Dolomitenstadt - 04/2015 Leseprobe

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Das Magazin fĂźr Lienz und die Region 04 | 2015

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extrem Tom gaisbacher und melissa presslaber am steilhang

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29. Dezember Slalom 10.30 / 13.30 Uhr


eDITORIAL von gerhard pirkner

Liebe Leserin, geschätzter Leser, je kälter die Tage, je dunkler die Nächte, desto wichtiger ist guter Lesestoff, als Nahrung für die Fantasie und Seelenwärmer, als Zeitvertreib und Stimmungsaufheller. Wir haben Erstaunliches und Erbauliches für Sie gesammelt und spannen einen bunten Bogen von Petra Stranger, die mit ihrer Familie der Wegwerfgesellschaft zu entrinnen versucht, bis zu den modernen Helden der winterlichen Bergwelt, die ihre Spuren auf extremsten Bergflanken hinterlassen, wie Tom Gaisbacher und Melissa Presslaber. Hört man den beiden zu, dann spürt man die Lust am Abenteuer, aber auch viel Respekt vor der Natur. Ein Abenteuer der Superlative hat Fotografin Ramona Waldner erlebt, die eine besonders bunte Geschichte erzählt, von einer Reise um die Welt auf den Spuren seltener Rinder! So wird unsere Sehnsucht nach der Ferne wachgehalten, während zu Hause in der gemütlichen Stube Dolomitenstadt-Mitarbeiterin Evelin Gander einen traditionellen Osttiroler Zelten bäckt – und uns dabei an alte Weihnachtsbräuche und -rituale erinnert. Wenn es kalt und dunkel wird, dann hat nicht nur der Backofen Hochsai-

son, sondern auch das Bastelwerkzeug, wie Evelin Girstmair beweist, die bezaubernde Puppen schneidert und auch für weniger geübte Näher und Näherinnen ein entzückendes Weihnachtsgeschenk zum Selberbasteln bereit hält. Womit wir bei einem wichtigen Thema wären: den Geschenken! Sie gehören nun einmal zum Weihnachtsfest und sind, wenn sie von Herzen kommen, doch jedes Jahr ein Quell der Freude – für Schenkende und Beschenkte. Also haben wir uns auf die Suche gemacht und die erstaunlichsten

Geschenkideen für jeden Geschmack entdeckt. Eine Handtasche aus Holz? Ein Matrosenanzug? Eine handgefertigte Lederhose oder eine HiFi-Anlage der Superlative? All das finden Sie in unserem Wintermagazin und dazu weitere 43 ausgewählte Geschenktipps, die kaum Wünsche offen lassen. Ich wünsche Ihnen im Namen des gesamten DOLOMITENSTADT-Teams ein frohes Fest und eine schöne Winterzeit!

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inhalt

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klänge Stefan Pickl hat die Röhren für Klangverwöhnte. Seite 78

leben

wirtschaft

006 krampus

056 Klassisch vom Hirsch

Filmreif nicht nur in Osttirol

Die Osttiroler Lederhose

008 moderne nomaden

060 Mit Seil und Faden

Langsamkeit und Aufmerksamkeit

Textile Ideen von „dawuschn“

014 leise rieselt die weide

064 Der fesche Ferdl

Seltener Baum am Speicherteich

Der Matrosenanzug ist wieder da

020 So schmeckt Weihnachten

068 Holz trifft Tasche

Evelin Gander bäckt Zelten

Tragbares Design vom Tischler

026 Winterzauber

072 Schatzsuche beim TrödElmair

Fotografiert von Wolfgang C. Retter

Ein Laden voll Raritäten und Geschichten

034 geocaching

078 Der gute Ton

Weihnachtsrätsel mit GPS knacken

Audiophiler Luxus aus Matrei

038 ramonas weltreise ...

084 maroni und prosecco

... auf den Spuren der Rinder

Man trifft sich bei Edi & Margit Glanzl

052 Ein Schaf mit Flügeln Basteln mit Evelyn Girstmair


Sport & Action 088 die perfekte linie Tom Gaisbacher f채hrt steil bergab

094 wie Schwerelos Interview mit Melissa Presslaber

100 Eiskletterpark

schw체nge Melissa Presslaber schwebt auf Wolken. Interview mit der Extremsportlerin. Seite 94 5

Vittorio Messinis neues Projekt

kultur & Szene 102 Musik mit Seele auf Vinyl Benjamin Kantschieders Klangwelt

106 Kunst ist mein Schicksal Galeristin Christina Winkler-Darby

110 F체nf Saxophone in Bewegung Die Erfolgsgeschichte von Saxroyal

114 Eine Weihnachtsgeschichte Erz채hlt von Simon Martinschitz

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Geschenke, die Freude machen, auf den Seiten 116-129!


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Text: gerhard pirkner /// fotos: expa/johann groder

2015 /// leben /// weihnachtszelten

Text: daniela ingruber /// fotos: Expa/Hans groder

das kollektiv

culinaria tirolensis


So schmeckt Weihnachten evelin gander bäckt zelten.

Birnen, Nüsse und Rosinen in einem rosa Schaffl und in unglaublichen Mengen mit Rum zu einem köstlichen Brei vermischt. Dabei erhalten wir Unterricht in Brauchtumskunde: „Mit der Adventszeit begann die ruhige Zeit, die Vorbereitung auf den Heiligen Abend. In die Kirche ging man früher sowieso täglich, auch unter dem Jahr. Vor dem Frühstück und der Arbeit besuchten die Bauern die Frühmesse, am Abend wurde in der Stube Rosenkranz gebetet.“

„Heute müssen 15 verschiedene Sorten Kekse gebacken und jede Menge Geschenke gekauft werden, Wohnung und Christbaum werden in der neuen Weihnachtstrendfarbe geschmückt, man hetzt zu Weihnachtsfeiern und ChristkindlmarktTreffen, ist am Ende übersättigt, kocht dennoch ein opulentes Festessen und ist froh, wenn alles vorbei ist, ohne größere Familienstreitigkeiten und Weihnachtsdepression.“ Während Evelin Gander dieses Horrorszenario schildert, praktiziert sie vor unseren Augen das genaue Gegenteil. Sie bäckt ein Stück bäuerliche Tradi-

Evelin baut flugs aus einem Brett und zwei Sesseln eine praktische Anrichte, legt ein blütenweißes Tuch über das Brett und bestäubt es in einer anmutigen Bewegung mit Mehl, ohne ihre Erzählungen zu unterbrechen: „In der Fastenzeit wurden keine Kekse gebacken, es gab keinen Tanz und keinen Alkohol. Der Zelten wurde oft am Thomastag, dem 21. Dezember, gebacken. Es war mehr Arbeit als heute, weil die Zutaten nicht gekauft wurden.“ Es gab mehr Nussbäume in der alten Zeit, Birnen, die im Ofen zu „Kletzen“ getrocknet wurden und natürlich Zwetschken. Erst später kamen Rosinen und Feigen dazu. Gemeinsam wurde in der Stube das „Zeltenzeug“

Evelin Gander ist nicht nur Biobäuerin in Alkus und Stadtführerin in Lienz, sondern auch Dolomitenstadt-Autorin und Betreuerin unseres Cityguides. Für die Weihnachtsausgabe des Magazins hat sie uns zu sich nach Hause eingeladen und uns einen köstlichen Zelten gebacken – auf die traditionelle Art der Osttiroler Bergbauern. Das genaue Rezept finden Sie auch in Evelins Blog auf www.cityguide-lienz.at.

tion, das in seiner köstlichen Einfachheit nach einem Weihnachtfest schmeckt, das es in unserer üppigen Gesellschaft nicht mehr gibt – man ist versucht zu sagen: nicht mehr geben kann. Ob die alte Zeit so gut war, wie sie in der Erinnerung erscheint, sei dahingestellt. Dass sie langsamer verging und im Advent tatsächlich etwas „Heiliges“ an sich hatte, weckt Sehnsüchte, die in Evelins Küche erwachen, auch weil es plötzlich nach Weihnachten duftet. Wohl weil unsere Bäuerin gerade Feigen, getrocknete

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/// kulinarik 2015 /// 2015 leben//////leben weihnachtszelten

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Evelins Zeltenrezept Zeltenzeug: 250g Feigen, 100g Kletzen, 100g Haselnüsse, 300g Walnüsse, ½ Pkg. Aranzini, ½ Pkg. Zitronat und 300g Rosinen mit etwas Rum mischen und ziehen lassen. Brotteig: 1 kg Mehl (600g Roggenmehl + 400g Weizenbrotmehl), ½ Pkg. Germ etwas Sauerteig (beim Bäcker erhältlich) 2 TL Salz, Koriander, Kümmel, Fenchel lauwarmes Wasser Teigzutaten durchkneten, an einem warmen Ort mindestens eine Stunde rasten lassen. „Zeltenzeug“ unter den Brotteig kneten und nochmal etwas rasten lassen. Laibe formen und wieder mindestens eine halbe Stunde „gehen“ lassen. Im vorgeheizten Backofen bei ca. 200–250 °C backen.

hergerichtet, wurden Nüsse geknackt und Trockenfrüchte geschnitten. Uns läuft längst das Wasser im Mund zusammen, aber von einer Kostprobe sind wir noch weit entfernt. In der alten Zeit hatte man Zeit, also üben wir uns in Geduld und lassen den Teig, den Evelin mit Muskelkraft durchknetet, auch noch die gewünschte Zeit rasten. Heute läuft uns sowieso nichts mehr davon. „Wir mögen den Zelten eher brotig“, erklärt Evelin, deren Zelten auch gemeinsam mit dem hauseigenen Brot gebacken wird. Der Brotteig besteht im Verhältnis 60/40 aus Roggen- und Weizenmehl, unter das die Bäuerin Germ und etwas Sauerteig mischt. Neben Salz kommen noch Koriander, Kümmel und Fenchel dazu. Alles wird mit lauwarmem Wasser verknetet und rastet dann mindestens eine Stunde, bevor das Zeltenzeug untergeknetet wird und das Ganze noch eine Rastpause macht. Evelin nützt die Zeit, um uns zu Zeltenexperten auszubilden: „Nach dem Kneten des Teiges liefen die Bäuerinnen auf den nahen Anger und umarmten die Obstbäume mit ihren teigigen Händen. Die fruchtbarkeitsfördernde Kraft des Zelten sollte eine reiche Obsternte bewirken. In

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2015 /// leben /// weihnachtszelten

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manchen Landesteilen war es üblich, aus Teigresten und den Abfällen der Trockenfrüchte kleinere Zelten extra für die Tiere zu backen und sie ihnen als Maulgabe am Christtag zu verfüttern, um Glück in den Stall zu bringen.“ Wir sind nicht abergläubisch, also lassen wir diese Rituale aus und beobachten Evelin beim Formen der Laibe, die jetzt schon sehr appetitlich aussehen. Ihren imposanten Brotbackofen heizt unsere Zeltenexpertin auf rund 200 Grad vor. Bis es soweit ist, rasten die Laibe vor sich hin. Gut Ding braucht Weile und jede Pause eine Geschichte: „Der 24. Dezember war ein Fasttag, mittags gab es vielleicht eine Brennsuppe, dann nichts mehr. Schließlich musste man bei der Mitternachtsmette die Kommunion nüchtern empfangen.“ Ja und dann, gleich nach dem „Stille Nacht“ der Weihnachtsmesse, in tiefster, kalter Winternacht, war es soweit. Die Bauern

kamen heim in die warme Stube, in der kein Christbaum stand. Dieser Brauch wurde erst viel später eingeführt. Auf dem Küchentisch lag, verlockend und süß, für jeden Bewohner des Hauses ein einziges Geschenk: ein Laib Weihnachtszelten. Hier

endet Evelins Geschichte und wie durch ein Wunder signalisiert auch der Backofen, dass unser Zelten fertig ist. Wir können es kaum erwarten, bis er abgekühlt ist und wir ihn kosten dürfen. Keine Frage – so schmeckt Weihnachten!


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2015 /// wirtschaft /// der fesche ferdl

Text: daniela ingruber /// fotos: judith benedikt

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der fesche ferdl Johanna Adlaoui-Mayerl ist Modedesignerin und Kostümbildnerin. Seit einigen Jahren kreiert sie in ihrer Werkstatt ein Stück Vergangenheit und verknüpft es mit modernem Minimalismus: den Matrosenanzug.

Ein kleines Atelier im vierten Wiener Gemeindebezirk. Aus dem Nebenzimmer dringt das leise Rattern einer Nähmaschine. Es ist eine Mischung aus Vorführraum und Werkstatt, Schnitte liegen neben Stoffballen, eine hübsche Tasse hier, dort eine Schachtel mit sortierten Knöpfen. Vom Innenhoffenster fällt Licht auf Bilder und Postkarten der Kollektion, an verschiedenen Wänden hängen Kleider, Hosen und Jacken für Kinder, als warteten sie darauf, eingepackt und verschickt zu werden. Es sind Matrosenanzüge und

Kleidchen, alles aus feinstem Material. Sie strahlen Vertrautheit aus, wie eine Erinnerung aus einer längst vergangenen Zeit des Bürgertums. Und doch sind die Entwürfe minimalistisch, modern und die Stoffe sehen bequem zu tragen aus. Eine offensichtliche Neuinterpretation. Die Inhaberin dieses Kleinods ist Johanna Adlaoui-Mayerl, gebürtige Dölsacherin. Bis zu ihrem 14. Lebensjahr wuchs sie in Osttirol auf, ging dann mit ihren Eltern nach Innsbruck. „Aber ich fahre sehr gerne nach Lienz,“ sagt sie, „seit ich Kinder habe, ist es einmal pro Jahr Pflicht.“


Erste Berufserfahrungen: Theater statt Mode Die Modebranche ist kein Hobby, keine plötzliche Idee. Johanna Adlaoui-Mayerl hat die Meisterprüfung in Wien gemacht, wurde dann selbständig. Es war kein günstiger Zeitpunkt: „Damals war die Mode quasi schon tot. Die Firmen, die diese Ausbildung noch gebraucht hätten, sind gerade eingegangen.“ So ging sie ans Theater, wurde Kostümbildnerin, landete am bekannten Serapionstheater, wo man viel Sinn für ausschweifende Kostüme und Ausstattungen hat. Die Faszination packte die Osttirolerin sofort.

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Später studierte sie Theaterwissenschaft und bekam eine Assistenzstelle „an der Burg“. Dort stand sie bei den Proben auf der Bühne, entwickelte mit der Regie und den Schauspielern die Kostüme und sagt dazu heute: „Von außen hat man die Vorstellung, da kommt jemand, näht eine Figurine und der Schauspieler zieht das Kostüm an. Das ist aber im Schauspiel nicht so.“ Das Besondere war der Arbeitsprozess – und ist es bis heute. Wenn man sich mit Johanna AdlaouiMayerl unterhält, fällt dieses Stichwort häufig. Die Auftragsarbeit mag eine Sache sein, der Prozess dazu dürfte das sein, wo sie sich am liebsten entfaltet. Vom Theater ging es dementsprechend zum Film. „Da musste ich komplett umdenken“, sagt sie. Plötzlich war da nicht mehr wochenlang Zeit, um etwas gemeinsam zu erdenken, sondern es musste rasch gearbeitet und viel im Voraus

Minimalismus im Design und kindgerechte Funktion – das klassische Matrosenthema, neu interpretiert.


2015 /// wirtschaft /// der fesche ferdl

Moustafa Ahmadi setzt die Entwürfe um. Er ist ein fixer Mitarbeiter in der Werkstatt von Johanna Adlaoui-Mayerl.

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erdacht werden. Wenn sie heute darüber spricht, fällt dieses Nachdenken über Zeit und Endlichkeit auf, vor allem deshalb, weil sowohl der Filmbranche als auch dem Theater das Geld ausgeht und das bei der Ausstattung besonders zu spüren ist. „Ich habe gerne Kostüme für das Tanztheater gemacht, aber wenn der Regisseur oder Choreograph entscheiden muss, ob er sich Kostüme oder noch einen Tänzer leistet –“, hier unterbricht sie sich selbst, lächelt ein wenig traurig und fährt fort: „Natürlich wirkt sich das auch auf die Ästhetik aus, denn es ist nicht freiwillig, dass jetzt alle in Trainingskleidung auftreten oder nackt. Du kannst die Ideen nicht mehr haben, weil sie nicht mehr finanzierbar sind. Aber das ist im Moment so – ein aussterbender Beruf.“ Wie ihr Atelier etwas von Nostalgie ausdrückt, kommt das Gespräch mehrmals

auf dieses Ende zurück. Vielleicht lag das ein wenig im Hintergrund, als sie vor einigen Jahren beschloss, ihre Werkstatt auch anders zu nützen: für Modeentwürfe. Hier kam ihr der Zufall entgegen. „Eine Freundin hat eine Themenhochzeit gemacht: Es ging um eine Kreuzfahrt, die sie sich schon lange gewünscht hatte. Damals war mein Sohn zwei Jahre alt und meine Freundin sagte: ‚Mach ihm einen Matrosenanzug.’ Da habe ich schnell aus einem weißen Leinenanzug etwas mit einem großen Kragen gebastelt.“ Das Modell gefiel allen so gut, dass daraus eine Geschäftsidee entstand. „Mein Matrosenanzug ist neu. Ich habe versucht, ihn so minimalistisch wie möglich zu machen, sodass er als modernes Kleidungsstück durchgeht. Er wird natürlich hauptsächlich für Feste gekauft, aber es sollte ein funktionierendes Kleidungsstück sein und nicht nur ein Einmal-Oma-erfreu-Kleidungsstück.“

Einst ein obligatorisches Kinderkleid – heute wieder hip Die Bemerkung ist kein Zufall, denn auf vielen Bildern des frühen 20. Jahrhunderts tragen Kinder den sogenannten Matrosenanzug. Zwischen 1850 und 1920 galt er als geradezu obligatorisches Kinderkleid. Ausgelöst wurde die Mode durch ein Porträt, das der Maler Franz Xaver Winterthaler vom damaligen englischen Thronfolger, Prinz Albert Andrew, malte. Adelige ließen für ihre Kinder die Matrosenanzüge nachschneidern und bald gab es Firmen, die damit in Serienproduktion gingen, etwa die Stuttgarter Firma Bleyle, die einen bequemen JerseyMatrosenanzug daraus machte. Erst in den späten 1960er Jahren verschwand der Matrosenanzug in Wien als typische Kleidung für die Erstkommunion und wurde als altmodisch betrachtet.


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Heute gibt es wieder einen Markt dafür, allerdings mit klar überarbeitetem Design, und nicht umsonst weist die Osttirolerin darauf hin, dass „jeder Designer das Marinethema hat, etwa Gaultier oder Coco Chanel. Es ist ein interessantes Modell, weil es eigentlich eine Berufsuniform ist“. In den Osttiroler Auslagen sieht man den Matrosenanzug kaum. Adlaoui-Mayerl hat die Erklärung dafür: „.Ich habe keine Tiroler Kunden, denn diese Tradition hat Tirol nicht. Würde ich in Osttirol leben, würde ich Trachten machen.“ In Wien oder Salzburg ist das anders und 80 Prozent ihrer Kunden kommen sowieso aus dem Ausland. Viele bestellen online. Durch die Kundenwünsche sind neue Modelle entstanden, etwa mit Langarm oder das Mädchenkleid, das Lotte heißt, während die Kollektion für Buben „der fesche Ferdl“ genannt wurde. Nur eines möchte sie nicht schneidern: „Ich werde oft gefragt,

ob ich Matrosenanzüge auch für Erwachsene mache, aber das geht mir zu sehr ins Verkleiden.“ Auch ein eigenes Geschäft stand zur Diskussion, doch dafür glaubt AdlaouiMayerl in Wien nicht die Klientel zu haben. „Da müsste man eher in Hamburg einen großen Laden aufmachen“, sagt sie, „das würde Sinn ergeben, weil das ist die Gegend, wo das wirklich große Tradition hat, und es gibt das Meer und das Bürgertum dazu.“ Für das Theater ist sie noch immer tätig, leidenschaftlich sogar, etwa bei den Salzburger Festspielen. Die Modelinie wird in den Phasen dazwischen erarbeitet. Sie hat Freude an beidem. „Das Kostümgenre, von dem man leben kann, gibt es nicht mehr. Aber es sterben auch der große Fundus, die Infrastruktur, die Handwerker. Das ist etwas, das man halten muss.“ Nur

wie, wenn die Budgets so sind, wie sie sind? So fügt sie hinzu: „Ich produziere gerne. An die Idee, dass Designer nur irgendetwas aufkratzeln und es passiert dann irgendwo in China, glaube ich nicht. Man muss auch diese Idee beschützen, dass man selber etwas herstellen kann.“ Den feschen Ferdl findet man im Internet unter: www.matrosenanzug.com


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