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6/2016

SPRUNGBRETT IN DIE GEGENWART

Eine Produktion von steptext dance project in Koproduktion mit dem Theater Bremen. In Kooperation mit dem Deutschen Tanzfilminstitut Bremen und mit wissenschaftlicher Beratung durch die Akademie der Künste, Berlin. Gefördert von TANZFONDS ERBE – Eine Initiative der Kulturstiftung des Bundes, und von dem Senator für Kultur Bremen. Unterstützt von: Karin und Uwe Hollweg Stiftung.

Ein TANZFONDS ERBE Projekt Helge Letonja und steptext dance project Ein Körper stept sich zu Tode Marilyn Monroe: Magali Sander Fett Ein Steptänzer: Dane Badal, Konan Dayot Lachen – Weinen: Magali Sander Fett, Mariko Koh Ruhig – Unruhig: Irene García Martínez, Stylianos Tsatsos Ballerina: Leila Bakhtali Anubis/Tänzer: Kossi Sébastien AholouWokawui

GEBURT EINER LINIE

BEWEGGRÜNDE

Impressum: Herausgeber: Theater Bremen GmbH Geschäftsfüh­ rung: Prof. Michael Börgerding (Generalintendant), Michael Helmbold (Kaufmännischer Geschäftsführer) Text: Originalbeitrag von Anke Euler Redaktion: Manuela Demmler Probenfoto: Marianne Menke

ZWEI GIRAFFEN TANZEN TANGO – BREMER SCHRITTE Technische Leitung steptext dance project: Timo Reichenberger Inspizienz: Michael Mrukwa

von Anke Euler, Dramaturgin steptext dance project

An Gerhard Bohner fasziniert sein umfassendes künstlerisches Wirken, sein Engagement für die Kunstform Tanz. Als Tänzer brach er mit einigen Kolleg_innen aus dem Berliner Opernbetrieb aus, um als Leiter des ersten Tanztheaterensembles am Staatstheater Darmstadt künstlerische und finanzielle Unabhängigkeit zu fordern. Wie Helge Letonja pochte er darauf, dass der Tanz eigene künstlerische Bedarfe hat und auf Augenhöhe mit den anderen Sparten agieren sollte. Er wollte die erste freie Tanzkompanie in Deutschland gründen, was leider nicht gelang. Auch in der künstlerischen Suche als Choreograf ging es ihm um das Eigenständige des Tanzes und seiner spezifischen Dramaturgie. Ausgelöst unter anderem durch die Auseinandersetzung mit den Bauhaus-Künstlern Oskar Schlemmer und Wassily Kandinsky, die sich mit der Beziehung von Raum, Figuren und Farben zueinander beschäftigten, analysierte er die Grundelemente des Tanzes, die Bewegungen einzelner Körperteile und die Gesetzmäßigkeit des bewegten Körpers im Raum. Bohner setzte sich nicht nur mit Bildender Kunst, sondern auch mit zeitgenössischer Komposition auseinander – im Wissen, dass Choreografie und Komposition im lebendigen Dialog zu leuchten beginnen. So arbeitete er mit Gerald Humel, der für Zwei Giraffen tanzen Tango komponierte. ZWEI GIRAFFEN TANZEN TANGO

Technische Gesamtleitung: Frank Sonnemann Techni­ sche Produktionsleitung: Gabriela Bizarmanis Leiter der Werkstätten: Carsten Schmid Leiterin des Bühnen­ betriebes: Katja ­Sandkühler Bühne: Christian Scherfer Beleuchtung: Christian ­Kemmetmüller, Christopher Moos Ton: Dietrich Seevers, Charel Bourkel Video: Nicky Fischer, Steffen Alphei Requisite: Andrea Gießelmann, Franziska Osmann, Martina Anklam Kostüm­ direktion: Paul Zimmer­mann Kostümleitung: Claudia Hartmann Chefmaskenbildner: Rabi Akil Leitung Deko­rationsabteilung: Frank Bethe Leitung Maler­ saal: Maria Minchevici Leitung Schlosserei: Christian Pape Leitung Tischlerei: Karlheinz Böhmermann

TANZ

Premiere 9. Juni 2016, Kleines Haus Dauer: 1 Stunde 30 Minuten, keine Pause Beerdigung – Das trauernde Museum Anubis: Kossi Sébastien, Aholou-Wokawui Trauernde: Dane Badal, Leila Bakhtali, Oh Chang Ik, Konan Dayot, Irene García Martínez, Mariko Koh, Magali Sander Fett, Stylianos Tsatsos

Mit Zwei Giraffen tanzen Tango – Bremer Schritte unternimmt Helge Letonja die künstlerische Befragung von Gerhard Bohners Ensemblestück als schöpferischen Dialog mit der Tanzgeschichte. 36 Jahre liegen zwischen dem Werk des einen und des anderen Choreografen. Die „Schritte“ der aktuellen Produktion entwerfen ihr Vorwärts im Hier und Jetzt. Die historische Bremer Pionierphase des deutschen Tanztheaters ebenso wie das Heute im Blick, sucht Letonja nach Fortentwicklungen. Rekonstruierte Sequenzen aus der szenografisch streng schwarzweißen Vorlage treffen auf vielschichtig Buntes. Letonja nutzt den Aufbruch des Originals von Ballett zu Alltagsgesten, von Spitzenschuhen zu Schwimmflossen, von Tanztrikots über Anzüge zu skurrilen Ver- und Entkleidungen als Sprungbrett für seine eigene Kreation. Das choreografische Prinzip kontrastreicher Collagen aufnehmend, wird bei ihm die Suche der Körper nach Formen zum Wechselspiel einander formender Körper.

Dank an: Michael Börgerding und alle Mitarbeiter des Theater Bremen, Jacqueline Davenport, Stephan Dörschel, Heide-Marie Härtel, Christiane Heil, Michael Helmboldt, Nele Hertling, Reinhild Hoffmann, Margaret Huggenberger, Gert Kramer, Maja Maria Liebau, Gudrun Richter, Haidi Sandmann, Susanne Schrader, Dietrich Seevers, Anna Seitz, Ursula Wirth, Edda Zeeb.

Konzept und Choreografie: Helge Letonja und Original: Gerhard Bohner Bühne: Rena Donsbach Kostüme: Katja Fritzsche Komposition: Serge Weber und Original: Gerald Humel Licht: Laurent Schneegans Choreografische Assistenz: Daniela Bendini Outside Eye: Ziv Frenkel, Irene García Martínez Unterstützung bei der Rekonstruktion: Jacqueline Davenport Video: Steffen Alphei – Videoprojektion des Originals mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Tanzfilminstituts Bremen Dramaturgie: Anke Euler Produktionsleitung: Kerstin Witges, Antje Schölzig Produktionsassistenz: Julia da Silva Kostümhospitanz: Kevatta Kong

Uraufführung Zwei Giraffen tanzen Tango: 1980, Berlin. Koproduktion des Theater Bremen mit der Akademie der Künste, Berlin Im Rahmenprogramm: Kooperation mit dem Zentrum für Performance Studies der Universität Bremen und dem Theater der Versammlung zwischen Bildung, Wissenschaft und Kunst und der VHS Bremen

Geburt einer Linie – Ein Ensemble pulsiert Muse: Médoune Seck Tanz: Kossi Sébastien Aholou-Wokawui, Dane Badal, Leila Bakhtali, Oh Chang Ik, Konan Dayot, Irene García Martínez, Mariko Koh, Magali Sander Fett, Stylianos Tsatsos

In Letonjas Fassung Zwei Giraffen tanzen Tango – Bremer Schritte steigen wir ein mit der Beerdigung – vielleicht für den Körper, der sich zu Tode gesteppt hat –, die bei Bohner am Ende des Werkes steht. Der Beerdigungsszene folgt der 1. Teil des Originalstücks, dessen Verbindung von Tanz und Bildender Kunst in seiner dadaistischen Form für Helge Letonja das Sprungbrett in die Gegenwart und die eigene Choreografie ist. In seiner künstlerischen Antwort nehmen er und die Kostümbildnerin Katja Fritzsche die Idee surrealistischer Kostümfiguren und skurriler Wesen auf und setzen sie in Beziehung zur Bewegung: Das im Tanz bewegte Kostüm zeichnet selbst Formen in den Raum. Helge Letonjas Choreografie im Dialog mit Serge Webers Komposition fokussiert Widersprüche und Reibungsflächen, die auch Bohner schon inspirierten. Symbiose und Widerspruch von und zwischen Körper und Objekt, Geometrie und Bewegung fächern ein produktives Wechselspiel auf. Linien geraten in Schwingungen, stoßen Energien in den Raum, die von den Tänzern aufgegriffen, weitergetragen und transformiert werden. Bilder entstehen und zerfallen. Der Ensemble-Körper zeichnet Spannungsfelder in den Raum, die sich im Fluss der Bewegung immer neu gliedern. Die Tänzer verausgaben sich mit ihren Körpern, verschwenden sich, rebellieren gegen die Auflösung der Gruppe, geben sich dem Moment hin. Ihre Botschaft ist physisch. Das Spiel des Tanzes fußt auf permanenter Dekonstruktion und Neukonstruktion; das ist sein Genuss, der der unsrige ist. Anubis, der Seelenbegleiter in die Unterwelt, bildet die dramaturgische Brücke vom Originalstück in Letonjas Antwort. Er scheint uns die Seele des Tanzkünstlers selbst zu sein. Bei Bohner wird Anubis im Jenseits als Künstler und Stepptänzer endlich auch von den Aktenträgern hochachtungsvoll begrüßt. Und 2016? Letonjas Part fächert sich auf als Hommage an den Tanz an sich und setzt damit auch ein Ausrufezeichen hinter Bohners Vision künstlerisch wie finanziell unabhängiger Tanzensembles.

Das Stück, 1980 an der Akademie der Künste Berlin und dem Theater Bremen entstanden, bietet viel Stoff für die künstlerische Auseinandersetzung: es erschließt sich nicht gleich. Der Titel deutet auf die Spannung zwischen konkretem Bild und Unmöglichkeit, spielt mit Komik und Absurdität. Bohner suchte diese Überhöhung, das Absurde oder Surreale als Bühnenform. Seine Figuren bebildern das Motiv des 1. Aktes, „Ein Körper stept sich zu Tode“, nicht im Konkreten. Sie bilden einen Reigen kompositorischer Spannungen und Kontraste, die metaphorisch-physische Übersetzung des Widerspruchs, den Gerhard Bohner als Ausgangsidee beschreibt: Kopf und Bauch kommen nie zusammen, vertragen sich vielleicht erst im Tod. In den Notizen der Dramaturgin sagt Bohner über sein Stück: „Wenn der Tote der Lebendige wird, ist eines der Experimente gelungen.“ Helge Letonja entscheidet sich konsequenterweise für die lebendige künstlerische Auseinandersetzung, nicht für die vollständige Rekonstruktion des Originals, damit das Projekt kein „Trauerndes Museum“ wird, wie der 3. Akt überschrieben ist. Es dient ihm als Folie, auf der er als zeitgenössischer Künstler seine Visionen malt. Im Dialog der beiden Künstler – vermittelt über das Werk – entwickelt sich ein eigenständiger Kosmos, der wie ein Brennglas auf die Entwicklungen im Tanz wirkt. Bezüge und Relevanzen von gestern und heute lassen Tanzgeschichte erfahrbar werden, deuten auf die „Bremer Schritte“: die künstlerische Entwicklung des Tanztheaters in dieser Stadt, dessen Protagonist Helge Letonja seit nunmehr 20 Jahren ist.

ZWEI GIRAFFEN TANZEN TANGO – BREMER SCHRITTE Ein TANZFONDS ERBE Projekt – Helge Letonja und steptext dance project


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