ÖsTerreich: 8 euro - DeuTschLanD: 9,50 euro - iTaLien: 9,50 euro. www.DoLoMiTensTaDT.aT
Das Magazin für Lienz unD Die region 01 | 2015
nachhaltig nachhaltig konzepte für eine bessere welt initiAtiven für eine bessere welt
norman norman der bArde Auf dem weg nAch oben
schule mit aussicht
au revoir, paris
sagen aus osttirol
wanderstab x-large
metzger mit stil
uni trifft htl
lovestory
Als comics!
stogglstecken
Albin egger
raumkonzepte aus einer hand
eDITORIAL von gerhard pirkner
Liebe Leserin, geschätzter Leser, es gibt Worte, die man vorsichtig in den „draußen“, um frische Gedanken hereindie konsequent biologisch produziert Mund nehmen sollte. „Nachhaltig“ ist zulassen, die vielleicht auch inspirierend werden. Sie haben sicher bemerkt, dass so ein Wort, oft gebraucht, nicht immer die erwähnten Menschen nicht im Bezirk für manchen „Vordenker“ im Bezirk sein verstanden, meist ein Versprechen und leben, sondern „Auswanderer“ sind, so können. In diesem Sinne wünsche ich nur selten eine Haltung. Trotzdem – wie auch Restauratorin Barbara BeneIhnen viel Vergnügen beim Lesen und oder gerade deshalb – haben wir uns dikt und Designer Martin Bergmann, die einen Frühling voller Farbe, Kreativität vorgenommen, das Frühlingsheft von und Energie. Und einmal mehr möchte ebenfalls zum Thema Nachhaltigkeit zu DOLOMITENSTADT diesem Schwerpunkt ich mich bei allen Abonnenten und KäuWort kommen. Gibt es keine Beispiele zu widmen. Meine Kollegin Daniela Ingru- in Osttirol? Die gibt es natürlich – auch fern am Kiosk bedanken. Sie sind es, die ber fragt auf Seite 64 den Banker Robert unser Medienprojekt nachhaltig wirksam in diesem Magazin. Doch wir öffnen Moser, wie er Ethik und Nachhaltigkeit machen. bewusst manchmal ein Fenster nach definiert. Seine Antwort ist programmatisch: „Beides kann man nur für sich selbst definieren. Ethisch ist, wenn du noch in den Spiegel schauen kannst, und lz ist ihr P/ho cooeine nachhaltig, wenn die Enkelkinder er UAL-Partn Welt vorfinden, wie wir sie haben.“ AcTMoser leitet eine Bank für Gemeinwohl – eine in osttirol. spannende Geschichte, genauso wie jene über den leider kürzlich verstorbenen „Vielfaltsberater“ Gebhard KoflerHofer, Mitarbeiter der botanischen Arche al.at Noah, den Marcus G. Kiniger porträtierte. www.actu „Als Netzwerk reagieren wir flexibel auf KundenUnd ich hatte das Vergnügen, meiner wünsche, garantieren hohe Qualität in der Umsetzung ehemaligen Banknachbarin im Lienzer kompletter Raumkonzepte und übernehmen mit Liebe zum Detail auch handwerkliche Spezialaufgaben.” Gymnasium, Ulrike Ischler, zuzuhören, Ihre Coop/Holz-Tischlermeister wie sie mit 50+ voller Elan ein Start-upUnternehmen in der Kosmetikbranche aufzieht und dabei eine Nische abdeckt: Pflegeprodukte für sensibelste Haut, TiSchLeRei RAiNeR www.coop-holz.at/rainer
WibmeR TiSchLeRei Gmbh www.coop-holz.at/wibmer
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TiSchLeRei JohANNeS obKiRcheR www.coop-holz.at/obkircher
inhalt LEBEN 006 ALLES AUS EINER HAND
042 mit gesunden wurzeln
Cityguide-Lienz.at
Der Vielfaltsberater Gebhard Kogler-Hofer
008 AU REVOIR, PARIS
046 so schmeckt der frühling
Eine Französin in Schlaiten
Chris Cordts lädt zum Nachkochen
014 trAUM VON JALIMO IST realität „Osttiroler Krankenhaus“ eröffnet
wirtschaft
016 AUS FREIEN STÜCKEN
052 wo milch ist, ist auch fleisch
Ehrenamt für die Gesellschaft
Traurige Wahrheiten
020 SchULE mit uni-anschluss
056 an der bar mit dem metzger
HTL mit Bachelor-Abschluss
Ein Abend mit Albin Egger
026 froSchperspektiven
064 BANK FÜR GEMEINWOHL
Die Hoch-Zeit der Frösche
Robert Moser im Interview
Mara mag Mode. Wir verraten, wo sie einkauft.
036 konrad und die stogglstecken
070 auf ein neues
Seite 104
Halb vergessen, doch so praktisch
Ulrike Ischlers Start-up über die Haut
mode
kultur 074 Poesie analyse diagnose 20 Jahre Designtrio EOOS
082 Keramik, scherben und ein quittenbaum Die Restauratorin Barbara Benedikt
088 sagenhafte comics
comics
Der Zeichner Andi Unterkreuter
094 norman STOLZ
Das sind Sagengestalten aus Osttirol! Sie glauben es nicht? Lesen Sie unsere Story über Comiczeichner Andi Unterkreuter.
Der Barde startet durch
Seite 88
sZENE/LIfestyle
Sport
098 rückblick
114 Klara kommt
People, Events und tolle Bilder
Wie schlägt ihr „Sportlerherz“?
104 blütezeit
118 super GIRO dolomiti
122 Programm
Fesch und mobil im Frühling
Grenzenloser Radmarathon
Was? Wann? Wo?
2015 /// leben /// myriam détruy
„Die Geschichte könnte eine Folge von Bauer sucht Frau sein, nur ohne Drehbuch und ohne Beichte vor der Kamera.“
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Au Revoir, Paris
Wie die meisten Ausländer, die jetzt in Osttirol wohnen und nicht um Asyl angesucht haben, bin ich hierher gezogen, weil das Herz es so entschieden hat. Gut, Peter sagt oft, ich hätte mich zuerst in die Dolomiten verliebt und dass er erst an zweiter Stelle hinter den einzigartigen, majestätischen Bergen kommt. Es stimmt schon: Die Landschaft hier ist ein bisschen breiter als die Sicht von meinem Balkon in Belleville, einem Pariser Stadtteil auf einem Hügel. Aber wie kommt man dazu, den Eiffelturm gegen die Laserzwand einzutauschen? Die Geschichte könnte eine Folge von Bauer sucht Frau sein, nur ohne Drehbuch und ohne Beichte vor der Kamera. Die einzige Kamera, die wir hatten, war die Webcam, die wir auf Skype benutzten. Nach zwei Jahren Fernbeziehung habe ich meinen Koffer und ein paar Kartons mitgenommen – so besonders viel kann man in einer 36-Quadratmeter-Wohnung nicht anhäufen, zumal dann nicht, wenn man sie mit einer Mitbewohnerin (um 1.000 Euro pro Monat) teilt. Und jetzt bin ich hier, auf diesem riesigen Bauernhof, wo einst
text: MYRIAM DÉTRUY /// fotos: MIRIAM RANEBURGER
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2015 /// leben /// myriam détruy
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16 Kinder von einer einzigen Mutter – Peters Großmutter – geboren wurden. Nach zwei Jahren mache ich immer noch große Augen: Man baut hier Kinderzimmer so groß, dass eine ganze Familie darin schlafen könnte, und Keller, die so hoch sind wie eine Kirche. Trotz der steilen Hänge hat man hier Platz. Man kann tief atmen und muss nicht wie eine Sardine in der U-Bahn stehen. Das ist Lebensqualität. Die
Einheimischen wissen diese Lebensqualität zu schätzen, auch wenn sie oft noch nicht viel anderes gesehen haben. Es wird viel getan, damit Osttirol sich so wenig wie möglich ändert. Wo überall die Schönheit der Osttiroler Natur betont wird, muss man sie natürlich auch schützen. Schon als ich vor 20 Jahren mit meinen Eltern hierher in den Urlaub gefahren bin, haben wir uns gewundert, dass es zwei Müllcontainer für
Glas gab. In Frankreich hatte das Recycling gerade erst begonnen. In Paris gibt es nur drei Sorten Müllcontainer: einen für Glas, einen sowohl für Plastik als auch für Metall und Papier, einen für Restmüll. Und viele Pariser sind nicht sehr fleißig beim Abfalltrennen. Aber wenn ich jetzt zum Müll fahre, habe ich mindestens sechs verschiedene Taschen mit. Nachhaltigkeit ist hier kein Marketingbegriff. Auf dem
Myriam Détruy ist Journalistin aus Paris und lebt mit Peter Pedarnig auf dem Krasshof in Schlaiten.
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Hof, wo ich wohne, fressen die Kühe das ganze Jahr das Gras von den umliegenden Feldern. So kriegt man zwar keine riesige Herde zusammen. Aber alle kleinen Höfe in einem Dorf zusammen machen einen großen Bauernbetrieb. Schade nur, dass es schwer geworden ist, allein von der Landwirtschaft zu leben. Das Problem kannte ich schon; in dem Dorf, wo ich aufgewachsen bin, haben die Landwirte dasselbe
Problem. Dort allerdings ist die Arbeit ein bisschen leichter: Die hügelige Auvergne, eine Landschaft im Zentrum Frankreichs, braucht keine „Rechenkünstler“ – also keine Virtuosen im Harken auf steilsten Hängen. Auf der anderen Seite schafft die Arbeit in der Sonne Gemeinschaft. Verwandte, Freunde oder Bekannte kommen, um mitzuhelfen. Solidarität, habe ich bemerkt, ist hier kein leeres Wort. Egal ob
einer ein Haus baut oder ob ein Begräbnis anfällt; immer sind Leute da, um einem die Hand zu reichen. Das Vereinsleben ist sehr lebendig, sei es in Sachen Musik, Sport oder Rettungsdienst. Eine Freundin hat mir den Unterschied erklärt: „In Paris hat man viel mit Zuschauen zu tun. Hier in Osttirol ist das Angebot nicht so reich. Aber jeder TUT etwas – zum Beispiel ein Musikinstrument spielen.“
2015 /// leben /// myriam dĂŠtruy
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"Nachhaltigkeit ist hier kein Marketingbegriff und Solidarität kein leeres Wort."
Vielleicht ist die starke soziale Bindung schuld daran, dass die Osttiroler so selbstverständlich freundlich miteinander umgehen. Obwohl ich vom Dialekt erst so zirka 20 Prozent verstehe – „schön reden“ ist für manche ein bisschen schwierig – sind die Leute alle sehr geduldig mit mir und erklären es mir gern, wenn ich eine Nachfrage habe. Ihrerseits fragen sie – wohl aus Höflichkeit – nicht nach, wenn sie einmal meinen Akzent nicht verstehen. Auf jeden Fall bin ich froh, dass ich in der Schule so gute Deutschlehrer hatte. Aus diesen Traditionen stammen viele heute hoch gepriesene Werte, von denen man hofft, dass sie die Welt retten: eine echte Beziehung zur Natur, Nachhaltigkeit, Solidarität, Empathie. Aber nicht alle Traditionen finde ich gut. Als selbständige Frau fällt mir auf, dass viele Frauen sich hier in eine konservative Rolle gedrängt sehen – oder sogar selber dahin drängen.
Ein ideologisches Mutterideal verlangt von ihnen, sich für die Familie zu opfern. Wenn ich lese, dass in Österreich Frauen im Durchschnitt rund 40 Prozent weniger Alterspension bekommen als Männer, und zwar weil sie lange auf ihre Arbeit verzichten müssen, um die Kinder zu erziehen, dann frage ich mich, warum sie nicht über den Tellerrand schauen. Französische Mütter lieben ihre Kinder auch. Aber die meisten wollen aus finanziellen und sozialen Gründen wieder arbeiten gehen. Der Staat hilft ihnen dabei; es gibt viel mehr Kinderbetreuung als in Österreich. Französische Frauen sind keine Superheldinnen, wenn sie Berufstätigkeit und Mutterschaft vereinbaren. Zwar ist das nicht immer einfach. Aber sie haben schon als kleine Mädchen gehört: Sei solidarisch mit deinem Partner, aber mache dich nicht von ihm abhängig! Und
mache die Karriere, die dir gefällt! Peter ist über meine Einstellung kein bisschen erschrocken. Er findet das normal. Er hat kein Problem damit, wenn ich auf Reportage fahren oder für eine andere Arbeit ein paar Wochen im Ausland verbringen muss. Als freiberufliche Journalistin muss ich verfügbar und flexibel sein. Er versteht das. Wenn ich zurückkomme und den ganzen Tag vor dem Computer verbringe (genial, es gibt auch Breitband-Internet im kleinen Dorf!), um über die Entwicklung der Wissenschaft in Russland oder die Physik der schwarzen Löcher zu berichten, bin ich immer froh, wenn ich ihm danach im Stall oder auf dem Feld helfen kann. Mit den Händen und mit dem Kopf zu arbeiten, schafft ein gutes Gleichgewicht. Und wenn ich durch das Tal blicke, bis zum Gipfel des Prijakt, dann fühle ich mich erhöht.
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2015 /// kultur /// comics
Sagenhafte Comics 88
Andi Unterkreuter lässt alte Sagen aus Osttirol in neuen Bildern aufleben und zeigt in seinen Comics die Kunst der ironischen Erzählung in zeichnerischer Verdichtung. Text: Gerhard pirkner /// FOTOS: marco leiter /// Zeichnungen: Andi unterkreuter
Wenn man Andi Unterkreuter gegenüber sitzt, hat man nach einiger Zeit das Gefühl, dass er Teil seiner eigenen Figurenwelt ist. Vielleicht macht das den guten ComicZeichner aus, vielleicht muss er irgendwann eins werden mit den Geschöpfen, die er zunächst erschafft, dann zum Leben erweckt und schließlich durch dieses Leben begleitet. Wie immer, wenn ein Pinsel oder Stift im Spiel ist, fokussieren wir als Betrachter auf das Sichtbare. „Das ist gut gezeichnet,“ hört Andi Unterkreuter immer wieder, eine Reaktion, die er einkalkuliert. Zum Lachen sind seine
Comics nämlich selten. „Meist sind meine Geschichten knalldüster. Deshalb halte ich den Leuten ein optisches Zuckerle hin.“ Das Gespräch mit dem Lienzer wird zum Gedankenspaziergang durch eine dramaturgische Welt, die der Comic-Normalverbraucher nie betritt. Unterkreuter, der in den letzten Jahren als Müllsortierer gearbeitet hat, ist nicht nur ein toller Zeichner, er ist vor allem ein Meister der hintergründigen Bilderzählung, einer Kunstform, deren Understatement so groß ist, dass sie als Kunst fast unsicht-
bar wird. Ganz ehrlich – wer von uns hält Comics für Kunst? Dabei sind Comics Erzählungen mit äußerst verdichteter Dramaturgie. Die Fantasy- und Actionfilme der Gegenwart haben die Comic-Ikonen der dreißiger Jahre in den Fokus einer neuen Generation gerückt, als Bildwelt der unbegrenzten Möglichkeiten, in denen Captain America und Hulk nicht einfach die Welt retten, sondern für dieses Unterfangen Ressourcen einsetzen, die nur durch die Fantasie ihrer Schöpfer begrenzt werden. Andi Unterkreuter ist Zeichner und Erzähler mit weit gesteckten Fantasiegrenzen.
Text: Daniela Ingruber /// Fotos: Privat Sein Kopf ist voller Geschichten, die den Weg nach draußen suchen. Das war schon immer so, schon in der Zeit, als er noch jung und Angestellter der Stadt Lienz war, im Kulturamt, damals geleitet von Gerhard Wassnig, einem Künstler. „Am Anfang willst du nicht Comic-Zeichner sein, sondern Künstler und dann orientierst du dich an Leuten, von denen du glaubst, dass sie Künstler sind,“ erzählt er. Naheliegend war die Literatur. James Joyce' „Ulysses“ (mittlerweile als Comic veröffentlicht!), Hubert Selbys „Letzte
Ausfahrt Brooklyn“, Wolfgang Borchert und Thomas Mann – Andreas Unterkreuter las viel und zum Teil auch Sperriges mit Faszination. „Wie diese Schriftsteller in ganz kleinen Einheiten, auf einer Seite zum Beispiel, so viele Emotionen, soviel Plastizität, so viele Charaktere beschreiben, das hat mich fasziniert und interessiert. Ich habe mich gefragt: Wie machen die das? Durch Weglassung? Durch Wortwahl? So bin ich zum Visuellen gekommen. Ich wollte zuerst Filme machen, habe aber gemerkt, dass man dafür mehrere Leute braucht. Und ich bin
ein Mensch, der gerne alles selber macht.“ Also wurde Andi Comic-Zeichner. Alles was er kann, hat er sich selbst beigebracht, hat die großen Meister seines Genres studiert. Burne Hogarth war einer dieser Meister, er hat die Tarzan-Comics der fünfziger Jahre gezeichnet. Wichtigster Impulsgeber für Unterkreuter war aber Scott McCloud. „Er hat alles zusammengefasst, was die Zeichner vorher intuitiv gemacht haben. Ab wann ist etwas ein Comic? Wann nur eine Aneinanderreihung von Bildern? Es gab eine Riesendis-
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2015 /// kultur /// comics
Familie Fuxjäger im April 2014: Katerina mit Alma und Klaus mit Kira
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kussion in den neunziger Jahren. McCloud hat bewiesen, dass es Kunst ist.“ Mit einigen Büchern im Gepäck und einer fixen Idee im Kopf kündigte Unterkreuter seinen sicheren Job bei der Stadt Lienz und ging nach Wien. Er wollte nicht Beamter sein, sondern Comic-Künstler. Dafür ließ er alles stehen und liegen und hat nur noch gezeichnet, gezeichnet, gezeichnet. „Es hat 10.000 Stunden gedauert, bis ich so zeichnen konnte wie heute. Nach 5.000 Stunden habe ich die ersten Aufträge bekommen.“ Erst nach fünf Jahren des Zeichnens beschließt Unterkreuter, seine Arbeiten der Kritik auszusetzen und sucht sich dafür gleich einen Meister aus: „Ich habe Harald Havas angerufen, meines Erachtens der Wichtigste in der Wiener Szene. Ich habe alle Harald Havas im Wiener Telefonbuch
durchtelefoniert und mich vorgestellt.“ Der Meister meinte: „Deine Arbeiten sind gut, aber ich sage dir eines, leben kann man von Comics nicht.“ So kam der Osttiroler, der die Aufnahmeprüfung an der Grafischen nicht geschafft hatte, dennoch in den inneren Zirkel der Wiener Zeichnerelite. „Alle waren begeistert. Aber mich hat das eher verunsichert.“ Und die finanziellen Prognosen trafen ein. Aber wirtschaftlicher Erfolg ist ohnehin kein Anspruch, den der Zeichner an sich und seine selbstgeschaffenen Fantasiegeschöpfe stellt. Er lebt mit und nicht von seinen Figuren. Wie sollte er seinen systemkritischen Helden oder Sinella, dem Pin-up-Girl in der Hölle, übel nehmen, dass sie kein Geld verdienen? Darum geht es nicht in seiner Welt.
der ihm eigenen Gelassenheit und einem Schuss Aussteigerromantik: „Man muss dem kapitalistischen System seinen Tribut überweisen, aber außerhalb dieses Systems bin ich frei.“ Diese Freiheit nimmt sich Unterkreuter auch künstlerisch in einem Projekt, das er gemeinsam mit dolomitenstadt.at realisiert. Mit der Popularität von Comicverfilmungen sind Comics präsenter als je zuvor. Gleichzeitig eröffnen Graphic Novels neue Möglichkeiten der Beschäftigung mit sozialen Praktiken und kollektiver Erinnerung. Und hier kommt Andi Unterkreuters künstlerische Subversion ins Spiel, seine verschmitzte und zugleich radikale Art der Auseinandersetzung mit dem Lieblingsthema vieler Osttiroler Künstler: der eigenen Heimat.
Jahrelang hat Unterkreuter nach seiner Rückkehr nach Osttirol Müll sortiert, mit
Was Christoph Zanon, Johannes Troyer, Gerold Foidl und andere heimatkritische
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2015 /// kultur /// comics
Andi Unterkreuter zeichnet seine Comics mit der Hand und scannt die Figuren erst zur Nachbearbeitung auf dem Rechner ein.
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Autoren literarisch abarbeiteten, nimmt Unterkreuter als zeichnender Erzähler mit scheinbar leichter Hand in Angriff: das schwierige Thema der Osttiroler Identität, an die sich der Zeichner auf einer zunächst unverdächtig wirkenden Ebene annähert. Unterkreuter zeichnet in einer Kooperation mit dem DolomitenstadtVerlag Osttiroler Sagen – als Comics! Das ist zum einen ein vergnügliches Unterfangen, schließlich sind Sagen ein Archetyp dramaturgischer Unterhaltungskunst, mit allem, was man für einen echten Thrill so braucht, Monster und Übersinnliches, Gefahr und überraschende Wendungen. „Meine Lektorin hat gesagt, bist du deppert, gehst du jetzt auf die Edelweißschiene? Aber das ganze Klischee, das wir von dieser Sagenwelt haben, ist doch Blödsinn. Die Jungen schauen sich Mysteryfilme an – die wollen eine Mystifizierung der Umgebung. Ein Berg ist unheimlich, ein Baum ist unheimlich.“ Es ist aber auch eine Gratwanderung am Rand eines Abgrunds, den die Osttiroler Seele entweder nicht sehen oder nicht als Gefahr erkennen will. Unterkreuters Sagengestalten geistern nicht durch eine fremde, längst versunkene Mittelalterkulisse, sie begegnen uns im Heute, wie Geister, die wir nicht loswerden. Etwa in den „Feuerbunzen“, einer klassischen Irrlichter-Sage, die in Unterkreuters Interpretation nicht nur ein junges Pärchen an den Rand des Wahnsinns bringt, sondern auch ein Schlaglicht auf die SmartphoneGeneration wirft. Mitte April wird der erste Osttiroler SagenComic von Andi Unterkreuter auf dolomi-
Auf dolomitenstadt.at wird der Zeichner Osttiroler Sagen als Comics interpretieren. Unsere Leser dürfen gespannt sein!
tenstadt.at zu sehen sein. Acht bis zehn weitere Episoden zeichnet der Künstler im Laufe des Jahres in einem visuellen und erzählerischen Experiment, auf das sich unsere Leser schon jetzt freuen dürfen. Der ebenso verschmitzte wie tiefsinnige Exmüllmann und Arbeiter, der Exbeamte und Exwiener, der bescheidene Querdenker hält uns einen Spiegel hin und fragt zugleich: „Was siehst du?“ Die Antwort geben wir uns selbst. Manche spüren bei den Comics des Lienzers gar nichts, anderen fällt dazu nur ein Wort ein: genial.
M O Z A R T Tiroler Barockinstrumentalisten Vocalensemble NovoCanto
Mozart-Requiem SolistInnen: Susanne Langbein – Sopran Marija Jokovic – Alt, Markus Schäfer – Tenor Andreas Mattersberger – Bass Leitung: Wolfgang Kostner
Sa, 30.05.2015, 20 Uhr Kirche Zur Hl. Familie Karten im BürgerInnenservice/Liebburg und an der Abendkasse Reservierung unter Telefon 04852/600-519, stadtkultur@stadt-lienz.at oder www.stadtkultur.at
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