kritik an Linkspartei und anderen „linksextremistischen“ Gruppen genauer untersucht. Als Quellen dienen vornehmlich Publikationen der Konrad Adenauer Stiftung. Vieles was die konservativen Autoren äußern, erscheint aus linker (Insider) Sicht regelrecht lachhaft. Manches erscheint beunruhigend. In jedem Fall stehen wir vor der Realität, dass derartige konservative Vorbehalte gegenüber linker Politik nicht nur eine Randerscheinung sind. Gerade für Wahlkämpfe, aber auch für die alltägliche politische Arbeit an der Uni erscheint es sinnvoll, sich mit dieser Sichtweise auseinanderzusetzten. Um konservative Denkmuster zu bekämpfen muss man diese kennen und erkennen. Im ersten Abschnitt wird der Extremismusbegriff vorgestellt. Im zweiten Abschnitt wird die Problematik der Vermischung der wissenschaftlich umstrittenen Theorie und politischem Mainstream untersucht. Zuletzt wird der spezifische bürgerliche Blickwinkel auf Linkspartei, Linksjugend. Solid und Die Linke.SDS untersucht. 1) Der Extremismusbegriff Der Begriff Extremismus kommt vom lateinischem Extremus und bedeutet eine Abweichung von der Mitte und eine Zuordnung zum

äußeren Rand. Die Übertragung auf das politische Spektrum geht von einer primär wirksamen rechts- links Achse aus. Zwar existieren neben dieser primären Achse noch sekundäre Konfliktdimensionen, wie etwa Materialismus vs. Postmaterialismus aber diese Gegensätze konnten nicht den ideengeschichtlichen Hauptgegensatz überlagern. Darüber hinaus ist der politische Gegensatz zwischen Demokratie und Diktatur wirkungsmächtig, dies bedeutet aus extremismustheoretischer Sicht: Linke und rechte Demokraten sind sich untereinander politisch näher als dem jeweiligen rechten/ linken extremistischen Flügel.1 Der Bereich der politischen Mitte ist gleichzeitig der wichtigste Kritikpunkt: Die Mitte ist hoffnungslos unbestimmbar, der politische Raum lässt sich nicht progammatisch abgrenzen. Dieser Raum basiert theoretisch auf der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, also konkret auf dem im Zuge des SRP Verbotes durch das Bundesverfassungsgericht definierte politischen Rahmen des demokratischen Verfassungsstaates. Das Kernproblem liegt dabei zum einen auf den darin enthaltenen positiven Rechtnormen, wie dem in Artikel I des Grundgesetztes festge1 Vgl. Van Hüllen, Rufolf: Definition und Dimension, Erscheinungsformen und Kernaussagen des Linksextremismus. Überlegung zur Prävention von Linksextremismus (Teil I), Köln 2012, S.10f.

haltenen Begriffes der Menschenwürde. Eine Politik, welche die Menschenwürde einschränkt kann durchaus von einer „demokratischen Regierung der Mitte“ ausgehen. Die Definition was die Menschenwürde ausmacht, wo sie beginnt und wo sie endet lässt sich nicht absolut bestimmen. Vielmehr ist es eine von der gesamten Gesellschaft nach Zeit und Ort sehr unterschiedliche bestimmte Rechtsnorm.2 Zum anderen können auch die konkreten Rechtsnormen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung durch Politiker in Frage gestellt werden, welche sich als Einwohnerschaft der „terra inkognito demokratische Mitte“ definieren. 2) Extremismustheorie Herrschaftsideologie

als

Extremismus und Totalitarismus stehen zu Recht als wissenschaftliche Begriffe in der Kritik. Als wissenschaftliche Theorien sind sie aber durchaus abgrenzbar und unterscheidbar zu der realpolitischen existierenden konservativ- bürgerlich extremismustheoretischen Suppe, welche gerne gekocht 2 Beispielhaft wäre hier ein Urteil des Bundesverfassungsgericht zum Umgang mit Asylsuchenden in der Bundesrepublik zu nennen. Die CDUFDP Regierung ebenso wenig wie die Vorgängerregierungen die Menschenwürde dieser Menschen geachtet, und deren Existenzminimum unterschritten. http://www.bundesverfassungsgericht.de/ pressemitteilungen/bvg12-056

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und anschließend über die Linke geschüttet wird. In der Studie „Linksextremismus in Deutschland: Erscheinungsbild und Wirkung auf Jugendliche“ wird der Übergang zwischen kritikwürdiger Wissenschaft und gefährlichem politischem Halbwissen geschaffen. So wertet die Autorin Viola Neu empirische Studien aus, welche bereits in den gestellten Fragen tendenziös wirken: „In Deutschland gibt es keine Existenzängste“, „Ich mag Deutschland. Schöne Städte, Natur. Es ist meine Heimat.“ oder aber auch „In Deutschland gibt es einen hohen Lebensstandard. Ich könnte nicht in einem anderen Land, wie Somalia, lebt.“ Wer derartige Aussagen negiert, verfällt nach Sicht der Autorin in klassisch linke antinationale Reflexe.3 Gerade hier wird deutlich, wie problematisch diese Studie ist. Der Titel suggeriert eine Befragung zum Linksextremismus, also zu einer demokratiefeindlichen Haltung von links. Die gestellten Fragen wiederum sind vollkommend losgelöst von der Extremismusdefinition, schließlich muss man nicht Patriot_in sein um Demokrati_in zu sein. Und nebenbei, es gibt durchaus auch undemokratische Patriot_innen. Doch noch auffälliger wird die Studie, wenn es um die Untersuchung antikapitalistische Einstellungen geht. So reagiert die Autorin reflexhaft auf Antikapitalismus mit einem antiextremistische Impuls: Kapitalismuskritik ist extremisitisch, weil bestimmte marxist3 Vgl. Neu Viola: Linksextremismus in Deutschland: Erscheinungsbild und Wirkung auf Jugendliche. Auswertung einer qualitativen explorativen Studie, Berlin 2012, S.21.f.

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Wirkt mächtig konstruiert: die Hufeisentheorie


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ische Auslegung eine existenzielle Verbindung von Wirtschaftssystem und politischem System vornimmt. (Mit existenziell meine ich hier, die Annahme einer abhängige Verbindung demokratischem Rechtsstaat und Kapitalismus.) Die Inhomogenität marxistischer Deutungen beim Verhältnis von Demokratie und Kapitalismus spielt dabei überhaupt keine Rolle. Die konservative Logik ignoriert die selbst im Grundgesetz festgehaltenen Möglichkeiten zur legalen Vergesellschaftung von Eigentum. Als Folge bleibt: Wer den Kapitalismus abschaffen will, muss auch gleichzeitig die Demokratie ablehnen. Das politische antiextremistische Denken formuliert ein wesentliches Ziel: Demokratische Ideologien sollen von totalitären Ideologien abgrenzbar sein. Diese Ziel ist ein normatives, es soll eine Unterscheidbarkeit von politisch „gut“ und „böse“ geschaffen werden. Nun kann man von normativer Politikwissenschaft halten was man will, aber die politische Anwendung dieser Forschung ist erst das eigentliche Problem. Nicht die Politikwissenschaft schreibt die Verfassungsschutzberichte und stigmatisiert politische Strömungen als extremistisch. Zum wirklichen Problem wird die Extremismustheorie erst in der konkreten (partei)politischen Arbeit, weil wie oben gezeigt eine Erweiterung des Begriffes stattfindet: Die Diffamierung Extremist zu sein, schadet der politischen Arbeit linker Aktuer_innen. Daher geht mit dieser Form der Anwendung der Extremismustheorie unweigerlich der Gedanken einher, dass nicht der Schutz der Demokratie sondern die Diffamierung der Konkurrenz das

eigentliche Ziel ist. Wissenschaft wird hier konkret zur Herrschaftsideologie. 3) Beispiel Linkspartei Wendet man die Extremismustheorie auf die SED an, so war die zweifelsohne eine extremistische Partei. Bei der Linkspartei ist dies auch bei Extremismustheoretiker_ innen umstritten. Der Versuch der politischen Diffamierung der Linkspartei nimmt zumeist seinen Anfangspunkt an der Traditionslinie zur SED. Wandlung der Partei, wie der Bruch mit dem demokratischen Zentralismus als innerparteiliches Organisationsschema werden dabei durchaus berücksichtigt. Allerdings ist der primäre Vorwurf an die Linkspartei nicht, sie wäre extremistisch, sonder vielmehr die Partei würde den antiextremistischen oder antitotalitären Grundkonsens der Bundesrepublik ablehnen.4 Darüber lohnt es sich einmal nachzudenken, es steckt sehr viel Absurdität in diesem Vorwurf: Wer antiextremistischer Politik als politisch formulierte Ziel der große Volksparteien ablehnt, gerät selbst sofort in den Verdacht Extremist zu sein. Die Autoren verfallen hier in ein einfaches Freund-Feind Schema. Dies wäre, wenn Mensch dem Extremismusexperten Uwe Backes glauben will, wiederum ein Merkmal extremistischen Denkens.5

Die Anwendung der Extremismustheorie auf das Beispiel Linkspartei steht in der Tagespolitik vor dem Problem, dass Traditionsbrüche etwa zur autoritären SED im Ost und zu K-Gruppen im Westen allenfalls über personelle Vergangenheiten konstruierbar sind. Bekanntlich entscheiden aber politische Positionen und die Organisationsstruktur einer Partei und nicht die Vergangenheit bestimmter Mitglieder darüber ob eine Partei extremistisch oder nicht. Für Linksjugend-solid und Die Linke.SDS stellt selbst der KAS Autor Rudolf van Hüllen fest: „… der Gestus einer staatstragenden und autoritätsglaubigen Organisation, wie es die FDJ gewesen war, ist hingegen nirgends mehr erkennbar.“ Bereits das Selbstverständnis der Linken als strömungsübergreifende, linke Partei steht dem Organisationsprinzip extremistischer Organisationen entgegen. Die medial oft vernehmbare Forderung „extremistische Kreise“ aus der Partei auszuschließen, wirkt geradezu absurd: Der traditionelle Umgang mit Linksabweichlern, etwa in der SED, waren Stigmatisierung und der Ausschluss besagter Mitglieder. Wenn nun ausgerechnet von selbsternannten, antiextremistischen Kreisen dies eingefordert wird, zeigt sich wer zu wenig aus der Geschichte gelernt hat.

4 Vgl. Wilke, Manfred/ Baron, Udo: Die Linke. Bündnis – und Koalitionspolitik der Partei, Berlin 2009, S.6. 5 Vgl. Van Hüllen, Rufolf: Definition und Dimension, Erscheinungsformen und Kernaussagen des Linksextremismus. Überlegung zur Prävention von Linksextremismus (Teil I), Köln 2012, S.22.

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Wachstumskritik – neues Standbein sozialistischer Gesellschafkritik? Alexander Hummel, Heidelberg

„Die Entwicklung dieses Wirtschaftssystems wurde nicht mehr durch die Frage: Was ist gut für den Menschen? bestimmt, sondern durch die Frage: Was ist gut für das Wachstum des Systems. Die Schärfe dieses Konflikts versuchte man durch die These zu verschleiern, daß alles, was dem Wachstum des Systems diene, auch das Wohl der Menschen fördere.“ Erich Fromm über den Kapitalismus, Haben oder Sein Eine widersprüchliche Debatte In einer widersprüchlichen Art und Weise ist das Wirtschaftswachstum nach wie vor in aller Munde: Einerseits wird es gerne als heiliger Gral politischen und ökonomischen Handelns betrachtet: Da wäre z.B. die Schwarz-Gelbe Bundesregierung, die als erste Amtshandlung ein „Wachstumsbeschleunigungs-

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gesetz“ verabschiedete; da gibt es die Gewerkschaften sowie ein Großteil der LINKEN, die in der Krise einen Marshall-Plan für verschuldete Länder fordern – dieser soll dann Wirtschaftswachstum, neue Arbeitsplätze und höhere Steuereinnahmen ermöglichen – und da gibt es zudem so neoliberale Wirtschaftsweise wie Lars Feld, die gerne verkünden, dass wir „nur mit Wachstum“ aus der Krise kämen. Andererseits gibt es auch von links bis rechts Kräfte, die genau dieses geforderte Wirtschaftswachstum ablehnen. Da wäre z.B. attac, die im Mai 2011 mit dem 2500 TeilnehmerInnen-Kongress „Jenseits des Wachstums“ versuchten, die in Südeuropa bereits wesentlich präsentere Postwachstumsdebatte nach Deutschland zu holen; da wären so konservative Vordenker wie Meinhard Miegel oder auch so marxistische Ökonomen wie Elmar Altvater. Mit der Enquete-Kommission für alternative

Wohlstandsindikatoren zum Bruttoinlandsprodukt hat es die Wachstumskritik sogar bis in den Bundestag geschafft. Während von der ersten Seite stets die ökonomische Notwendigkeit des Wachstums betont wird, wird von der anderen Seite darauf verwiesen, dass Wirtschaftswachstum stets auch Naturzerstörung und damit die Zerstörung der menschlichen Lebensgrundlagen bedeutet. Da sich die Debatte nicht anhand eines simplen links-rechts Schemas einordnen lässt und folglich auch nicht ganz einfach ist, ist die Bereitschaft das Thema auf die Tagesordnung zu setzen gering. Wachstumskritik scheint, indem es neue Konfliktlinien aufreißen lässt, etwas zu sein, was die Einigkeit linker Kräfte gefährden, schwächen oder gar spalten würde. Die Konfliktlinie verschwindet aber leider nicht, indem man sie


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einfach konsequent leugnet. Spätestens wenn sich die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse zu unseren Gunsten grundlegend verschieben und damit primär linke Konzepte statt linker Kritik gefragt sein werden, werden wir uns mit diesem Thema beschäftigen müssen. Bloß wird es dann zu spät sein diese komplizierte Debatte1 1 Zur Komplexität der Debatte, lässt sich sagen, dass der Postwachstumsdiskurs im Wesentlichen von vier Fragen geprägt wird (vgl. Muraca; Passadakis u.a. 2011: Ausgewachsen! Nachdenken über eine solidarische Postwachstumsökonomie, in: Rätz, Egan-Kreger u.a. (Hrsg.): Ausgewachsen! Ökologische Gerechtigkeit. Soziale Rechte. Gutes Leben): 1. Ist Wirtschaftswachstum wie wir es kennen überhaupt noch technisch möglich? Diese Frage stellt sich insbesondere der sinkenden Wachstumsraten der hochindustrialisierten Länder. 2. Ist Wachstum unter einer globalen Gerechtigkeitsperspektive sowie unter der Perspektive von Gerechtigkeit zwischen Generationen überhaupt noch vertretbar? 3. Ist der Wachstumspfad eigentlich wünschenswert? Ist es tatsächlich noch mit Wohlstandsgewinnen und einem steigenden Lebensstandart verbunden, wenn die Wirtschaft wächst?

konstruktiv zu führen. Unter solche Voraussetzungen wäre dann tatsächlich zu befürchten, dass die Debatte die Linke spaltet. Warum uns das Thema nicht nur als Linke, sondern auch als SDS interessieren sollte Momentan fristen ökologische Debatten innerhalb des SDS bestenfalls ein bedauerliches Nischendasein. Meist finden sie einfach nicht statt. Zu Unrecht – bieten doch Fragen von ökologischer Nachhaltigkeit und Umweltzerstörung vielfältige Anknüpfungsmöglichkeiten für grundlegende Gesellschaftskritik. Gleichzeitig brennen solche Fragen vielen Studierenden unter den Nägeln. Teilweise sogar so sehr, dass sich Genoss_innen wieder vom SDS abgewendet haben, weil im SDS diese Fragen unbehandelt blieben. Als sozialistischer Studierendenverband muss es uns aber darum gehen, die ökol4. Damit verknüpfte Fragen von Macht und Politik. Also wer strukturiert den Diskurs überhaupt und in welcher Art und Weise wird das getan? Wer darf überhaupt mitreden?

ogischen Probleme unserer Zeit nicht einfach nur als Grundlage für eine diffuse Gesellschaftskritik zu verwenden, sondern durch eine lückenlose Argumentation klar machen, dass jedes Erfolg versprechende Bemühen zum Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen, den Bruch mit der kapitalistischen Produktionsweise erfordert. Eine tiefgreifende Wachstumskritik ist hierfür der beste Ansatzpunkt. Die ökologische Krise als Hintergrund der Postwachstumsdebatte Es lassen sich viele Phänomene anführen, warum wir uns heute in einer ökologischen Krise befinden, die längst zum Dauerzustand geworden ist: die Übersäuerung der Meere, das Schmelzen der Polkappen, das Wachsen des Ozonlochs, die wachsende Menge an Atommüll etc. Zentral ist aber der Klimawandel, da er durch seine vielfältigen Folgen am grundlegendsten und am nachhaltigsten die menschlichen Lebensgrundlagen gefährdet. Die wachsende Anzahl an Dürren, Hungerkrisen, Überschwemmungen und Wirbelstürmen, das komplette Verschwinden einzelner Inselstaaten durch

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Anstieg des Meeresspiegels sowie das Aufkommen von Klimakriegen sind alles Phänomene die ursächlich auf den Klimawandel zurückzuführen sind. Die bisherigen Versuche die ökologische Krise zu lösen, zum Beispiel mit dem Kyoto-Protokoll, sind bisher völlig gescheitert: der jährlich Ausstoß von Treibhausgaßen liegt heute 40% über dem von 1990, das lange Zeit hoch gehaltene Ziel den Klimawandel auf zwei Grad zu beschränken, gilt mittlerweile als unrealistisch, da ExpertInnen mittlerweile einen Temperaturanstieg von 3,3 Grad für realistisch erachten. Das Scheitern der bisherigen Bemühungen ist ganz wesentlich auch durch das Wirtschaftswachstum der Schwellenländer erklärbar. Für das Lösen der ökologischen Krise gilt damit dasselbe wie auch für den Sozialismus: Bemühungen in einem Land allein bleiben ein Tropfen auf dem heißen Stein. Kritik des Bruttoinlandprodukts Wirtschaftswachstum meint hier das Wachstum des Bruttinlandprodukts (BIP) und ist nicht einfach gleichzusetzen mit Wohlstandswachstum. Zwar wird das BIP oftmals unkritisch als zentrales Maß für Wohlstand verwendet, womit es zum zentralen Maß für den Erfolg von Wirtschaftspolitik und Politik überhaupt wird. Jedoch wird genau diese Gleichsetzung von Wohlstand und BIP-Höhe von wachstumskritischer Seite kritisiert. Wo diese Kritik herrührt, wird deutlich, wenn man sich das BIP einmal genauer anschaut. Das BIP misst den Wert aller auf dem gehandelten und erbrachten Waren, Güter und Dienstleistungen ge14

messen in Geld. Ausgeschlossen bleibt dabei zunächst der komplette reproduktive Sektor, die komplette, größtenteils weibliche Care-Economy. Die dort erbrachten Dienstleistungen wie das private Erziehen von Kindern, die Pflege von Angehörigen oder auch ehrenamtliches Engagement wird somit als wirtschaftlich irrelevant ausgeblendet und in der Konsequenz gesellschaftlich abgewertet. Doch auch so banale Dinge wie das Putzen der eigenen Wohnung oder das Kochen für Freunde spielt in dieser dominanten Sicht keine Rolle. Völlig zu Unrecht. Denn schließlich hat das Kochen oder Putzen außerhalb eines Erwerbsarbeitsverhältnisses mindestens den selben gesellschaftlichen Wert, wie wenn es innerhalb eines Erwerbsarbeitsverhältnisses ausgeführt wird. Am Ende entsteht das gleiche Produkt, das in dem selben Maße der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse dient. Zweitens gibt es zahlreiche Wohlstandssenkende Phänomene, die zu einer Steigerung des Wirtschafts-/ BIP-Wachstums führen. Da wäre die eingeworfene Fensterscheibe, die ersetzt werden muss und deshalb den Absatz der Ware „Fensterscheibe“ erhöht; da wäre die Explosion eine Ölbohrplattform, welche die Künste mit Öl verseucht, aber dadurch Nachfrage schafft, um die Küste wieder zu säubern und da wären zum Beispiel auch imperialistische Kriege, in denen Raketen und andere Waffen vernichtet werden, welches dann wieder ersetzt werden muss und somit die Waffenproduktion ankurbelt – all das erhöht das Wirtschaftswachstum während es zum Wohlstandswachstum nichts beiträgt. Eine

Wirtschaftspolitik, die ein solches Maß zu ihrem zentralen Leitstern erhebt, ist eine ziemlich verrückte Wirtschaftspolitik. Drittens muss bei einer Kritik des BIP auf das Paradox der Lebenszufriedenheit hingewiesen werden. Dieses weist auf den Umstand hin, dass nach einer einmal stattgefundenen Industrialisierung, in den hochindustrialisierten Staaten trotz gestiegen BIP die Lebenszufriedenheit der Menschen nicht zugenommen hat. In den USA hat sich beispielsweise das Realeinkommen pro Kopf seit den 50er Jahren verdreifacht. Im gleichen Zeitraum ist die Prozentzahl an Menschen, die in Umfragen angaben, glücklich zu sein, jedoch kaum gestiegen. Seit Mitte der 70er Jahre sinkt der Wert sogar wieder. Mit einer solchen Kritik des BIP wird zunächst klar, dass Glücksversprechen des Wachstums zum Scheitern verurteilt ist. Alleine aus der Kritik des BIP drängt sich aber die Frage auf, warum es für zahlreiche Wachstumskritiker nicht bei einer politischen Abkehr vom Wachstum im Sinne einer Verringerung seiner Bedeutung belassen, sondern das Wirtschaftswachstum als ein zentrales Problem sehen, das es aktiv zu bekämpfen gilt? Hierzu muss man sich klar machen, dass Wachstum zunächst die Produktion von mehr Waren bedeutet2. Zur Produktion und ge2 An dieser Stelle wird gerne der Einwand gebracht, dass doch Wirtschaftswachstum auch ein Wachstum des Dienstleistungssektors bedeuten könne. De facto liegen die Wachstumspotentiale des Dienstleistungssektor jedoch gerade einmal bei 1%. Wachstum ist damit nach wie vor primär materieller Natur. (vgl. Michael Dauderstädt, 2012: Wachstum durch Ausbau sozialer Dienstleistungen; Friedrich-Ebert Stiftung – http://library.


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sellschaftlichen Verteilung dieser Waren wird Energie benötigt, welche mehrheitlich über fossile Energieträger gewonnen wird. Diese fossilen Energieträger emittieren wiederum Treibhausgaße, die schließlich die Aufheizung des Klimas bewirken. Diese Kausalkette von Wirtschaftswachstum zum Klimawandel ist neben zahlreichen negativen historischen Erfahrungen mit dem Wirtschaftswachstum die zentrale Quelle der ökologisch motivierten Wachstumskritik. Brauchen wir Wirtschaftswachstum zur Schaffung von Arbeitplätzen? Eine der am häufigsten gehörten Argumente gegen die Wachstumskritik wird gerne von gewerkschaftsnaher Seite vorgetragen: Wachstum schafft Arbeitsplätze. Dies wird gerne mit Ausführungen verknüpft, dass Arbeit in modernen Arbeitsgesellschaften zentrale Quelle von Lebenssinn ist. Wer nicht arbeitet fühlt sich schnell vom gesellschaftlichen Geschehen ausgegrenzt, steht unter Stress und hat ein erhöhtes Risiko an einer Depression zu erkranken. Zudem wird der eigene Wert als Person – man mag das finden wie man will, es ist nun mal empirisch erwiesen – in modernen Gesellschaften wesentlich an die Ausführung einer Erwerbsarbeit geknüpft. Zur Arbeit als Wert an sich in der heutigen Gesellschaft ließen sich noch zahlreiche weitere Argumente finden. Der Wert, den die Arbeit heute noch hat, lässt sich leider nicht wegdiskutieren. Dass wir deshalb am Wirtschaftswachstum nicht

vorbei kommen, ist dennoch ein Trugschluss. Denn neben Wirtschaftswachstum wäre es uns auch möglich durch eine Neuverteilung von Arbeit. Wenn wir die durchschnittliche Wochenarbeitszeit auf zunächst auf 30 Stunden und danach parallel zu den Produktivitätssteigerungen sukzessive weiter senken, dann können wir auf Wachstum verzichten, ohne dass die Menge an Arbeitsplätzen abnimmt. Neben der Senkung der Wochenarbeitszeit gibt es natürlich noch weitere Möglichkeiten die Reduktion der individuellen Erwerbsarbeitszeit, z.B. das Sabbatical, die 4-Tage Woche oder die Ausweitung von Urlaubstagen. Ein solidarisch gestalteter Abschied vom Wirtschaftswachstum müsste folglich stets auch mit einer Reduktion der individuellen Erwerbsar-

beitszeit verbunden sein. Gelingt dies, so wäre eine Postwachstumsbewegung nicht nur eine Bewegung zum Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen, sondern auch für Zeitwohlstand und damit für soziales Miteinander jenseits von Verwertungs- und Machtverhältnissen. Mit Marx gesprochen wäre es eine Bewegung zur Ausweitung des „Reichs der Freiheit“ jenseits des „Reichs der Notwendigkeit“. Was unter dem „Reich der Freiheit“ zu verstehen ist, hat Marx selbst in äußert prägnanter Form in den Grundrissen der politischen Ökonomie erläutert: „Das Reich der Freiheit beginnt in der Tat erst da, wo das Arbeiten, das durch Not und äußere Zweckmäßigkeit bestimmt ist, aufhört; es liegt also der Natur der Sache nach jenseits der Sphäre der eigentlichen materiellen Produktion. [...] Jenseits desselben beginnt die menschliche Kraftentwicklung, die sich als Selbstzweck gilt, das wahre Reich der Freiheit, das aber nur auf jenem Reich der Notwendigkeit als seiner Basis aufblühn kann. Die Verkürzung des Arbeitstags ist die Grundbedingung.“ Zu diesem Artikel wird es in der kommenden Praxis eine Fortsetzung geben. Unter dem Titel „Wachstumskritik trifft Kapitalismusanalyse“, soll erläutert werden, welche Lehren über das derzeitige Entwicklungsstadium des Kapitalismus aus der Verbindung von Wachstumskritik und Marxismus gezogen werden können.

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Der BAK Stadtpolitik stellt sich vor Auf dem X. Bundeskongress von Die Linke.SDS wurde die Gründung des Bundesarbeitskreises „Stadtpolitik“ beschlossen. Warum Stadtpolitik? Warum im SDS? Die Privatisierung öffentlichen Wohneigentums und die damit verbundenen ungebremsten Mietsteigerungen führt zu einer Verstärkung sozialer Segregation, die sich geographisch ausdrückt. Dabei verschärft die steigende Anzahl an Studierenden und die „Flexibilisierung“ des Studiums durch die Bologna-“Reformen“ die Situation. Durch die Verkürzung des „Lebensabschnitts Studium“ erhöht sich die Frequenz der Mieterhöhungsrunden. Gleichsam folgt aus der immer unzureichender werdenden öffentlichen Finanzierung des Studiums eine weitere „Prekarisierung“ von Studierenden. Diese werden dabei, im wahrsten Sinne des Wortes, an die städtische Peripherie verdrängt und dabei einer sozialen und kulturellen Teilhabe am Leben beraubt. Die gegenwärtige Situation lässt sich somit als soziales Problem mit speziellem Zugang durch die Studierenden, aber einer hohen Anschlussfähigkeit zu Subalternen charakterisieren. Sozial schwache Gruppen wie Rentner_innen, Auszubildende u.a. leiden gleichermaßen unter steigenden Mieten und fehlenden Wohnraum in der Innenstadt. Bundesweite Forderungen nach dem Ausbau der Bereitstellung von studentischem Wohnraum und Sozialwohnungen und die 16

Einführung einer sozialen Stadtpolitik mit Miethöchstpreisen werden immer notwendiger. Auch die Forderung nach selbst gestaltund verwaltbaren Räumen sowie einem sozialen und ökologischen Umbau der Städte lässt sich so bundesweit formulieren und durch theoretische Arbeit unterstützen. Regionale und lokale Besonderheiten sowie verschiedene demographische Entwicklungen (z.B. Ost-West) erlauben dabei zwar eine übergreifende Analyse, machen aber lokale/ regionale Kampagnenmaterialien nötig. So unterscheiden sich z.B. Großstädte massiv von kleinen Universitätsstädten, sei es in Bezug auf Leerstand oder unterschiedliche Aspekte von Gentrifizierung. Auch die Situation in den Studentenwerken gilt es zu beachten und kritisch zu begleiten, wo sich diese ebenfalls als Akteur von Wohnraumverteuerungsprozessen zeigen. Der BAK Stadtpolitik soll aus dieser Kurzanalyse heraus also eine langfristige Perspektive bieten, sich im SDS mit dem Recht auf Stadt auseinanderzusetzen, Forderungen zu erarbeiten, Material zu erstellen sowie unterstützend in den Hochschulgruppen zu wirken. Die Arbeit des BAK hat dabei explizit nicht den Anspruch allein kurzfristige Kampagnen zu organisieren, sondern soll auf lange Sicht unser Wissen auf dem Gebiet der Stadtpolitik erweitern und auch bislang vernachlässigte Bereiche der Theoriebildung und gegenwärtige Veränderungsprozesse erfassen.

Trotzdem soll auch ein Fokus auf die aktive Bündnisarbeit gelegt werden. In vielen deutschen Städten haben sich bereits Mietenbündnisse gebildet, die ihren Arbeitsschwerpunkt vor allem auf die lokale Ebene gelegt haben. Diese Bündnisse sollen in ihrer bundesweiten Bedeutung erfasst werden, ihre regionalen und lokalen Besonderheiten dabei allerdings berücksichtigt werden. Bis zur Veröffentlichung dieser Ausgabe der praxis. hat der BAK Stadtpolitik bereits einen Reader mit Texten für Einsteiger_innen und Fortgeschrittene und einen Referent_innenpool für die Unterstützung der Basisgruppen bei der Organisation zu Veranstaltungen an der Hochschule erstellt. Das große Projekt für das kommende Wintersemester ist die Planung und Organisation einer Kampagne zum studentischen Wohnen. Dabei sollen bundesweite wie lokale Bündnispartner_innen eingebunden und Forderungen für ausreichend bezahlbaren Wohnraum für Studierende formuliert werden. Die LINKE.SDS Hochschulgruppen können so an ein immer wichtigeres linkes Thema anknüpfen und Teil der Bewegungen werden.

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Bericht zur Gründung des BAK Nahost

Der Bundesarbeitskreis Nahost gründete sich offiziell am 15. März 2013 in Leipzig. Wir wollen uns mit dem geläufig als Nahostkonflikt bezeichneten kolonialen Konflikt zwischen Israel und den Palästinenser_innen offen und kritisch beschäftigen. Seit der systematischen Vertreibung eines Großteils der palästinensischen Bevölkerung 1948, von den Palästinenser_innen als Nakba („Katastrophe“) bezeichnet, dauert die ethnische Säuberung Palästinas (Ilan Pappé) von der palästinensischen Bevölkerung und die fortschreitende Kolonisierung des Landes weiterhin an. Den Flüchtlingen von 1948 wird bis heute ihr völkerrechtlich verbrieftes Recht auf Rückkehr (UN-Res. 194) verwehrt. Die militärische Besatzung und die damit einhergehenden ethnischen Säuberungen und die fortschreitende Kolonisierung des Landes durch den Bau und Ausbau jüdischer Siedlungen, haben mit der völkerrechtswidrigen Besatzung (UN-Res. 242) des Westjordanlandes und des Gazastreifens ein noch viel größeres Ausmaß angenommen. Diejenigen Palästinenser_innen und deren Nachkommen, die 1948 nicht vertrieben wurden und innerhalb der international anerkannten israelischen Grenzen von vor 1967 leben (heute ca. 1,4 Millionen), besitzen zwar die israelische Staatsangehörigkeit,

sind jedoch aufgrund der rechtlichen Trennung von ethnisch definierter Nationalität - an der die Bürgerrechte geknüpft sind - und Staatsangehörigkeit im jüdischen Staate strukturell diskriminiert und genießen nicht die gleichen Bürgerrechte wie die jüdisch-israelische Mehrheitsbevölkerung. In den öffentlichen Institutionen und gesetzgebenden Organen sind sie trotz Wahlrecht kaum vertreten und haben keinerlei Partizipation. Palästinenser_innen, die im 1967 von Israel besetzten und annektierten Gebieten einschließlich Ostjerusalems leben, haben zumeist keine israelische Staatsangehörigkeit und somit keinerlei Bürgerrechte. Die in Ostjerusalem lebenden Palästinenser werden lediglich als „Ständige Bewohner“ geduldet (sofern sie bestimmte Meldefristen einhalten) und sind jederzeit von Enteignung und Zerstörung ihrer Wohnhäuser durch die israelische Stadtverwaltung Jerusalems zum Zwecke des Ausbaus jüdischer Siedlungen bedroht. Die Palästinenser_Innen im Westjordanland und Gaza dagegen unterstehen dem israelischen Militärrecht, das ihnen grundlegende und universelle Menschenrechte versagt. Die völkerrechtlich illegalen vom israelischen Staat forcierten Siedlungen im Westjordanland überziehen das besetzte Gebiet auf eine Weise, dass weite Teile des Westjordanlandes praktisch dem israelischen Staatsgebiet einverleibt werden. Die bypass-Autobahnen, die nur

von Israelis befahren werden dürfen, durchtrennen das Westjordanland, und machen mit Hilfe von Checkpoints auf der einen Seite den Palästinenser_innen die Bewegungsfreiheit innerhalb des besetzen Gebietes nahegehend unmöglich und auf der anderen Seite verbinden sie einzelne Siedlungen zu zusammenhängenden Netzwerken, bis hin zu den Siedlungsblöcken von Ariel, Ostjerusalem und Gusch Etzion. Die vom Internationalen Gerichtshof für illegal erklärte Mauer, befindet sich zum größten Teil auf besetztem Gebiet und dient damit der weiteren Annektion palästinensischen Landes. Tatsächlich beruht der genaue Verlauf der Mauer nicht auf Sicherheitserwägungen sondern hat ausschließlich den Zweck der Landnahme. Palästinensische Dörfer werden dadurch von ihrem Land abgeschnitten; der auf der anderen Seite der Mauer ansässigen Bevölkerung, die traditionell von der Landwirtschaft lebt, wird auf diese Weise ihre Subsistenz entzogen. Die ethnische Säuberung Palästinas, die 1948 begann, wird fortgeführt. Die militärisch abgegrenzten „Inseln“, in denen die besetze Bevölkerung leben darf, werden dabei immer kleiner und überfüllter. Die UN-Vollversammlung hatte im Hinblick auf Südafrika im November 1973 Apartheid definiert als „unmenschliche Handlung 17


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zum Zweck der Errichtung und Erhaltung der Herrschaft einer ethnisch definierten Gruppe von Menschen über eine andere ethnische Gruppe, die diese systematisch unterdrückt.“ Dieser Definition der UN schließt sich der BAK Nahost an: Wir betrachten den Konflikt zwischen Israel und den Palästinenser_innen als einen kolonialen Konflikt zwischen einem Apartheidsstaat und seinen kolonialen Subjekten. Aus unserem politischen Verständnis lässt sich ableiten, dass kein Konflikt in der menschlichen Geschichte dank der Gutmütigkeit des Aggressors oder des Stärkeren gelöst werden konnte. Als Konsequenz aus den gegebenen Machtstrukturen können Friedensverhandlungen zwischen beiden Parteien - die bereits seit 24 Jahren immer wieder angegangen werden - nicht zu einem gleichberechtigten Frieden führen. Im Gegenteil: Sie dienen nur dem Hinhalten der internationalen Staatengemeinschaft. Das Ungleichgewicht zeigt sich auch und besonders auf wirtschaftlicher Ebene. Während Israel weltweit eine der stärksten Ökonomien darstellt, ist “Palästina” eine der am wenigsten entwickelten weltweit und zudem in die israelische eingegliedert. Israel ist seit 2010 Mitglied der OECD und hat eine starke, global vernetzte Wirtschaft, die sehr eng mit dem europäischen Wirtschaftsraum verflochten ist und innerhalb der EU besondere Privilegien genießt. Die Unterdrückung der Palästinenser_innen vollzieht sich also nicht lediglich als eine Tragödie und ohne “unser” Zutun irgendwo im Nahen Osten. Das Apartheidssystem Israels funktioniert nur mit Unterstützung der internationalen Staaten- und 18

Wirtschaftsgemeinschaft. Wir müssen deshalb hier vor Ort aktiv werden und anfangen auch in unserem Land dafür einzutreten, dass die staatsoffizielle Räson der Unterstützung der Apartheidspolitik endlich beendet wird. Menschenrechte gelten universell und müssen auch konsequent eingefordert werden, endlich auch von der Linken in Deutschland! Von der deutschen Bundesregierung fordern wir den sofortigen Stopp jeglicher Waffenlieferungen an Israel, um weitere völkerrechtswidrige Kriege, die u.a. mit Hilfe deutscher Waffen geführt werden zu unterbinden. Wir sehen unsere Aufgabe darin, den Druck auf die Regierung und Vertreter_innen der Wirtschaft in Deutschland gemeinsam mit anderen Kräften zu erhöhen und die Öffentlichkeit über die Lage der Palästinenser im Nahen Osten aufzuklären und zu sensibilisieren. Wir schreiben den Menschen in Israel und Palästina nicht vor, auf welchem Wege sie für einen echten Frieden kämpfen sollen. Aber vor dem Hintergrund des Bewusstseins der internationalen - und auch deutschen - Unterstützung für die strukturelle Unterdrückung von Teilen der Bevölkerung in Israel und Palästina, wollen wir dazu beitragen, dass der Nahostkonflikt nicht weiter als ein von der Politik unseres und anderer Staaten unabhängiger regionaler Konflikt betrachtet wird. Wir halten deswegen den Stopp der wirtschaftlichen und militärischen Unterstützung eines Apartheidsregimes für eine legitime, friedliche Methode, den israelischen Staat zur Ratifizierung

internationalen Rechts zu bewegen und für einen Beitrag das Ende der Apartheid in Israel/“Palästina“ einzuleiten. Wir sind uns der Brisanz dieser Positionierung im europäischen und deutschen Hegemonialdiskurs bewusst, denn dies ging den Gegner_innen der südafrikanischen Apartheid in den 80er und 90er Jahren auch nicht anders. In diesem Zusammenhang sei darauf hingeweisen, dass auch die Rosa Luxemburg Stiftung in Ramallah eine ausführliche Publikation zur BDS -Kampagne veröffentlicht hat http://www.rosalux.de/fileadmin/ rls_uploads/pdfs/Standpunkte/ Standpunkte_international/RLS_ PAL_newsletter_07_10.pdf Der BAK Nahost hält einen konkreten Beschluss über eine zukünftige Staatenlösung für wenig förderlich, da sie die sozio-ökonomischen Realitäten in Israel/“Palästina“ ausblendet, die jedoch das Fundament für eine emanzipatorische Kritik der politischen Ökonomie des Besatzungs- und Apartheidsystems bilden. Wir begreifen es vielmehr als Aufgabe der Menschen vor Ort sich in dieser Frage zu positionieren. Dies bedeutet nicht, dass Diskussionen um mögliche Lösungsansätze in der Staatenfrage nicht geführt werden sollten. Das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser_innen über eine zukünftige Staatenlösung in demokratischen Prozessen mitzuentscheiden, ist jedoch in jedem Fall zu garantieren. Das Ziel des BAK Nahost ist die Sensibilisierung der deutschen Gesellschaft für die tatsächliche Situation in Israel/“Palästina“ aber auch und insbesondere der


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Versuch innerhalb der politischen Linken, konkret im SDS und in der Partei DIE LINKE für eine Öffnung gegenüber der Thematik und mögliche Lösungsansätze zu streiten. Damit beabsichtigen wir keine Spaltung und wollen durch unsere Arbeit im BAK dem sozialistischen Verband nicht schaden, sondern ihn dazu bewegen, sich verstärkt mit dem Thema kritisch und sachlich zu beschäftigen, die Verantwortung der Bundesregierung einzufordern, durch eine sachliche Auseinandersetzung den deutschen hegemonialen Diskurs kritisch zu hinterfragen und die Einstellung, eine Positionierung zum Nahost-Konflikt sei aus taktischen politischen Gründen zu vermeiden, schließlich zu überwinden. Aus dem Selbstverständnis des SDS heraus, der sich um die Gleichstellung von Männern und Frauen sowie von Menschen mit unterschiedlichen sexuellen Orientierungen, unterschiedlicher Hautfarbe, Herkunft und Religion in unserer Gesellschaft sowie den Kampf gegen jede Form von Ausgrenzung und Diskriminierung aller Art, egal wo diese geschieht, zum Ziel setzt, leiten wir die Notwendigkeit ab, auch zu einem Konflikt, der seit 65 Jahren nicht zuletzt infolge der Unterstützung Israels durch das imperialistische Staatenbündnis weiter besteht, Stellung beziehen zu müssen.

stream über den Nahostkonflikt, die Reduktion eines kolonialen Konflikts auf einen zwischen zwei Ethnien mit einem vermeintlich gleichen Kräfteverhältnis, steht nicht nur im Widerspruch zu einer materialistischen Gesellschaftskritik- und veränderung, sondern bleibt hinter dem Selbstverständnis des SDS.DIE LINKE als ein progressiver und emanzipatorischer sozialistisch-demokratischer Studierendenverband zurück. BAK-Nahost

Wir laden alle Interessierten im Verband dazu ein, sich sachlich und inhaltlich mit unserer Position auszutauschen und diese intensiv zu diskutieren. Die Angst davor, dass eine Stellungnahme nicht mehrheitsfähig sei, ist hier fehl am Platz. Die gesellschaftliche Main19


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Proto-Sexistische Denkmuster abbauen? Get organized! Eine Antwort auf den Artikel „Proto-Sexistische Dekmuster abbauen“ von Alex aus Heidelberg in der letzten Ausgabe der praxis. Claudia Sprengel (Greifswald) und Kerstin Wolter (Berlin)

Dieser Artikel ist als Antwort auf den in der letzten Ausgabe der praxis. erschienenen Bericht „Proto-Sexistische Denkmuster abbauen“ von Alex aus Heidelberg. Wir wollen im Folgenden auf die Kritik eingehen, die am Verhalten einiger Genoss_innen geäußert wurde, als auch eigene Argumente und Standpunkte in die Debatte einbringen. Zu aller erst ist aber zu sagen, dass wir die Kritik ernst nehmen und es für eine berechtigte und wichtige Debatte halten über die Geschehnisse der letzten Bundeskongresse zu reflektieren, um auf eine verbesserte Praxis auf kommenden Veranstaltungen hinzuarbeiten. Der Artikel von Alex spricht zwei Hauptkritikpunkte an. Zum einen der emotionalisierte Umgang mit genderspezifischen bzw. feministischen Anträgen. Zum anderen die Moralisierung, die mit der Verteidigung solcher Debatten einhergeht. Beides soll hier aufgenommen und hinterfragt werden. Auf den letzten Bundeskongressen von Die Linke.SDS ist es immer wieder zu emotionalen, moralisierenden Auseinandersetzungen innerhalb politischer Debatten gekommen. Beispiele dafür sind die Auseinandersetzungen, um die Praxis der Strömung Marx21, die unseren Verband lange geprägt hat, die Unterstützung von Solidaritätsrerklärungen mit der palästinensischen Bevölkerung oder um die Einbringung von Anträgen, den 20

Feminismus im Verband zu stärken. Emotionen als Machtinstrument Auf der einen Seite kann emotional aufgeladenes Argumentieren dazu führen, den Gegenüber zu entwaffnen. Denn wie kann man gegenüber Aggressionen oder Trauer schon argumentativ ankommen? Damit ist emotionales Agieren auch immer Machtinstrument. Emotionen jedoch pauschal als Mittel zur Erwirkung einer nötigen Stimmenmehrheit zu bezeichnen, sehen wir als ungerechtfertigt an und kann wiederum dazu beitragen eine Debatte abzubrechen oder auch nicht ernst zu nehmen. Wie Alex selbst einräumt sind Gefühle nachvollziehbar und oftmals kann man damit nur schwer zurückhalten. Dies ist nicht zwangsläufig instrumentell zu betrachten, doch möchten auch wir nicht verneinen, dass dies in Debatten auf den letzten BuKos vorgekommen ist. Auf der anderen Seite sollten wir uns fragen, warum Emotionen ganz ohne manipulative Absichten zu Tage treten. Warum fühlen sich einige Genoss_innen (v.a. Frauen) bei genderpolitischen oder feministischen Debatten im großen Plenum unwohl und reagieren dann scheinbar unangemessen emotional? Eine emotionale Reaktion ist nichts was aus dem luftleeren Raum entsteht, sondern ist immer

in einem Handlungszusammenhang zu betrachten. Dieser wurde in dem Artikel von Alex jedoch leider völlig außen vor gelassen. So würden wir behaupten, dass Zeitdruck sowie dominantes oder aggressives Redeverhalten oftmals der Auslöser einer derartigen Gegenreaktion sind. Alex fordert Solidarität ein und das tun wir nicht minder. Solidarität heißt aber nicht von anderen zu verlangen ihre/seine Gefühle zu unterdrücken, sondern dafür zu sorgen, dass sich die Menschen wohl fühlen und das eine aufgeladene Situation möglichst nicht weiter hochkocht. Zu sagen „ich fühle mich grade ...“ ist daher eher konstruktiv denn manipulativ. Es bedeutet nicht, dass man dann keine sachlichen Argumente mehr bringen kann, sondern nur, dass sie oder er darauf hinweist, dass sie/ ihn bestimmte Verhaltensweisen anderer Genoss_innen stören oder gar verletzen. Wir wünschen uns einen Verband in dem jede und jeder sich frei entfalten kann ohne Angst haben zu müssen für ihre/seine Handlungen stigmatisiert zu werden. Solange dies nicht der Fall ist, brauchen wir Strukturen, die Ursachen dafür zu verändern und die Auswirkungen zu behandeln. Ein Awareness-Team, wie wir es in einem Antrag zum XII. BuKo einfordern, ist, unser Ansicht nach, ein gutes Instrument um sich aus einer Drucksituation herauszunehmen und je-


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manden vor Ort zu haben, die oder der mit einem das Gespräch sucht und möglicherweise bei weiteren Schritten unterstützt.

nis bereits soziokulturell geprägt ist, stehen sich Frauen und Männer (noch) nicht gleichberechtigt gegenüber.

Mehr Männer für den Feminismus

2. Viele Männer fühlen sich in feministischen Debatten unsicher. Fragen wie „Darf ich mich als Mann überhaupt kritisch in die Debatte einbringen?“ oder überhaupt „Was ist ok, was ist falsch?“ schießen vielen Männern durch den Kopf. Das führt schnell zu Frustration und dazu, den Feminismus doch lieber den Frauen zu überlassen, denn die wüssten ja eh viel besser, wie sie sich selbst emanzipieren können. Doch hey: ist es denn so schlimm, sich auch mal unsicher zu fühlen? Wie oft fühlen sich Frauen in Diskussionen unsicher, weil ihre männlichen Genossen sich gerade wie konkurrierende Gorillas um das Thema Syrien, Nahost oder Fiskalpakt streiten? Etwas zum Thema beizusteuern hätten sie viel Lust, sich ähnlich zu gebärden nicht. Jede und jeder sollte an der feministischen Debatte im Verband und in der Gesellschaft partizipieren, darin stimmen wir mit Alex über ein.

Die Kritik an der geringen Beteiligung von Männern an feministischen Debatten beschäftigt uns auch, jedoch konnten wir erfreulicherweise auf den letzten Veranstaltungen diesbezüglich eine steigende Tendenz feststellen. Doch warum ist es so, dass Männer sich tendenziell weniger mit Feminismus beschäftigen als Frauen? Zentral sind für uns dabei drei Ursachen: 1. Die Motivation, an den gegenwärtigen Strukturen etwas zu verändern, erwächst eher, wenn man selbst unter ihnen leidet. Nun ist es leider so, dass unsere heteronormative1, patriarchale2 und sexistische Gesellschaft (heterosexuelle) Männer begünstigt und Frauen benachteiligt. Damit wollen wir Männer nicht per se als Täter verurteilen. Wir wollen jedoch deutlich machen, dass wir uns in unserer aktuellen Gesellschaft nicht einfach als Menschen gegenübertreten, sondern immer als Frauen und Männer3. Und da dieses Verhält1 Heteronormativ bedeutet, dass Heterosexualität als normativ, also der Norm entsprechend gilt und dementsprechend Homosexualität als „nicht normal“ diskriminiert wird. 2 Wir beziehen uns hier auf einen kritischen Patriarchatsbegriff, der davon ausgeht, dass die umfassende gesellschaftliche Dominanz von Männern gegenüber Frauen sowohl soziokulturelle als auch ökonomische Ursachen hat; jedoch Männer nicht allein für diesen Zustand verantwortlich macht. 3 Wir beziehen uns an dieser

3. Last but not least gibt es leider auch im SDS Frauen und Männer, die Frauenunterdrückung und Geschlechterfragen als Nebenwiderspruch abtun und diese hinter „den wirklich wichtigen Stuff“ wie Handlungsfähigkeit in Zeiten von Widerstand und Weltrevolution zurückstellen. Dass Frauenunterdrückung elementarer Bestandteil Stelle auf die gelesenen Geschlechter und wollen die Existenz verschiedenster Geschlechter nicht negieren. Zudem gehen wir davon aus, dass wir uns auch als Menschen verschiedener Klassen und Ethnien gegenüber.

von Patriarchat und Kapitalismus ist und sich nicht einfach weg“bewegen“ lässt, scheint einigen Genoss_innen leider nicht klarzuwerden. Und dass es oft gerade diese Genoss_innen sind, die die Emotionen in feministischen Debatten zum Kochen bringen, sodass selbst konstruktive Vorschläge von Männern kein Gehör mehr finden, sollte dazu führen, jene Reaktionen zu verurteilen, denn die Emotionen der Antragssteller_innen. Die Moralkeule Dass den Genoss_innen Moralisierung vorgeworfen wurde, ist ein Mittel, das schon oft angwendet worden ist. Abgesehen davon, dass eine vollkommen unmoralische Diskussion unserer Meinung nach auch ihr Ziel verfehlt, ist die Frage aber an dieser Stelle, wie unberechtigt eine solche ist. Wenn wir in einem Verband mit einem bestimmten Selbstverständnis agieren, ist anzunehmen, dass grundsätzliche Gemeinsamkeiten aller Mitglieder in ihrer Meinung vorhanden sind. Gehen bei einer Debatte oder innerhalb der Verbandsarbeit die Vorstellungen sehr weit auseinander, ist dies oft verwirrend für die einzelnen Mitglieder und zeigt, dass keine Klarheit über die Annahme herrscht ein „feministischer Verband zu sein“. Anstatt sich aber zu spalten und den Diskurs zu vermeiden, sollte lieber eben jener gesucht werden. Darin stimmen wir mit dem vorherigen Artikel durchaus überein. Allerdings sollte auch nicht versucht werden, jeder Ansicht gerecht zu werden und somit ein klares Profil zu verlieren. Wenn wir uns als ein feministischen Verband bezeichnen, sollten wir auch nach innen 21


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und außen darauf hinwirken, eine Gesellschaft zu erreichen, die eine Benachteiligung auf Grund von Geschlecht ausschließt. Wie dieser Weg zu bestreiten ist, darüber können wir diskutieren, aber nicht über das ob! Nun fordern wir, dass sich Frauen und Männer gleichsam dem Feminismus widmen, nennen aber nur Gründe, warum es (noch) nicht so weit ist. Wie kommen wir also zu einer gemeinsamen Arbeit hin zu einem feministischen Verband und ferner zu einer feministischen Gesellschaft, wenn sich doch so viele dagegen sträuben? Die Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern kann eben nur erreicht werden, wenn Männer auf gewisse Privilegien verzichten. Doch Verzicht ist selten reizvoll und deren Durchsetzung wiederum eine Frage von Macht. Und die liegt mo-

mentan leider noch in den Händen jener “Alphamännchen”, die die Ausrichtung und Arbeit unseres Verbandes dominieren. Wenn man also eine andere politische Praxis will, muss man selbst die Macht übernehmen. Und das geht nur, indem man sich organisiert und Mehrheiten für seine Anliegen schafft. Langfristig muss das Ziel jedoch auch sein, diese Macht wieder abzugeben Die Organisierung von Frauen und engagierten Männern ist notwendig, um im SDS und der Gesellschaft eine Mehrheit für feminis-

tische Anliegen zu erreichen und die Gesellschaft nachhaltig in einem feministischen Sinne zu verändern. Ergo: Let’s get organized. Und zwar feministisch!


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Eine Klasse für sich Maggie Thatchers langer Schatten Sophie Dieckmann, Leipzig

Owen Jones ist ein Phänomen. Der Daily Telegraph wählte ihn 2011 unter die 100 einflußreichsten Linken des Jahres. Der Independent on Sunday kürte ihn zu einem der 50 wichtigsten Briten 2011 für seine Leistung, die Klassenfrage wieder auf die Tagesordnung gebracht zu haben. Das nicht gerade als linksliberal verschriene Männermagazin GQ setzte ihn auf Platz 21 der einflußreichsten Männer Großbritanniens 2013 – 8 Plätze vor Labour-Chef Ed Miliband und 12 Plätze vor Prinz William. Mit seinen jugendlichen 29 Jahren, seiner linken Biographie, seinem leidenschaftlichen Einsatz gegen neoliberale Umverteilung und nicht mehr als einem bisher veröffentlichten Buch wirkt er deplaziert zwischen all den Eliten aus Politik und Wirtschaft. Wer ist der junge Mann, der kometenhaft in den Medienhimmel, der sonst nur von den Reichen und Mächtigen bevölkert wird, aufgestiegen ist? Aus einer Mittelklassefamilie nahe der früheren Arbeiterstadt Manchester stammend arbeitete Jones schon früh als wissenschaftlicher Mitarbeiter für Abgeordnete der Labour-Party und als Gewerkschaftslobbyist. Nach einem Geschichtsstudium begann er als Journalist für diverse Zeitungen, wie Guardian oder Independent, in denen er als Anwalt der kleinen Leute New Labour und die Tories angriff. Doch während normalerweise derartige Biographien recht

schnell in einer linken Nische abseits des Mainstreams verschwinden, kam bei Owen Jones alles ganz anders. 2011 veröffentlichte der damals 27-jährige das bestverkaufte politische Buch des Jahres: Chavs, zu deutsch Prolls – Die Dämonisierung der Arbeiterklasse. Das Buch traf den Nerv der Zeit und wurde ein Politikum, das breit rezipiert und diskutiert wurde, und Jones ist seitdem Dauergast in britischen Politsendungen. Dem mitreißenden Buch, das nun auch in deutscher Übersetzung im Mainzer Verlag André Thiele (VAT) erschien, ist es zu verdanken, daß die Klassenfrage, die seit Jahrzehnten verschwunden war, aus dem britischen Mainstream wieder auf die Tagesordnung kam. Aufhänger des Buches ist ein harmloses Treffen unter Freunden. Junge, gebildete Linksliberale verschiedener Hautfarben und Geschlechter, die gemeinsam zu abend essen und sich angeregt unterhalten. Einer der Anwesenden macht einen Scherz. „Ist doch schlimm, daß Woolworth zumacht. Wo kaufen jetzt die ganzen Prolls ihre Weihnachtsgeschenke?“ Alle lachen. Doch für Owen Jones ist es Anlaß zur Frage, weshalb für seine Freunde, die nie über einen rassistischen oder sexistischen Witz lachen würden, die „Prolls“, die „Unterschicht“, die britische Arbeiterklasse das Ziel von so unverhohlenem Hohn und kaum verschleierter Verachtung werden

konnte. Für die Beantwortung dieser Frage holt er weit aus. Während noch in den 70er Jahren die Arbeiterklasse eine stolze Kraft in Großbritannien war, mit ihren Hochburgen in den Industriegebieten, im Bergbau und in den Hafenstädten, die eine Streikkraft besaß, die Betriebsleitungen regelmäßig zu saftigen Lohnerhöhungen zwang, ist davon kaum noch etwas übrig geblieben. Den Anfang vom Ende der stolzen Arbeiterklasse verortet er 1979, als eine Mittelschichtfrau und Unternehmergattin aus Grantham ins mächtigste Amt des Landes gewählt wurde. Die Ära Margaret Thatcher begann und wurde zu einer der düstersten in der Geschichte der Arbeiterbewegung. Von Anfang an umgab sie sich mit den Eliten des Landes: 88% der Minister in ihrem ersten Kabinett kamen von Privatschulen, 71% waren Unternehmensgeschäftsführer, 14% Großgrundbesitzer. Die Mutter aller Neoliberalen organisierte einen Kampfzug gegen das gesamte produzierende Gewerbe des Landes und entsorgte nebenbei das Selbstbewußtsein der Arbeiterklasse gleich mit. Den Anfang machte 1980 die Entlassung Tausender Stahlarbeiter, die sich nach einer 13-wöchigen Streikschlacht geschlagen geben mußten. 1984 versuchten 6000 Bergleute in Orgreave ihre Kokerei zu besetzen, nachdem die Schließung unzähliger profitabler Zechen verkündet 23


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wurde. Nach einem vollen Jahr Kampf mußten die Bergarbeiter schließlich aufgeben und Tausende verloren ihre Arbeit. Nach nur 5 Jahren Thatcher-Regierung war ein Drittel der britischen Industriearbeitsplätze verschwunden. Die Arbeitslosigkeit erreichte die Rekordmarke von 4 Millionen. Am Ende ihrer Regierungszeit war nur noch jeder dritte Arbeiter gewerkschaftlich organisiert. In zähen Abwehrkämpfen versuchten die Berg-, Industrie- und Hafenarbeiter zu retten, was zu retten war, doch vergebens: bereits in den 90ern waren die einst so mächtigen Industriezentren, die England zum Mutterland des Kapitalismus gemacht hatten, zu Geisterstädten verkommen und eine ganze gesellschaftliche Klasse wurde ins Elend gestürzt. Den Todesstoß versetzte ausgerechnet die Labour Party der Arbeiterklasse. Mit New Labour unter Blair wurde das neoliberale Umverteilungsprogramm zugunsten der Oberschicht noch einmal radikalisiert, und die einstigen Arbeiterführer erwiesen sich als die größten Verräter der Arbeiterklasse. 2008 verdienten Top-Manager wahnwitzige 94-mal soviel wie ein durchschnittlicher Beschäftigter. Der unteren Hälfte der Bevölkerung gehören heute lächerliche 6% des Volksvermögens. Nicht umsonst konstatierte Thatcher stolz auf die Frage nach ihrem größten Erfolg: „Tony Blair und New Labour. Wir haben unsere Gegner gezwungen, ihren Kurs zu verändern.“ [Prolls S.282] All dies zeichnet Owen Jones eindringlich und mit ergreifender Parteinahme für die entwurzelte 24

Arbeitklasse nach. Doch das Buch hätte nicht so eine Wirkung entfaltet, wäre er bei dem längst bekannten – dem brutalen Sozialabbau unter Thatcher und New Labour – stehengeblieben. Denn der Krieg gegen die Arbeiter fand auch auf einem anderen, weit subtileren Terrain statt: dem geistigen. Ein besonders perfides Mittel der Oberschicht ist es, die Spaltung der Gesellschaft in privilegierte und benachteiligte Klassen zu leugnen. Thatcher schrieb: „Die ‘Klasse’ ist ein kommunistisches Konzept. Es pfercht Menschen in Gruppen zusammen und hetzt diese Gruppen gegeneinander auf.“ und später „Es gibt keine Gesellschaft. Es gibt einzelne Männer und Frauen und Familien.“ [Prolls S.78] Gemeint ist: Arbeitnehmer, entsolidarisiert euch! Organisiert Euch nicht! Damit wir euch umso schamloser ausbeuten können. In den Medien setzte unter Thatcher eine Anti-Arbeiter-Kampagne sondergleichen ein. Arbeiter wurden pauschal als ungebildet, verwahrlost und kriminell gebranntmarkt. Eine gebildete Mittelschicht von Journalisten, die in ihrem Leben niemals Arbeitermileus kennengelernt hatten, verbreitete ungeniert abfällige Klischees über die Arbeiter, die nun nur noch chavs (Prolls) hießen. Fiktive TV-Sendungen über unsoziale Prolls und billige Tussis schoßen wie Pilze aus dem Boden und vermittelten den Eindruck einer realistischen Schilderung des Arbeiterlebens. Der Klassenhaß ergriff weite Teile der Mittelklasse, die ihre Vorurteile gegen weniger privilegierte schamlos auslebte und ihre eigenen Ängste vor dem sozialen Abstieg durch Treten nach unten kompensierte. Die Arbeiterk-

lasse, die ihres Selbstbewußtseins beraubt war und keine Stimme in der Öffentlichkeit besaß, vermochte dem nichts entgegenzusetzen. Daß die Klassenfrage auch in Deutschland eine Rolle spielt, greift auch Ulrike Herrmann, Wirtschaftsjournalistin der taz in ihrem eindrucksvollen und spannend zu lesendem Buch Hurra, Wir dürfen zahlen – der Selbstbetrug der Mittelschicht auf. Ihre Diagnose ist eindeutig: „Die Bundesrepublik läßt sich also als eine typische Klassengesellschaft beschreiben: Wenige Kapitaleigner besitzen sämtliche Produktionsmittel – während stets mehr Menschen nur ihre eigene Arbeitskraft verkaufen können.“ [Hurra S.35] Doch das Problem liegt in der Selbstwahrnehmung: „Obwohl die Bundesrepublik objektiv eine Klassengesellschaft ist, ist sie in der subjektiven Wahrnehmung tatsächlich eine nivellierte Mittelstandsgesellschaft […] Deutschland war also nie die soziale Marktwirtschaft, wie sie sich als Klischee eingebürgert hat: Die Chancengleichheit war immer eingeschränkt.“ [Hurra S.36] Während eine kleine Oberschicht seit Jahren immer reicher wird, ergibt sich die Mittelschicht der Illusion hin, reicher und privilegierter zu sein, als sie eigentlich ist. Begleitet wird der Selbstbetrug von der Bereitschaft, seit Jahren auf Lohnerhöhungen zu verzichten und eine gewaltigen Umverteilung von unten nach oben seit der Ära Schröder hinzunehmen, ohne sich aufzulehnen gegen diejenigen, die wirklich davon profitieren. Der Schwanengesang der Arbeitersolidarität ist der Klassenhaß nach unten, der sich auch hierzulande ausbreitet. Im „Unterschichten-


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fernsehen“ wird eine ganze Klasse geprügelt und verlacht, die sich in Formaten wie „Cindy aus Marzahn“ oder „Atze Schröder“ angeblich wahrheitsgetreu präsentiert. Die „Schantall“ und die „Schakkeline“ sind Witzfiguren einer ganzen Nation, die sich über sonst nichts einig ist als über jene, die ihren kollektiven Hohn zu spüren kriegen. Orchestriert wird die Verachtung der „Prolls“ durch Politikeraussagen, die dem Haß auf die Unterprivilegierten die nötige Seriosität verleihen: Kurt Becks Arbeitslosenschelte, Münteferings Anleihen an faschistisches Gedankengut: „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen” oder Sarrazins genetische Erklärungsversuche für „Leistungsverweigerer“. Während sich die von Occupy beschriebenen 99% in Entsolidarisierung üben, fehlen ihnen Stück für Stück mehr Kraft und Bewußtsein, um sich gegen die Angriffe des Kapitals zu wehren.

auch sein mögen, so sind sie noch lange kein Garant für eine dauerhaft soziale Gesellschaft. Auch Gesellschaften mit einer keynesianischen Wirtschaftspolitik sind gegen Krisen nicht gefeit. Die Währungskrise in den 70er Jahren hat Thatchers radikale Deindustrialisierung erst ermöglicht. Einen dauerhaften sozialen Frieden zwischen den Klassen wird es im Rahmen kapitalistischer Ökonomie nicht geben. Wenn sich die Arbeiterklasse wirklich emanzipieren will, muß sie Schluß machen mit ihrer Ausbeutung im Kapitalismus. Um die Kräfte dafür zu mobilisieren, ist das Buch von Owen Jones aller-

dings hervorragend geeignet.

Owen Jones – Prolls. Die Dämonisierung der Arbeiterklasse. VAT Verlag André Thiele 2012. Ulrike Herrmann – Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht. Piper-Verlag 2012.

Damit schließt sich der Kreis wieder zu Owen Jones: im letzten Teil des Buches zeigt er als kämpferischer Sozialdemokrat durch und durch wie es anders gehen kann. Ein staatliches Beschäftigungsprogramm soll Arbeitsplätze und günstigen Wohnraum schaffen, Erhöhung der Reichensteuer soll die längst fällige Umverteilung von unten nach oben stoppen, Mindestlöhne und Deflexibilisierung der Arbeitsverhältnisse soll wieder gut bezahlte und sichere Arbeitsplätze garantieren und die Gewerkschaften müssen zu alter Schlagkraft zurückkehren, um der Arbeiterklasse eine machtvolle Interessensvertretung zu sein und ihr das Selbstbewußtsein zurückzugeben. So wichtig und notwendig all diese Forderungen 25


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Lohn, Preis und Profit Marx Betrachtungen zu Lohnkämpfen und Gewerkschaften Christian Hoffmann, Leipzig

Die Frage des Arbeitslohns innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft ist von enormer Bedeutung. Die aktuelle Debatte zum 10järigen Jahrestag der Agenda 2010 macht dies noch einmal deutlich. In den bürgerlichen Mainstreammedien wird die Agendapolitik gefeiert, sie sei die Grundlage dafür gewesen, dass Deutschland so sicher durch die Krise gekommen sei. Ver.di-Chef Bsirske zieht eine andere Bilanz: „Rund 2,5 Millionen Menschen verdienen nicht einmal 6 Euro die Stunde, rund 1,4 Millionen von ihnen bekommen weniger als 5 Euro. Leiharbeit, befristete Arbeitsverträge, Teilzeit wider Willen, Minijobs und seit kurzem auch miserabel bezahlte Arbeit auf Basis eines Werkvertrags - die Arbeitgeber lassen nichts aus.“1 Ähnlich gegensätzlich fällt die Bewertung aus, wenn es um einen allgemeinen Mindestlohn geht. Die eine Seite verweist darauf, wie erbärmlich es ist, dass in einem der reichsten Länder der Welt Millionen Menschen staatlich bezuschusst werden müssen, weil ihre Löhne nicht zum Leben reichen. Die Gegenseite insistiert, dass ein Mindestlohn Jobs vernichten würde. Löhne unter 6 Euro seien natürlich hart, aber besser schlechten Lohn als gar keinen. Mit einem Mindestlohn hätten wir automatisch über Nacht Millionen neuer Arbeitsloser. 1 Von wegen Jobwunder, Frank Bsirske. http://publik.verdi.de/2013/ausgabe-02/gewerkschaft/titel/seite-1/A0

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Grandfather der Ökonomie ist unbestritten Marx. Niemand, der sich substanziell mit Ökonomie beschäftigt hat, kann das ernsthaft bestreiten. Leider hat Marx sein ökonomisches Lebenswerk nur fragmenthaft hinterlassen. Um so besser für unsere Thematik, dass er mit Lohn, Preis & Profit zur Frage des Arbeitslohnes, eine kleine aber feine Schrift erstellte. Ursprünglich war diese ein Referat, welches er 1865 bei einem Kongreß der Internationalen Arbeiterassoziation (IAA) hielt. Hintergrund seiner Ausführungen war eine zeitgenössische Streikwelle. Marx war nun wichtig, dass die Leiter der IAA einen festen Standpunkt in dieser überragenden Frage haben. Für Aufsehen hatte der Kongressteilnehmer Weston gesorgt, welcher Lohnkämpfe für sinnlos erklärt hatte (103)2. Genau genommen handelt es sich bei Lohn, Preis & Profit schon um eine knappe, zusammenfassende Darstellung der Fragen, was Wert, Preis, Lohn und Mehrwert sind. Diese Zusammenfassung nun wiederum zusammenzufassen ist problematisch. Ich kann aus Platzgründen nur auf die Kerngedanken eingehen und diese nur thesenartig hinstellen ohne sie zu begründen. 2 Alle Seitenzahlen in Klammern beziehen sich auf die MEW, Bd. 16. Die Seitenangaben stimmen ebenfalls mit dieser digitalen Variante des Textes überein: http://www.mlwerke.de/me/me16/ me16_101.htm#K13

Abschließend resümiert Marx drei Punkte, die nun nacheinander betrachtet werden: „1. Eine allgemeine Steigerung der Lohnrate würde auf ein Fallen der allgemeinen Profitrate hinauslaufen, ohne jedoch, allgemein gesprochen, die Warenpreise zu beeinflussen“ (152). Hintergrund dieser These ist die Entstehung des Mehrwerts. Anschaulich wird diese, wenn wir unsere Gesellschaft mit früheren Gesellschaftsformen vergleichen. Denn auch schon vor dem Kapitalismus produzierten die Menschen meist mehr, als sie zum unmittelbaren überleben brauchten. Ein solches Mehrprodukt gab es auch in der Antike oder im Mittelalter, doch seine Entstehung und Verteilung ist einfacher zu verstehen. Nehmen wir den mittelalterlichen Fronbauer. Dieser Bauer arbeitete z.B. 3 Tage für sich auf seinem eignen oder dem ihm zugewiesnen Felde, und die drei folgenden Tage verrichtete er zwangsweise Gratisarbeit auf dem herrschaftlichen Gut. Hier waren also der bezahlte und der unbezahlte Teil der Arbeit sichtbar getrennt, zeitlich und räumlich getrennt (135). Beim Lohnarbeiter ist die unbezahlte Arbeit nicht so offensichtlich. Für acht Stunden einfache Arbeit bekomme ich beispielsweise 70 Euro Lohn. Die Werte, welche ich in den acht Stunden schaffe, sind aber weit größer als 70 Euro. Betragen sie beispielhaft 140 Euro, hätte der Kapitalist für den ich arbeite 70 Euro Mehrwert oder vier Stunden


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unbezahlte Arbeit bekommen. Was beim Fronbauer in die Augen sprang, ist hier etwas vertrackter. Zumal die 70 Euro noch zerfallen in Kredit/Zins und industriellen Profit. Aber alle Formen von Geld, die die wundersame Eigenschaft haben mehr Geld zu werden, haben ihren Ursprung im in der Produktion erwirtschafteten Mehrwert, also hier den 70 Euro. Dieser täuschende Schein ist das unterscheidende Merkmal der Lohnarbeit gegenüber andern historischen Formen der Arbeit. Auf Basis des Lohnsystems erscheint auch die unbezahlte Arbeit als bezahlt (134). Wichtiger Ausgangspunkt für diese Feststellung ist, was Wert ist. Alle Waren in unserer Gesellschaft haben einen bestimmten Wert, der sie vergleichbar und austauschbar macht. Aber wer bestimmt diesen Wert und wie? Wie kann ich den Wert von Eisen und Weizen herausbekommen und diese verschiedenen Waren dann zu bestimmten Proportionen austauschen? Da die Tauschwerte der Waren nur gesellschaftliche Funktionen dieser Dinge sind und gar nichts zu tun haben mit ihren natürlichen Qualitäten, so fragt es sich zunächst: Was ist die gemeinsame gesellschaftliche Substanz aller Waren? Es ist die Arbeit. Um eine Ware zu produzieren, muß eine bestimmte Menge Arbeit auf sie verwendet oder in ihr aufgearbeitet werden. Dabei sage ich nicht bloß Arbeit, sondern gesellschaftliche Arbeit. (123) Also: Eine Ware hat Wert, weil sie Kristallisation gesellschaftlicher Arbeit ist. Je mehr Arbeit in ihr steckt, um so wertvoller ist sie. Gesellschaftliche Arbeit beinhaltet eine gewisse Durchschnittsgeschwindigkeit bei

ihrer Produktion und außerdem, dass es eine gemünzte Nachfrage nach der Ware gibt. Die Rohstoffe und die Maschinen sind vergangene Arbeit und übertragen ihren Wert deshalb nur auf das zu schaffende Produkt. Neuen Wert hingegen kann nur die Arbeit schaffen. Dieser gegebne, durch seine Arbeitszeit bestimmte Wert ist der einzige Fonds, wovon beide, er [der Arbeiter] und der Kapitalist, ihre respektiven Anteile oder Dividenden ziehn können, der einzige Wert, der in Arbeitslohn und Profit geteilt werden kann (139). Daraus folgt, dass der eine desto mehr erhält, je weniger dem anderen zufällt und andersherum. Und um genau diese Anteile werden die Arbeitskämpfe geführt. Arbeit hat also keinen Wert, sondern ist die einzige Substanz des Wertes ist. Was die Lohnabhängigen dem Kapitalisten verkaufen, ist nicht direkt ihre Arbeit, sondern ihre Arbeitskraft, über welche der Kapitalist zeitweilige Verfügung erhält. Dies klingt haarspalterisch, ist aber wichtig. Denn würden wir fragen, was Arbeit Wert ist, bekämen wir ein Problem. 10 Stunden Arbeit sind demnach 10 Stunden Arbeit wert, was uns nicht weiterbringt. Wonach wir also fragen müssen, ist der Wert der Arbeitskraft. Wenn Wert vergegenständlichte Arbeit ist, was ist dann die Ware Arbeitskraft wert? Wie der jeder andern Ware ist der Wert bestimmt durch das zu ihrer Produktion notwendige Arbeitsquantum. Soll heißen, daß der Wert der Arbeitskraft bestimmt ist durch den Wert der Lebensmittel, die zur Produktion, Entwicklung,

Erhaltung und Verewigung der Arbeitskraft erheischt sind (132). Lebensmittel sollten wir uns eventuell nicht zu spartanisch vorstellen. Um in Deutschland seine Arbeitskraft zu entwickeln, zu erhalten und zu verewigen bedarf es mehr als Brot und Wasser. Die Lohnabhängigen brauchen Wohnraum, müssen lesen und schreiben können, eventuell mit dem Auto zur Arbeit kommen und Kinder als künftige Arbeitergenerationen großziehen. Bei einfacher Durchschnittsarbeit sind die Ausbildungskosten natürlich niedriger, als bei qualifizierter Arbeit. Aber egal wie hoch der Arbeitslohn auch ist. Grundlage kapitalistischer Produktion ist, dass die Ware Arbeitskraft die Eigenschaft besitzt, mehr Wert zu schaffen, als wert zu sein. Daraus folgt nun: Profit wird gemacht durch Verkauf einer Ware zu ihrem Wert. (135) Was nun den Kampf zwischen Kapital und Arbeit anbelangt, so gibt es da doch noch einen kleinen aber feinen Unterschied, was den Wert der Arbeitskraft vor dem Wert aller anderen waren auszeichnet. Natürlich hat der Wert der Arbeitskraft rein physische Grenzen. Der Tag hat nun einmal 24 Stunden in denen es des Schlafes bedarf. Ebenso haben die Lebensmittel zur Reproduktion des Arbeiters ein unteres Limit, dort wo das unentbehrliche zum Leben steht. Neben diesen physischen Grenzen gibt es aber auch einen traditionellen Lebensstandard. Er betrifft nicht das rein physische Leben, sondern die Befriedigung bestimmter Bedürfnisse, entspringend aus den gesellschaftlichen Verhältnissen, in die die Menschen gestellt sind und unter denen sie aufwachsen (148). Dieser ist aber weder gottgegeben noch fix. Dies historische oder 27


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gesellschaftliche Element, das in den Wert der Arbeit eingeht, kann gestärkt oder geschwächt, ja ganz ausgelöscht werden, so daß nichts übrigbleibt als die physische Grenze (147). Das Maximum des Profits ist daher begrenzt durch das physische Minimum des Arbeitslohns und das physische Maximum des Arbeitstags. Es ist klar, daß zwischen den beiden Grenzen dieser Maximalprofitrate eine unendliche Stufenleiter von Variationen möglich ist (149). Als zweiten Punkt des Resümees hält Marx fest: Die allgemeine Tendenz der kapitalistischen Produktion geht dahin, den durchschnittlichen Lohnstandart nicht zu heben, sondern zu senken (152). Die ersten Jahrzehnte der Geschichte der BRD in welchen es ökonomisch aufwärts ging, scheinen dem zu widersprechen. Verglichen mit der wirtschaftlichen Gesamtleistung, gab es zwar eine relative Verarmung der Massen, faktisch allerdings ist der Lebensstandart gestiegen, nicht zuletzt dank starker Gewerkschaften. Seit nunmehr fast zwei Jahrzehnten können wir einen gegenteiligen Trend mit sinkenden Reallöhnen für weite Teile der Bevölkerung ausmachen. Dies dürfte mit einer veränderten Zusammensetzung des Kapitals zusammenhängen. Bei steigender Kapitalakkumulation wächst der Teil des Kapitals, welcher sich aus Maschienerie, Rohstoffen usw. zusammensetzt - Im Fortschritt der Industrie hält daher die Nachfrage nach Arbeit nicht Schritt mit der Akkumulation des Kapitals. Sie wird zwar noch wachsen, aber in ständig abnehmender Proportion, verglichen mit der Vergrößerung des Kapitals. (151) Das Kapital wird deshalb immer bestrebt sein, 28

die Löhne zu senken und die Arbeitszeit zu verlängern. Die Lohnabhängigen sind deshalb gezwungen ihren Lebensstandart zu verteidigen. Nichts ist hier von Dauer, auch jede Verbesserung muss verteidigt werden. Fakt ist allerdings, in fast allen Bereichen wo in den letzten Jahren Jobs entstanden sind, liegen die Löhne unter 10 Euro Stundenlohn und damit faktisch unter ihrem Wert. Das der DGB einen Mindestlohn von lediglich 8,50 Euro fordert ist traurig, aber wahr. Allerdings: Da beim Arbeitskampf Angebot und Nachfrage eine nicht unwesentliche Rolle spielen, sind erfolgreiche Lohnkämpfe um so schwerer, je höher die Arbeitslosigkeit steigt. In Europa ist sie in absoluten Zahlen mittlerweile bei 26 Millionen, vor der Krise waren es 10 Millionen weniger. Diese Zahlen legen die Vermutung nahe, dass Marx letztlich auch mit folgender Prognose recht behalte sollte: daß die ganze Entwicklung der modernen Industrie die Waagschale immer mehr zugunsten des Kapitalisten und gegen den Arbeiter neigen muß und daß es folglich die allgemeine Tendenz der kapitalistischen Produktion ist, den durchschnittlichen Lohnstandard nicht zu heben, sondern zu senken (151). In den einzelnen Branchen und Betrieben, können die Lohnabhängigen derzeit schnell den kürzeren ziehen. Die Arbeitskämpfe müssen deshalb auch allgemeiner und politischer Natur sein. Marx verdeutlicht dies an der Beschränkung des Arbeitstages in England, welche nie anders als durch legislative Einmischung erfolgte (149). Wofür wir heute in den Gewerkschaften eintreten müssen, sind politische Streiks, für einen einheitlichen Mindestlohn oder eine gesetzlich

festgelegte 30 Stundenwoche. In den Jugendorganisationen von ver. di und der IG-Metall sind solche Stimmen jüngst lauter geworden, hier gäbe es Anknüpfungspunkte. Der Kleinkrieg mit dem Kapital um die Verbesserung der Lage ist also immer nicht nur sinnvoll, sondern notwendig. Aber kein Erfolg ist von Dauer und das Kapital wird und muss immer bestrebt sein die Erfolge zurückzuschlagen, Löhne zu senken und Arbeitszeiten zu verlängern. In den Arbeitskämpfen geht es deshalb immer nur um Wirkungen, nie um Ursachen dieser Wirkungen. Darauf gilt es innerhalb der Kämpfe zu verweisen. Alles Gerede von umfairteilen oder gerechten Löhnen führt in die Irre. Dies ist heute nicht anders als zu Marx Zeiten und deshalb hat er auch mit seinem dritten Resümeepunkt recht. Gewerkschaften tun gute Dienste als Sammelpunkte des Widerstands gegen die Gewalttaten des Kapitals. […] Sie verfehlen ihren Zweck gänzlich, sobald sie sich darauf beschränken, einen Kleinkrieg gegen die Wirkungen des bestehenden Systems zu führen, statt gleichzeitig zu versuchen, es zu ändern […] Statt des konservativen Mottos: “Ein gerechter Tagelohn für ein gerechtes Tagewerk!”, sollte sie auf ihr Banner die revolutionäre Losung schreiben: “Nieder mit dem Lohnsystem!” (152)


Mi t g l i ederBer i c htS ept ember2013 vonFa nniS t ol z( Gr uKa )

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Be ii ns g e s a mt6 4Mi t g l i e de r ni s tke i nKo nt a ktmö g l i c h. DaAdr e s s e , Ma i l , Po s to de rbe i de sni c ht me hra kt ue l li s t . Akt i veGr uppe ng i bte si n: Br e me n, L üne b ur g , Ha mbur g , Kö l n, Bo c hum, Pa de r bo r n, Müns t e r , Bi e l e f e l d, S i e g e n, Ma i nz , F r a nkf ur t a m Ma i n,Ma nnhe i m,He i de l be r g ,F r e i bur g ,Münc he n,Pa s s a u,Ba mbe r g ,Aug s bur g ,Ei c hs t ä t t , Er l a ng e n/ Nür nbe r g ,Wür z bur g ,J e na ,Che mni t z ,L e i pz i g ,Dr e s de n,Ma g de bur g ,Me r s e bur g ,Ha l l e , Be r l i n, Po t s da m, F r a nkf ur tOde r , Ro s t o c k, Gr e i f s wa l d, Ma r bur g , Gi e ße n, Gö t t i ng e n, Re g e ns bur g , Tr i e r , Ha nno ve r , Wuppe r t a l , Da r ms t a t t , Er f ur t




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