DIE SCHNEIDERIN N°03

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DIE

SCHNEIDERIN Mode und DIY aus Österreich

ANLEITUNG Zero Waste Kimono HANDWERK Klöppeln NÄHPRAXIS Vorhang nähen

N°03

INTERVIEW Marianne Kohn


“Do what you love, love what you do” Unterschiedlicher könnten die Protagonistinnen unserer aktuellen Ausgabe nicht sein: Marianne Kohn, Doyenne der österreichischen Kneipenszene, Eugénie Hadinoto, Grafikerin mit Leidenschaft für Geometrisches, Elisabeth Rössler, ehemals Lehrerin für Textiles Gestalten oder die Klöpplerinnen, die sich dem Erhalt einer alten Tradition verschrieben haben. Was sie verbindet? Sie alle eint eine unbeirrbare Zielstrebigkeit, ihre Ideen und Leidenschaften zu verwirklichen. Sie leben ihre Träume und gehen einer Arbeit nach, die nicht nur Job sondern Berufung ist. Wir haben mit Melanie Stiebner gesprochen, die ihre erfolgreiche Konzernkarriere aufgegeben hat und sich nunmehr dem Erhalt des Familienunternehmens widmet. Wir lernen die Zwirnpiraten und ihre Partnerinnen kennen und begleiten einen Abend lang die Bloggerin Selina Englmayr, die aus einem Stück Stoff ein Kunstwerk entstehen lässt. Wir wünschen viel Vergnügen beim Lesen!

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CONTRIBUTOR CORNER Eugénie Hadinoto Die Surface Pattern Designerin unterrichtet an der HTL Spengergasse und entwirft unter “designattack” Grafikdesigns für renommierte Kunden.

Bernadette Lietzow Die ausgebildete Historikerin arbeitet als freie Kulturjournalistin in Wien.

Herausgeberin Helga Neubauer Redaktionelle Mitarbeit Eugénie Hadinoto Sabine Mund Stefanie Kroth Bernadette Lietzow Kontakt info@dieschneiderin.net Anzeigen Helga Neubauer info@dieschneiderin.net +43 (0) 699 1924 88 77 Druck Reumiller & Reumiller OG

Sabine Mund Die Inhaberin der einzigen Wiener Buchhandlung zum Thema DIY ist Expertin für Do it yourself-Literatur und Handwerken.

Medieninhaber DIE SCHNEIDERIN ist eine Marke der Schnittmenge e.U.

Stefanie Kroth Die gelernte Schnittdirektrice entwirft Schnittmuster für ihr Label “SO Pattern” und ist unter anderem Dozentin für Schnittkonstruktion und Modedesign in München.

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16. Interview: Bloggerin 19nullsieben

40. Shibori: Japanische F채rbetechnik

18. Schnittmuster Zero Waste Kimono von SO Pattern 4

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38.

Vorhang n채hen: Schritt-f체r-SchrittAnleitung

24.

Marianne Kohn im Interview

06.

Portr채t: Die Zwirnpiraten


34. Altes Handwerk Klöppeln

32. Blick ins Buch: Die neuesten Nähbücher 22. Sieben Sachen: Selbstgemachtes und zum Selbermachen

14.

10. Eugénie Hadinoto über Surface Pattern Design

Stoffe einfach beschichten DIE SCHNEIDERIN

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PORTRÄT

DIE ZWIRN PIRATEN Das Miteinander wird großgeschrieben bei den Zwirnpiraten, die nicht nur Händler, Stoffproduzenten sondern neuerdings auch Inhaber eines Ladengeschäfts im burgenländnischen Neufeld an der Leitha sind. Familienbande Sandra, Mama Silvia und die Kinder Elisabeth und Andreas. Drei Generationen, gekleidet in einer ZwirnpiratenEigenproduktion.

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er Zollstock muss mit aufs Foto, denn der gehört der Urlioma, die zwar jetzt im Alter nicht mehr nähen kann, aber zeitlebens eine leidenschaftliche Handarbeiterin war. Wie alle in der Familie Zwirnpiraten, denen nicht nur der Sinn fürs Handwerk, sondern auch fürs Geschäftliche mitgegeben ist. Seit Sandra und Charlie 2016 den kleinen Online-Shop für ausgewählte Stoffe eröffnet haben, hat sich einiges getan: Viele Meter Stoff wurden ein- und verkauft, Partnerschaften wurden geschlossen und eigene Ideen wurden verwirklicht. Der aktuelle Streich: ein eigenes Ladengeschäft in der kleinen bürgenländischen Gemeinde Neufeld, bequem mit dem Auto zu erreichen, weil es unmittelbar an der Bundesstraße liegt. Hier stöbert und entdeckt man gerne, und man spürt in dem liebevoll eingerichteten Geschäft die Leidenschaft für Stoffe und Textiles. Kräftig unterstützt werden die beiden von Mutter Silvia, die nicht nur überall hilft, sondern auch Designbeispiele näht, die Qualität der Stoffe testet und eine gute Ratgeberin ist.

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Eisenstädter Straße 31 2491 Neufeld/Leitha Öffnungszeiten: Mo 09:00-12:30 und 15:00-17:00 Di 10:00-12:30 Mi 09:00-12:30 Do 10:00-12:30 und 15:00-17:00 Fr 09:00-12:30 und 16:00-18:00 Sa 10:00-15:00

ONLINE SHOP www.zwirnpiraten.at

“Von meiner Mama habe ich auch nähen gelernt”, erklärt Sandra, die vor der Unternehmensgründung als Team- und Schulungsleiterin im Marketing gearbeitet hat und sich jetzt ihren Traum erfüllt hat.

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as erwartet uns als nächstes bei den Zwirnpiraten: Familiär wird es Zuwachs geben, ein drittes Kind macht die Familie komplett. Und kreativ und geschäftlich wird stetig an neuen Designs gearbeitet, die den unverwechselbaren Stil der Zwirnpiraten ausmachen. Im Frühling und Sommer 2019 steht Badebekleidung zum Selbernähen im Fokus. Neben dem hochwertigen Zubehör für Badeanzüge und Bikinis wird die Produktlinie um eigene Design auf Badelycra aus der kreativen Feder von Christine Hanel alias Cat Wienett erweitet. “Mit den sorgfätig gearbeiteten Schnittmustern, den Badeanzugstoffen und dem Zubehör bieten wir jetzt alles aus einer Hand, damit sich unsere Kundinnen ein perfekt passendes Badeoutfit nähen können”, erzählt Sandra stolz.

Neues von den Zwirnpiraten: “go wild” als Exklusivdesign von Cat Wienett auf Badelycra gedruckt. DIE SCHNEIDERIN

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Schnittmusterpartnerin Yvonne Hamm / VIVA LA MILA “Nähen ist für mich irgendwie wie singen unter der Dusche, meine Designs kommen aus dem Herzen und sind mit viel Arbeit, unter anderem an der Puppe, entstanden”, beschreibt die EbookDesignerin Yvonne ihre Arbeit. Für die kreative Hobbyschneiderin, die das Handwerk von der Pike auf von ihrer Mutter gelernt hat, ist ihre Tätigkeit wie ein Geschenk. Den Austausch und das Miteinander in den Probenähgruppen und in der Nähgemeinschaft findet die Mutter zweier Töchter unbeschreiblich schön und inspirierend.

Sandra mit Christine Hanel (Cat Wienett) bei der Geschäftseröffnung im Dezember 2018

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anz wichtig sind für Sandra die Partnerschaften mit Cat Wienett, der Grafikerin, die für die neuen Muster verantwortlich zeichnet, und natürlich mit den Schnittmusterdesignerinnen. Designerin Christine Hanel / Cat Wienett “Als Kind habe ich mich stundenlang mit Zeichnen und Basteln beschäftigt, habe darüber Zeit und Raum vergessen und war völlig entspannt in meiner kleinen bunten Welt”, sagt Christine, die unter dem Namen Cat Wienett für die Zwirnpiraten exklusive Designs erstellt und dabei all ihre Inspiration einfließen lässt. Ihre liebste Stilrichtung ist das “Art déco” mit den ausdrucksstarken Farben und abstrakten Formen, so die Fotografin, die nach ihrer Ausbildung noch ein Studium zur MultimediaDesignerin absolviert hat. Die selbsternannte kreative Chaotin lebt mit ihrem Mann, zwei Kindern und zwei Katzen in der Nähe von Wien.

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Schnittmusterpartnerin Martina Blasius / TINAlisa “Eigentlich kam immer nur ein Beruf in Frage, der mit Kreativiät zu tun hat”, erzählt Martina, die sich 1979 nach dem Abitur entschlossen hatte, Modedesign zu studieren. Besonders fasziniert hat sie dabei, eine Idee von der ersten Skizze über die Schnittentwicklung bis hin zum fertigen Werk selbst in der Hand zu haben. Vor vier Jahren brachte sie eine Freundin auf die Idee, Ebooks für Schnittmuster zu verlegen. Besonderen Wert legt sie dabei auf Passform und Stil. Schnittmusterpartnerin Daniela Künz / Phibobo’s Zaubernadel Mit dem Sprung in die Selbständigkeit Anfang 2018 kann Dani, kreativer Kopf, Direktrice, Managerin, Texterin und Designerin hinter Phibobo’s Zaubernadel endlich all ihre Ideen ausleben und umsetzen. Der Name des Labels ist eine Hommage an ihre Kinder - ihre Musen, wie sie betont. Phia ist der Spitzname ihrer Tochter, und Bobo ist der Kosename des jüngsten Sprosses. Neben einer Vielzahl an Kinderschnitten entstehen aus ihrer Hand auch exklusive Damenschnitte. Namenspatin dafür ist sie selbst mit der Endung ihres Namens Niela.

“Die Zwirnpiraten Partnerinnen sind inzwischen zu richtigen Freundinnen geworden.”


Phibobo’s Zaubernadel Daniela Künz, die das Rattern in ihrem Kopf einfach nicht ausstellen kann.

Viva la Mila Yvonne Hamm: Hobbyschneiderin mit vielen Traumen und Ideen.

TINAlisa Martina Blasius: Nähen ist ihre große Leidenschaft.


INTERVIEW

MUSTER DESIGN Die Surface Pattern Designerin Eugénie Hadinoto unterrichtet an der HTL Spengergasse, entwirft unter “designattack” Grafikdesigns für renommierte Kunden und bezeichnet sich selbst als „riesigen Musternerd“. Dieses Jahr hat sie unter das Motto „52 Weeks of Patterns and Products“ gestellt und zeigt auf ihrer Website www.geometria.design jede Woche neue Muster. Seit kurzem bietet sie mit ihren „Muster Design Sessions“ auch Kurse für Modedesigner an.

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EiGENPRODUKTION Musterdesign und Fertigung

u verwendest den Begriff Surface Pattern Design, was versteht man darunter, wo liegt der Unterschied zwischen Grafikdesign, Textildesign und Surface Pattern Design? Der Begriff Surface Pattern Design bezieht sich grundsätzlich auf die Gestaltung von Oberflächen. Dies geschieht durch Farben, Materialien, Texturen, Bilder und Muster. Zu den gestaltbaren Flächen zählt eigentlich alles, was eine Oberfläche hat: Textilien, Papier, Gebäudefassaden, alles was man im Interiorbereich findet, Accessoires, Elektronikwaren etc. Der Begriff kommt aus dem englischsprachigen Raum und hat sich, meiner Erfahrung nach, bei uns noch nicht wirklich durchgesetzt. Surface Pattern Design wird bei uns gerne auch mit Textildesign gleichgesetzt, vor allem, wenn es um die Gestaltung von Musterdesigns geht. Textildesign würde ich allgemein so definieren, dass es sich logischerweise auf die Gestaltung von Textilien konzentriert. Im Grafikdesign gibt es, wie beim Textildesign, ebenfalls eine Überschneidung zum Surface Pattern-Bereich, nämlich dort, wo es um die Gestaltung von Mustern geht. Muster sind im Grafikbereich definitiv aktuell: Blockartige, geometrische Formen oder Neo Memphis etc., ansonsten geht es im

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“Surface Pattern Design wird bei uns gerne auch mit Textildesign gleichgesetzt, vor allem, wenn es um die Gestaltung von Musterdesigns geht.”

Grafikdesign natürlich um gänzlich andere Dinge (lacht). Was ist das zentrale Produkt eines Surface Pattern Designers? Musterdesigns sind sicherlich das zentrale Produkt eines Surface Pattern Designers. Wer sind die Kunden von Surface Pattern Designern? Die Kunden kommen aus unterschiedlichen Bereichen wie Textil, Fashion, Interior & Lifestyle etc. Du hast Deine Masterthesis zum Thema Surface Pattern Design in Österreich geschrieben. Darin untersuchst Du bzw. legst dar, dass es im Gegensatz zu anderen Ländern keine relevante Surface Pattern Design Szene gibt. Woran liegt das? Ich würde mal sagen, dass es ein Zusammenspiel von verschiedenen DIE SCHNEIDERIN

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Surface Pattern Design gibt es wahrscheinlich schon seit es Menschen gibt. Bereits auf den über 5000 Jahre alten Ggantija-Tempeln auf Malta sind musterartige, kreisförmige Einkerbungen zu sehen. Wie kommen österreichische Textilbetriebe zu ihren Designs? Welche Textilbetriebe? (lacht) Naja, ich nehme an, dass größere Betriebe wie beispielsweise Backhausen ihre eigenen Designer haben. Warum kooperieren kaum österreichische Modedesigner mit Surface Pattern Designern? Das frage ich mich auch. Ich denke, dass es einerseits wenig Bewusstsein für Surface Pattern Design in Österreich gibt und andererseits die wenigen vorhandenen Surface Pattern Designer nicht sichtbar genug sind.

Faktoren ist, angefangen von der fehlenden umfassenden Ausbildung in Österreich über die hohe Einstiegshürde ins Business bis hin zur fehlenden Industrie vor Ort. Möchte jemand ein Surface Pattern Design Studio in Österreich gründen, gibt es zahlreiche Umstände, die den erfolgreichen Einstieg erschweren: • Eine Teilnahme an Messen ist für Einsteiger in der Regel sehr teuer. • Es stehen keine nennenswerten Plattformen für Informationsaustausch zur Verfügung. • Für Schüler und Studenten gibt es nur wenige Praxisplätze, um Erfahrungen und Kontakte zu sammeln. • Der Begriff Surface Pattern Design ist der Wirtschaftskammer Österreich und Institutionen der heimischen Kreativwirtschaft weitgehend unbekannt. Es gibt nahezu keine fachspezifische Unterstützung der Wirtschaftskammer bei der Gründung in Bezug auf Surface Pattern Design. In welchen Ländern ist Surface Pattern Design besonders präsent? Woher kommt Surface Pattern Design? Surface Pattern Design, auf Musterdesign-Studios bezogen, ist sicherlich in Großbritannien sehr präsent, verstärkt durch den Arts and Crafts Background. Man denke nur an die wunderbaren, floralen Muster von William Morris. In Skandinavien gibt es ebenfalls viele Studios wie beispielsweise Marimekko. Dort sind Muster und Ornamente einfach Tradition. Und Italien, das durch seine Modeindustrie ideale Abnehmer für Muster hatte, ist ebenfalls ein wichtiges Zentrum. Mittlerweile sind aber schon viele Produzenten nach Asien abgewandert, was wiederum die Anzahl der Musterdesign-Studios in Italien verringert hat. Ansonsten gibt es natürlich viele Länder, in denen Musterdesigns eine wichtige Rolle spielen, wie in manchen afrikanischen Staaten, beispielsweise Nigeria oder in Indien, Japan etc. Ich habe mich vorhin aber auf die Präsenz von Designstudios auf den großen Messen beschränkt.

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Einige kleine österreichische Stoffhändler wie z.Bsp. Zwirnpiraten produzieren ihre eigenen Stoffdesigns, sogenannte EPs – eine gute und spannende Entwicklung? Ja, sicherlich eine tolle Entwicklung. Durch die Möglichkeit des digitalen Textildrucks kann man heute schon geringe Metragen zu einem vernünftigen Preis produzieren lassen. Der Umwelt zuliebe sollten sich Designer aber darauf konzentrieren, nachhaltig zu produzieren. Also weg von der Fast Fashion und vom Verbrauchsartikel hin zum Gebrauchsartikel, der nicht nach einer Saison weggeworfen wird. Seit kurzem bietest Du die „Musterdesign Sessions“ an. Was lernt man in Deinen Kursen? Momentan gibt es eine kleine Pause für die analogen Musterdesign Sessions, weil ich gerade dabei bin, Online Tutorials zu entwickeln. Die Tutorials sollen dann alle Aspekte des Musterdesigns abdecken, angefangen von umfassenden Programmkenntnissen (Adobe Illustrator und Photoshop) über Ideenfindung, Motiventwicklung, Rapportierung bis hin zur Produktionsvorbereitung und Präsentation. Eine Frage an die Expertin: Welche Muster werden die kommende Sommermode dominieren? Hmm, sicherlich Geometrisches (groß und blockartig, aber auch kleinteilig und dezenter), Streifen, Texturen und Animal Skin. Florales ist sicherlich heuer auch dabei. Ich bin gespannt, was sich davon bei uns in Österreich durchsetzen wird.

GEOMETRIA / Eugénie Hadinoto www.geometria.design Kursinfo: Interessenten können sich gerne für den Newsletter auf www.geometria.design anmelden und bekommen als erste die Kursdaten und –infos zugeschickt.


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TUTORIAL

STOFFE BESCHICHTEN DIe Surface Pattern Designerin Eugénie Hadinoto zeigt uns, wie man in wenigen Arbeitsschritten Stoff selber beschichten kann. Fotos und Anleitung: Eugénie Hadinoto

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erade für Nähwerke, die im täglichen Gebrauch Wasser oder Schmutz ausgesetzt sind, wie Kosmetiktaschen, Tischsets, Regenhüte oder Rucksäcke, ist es ideal, beschichteten Stoff zu verwenden, damit sie länger schön bleiben. Weil es nicht immer leicht ist, diese beschichteten Stoffe auch noch mit dem Lieblingsmuster oder in der Lieblingsfarbe zu bekommen, kann man ganz leicht Stoffe selber beschichten und ihnen so die Eigenschaft eines Wachstuchs verleihen.

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Was man dazu braucht: Stoff (am besten Baumwollstoffe) einen breiten Kunststoffpinsel Zeitungspapier, Packpapier ein altes kurzes Lineal OdiCoat Gel zur Stoffbeschichtung


SCHRITT 1: Arbeitsplatz vorbereiten. Zeitungspapier oder Packpapier ausbreiten und den Stoff darauf legen.

SCHRITT 2: Stoff mit OdiCoat Gel einstreichen Den Pinsel in das Gel tauchen und großzügig auf der rechten Stoffseite auftragen.

SCHRITT 3: Mit dem Pinsel Kleckse auf dem Stoff verteilen und gleichmäßig verstreichen.

SCHRITT 4: Der Stoff sollte komplett mit Gel benetzt sein und sich feucht anfühlen.

SCHRITT 5: Das überschüssige Gel mit einem alten LInial entfernen und wieder zurück in den Odicoat Behälter geben.

SCHRITT 6: Stoff zwei Stunden trocknen lassen und Schritt 1-5 wiederholen. 12 Stunden trocknen lassen und anschließend bei mittlerer Hitze bügeln.

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STITCHING SESSION 16

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Selina Englmayer bloggt seit 2009 unter dem Namen “19nullsieben”. Im Herbst 2018 hat sie ihr neunjähriges Blog-Jubiläum mit einer Festwoche gefeiert. Wir haben Sie bei Walter Lunzers Stitching Sessions im schnittBOGEN besucht und ihr bei der Arbeit an einem Cardigan über die Schultern geschaut.

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as ist bei der Stitching Session entstanden? Ich habe bei Veronika Persché in ihren Knitting Sessions einen Stoff für einen Cardigan gestrickt. Das Stricken auf der Strickmaschine ist unglaublich cool, faszinierend und hat mir sehr viel Spaß gemacht! Der Stoff ist aus feiner Merinowolle, hat ein Muster, ein so genanntes Fangpatent, und ist wirklich etwas sehr Besonderes. So besonders, dass ich großen Respekt hatte, aus der Meterware einen Cardigan zu nähen. Also habe ich mich in Walter Lunzers Hände begeben und mit seiner Unterstützung auf der Schneiderpuppe den Cardigan entwickelt. Die Jacke ist super geworden, Design und Strickstoff sind echt großartig. Hast du schon eine Strickmaschine? Ähm nein! (lacht) Aber ich überlege schon, wo ich Platz dafür schaffen könnte. Welche Bedeutung hat Dein Bloggername 19nullsieben? 19nullsieben steht für den 19. Juli, meinen Geburtstag. Wenn Du auf das Jahr 2009 zurückblickst, was war Deine Motivation, einen Nähblog zu starten? Ich habe damals amerikanische QuiltBlogs für mich entdeckt, fand dort sehr viel Inspiration und Know-how. Und diese Inspiration wollte ich irgendwie zurückgeben und teilen. Außerdem schreibe ich gern. Du hast inzwischen über 700 Blogposts veröffentlicht, was bedeutet Dein Blog für Dich? Mittlerweile ist mein Blog für mich ein großes Näh- und Strickarchiv geworden. Das finde ich ziemlich praktisch. Außerdem genieße ich die

PROFITIPPS Mit Stitching Sessions-Experte Walter Lunzer

DIY-Community und stelle gerne neue Schnittmuster vor, teile Erfahrungen und meine Ideen, genauso wie ich mich über Inspiration und Wissen von anderen Bloggerinnen freue. Ich hab durch das Bloggen auch einige Freundschaften geschlossen, tolle Frauen kennengelernt, spannende Kooperationen ins Leben gerufen… Wie viel Zeit investierst Du in Deinen Blog? Das ist sehr unterschiedlich und wirklich sagen kann ich das nicht. In einem Blog steckt aber mehr Zeit als man tatsächlich sieht. Also ein Blog braucht mehr als die Zeit, die man fürs Fotografieren und Texten benötigt. Du hast vor neun Jahren mit einigen Quilting- und Patchwork-Projekten begonnen, in welche Richtung hat sich Dein Interesse verändert? Das Stricken ist dazugekommen. Und ich nähe jetzt hauptsächlich Kleidung für mich, meinen Sohn und auch für meinen Mann. Für Quilts fehlt mir zur Zeit die Geduld, außerdem macht mir das Nähen von Kleidung großen Spaß. Ich trage gerne Sachen, die zeitlos und für mich maßgeschneidert sind. Ich setze damit auch der Konsumkultur etwas entgegen. Bei selbst genähter Kinderkleidung finde ich es außerdem gut, Individualität und Vielfalt in dieses ganze klischeehafte

“Buben-Mädchen-Ding” zu bringen. Was war Dein spannendstes NähProjekt? Das war wahrscheinlich mein Brautkleid. Eigentlich wurden es zwei Brautkleider, denn das Probekleid in Schwarz habe ich dann am Standesamt getragen. Entstanden sind die Kleider auch bei Walter Lunzer in den Stitching Sessions. Walter ist so ein toller Modepädagoge, sehr wertschätzend, ich habe von ihm wirklich viel gelernt und mir aus dem Prozess von Design und Nähen sehr viel mitnehmen können. Was hast Du für die Zukunft geplant? Ich möchte mir treu bleiben, authentisch sein, meinen LeserInnen interessante Inhalte bieten und einfach schauen, was kommt. Da Nähen und Bloggen meine Hobbies sind, kann ich mir diese Offenheit auch leisten! BLOG 19nullsieben https://19nullsieben.blogspot.com STITCHING SESSIONS mit Walter Lunzer www.walterlunzer.com STRICKSTOFF von Veronika Persché Strickdesign www.persche.com

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ANLEITUNG

ZERO WASTE KIMONO Kimonos sind leicht zu nähen und als Jacke oder als Kleid getragen ein toller Begleiter durch die Sommertage. Die “SO Pattern”-Designerin Stefanie Kroth zeigt uns einen Kimono-Schnitt in Zero Waste-Technik.

Länge in der hinteren Mitte: 105 cm

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ei der industriellen Fertigung von Bekleidung werden beim Zuschnitt ungefähr 15% des Materials verschwendet und weggeworfen. Seit Jahren arbeiten Designer an einer Technik, um Mode möglichst ressourcenschonend und ohne Abfall herzustellen. Bei dieser “Zero Waste-Technik” werden die Zuschnittpläne optimiert und die Stoffmenge wird bestmöglich genutzt. Der klassische Kimono wird traditionellerweise aus 40 cm breiten Stoffbahnen ohne Verschnitt zugeschnitten. Die Designerin Stefanie Kroth zeigt uns in

DIE SCHNEIDERIN eine Version für eine Stoffbreite von 110 cm. Einmal quer gelegt, um die Bordüre, die Seitenkante der Stoffbahn, als Saum zu nutzen und einmal längs im Fadenlauf gelegt. Das ausführliche Kimono-Schnittmuster in lang und in kurz mit Zuschneideplänen für Stoffbreiten von 140 cm inkl. ausführlicher Nähanleitung sind bei www.so-pattern.de erhältlich.


Kimono mit mittelweiten Ärmeln. Die Ausschnitt- und Ärmelblenden sowie der Bindegürtel sind aus Kontraststoff. Schnittdesign: Stefanie Kroth

Weite Brustumfang/Hüftumfang Beim fertigen Kimono: 140 cm (entstpricht ungefähr Größe S - L) Bei der „Bordürenvariante“ ist die Überlappung vorne etwas geringer, daher weniger Stoffverbrauch.

MATERIAL • Stoffqualität: Webware, leichte, mittelschwere oder fließende Stoffe, z.B. Batist, Popeline, Viskose, Leinen, Seide, Jacquard, Handlooms • Nähgarn • Bei ganz leichten Stoffen können Blenden und Gürtel mit Vlieseline H180 verstärkt werden.

STOFFBEDARF: Bordürenvariante (Fadenlauf ist um 90° gedreht) Stoff 1 / Hauptstoff Breite 110 cm Stoff 2 / Kontraststoff für die Blenden Breite 110 cm

Variante 2 (Stoff ist im Fadenlauf)

1,9 m

2,2 m

0,5 m

0,5 m

Indischer Baumwollstoff im Blockprintverfahren bedruckt. Erhältlich bei: www.karlottapink.de


ZUSCHNEIDEPLAN Bordürenvariante: Die Stoffrichtung ist um 90° gedreht (Bordüre dient als Abschluss, Saum). Optimierter Zuschnitt für eine Stoffbreite von 110 cm

ÄRMEL SIND GEDREHT -> MUSTER BEACHTEN!

Zuschnitt Stoff 1/Hauptstoff 1x Rückenteil 2x Vorderteile gegengleich 2x Ärmel

15 cm

er um en od hneid absc

70 cm

ÄRMEL

40 cm

VORDERTEIL

55 cm

RÜCKENTEIL

40 cm

35 cm

185 cm

1/3

BINDEGÜRTEL/1

12 ,5 cm

BINDEGÜRTEL/2

12 ,5 cm

1/3

ÄRMELBLENDE

12 ,5 cm

ÄRMEL/1

12 ,5 cm

ÄRMEL/2 ÄRMEL/2

Alternativzuschnitt für die Ärmel: Nicht gedreht, die Ärmel werden „gestückelt“.

62 cm

AUSSCHNITTBLENDE/2 40 CM

1/3 = 36,7 cm

40 cm

55 cm

AUSSCHNITTBLENDE/1 110 cm

ÄRMEL/1

ÄRMELBLENDE

Zuschnitt Stoff 2/Kontraststoff: 2x Ausschnittblende 2x Ärmelblenden 2x Bindegürtel 2x Gürtelschlaufen, je 4 x 12,5 cm

50 cm

1/2

Gürtelschlaufen

1/2

Stoffbreite

gen

VORDERTEIL

110 cm

ÄRMEL

schla

55 cm

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60 cm

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60 cm

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15 cm


12 ,5 cm

ÄRMELBLENDE 55 cm

AUSSCHNITTBLENDE/1 110 cm

Zuschnitt Stoff 2/Kontraststoff: 2x Ausschnittblende 2x Ärmelblenden 2x Bindegürtel 2x Gürtelschlaufen, je 4 x 12,5 cm

ms ru de

de lag

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Alternativzuschnitt für die Ärmel: Nicht gedreht, die Ärmel werden „gestückelt“.

ab

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110 cm

ide

55 cm

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30 cm

1/2 1/3

220 cm

VORDERTEIL

1/2

VORDERTEIL

ÄRMEL/2 ÄRMEL/2 55 cm

55 cm 1/3

ÄRMEL/1

1/3 = 36,7 cm

110 cm

ÄRMEL

55 cm

ÄRMEL/1 40 cm

110 cm

ÄRMEL

70 cm

55 cm

RÜCKENTEIL

40 cm

50 cm

ÄRMELBLENDE

AUSSCHNITTBLENDE/2 40 CM

62 cm

12 ,5 cm

ÄRMEL SIND GEDREHT -> MUSTER BEACHTEN!

30 cm

BINDEGÜRTEL/2

12 ,5 cm

Zuschnitt Stoff 1/Hauptstoff: 1x Rückenteil 2x Vorderteile gegengleich 2x Ärmel

12 ,5 cm

Optimierter Zuschnitt für eine Stoffbreite von 110 cm

BINDEGÜRTEL/1 Gürtelschlaufen

ZUSCHNEIDEPLAN 2: Die Stoffrichtung ist im Fadenlauf.


SIEBEN SACHEN

Sachen zum Selbermachen und Selbstgemachtes

STECKNADELN mit handgefertigtem Glasknopf In aufwendiger Handarbeit hergestellte Stecknadeln mit detailreichen Motiven aus Glas. Als perfektes Geschenk oder einfach nur, um sich das Nähen zu versüßen. Erhältlich bei: Ladenkonzept, Kolingasse 10 | 1090 Wien

Reißverschlüsse von YKK Schadstofffrei und mit ökologisch einwandfreien Materialien produziert YKK seit über 80 Jahren Reißverschlüsse in höchster Qualität. Ob teilbar, nicht teilbar oder 2-Wege teilbar, YKK bietet Reißverschlüsse in allen Ausführungen, Farben und Varianten.

BATHROBES L´unic bathrobes stellt in “flowers” und “baroque” zwei exklusive Linien vor. Elegante und feminine Bademäntel aus hochwertigem Velourfrottier mit einem Hauch von Sexappeal. Die Kollektion überzeugt durch leuchtende Farben kombiniert mit floralen und orientalisch anmutenden Allover-Mustern. www.l-unic.de Für Information oder Bestellungen: info@l-unic.de


D.I.Y. Nähset von prater&stern Das DIY-Nähset ist das perfekte Geschenk für einen guten Start ins (Familien-)Leben! Kuschelig weicher Sweatstoff aus 100% Bio-Baumwolle (GOTS), handbedruckt mit umweltfreundlicher Textilfarbe, dazu der passende Bündchen Stoff (auch 100% GOTS Bio-Baumwolle) und die passende Nähseide. Das Nähset gibt es in zwei Farben. Erhältlich bei: prater&stern, Lessinggasse 5/3 | 1020 Wien

“nature bubbles rosé” Das brandneue Stoffdesign von Cat Wienett aus dem Hause Zwirnpiraten. Das beliebte Design in den aktuellen Sommerfarben auf Bio-Jersey. Erhältlich bei: www.zwirnpiraten.at

OdiCoat Gel zur Stoffbeschichtung Das Odif OdiCoat Gel zur Stoffbeschichtung verleiht Baumwollstoffen die Eigenschaften von Wachstuch und schützt sie vor UV-Strahlung und Verschmutzung. Erhältlich bei: www.steidl-becker.com

Fazinettel “Fazinettel” - Ein fast vergessenes Stück Stoff, das in früheren Jahren als Taschentuch, zum Verpacken oder einfach als Accessoire verwendet wurde. Vielseitig verwendbar, hochqualitativ und handgemacht in Österreich. Die Leinenstoffe sind GOTS zertifiziert und der Flachs dazu kommt aus Europa. Erhältlich bei: www.fazinettel.at

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PORTRÄT

FOR EVER PUNK POVERA Gschertindien Kollektion Unikate in Handarbeit der Künstlerin Marianne Kohn

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arianne Kohn, legendäre Barchefin und Doyenne der Wiener Nachtclubszene besitzt seit 2017 ihr eigenes Modelabel. Die erste Kollektion “POVERA GSCHERTINDIEN by Marianne Kohn” sorgte bei der Vienna Fashion Week 2018 nicht nur wegen der männlichen Models in Kleidern für Furore. Wir durften sie und ihre zwei Hunde in ihrer Wohnung im 7. Bezirk besuchen. Frau Kohn, bei ihrer Modeschau haben nur Männer ihre Kleider präsentiert. Warum? Eine Freundin von mir hat gesagt: “Eigentlich war das ein Wahnsinns-Statement.” Die Männer haben Kleider angehabt, wo drauf gestanden ist: „Make Warhall, not war“ oder „Make art, not war“. Und die Typen haben alle gut ausgeschaut in den Kleidern, besser als Frauen. Wie sind Sie darauf gekommen, Mode zu machen? Der Helmut Lang hat schon früher immer gesagt: “Wieso machst Du das nicht?” Ich hatte aber kein Interesse daran. Dann hat die Nicole, meine Tochter gesagt: “Mama, mach das, die verkaufen sich sicher gut.” Die verkaufen sich super, ich werde steinreich (lacht). Ich habe am Land einen Raum,

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Marianne Kohn Die 1945 in Wien geborene Marianne Kohn alias POVERA - wuchs im 3. Gemeindebezirk auf. Ein Großteil ihrer Ursprungsfamilie wurde im 2. Weltkrieg von den Nazis nach Theresienstadt deportiert, ein kleiner Teil der Familie floh nach Jerusalem. Auf engem Raum und in sehr einfachen Verhältnissen teilte sie sich die Wohnung mit ihrer Mutter und ihrer Großmutter. Nach ihrer schulische Laufbahn, die sie bereits mit 15 Jahren beendete, arbeitete sie als Filmcutterin für die italienischen Kultregisseure Pier Poalo Pasolini und Federico Fellini. Die Liebe zu Opern wurde ihr in die Wiege gelegt. Sie verbrachte unzählige Abende mit ihrer Mutter am Stehplatz in der Wiener Staatsoper. Ihr Spitzname “Povera” entstand, als sie wieder einmal am Bühneneingang der Wiener Staatsoper stand, um ein Autogramm zu ergattern. Eine Opernsängerin sah sie in der Kälte stehen, strich ihr übers Haar und sagte: “Poverina” (ital.: die Arme). Erst mit 35 begann sie in der Gastronomie zu arbeiten und wurde zur berühmtesten Barfrau der Stadt. Ihre ungewöhnlichen Outfits und ihr legendärer “Grant” machten sie zur Bar-Ikone und “Königin der Nacht”. Seit 20 Jahren führt sie die älteste Bar der Welt: die 1908 von Adolf Loos entworfene “American Bar”, auch “Loos Bar” genannt.

“Ich glaub, ich war früher biederer als jetzt, früher hätte ich nie bemalte Sachen getragen.”

da kann ich sie aufhängen, und wenn mir fad ist, mal ich wieder eines. Es ist mir egal, ob ich was verkaufe oder nicht. Und ich will auch keine Tussis in meinen Kleidern sehen, wenn ich ehrlich bin. Der Name Helmut Lang ist gefallen, das ist ein Jugendfreund. Jetzt nicht mehr, wir haben eine Krise und ich glaube, diese Krise wird bis zum Tode andauern. Sie posten auf Facebook regelmäßig Bilder von sich in außergewöhnlichen oder fast schrillen Outfits. Was ist Mode für Sie, stylen Sie sich gerne? Ich trag so was gerne, wenn ich im G’schäft bin. In der Loos Bar ist es wie auf der Bühne im Theater. Den Gästen gefällt das. Und mir ist das wurscht, ob ich auffalle, das ist mir vollkommen egal. Das ist einfach meins, ich geh auch weiter tätowieren. Wer macht das in meinem Alter mit über 70?

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Waren Sie schon immer auffällig angezogen? Ich glaube, ich war früher biederer als jetzt, früher hätte ich nie bemalte Sachen angezogen, obwohl ich in der Punkszene war. Das ist erst später gekommen. Na ja, normal war ich früher auch nicht angezogen. Folgen Sie den aktuellen Trends? Ich habe schon vor zehn Jahren Karos und Punkschuhe mit Nägeln gehabt, jetzt ist das wieder modern. Ist Selbermachen ein Thema für Sie? Früher habe ich für mich selbst genäht, da gab es in Wien ja nichts. Ich habe mir Schnitte gekauft und habe mir Sachen genäht, aber eher schlampert. Jetzt habe ich mir mit der Hand Kleider genäht, das geht auch ohne Maschine. Man muss halt einen einfachen Schnitt haben und mit der Hand rollieren. Ich mach‘s gerne, ich nähe beim Fernsehen. Ich habe einen grünen Samtstoff für die Loos Bar gehabt, den konnten wir dort nicht brauchen, da habe ich mir mit der Hand ein Kleid mit Kunstpelz genäht, das schaut super aus und hält ewig. Beobachten Sie auch, was sich in der österreichischen Designerszene tut? Ich finde es fad. Die sollten sich mehr trauen und mehr verrückte Sachen machen. Auch die großen Ketten machen verrückte Sachen, die gut auschauen. Wo kaufen Sie Ihre Kleidung? Manchmal findet man auch in den billigen Geschäften etwas, manchmal haben die gute Stücke, aber da muss man schnell zuschlagen.

POVERA GSCHERTINDIEN Die Basis der Kunstwerke sind schwarze, knöchllange Kapuzenkleider.

Ich habe eine weiße Kunstfelljacke, die könnte von jedem Designer sein. Und ich kombiniere das mit anderen Sachen, dann schaut es wieder gut aus. Wie voll ist Ihr Kleiderschrank? Ich habe einen ganzen Raum mit Fetzen, viel zu viel. Aber ich kaufe eigentlich nichts mehr und habe noch immer zuviel. Und ich habe einige Sachen, die trage ich seit hundert Jahren.

POVERA GSCHERTINDIEN Kollektion erhältlich über: www.povera.at


SELBERMACHEN

MATERIAL Statt Leder kann man für das Täschchen auch Kunstleder, Kork- oder Pappstoffe verwenden.

BILD 1

LEDERTÄSCHC NÄHEN

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aschendesignerin und Bloggerin Geraldine von CheRRy’s World by Geraldine hat uns eine Anleitung für ein einfaches und vielseitig verwendbares Ledertäschchen gezeigt:

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BILD 3

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ZUSCHNITT: Lederteile zuschneiden. REISSVERSCHLUSS EINNÄHEN: Rechte Seite der schmalen Lederteile Kante an Kante auf den Reißverschluss legen, feststeppen, zweite Seite ebenso (BILD 1). Dann von außen (wenn gewünscht mit stärkerem Kontrastgarn) absteppen (BILD 2). ZUSAMMENSTEPPEN: Zipp bis zur Mitte öffnen. TaschenOberseite mit eingenähtem Reißverschluss und die untere Lederseite rechts auf rechts aufeinander legen und rundherum zusammensteppen. WENDEN: Ecken zurückschneiden (BILD 3) und Tasche wenden, Ecken von innen durchdrücken.


TIPPS zur Lederverarbeitung Leder am besten mit dem Rollschneider oder mit einer speziellen Lederschere zuschneiden. Es wird immer einlagig geschnitten. Statt Stecknadeln, die unschöne Löcher hinterlassen, Gewichte verwenden. Markierungen niemals auf der rechten Seite anzeichnen. In der Nähmaschine stärkere Nadeln verwenden, je dicker das Leder ist, desto stärker muss das Garn sein. Damit das Leder gut gleitet, einen beschichteten Nähmaschinen-Fuß verwenden oder ein Stück dünnes Papier mitnähen und später abreißen.

CHEN Was man dazu braucht: Lederreste, ein- oder mehrfärbig für die Unterseite: 1 Lederstück 10 x 23 cm für die Oberseite: 2 Lederstücke 5 x 23 cm Reißverschluss 25 cm lang Garn Kontrastgarn oder stärkeres Garn für die Kontrastnähte

a m o k a Kam Workshop - „Puppen nähen“

CheRRY`s World by Geraldine www.cherrysworld.at

Gestalte eine „Beste Freundin“ mit deiner besten Freundin! https://kamakoma.eu/workshops


INTERVIEW

VERLAGS WESEN


Melanie Stiebner ist in der Nähszene mit ihrem Näh-Blog “The Flying Needle” bekannt. 2019 übernimmt sie von ihrem Vater die Geschäftsführung des renommierten Stiebner Verlags. Wir haben sie im Werkbuchcafé getroffen und ihr ein paar Fragen gestellt.

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rau Stiebner, was kam zuerst, die Nähbücher oder das Nähen? Ich habe mit dem Nähen begonnen, weil ich überlegt habe, in den Verlag einzusteigen. Ich wollte eigentlich nie selbständig sein, ich habe Verlagswirtschaft studiert, habe aber nach dem Studium gesagt: “Ich will jetzt erstmal etwas anderes machen.” Mein Vater hat mich dann in regelmäßigen Abständen - wenn ich an der Schwelle zu einem neuen Job war - gefragt, ob ich nicht in den Verlag kommen will. Letztes Jahr meinte er dann: “Ich will jetzt mit 70 aufhören. Wenn du nicht kommen willst, dann kommst du nicht, aber ich muss es halt wissen.” Sie haben zu dem Zeitpunkt im Controlling bei ProSieben gearbeitet. Was hat den Ausschlag gegeben, die Konzernkarriere aufzugeben und in den Verlag einzusteigen? Ich bin ja mit dem Verlag aufgewachsen und war schon als Kind in der Druckerei und bei meinem Opa in seinem Büro mit den riesigen Bibliothekswänden. Das alles hat mich immer schon wahnsinnig fasziniert. Der Gedanke, dass mein Vater den Verlag verkauft und das nicht mehr Teil unserer Familiengeschichte ist, fand ich total schade. Und obwohl die Arbeit sehr anspruchsvoll ist, habe ich es noch keinen Tag bereut. Zu diesem Zeitpunkt gab es schon den Blog “The Flying Needle”. Als ich mit dem Nähen angefangen habe, habe ich ganz viele englische Blogs gelesen und fand das ganz spannend. Und ich wollte mehr Kontakt mit Gleichgesinnten haben, weil ich keine Freundinnen hatte, die nähten. Im März 2017 habe ich dann den Blog gestartet. “The Flying Needle” wird es auch weiterhin geben, es gibt da natürlich eine Verbandelung mit dem Verlag, und ich gehe auch offen damit um, aber der Blog, das bin nach wie vor ich als Person.

Der Stiebner Verlag war lange Zeit bekannt für Sport, Grafikdesign, Kunst und Kultur. Wann hat Stiebner begonnen DIY-Büchern zu verlegen? Das muss so Anfang 2000 gewesen sein. Mein Vater kam von der London Book Fair und hat mir ein Buch mit Mode-Illustrationen gezeigt und ich habe gedacht: “Wer kauft denn so was?” Aber er hat es gemacht und es hat fantastisch funktioniert. Stiebner hat dann mit Mode- und FashiondesignBüchern begonnen, die sich eigentlich an Studenten und Professoren richten. Später kamen dann Handarbeitsbücher, auch für den Hobbybereich, dazu - aber alle auf einem relativ hohen Niveau. Nach und nach ist der Verlag immer mehr in den Handarbeitsbereich gegangen, es kamen die Rock- und Oberteil-Grundschnitte, das Buch “ModeIllustrationen” und das Overlock-Buch dazu, die sich alle nach wie vor sehr gut verkaufen. Später, als ich schon mit dem Nähen begonnen hatte, aber noch nicht dort gearbeitet habe, hat mich mein Vater auch ab und an mal gefragt, und es wurden dann auch Titel gemacht, die zwar immer noch auf einem hohen Level, aber zugänglicher für den HobbyNäher sind. Den Titel “Schöner Nähen mit Profitechniken” zum Beispiel kann man hernehmen, wenn man in dem Bereich arbeitet, aber auch, wenn man ambitioniert hobbymäßig unterwegs ist. Man könnte zusammengefasst sagen, der Stiebner Verlag steht für Handarbeitsbücher auf einem höheren Level. Ja, wir sind ein Verlag, der ein bisschen was aus der Reihe macht, und der Bücher macht, die einen gewissen Anspruch haben, mit denen sich aber jemand, der Nähen, Stricken oder Sticken als Hobby ausübt, auch weiterentwickeln kann. Im aktuellen Programm von Stiebner gibt es auch Titel wie “Punch Needle” und “Weben mit kleinem Rahmen”. Mit der Aufnahme von diesen neuen Techniken brechen wir mit diesem Prinzip des fortgeschrittenen Könnens, und wir versuchen auch ein bisschen breiter zu werden. Diese Titel sind zwar Einsteiger-Bücher, aber sie sind so aufgebaut, dass man sukzessive schwierigere Projekte machen kann.

Welche Bücher aus dem Stiebner-Verlag erwarten uns im kommenden Jahr? Wir geben so an die 40 Titel im Jahr raus und sind gerade am Bauen für das Herbstprogramm. Mit Sicherheit werden wir Nähen als Schwerpunkt beibehalten, ich würde gerne in diese hochwertige Richtung weitergehen. Wir werden auch versuchen, mit ein paar deutschen Autoren zu arbeiten, wo man dann entsprechend dazu Workshops anbieten kann. Das Herbstprogramm wird sehr stricklastig sein, das bietet sich auch an, weil die Leute im Herbst anfangen, mit der Wolle zu arbeiten. Und wir werden auch weiter versuchen, Nebengeschichten, wie etwa Sticken, zu machen. Bleibt noch Zeit zum Nähen? Über Weihnachten habe ich meinen ersten Mantel genäht. Ich finde, das sind tolle Sachen, um komplett abzuschalten. Momentan nähe ich auch Babyklamotten für den Sohn meiner Schwester und ich habe für meinen Mann eine Hose genäht. Und gerade nähe ich für meine Mutter das Brautmutterkleid für die Hochzeit meiner Schwester. Sonst versuche ich, die Sachen bei mir zu behalten, ich finde es wahnsinnig nervtötend, soviel Zeit da reinzustecken und es dann herzugeben. Das ist einfach schade.

Über den Stiebner Verlag 1998 Gründung der Stiebner Verlags GmbH durch Dr. Jörg D. Stiebner. Das Verlagsprogramm des Stiebner Verlags umfasst Bücher zu den Themen Graphik/ Design, Mode, Karikaturen, Bavarica und Kunst (STIEBNER) sowie Sportbücher (COPRESS SPORT). Der Stiebner Verlag bringt Europas führende Monatszeitschrift zum Thema Grafikdesign heraus. Novum – World of Graphic Design erreicht eine monatliche Verbreitung von mehr als 9000 Exemplaren. Melanie Stiebner ist seit 1. August 2018 Marketing- und Vertriebsleiterin der Verlage Stiebner und Copress. Ab 1. Juli 2019 übernimmt sie die Geschäftsführung. www.stiebner.de https://theflyingneedle.de

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BLICK INS BUCH Sabine Mund, Inhaberin des Werkbuchcafés, wirft für DIE SCHNEIDERIN einen kritischen Blick auf die Nähbuch-Neuerscheinungen.

WERKBUCHCAFÉ Haidgasse 5/7 | 1020 Wien Öffnungszeiten: Di: 14-18 Uhr Mi-Fr: 8–12 und 14-18 Uhr Sa: 10–14 Uhr www.werkbuchcafe.at

BLUSENSHIRTS NÄHEN Laura Wilhelm Schon das Cover macht Lust auf Sommermode, und jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt, sich dafür den perfekten Stoff auszusuchen und ein paar Modelle aus diesem Buch umzusetzen. Wer bisher nur Jersey genäht hat, wird sich freuen, dass die Schnitte ebenso einfach wie Shirts zu nähen sind. Keine aufwendigen Knopfleisten und keine passgenauen Ärmelbündchen erschweren das Nähvergnügen. Gedacht sind die 15 Modelle für Webstoffe, um den Blusenstil hervorzuheben und JerseynäherInnen den Einstieg ins Thema „Webstoffe Nähen“ zu erleichtern, man kann aber genauso gut leichte Jerseystoffe für die Blusenshirts verwenden. Der ausgiebige Grundlagenteil mit Stoffkunde und Nähwissen ermöglicht auch AnfängerInnen die gut beschriebenen Anleitungen gut umzusetzen. Perfekt für den Einstieg ins Blusennähen und für alle sonnenhungrigen NäherInnen. frechverlag ISBN: 978-3-7724-8154-3

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COLOUR BLOCKING Asuka Hamada Diese Neuerscheinung aus dem Stiebner-Verlag bereichert die Riege der japanischen Nähbücher um ein weiteres schönes Exemplar. Das Buch teilt sich in einen Foto- und einen Anleitungsteil auf. Die Bilder zeigen die Modelle in verschiedenen Farbvarianten, im Anleitungsteil wird die Zusammensetzung der Schnitte und Farbvarianten in gewohnt angenehm übersichtlichen Zeichnungen zusammengefasst. Die Anleitungstexte sind sehr knapp, aber die Zeichnungen dafür sehr genau, so dass man auf einen Blick versteht, wie die Modelle genäht werden. Für absolute AnfängerInnen ist das Buch nicht empfehlenswert. NäherInnen mit ein wenig Erfahrung werden aber viel Spaß damit haben, da man die Farbvarianten immer wieder neu erfinden kann. Perfektes Buch für Geometriefans und Farbverliebte. Stiebner Verlag ISBN: 978-3-8307-2061-4

ALLES JERSEY – OBERTEILE, HOSEN & RÖCKE Lisa Janko-Grasslober Als eines der neuen Bücher aus der „Alles Jersey“-Reihe ist dieses bestens als Einstiegsbuch ins Thema Jersey-Nähen geeignet. Lisa Janko-Grasslober von fashiontamtam zeigt, wie man sich mit wenigen Grundschnitten für Alltagsbasics, z.B. Tops, T-Shirts, Röcke und Hosen eine Grundgarderobe zulegt, die sich immer wieder neu variieren lässt. Das Buch punktet mit seiner Anwendbarkeit. Die Modelle sind alle schnell und einfach umgesetzt. Es lohnt sich, den einen oder anderen der fünf im Buch enthaltenen Grundschnitte für die eigene Figur anzupassen, da man damit dann viele Versionen nähen kann. Und wer hat schon nur ein einziges Top oder T-Shirt im Kleiderkasten… Vielleicht ist es nicht das richtige Buch für anspruchsvolle Fortgeschrittene beim Thema Nähen, aber es versteckt sehr viele praktische Nähtipps für AnfängerInnen im Grundlagenteil. Perfektes Buch für NähanfängerInnen und alle, die sich ihre Alltagsgarderobe selbst nähen wollen. EMF ISBN: 978-3-96093-243-7

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HANDWERK

SPITZEN ARBEIT Der Verein für Klöppeln und Textile Spitzenkunst in Österreich hat sich dem Erhalt und der Pflege der tradionellen Handwerkskunst des Klöppelns verschrieben. Eine historische Spurensuche der Kulturjournalistin Bernadette Lietzow. Text Bernadette Lietzow

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ine junge Frau in gelbem Kleid, das Haar kunstvoll geflochten, gibt sich konzentriert ihrer herausfordernden Tätigkeit hin – dem Spitzenklöppeln. Jan Vermeers kleines Gemälde, entstanden um 1670, begeistert das Publikum des Pariser Louvre und ist, millionenfach reproduziert, weltberühmt. Der holländische Barockmaler lässt den Betrachter teilhaben an der komplizierten Handarbeit des Bürgermädchens, die, umgeben von Klöppeln, Nadeln und feinem Garn,

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an einer Spitze werkt und darin offensichtlich äußerst begabt ist: Stattete der Künstler sie doch auch mit einem kostbaren weißen Umlegekragen aus, von dem man annehmen kann, dass es sich um ein von ihr gefertigtes Prunkstück handelt. Die Wiege der faszinierenden Technik der Spitzenklöppelei ist im Italien der Renaissance auszumachen. Im Versuch, Kleidungsstücke mit einer dekorativen Kragen- oder Ärmelkante zu versehen, entstanden dort die ersten


DIE KLÖPPEL Spindelförmige, meist aus Holz gefertigte Spulen.

„Flechtspitzen“. Gleichzeitig wurden, unter anderem in Venedig, erste Musterbücher publiziert, die sich rasch über den Kontinent verbreiteten. In Spanien, man denke an die Porträts von Herrschern in strenger schwarzer Hoftracht, denen üppige weiße Spitzenkrägen ein wenig Lebendigkeit verleihen, dem sächsische Erzgebirge, in Frankreich und dem heutigen Belgien, Stichwort: Brüsseler Spitze, entwickelten sich vorindustrielle Kompetenz-Zentren der Spitzen-Herstellung. Erzeugt wurden die zarten Wunderwerke zumeist von verniedlichend gerne so benannten „zarten Frauenhänden“. Als „Luxusprodukte der Hausindustrie“ bezeichnet Monika Thonhauser, Kulturwissenschaftlerin und Expertin für das Spitzengewerbe im Salzburger Raum, jene von unzähligen Heimarbeiterinnen (und ihren Kindern!) hergestellten Klöppelspitzen, die, vertrieben über Fabrikanten in einer Art Verlagssystem, begeisterte Abnahme vor allem bei Adel und hohem Klerus fanden. Gute Gewinne waren da zu erzielen, schließlich kostete im Zeitalter des Rokoko ein halber Meter Spitze mehr als das Jahresgehalt einer Klöpplerin.

KLÖPPELKISSEN Während des Klöppelns wird die Klöppelarbeit mit Stecknadeln auf dem Klöppelkissen fixiert. Nach der Fertigstellung der Spitze werden sie wieder herausgezogen, um das Werk vom Klöppelkissen abnehmen zu können.

KLÖPPELBRIEF Die Mustervorlage ist eine Mitteilung an die Klöpplerin, geschrieben wie ein Brief in der Handschrift des Entwerfers und des Musterzeichners.

Die zunehmende Industrialisierung des 19. Jahrhunderts machte auch vor der handwerklichen Spitzenproduktion nicht Halt und brachte Veränderungen, nicht zuletzt mit der Entwicklung einer Klöppelmaschine. Im habsburgischen Österreich befürchtete man einen Niedergang der Handspitzenproduktion, der man massiv mit der Gründung des K. K. Wiener Zentralspitzenkurses im Jahr 1879 begegnen wollte. Die Ausbildung neuer Fachlehrerinnen, fortschrittliche Techniken, zeitgemäße Muster und nicht zuletzt der Wille, Spitzenarbeiterinnen bessere Arbeitsmöglichkeiten zu bieten, standen im Mittelpunkt. Die modernen Entwürfe von Johann und Mathilde Hrdlicka sowie Franziska Hausmanninger sorgten nicht nur im Kaiserreich für Furore. Auf der Pariser Weltausstellung 1900 wurde dem Team für ihre Spitzen der „Grand Prix“ zuerkannt. Ein bedeutendes Produkt dieser Zeit ist die heute wieder erhältliche „Austria-Spitze“ mit elegant geschwungener JugendstilOrnamentik. 1903 wird unter Federführung der Künstler Josef Hoffmann und Koloman Moser eine kunsthandwerkliche Produktionsgemeinschaft aus der Taufe gehoben, die als „Wiener Werkstätte“ weltweit Ruhm erlangten sollte. Bis Anfang der 1930-er Jahre wurden unter dem berühmten Label Schmuck, Möbel, Textilien, Keramik und Metallwaren gefertigt: Nach Entwürfen zahlreicher namhafter Künstlerinnen und Künstler, die mit ihren kreativen Ideen, umgesetzt in gediegenem Handwerk, eine neue Geschmackskultur anstrebten. DIE SCHNEIDERIN

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Die Produktion von Spitzen der Wiener Werkstätte beginnt erst um 1915 – sicher nicht zufällig zeitgleich mit dem Eintritt des bahnbrechenden Ornamentikers Dagobert Peche, dessen phantasievolle Formensprache nicht nur die Stoff- und Tapetenproduktion beeinflusste. Seine Entwürfe für Klöppelspitzen sind wahrhaft revolutionär, weil ebenso modern wie bildhaft. Im Archiv des Wiener MAK, des Museum für Angewandte Kunst, kann man sich (auch online) auf Spurensuche begeben. Ein gespiegelter Frauenakt ziert da eine Runddecke, Skizzen von verschlungenen Blumenranken weisen hin auf die große Gestaltungskraft, die Peche in seine Entwürfe für Klöppelspitzen einfließen ließ. Die Spitze ist zwar nach wie vor gefragtes modisches Must, von Hochzeitskleid bis zum schicken Bralet, die Kunst des Klöppeln fristet jedoch, abseits von verdienstvollen Vereinen in vielen Regionen Europas, ein Nischendasein. Die Zeit ist reif, seine Versuche in DIY um diese alte (meditative!) Technik zu erweitern, nicht zuletzt, um die zu Unrecht verpönten Spitzendeckchen der Urgroßmütter mit neuen Augen zu betrachten.

Verein Klöppeln und Textile Spitzenkunst in Österreich www.kloeppel-verein.at MAK Museum Wien www.mak.at

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NÄHSCHULE

VORHANG NÄHEN Ein Vorhang aus dem Lieblingsstoff macht einen Raum erst richtig wohnlich. Bei der Stoffauswahl sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt. In unserem Tutorial zeigen wir, wie man einen Vorhang mit Gardinenband näht.

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räuselband, Bleistiftband, Faltenband, Double oder Triple Pleat oder vielleicht ein einfacher Schlaufenvorhang. Für welche Vorhangvariante man sich entscheidet, ist Geschmacksache und zudem von der Stoffqualiät abhängig, Wir haben uns bei unserem Tutorial für ein Faltenband (Double Pleat) entschieden. Als Vorhangstoff haben wir einen festen Baumwollstoff verwendet.

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STOFFBEDARF: Breite des Vorhangstoffs: Zuerst Fenster ausmessen. Soll der Vorhang nicht bündig mit der Fensterfront abschließen, sondern links und rechts noch ein wenig überstehen, mindestens 20 cm Zugabe dazugeben. Bei Verwendung eines Faltenbands richtet sich der Rafffaktor nach dem jeweiligen Faltenband. Gewöhnlich bewegt er sich zwischen 2 und 3. Formel: Vorhangbreite = (Fensterbreite + Stoffzugabe) x Rafffaktor Länge des Vorhangstoffs: An der oberen Kante mind. 1,5 cm Nahtzugabe mitberechnen. Das Gardinenband wird so angebracht, dass die Haken verdeckt sind. Am Saum ca. 20 cm zur gewünschen Länge dazurechnen, damit der Vorhang schön fällt.


SCHRITT 1: Obere Kante umschlagen und das Gadinenband an beiden Enden knappkantig aufsteppen,

SCHRITT 2: Seitliche Kante doppelt umschlagen und absteppen.

SCHRITT 3: Saum umschlagen (ca. 20 cm), Kante einschlagen, feststecken und schmalkantig absteppen.

SCHRITT 4: Den Saum an der Seite schmalkantig zusammensteppen.

SCHRITT 3: An beiden Bändern des Gardinenbandes gleichmäßg ziehen.

SCHRITT 4: An den Bändern so lange ziehen, bis alle Falten gelegt sind.

SCHRITT 5: Falten gleichmäßig zurechtzupfen.

SCHRITT 9: Anschließend die Bänder fest verknoten und hängen lassen. Nicht abschneiden!

SCHRITT 5: Haken an den Falten von oben nach unten in jeweils zwei Schlaufen einfädeln.

SCHRITT 6: Ringe befestigen.


INSPIRATION

JAPANISCH FÄRBEN In ihrer Textilgalerie im 18. Bezirk pflegt Elisabeth Rössler die traditionelle Technik des Shibori und bietet verschiedene Kurse für Einsteiger und Fortgeschritte an.

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s ist jedesmal ein Überraschung, wenn ein eingewickelter Stoff aus dem Farbbad genommen und geöffnet wird. Kein Muster ist gleich, die Intensität der Farben immer unterschiedlich. Seit diese viele Jahrhunderte alte Färbetechnik wiederentdeckt wurde, wird wieder blaugemacht, und es entstehen originelle Tücher, Kissenbezüge und Vorhänge. Shibori (Shiboru), was übersetzt auswringen oder auspressen bedeutet,

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hat seinen Ursprung in Japan, wo schon seit etwa dem 8. Jahrhundert mit dieser Technik Kimonos gefärbt wurden. Dabei waren es vor allem arme Leute, die sich keine neuen Kleider leisten konnten und so mit Stofffarbe ihren alten Kleidern neues Leben einhauchten. Über die Jahrhunderte haben sich in Japan ganz unterschiedliche Techniken entwickelt, und Shibori hat sich zum identätsstiftenden Teil der japanischen Textil- und Alltagskultur entwickelt. Diese Reservierungs-Technik an sich


AUSWASCHEN Nach dem Farbbad werden die Pakete mit klaren Wasser ausgepült.

ist einfach und dem in unseren Breiten bekannten Batiken ähnlich. An den Stellen, wo der Stoff mit Schnüren abgebunden wird, kann er keine Farbe aufnehmen So entstehen dekorative Designs und eine schier unendliche Vielfalt an interessanten Mustern. In den bearbeiteten Stoffen zeigen sich Kreise, Drei- und Vierecke, Streifen oder Karos. Das Besondere ist, dass Shibori im Stoff auch eine dreidimensionale Struktur entstehen lässt. Traditionellerweise wird zum Färben Indigo verwendet, das ein Blau in allen Schattierungen von fast schwarz bis blassblau entstehen lässt. Für die verschiedenen Techniken von Abbinden, Falten, Umwickeln, Knoten oder Abnähen werden als Hilfsmittel Materialien wie Rohre oder für geübtere HandwerkerInnen Schraubzwingen oder Holzplättchen verwendet.

AUSPACKEN Kein Muster gleicht dem anderem.

Gentzgasse 112 | 1180 Wien Email: textilworkshops@gmail.com www.textilgalerie.at EINPACKEN Mit verschiedenen Materialen aus dem Heimwerkerbedarf werden Muster gezaubert.

TERMINE: Shibori Grundbegriffe Montag, 8. April 2019 | 18-21 Uhr Montag, 20. Mai 2019 | 18-21 Uhr Montag, 3. Juni 2019 | 18-21 Uhr Shibori und Nähen Samstag, 25. Mai 2019 | 10 -16 Uhr Shibori Strandtuch Sonntag, 16. Juni 2019 | 14-18 Uhr Stoff für ein Nähprojekt in Shibori-Technik Sonntag, 12. Mai 2019 | 10-16 Uhr DIE SCHNEIDERIN

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SELBERMACHEN

DIY-Anleitung Mit Shibori Technik Stoffe färben Shibori ist eine vielfältige und kreative Technik, die einen relativ leichten Einstieg ermöglicht. Bevor man sich ans Färben größerer Projekte macht, lohnt es sich, die Technik mit Stoffresten auszuprobieren.

MATERIAL:

ANLEITUNG:

2 Kübel Gummihandschuhe 1 Kochlöffel heißes Wasser kaltes Wasser zum Ausspülen Stoffe aus Naturfasern: Baumwolle, Leinen, Seide, Hanf, Wolle oder Viskose diverse Materialien: Schnur, Faden, Draht, Bastelholz, Kunststoffrohr, Schraubzwingen, Schrauben ohne Spitze, Holzplättchen, Gummibänder Schere Textilfärbepulver oder Indigo

VORBEREITUNG: Den Stoff vor dem Färben ohne Weichspüler möglichst heiß waschen, um die Appretur zu entfernen. SHIBORI TECHNIKEN: Abbinden: Abschnitte des Stoffs werden mit Faden oder Gummiringen abgebunden, oder kleine Objekte werden in den Stoff eingebunden. Umwickeln: Stoff über eine Schraube zu einer Spitze legen und mit einem Faden, von oben nach unten und wieder zurück, umwickeln. Falten: Den Stoff zuerst in eine Richtung ziehharmonikaartig zusammenfalten

SHIBORI Textilien lassen sich mit der Shibori-Technik auf interessante Weise färben.

(ev. bügeln), und dann die Ziehharmonika in die andere Richtung zusammenfalten. Abnähen: Die gewünschten Linien auf den Stoff steppen, an den Unterfäden ziehen, bis sich der Stoff rüscht. Fadenenden verknoten. WASSERBAD: Den verschnürten Stoff so lange im klaren Wasser einweichen, bis keine Luftbläschen mehr aufsteigen. FARBBAD: Den verschnürten Stoff im heißen Farbbad (Dauer je nach Hersteller) einweichen, dabei das Farbbad regelmäßig mit einem Kochlöffel umrühren. NACH DEM FÄRBEN: Das geschnürte Paket gründlich unter kaltem Wasser auswaschen, auspacken und den Stoff zum Trocknen aufhängen. Eventuell mit einem Fixierer behandeln oder die Farbe in der Waschmaschine fixieren. TIPP: Beim Färben mit Indigo unbedingt Gummihandschuhe tragen und die Arbeitsfläche großzügig mit Folie auslegen.


Foto: Claudia Köhn & Stefanie Anastase, Modezeichnung: Ella Engl-Wurzer

Wiener Jugendzentren suchen Mode-Entwürfe von Menschen zwischen 4 und 21 Jahren. Einsendeschluss: 31. Mai 2019 Alle Infos und Einreichblatt zum Download: www.jugendzentren.at/kids-in-fashion

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