12. Ausgabe Oktober 2011
Die Qual der Wahl
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Prügelknabe Markt
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Von Rotlichtern «während der Fahrt»
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Die Qual der Wahl
Warum Märkte nicht moralisch sein können.
Ein weiterer bizarrer Fall aus dem Justizwesen.
Von Löwen, Zebras und dem Homo sapiens.
INHALT 12. Ausgabe, Oktober 2011
EDITORIAL
IMPRESSUM
seite 03a: liebe leserinnen, liebe leser
REDAKTION dieperspektive, simon jacoby, conradin zellweger, manuel perriard, bremgartnerstrasse 66, 8003 zürich TEXT
HINTERGRUND
s.a.j. | p.w. | m.s. | j.r. | c.j. | d.l. | j.v.m. | m.k. | o.b.| m.b. | a.h.b. ILLUSTRATION / BILD
e seite 04a: das duell #2 mn u l seite 05a: prügelknabe markt ko seite 06a: wieso verschwörungstheorien seite 07a: der nächste kopf der hydra wächst nach seite 08a: von rotlichtern «während der fahrt» seite 09a: ein gegner, ein kampf, aber kein krieg
s.k. | d.g. | v.i. | g.s. | c.g. COVER marlon höss-böttger LAYOUT per rjard LEKTORAT mara bieler & daniela bär WEBDESIGN
DIE QUAL DER WAHL
timo beeler | timobeeler.ch REDAKTIONSMITARBEITER
seite 10a: die qual der wahl im milchregal seite 12a: qual der wahl
jonas ritscher & konstantin furrer DRUCK zds zeitungsdruck schaffhausen ag AUFLAGE 4000 ARTIKEL EINSENDEN artikel@dieperspektive.ch WERBUNG conradin@dieperspektive.ch ABO abo@dieperspektive.ch LESERBRIEFE leserbriefe@dieperspektive.ch FRAGEN | FEEDBACK info@dieperspektive.ch THEMENVORSCHLÄGE thema@dieperspektive.ch THEMA DER NÄCHSTEN AUSGABE dada (du da, dada da) GÖNNERKONTO pc 87-85011-6, vermerk: gern geschehen REDAKTIONSSCHLUSS sonntag 16. oktober 2011, 23.55 uhr
DIE NEUERUNGEN • Neues Layout • «das Duell»
jeden Monat duelliert sich ein Mitglied der Redaktion mit Peter Werder zum aktuellen Thema.
• Fixe Autoren
in den nächsten 6 Monaten schreiben Mario Senn, Olivia Bosshart und Apachenkönig Huntin’ Beer über Politik, Kunst & Kultur und das Zürcher Stadtleben. Gleich bleibt: Beiträge einsenden an artikel@dieperspektive.ch
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EDITORIAL 12. Ausgabe, Oktober 2011
Liebe Leserinnen, liebe Leser Wenn es bei dieser Ausgabe mal keine Qual ist, zu wählen. Wieder einmal unzählige herausragende Texte und Illustrationen. Da kommt man doch glatt in Versuchung, gleich alles auf einmal zu lesen. Diesmal machen wir euch die Auswahl noch ein bisschen schwerer; diese Ausgabe von dieperspektive hat nämlich kein Hinten und kein Vorne. Da muss man sich noch entscheiden, auf welcher Seite man nun mit dem Lesen beginnt. Ja, liebe Leser, ihr seht, wir verlangen immer mehr von euch. Erst müsst ihr alle Beiträge dieser Zeitschrift selber gestalten, und jetzt müsst ihr auch noch entscheiden, wo vorne und wo hinten ist. Wenn das so weiter geht, müsst ihr bald noch das Thema der Ausgaben selber wählen. Und genau das tun wir jetzt. Wir suchen Vorschläge für das neue Jahr. Ihr dürft wählen. Was soll unsere Leserschaft ab nächstem Jahr beschäftigen? Das liegt in euren Händen. Sendet eure Themenvorschläge bis zum 31. Oktober an thema@dieperpsektive.ch. Am 18. November werden wir anlässlich unserer DADA-Ausgabe im Cabaret Voltaire einen kleinen Anlass schmeissen. Dabei werden wir auch besonders gelungene Beiträge des ersten dieperspektive-Jahres küren. Bei dieser Gelegenheit möchten wir natürlich möglichst viele von euch geschätzten Leserinnen und Leser persönlich begrüssen. Also merkt euch den Freitag, 18. November, denn dann sollt ihr um 18:00 Uhr ins Cabaret Voltaire höseln. Mehr Informationen dazu gibt’s in der Novemberausgabe. Jetzt aber genug, schliesslich liegt eine frische dieperspektive in euren Händen. Vorhang auf für die Oktoberausgabe mit dem Thema «Die Qual der Wahl». Nur eins noch: Am 23. Oktober sind Wahlen. Und an diesen sollten wir uns alle beteiligen, sonst haben wir nachher die Qualen.
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Conradin Zellweger Redaktor
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HINTERGRUND 12. Ausgabe, Oktober 2011
Das Duell #2 {Text} * Simon A. Jacoby und Peter Werder
Peter Werder
Simon A. Jacoby
Eine schöne sprachliche Zwillingsformel haben Sie, Herr Jacoby, als Titelthema auserkoren – «Die Qual der Wahl». Als sozialistischer Politiker stehen Sie der Wahlfreiheit bekanntermassen skeptisch gegenüber. Naheliegend ist der Gedanke, dem Menschen die Wahlfreiheit zu nehmen. Der Staat, so Ihr Modell, weiss es besser und entscheidet für den Bürger. Der Staat – das sind meist Bürokraten, die anhand von allgemein gültigen Regeln den Einzelfall zu regeln versuchen. Dieser Staat nimmt dem Bürger die Wahl und befreit ihn von der «Qual». Helfen wird damit zur Pflicht – die Beseitigung der grossen «Ungerechtigkeit» wird mit staatlichen Obligatorien lanciert. Das ist Gift, vor allem für allfällige Dankbarkeit. Oder haben Sie, Herr Jacoby, schon einmal darüber nachgedacht, den Reichen für ihren überproportionalen Anteil zu danken –statt sich dafür einzusetzen, dass diese noch mehr abliefern? Was die staatlich geförderte Undankbarkeit bewirken kann, will ich in Form einer Geschichte ein bisschen ausführen. Die Geschichte ist nicht von mir. Es waren einmal zehn Freunde, die sich regelmässig zum Essen treffen wollten. Da aber nicht alle über genügend finanzielle Mittel verfügten, einigten sie sich auf einen Verteilschlüssel. Drei mussten nichts bezahlen, zwei bezahlten je nur die Hälfte des Preises, zwei bezahlten genau den Preis, zwei bezahlten je das Doppelte und einer bezahlte das Dreifache. Das war nach ihren finanziellen Möglichkeiten so berechnet. Es funktionierte recht gut, sie hatten eine schöne Zeit. Bis sich herausstellte, dass der ganz Reiche – er übernahm ja das Essen von zwei Freunden – mit seiner Firma noch erfolgreicher wurde. Die Zwei, die nur die Hälfte bezahlten, wurden unzufrieden und verlangten mehr. Ihr reicher Freund war einverstanden und bezahlte auch ihren Anteil. Aber bald verfügte er über noch mehr Geld und die beiden, die genau ihren Preis zahlten, verlangten, dass er sich auch an ihrem Essen beteiligte. Das war dem Reichen zu viel. Er stieg aus. Und nun musste neu aufgeteilt werden. Da die ganz Armen jetzt auch hätten zahlen müssen, stiegen sie aus. Und die Andern konnten die Last nicht mehr tragen. Das regelmässige Essen war damit Geschichte. Als freiheitlich denkender Mensch sagt mir die obige Geschichte vor allem eines: Wird aus der Wahlfreiheit ein staatliches Obligatorium abgeleitet, schürt man den alten Gedanken von Gerechtigkeit und Gleichheit – und man entzieht allfälliger Dankbarkeit den Boden. Das ist ein Problem der Erziehung: Wer lernt, dass der Staat bei jeder möglichen Gelegenheit ein sozial abgesichertes Alternativprogramm bietet, wer merkt, dass Forderungen nach mehr Umverteilung legitim sind, der hat schlicht keine Anreize mehr, das Heft selber in die Hand zu nehmen. Die Forderung nach «Gleichviel» selbst bei eklatant unterschiedlicher Leistung wird zur Selbstverständlichkeit, niemand sagt mehr danke. Nein, Herr Jacoby, die Wahl ist keine Qual. Die Qual fängt da an, wo die Wahl aufhört.
Bei diesen Zeilen, lieber Herr Werder, stehen mir alle Haare zu Berge. Nein, das liegt nicht daran, dass ich neuerdings eine punkige Irokesenfrisur habe, sondern weil ich gar nicht weiss, wo ich anfangen soll, diese völlig verqueren Behauptungen richtig zu stellen. Da wir in der Juli- und Septemberausgabe dieser Zeitung gelernt haben, dass Menschen Listen mögen, versuche ich es damit. 1. Um zu wissen, dass ich kein Sozialist bin, kennen Sie mich zu gut, Herr Werder. Und um zu wissen, dass ich der Wahlfreiheit nicht skeptisch gegenüber stehe, kennen Sie mich ebenfalls zu gut. Denn wer war es, der mit einem (gescheiterten) Wischiwaschi-Kompromiss im Adliswiler Parlament die Wahlfreiheit der Stimmbürger zu beschneiden versuchte? Und wer war es, der den Stimmbürgern mit einer Initiative an der Urne die entsprechende Wahl bot? Ja, der Beschneider sind Sie, Herr Werder. Der Demokrat bin ich. 2. Bei einer richtigen Wahl hat man eine Qual. Es ist das Abwägen, welche Partei den grössten erwarteten Nutzen bringt. Aber das wissen Sie besser, Herr Werder: Wie soll sich der bürgerliche Wähler am 23. Oktober entscheiden? Eigenverantwortung und das Menschenbild des Homo Oeconomicus bieten gleich verschiedene Parteien an. Der bürgerliche Wähler kann Ihre «freisinnige» Partei wählen. Oder die Grünliberalen. Oder die BDP. Das ist die klassische Qual der Wahl! Tupfgenau das Gleiche, einfach anders verpackt. 3. Die Reichen sollen noch mehr abliefern. Eine populistische Aussage, zu der Sie sich da hinreissen lassen. Natürlich ist es richtig, dass Grossverdiener anteilsmässig mehr Steuern zu bezahlen haben als die Armen. Natürlich ist es richtig, dass Steuernzahlen eine saumässig unangenehme Sache ist. In einem Leserbrief im Tagesanzeiger wurde ich zu Beginn dieses Jahres so zitiert: «Das oberste und einzige Gebot bei der Festsetzung der Steuern sollte die Sicherheit sein: die Sicherheit, dass die nötige Infrastruktur zur Verfügung gestellt werden kann und die Sicherheit, dass die Steuern nicht unnötig hoch angesetzt werden.» Den Reichen soll für ihren grossen Anteil gedankt werden. Allerdings appelliere ich auch an deren Verantwortung der Gesellschaft gegenüber. Wer sich dieser nicht bewusst ist, kann dazu gezwungen werden oder soll sich nach Monaco oder ins Sultanat Brunei absetzen. Erst kommt das Fressen, dann die Moral. Das hat der Herr Brecht mal gesagt. Die Reichen haben gefressen, dann sollen sie gefälligst auch Moral zeigen. 4. Eine reizende Geschichte, die Sie mir da erzählen. Jedoch kann man damit nicht erklären, was staatlich geförderte Undankbarkeit ist, sondern höchstens aufzeigen, was asoziale Freundschaften sind. Das Geld für das Essen in Ihrer Geschichte verstehe ich als ein Sinnbild für Steuern. Und mit den Steuern verhält es sich nämlich so: Wenn ein Reicher plötzlich noch mehr hat oder noch mehr verdient, zahlt er anteilsmässig auch mehr Steuern. Gleichzeitig ist es aber nicht so, dass der Arme weniger zahlt. Der bleibt nämlich auf dem gleichen Niveau wie zuvor. Es ist also nicht so, dass der Reiche ein immer grösseres Stück des Steuerkuchens backen muss. Der Kuchen aber wird immer grösser. Wenn der Kuchen grösser wird als der Hunger der Staatsausgaben, werden die zu backenden Stücke für alle Beteiligten wieder kleiner. 5. Übrigens: all das aus Liebe zur Schweiz.
* Dr. Peter Werder ist bürgerlicher Politiker, Dozent an der Universität Zürich und leitet die Kommunikation eines Konzerns im Gesundheitswesen
* Simon A. Jacoby, 22, Co-Chefredaktor von dieperspektive, Student der Politologie und Publizistik- & Kommunikationswissenschaft und aktiver Politiker, aus Zürich
DAS DUELL Beim Duell stehen sich jeden Monat Peter Werder und ein Mitglied der Redaktion zum aktuellen Thema der Ausgabe gegenüber. Abwechslungsweise schreibt einer zuerst, worauf der andere eine Replik verfasst.
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POLITKOLUMNE 12. Ausgabe, Oktober 2011
Prügelknabe Markt {Text} * Mario Senn
Als liberaler, einer wettbewerblichen Wirtschaft verpflichteter Ökonom hat man es dieser Tage nicht leicht, seinem Standpunkt Beachtung zu verschaffen. Allenthalben stösst man auf ein Unbehagen gegenüber freien Marktkräften. Beim Wohnungsmarkt denken wir an in die Höhe schiessende Preise und endlose Warteschlangen bei Wohnungsbesichtigungen. Auf dem Arbeitsmarkt sehen wir uns mit der Konkurrenz von Deutschen und Anderen konfrontiert. Die Elektrizitätsmarktöffnung wird vielen höhere Preise bringen. Und die Finanzmärkte gelten sowieso als ausser Rand und Band und sind für alles Schlechte der letzten Jahre verantwortlich. Überall ist der «Markt» Grund allen Übels. Als Reaktion darauf überbieten sich Stammtische, Politiker, Journalisten und andere Weltuntergangspropheten von links bis rechts mit skurrilen Verschwörungstheorien (nach denen beispielsweise die Welt so oder so nur von den Reichen gesteuert ist) oder fordern irgendwelche Interventionen seitens der Politik. Eine Ursache für diese Skepsis gegenüber dem Markt könnte eine gewisse Unkenntnis über dessen Funktionsweise sein. Der Markt ist in erster Linie ein Ort, an dem Güter und Dienstleistungen, konkret deren Handlungs- bzw. Verfügungsrechte, getauscht werden. Daran ändern auch moderne Technologien nichts. Menschen treffen sich auf dieser Plattform und bieten an oder fragen nach. Sie tun dies unter Berücksichtigung aller verfügbaren Informationen, Wünsche und Bedürfnisse, aber auch in Kenntnis ihrer Ungleichheit und ihrer ungleichen Neigungen. Und als einzelne Marktteilnehmer tun sie dies nach dem fast immer gleichen Grundmuster: Je höher der Preis, desto mehr wird angeboten und desto weniger wird nachgefragt und umgekehrt. Dies ist moralisch weder gut noch schlecht, sondern ist einfach menschlich. Die Leistung des Mechanismus «Markt» dabei ist ziemlich bescheiden: Er bündelt dezentral getroffene Entscheide, teilt zu und hat als Folge einen Preis, der gleichzeitig
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signalisiert, wie knapp etwas ist. Dabei ist diese Zuteilungsleistung im Voraus nicht voraussehbar und kann durchaus auch sehr zufällig sein. Mehr kann und macht der Markt aber nicht. Im Besonderen kann man nicht erwarten, dass das Marktgeschehen per se zu tiefen Preisen führt oder sozial gerecht ist (was das auch immer heissen mag). Das hat aber nichts damit zu tun, dass der Markt als Mechanismus versagt. Das Ergebnis des Marktmechanismus mag manchmal ungemütlich oder gar lästig sein, versagen tut er deswegen nicht. Der Markt ist per De-
«Eine Ursache für diese Skepsis gegenüber dem Markt könnte eine gewisse Unkenntnis über dessen Funktionsweise sein.»
finition keine Kuschelveranstaltung, sondern es geht um den Austausch von Gütern und Leistungen unter ständiger Knappheit («man kann nicht alles haben»). Viel eher ist darauf hinzuweisen, dass es gerade staatliche Eingriffe sind, die zu Verzerrungen und zu teils perversen Ergebnissen führen. Allenthalben wird bei Rot-Grün lamentiert, es werde zu viel Elektrizität konsumiert (was das übereilt beschlossene Atomausstiegsziel gefährdet). Eine Strommarktöffnung, die zu Preissteigerungen (weil Strom «knapper» wird) führen könnte, will man aber partout nicht unterstützen. Ähnlich sieht es beim Wohnungsmarkt aus. Die ungemütlichen Warteschlangen bei Wohnungsbesichtigungen in Zürich wären weit weniger gross, wenn die Bautätigkeit durch unsägliche Regulierungen nicht stark eingeschränkt wäre. Oder wenn Vermieter ihre Preise der tatsächlichen Nachfrage und
nicht einem dubiosen, staatlich verordneten Mietpreisindex anpassen könnten. Die Liste solcher Staatsversagen könnte beliebig verlängert werden. Gemein ist diesen Teilmarkt-Regulierungen leider meist, dass sie mit völlig sachfremden Postulaten verknüpft werden. So wird beispielsweise die Krankenversicherungsmarktregulierung für Umverteilungszwecke missbraucht, anstatt dass sie für die richtigen Anreize der Marktteilnehmer sorgen würde. Dasselbe gilt mutatis mutandi für die Strommarktregulierung. Bei der Mehrwertsteuer wird ein kompliziertes und im Vollzug absolut unhandliches Dreisatzmodell aufrecht erhalten, um mit einem tiefen Preis für Brot und andere «Grundnahrungsmittel» Sozialpolitik zu betreiben. Als Folge davon müssen Gastronomiebetriebe ihre Produkte mit unterschiedlichen Steuersätzen belasten, abhängig davon, wo sie verspiesen werden. Das sind nicht nur Beispiele für einen Missbrauch des an sich sehr wichtigen Wirtschaftspolitikinstruments «Regulierung». Das ist auch unklug: Es entstehen Fehlanreize, die dann andernorts negative Folgen haben. So führen beispielsweise zu tief gehaltene Preise im Gesundheitssektor genauso zu einem Überkonsum wie dies im Wohnungsbereich zu beobachten ist. Bekanntlich steigt die nachgefragte Wohnfläche pro Person seit Jahren ungehemmt. Je mehr Ziele aber mit einer Regulierung verbunden werden, desto grösser sind die Streuverluste und Nebenwirkungen. Das liegt nicht am Marktmechanismus, sondern an der Politik. Es ist bedauerlich, dass dies die meisten Politiker nicht einsehen und stattdessen den Wählern mit Wirtschaftspolitikmassnahmen Resultate versprechen, die im besten Fall sehr kostspielig sind und im schlechtesten gar nie erreicht werden können. * Mario Senn ist Volkswirt und liberaler Politiker in Adliswil ZH, er schreibt monatlich zum Thema Politik Antworte Mario Senn auf leserbriefe@dieperspektive.ch
Expositionen NR. 4
Schweiz
Einsendeschluss 23. Oktober 2011
Geht wählen! Easy geht's auf easyvote.ch
In den expositionen erscheinen lesenswerte studentische Arbeiten aus allen Disziplinen in einer kurzen und leserfreundlichen Form. expositionen.ch
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HINTERGRUND 12. Ausgabe, Oktober 2011
Wieso Verschwörungstheorien {Text} * Jonas Ritscher Reaktion auf den Artikel Happy Birthday 911 aus der Septemberausgabe 2011 (Seite 6)
Lieber P. W. In der Septemberausgabe von dieperspektive haben Sie einen Artikel über einen der tragischsten Tage in der Geschichte des 21. Jahrhunderts geschrieben. Den Quellenangaben zufolge haben Sie sich für die Recherche mächtig ins Zeug gelegt. Ich will in diesem Leserbrief nicht die Theorien, die Sie aufgezählt haben, zu widerlegen versuchen. Ich frage mich aber, wie man bei einem Ereignis wie dem 11. September 2001, bei dem mehr als 3'000 Menschen ihr Leben verloren haben, noch auf den Gedanken kommen kann, dass dieser Akt des Grauens des Geldes und der Wirtschaft wegen von der eigenen Regierung in Auftrag gegeben werden sollte? Tausende Kinder und Erwachsene haben an diesem Tag ihre Eltern, Kinder, Geschwister, Ehepartner, Familienangehörige, Freunde und Berufskollegen verloren. Und trotzdem gibt es Menschen wie Sie, die nicht anders können als die Ursache in einer Verschwörung zu suchen. Genauso wenig wie ich
die Theorien widerlegen will, will ich George W. Bush mit diesem Text verteidigen, da auch ich in der amerikanischen Politik eher linkslastig bin und mit der Mehrheit der Entscheide, die Herr Bush Jr. in seiner Amtszeit getroffen hat, nicht einverstanden war. Dennoch würde es mir nicht im Traum einfallen, ihm oder sonst einem Politiker ohne fundierte Beweise zu unterstellen, nicht nur die USA, sondern die ganze Welt in Angst und Schrecken versetzt zu haben. Deshalb bitte ich Sie, lieber P. W., den nächsten Artikel doch bitte über eine der strahlenden Persönlichkeiten dieses Tages zu schreiben und genau so viel Effort in die Recherche zu stecken. Mir fallen da spontan die 400 Rettungskräfte ein, die unter den unvorstellbar schlimmen Bedingungen im Inneren der brennenden World Trade Center-Türmen selbstlos versuchten, so viele Menschen wie möglich zu retten, wissend, dass sie dabei ihr eigenes Leben aufs Spiel setzen. Oder die Gruppe von Passagieren, die auf dem Flug United Airlines 93 versuchten, die Terroristen
an ihrem Vorhaben zu hindern. Durch diesen Versuch stürzte die Maschine zwar ohne Überlebende ab, aber stellen Sie sich einmal vor, sie wäre nicht in einem sehr schwach besiedelten Gebiet im Bundesstaat Pennsylvania, sondern in der Hauptstadt der USA, Washington D.C., wo ca. 600'000 Menschen leben und arbeiten, abgestürzt! Ich bin nicht einverstanden mit der Art, wie solch tragische Ereignisse behandelt werden. Zeigen Sie den Verstorbenen und ihren Angehörigen Ihr Mitgefühl und Ihren Beistand, statt den sowieso schon vorhandenen Zorn auf die Mitmenschen zu richten.
* Jonas Ritscher, 22 Jahre alt, studiert Jus in Zürich und hat trotz Mitarbeit bei dieperspekive keinen Einfluss auf die Artikelwahl
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Frances McDorManD
Independent cinema Under one Woman’s Influence
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HINTERGRUND 12. Ausgabe, Oktober 2011
Der nächste Kopf der Hydra wächst nach {Text} * Carl Jauslin
Das Terrornetzwerk al-Qaida ist alles andere als am Ende. Was Ideologie hat, stirbt nicht. Zur Bekämpfung des Terrorismus. Ich nehme Bezug auf den am 8. Mai erschienenen Artikel in der NZZ am Sonntag (Hintergrund) mit dem Titel «Eine Chance, den islamistischen Terrorismus zu besiegen», geschrieben von Christoph Plate. Nach der Tötung von Usama bin Ladin kamen Stimmen auf, jetzt sei der Moment, den Terrorismus oder zumindest die Organisation al-Qaida zu besiegen, wie Christoph Plate bemerkt. Usama bin Ladin war Anführer und Kopf der Organisation und nicht einmal dies ist unumstritten. Viele glauben, er sei schon lange nicht mehr der Dreh- und Angelpunkt der Organisation gewesen. Abgesehen davon wächst in jeder Organisation unabhängig vom Ziel und von Methodenwahl und Fachgebiet immer ein neuer Anführer heran. Dies läuft bei Firmen und Unternehmen auch auf diese Weise. Was verhindert eigentlich bei einer Organisation, dass die Organisation oder das Unternehmen nicht untergehen, wenn der Anführer stirbt? Ein wichtiger Grund liegt meiner Meinung nach ganz einfach in der Struktur jeder Organisation, in der jeder Posten immer wieder von Neuem wieder besetzt werden kann. Dies ist wiederum nur möglich, wenn die Organisation eine Philosophie, ein Ziel, kurz: eine Ideologie und Überzeugung hat. Darum behaupte ich: Was Struktur und Ideologie hat, stirbt nicht, weil es personell immer wieder ersetzt werden kann. Usama bin Ladin war der Kopf von al-Qaida, aber der nächste Kopf des Hydra-Schlangenungeheuers wächst nach, denn al-Qaida ist strukturell und organisatorisch aufgebaut und basiert auf Glauben und Über-
zeugung. Aus diesem Grund ist es naiv, eine Aussage wie sie Christoph Plate gemacht hat, zu äussern. Ein weiterer Streitpunkt liegt in der Art und Weise der Bekämpfung des Terrorismus. Es ist ein eklatanter Fehler, die Terroristen als Irregeleitete, Wirrköpfe und religiöse Spinner zu bezeichnen, wie Plate es tut. Wenn jemand vernichtet werden soll, dann muss er zuerst verstanden werden, damit er im Kern getroffen werden kann. Das Problem liegt dar-
«Das Problem liegt darin, dass wir zu stolz sind, uns mit der Ideologie des Gegners auseinanderzusetzen, [...] auch wenn wir gerade dies tun sollten.» in, dass wir zu stolz sind, uns mit der Ideologie des Gegners auseinanderzusetzen, weil wir sie im speziellen Falle der islamistischen Terroristen als so abscheulich und menschenunwürdig empfinden, dass wir keinen Grund verspüren, uns ihr zu widmen, auch wenn wir gerade dies tun sollten. In Kriegen zwischen Staaten oder sogar in einem Fussballspiel nehmen wir uns die Zeit, den Gegner zu erforschen, weil wir ihn als Gegner auf eine spezielle Art achten. Indem wir Terroristen aber als Irrköpfe und Spinner betrachten, nehmen wir sie nicht mehr als Gegner im eigentlichen Sinne wahr. Nach Plate aber ist der universalistische Ansatz der richtige Weg zur Bekämpfung des Terrorismus. Doch gerade dieser Universalismus, der sich, wie auch der Eurozentrismus, anmasst, die Welt
von einer eigenen Perspektive aus zu bewerten und nach dessen Wert- und Massstäben zu handeln, ist meiner Meinung nach der Grund für das Versagen der westlichen Kulturen gegenüber komplett Andersdenkenden. Ich möchte den islamistischen Terrorismus keineswegs als eine Kultur bezeichnen, aber er sollte als eine innere Überzeugung gewisser Menschen wahrgenommen werden und nicht als irre und verrückte Vorstellung – auch wenn sie dies sein mag, sollte sie nicht wie eine behandelt werden, denn zu ihrer Bekämpfung ist dies notwendig. Meiner Meinung nach sollte vermehrt die Psychologie des islamistischen Terrorismus analysiert werden. Es gibt erste Schritte in diese Richtung, jedoch sind nicht die gleichen Wissenschaftler, die sich damit beschäftigen, direkt an der Bekämpfung beteiligt. Meine Annahme, die sich jedoch, wie ich feststellen muss, auf nichts stützt, ist, dass die Kommunikation zwischen wissenschaftlich-psychologischen Einheiten und den ausführenden militärischen Einheiten noch nicht so weit entwickelt ist. Was Ideologie hat, stirbt nicht, darum müssen die Überzeugungen und die Ideologie selbst zerstört werden und nicht die Menschen, die sie verkörpern, denn sonst bekämpft man nur die Symptome der Krankheit und nicht die Ursache. Die Ideologie selbst kann wiederum nur von innen vernichtet werden, das heisst sie muss zuerst verstanden werden, bevor sie in ihren Wurzeln untergehen kann.
* Carl Jauslin, 19, Student der Philosophie und Rechtswissenschaft an der Universität Basel. Wohnhaft in Basel, hat römische Wurzeln und bereist und interessiert sich für die ewige Stadt
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HINTERGRUND 12. Ausgabe, Oktober 2011
Von Rotlichtern «während der Fahrt» {Text} Davide Loss
Für etwas habe ich das Bundesgericht immer bewundert: Jede noch so kleine Busse wird von ihm minutiös behandelt. So geschehen am 14. Juli 2011 anlässlich einer öffentlichen Beratung in Lausanne, wobei es um eine Busse für das Nichttragen der Sicherheitsgurte bei einem Rotlicht ging. Hier einige Eindrücke. Lausanne, 14. Juli 2011, 09:30 Uhr. Die Bundesrichter betreten den dunklen Gerichtssaal auf dem Mon Repos. Die Sitzung wird eröffnet und der Referent verliest seinen Urteilsantrag. Aus dem Sachverhalt: «X. hielt […] sein Taxi in der Stadt Luzern auf der Zentralstrasse in Richtung Bahnhof vor einer auf Rot geschalteten Lichtsignalanlage an. Während der Rotlichtphase hatte er den Sicherheitsgurt gelöst, um in der unter dem Beifahrersitz deponierten Schublade eine Visitenkarte für den neben ihm sitzenden Fahrgast hervorzuholen. Beim Wechsel der Ampel auf Grün war nach seiner Darstellung sein Sicherheitsgurt wieder eingeklinkt. Anschliessend wurde er beim Bahnhof von der Polizei, die ihn im Taxi beobachtet hatte, angehalten und kontrolliert. Sie händigte ihm wegen Nichttragens des Sicherheitsgurtes eine Ordnungsbusse aus. Weil er die Busse nicht akzeptierte, wurde er verzeigt.» Der Referent sieht in der Verurteilung von X. durch das Luzerner Obergericht keine
Verletzung des Bundesrechts und beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Die anderen Bundesrichter melden sich der Sitzordnung nach zu Wort. Der erste findet die Verurteilung völlig falsch. «Das ist nun wirklich eine Bagatelle!» Er beantragt, die Beschwerde gutzuheissen und die Verurteilung aufzuheben.
«Please fasten your seatbelt while the red light is on!» Eine weitere Bundesrichterin wendet auf Französisch ein, die Ausnahmen von der Gurtentragpflicht seien nun mal sechs und nicht sieben. Die Variante «Rotlicht» sei nicht darin enthalten. «La condamnation est correcte!» Im Laufe der mit Engagement geführten öffentlichen Beratung stellt sich heraus, dass die Krux in der Frage steckt, ob X. die Sicherheitsgurte «während der Fahrt» gelöst hat oder nicht. «Man spricht auch von einer Fahrt durch Luzern, wenn man während der Fahrt bei einem Rotlicht anhalten muss», argumentiert der Referent. Nach 90 Minuten ist es soweit, es kommt zur Abstimmung: 3:2 Stimmen. Das
Urteil wird vom Präsidenten förmlich verkündet: «Die Beschwerde wird abgewiesen.» X. muss also die Busse von 60 Franken bezahlen, und nicht nur das: Für das bundesgerichtliche Verfahren muss er zusätzlich 2'000 Franken und fast ebensoviel für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren bezahlen. Für einmal fragt sich der Schreibende sogar, ob dieser Artikel wirklich in die Sparte «Kuriosum» passt, denn aus seiner Sicht ist das Urteil absolut richtig, unter anderem zum Schutz vor Auffahrkollisionen bei Rotlicht. Da die Gurtentragpflicht nicht nur den Fahrzeugführer, sondern auch die Mitfahrenden trifft, stellt sich dann aber doch die Frage, ob eine Mitfahrerin sich beim Rotlicht abgurten und aus dem Fahrzeug aussteigen darf. Auch sie würde sich dann nämlich «während der Fahrt» abgurten. Der Logik nach ist dann die Fahrt für sie zu Ende, während sie für den Fahrzeugführer weitergeht. Wie dem auch sei, es gilt: «Please fasten your seatbelt while the red light is on!»
Urteil des Bundesgerichts 6B_5/2011 vom 14. Juli 2011 – BGE-Publikation
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LISTE 6 IN DEN NATIONALRAT
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HINTERGRUND 12. Ausgabe, Oktober 2011
Ein Gegner, ein Kampf, aber kein Krieg {Text} * Carl Jauslin
Eine pazifistische Argumentation Terrorismus-Problematik
zur
Widerrede zum Artikel vom Ethiker Peter Schaub in der NZZ am Sonntag vom 8. Mai 2011 mit dem Titel «Darf man Terroristen töten?» Peter Schaub spricht vom gerechten Krieg gegen den Terrorismus, ein Argument, das in der Geschichte schon oft gewählt wurde, um Kriege zu legitimieren. Ich möchte nur den «heiligen Krieg» der Kreuzzüge erwähnen, um zu zeigen, dass diese Argumentation seine Schwachstellen hat. Wir bezeichnen uns im Gegensatz zu den Terroristen als die «Guten und Gerechten», wie auch immer diese definiert
sind. Wir haben Prinzipien und Überzeugungen, nach denen wir uns zu richten suchen; eine davon ist, nicht zu töten. Peter Schaub ist der Meinung, es gäbe Ausnahmesituationen. Dass es sich bei Terroristen um Ausnahmepersonen handelt, ist allen klar, jedoch rechtfertigen diese den Krieg nicht. «Das Ziel heiligt nicht die Mittel», heisst es so schön, nun, es gibt den Satz auch in umgekehrter Bedeutung, was aber schlicht absurd ist. «Krieg zum Frieden» – wir betrügen uns selbst. Wir verletzen unsere Prinzipien und unsere Überzeugungen, um sie aufrecht zu erhalten. Auf dem Weg, das Böse zu besiegen, werden wir selbst zu Bösen, denn wir haben
uns ihre Mittel angeeignet. Der Kampf der «Guten» ist gerade darum schwierig, weil sie gut sind, d.h. nicht zu jeden Mitteln greifen können. Darin liegt ihr Los und ihre Bestimmung, denn in dem Moment, wo sie zu den Mitteln der Gewalt greifen, sind sie es nicht mehr.
* Carl Jauslin, 19, Student der Philosophie und Rechtswissenschaft an der Universität Basel. Wohnhaft in Basel, hat römische Wurzeln und bereist und interessiert sich für die ewige Stadt
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DIE QUAL DER WAHL 12. Ausgabe, Oktober 2011
Die Qual der Wahl im Milchregal {Text} * Julia von Meiss
Ich war heute Morgen in der Migros. Nachdem ich mich mit einiger Anstrengung gegen den nähergelegenen Coop entschieden hatte. Und unter Ausschaltung meines Hirnareales, das sich von Produktverpackungen blenden lässt, die den Kunden mit allerlei edel anmutender Ästhetik und exquisiten, optischen Versprechungen dezent auf deren wahrscheinlich nicht ganz so erlesenen Inhalt hinweisen wollen. Ich stehe also im Migros vor dem Milchregal. Dem Milcher Regal? Die unzähligen Milchs (?), die dem urbanen Zürcher mit all seinen neuzeitlich trendgewordenen Geschmacksausprägungen, Allergien und Intoleranzen suggerieren, bei der Migros gut aufgehoben zu sein. Und wahrscheinlich gilt das ja für die ganze Schweiz. Dieselbe Produktpalette hat’s allweg auch im Aargau oder beim Daniel Bumann in La Punt. Ich jedenfalls sah mich gezwungen, mindestens einmal das ganze Sortiment auf Geschmack, Schaumentwicklung bei Bearbeitung durch einen Milchschäumer aus dem Interio und Haltbarkeit (wegen unregelmässigem Kosum – wichtig übrigens auch die olfaktorische Erträglichkeit des Gouts der Milch wenn
sie «übere» ist, v.a. morgens) zu untersuchen. Dieses Warentesten – wird übrigens auch in anderen Lebenslagen praktiziert – reduziert im Endeffekt wahrscheinlich meine Dissonanz, die oft entsteht, wenn ich mich zur Vereinfachung meines Lebensstils in eine langweilige Ein-Pro-
«Bei zu vielen Möglichkeiten werde ich nervös. Und mein Konto leerer.» dukt-Routine stürze. So kann ich bei optimaler Effizienz durch die Hallen der Konsumtempel marschieren und sicheren Griffes meine Güter des Vertrauens in den Korb befördern. Vorausgesetzt natürlich, ich habe die jeweiligen Artikel, die überhaupt in Frage kommen, in all ihren Ausprägungen schon degustiert. So ist das auch sonst. Beim Kleiderkaufen. Im Ausgang. Bei Filmen. Mit Freunden. Beim Arbeiten. Alles will mindestens einmal probiert, gemacht, gehört und gesehen worden sein. Damit man immer das Maximum hat. Oder zumindest glaubt, unter den vorliegenden
Optionen frei wählen zu können. Bei zu vielen Möglichkeiten werde ich nervös. Und mein Konto leerer. Bei erlittenen Einschränkungen in meinem Dasein als freie Konsumentin und Bürgerin werde ich dafür amel ein bisschen hässig. Das führt zu einer Aufwertung des Versäumten. Wie gestern im Kino, als wir uns zwischen zwei Filmen entscheiden wollten. Der blödere von beiden war ausverkauft, wir mussten uns den besseren anschauen. Ich habe mir während der Vorstellung und des Konsums meines Daumennagels zerknirscht überlegt, dass ich lieber den anderen Film gesehen hätte. Da tue ich mir selber wohl auch keinen Gefallen. Weder mit Nagelkauen noch mit Wankelmut. Immer noch vor dem Milchregal stehend, wollte ich also heute Morgen schon nach der einen Milch greifen. Da sah ich vor meinem inneren Auge den wiedererkennenden Blick und die Unbill suggerierenden, leicht angehobenen, graumelierten Augenbrauen der Kassiererin von Kasse 3. Und griff zu den Kafirähmli. * Julia von Meiss, Ex-Studentin der Uni ZH und auf den Einstieg in den MA of Fine Arts an der ZHdK hoffend
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u.a.: Prämierung des Artikel des Jahres
DIE QUAL DER WAHL 12. Ausgabe, Oktober 2011
Qual der Wahl
* Samuel Kaufmann, lebt in Z체rich, arbeitet als Industrial Designer und Illustrator
{Illustration} * Samuel Kaufmann
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DIE QUAL DER WAHL 12. Ausgabe, Oktober 2011
Ein Akt der Freiheit {Text} * Carl Jauslin
Im Allgemeinen wird der Akt des Entscheidens und Wählens als ein Akt der Freiheit bezeichnet, da es der betroffenen Person erlaubt, zwischen mehreren zur Auswahl stehenden Möglichkeiten abzuwägen und sich für die ihrer Meinung nach Beste zu entscheiden. Nun ist uns allen aber durch persönliche Erfahrungen bewusst, dass der Prozess der Entscheidungsfindung ein unangenehmes Gefühl mit sich bringen kann. Woher kommt es, dass ein Akt der Freiheit, der Entscheidung und des Wählens ein solch quälendes Gefühl hervorruft? Der erste Punkt liegt darin, dass man bei einer Entscheidung von der Passivität in die Aktivität gerissen, d.h. zum Handeln gezwungen wird. Oder besser gesagt: Man zwingt sich selbst, denn wenn man die Entscheidung nicht selber trifft, wird sie entweder von Anderen getroffen oder der Lauf des Lebens entscheidet für einen. Weil aber jeder, der bei Verstand ist, das Bedürfnis nach Autonomie und Souveränität verspürt, zieht jeder es vor, die Entscheidungen, die ihn betreffen, selbst zu treffen. So kommt es, dass man zwar bei der Entscheidung die Wahl hat, wofür man sich entscheiden will, aber indirekt (durch das menschliche Bedürfnis nach Selbstbestimmung) nicht, ob man über-
haupt entscheiden will. Dadurch also, dass es zwar die Freiheit in der Wahl, aber den Zwang zur Wahl gibt, entsteht ein gewisser Druck, der als quälend empfunden werden kann. Die Freiheit zu entscheiden wurde uns aufgezwungen. Denn im Grunde ist das Einzige, zu was uns
«Frei zu sein ist nicht nur ein Bedürfnis und wünschenswert, sondern auch eine Aufgabe und eine Last, die zu bewältigen ist.» die Freiheit zwingt, das Entscheiden. Hier kann an den Existentialismus von Sartre angeknüpft werden. «En fait, nous sommes une liberté qui choisit, mais nous ne choisissons pas d'être libres: nous sommes condamnés à la liberté.»
dass bei jeder Entscheidung die Verantwortung und die Konsequenzen auf dem Entscheidenden lasten. «Qual der Wahl» ist ein unbewusstes und nur scheinbares Paradoxon, wie ich zu erläutern versuche. Die Wahl zu haben heisst Freiheit haben. Daraus geschlossen müssten Aspekte der Freiheit als Qual empfunden werden. Freiheit heisst selbst entscheiden, Verantwortung und Konsequenzen für seine Entscheidungen tragen, kurz: aktiv sein. Hieraus wird das scheinbare Paradoxon aufgelöst. Wir sind dazu verurteilt frei zu sein, schrieb Sartre. Das heisst in gewissem Sinne die Qual der Wahl zu haben. Denn wenn wir dazu verdammt sind, frei zu sein, sind wir dazu verdammt, zu wählen und zu entscheiden. Mein Appell: Geht an die Urne und lasst weder Andere noch den Lauf des Lebens für euch entscheiden. Entzieht euch nicht der Verantwortung, denn wir sind dazu verdammt frei zu sein, d.h. demnächst zu wählen, wer uns im Parlament vertreten soll.
(L'existentialisme est un humanisme (1946), Jean-Paul Sartre, éd. Nagel, 1970, p. 37)
Frei zu sein ist nicht nur ein Bedürfnis und wünschenswert, sondern auch eine Aufgabe und eine Last, die zu bewältigen ist. Zur Qual der Wahl kommt der einfache Grund,
* Carl Jauslin, 19, Student der Philosophie und Rechtswissenschaft an der Universität Basel. Wohnhaft in Basel, hat römische Wurzeln und bereist und interessiert sich für die ewige Stadt
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DIE QUAL DER WAHL 12. Ausgabe, Oktober 2011
Die Wahl der Qual {Text} * Manuel Kaufmann
Die meisten Leute haben das Glück, als gut umsorgte, fröhliche, kleine Hosenscheisser geboren zu werden, die von morgens bis abends gepflegt, gefüttert, geliebt und unterhalten werden. Ich bilde da keine Ausnahme. Aber früher oder später wird dieses sorglose Dasein dann doch zu langweilig, und so arbeiten wir fleissig darauf hin, nach und nach etwas mehr Scheisse (natürlich nicht die in der Hose) in unsere Existenz zu injizieren. Wir haben die Qual der Wahl – nein, die Wahl der Qual, auf welchem Leidensweg wir zu einer Horde nörgelnder, alter Zyniker werden möchten, die im Tram die Leute zurechtweisen, das laute Sprechen gefälligst zu unterlassen, über die Islamisierung schimpfen und bei heiter Sonnenschein im Haus vegetieren, um von dem schönen Wetter nicht in die selbe ekelhafte, gute Stimmung gezwängt zu werden, der wir als Siebenjährige noch ständig hilflos ausgeliefert waren. Möglichkeiten gibt es viele: Wir können einen unbegründeten Hass auf die thailändische Küche entwickeln (im Ernst: Welcher gesunde Mensch mag thailändisches Essen nicht?!), Freunde für eine Fernsehserie versetzen, um die Asozialität etwas zu fördern, andere ständig auf grammatikalische Fehler hinweisen («wird ein Satz mit ‚weil‘ eingeleitet, so kommt das Verb am Ende, du Illiterat! Weil ist so!») oder ganz einfach vorbeigehenden Passanten mit einem Fisch ins Gesicht schlagen. Sollte es einem körperlich noch zu gut gehen, haben wir auch hier die Wahl der Qual: Persönlich habe ich mich für Tabak und komatöses Wochenendsaufen entschieden, aber auch harte Drogen oder das Springen in Dornenbüsche stellen reizvolle Alternativen dar. Und trotzdem: Die meisten die-
ser notwendigen, lebenszerstörenden Massnahmen dienen dazu, sich in eine soziale Nische zu integrieren. Wir sagen gerne, dass wir Menschen mit gleichen Interessen suchen, aber das stimmt nicht: Wir suchen Menschen mit gleichen Desinteressen. Denn nichts ist schöner als gemeinsam über Gott und die Welt abzukacken – so wie ich das hier tue. Wenn jetzt jemand einwenden will, dass ich diesen Text doch bestimmt al-
«Grundlos Leute beleidigen, Koks schnüffeln, die Freundin betrügen – das tut doch nun wirklich jeder.» leine schrieb, so kann ich versichern: Nein, ich befinde mich in bester Gesellschaft. Kennt ihr die Theorie von den Affen und Shakespeare? Sie besagt, dass man bloss eine unbegrenzte Anzahl Affen an Schreibmaschinen setzen muss, damit nach einer Weile unkoordiniertem Rumgetippe bei einem der Primaten ein Stück von Shakespeare rauskommt – Wahrscheinlichkeitsrechnung. Nun, ich bin einer dieser Affen. Leider kam noch kein Shakespeare raus, aber doch ein in sich kohärenter Text. Aber zurück zum Thema. Was will ich eigentlich aussagen? Diese Doppelmoral, mit all diesen Massnahmen sein Leben zu verschlechtern, und dieses Leid dann trotzdem zum Knüpfen von Freund- und Liebschaften zu missbrauchen, kotzt mich an. Wenn man schon sein Leben versauen will, dann bitte richtig. Deshalb plädiere ich bei der Wahl der Qual
für mehr Kreativität: Grundlos Leute beleidigen, Koks schnüffeln, die Freundin betrügen – das tut doch nun wirklich jeder. Man muss sich schon etwas mehr anstrengen. Warum nicht mal einen Nachmittag lang im Kreisspital rumlungern und Neugeborene verspeisen? DAS kann nun wirklich niemand gutheissen. Pizza Bambino, mit lecker Nabelschnur. Ein sicherer Garant dafür, einsam zu sterben. Denkt mal darüber nach: Noch nicht mal Armin Meiwes, der Kannibale von Rothenburg, würde ein Baby fressen, denn seine Geschichte zeichnet sich nicht zuletzt dadurch aus, dass er den Penis seines Opfers vertilgte. Bei einem Neugeborenen ist da schlicht zu wenig dran. Nach diesem Denkanstoss schliesse ich mit den Worten: Wir alle haben sie, die Wahl der Qual. Nutzen wir sie. Seien wir kreativ! Es liegt an uns, unser Leben – wie auch jenes unserer Mitmenschen – Tag für Tag ein klein wenig unerträglicher zu machen.
* Manuel Kaufmann, 22, Student der Populären Kulturen an der Universität Zürich, wobei ich in den Nebenfächern noch Publizistik und Chinesisch studiere (wobei ich auch ein halbes Jahr Japanisch in Fukuoka gelernt habe). Zu meinen Lieblingsautoren gehören unter anderen E.T.A. Hoffmann, Haruki Murakami und John Ajvide Lindqvist. Abgesehen vom Schreiben nimmt die Musik den wohl wichtigsten Teil bei mir ein, spiele Gitarre (akustisch wie elektrisch), allerdings im Moment ohne Band. Höre alles, was auf eine geistige Umnachtung bei den Urhebern schliessen lässt, sei es 70er Jazzrock, elektronische Musik à la Aphex Twin oder Xploding Plastix, obskure Metal- und Avantgardebands wie Sleepytime Gorilla Museum, aber auch Liedermacher wie Götz Widmann - und noch vieles mehr.
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DIE QUAL DER WAHL 12. Ausgabe, Oktober 2011
{Illustration} Deborah Gerber
Klischee Druck
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KREATIVES 12. Ausgabe, Oktober 2011
SdU15 {Illustration} * Vincenzo Iorio
* Vincenzo Iorio,Freischaffender K체nstler aus Z체rich, 26 Jahre alt, Italiener.
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KREATIVES 12. Ausgabe, Oktober 2011
Hase {Illustration} * Gian Steiner
* Gian Steiner kritzelt, schmiert und belichtet für sein Leben gern,
in seiner Freizeit fröhnt er dem Studententum.
(mailangian@bluewin.ch | www.gians-faerberei.ch)
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27.9.2011
16:23 Uhr
Seite 1
Ruf Lanz
Da isst jeder gern vegetarisch. 7b
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KUNST- & KULTURKOLUMNE 12. Ausgabe, Oktober 2011
Was ist Kunst {Text} * Dr. oec. HSG Olivia Bosshard
Zürich - und alle anderen Städte auch - sind voll von Kunst. In über hundert Galerien, Museen und anderen Kunstinstitutionen wird sie in dieser kunstliebenden Stadt gezeigt. Sie wird an den Universitäten gelehrt und es wird in unzähligen Artikeln, Büchern und Kolumnen wie dieser darüber geschrieben. Trotzdem gibt es auf die simple Frage «Was ist Kunst?» keine befriedigende Antwort. Kommt Kunst denn nun vom Können? Ist Kunst, was gefällt – oder ist Kunst, was sich verkauft? Oder ist Kunst ganz einfach alles, was in Galerien und Museen hängt, liegt, steht, flimmert, klingt? Nun, wenn es schon keine eindeutigen Antworten gibt, so gibt es doch wenigstens extrem hilfreiche Aussagen aus berufenen Mündern aller Jahrhunderte sowie Bücher, Blogs und Portale, die sie gesammelt haben. 1) Falls Kunst tatsächlich vom Können kommt, lässt sich mit Johann Nestroy sagen: «Kunst ist, wenn man‘s nicht kann, denn wenn man‘s kann, ist‘s keine Kunst.» Der Schweizer Objektkünstler Daniel Spoerri sagte, die Kunst sei ein hartes Geschäft, entweder man gehe drauf oder man schaffe es, und Schiller meinte: «Schwer ist die Kunst, vergänglich ihr
Preis.» Eine ebenfalls eher monetäre Definition stammt von Joseph Beuys, er schuf die griffige Formel "Kunst = Kapital". Er soll auch gesagt haben: «Die moderne Kunst ist tot.» Ähnlich wird auch Man Ray zitiert, von ihm stammt die Aussage «Kunst ist überholt». Martin Heidegger sah es philosophischer, er schrieb: «Die Kunst ist der höchste Wert.» «Kunst ist wenn man’s nicht kann, denn wenn man’s kann ist’s keine Kunst.» Johann Nestroy
Wilhelm Busch meinte: «Die Kunst ist die Verzierung dieser Welt.» Ästheten, Kunstliebhaber und Sammler werden sich dieser Aussage wohl anschliessen und die Menschen, die ohne Kunst gar nicht leben können, teilen sicher mit Lyonel Feiniger die Meinung: «Kunst ist nicht Luxus, sondern Notwendigkeit!» Max Pechstein fand lediglich: «Die Kunst ist eine Steigerung des Handwerks». Der gut drei Jahrzehnte früher geborene Max Liebermann beschied der Kunst immerhin «[…] die höchste Form des Handwerks» zu sein. Goethe machte wohl einst die ernüchternde, aber bis heute - oder gerade heute -
wahre Aussage: «Die Kunst ist lange bildend, ehe sie schön ist», soll aber auch gesagt haben: «Die Kunst an und für sich ist edel.» Edel? Auch Maler und Schriftsteller waren sich keineswegs einig. So stammt von Thomas Mann das Zitat «Die Kunst ist eine konservative Macht», von Charles Baudelaire lässt sich lesen «Was ist Kunst? Prostitution!», von Emil Nolde findet man das Zitat: «Kunst ist eine zutiefst männliche Funktion.» Und Wassily Kandinsky wird mit dem wohl wahren Satz zitiert: «Die Kunst ist ein kompliziertes Phänomen.» Das Schlusswort soll hier aber Richard Wagner haben mit: «Die Kunst bleibt an sich immer, was sie ist.» Oder um mit Gerhard Richter zu sprechen: «Kunst ist etwas Eigenes.» 1)1460 Antworten auf die Frage: Was ist Kunst? von Andreas Mäckler (Hrsg.), DuMont 2003, sowie www.aphorismen-archiv.de, www.zitate.de, www.zitate-portal.com
* Dr. oec. HSG Olivia Bosshard ist Leiterin der Zürcher Veranstaltungsplattform KION, sie schreibt monatlich zu den Themen Kunst & Kultur Antworte Olivia Bosshard auf leserbriefe@dieperspektive.ch
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KULTUR 12. Ausgabe, Oktober 2011
Ganz im Vertrauen und unter uns {Text} * Marco Büsch
Gemäss der Erfolgsserie «How I met your Mother» sagt jeder Mann mindestens einmal in seinem Leben, dass er unbedingt eine Bar eröffnen wolle. Ich will es nicht leugnen, mir ist es letzte Woche auch passiert. Ob es am bereits getrunkenen Bier lag oder an den fehlenden Möglichkeiten, um drei Uhr morgens einen über den Durst zu trinken, ist hierbei irrelevant, denn bis heute ist es nur eine Idee geblieben. Denn eigentlich will ich gar keine Bar eröffnen. Das macht doch wirklich jeder zur Zeit: Man schnappt sich ein paar gute Freunde, steckt sein ganzes Erspartes in die Sache und eröffnet eine Bar, einen Club oder ein Restaurant. Das ist derart Mainstream geworden, so trendig, so szenig. Richtig langweilig. Ich habe aber auf einer Tramfahrt an der Station Lochergut vorbei eine glänzende Alternative gefunden: einen eigenen Sexshop! Seit Jahren gibt es beim Lochergut drei konkurrierende Sexshops. So mancher hat sich sicherlich schon gefragt, wie dieses «Bermudadreieck der Sexshops» überhaupt überleben
konnte, so wie sie dort aufeinander kleben. Vor allem im neuen Zeitalter der Anonymität im Internet. Das konnte ja nicht gut gehen. Nun hat es also einem der Besitzer gereicht und er hat auf der Frontseite seines Ladens ein «zu
«[...] ich sehe hier die Chance, sich in seinem Umfeld und darüber hinaus unsterblich zu machen und dabei noch aus der Masse herauszustechen.» verkaufen»-Schild mit entsprechender Handynummer angebracht. Ich weiss nicht, wie es Ihnen geht, aber ich sehe hier die Chance, sich in seinem Umfeld und darüber hinaus unsterblich zu machen und dabei noch aus der Masse herauszustechen. Ich habe auch schon meine Freunde um Mithilfe gebeten. Wir hatten leider bis anhin noch keine Zeit, einen Business-
plan auszuarbeiten, geschweige denn einschlägige Banken um ein Darlehen zu bitten, aber die Idee wächst in unseren Köpfen und lässt uns nicht mehr los. Ein eigener Sexshop. Ein Ort zum Verweilen, ein Erlebnis, ein Abenteuer für Gross und... Gross. Vielleicht eröffnen wir auch einen Bar-Club-Sexkino-Shop und Sie sind die Ersten, die von diesem neuen Trend erfahren. Sie wären dabei gewesen, ganz von Anfang an. Aber eben, da ich nicht genau weiss, ob das wirklich alles klappen wird mit der Finanzierung und so und ich von Haus aus ein netter Mensch bin, würde ich Ihnen bei Interesse auch den Vortritt lassen. Daher verrate ich Ihnen besagte Handynummer (damit Sie nicht extra beim Lochergut vorbeifahren müssen ): 076 731 88 22.
* Marco Büsch, 21, Politologiestudent aus Zürich, Serienjunkie, Filmfan und Hobbyrapper marco.buesch@uzh.ch
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STADTKOLUMNE 12. Ausgabe, Oktober 2011
Mit oder ohne dich {Text} * Apachenkönig Huntin’beer
Hoppla... Schon wieder? Muss das sein? Mir doch egal! Im Ernst jetzt! Ich bin ein spätpubertierender Protestnichtwähler aus Züri und wähle Paul Panther! Hat doch eh keinen Sinn! Die machen doch eh was sie wollen... Niemand mag mich! Niemand hört mir zu! Niemand hat mich lieb... Falls du so denkst - heul doch! So eine verdammte, gequirlte EMO-Scheisse! «Abr ich weiss nöd» gibt‘s nicht! Nimm dir 15 Minuten in deiner übermedialisierten Umwelt und informier dich! Es ist nicht immer einfach, klar. Wenn Mauch, Martelli oder das ungeheure Jane Fonda-Double Susi Gut zur Stapi-Wahl antanzen, sage ich auch: «Ach, leck mich doch am Arsch!» Sogar öfters. Sie hätten lieber eine Partie Uno spielen sollen und der Gewinner bekommt das Ämtli. Falls du soooooo viel schlauer bist, gründe eine Partei! Oder trete einer bei! Wenn du nicht denken magst oder kannst, sagen die dir dann, was richtig oder falsch ist. Bist du rot, grün oder doch eher der SünneliTyp? Vielleicht bist du ja auch liberal und weisst es nur noch nicht!? Oder bist du doch eher ein liberaler FDPler? Eventuell bist du auch alternativ, oder sogar alternativer? Aber Nichtwähler wählen SD, weil sie Scheindemokraten sind, und das darf man nicht zulassen! Du wählst schon dein
ganzes Leben! Das fängt spätestens mit einem Fussballtrikot an und hört frühestens mit See- oder Feuerbestattung auf! Züri oder GC? Cervelat oder Bratwurst? Chinawiese oder Rentenanstalt? Unterer oder oberer Letten? Apachen oder Sioux? Mit oder ohne scharf? Bitte sei kein dummes Schwein, so wie die ca. 60 Prozent unserer Mitbürger, welche die Urne normalerweise meiden! Spätestens bei der Feuerbestattung holt sie dich sowieso. Mit oder ohne dich habe ich eine Wahl! Mit oder ohne dich wähle ich! Mit oder ohne dich wird gewählt! Heute habe ich gewählt. Mit oder ohne scharf? Nö... Aber die Safari-Bar und einen Steakhouse-Burger mit Pommes ohne Ketchup. Eine gute Wahl! Also nimm den Finger aus dem Arsch und urnaniere! In Liebe und Ahoi Apachenkönig Huntin’beer
* Apachenkönig Huntin’beer ist aus Zürich, deshalb schreibt er auch die Stadtkolumne. Antworte dem König auf leserbriefe@dieperspektive.ch
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EDITORIAL 12. Ausgabe, Oktober 2011
Liebe Leserinnen, liebe Leser Wenn es bei dieser Ausgabe mal keine Qual ist, zu wählen. Wieder einmal unzählige herausragende Texte und Illustrationen. Da kommt man doch glatt in Versuchung, gleich alles auf einmal zu lesen. Diesmal machen wir euch die Auswahl noch ein bisschen schwerer; diese Ausgabe von dieperspektive hat nämlich kein Hinten und kein Vorne. Da muss man sich noch entscheiden, auf welcher Seite man nun mit dem Lesen beginnt. Ja, liebe Leser, ihr seht, wir verlangen immer mehr von euch. Erst müsst ihr alle Beiträge dieser Zeitschrift selber gestalten, und jetzt müsst ihr auch noch entscheiden, wo vorne und wo hinten ist. Wenn das so weiter geht, müsst ihr bald noch das Thema der Ausgaben selber wählen. Und genau das tun wir jetzt. Wir suchen Vorschläge für das neue Jahr. Ihr dürft wählen. Was soll unsere Leserschaft ab nächstem Jahr beschäftigen? Das liegt in euren Händen. Sendet eure Themenvorschläge bis zum 31. Oktober an thema@dieperpsektive.ch. Am 18. November werden wir anlässlich unserer DADA-Ausgabe im Cabaret Voltaire einen kleinen Anlass schmeissen. Dabei werden wir auch besonders gelungene Beiträge des ersten dieperspektive-Jahres küren. Bei dieser Gelegenheit möchten wir natürlich möglichst viele von euch geschätzten Leserinnen und Leser persönlich begrüssen. Also merkt euch den Freitag, 18. November, denn dann sollt ihr um 18:00 Uhr ins Cabaret Voltaire höseln. Mehr Informationen dazu gibt’s in der Novemberausgabe. Jetzt aber genug, schliesslich liegt eine frische dieperspektive in euren Händen. Vorhang auf für die Oktoberausgabe mit dem Thema «Die Qual der Wahl». Nur eins noch: Am 23. Oktober sind Wahlen. Und an diesen sollten wir uns alle beteiligen, sonst haben wir nachher die Qualen.
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Das Aschenbrödel hatte die Zaubernüsse, das Maschenbrödel hat das Zauberlaub. Goldene Blättchen mit edlen Steinen in zauberhaften Farbkombinationen. Wer kann den da noch widerstehen? Bestimmt kein Förster und auch kein Prinz der gerade auf der Jagd ist. Und wer weiss, vielleicht bist du des hübschen Prinzen nächste Beute.
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Conradin Zellweger Redaktor
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INHALT 12. Ausgabe, Oktober 2011
EDITORIAL
IMPRESSUM
seite 03b: liebe leserinnen, liebe leser
REDAKTION dieperspektive, simon jacoby, conradin zellweger, manuel perriard, bremgartnerstrasse 66, 8003 zürich
KULTUR
um
TEXT s.a.j. | p.w. | m.s. | j.r. | c.j. | d.l. | j.v.m. | m.k. | o.b.| m.b. | a.h.b.
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ILLUSTRATION / BILD
seite 04b: mit oder ohne dich kol seite 05b: ganz im vertrauen und unter uns
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LEKTORAT mara bieler & daniela bär WEBDESIGN timo beeler | timobeeler.ch REDAKTIONSMITARBEITER jonas ritscher & konstantin furrer DRUCK
DIE QUAL DER WAHL
zds zeitungsdruck schaffhausen ag AUFLAGE
seite 11b: die wahl der qual seite 12b: ein akt der freiheit
4000 ARTIKEL EINSENDEN artikel@dieperspektive.ch WERBUNG conradin@dieperspektive.ch ABO abo@dieperspektive.ch LESERBRIEFE leserbriefe@dieperspektive.ch FRAGEN | FEEDBACK info@dieperspektive.ch THEMENVORSCHLÄGE thema@dieperspektive.ch THEMA DER NÄCHSTEN AUSGABE dada (du da, dada da) GÖNNERKONTO pc 87-85011-6, vermerk: gern geschehen REDAKTIONSSCHLUSS sonntag 16. oktober 2011, 23.55 uhr
DIE NEUERUNGEN • Neues Layout • «das Duell»
jeden Monat duelliert sich ein Mitglied der Redaktion mit Peter Werder zum aktuellen Thema.
• Fixe Autoren
in den nächsten 6 Monaten schreiben Mario Senn, Olivia Bosshart und Apachenkönig Huntin’ Beer über Politik, Kunst & Kultur und das Zürcher Stadtleben. Gleich bleibt: Beiträge einsenden an artikel@dieperspektive.ch
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12. Ausgabe Oktober 2011
Die Qual der Wahl
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Mit oder ohne dich
Apachenkönig Huntin’ beer geht wählen.
Was ist Kunst
Wo fängst sie an, wie gross ist sie, und wo hört sie auf?
Hase
Das tragische Schicksal des Versuchskaninchens.